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Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand! Eine Betrachtung der Betrachtung der Umwelt im strategischen Management Verfasser: Dipl.-Kfm. Bastian Kuhl ist freier Mitarbeiter der PhilOs Managementberatung GbR, München und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft HSW, Luzern. Inhaltverzeichnis ABBILDUNGSVERZEICHNIS.............................................................................................. 3 1 EINFÜHRUNG................................................................................................................. 4 2 DIE SWOT-ANALYSE.................................................................................................... 5 3 4 2.1 GRUNDLAGEN DER SWOT-ANALYSE.......................................................................... 5 2.2 DIE SWOT-ANALYSE IN DER ANWENDUNG UND KRITIK ............................................ 6 DIE ENTWICKLUNG DER BLINDEN FLECKEN .................................................... 8 3.1 DIE DYNAMIK............................................................................................................ 10 3.2 DIE LINEARITÄT........................................................................................................ 11 DAS TOOL-TUNING .................................................................................................... 13 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................. 17 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das Modell der „Design“-Schule ......................................................................... 6 Abbildung 2: Beispiel einer klassischen SWOT-Matrix ............................................................ 7 Abbildung 3: Selbst- und Fremdreferenz ................................................................................. 11 Abbildung 4: Beispiel eines Wirkungsnetzwerkes ................................................................... 12 Abbildung 5: Ausprägungen des linearen- und des Kreislaufdenkens ..................................... 13 Abbildung 6: Zusammenfassung des Tool- Tunings ................................................................. 14 Abbildung 7: Eine beispielhafte, getunte SWOT-Matrix......................................................... 15 Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 1 4 Einführung „Einer Änderung unseres Denkens und Handeln (…) steht weniger der Mangel an geistigen und technischen Möglichkeiten entgegen als vielmehr ein ungeheurer Ballast an Traditionen und Tabus, an Lehrmeinungen und Dogmen. Obwohl keineswegs genetisch verankert, wurden sie doch von Generation zu Generation als unverrückbare ‚Wahrheiten’ weitergegeben. Eine der wichtigsten Aufgaben in Richtung eines neuen Denkens wird es daher sein, die eigentliche Natur jener Normen zu analysieren. Es gilt, die Scheinkonstanten unter ihnen zu erkennen, die – abgesehen von der Tatsache, daß sie unsere festgefahrene Situation zum Teil mitverschuldet haben – mit unserer heutigen Realität nicht mehr das geringste zu tun haben.“ (Frederic Vester 1 ) Die SWOT-Analyse zählt zu den beliebtesten und in der Praxis am meisten verwendeten Analysetools. 2 Weiterhin stellt die SWOT-Analyse das Standardeinstiegstool für die Umweltanalyse in der Unternehmensberatungspraxis dar. 3 Sie ist ein Werkzeug zur Analyse der internen Unternehmensfaktoren sowie der externen Umweltfaktoren. SWOT steht dabei als Abkürzung für „Strengths“ (Stärken), „Weaknesses“(Schwächen), „Opportunities“(Chancen) und „Threats“(Risiken). Die Wirkungsweise der SWOT-Analyse basiert auf der im westlichen Kulturkreis dominierenden analytischen Denkweise in monokausalen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (Wenn…, dann…!). 