Anaphylaktische, allergische, pseudoallergische Notfälle
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Anaphylaktische, allergische, pseudoallergische Notfälle
Anaphylaktische, allergische, pseudoallergische Notfälle Thomas Friebe Michael Jünger Allergische Soforttyp-Reaktion IgE, Mastzellen und Histamin sind im Zentrum der allergischen Soforttyp-Reaktion. Histamin kann das ganze Symptomenspektrum allergischer Reaktionen auslösen: •Erythem •Ödem •Bronchospasmus, Koliken •Rhinitis •Juckreiz Urtikaria und Angioödem Definition: Die Urtikaria (Urtica=Brennessel) ist ein durch flüchtige, juckende Quaddeln (Ödeme im oberen Corium) gekennzeichneter Hautausschlag unterschiedlichster Ätiologie, der fast ausnahmslos durch eine umschrieben kutane Histaminfreisetzung entsteht. Urtikaria und Angioödem: Klassifikation nach Ätiologie immunologisch anaphylaktischer Typ Immunkomplex-Typ Pharmakologisch (pseudoallergisch) Histaminliberatoren Aspirin-Additiva-Intoleranz Physikalisch z.B. mechanisch, thermisch (21 Typen) Ätiopathogenese ungeklärt z.B. durch Fokal-Infekte, Magen("idiopathisch") Darm-Erkrankungen, Neoplasien Sonderform: hereditäres Angioödem Immunologische bedingte Urtikaria •IgE - vermittelte Urtikaria (anaphylaktischer Typ) Sie wird vor allem durch Nahrungsmittel und Medikamente ausgelöst •Immunkomplexvermittelte Urtikaria Für die Urtikaria im Rahmen der Serumkrankheit sind Immunkomplexe verantwortlich, die IgE – unabhängig zur Histaminfreisetzung führen Pharmakologische bedingte Urtikaria •Urtikaria durch Histaminliberatoren IgE – unabhängig können bestimmte Pharmaka (z.B. Plasmaexpander, i. v. Anästhetika) Histamin aus Mastzellen freisetzen und so Quaddeleruptionen hervorrufen. •Acetylsalicylsäure – Additiva –Intoleranz 20 – 30 % aller Patienten mit chronischer Urtikaria. Intoleranzreaktionen sind sog. Pseudoallergien. Als Pathomechanismus der Peudoallergien wir die Hemmung der Zyklooxygenase mit Aktivierung der Leukotriensynthese angenommen Manifestationen der Azetylsalizylsäure-Intoleranz (Intoleranzprovokation) chronische Rhinitis + ASS Æ Fließschnupfen chronisches Asthma + ASS Æ Asthma-Anfall chronische Urtikaria + ASS Æ Urtikaria-Schub Schätzung der Prävalenz einer ASS-Intoleranz bei Patienten mit allergischer Rhinitis: 1 – 4% nasaler Polyposis: 14 – 23 % Asthma bronchiale: 8 – 20% chronischer Urtikaria: 23 – 28% Physikalische Urtikaria •Urticaria factitia Urtikarieller Dermographismus durch Druck – Reibe – Wirkung. Häufigste physikalische Form. Es bestehen zusätzlich Sonderformen •Cholinergische Urtikaria (generalisierte Wärme – Urtikaria) •Druckurtikaria, Kälte Urtikaria (lokale Kältekontakturtikaria oder generalisierte •Lichturtikaria •Ungeklärte (idiopathische) Urtikaria Diagnostik: • Anamnese • Asschluss einer physikalischen Auslösbarkeit durch Provokationstest • Stuhl- und Urinuntersuchung • Allergologische Testungen (in begrenztem Ausmaß) • Laboruntersuchungen • Allgemeine Fokussuche (in anderen Fachbereichen, v.a. HNO-zahnärztliches Gebiet) • Provokationstestungen (Eliminations-mit anschließenden Suchdiäten z.B. nach einzelnen Lebensmittelgruppen oder Nahrungsmittelzusatzstoffen) Scratch-Test zur Diagnostik von Typ I-Sensibilisierungen Prognose Die spontane Rückbildung der akuten Urtikaria liegt bei etwa 90%, chronische Formen können über Jahre persistieren. Angioödem Synonym: Angioeurotisches Ödem. Sonderform: hereditäres angioneurotisches Ödem (HANE) oder Quincke- Ödem. Definition: Das Angioödem ist ein