FamRB 2011, 316 ff.
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FamRB 2011, 316 ff.
FamRB / 1 FamRB-Beratungspraxis Aktuelle Praxisfragen & Die Hinzuziehung des Auskunftsberechtigten gem. § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB – ein ungeklärtes Problem der Güterrechtsnovelle von FAFamR Dr. Walter Kogel, Aachen Das OLG Hamm hat mit Beschl. v. 21.3.2011 – II-8 WF 14/11 entschieden, dass es der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs zum Zugewinnausgleich entgegenstehe, dass die Auskunftsverpflichtete den Berechtigten entgegen der ausdrücklich im Urteil titulierten Verpflichtung und trotz rechtzeitig gestellten Verlangens nicht zur Anfertigung des Bestandsverzeichnisses hinzugezogen hatte. Der Verfasser nimmt diese Entscheidung, eine der seltenen Entscheidungen zu dieser Problematik, zum Anlass, die Möglichkeiten und Risiken des Anspruchs auf Hinzuziehung des Auskunftsberechtigten gem. § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB vor und nach der Güterrechtsnovelle aufzuzeigen. I. Rechtslage vor der Güterrechtsnovelle Bis zum Inkrafttreten der Güterrechtsnovelle (1.9.2009) hatte der Auskunftsberechtigte nur einen Anspruch auf Vorlage eines Bestandsverzeichnisses. Belege konnten im Gegensatz zur Regelung beim Unterhalt (§ 1605 BGB) nicht eingefordert werden. Gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. konnte jeder Ehegatte verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 BGB vorzulegenden Verzeichnisses zugezogen wurde. In der familienrechtlichen Praxis stellten derartige Anträge eine absolute Rarität dar. Gerichtliche Entscheidungen hierzu finden sich so gut wie keine. Der BGH1 und das KG2 haben sich mit dem Problem lediglich beiläufig befasst. Auch in der Kommentarliteratur wurde bislang nur lapidar darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um ein reines Kontroll- und kein Mitwirkungsrecht handele. Dieser Anspruch eröffnete keine Befugnisse, auf den Inhalt der Auskunft Einfluss zu nehmen.3 Als Grund für das gesetzlich vorgesehene Hinzuziehungsrecht wurde angeführt, dass dem Berechtigten ja kein Beleganspruch zustehe.4 1 2 3 4 BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 48/88, FamRZ 1989, 954. KG v. 26.8.1997 – 18 UF 9074/96, FamRZ 1998, 1514. So z.B. Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 1379 Rz. 11. So z.B. KG v. 26.8.1997 – 18 UF 9074/96, FamRZ 1998, 1514. 5 Siehe S. 21 der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung unter Bezugnahme auf die Empfehlung des 14. DFGT unter B III 1b, Brühler Schriften zum Familienrecht, Bd. 12, 2001, S. 97/100. 6 OLG Hamm v. 21.3.2011 – II - 8 WF 14/11, zu finden in FamRB online. 7 So KG v. 26.8.1997 – 18 UF 9074/96, FamRZ 1998, 1514. Datei PF-00579_OK_FF.rtf vom 06. 09. 2011 15:13 II. Rechtslage ab dem 1.9.2009 Unverändert gegenüber der alten Rechtslage regelt nunmehr § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB n.F., dass jeder Ehegatte verlangen kann, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 BGB vorzulegenden Verzeichnisses zugezogen wird. Neu ist jedoch die in § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. geregelte Belegpflicht. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass der Gesetzgeber auch in diesem Bereich mehr als nachlässig gearbeitet hat. Er ist mit der Einführung einer Belegpflicht im Zugewinnausgleichsrecht einer vielfach geäußerten Forderung auf deutschen Familiengerichtstagen nachgekommen.5 Damit soll ein Gleichlauf der Auskunftsansprüche im Zugewinn- wie im Unterhaltsverfahren erreicht werden. In § 1605 BGB ist insoweit ja seit jeher eine Belegpflicht konstituiert. Dass durch die neue Belegpflicht die Hinzuziehungsverpflichtung u.U. ihre Berechtigung verlieren könnte, ist dem Gesetzgeber nicht in den Sinn gekommen. Auch in den Materialien findet sich zu der Problematik keinerlei Hinweis. Nach der Güterrechtsnovelle hat sich das OLG Hamm6 mit diesem Problemkreis befasst. Kurz zusammengefasst stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Durch Urteil des AG von April 2010 war die Antragstellerin verpflichtet worden, Auskunft zum Endvermögensstichtag (14.2.2008) zu erteilen. Zudem wurde die Berechtigung des Antragsgegners, bei der Anfertigung des Verzeichnisses zugegen zu sein, tenoriert. Nachdem der Antragsgegner wegen Nichtvornahme der Verpflichtung aus dem Teilurteil ein Zwangsgeld beantragt hatte, übersandte die Antragstellerin ihm das Vermögensverzeichnis. Trotzdem setzte das AG ein Zwangsgeld fest, weil der Antragsgegner – trotz nochmaliger zuvoriger Anmahnung – nicht hinzugezogen worden war. Über die insoweit eingelegte Beschwerde hatte das OLG Hamm zu entscheiden. Das OLG Hamm hat die Beschwerde mit einer sehr kurzen Begründung zurückgewiesen und sich auf die bisherige Rechtsprechung des BGH gestützt. Da im Urteil eine Hinzuziehung ausgesprochen worden sei, sei der Auskunftsanspruch regelmäßig noch nicht erfüllt, soweit der Berechtigte trotz rechtzeitig gestellten Verlangens nicht hinzugezogen wurde.7 Genau dies hatte der Berechtigte hier getan. Die Hinzuziehung könne selbst dann noch geltend gemacht werden, wenn das Bestandsverzeichnis bereits erstellt worden sei. Die innere Rechtfertigung leite sich daraus ab, dass der Auskunftsanspruch 2 FamRB / FamRB-Beratungspraxis Aktuelle Praxisfragen nach § 1379 BGB a.F. nicht dazu berechtige, die Vorlage von Belegen zu Kontrollzwecken zu fordern. Daher müsse dem Auskunftsberechtigten die Möglichkeit der Kontrolle eingeräumt werden. III. Eigene Stellungnahme Die Verpflichtung zur Hinzuziehung könnte man nach Auffasung des Verfassers nur dann aufrechterhalten, sofern man nicht nur die Belegpflicht als Argument heranzieht, sondern vielmehr – wie auch der BGH beiläufig erwähnt hat – das Recht zur Anwesenheit damit begründet, dass der Antragsgegner durch die Hinzuziehung dazu angehalten werde, seine Angaben mit größerer Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit zu machen und Irrtümer über einzelne Punkte aufgeklärt werden könnten.8 Da aber – bislang unstreitig – der Auskunftsberechtigte keinerlei Einfluss auf den Inhalt des Verzeichnisses nehmen kann, erscheint dieses Argument wenig überzeugend. Mit anderen Worten: Wenn Belege vorgelegt werden, ist den Interessen des Anspruchsberechtigten Genüge getan. Er kann jetzt nicht mehr verlangen, hinzugezogen zu werden. Dieselbe Situation ergibt sich ja auch im Unterhaltsrecht, wo von vornherein keine Hinzuziehung vorgesehen war. In diesem Bereich wurden schon immer Belege geschuldet. IV. Ausblick Der Gesetzgeber sollte die Hinzuziehungsverpflichtung des § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB umgehend aus dem Gesetz streichen. Der Auskunftsberechtigte kann nämlich dadurch, dass er Belege verlangt, auf viel einfachere und bessere Weise seine Auskunftsinteressen schützen. Mangels einer entsprechenden Übergangsregelung gilt die Belegpflicht selbst für Zugewinnverfahren, die noch nach altem Recht begonnen wurden.9 Wahrscheinlich hat der Auskunftsberechtigte im Verfahren des OLG Hamm diese eigentlich naheliegende Möglichkeit übersehen. Seinen Auskunftsanspruch hätte er sofort um einen Beleganspruch ergänzen können. . Der Anspruch auf Hinzuziehung könnte ansonsten vor allem nach neuem Recht leicht dazu missbraucht werden, Zugewinnausgleichsverfahren noch „zäher‘‘ zu gestalten, als dies bislang schon denkbar ist. Denn wurden früherer nur insgesamt vier Auskünfte geschuldet (Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zum Endvermögen und diese jeweils für beide Ehepartner), sind es nach neuem Recht mindestens 12 Ansprüche10, nämlich solche . zum Anfangsvermögen, . zum Trennungszeitpunkt, . zum Endvermögen, wobei diese Ansprüche für jeden Ehepartner gelten. Zusätzlich wären diese auf Antrag auch noch mit den entsprechenden Wertermittlungsansprüchen zu erfüllen. Rechnet man die Belegansprüche, deren Umfang oftmals erst nach der Auskunft eingegrenzt werden können, für jeden Zeitpunkt noch hinzu, wird das Auskunftschaos perfekt. Ein Ehepartner, der das Verfahren gänzlich torpedieren will, könnte nach der jetzigen Rechtslage zu den jeweiligen Zeitpunkten auch noch Hinzuziehung ver- langen. Hieran kann zum einen der Ausgleichsberechtigte ein Interesse haben. Hat er z.B. den Zugewinn mit in den Verbund eingebracht und will er hierdurch die Scheidung verzögern (z.B. weil nacheheliche Unterhaltsansprüche nicht bestehen), ist dies ein probates Mittel, das Verfahren bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern. In gleicher Weise kann zum anderen der Ausgleichsverpflichtete ein Interesse haben, den Zugewinn erst gar nicht ermitteln zu lassen. Die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs wird ja bis zur Rechtskraft der Scheidung hinausgezögert (§ 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB).11 Eine Verzinsung findet bis dahin nicht statt. Zudem kann das Thema, ob und inwieweit die Hinzuziehung zumutbar erfolgt, sicherlich zusätzlich endlos variiert werden. Sowohl vom Ort als auch vom Zeitablauf und den Umständen her sind dem Einfallsreichtum der Ehegatten keine Grenzen gesetzt. Beispiele: . Wo hat die Hinzuziehung stattzufinden? Muss der Auskunftsberechtigte die (neue) Wohnung des Verpflichteten aufsuchen? Kann der Verpflichtete, der seine neuen Lebensumstände nicht offenbaren will, auf einem Treffen an „neutralem‘‘ Ort bestehen? . Wie ist in Fällen zu entscheiden, bei denen zuvor Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz gegriffen haben? Kann der Berechtigte darauf bestehen, deswegen eine Begleitperson mitzubringen? . Muss beim Wertermittlungsanspruch der Berechtigte ggf. zu einem weiteren Treffen den Steuerberater des Verpflichteten noch einmal aufsuchen, sofern Angaben zum Firmenwert gemacht werden mussten? . Zu welchem Zeitpunkt hat die Hinzuziehung stattzufinden? Nur zu den „üblichen‘‘ Arbeitszeiten‘‘ oder ggf. nur an Wochenenden? Kann für jeden Stichtag ein gesonderter Termin angeboten/verlangt werden? . Welche Personen dürfen anwesend sein? Begleitpersonen oder die (jeweiligen neuen) Lebensabschnittsgefährten der Eheleute? Dem Verpflichteten kann sicherlich nicht die Anwesenheit seines neuen Partners in seiner Wohnung verwehrt werden. Ist dies aber zumutbar, vor allem, wenn die betreffende Person vermeintlich der Trennungsgrund war? Dass diese Instrumente bei der Verzögerung von Verfahren bislang nicht extensiv eingesetzt wurden, verwundert schon. Auch von daher ist der Gesetzgeber aufgefordert, möglichst schnell den drohenden Missbräuchen eine Grenze zu ziehen. Stichworte: Auskunft – Zugewinnausgleich – Hinzuziehung des Auskunftsberechtigten 8 So BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 48/88, FamRZ 1989, 954. 9 Unstreitig, vgl. z.B. OLG Stuttgart v. 4.3.2010 – 18 WF 46/10, FamRZ 2010, 1734. 10 Vgl. hierzu i.E. Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 3. Aufl., Rz. 299 ff. 11 Die Möglichkeiten über einen vorzeitigen Zugewinnausgleich dem entgegenzuwirken, sollen hier nicht weiter vertieft werden, vgl. hierzu OLG Karlsruhe v. 25.4.2003 – 16 WF 6/02, FamRZ 2004, 466. FamRB / FamRB-Beratungspraxis Aktuelle Praxisfragen Zugewinnausgleich – Erfüllung des Auskunftsanspruchs 3