4 Damit wird mit der SWOTMatrix versucht, die nichtlineare, dynamische Unternehmungsumwelt durch einen linearisierenden Wirkungsmechanismus statisch abzubilden. Dieses Vorgehen führt zu blinden Flecken5 in der strategischen Umweltanalyse. CAPRA formuliert diese Prägung des westlichen Kulturkreises in Bezug auf die Wirtschaftswissenschaften wie folgt: 1 Vester (1980: 456) zitiert nach Ulrich (1988: 125). 2 In einer internationalen Studie der Financial Times Deutschland wurden 21.342 MBA Absolventen nach ihren bevorzugten Management-Tools befragt. Im Ergebnis kam die SWOT-Analyse auf Platz 2 aller Nennungen. Vgl. Bahra (2002: http://www.ftd.de/pw/in/13962565.html) [Stand: 06.06.2002]; ebenso kommt die SWOT in einer weltweiten Studie der Unternehmensberatung Bain Company „Management Tools 2001“ in die vorderen Positionen. Vgl. Rigby (2001: 143ff.). 3 Eine selbst durchgeführte, schriftliche Befragung im April 2002 von drei international tätigen Beratungsfirmen (Accenture, Roland Berger und PricewaterhouseCoopers ) bestätigte diese Aussage. 4 5 Vgl. Ulrich/Probst (1990: 15). Blinde Flecken bezeichnen die Wahrnehmungsdefizite bei der Beschreibung der Unternehmungsumwelt im Rahmen der SWOT-Analyse. Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand „Dieser fragmentarische, 5 kausal-analytische Ansatz der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftler, ihre Vorliebe für abstrakte quantitative Modelle und ihre Mißachtung der strukturellen Evolution der Wirtschaft haben zu einer riesigen Kluft zwischen Theorie und wirtschaftlicher Realität geführt.“6 In diesem Artikel wird nun versucht, entsprechend der Aussage des Zitats von VESTER die „Scheinkonstanten“ der SWOT-Analyse zu identifizieren und darauf aufbauend „eine Änderung des Denkens und Handeln“ in Bezug auf die Umweltanalyse im Strategieprozess zu erreichen. Aufgrund von Wahrnehmungsveränderungen in den letzten Jahrzehnten, in denen die Nichtlinearität, insbesondere durch die Chaostheorie, Einzug in verschiedene wissenschaftliche Disziplinen erhalten hat, ist die Relevanz der blinden Flecken gestiegen. Ihre Existenz bei der Wahrnehmung und Analyse der Unternehmungsumwelt ist bekannt, jedoch hat diese bis heute zu keiner angepassten Verhaltensweise bei der Anwendung der Umweltanalysen geführt. Durch eine Reduzierung der blinden Flecken aufgrund einer optimierten Wahrnehmung, würde sich daher ein strategischer Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen ergeben. Dieser Artikel versucht diesen Mangel zu beseitigen, indem die Defizite des Wirkungsmechanismus näher untersucht werden und ein Tool-Tuning7 vorgestellt wird. 2 Die SWOT-Analyse 2.1 Grundlagen der SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse wurde 1965 an der Harvard Business School entwickelt und ausformuliert. 8 Sie bildet in dem damals entwickelten Strategieprozess den zentralen Ausgangspunkt des Untersuchungen (siehe Abbildung 1). 9 Die SWOT-Analyse ist ein Werkzeug zur Untersuchung der internen Unternehmensfaktoren sowie der externen Umweltfaktoren. Das Ziel dieses Konzeptes ist es, die 6 Gegebenheiten der externen Umwelt (Chancen und Risiken) mit den Capra (1985: 207). 7 Der Begriff des Tool-Tuning erfolgt in Anlehnung an der in der Automobilindustrie gängigen Beschreibung für die Leistungssteigerung der Motorleistung. 