Ödem der Subkutis. Es tritt in ca. 50% zusammen mit einer Urtikaria auf, kann aber auch isoliert in Erscheinung treten. •Ätiologie Ein Angioödem tritt immer anfallsartig auf, kann zu grotesken Gesichtsschwellungen führen und bedeutet im Kehlkopfbereich Lebensgefahr. Juckreiz gering. Therapie: Absetzen eines verdächtigen Medikaments; zusätzliche Gabe von Antihistaminika, ggf. Kortikosteroide erforderlich. Larynxödeme stellen eine vitale bedrohliche Situation dar. Stationäre Überwachung Hereditäres Angioödem DD Angioödem bei und ASS-Einnahme Epidemiologie: Das hereditäre Angioödem(HAE) ist sehr selten Ätiologie und Pathogenese: Basisdefekt des HAE ist ein Mangel des C1Inaktivators (der C1-Esterase-Inhibitor schützt den Organismus vor einer unkontrollierten Komplementaktivierung). Scheinbar spontan oder nach Bagatelltraumen kommt es zu gefährlichen Ädemattacken der Subkutis Klinik: Klinisch treten episodische Schwellungen im Bereich der Haut (umschriebene Ödeme), des Magen-Darm-Traktes (krampfartig wiederkehrende Schmerzen) und seltener Luftwege (Erstickungsgefahr durch Larynxödem) auf. Therapie: i.v. Gabe des synthetischen C1-Esterase-Inhibotors. Antihistaminika und Krtikoide sind wirkungslos. Die Langzeitprophylaxe erfolgt mit dem Androgen Danazol. Anaphylaxie Es handelt sich um eine schwere, lebensbedrohliche, den gesamten Organismus erfassende Überempfindlichkeitsreaktion. Sie kann IgEvermittelt sein, gelegentlich auch durch Immunkomplexe oder Komplementaktivierung ausgelöst werden (allergische Anaphylaxie). … Substanzen, die anaphylaktische Reaktionen (allergische und nichtallergische Formen) verursachen: - Arzneimittel, besonders β-Laktam-Antibiotika, nichtsteroidale Antiphlogistika - Röntgenkontrastmittel - Nahrungsmittel - Insektengifte - Seminalplasma, Plazentagewebe - Licht - Kontakturtikariogene, besonders Naturlatex - Anstrengung - Summation verschiedener Auslöser Gradeinteilung zur Differenzierung anaphylaktischer Reaktion und therapeutisches Vorgehen Grad Klinik Mögliche Prodomalsymphtome: Brennen, Jucken und Hitzegefühl auf und unter der Zunge, an Rahen, Handtellern und Fußsohlen Therapie I (leichte Allgemeinreakion) •Juckreiz, Urtikaria, Flush •Heiserkeit, Dyspnose •Unruhe, Kopfschmerzen •Kühlende Umschläge mit Juckreiz stillendem Zusatz z.B. Polidocanol, lokale Kortikosteroide •Antihistaminikum oral oder i.v. z.B. Clemastin 4mg (=1Amp) •Bei protrahiertem Verlauf Prednisolon 0,5-1mg/kg KG II (ausgeprägte Allgemeinreaktion) •Juckreiz, Urtikaria, Flush •Tachykardie, Hypotonie •Bronchospasmus, Dyspnoe, Larynxödem •Stuhldrang, Übelkeit •i.v. Zugang mit Verweilkanüle •Volumensubstitution mit 0,9%iger NaCl-Lösimg •Antihistaminikum i.v., z.B. Clemastin 4mg (=1Amp.) •Prednisolon 250-500mg i.v. III (bedrohliche Allgemeinreaktion) •Juckreiz, Urtikaria, Flush •Schock mit Hypotension •Bronchospasmus mit bedrohlicher Dyspnoe •Bewusstseinstrübung •Akutes Abdomen, Erbrechen, Stuhl- und Urinabgang •Adrenalin i.v. (Suprarenin (0,1 ml aus Verdünnung 1:1000, mehrfach wiederholbar) oder oral Epinephrin über Pumpspray (z.B. Infekto Krupp Inhal) •Inhalativ β-Mimetikum (z.B. Salbutamol Dosieraerosol ggf. Theophyllin (5mg/kg KG i.v. initial) •Kontrolle von Atmung und Kreislauf mindestens 60 min IV (vitales Organversagen) •Atem- und Kreislaufstillstand •Wie bei Grad II/III •Prednisolon 500-1000mg i.v. •zusätzlich kreislaufwirksame Maßnahmen Schockbehandlung Volumen- und Sauerstoffabgabe •Stationäre Aufnahme, ggf. Reanimation Anaphylaktoide