Weil ich ein Mädchen bin

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Weil ich ein Mädchen bin
P.b.b. Verlagspostamt A-2380 Perchtoldsdorf, GZ 02Z031817 M
denken | handeln | träumen
Weil
ich ein
Mädchen
bin …
Neue Technologien, neue Möglichkeiten,
aber keine Frauen. Noch nicht.
Selma Prodanovic &
Susanne Liechtenecker
Fotografiert von Katrin Bruder
5|6
2013
Peter Lammerhuber
* Quelle: Media-Analyse 2012, Basis Tageszeitungen national, TLP national auf Basis günstigster Tarif 1/1 oder JP 4c
GroupM
Nur wer gut schaltet, kann gewinnen
Täglich die beste Reichweite* zum günstigsten TLP in ganz Österreich einfahren –
das kann die Krone. Für Peter Lammerhuber steht sie daher bei nationalen
Mediaplänen in der Pole-Position.
Gut fürs Geschäft.
doris rasshofer
editorial
Kann statt Muss
impressum
karl michalski
medieninhaber Manstein Zeitschriftenverlagsgesellschaft m.b.H.
und verleger DVR 0753220
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webwww.bestseller.at
Und? Die Koffer für den Urlaub schon gepackt? Diesen Bestseller
bitte unbedingt mitnehmen! Er braucht Ihre Muße und Ruhe,
um gelesen zu werden – und wird Sie als Gegenleistung mit viel
­Inspiration durch den Urlaub tragen. Versprochen.
Ist schon klar, wo es heuer hingeht? Vielleicht ein Offline-­
Urlaub gefällig? Mit Digital Detox liegen Sie voll im Trend.
Oder doch würdevolles Slow Travelling? Lesen Sie mehr dazu
ab Seite 32. Und wenn Sie Ihre Urlaubsangebote nicht einfach
konsumieren wollen, sondern auch wissen wollen, wie und wo
und w
­ arum ihr eigenes Wohlbefinden zustande kommt, lohnt sich ein
Blick hinter die philosophischen Kulissen des Hundertwasser-Projekts
­Rogner Bad Blumau (Seite 38): Gut ist, wenn es für alle gut ist – ein gesellschaftsrelevanter Impuls.
Vielleicht entfacht das bei Ihnen die Lust, im Urlaub einmal gründlich
über alles nachzudenken und manches zu ändern. Dann legen wir Ihnen
die Lebenswege von „Frauen, die aus den Rahmen fallen“ (Seite 24) als
Mutmachung ans Herz, ebenso wie die Porträts von vier außergewöhn­
lichen Menschen, die ihre persönliche Resilienzfähigkeit stark, aber letztlich erfolgreich strapaziert haben (Seite 42 und 80). Gedacht als Gedankenanstoß – „es geht auch anders“–, nicht als Dogma zur Nachahmung. Der
Bestseller will Ihnen nicht sagen, wie Dinge zu sein oder wie Sie Dinge zu
tun haben. Der Bestseller zeigt ausgewählte Gedanken-, Lebens- und
­Businessexperimente, die wir als möglicherweise positiv richtungsweisend
betrachten, für Wirtschaft, Gesellschaft und Kommunikation. Mit dem
­beseelten Wunsch, Sie damit derart zu inspirieren, dass Sie die positive
Veränderung in Ihr Privat- und Berufsleben mitnehmen und leben – und
damit weitertreiben.
Die digitalen Technologien zum Beispiel schaffen wunderbare neue
Möglichkeiten dafür. Unter anderem für Frauen – und damit in Folge für
Männer. Das zeigen unsere beiden Coverprotagonistinnen, Start-up-­
Grande-Dame Selma Prodanovic und Digitalista-Mitgründerin Susanne
Liechtenecker, sehr kompetent im großen Interview (Seite 18). Der Journalismus nutzt die digitalen Möglichkeiten vermehrt fürs eigene Crowd­
sourcing (Seite 50), die PR-Branche fürs Storytelling (Seite 54 – inklusive
Bestseller-PR-Agentur-Ranking 2012) und die interne Kommunikation für
die Reputation des eigenen Genres.
Und Sie sollten im Urlaub einmal alles Digitale ausschalten. Und in aller
Ruhe lesen. Viel Spaß dabei wünscht
Der nächste Bestseller erscheint am 30. August 2013.
Bestseller 5|6 2013
3
inhalt
INHALT
Bestseller
Ausgabe 5|6 2013
38
54
36
80
16
6creation, Media, Branding, trends
76 mail, showcase
45 kommentar walter braun
82 Medientagebuch armin thurnher
16 Coverinterview Susanne Liechtenecker und Selma Prodanovic über neue Möglichkeiten für Frauen
24 Besondere Frauen Erlaubt ist, was glücklich macht
28 Mode im Wandel Der Textilhandel kämpft nicht nur mit dem schlechten Wetter
32 Offline-Urlaub Megatrend „Digital Detox“ zieht seine Kreise
36 Interview Tex Rubinowitz über würdevolles Reisen
38 Avantgardistisch Ein Blick in das philosophische Labor des Rogner Bad Blumau
42 Resilienz Über den Umgang dreier Menschen mit dem Wandel
46 Best Vision Im Vorfeld von TEDxLinz und TEDxKids
50 Crowdsourcing Die Weisheit der Masse wird im Journalismus immer wichtiger
54 PR-Agentur-Ranking Content Marketing und Storytelling – was sonst?
66 Stiefkind Dank Intranet und Social Media kommt die interne Kommunikation zu neuen Ehren
70 Nestroyesk Compliance macht der Eventbranche das Leben schwer – neue kreative Umgehungswege machen’s wieder leichter
80 Wirtschaft der Freude Tom Beck – Liedermacher, Weltverbesserer, Baggerverkäufer und Coach – im Porträt
4
Bestseller 5|6 2013
katrin bruder, Karl Michalski (3), Hertha Hurnaus
www.peugeot.at
IS BACK
208 GTi 1.6 THP 200 PS, Benzin, CO2-Emission: 139 g / km, Gesamtverbrauch: 5,9 l /100 km.
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DER NEUE PEUGEOT 208 GTi
Alle reden von der „neuen Arbeitswelt“,
der Bestseller hat es ausprobiert. Mehr oder
weniger zwangsweise, dafür nachhaltig.