8 Vgl. Mintzberg (1990: 172); ebenso Hill/Westbrook (1997: 47). 9 Vgl. Mintzberg (1990: 173). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 6 unternehmensinternen Qualifikationen (Stärken und Schwächen) abzustimmen. Darauf aufbauend soll auf diesem Wege die beste Strategie formuliert und umgesetzt werden. 10 Abbildung 1: Das Modell der „Design“-Schule Bei der SWOT-Analyse werden Aussagen über die Stärken und Schwächen des Unternehmens den Aussagen über die Chancen und Risiken der Umwelt in Form einer Matrix gegenübergestellt. 11 Insofern ist das Werkzeug sehr einfach in der Anwendung und erfreut sich ungeachtet seines Alters noch heute einer großen Beliebtheit unter den Managern. 12 Der für die folgende Untersuchung relevante Teil der SWOT-Untersuchung ist in der Abbildung 1 hervorgehoben. 2.2 Die SWOT-Analyse in der Anwendung und Kritik In einer umfangreichen Studie über die Stärken und Schwächen der SWOT-Analyse haben HILL und W ESTBROOK sowohl das Konzept an sich als auch deren Anwendung in der Praxis kritisch untersucht. 13 Die Stärken der SWOT-Analyse liegen, wie bereits erwähnt, in der einfachen Anwendung und dem intuitiven Verständnis sowie der geringen Vorbereitungszeit. 14 In der Studie wurden aber auch eine Reihe von Schwächen aufgedeckt, die zum einen in der Art der Anwendung und zum anderen in dem Werkzeug selbst ihren Ursprung haben. 10 Vgl. umfassend Andrews (1971: 59ff.); ebenso Taylor (1990: 97); auch Weihrich (1982: 54); und Welge/AlLaham (1999: 183). 11 Vgl. Hungenberg (2000: 72f.); ebenso Wheelan (1983: 127ff.). 12 Vgl. Pickton/Wright (1998: 102, 104). 13 Vgl. Hill/Westbrook (1997: 48). 14 Vgl. Hill/Westbrook (1997: 51). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 7 In der Anwendung wurden die aufgestellten SWOT-Analysen in nur drei von zwanzig Fällen der Studie weiter in den Strategieprozess eingebunden. Damit wurde nicht dem ursprünglichen Zweck der Analyse entsprechend vorgegangen (vgl. Abbildung 1). Die Unternehmen erklärten, sie hätten die SWOT-Analysen lediglich zur Initiierung der Diskussionen genutzt. Weiterhin wurden die in der SWOT-Analyse getätigten relativen Aussagen in keinem der untersuchten Fälle im Rahmen eines Benchmarking zur Konkurrenz bzw. zum Branchendurchschnitt in Beziehung gesetzt. Außerdem wurden die getroffenen Aussagen in der Praxis nicht gewichtet oder bewertet. Damit blieben diese Ausführungen zwangsläufig wenig aussagekräftig. 15 U. a. wurde in der Studie ebenso festgestellt, dass bei der Anwendung der SWOT immer das Ergebnis der Analyse im Zentrum des Interesses stand. Eine klassische SWOT-Matrix wird in der folgenden Abbildung exemplarisch dargestellt. Abbildung 2: Beispiel einer klassischen SWOT-Matrix HILL und W ESTBROOK identifizieren zusätzliche Schwächen, die in dem Werkzeug selbst begründet liegen. Die SWOT-Analyse macht keine Aussagen über die optimale Länge der jeweiligen Listen. Der Analyst wird nicht zu einer tiefergehenden Analyse seiner getroffenen Aussagen gezwungen. Weiterhin ist die Analyse nicht zwingend mit den folgenden Phasen des Strategieprozesses verbunden. Somit stellen SWOT-Matrizen in der Regel keine Analysen, sondern vielmehr Beschreibungen der Umwelt und Unternehmen dar.16 15 Vgl. Hill/Westbrook (1997: 50); ebenso Pickton/Wright (1998: 105f.). 16 Vgl. Hill/Westbrook (1997: 51). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 8 Wie in der beispielhaften SWOT-Matrix aus Abbildung 2 zu erkennen, werden hier singuläre Ursachen (die in der SWOT beschriebenen Eigenschaften) eindeutigen Wirkungen (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) zugeordnet. Weiterhin werden keine Wirkungszusammenhänge feldübergreifend untersucht oder betrachtet. Der zeitliche Hintergrund der SWOT-Analyse bildet demnach die Kernschwäche des Werkzeuges. Die SWOT-Analyse wurde Mitte der sechziger Jahre in einer Ära vergleichsweise stabiler Märkte entwickelt. Sie bildet die Umwelt daher linear ab. Ziel der Aussagen in der SWOT-Matrix ist es, gewissen Gegebenheiten (Ursachen) eindeutige Wirkungen (Stärken, Risiken…) zuzuordnen. Damit liegt der Analyse die Prämisse der Stabilität und Vorhersagbarkeit der Umwelt zugrunde. 17 Diese Eigenschaften stellen die paradigmatische Prämissen18 der SWOT-Analyse dar, die im Folgenden kritisch hinterfragt werden. 3 Die Entwicklung der blinden Flecken Nun wird auf Grundlage der Analyse die daraus resultierende Problemstellung genauer erörtert. Wie gezeigt wurde, kann die SWOT-Analyse die Umwelt aufgrund der hinter den Werkzeugen stehenden paradigmatischen Prämissen nur unzureichend abbilden. Daraus resultieren Informationsverluste, die man sich als blinde Flecken vorstellen kann. Im Abbildungsprozess der Umwelt werden einige Aspekte gar nicht erst wahrgenommen. Diese blinden Flecken können dementsprechend nicht in die Informationsbasis zur Formulierung und Beurteilung einer Strategie mit einfließen. 17 18 Vgl. Mintzberg (1990: 184, 191); ebenso Hill/Westbrook (1997: 51); auch Grant (1998: 13). W ÜTHRICH definiert paradigmatische Prämissen wie folgt: „Unter dem Begriffskonstrukt <<paradigmatische Prämissen>> sollen (…) grundlegende Erklärungsannahmen und Erfahrungen verstanden werden, die uns bei der Theoriebildung in den betriebswirtschaftlichen Teilsdisziplinen leiten.“ Wüthrich (1991: 321); vgl. dazu Ullrich/Hill (1976: 307f.); vertiefend Winter (1999: 9 FN 33) sowie die dort angegebene Literatur. Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 9 Doch wo liegt der Unterschied zu früheren Zeiten? Die SWOT-Analyse ist bereits seit 35 Jahren in der Anwendung. Die Umwelt, in Bezug gesetzt zu dem jeweiligen zeitlichen Kontext, ist weder wesentlich dynamischer oder komplexer geworden noch hat sie an Nichtlinearität zugenommen. Vielmehr hat ein Wandel in der Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen dazu geführt, die Komplexität, Dynamik und Nichtlinearität in das Bewusstsein zu rücken. 19 Grundlage hierfür bilden die Erkenntnisse der neueren Systemtheorie, die die ganzheitliche Betrachtung von Sys temen in den Vordergrund stellt. 20 Demnach waren die blinden Flecken bei der Abbildung der Umwelt schon immer vorhanden. Nur war man sich ihrer Existenz früher nicht bewusst. Dieser Informationsverlust bei der Abbildung der Umwelt kann unter Umständen weitreichende Folgen haben. Wie bereits erwähnt, bildet die strategische Umweltanalyse einen wesentlichen Bestandteil und Ausgangspunkt des Strategieprozesses (vgl. Abbildung 1). Demnach finden die Ergebnisse der Analyse direkten Eingang in die Strategieformulierung und –auswahl. Um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können, müssen Vorgehensweisen zum Umgang mit den blinden Flecken im Abbildungsprozess entwickelt werden. Auf dieser Grundlage werden im folgenden Abschnitt Handlungsempfehlungen zum Umgang mit den blinden Flecken bei der strategischen Umweltanalyse mit der SWOTAnalyse entwickelt. 