Reaktionen Sind Pseudoallergien mit klinischen Zeichen einer Anaphylaxie. Pathogenetisch kommen in erster Linie eine direkte Histaminfreisetzung und eine antikörperunabhängige Aktivierung von Mediatorsystemen infrage. Arzneimittelreaktionen Epidemiologie: In ca. 15% führen Medikamente zu UAW‘s, ca. 5% werden deswegen stationär behandelt, 1- 3% verlaufen lateral. Haut und angrenzende Schleimhäute sind mit 80% am häufigsten betroffen. Betroffene sind v. a. ältere Menschen Man unterscheidet heute 6 verschiedene Typen von UAW‘s (Typ A- F). 1. toxisch- pharmakologisch (Typ A) 2. unabhängig von der Dosis (Typ B) 3. durch kumulative Dosen (Typ C) 4. späte, dosisunabhängige Reaktionen (Typ D) 5. Reaktionen durch Entzug des Medikaments (Typ E) 6. Reaktionen durch Fehlschlagen der Therapie (Typ F) Risikofaktoren sind: Alter, Geschlecht, HLA- Typ, Medikamentenmetabolismus, Grunderkrankung Nur wenige Substanzen können mit in-vitro- Verfahren überprüft werden Neuere Verfahren wie der LTT sind nur eingeschränkt aussagekräftig. Die Reexposition z. B. im oralen Provokationstest stellt weiterhin den Goldstandard dar. Ampicillin- Exanthem Definition: Häufigstes, stammbetontes makulo- papulöses Exanthem, das nach einer charakteristischen Latentzeit von ca. 7- 10 Tagen bei ca. 10% der mit Ampicillin Behandelten auftritt. Ätiologie: Eine nicht allergische Genese ist wahrscheinlich. Eine AmpicillinTherapie bei infektiöser Mononukleose führt in nahezu 100% der Fälle zum Ampicillin- Exanthem. Das Ampicillinexanthem ist keine Allergie. Bienen- und Wespengiftallergie Epidemiologie: 0,8-5% der Gesamtbevölkerung hat systemische Reaktionen. Ätiopathogenese: im Fall einer systemischen Reaktion liegt fast immer eine IgE-abhängige Sensibilisierung vor, die sich im Hauttest uns RAST nachweisen lässt. Erythema exsudativum multiforme Def.: Akute, selbstlimitierte Entzündungsreaktion im oberen Corium mit Ausbildung typischer kokardenförmiger Läsionen. Man unterscheidet eine Minorund eine Majorform Atiologie und Pathogenese: Die Erkrankung tritt häufig auf nach Infektionskrankheiten v. a. nach Herpessimplex-Infektionen, aber auch nach Infektionen durch Steptokokken und Mykoplasmen. Arzneistoffe können Auslöser sein, selten auch Paraneoplasien Klinik: Prodomi sind Symptome eines banalen Infekts, danach rasches Auftreten konzentrisch aufgebauter Ringe mit zentraler Papel/ Blase (Kokarden). Bei der Majorform kommt es auch zu Allgemeinsymptomen mit Schleimhautbefall. Die schwerste Verlaufsform stellt das Stevens- Johnson-Syndrom (SJS) dar. Komplikationen entstehen durch Sekundärinfektionen. Diagnostik und Differenzialdiagnose: Die korkardenartigen Läsionen erlauben eine Blickdiagnose. Bei Schleimhautbefall müssen Pemphigus vulgaris, bullöses Pemphigoid, Lichen ruber mucosae, Gingivostomatitis herpetica, polymorphe Lichtdermatose und Sweet- Syndrom ausgeschlossen werden. Toxische Epidermale Nekrolyse (TEN) Synonym: Epidermolysis acuta toxica, Lyell- Syndrom Def.: Schweres, akut auftretendes Krankheitsbild mit generalisierter Ablösung der Epidermis und des Schleimhautepithels und vitaler Gefährdung (Letalität ca. 30%) Ätiologie und Pathogenese: Es handelt sich um eine sehr seltene Arzneimittelwirkung. Frauen und immunsupprimierte junge Männer sind häufiger betroffen. Auslöser sind zahlreiche Medikamente, oft in Kombination mit Infekt oder Malignom. Diskutiert werden: zytotoxische CD8+- T- Lymphozyten und durch FAS- Liganden vermittelte Apoptose der Keratinozyten