Ein klarer Fall von „Best Creation“.
Das erste Bestseller-Angel-Meeting:
­eine freie Formation von kreativen
­Wesen, die Interesse an der spannenden
Zukunft dieses Heftes haben.
6
Die erste Bestseller-Layout-Sitzung
in Freiheit. Denn wer sagt, dass
­Arbeit nur als solche gilt, wenn
man nichts von der Sonne spürt?
Bestseller 5|6 2013
CREATION
doris rasshofer, martin renner, katrin bruder
Das Experiment
Out of the box. Man kann Mauern bauen zwischen seiner Arbeits- und
seiner Privatwelt, oder man kann sie verschmelzen, sodass sich beides
gegenseitig beflügelt. Man kann der Meinung sein, ein Chef müsste alles
­wissen und alleine entscheiden. Frau kann sich aber auch von vielen
­Beiwagerln begleiten lassen – so wie ein Tausendfüßler von 1.000 Füßen
getragen wird. Manche Menschen glauben, nur wenn Arbeit hart ist und
wehtut, gilt sie auch als Arbeit. Andere finden, dass auch Arbeit, die mit
Freude, Leichtigkeit in Freiheit stattfindet, denselben Wert hat.
Diese Ausgabe des Bestsellers wurde unter Bedingungen realisiert, die
viele dieser Glaubenssätze ausgehebelt haben:
Wir veranstalteten das erste „Bestseller-Angel-Meeting“ – eine freie,
freiwillige Formation von außergewöhnlichen Wesen, die dem Bestseller
mit Rat, Tat, Wissen und Netzwerk zur Seite stehen möchten. Ohne
­Vertrag, ohne Geld, aber viel inspirierender Austausch für alle. Fazit:
­Win-win-win gibt es.
Grüße an dieser Stelle an unsere erste Garnison an Engeln: Martina
Andrae/Künstlerin, Hermann Gams/Dream Academia, Harald Katzenschläger/Dream Academia, Stefan Leitner-Sidl/Konnex-Schraubenfabrik,
Michael Pöll/Konnex-Rochuspark, Friso Schopper/planetsisa. Die Räumlichkeiten stellte uns der Coworking Space Rochuspark zur Verfügung.
Danke schön!
Ein Bänderriss unserer Chefredakteurin nötigte sie, das Thema Homeoffice und Garten-Management bis aufs Äußerste zu strapazieren. Leben,
Familie und Arbeiten wurden zwangsweise zu einem überraschend
­entspannten Dasein gemergt – und das sogar weit abseits der Metropole.
Merke: zu keinem Nachteil von irgendwem.
Aus demselben Grunde wurde die Bestseller-Redaktionssitzung auch
erstmals nicht in den heiligen Verlagshallen abgehalten, sondern bei
­Prosecco, Kuchen und Vogelgezwitscher in die Wiese bei Sonnenschein
verlegt. Der kreative Fun-Faktor war ein echter Knaller. Achtung: Wiederholungszwang. Raus aus der Box.
Was haben wir alle daraus gelernt? Regeln können gebrochen werden.
Denn: Es geht auch anders. Auch wenn wir es uns bisher nur nicht vorstellen konnten – oder nicht wagten, es zu denken. Die Zeiten waren nie
so reich an Möglichkeiten. Nutzen müssen wir sie selber.
Das Experiment gilt – zumindest in den eigenen Reihen – als gelungen.
Wir werden es zur organischen Weiterentwicklung freigeben.
Bestseller 5|6 2013
Welten
in Türkis
Name: Kati Bruder
Alter und Herkunft: 34 Jahre, ursprünglich aus Graz
Wie zur Fotografie gekommen? Peter Kodera von der Akademie
der bildenden Künste hat meine Aktfotografien gesehen und mir
nahegelegt, mich näher mit der Materie auseinanderzusetzen,
was ich dann auch gemacht habe.
Was fotografieren Sie am meisten? Menschen in ihrem Umfeld.
Was fotografieren Sie am liebsten? Menschen in ihrem Umfeld.
Welche drei Dinge brauchen Sie, um gute Fotos machen zu
­können? Licht, Freude und Liebe.
Wie beschreiben andere Ihren Fotografiestil? Wiedererkennbar,
kreativ, dynamisch.
Schüttel dein Haar für mich:
Cover-Fotografin Kati Bruder
spielte sich beim Shooting mit
den Attributen der Weiblichkeit.
Worauf sind Sie stolz? Wenn sich die Protagonistinnen und
­Protagonisten auf den e
­ igenen Bildern gefallen, wenn ein Bild
­unter schwierigen ­Umständen trotzdem großartig wird.
Wovon träumen Sie? Von einem starken Assistenten, der mir mein
Zeug trägt.
Was war die Challenge beim Bestseller-Covershooting?
Die Herausforderung war erst, den großen weißen Raum mit
­Leben zu füllen. Dann kam allerdings die Sonne raus und wir
­haben das Shooting nach draußen verlegt, bei Chill-out-Musik
in einem wunderbaren kleinen Garten, es war schwierig, dann
­aufzuhören :-)
7
media
Zeitsehnsucht
NÖN-Marketingleiter Martin Lammerhuber
über seine persönlichen Beobachtungen
ZE!T
impulse
Bestseller Sie haben 2011 mit „Zeit T!raum … am
CD-Tipps von Hans Kulisch
Chinas Kultur kommt
jetzt immer mehr zum
Vorschein. Das Ensemble
des charismatischen
Songwriters und Sängers
Song Yuzhe bricht zu
­einer Reise durch archaische Klangwelten Asiens auf. Der aktuelle Scott
Walker trifft auf Eastern Folk, zwei
Stücke in Zeitlupe, religiöse Chants
und akustischer Rock. Diese höchst
eigenständige Musik ist ein Ergebnis
langjähriger Reiseerfahrungen. Die
Grenzen zwischen chinesischer und
zentralasiatischer Folklore, multi­
ethnischer Klangkunst, chinesischer
Oper und aktuellem Rock werden gesprengt. Durch diesen Ansatz schafft
die Band eine radikal neue Verbindung von Tradition und Gegenwart.