19 Ausführungen von M INTZBERG zeigen, dass die Umwelt in den letzen 50 Jahren weder komplexer noch turbulenter geworden ist. Vgl. Mintzberg (1991: 464). Es gibt allerdings auch Wissenschaftler die anderer Meinung sind. So vertreten BLEICHER wie auch W ÜTHRICH und MALIK die Meinung, die Umwelt sei dynamischer und komplexer geworden. Vgl. Bleicher (1991: 8ff.); Wüthrich (1991: 319f.); und Malik (1985: 139). Es lassen sich hier zwei grundlegend unterschiedliche Betrachtungsweisen des Wandels unterscheiden. Während MINTZBERG die Veränderungen relativ betrachtet, gehen W ÜTHRICH , M ALIK und BLEICHER in ihren Veröffentlichungen von einer absoluten Betrachtungsweise. Insofern stellen die drei letztgenannten Autoren ein nachvollziehbares Bild dar, die Dynamik heute und gestern betrachtend. Man sollte die Entwicklung der Dynamik und Komplexität jedoch immer in Bezug zu dem zeitlichen Gesamtkontext betrachten (also relativ). Deswegen wird hier der Auffassung von M INTZBERG gefolgt. So stellten etwa die Erfindung der Dampfmaschine, der Eisenbahn oder des Telegraphen einen sehr großen Einfluss auf die damalige Umwelt dar, der mit dem Einfluss der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien heutzutage durchaus vergleichbar ist. Vgl. Krugman (1996: 206f.). Betrachtet man die gesamte Menschheitsgeschichte, so behält die relative Betrachtung ihre Gültigkeit. Insofern sind die verschiedenen Zeit-Umwelten identisch (bezüglich der relativen Komplexität und Dynamik) und unterschiedlich zugleich (bezüglich der absoluten Betrachtung). 20 Die Entwicklung des Menschen und seiner Wahrnehmungsfähigkeit hat sich aufgrund des bereits beschriebenen Erkenntniszuwachses (beispielsweise in Form von Theorien, Modellen und Werkzeugen) nahezu parallel zu dem Wandel der Dynamik und Komplexität der Umwelt vollzogen, so dass sich die subjektiv empfundene Situation nicht grundlegend verändert hat. Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 3.1 10 Die Dynamik Wie in vorangegangene n Abschnitt ausführlich diskutiert, stellt die SWOT ein statisches Modell zur Abbildbarkeit der Unternehmungsumwelt dar. Damit wird die Dynamik der Umwelt bei der Analyse nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund sollte bei der Anwendung des Analysewerkzeuge s der Erstellungsprozess der Umweltanalyse in den Vordergrund gerückt werden21 . Diese Verschiebung der Fokussierung vom Analyseergebnis zum Analyseprozess wird im Folgenden näher erläutert. Durch eine Konzentration auf den Prozess wird die Dynamik der Umwelt im kleinen Maßstab gewissermaßen simuliert und antizipiert. Um die blinden Flecken, die aus der Dynamik der Umwelt resultieren, zu vermeiden bzw. zu verringern, ist es erforderlich, jede Beobachtung bzw. Analyse als subjektabhängig zu begreifen. Mit jeder Beschreibung der Umwelt gibt der jeweilige Beobachter eine Selbstbeschreibung ab. Die Umweltanalyse sollte in Gruppen von mindestens zwei Personen angefertigt werden, damit die Simulation der Dynamik funktionieren kann. Durch die Analyse im Gruppenrahmen können selbst- und fremdreferentielle Prozesse ausgelöst werden, wie in Abbildung 3 exemplarisch für zwei Personen dargestellt. Im Zusammenhang des Erstellungsprozesses der Umweltanalyse bilden also sowohl die Selbst- als auch die Fremdreferenz jeweils eine Beobachtung zweiter Ordnung, mit der zum einen die eigene Beschreibung der Umwelt (Selbstreferenz) und zum anderen die Beschreibung der Umwelt des Gegenübers beobachtbar wird (Fremdreferenz).Damit können bei einer bewussten Konzentration auf den eigentlichen Erstellungsprozess der SWOT-Matrix der statische Charakter der Analyse aufgehoben werden. Einen Schwerpunkt bilden demnach die Interaktionen der