Kritiker bezeichnen Song Yuzhes
­Musik auch als Soundscape zwischen
Stummfilmmusik und Oper. Gute
­Sache!
8
Martin Lammerhuber ist
Prokurist des NÖ Presse­
hauses und Marketingleiter
der NÖN und BVZ.
Was haben Sie mit dieser Erkenntnis gemacht?
Lammerhuber Ich habe mir Zeit genommen, in mich reinzuhor-
chen, mein Arbeitspensum von 90 auf 65 Stunden in der Woche
reduziert und mir seitdem die Menschen selber ausgesucht, mit
denen ich abendessen gehe. Es gehört Mut dazu, nein zu sagen,
weil man ja glaubt, überall dabei sein zu müssen.
Woher stammen die Inhalte Ihrer Bücher?
Lammerhuber Aus meinem Herzen.
Slim Cessna’s
Auto Club
An Introduction
For Young and
Old Europe
Glitterhouse
Alt. Country ist das zwar aber nicht nur.
Slim Cessna’s Auto Club fungiert wie ein
­Prisma, das die einzelnen Bestandteile
amerikanischer Musik in Einzelteile
­zerlegt und neu zusammensetzt.
Das geht von jiddischen Einflüssen
über Gospel, Southern Voodoo Twang
bis zu psychedelischem Westcoast.
­Sagenhaft.
VA.
Rough Guide To
Psychedelic Brazil
World Music
Network
Ganz speziell ist auch diese Doppel-CD,
die zeigt, wie Psychedelic-Wahnsinn mit
Far-Out-Grooves aus Brasilien zusammenpassen kann. Die Bonus-CD ist
­Júpiter Maçãs Klassiker „A Sétima
­Efervescência“. Von Tom Zé bis José
Mauro sind große Musiker vorhanden.
Lord Mouse
and the
Kalypso Katz
Go Calypsonian
Piranha
Lord Mouse ist der Chef der siebzehnköpfigen Band und der Liebling der
­Berliner Szene. Die Spanier bis hin zu
Franzosen und Briten beeinflussten die
afrikanische Diaspora der Karibik.
­Deshalb ist es auch völlig egal, wenn
hier kein Karibe wunderbare und
­politische Musik liefert.
Bestseller 5|6 2013
E. Marschik_
Dawanggang
Wild Tune Stray Rhythm
Jaro
r­ oten Faden“ Ihr erstes Buch über die Zeit geschrieben
und letzten Herbst das zweite, „Ze!t impulse“.
Was ist Ihr Impuls für diese Schriften?
Martin Lammerhuber Gerade im Marketing ist man
­verführt, zu glauben, man sei unendlich wichtig.
Man freut sich über viele Abendeinladungen, man
misst sich daran, wer am frühesten im Büro sitzt,
der arbeitet am meisten. Irgendwann bin auch ich
draufgekommen: Das Leben geht sich so nicht aus.
Dan Kieran
Slow Travel
Die Kunst des Reisens
Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags
KG, Berlin, 2013, 222 Seiten
19,95 Euro, ISBN-10: 3-9540301-2-8
Sie wollen Zeit zum Entschleunigen schaffen?
Lammerhuber Ich mag das Wort „Entschleunigung“ nicht, es ist
zu nah an der Be-Schleunigung. Lieber ist mir „Verlangsamung“.
Ihre Bücher sind sehr lyrisch, keine Zeitratgeber.
Lammerhuber Ich hab die Bücher nicht geschrieben, um in die
Bestseller-Listen zu kommen, sondern, weil ich diese Dinge an
mir und in meinem Umfeld beobachtet habe und mir dachte,
dass es anderen vielleicht ähnlich geht. Ein 62-jähriger erfolg­
reicher Manager hat ein schlechtes Gewissen, in Urlaub zu
­gehen. Auch ich war immer der klassische Urlaubsverschieber,
der sein Berufsleben vor alles stellte.
Weil das Schwungrad des Hamsterrades nicht zu stoppen war?
Lammerhuber Nein, weil ich dumm war. Hamster sind klüger.
Die steigen aus und schlafen.
Was ist Ihr nächster Zeitplan?
Lammerhuber Ich plane „Zeitgespräche“ mit
­ ersönlichkeiten für mein nächstes Zeit-Buch. Und
P
ich träume von einem Zeit-Festival.
Martin Lammerhuber
ZE!T impulse … durch das Jahr
Kral Verlag, Berndorf, 2012, 128 Seiten
9.90 Euro, ISBN 978-3-99024-157-8
Spinner oder geniale Visionäre?
Die Pioniere der modernen Naturwissenschaft hatten es nicht immer leicht. Sie er­
fanden wichtige Bausteine der modernen Zivilisation – zum Beispiel das Telefon,
den Fotoapparat, das Flugzeug –, doch sie scheiterten allzu oft an deren Ver­
marktung und Patentierung. Diese Menschen waren in vielen Fällen Einzelgänger,
geniale Visionäre und Denker – aber leider keine guten Geschäftsleute. Nicht sel­
ten ­waren es auch die eigenen Kollegen, die sich in den Weg stellten und somit die
Wissenschaft behinderten, aus Neid, Missgunst und Geltungsdrang. Armin
Strohmeyr beschreibt in seinem Buch 22 Beispiele dieser verkannten Pioniere. Die
Geschichten sind spannend, oft tragisch – und manchmal unfreiwillig komisch.
Armin Strohmeyr
Verkannte Pioniere
Styria Premium, Wien-Graz-Klagenfurt, 2013, 303 Seiten
22,99 Euro, ISBN Nr. 978-3-222-13394-7
Bestseller 5|6 2013
Der perfekte Urlaub
Endlich Sommer! Ferien! Urlaub! Dazu passend das
Buch von Dan Kieran – eine völlig neue Philosophie
des Reisens abseits des Massentourismus: Slow Travel.
Der Reisende soll gute Hotels meiden, keine Sehenswürdigkeiten besichtigen und
möglichst zu Fuß gehen. Statt Reiseführern – „sie entmystifizieren und entperso­
nalisieren“ – sollte man Literatur aus dem jeweiligen Land lesen. Für Wien
­empfiehlt Kieran Stefan Zweig. 1975 geboren, schreibt der britische Reisejourna­
list für die Zeitungen Guardian, Telegraph und die Times. Kierans Flugangst ist es
zu verdanken, dass er neue Wege des Reisens erkunden musste. So reiste er mit
Bummelzügen, einem Floß und einem elektrischen Minimilchwagen.
In seinem Vorwort schreibt er: „Der müßige Reisende ähnelt einem Kleinkind – er
schlendert hinaus in die Welt und lässt sich dabei von seiner Neugier treiben, er
sucht nach Erkenntnis und folgt unterwegs jenen Impulsen, die seine Abenteuer­
lust wecken“. Wenn man da nicht sofort den Computer ausschalten möchte …
Der Weg in die „Bastardökonomie“
Der Autor – Gabor Steingart, Herausgeber des deutschen
Handelsblatts – verdankt in seinem Vorwort die Entste­
hung des Buches „dem Zustand der Verwirrung“. Und er
versucht, zu entwirren: „Es geht um Realismus, nicht um
Pessimismus“, meint er. Steingart beschreibt den Angriff
auf unseren Wohlstand. Fast niemand versteht, was mit
unserer Wirtschaft los ist: Einerseits geht es
uns gut – wir leben in einer Konsumgesell­
schaft –, aber wir wissen auch, dass es so
nicht weitergehen kann. Politiker, die von
der Anerkennung und den Wählerstimmen
leben, schließen einen teuflischen Pakt mit
den Banken – die wiederum durch die Kre­
ditsucht der Staaten prächtig leben kön­
nen. Wer dabei auf der Strecke bleibt? Der
Wohlstand der Mittelschicht und die Inter­
essen der kommenden Generationen.
Steingart ­erklärt historische Hintergründe
und zeigt auf, wie sich die sozial verantwortliche Markt­
wirtschaft in eine „Bastardökonomie“ verwandelt hat.
Seine Stärke sind Lösungen – wo sonst politisch korrekte
Denkverbote ­herrschen.
Gabor Steingart
Unser Wohlstand und seine Feinde
Albrecht Knaus Verlag, München, 2013, 272 Seiten
20,60 Euro, ISBN Nr. 978-3-8135-0518-4
9
Königinnen
der Weiblichkeit
Feminin, sexy und ein wenig kitschig – das
amerikanische Dessouslabel Victoria’s Secret
entführt in eine glamouröse Märchenwelt.
Text von Birgit Schaller
Pink. Engelsgleich schwebend in Highheels gleiten Victorias
Geheimnisse über den Pink Carpet in New York. Die
­Fashion Show von Victoria’s Secret (VS) ist das Sinnbild der
amerikanischen Dessousmarke aus dem Hause Limited
Brands. Geheimnisvoll, verführerisch und freizügig gilt das
Modespektakel als Aushängeschild der erfolgreichsten Lingerie-Brand der Vereinigten Staaten und zelebriert Wirklichkeit gewordene Mädchenträume. Ein bisschen Märchenland,
zuletzt war es Zirkuszelt-Atmosphäre mit Gauklern und
Schlangenfrauen, ein Schuss 80er-Jahre-Flair, und mittendrin die schönsten Frauen der Welt mit ihren überdimensionalen Flügeln – die Show ist nicht nur Marketingkonzept,
sondern vielmehr Perfect Fit für VS. Im D
­ ezember 2012
flossen 13 Millionen Dollar in das Event der Extravaganzen
mit Bruno Mars, Justin Bieber und ­Rihanna als musikalische Begleiter der 40 strahlenden Topmodels. Dabei brachte
die einstündige Werbeschaltung zehn Millionen Zuseher
und in der Ausstrahlungswoche im Dezember höchste
­Social-Media-Talkreichweite mit mehreren hundertausend
Kommentaren – VS ist Champion
bei Earned Media. Mit 23 Millionen
Zum zehnjährigen Jubiläum
Face­book-Likes und 2,2 Millionen
der Zusammenarbeit von
Victoria’s Secret und Swarovski Twitter-Followern liegt VS vor Kultlief Cameron Russell zur
marken wie Abercrombie & Fitch
Fashion Show als Silver Screen
oder H&M. Kein Wunder – sei es
Angel im cinematographischen
Art-Deco-Style über den
ein Traum in Weiß, mit glitzernden
­Catwalk. Glamour pur.
Swarovski-­Steinen bestickt, oder der
Fantasy Treasure Bra, besetzt mit Juwelen – das alljährliche Highlight im Wert von einigen Millionen Dollar und die höchste Auszeichnung für Models –,
der heuer von der atemberaubenden brasilianischen Rassefrau Alessandra Ambrosio vorgeführt wurde: VS ist eine
Marke für Königinnen der Weiblichkeit. In der Glitzerwelt
aus Pink geht es aber nicht nur um die perfekten Maße,
sondern auch um ein braves diszipliniertes Image im prüden Amerika. Kein Zufall, dass Mütter wie Heidi Klum oder
Miranda Kerr wenige Monate nach der Geburt ihrer Kinder
diese teuerste Kreation der Modeschau vorführten.