Gruppenmitglieder während des Analyseprozesses. Das Untersuchungsergebnis an sich tritt in den Hintergrund. Dementsprechend ergeben sich bei einer prozessorientierten Fokussierung der Umweltanalyse die folgenden Vorteile. Die Dynamik der Umwelt wird durch die Dynamik des Prozesses im Kleinen nachempfunden. Weiterhin wird durch die bewusste Selbst- und Fremdreferenz im Analyseprozess ein Aufdecken von blinden Flecken der unmittelbaren, individuellen Beobachtung möglich. Dadurch erhält der Prozess am Ende eine MultiSubjektivität (Objektivität), die sowohl dem Prozess als auch dem Ergebnis Stabilität verleiht. 21 Vgl. dazu auch die Ausführungen von LOVAS und GOSHAL, die den allgemeinen „strategy process“ in den Vordergrund der Betrachtung rücken. Vgl. Lovas/Goshal (2000: 892f.). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 11 Abbildung 3: Selbst- und Fremdreferenz Darüber hinaus erhält das Analyseergebnis durch die Prozessorientierung einen dynamischen Charakter. Die Analyseergebnisse stellen in der Regel qualitative Eigenschaften der Unternehmungsumwelt dar, die auf dem ersten Blick als solche statisch wirken. Betrachtet man jedoch die „Entstehungsgeschichte“ der Begriffe aus dem Prozess heraus, so stellt jede qualitative Eigenschaft sowohl ein Ergebnis der Historie als auch eine Antizipation der Zukunft dar. 3.2 Die Linearität Wie in den Ausführungen zu der SWOT-Analyse detailliert hergeleitet wurde, liegen ihr lineare Wirkungszusammenhänge zugrunde. Dementsprechend wird die Umwelt durch das Tool linear beschrieben. Daraus resultieren ebenfalls blinde Flecken in der strategischen Umweltanalyse. Daher soll im Folgenden das von ULRICH und PROBST formulierte Modell der Wirkungsnetzwerke vorgestellt werden, um den linearen Wirkungszusammenhang der SWOT-Analyse durch eine Kreislaufanalyse zu ersetzen. Das Modell des Wirkungsnetzwerkes wurde im Rahmen einer ganzheitlichen Problemlösungsmethodik entwickelt, in der das Wirkungsnetzwerk eines von mehreren Elementen darstellt. Da sich das Wirkungsnetzwerk aber insbesondere mit der Nichtlinearität und Dynamik der Umwelt auseinandersetzt, soll eine Integration des Modells in die strategische Umweltanalyse mit der SWOT-Analyse untersucht werden. ULRICH und PROBST gehen bei der Erstellung ihres Modells u. a. davon aus, dass der Mensch im Rahmen der Problemlösung in der Regel von einfachen linearen Kausalketten zwischen den Elementen des betrachteten Systems ausgeht. Häufig wird ein Tatbestand sogar Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 12 auf eine einzige Ursache reduziert, d.h. es wird von einem monokausalen Zusammenhang ausgegange n. 22 Genau dieser Mechanismus wurde als Ergebnis der kritischen Betrachtung der SWOTAnalyse festgehalten. ULRICH und PROBST setzen an die Stelle der linearen Kausalkette das Netzwerk, welches auf die Grundvorstellung eines Wirkungskreislaufes ohne Anfang und ohne Ende zurückgeht. 23 Insbesondere stehen rückgekoppelte Wirkungszusammenhänge im Vordergrund der Betrachtung. Bei der Erstellung ist folgende Frage zu beantworten: Welches Element des Netzwerkes wirkt in welcher Art, in welcher Intensität und in welchem Zeithorizont auf welches andere Element ein? 24 Diese stellt die elementare Frage zur Erstellung des Netzwerkes dar. Der Aufbau eines exemplarischen Wirkungsnetzwerkes ist in der Abbildung 4 gezeigt. Abbildung 4: Beispiel eines Wirkungsnetzwerkes In diesem Netzwerk sind mehrkettige Wirkungszusammenhänge zu erkennen. Insbesondere der in grauer Farbe angedeutete Wirkungskreislauf kann bei der Erstellung einer SWOT-Analyse die felderübergreifenden Zusammenhänge verdeutlichen (vgl. dazu Abbildung 7). Jedoch können auch durch das Wirkungsnetzwerk nicht die nichtlinearen Zusammenhänge der Umwelt beschrieben werden. Allerdings ist das Netzwerk im Stande, das lineare Ursache-Wirkungs-Denken, das der SWOT-Analyse zugrunde liegt, durch eine 22 Vgl. Ulrich/Probst (1990: 36f. und 112); ebenso Gomez/Probst (1997: 68). 