Von Sexbomben und züchtiger Verhüllung
Ein weiteres Geheimnis: Die Marke wird als so stark empfunden, dass man Anfragen von Stars, als Models über den
10
Bestseller 5|6 2013
victorias secret
branding
Models mit CelebrityCatwalk zu laufen, ablehnt – bei VS werden, umgekehrt,
Status: Die zauberhafte
Models zu Celebrities gemacht. Die Südafrikanerin
VS-Show ist seit 1995
Candice­Swanepoel oder Adriana Lima sind Beispiele für
alljährliches Highlight
und Aushängeschild
die attraktiven Markenbotschafterinnen mit fürstlichem
der amerikanischen
Gehalt. Sieht man sich die Dessous genauer an, wird offenMarke aus dem Hause
bar, dass hier die wahren Attribute des Frauseins gern
Limited Brands.
züchtig verhüllt werden – Brustwarzenblitzer sind absolut
tabu. Nur das erst kürzlich gegründete junge Label Pink ist
„riesig“ eingestuft, wo VS auf Rang 16 der US-Handels­
Aufreger der Nation, weil Amerikas Mütter finden, dass
marken weit vor allen Modemarken rangiert. Seit einiger
­ihre jugendlichen Töchter durch die Werbung der Marke
Zeit werden die Werte Sinnlichkeit und Eleganz verstärkt
sexualisiert würden. Auch die anorexischen Figürchen der
ins­zeniert. Auch das verspielte Logo wurde 2009 von
Models werden regelmäßig kritisiert.
­Mucca Design einem Facelift unterzogen – die Initialen auf
den rosafarbigen Einkaufstaschen wirken ein wenig wie
Von der Pleite zum Imperium
­eine zu üppige Hochzeitstorte.
Trotzdem ist es Leslie Wexner, dem russisch-jüdischen GeDoch Victoria’s Secret versteht es, anziehend zu wirken,
schäftsmann aus einfachen Verhältnissen, außerordentlich
sei es mit dem viktorianischen Boudoir-Schick im Geschäft
geschickt gelungen, das Unternehmen, das er 1983 in San
– der Anmutung von Privatzimmern einer Dame aus dem
Francisco von Roy Raymond um kolportierte vier Millio19. Jahrhundert –, der Inszenierung in der Unternehmensnen Dollar erwarb, zu einer Erfolgsgeschichte zu machen.
farbe Pink oder Marketingtricks wie Gratis-Höschen,
Wexner hat ein Imperium mit den Marken VS, Pink, Bath
­günstigem Online-Shopping oder traditionsreichem Kata& Body Works, La Senza oder Intimissimi geschaffen, zu
log-Verkauf. Natürlich sind die funkelnden diamantgedem die Hauptmarke VS mit ihren über 1.000 Shops und
schmückten Engel die wichtigste Zutat. Dazu zeigt die
80.000 Mitarbeitern in den USA und Kanada sowie seit
Website „VS All Access“ Models und ihre Looks hautnah
Kurzem zwei Shops in London und im Mittleren Osten
und verrät Schminktipps. Diverse Line Extensions im
und einer Reihe von Franchisedeals rund 60 Prozent zum
Umsatz von zehn Milliarden Dollar beiträgt. Der 75-Jährige Beauty-Genre, Yogakleidung und Freizeit- wie Schwimmlooks ergänzen Bras, Tangas & Co.
zieht neben VS Megabrand-CEO Sharen Jester Turney
Auf YouTube hat sich eine eigene Werbeschiene ent­
­heute noch die Fäden. Wexner, der sich seit seinem 40.
wickelt: Junge Mädels schwärmen zuhauf in typischer
­Lebensjahr auf Uniterrain dem Thema Leadership widmet,
Amazing-America-Sprache von ihrem Arbeitgeber VS, als
von seinen Mitarbeitern Community-Arbeitsstunden verwären sie frisch verliebt, und blickten durch eine rosa
langt und alljährlich Millionen an soziale und jüdische
­Brille. Diese haben ihnen wohl VS-Marketingprofis zusätz­Insitutionen spendet, positionierte das Unternehmen neu:
lich zu den hübschen Panties und Strapsen
als hochwertige Marke für jüngere Frauen zu erschwingli­geschenkt. Sex sells, das weiß auch der Unterchen Preisen. Raymond indessen, der sich später, so wird
nehmenschef, der in seiner raren Freizeit am
erzählt, von der Golden Gate Bridge stürzte, hatte sich
liebsten mit seiner einhundert Meter langen
an den Männern orientiert und die Shops mit Räumen
Superyacht – einer der größten der Welt,
aus getäfeltem Holz und viel Erotikflair ausgestattet –
­„Limitless“ getauft – durch die türkisblaue
und war pleite gegangen.
Karibik gleitet.
Von Boudoir-Schick und funkelnden Engeln
Nicht nur Bras, Tangas & Co., auch BeautyDas internationale Potenzial der Marke wird
produkte und Düfte verführen jüngere
aufgrund der Bekanntheit von Interbrand als
­Frauen zum Shopping Erlebnis in Pink.
Bestseller 5|6 2013
11
enterprise.ORF.at
Der Aufstieg
der Über-Familien
Mit Ihrer Buchung auf radio FM4 und täglich
einer Viertelmillion Hörer/innen.
braun
DIE JUNGE SZENE HÖRT SIE.
ie Politik brüstet sich gerne, tonangebend und
­gesellschaftsbildend zu sein, scheint aber immer
öfter den Tatsachen hinterherzuhinken. Während
politische Aktivisten immer noch „mangelnde
Gleichstellung“ der Geschlechter beklagen, registrieren
weniger ideologisierte Beobachter das Entstehen neuer
sozialer Realitäten. Im vergangenen Jahr behaupteten
zwei provokante Bücher, nämlich „The End of Men“ und
„The Richer Sex“, dass Frauen die Männer überrunden.
„The Richer Sex“ feiert den Aufstieg vieler Frauen in die
Rolle von Familienerhaltern („breadwinner“). Doch dauer­
hafte Unterbeschäftigung bei Männern zu erwarten, ist
natürlich unrealistisch. Auch das erstaunlich sexistische
Buch „End of Men“ zieht falsche Schlussfolgerungen –
ein Wettkampf Mann gegen Frau findet nur in Ideologie­
köpfen statt, nicht in der Wirklichkeit.
In der Realität ist dagegen eine Herausbildung von
Über-Ehepaaren zu beobachten, wo beide Partner eine
ausgeprägte Karriere verfolgen. Alison Wolf, Professorin
am King’s College in London, beschreibt den Aufstieg
­einer neuen Elite, in der sich beruflich erfolgreiche
­Frauen wie die oft kritisierten Karrieremänner verhalten.
Akademikerinnen haben entweder sehr viel später Kinder
oder verzichten gänzlich auf Nachwuchs (27 Prozent
sind im Alter von 44 Jahren kinderlos). Aber sie sind
doppelt so häufig verheiratet wie der Bevölkerungsschnitt
(selbst in Skandinavien!).
Auch bei erfolgreichen Männern scheint sich eine
­Verhaltensänderung bemerkbar zu machen: Statt eine
Partnerin hauptsächlich auf ihr Aussehen hin auszu­
suchen, wählen Abgänger von Elite-Unis bevorzugt eben­
solche Absolventinnen: Arzt heiratet Ärztin und nicht
mehr wie früher die hübsche Sprechstundenhilfe. Diese
Ehen halten besser als im Durchschnitt der Bevölkerung –
was langfristig sicher finanzielle Vorteile mit sich bringt.
Quelle: RADIOTEST 2. Hj. 2012, GfK, Basis Österreich, Mo – So, Personen 10+.
Die Medien der ORF-Enterprise:
Kontakt: [email protected]
Bestseller 5|6 2013
enterprise.ORF.at
trends
von Walter Braun
Dieses schmale Bevölkerungssegment ist extrem durch
Karriere, Status und Einkommen motiviert – ein Trend, der
aber im Rest der Bevölkerung zusehends abgelehnt wird.
­Eine vor Kurzem vom Think Tank Demos bei britischen
­Jugendlichen durchgeführte Erhebung zeigte, dass der Großteil (!) der jungen Frauen Familie vor Karriere bevorzugt
und während des Kinderaufziehens nicht voll berufstätig
sein will. Die jüngste Aktion der britischen Regierung,
­Mütter möglichst rasch wieder in volle Berufstätigkeit zurückzudrängen, hat zu wütenden Protesten geführt.
Falls ein Hochleister-Paar Kinder hat, wird es alles ­daran
setzen, seinen Nachwuchs auf einen ähnlichen Bildungsweg
zu drängen (an den prestigeträchtigsten Universitäten sind
Kinder von ehemaligen Absolventen deutlich überrepräsentiert). Diese Bildungsbesessenheit führt zu einem entsprechenden Wettbewerb um begehrte Studienplätze und zu
­einem drastischen Anstieg bei den Bildungskosten (inklusive
Nachhilfestunden, die zu einem boomenden Wirtschaftszweig geworden sind) … was den „Winner-takes-it-all“-­
Effekt, der ohnehin schon zu ausgeprägt ist, noch verstärkt.
Einer Studie in Australien zufolge verbrachten ganztägig
­beschäftige Akademikerinnen um zwei Stunden mehr Zeit
pro Tag mit ihren Kindern als Mütter ohne gehobene Bildung. Haushaltshilfe wird da sicher ­eine große Rolle spielen,
dennoch sind in diesen neuen Überdrüber-Familien die
­Eltern extrem erschöpft.
Fazit: Während Sozialpolitiker noch immer mit dem
1980er-Hut von „ungleicher Bezahlung“ hausieren gehen,
tragen erfolgsorientierte Frauen zu einer völlig neuen Elitenbildung bei. Junge Frauen dagegen finden es nicht im geringsten diskriminierend, wenn sie sich um die Kinder kümmern und der Mann um das Familieneinkommen besorgt
ist. Es finden hier parallel zwei entgegengesetzte Trends
statt, die beide Beachtung verdienen und in dem ständigen
Gleichschaltungsgerede nicht übersehen werden sollten …
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Quelle: „The XX Factor: How Working Women Are Creating a New Society“
von Alison Wolf, Verlag Profile, April 2013
Quelle: RADIOTEST 2. Hj. 2012, GfK, Basis Österreich, Mo – So, Personen 10+.
Die Medien der ORF-Enterprise:
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Nahrungsmittelindustrie
kommt ins Visier
trends
ls sich 1984 ein unbekannter Anwalt aus dem amerikanischen Hinterland mit den vier größten US-Tabakproduzenten anlegte, konnte
­niemand vorhersehen, dass es 14 Jahre später zu einer Strafzahlung
von 240 Milliarden Dollar kommen würde. Und dass in der Folge verschärfte
Gesetze und sozialer Druck das Rauchverhalten in der ganzen westlichen Welt verändern würden. Nun reich geworden
und mit einem Team von 35 Prozessanwälten ausgerüstet,
hat sich Don Barrett einen noch größeren Gegner ausgesucht – die Nahrungsmittelindustrie.
Klagen über chemische Zusätze und zu viel Fett und
­Zucker in industriell gefertigten Lebensmitteln gibt es schon
lange – aber noch nie ist es jemandem gelungen, diese Veräner möglicherweise revolutionäre Trend lässt sich so zuderungen in der Diät mit gesundheitlichen Problemen nachsammenfassen: nutzen statt besitzen. Das treibt etwa der
weislich in Zusammenhang zu bringen; nicht einmal die
Automobilindustrie Schweißperlen auf die Stirne; bis dato
­unübersehbare Fettleibigkeit lässt sich die Food-Industrie
macht man die schlechte Konjunkturlage für die Enthaltsamkeit
nachsagen. Barrett versucht daher gar nicht, die Gesundheitsbei jungen Käufern verantwortlich. Sicher spielen die fehlenden
frage ins Spiel zu bringen. Sein Angriffspunkt ist die WerJobs und fallende Reallöhne eine Rolle; es gibt aber noch andere
bung, genauer gesagt, irreführende Packungsaufschriften.