23 Vgl. Ulrich/Probst (1990: 40); ebenso Gomez/Probst (1997: 78); ausführlich dazu Schwaninger (1989: 74 ff.). 24 Vgl. Ulrich/Probst (1990: 130ff.); gut zusammenfassend ebenso Gomez/Probst (1997: 72). Ausführliche Anleitungen für die Erstellung eines Wirkungsnetzwerkes entnehmen sie bitte aus Ulrich/Probst (1990: 125ff.). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 13 rückgekoppelte Kreislauffokussierung zu überwinden. Dieser Sachverhalt ist in der folgenden Abbildung durch eine Karikatur von W EICK anschaulich illustriert. Abbildung 5: Ausprägungen des linearen- und des Kreislaufdenkens In der linken Karikatur ist das klassische Ursache-Wirkungs-Denken symbolisiert. Mit der rechten Karikatur wird der Kreislaufgedanke des Wirkungsnetzwerkes dargestellt. Diese zentrale Eigenschaft der Netzwerke sollte genutzt werden, indem jeder Umweltanalyse mit der SWOT-Matrix die Erstellung eines Netzwerkes vorangestellt wird. Durch die Integration dieses Modells lässt sich die Beschränktheit der monokausalen, linearen Denk- und Wirkungsweise der SWOT-Analyse bei der Untersuchung der Umwelt überwinden. 4 Das Tool-Tuning Ziel dieses Aufsatzes war es, die blinden Flecken der SWOT-Analyse bei der Untersuchung der Unternehmungsumwelt zu analysieren. Bei der Untersuchung der SWOTAnalyse ist ein linearisierender Wirkungsmechanismus festgestellt worden, der der Analyse eine statische, einfache Umwelt zu Grunde legt. Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich Handlungsempfehlungen für den Umgang mit den blinden Flecken bei der Anwendung der SWOT-Analyse. Diese werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt. Dieses Tool- Tuning ist in Abbildung 6 grafisch zusammengefasst. Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 14 Abbildung 6: Zusammenfassung des Tool-Tunings Die blinden Flecken der SWOT-Analyse basieren auf ihrem statischen und linearen Abbildungsmechanismus. Dementsprechend wurden diese Parameter nochmals untersucht. Um der Dynamik der Umwelt Rechnung zu tragen, wird anstelle einer Ergebnisfokussierung eine Konzentration auf den Analyseprozess empfohlen. Dadurch wird die Dynamik der Umwelt gleichsam im Kleinen simuliert. Insbesondere können dadurch die Selbst- und Fremdreferenz als Wirkungsmechanismen genutzt werden. Damit erhält das Analyseergebnis die Qualität einer multi-subjektiven Konstruktionsleistung. Bei der Betrachtung der Linearität der SWOT-Analyse wurde das Konzept des Wirkungsnetzwerkes vorgestellt. Durch Integration dieses Konzeptes in die Umweltanalyse, wird es möglich, den linearen, zum Teil monokausalen, Wirkungs mechanismus dieser Tools zu überwinden. Im Zentrum der Wirkungsnetzwerke stehen zirkuläre, rückgekoppelte Zusammenhänge in der Unternehmungsumwelt. Hat man sich diese Wirkungs- zusammenhänge einmal in Form eines Wirkungsnetzwerkes erarbeitet, können auf die ser Grundlage die kreiskausalen Zusammenhänge der Umwelt Eingang in die Umweltanalyse in die SWOT-Matrix finden. Dementsprechend sollte die Erstellung eines Wirkungsnetzwerkes den eigentlichen Analysen vorangestellt werden. Dabei sei allerdings erwähnt, dass die Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 15 nichtlinearen Wirkungszusammenhänge der Umwelt nach wie vor nicht beschrieben werden können. Abschließend sollte bei der Erstellung der SWOT-Matrix noch darauf geachtet werden, dass man zum einen die bei der Erstellung des Wirkungsnetzwerkes erkannten Wirkungszusammenhänge in die SWOT-Matrix integriert und ebenso eine Prioritätsverteilung 25 der erkannten Stärken/Schwächen und Chancen/Risiken vornimmt. Dies ist in der nächsten Abbildung wieder an einer exemplarischen SWOT-Matrix dargestellt. Abbildung 7: Eine beispielhafte, getunte SWOT-Matrix Hervorzuheben ist, dass der grundsätzlich Aufbau des Analysetools im Rahmen des Tool-Tunings nicht verändert wurde. Es muss festgehalten werden, dass die SWOT-Analyse trotz aller Kritik ein fundiertes und adäquates Instrumentarium zur Umweltanalyse darstellt. Der Manager in der Praxis erhält sehr schnell bei einfacher Anwendung einen brauchbaren Überblick über die relevante Umwelt. Darin liegt die noch heute gültige Stärke der SWOT, die auch weiterhin genutzt werden soll. Nach eigener Reflexion existieren aber auch blinde Flecken in dem eigenen Untersuchung. Diese werden durch das analytische, lineare Vorgehen bei der eigenen Untersuchung ausgelöst. Obwohl während der gesamten Arbeit die ganzheitliche Betrachtungsweise und die Unzulänglichkeit linearer analytischer Vorgehensweisen dargelegt wurden, folgte die Untersuchung genau diesen Prinzipien. Der Verfasser ist damit ebenfalls „Gefangener“ seiner Prägung und Denkweise. Dadurch kann dieser Aufsatz mit Sicherheit keine abschließende Betrachtung der blinden Flecken darstellen. 25 Für eine Problemhierarchisierung bietet sich das Konzept der Eisenhower-Matrix an, in der die Parameter Wichtigkeit und Dringlichkeit einander gegenübergestellt werden. Vertiefend dazu Frey (2003: 12). Die SWOT-Analyse auf dem Prüfstand 16 Ob die Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit in Form des Tool-Tunings die beabsichtigte Wirkung in der Praxis entfalten, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Die Arbeitsergebnisse erweisen sich solange als „passend“, wie diese nicht an der Realität scheitern. GLASERSFELD formulierte dazu eine passende Viabilitäts-Metapher: „Ein Schlüssel ‚paßt’, wenn er das Schloß aufsperrt. Das Passen beschreibt die Fähigkeit des Schlüssels, nicht aber das Schloß.“ 26 Das bedeutet, selbst wenn das Tool- Tuning in der Praxis passen sollte, also nicht an der Realität scheitert, bedeutet das nicht, dass es sich um den richtigen Weg handelt. Der Schlüssel (hier: getuntes Tool) sagt nichts über das Schloss (hier: die Umwelt) aus. Man könnte daraus nur schließen, dass es sich bei der Anwendung der getunten Tools um einen gangbaren Weg handelt. Es bleibt dem Manager in der Praxis überlassen, die „Passform“ der in dieser Arbeit vorgestellten Untersuchungsergebnisse zu bewerten. 26 Glasersfeld (1981: 20). Literaturverzeichnis Al-Laham, Andreas [1997]: Strategieprozesse in deutschen Unternehmungen: Verlauf, Struktur und Effizienz, Wiesbaden: Gabler Verlag, 1997. Andrews, Kenneth R. [1971]: The Concept of Corporate Strategy, Homewood, Illinois: Dow Jones Irwin, 1971. Ansoff, Igor/McDonnell Edward [1990]: Implanting Strategic Management, 2. Aufl., New York: Prentice Hall, 1990. Bahra, Parminder [2002]: Absolventen favorisieren Fünf-Kräfte-Modell, in: Financial Times Deutschland, 01.02.2002, verfügbar Online im Internet: http://www.ftd.de/pw/in/ 13962565.html, [Stand: 06.06.2002]. 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