Einflüsse, etwa das Umweltbewusstsein oder eine Bevorzugung
Eine Behauptung wie „ganz natürlich“ muss ehrlich sein.
von Erlebnissen gegenüber Besitztümern. Wenn ich nicht mein
In dieser Frage sind die US-Aufsichtsbehörden strikt: Stimmt
gesamtes frei verfügbares Einkommen in teure Investitionsgüter
die Aussage auf einem Label nicht, ist der Verkauf dieses
wie Eigentumswohnung oder (neues) Auto packe, bin ich finan­Produktes untersagt! Sollte es den Anwälten gelingen, hier
ziell unabhängiger, kann rascher und leichter Entscheidungen
­Irreführung nachzuweisen, könnte es sein, dass Tausende
treffen.
Produkte vom Markt genommen werden müssen und das
Die ganze Entwicklung hängt auch mit der zeitgenössischen
Ausmaß der Schadenersatzforderung plus Strafzahlungen die
Ungeduldskultur zusammen – jeder einschießende Wunsch soll
einstige Tabakklage noch weit übertrifft.
möglichst rasch befriedigt werden; bei knappen Börsen ein
Eine britische Zeitung ließ dieser Tage die führende ChipsKunststück.
Marke testen; eine Sorte mit Schinkenspeckgeschmack entMögliche Folgen:
hält weder Schinken noch Speck, detto kommen bei Chips
.D
ie neuen Konsumenten werden eventuell niemals im Leben
mit Krabbengeschmack keinerlei Krabben vor. Eine welt­
ein Haus besitzen; es könnten neue Wohnformen entstehen,
bekannte Reismarke verkauft Fertiggerichte mit Hühnchen,
etwa Mietwohnungen, die wie ein Hotel geführt werden.
die nicht eine Spur von Huhn enthalten, dafür aber Hefe­
.D
ie neuen Selbstständigen werden einen Bedarf an „mobilen
extrakte, auf die manche Menschen allergisch reagieren.
­Büros“ haben.
Die Hersteller äußersten sich nicht zu diesen in einem
.E
in konstanter Anschluss ans Web wird so wichtig wie Essen
­Artikel veröffentlichten Vorwürfen. Die Zutaten sind klein
sein – ohne die parallele Digitalwelt ist Konsum 2.0 undenkbar.
­gedruckt irgendwo auf der Packung erwähnt, was dem Ge­
.A
utofahren verliert an Popularität, ersetzt durch Nutzung von
setze oberflächlich Genüge tun mag. Wenn man Verbraucher
öffentlichen Verkehrsangeboten, Radfahren und neuerdings
befragt, was sie davon halten, Chemie statt der ausgelobten
­Zufußgehen (wer so lebt, erspart sich das Fitnessstudio).
Zutaten zu verspeisen, klingt das Urteil wenig erfreulich. Hier
.E
in geringerer physischer Besitzstand macht Umzüge und
braut sich etwas zusammen …
­Reisen einfacher.
.A
uch im Bereich Unterhaltung macht sich das Prinzip bemerkbar – Filme, Bücher und Musik werden für gewisse Zeit aus­
geborgt, aber nicht unbedingt dauerhaft erworben.
Setzt sich der neue Lebensstil durch, werden sich einige
­Geschäftsmodelle anpassen müssen …
Update: Konsum 2.0 –
neue Lebensweisen
D
14
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Digitalista-Mitgründerin Susanne Liechtenecker
und Start-up-Grande-Dame Selma Prodanovic:
Es war noch nie so leicht, sich als Frau das
­gewünschte Businessumfeld zu schaffen.
Nur tun muss frau es selbst. Interview von Doris Raßhofer
Ein Männerthema. Welche Positionen
­haben Frauen in den erfolgreichen IT-­
lastigen Unternehmen in der Regel inne?
­Assistentin, Human Ressources, PR und
Marketing. Und Technik? Gähnendes
Venus­vakuum. Unternehmensführung?
Eher ­Krümel. Dieser Status quo dürfte gerade in der Umbruchphase sein. Denn Social
Media haben den weiblichen, kommunikativen Skills nun endgültig die Türen in das
hippe Online-­Business freigelegt. Und der
Gründerboom der Start-up- und Social-Entrepreneurship-Szene ermöglicht Frauen nie
da gewesene Gestaltungsmöglichheiten
vom Start weg. Es war noch nie so leicht,
sich als Frau das Businessumfeld zu ge­
stalten, wie frau es braucht. Der Selbst­
verwirklichung stehen Tür und Tor offen.
Wirklich? Wollte der Bestseller wissen,
schaute sich um und fand: ­immer noch viel
zu viele Männer. Wo sind sie, die tollen
Frauen, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft tragen, formen und gestalten wollen?
Ein Dialog zwischen zwei Polen:
Susanne Liechtenecker, 29 Jahre, Digital
Native, gründete zusammen mit ihrem
Mann die Online-Agentur Liechtenecker,
Mitgründerin der Digitalista, eines Frauennetzwerks für die Digitalbranche.
Selma Prodanovic, 46 Jahre, Grande Dame
der Start-up- und Social-EntrepreneurshipSzene: CEO von Brainswork, Organisatorin
des IncrediblEurope Summit, Co-Founder
der Austrian Angel Investors Association
und des EBAN-Kongresses.
Fazit: Es muss und wird sich viel ändern.
Nicht nur die Frauen.
16
Bestseller Frau Liechtenecker, Sie sind eines von neun Grün­dungs­
mitgliedern der Digitalista. Wie lautet der Auftrag dieser
­Formierung?
Susanne Liechtenecker Digitalista möchte Frauen in der Digital­
branche fördern – durch Netzwerken, Weiterbildung, Mentoring
und Sichtbarmachung auf den Panels. Im Grunde geht es darum,
unsere Frauen sowohl in die technischen Bereiche des OnlineBusiness zu bringen als auch in die Führung.
Es arbeiten bereits viele Frauen in der Online-Branche. Sieht man
dort schon Programmiererinnen? Oder doch wieder „nur“ die
­Projektmanagerin, Grafikerin, Assistentin, …?
Liechtenecker Ich würde sagen, durch Social Media vereinen sich
die kommunikativen Skills der Frauen recht gut mit der Technik,
nämlich in den Social-Media-Redaktionen. Es gibt aber gerade
im Digitalbereich auch immer mehr Frauen, die in der Führung
­sitzen. Und das ist neu.
Der reine Technikbereich ist weiterhin tabu?
Liechtenecker Noch. Aber die Eintrittsbarrieren durch Online-­
Lernplattformen sind heute wesentlich geringer. Eine Aktion
zum Beispiel der Rails Girls Vienna (Ruby on Rails ist eine
­Programmiersprache), um blutigen Anfängerinnen die Scheu vor
der Technologie zu nehmen, war binnen kürzester Zeit ausge­
bucht. Die Nachfrage ist also da.
Blöde Frage: Warum ist es notwendig, dass Frauen auch program­
mieren können?
Liechtenecker Ich glaube, dass die Gestaltung unserer Zukunft
eng mit der digitalen Technologie verbunden ist. Und wenn wir
unsere Zukunft gestalten wollen, dann werden wir Frauen um
ein gewisses Basisverständnis nicht mehr umhin können.
Haben Sie das selbst?
Liechtenecker Na ja, ich komme auch aus der Marketing-, PRund Social-Media-Ecke, habe mir aber selbst Basis-Skills via
Codeacademy und Treehouse beigebracht. Ich denke, wir Frauen
sollten uns einfach nicht mehr so selbstverständlich zurück­
lehnen, wenn es um Technologie geht.
Frau Prodanovic, die Digitalbranche mit ihrem spielerisch-­
kommunikativen Access baut offenbar die Berührungsängste von
Frauen gegenüber Technologie ab. Die Start-up- und Entrepreneur­
ship-Szene wiederum schafft neue Möglichkeiten für Frauen, sich
Bestseller 5|6 2013
Selma Prodanovic &
Susanne Liechtenecker
Fotografiert von Katrin Bruder
Selma Prodanovic
ist CEO
von Brainswork. Sie entdeckt, entwickelt und
vernetzt unternehmerisches Potenzial und
­fokussiert dabei auf kreative, innovative
Changemaker. Über 300 Start-ups haben
­bisher ihre Unterstützung gesucht. Als
­Gründerin von IncrediblEurope 2049, Heraus­
geberin der jährlichen „Brainswork Make
a Difference“-Awards und Mitbegründerin
der Austrian Angel Investors Association
­investiert sie in die Entwicklung der Entre­
preneurial Ecosystems in Wien.
Geboren in Sarajevo, aufgewachsen in Europa
und Nordafrika, ausgebildet in vier unterschiedlichen Schulsystemen, studierte an der
Universität Sarajevo, der Saint Louis Uni­
versity in Madrid und an der Wirtschafts­
universität Wien, spricht fünf Sprachen.
in der IT zu behaupten, weil sie die Frauen bei ihrem Grün­
dergeist abholt, nicht bei den Bits und Bytes. Sehen Sie als
langjährige Begleiterin der Szene eine Aufholjagd der Frauen?
Selma Prodanovic Jein. Denn die Start-up-Szene, die ja vor
allem technologische Produkte hervorbringt, ist nach wie
vor männerdominiert, in jeder Position. Es ist auch im
­Investmentbereich kaum eine Frau zu sehen. Und ja, es
sind auch auf den Podien der vielen Start-up-Events keine
Frauen zu sehen. Lediglich auf den Teamfotos von IT-­
Unternehmen sehe ich vermehrt Frauen …
… die Assistentinnen der Chefs.
Prodanovic Genau (lacht). Aber heute nimmt der Chef seine
Assistentinnen zumindest mit aufs Foto. Früher lies er sich
nur alleine porträtieren. In Österreich gab es bis vor fünf
Jahren ungefähr zehn starke und medial präsente Frauen.
Aber wie Supermodels sind sie plötzlich von der Leinwand
verschwunden, und es kamen keine neuen nach.
Frau Liechtenecker, warum nicht?
Liechtenecker Ich könnte mir vorstellen, dass die genannte
Frauengeneration andere Frauen noch nicht gefördert und
„mitgenommen“ hat. Meine Generation, glaube ich, sorgt
jetzt gerade für die nötige Anschlussfähigkeit.
Prodanovic Vor der Austrian Angel Investors Association
wollte ich die „Business Angelínas“ gründen. Aber trotz
der grundsätzlichen Akzeptanz schien ein Eindruck von
„Mädchenspielen“ zu entstehen. Wenn es drauf ankommt,
sind Frauen trotz des Geldes hierzulande doch nur
­„Mädchen“. Deswegen werden die Business Angelínas in
Genf gegründet.
Liechtenecker Das merke ich auch, dass ich selbst als
­ eschäftsführerin einer Agentur oft einfach nicht ernst geG
nommen werde. Egal wie eloquent und kompetent du bist.
Woran liegt das? Weil die Frauen ihre PS in der Außendar­
stellung nicht auf den Boden bringen? Oder in der Wahrneh­
mung der Männerwelt, die die Kompetenz der Frauen einfach
ausblendet – weil nicht sein soll, was nicht sein darf?
Liechtenecker Ich glaube, dass unsere Geschlechterrollen in
uns allen noch viel tiefer eingebrannt sind, als wir glauben.
„Wir Frauen sollten uns nicht mehr so
selbstverständlich zurücklehnen, wenn
es um Technologie geht.“ Susanne Liechtenecker
Deshalb geht es den Digitalistas auch darum, beide Rollen
neu zu definieren, nicht nur die der Frau. Nicht nur Frauen
härter, sondern auch Männer weicher zu machen.
In der Start-up- und Entrepreneurship-Szene haben Frauen
und Männer jetzt schlagartig die gleichen Chancen: Es gibt
keine Old-Boy-Seilschaften, es gibt keine eingefleischten Ver­
haltenskodizes, keine gläsernen Decken, nichts. Nur grüne
Wiese, gleiche Startbedingungen für alle. Jetzt könnten
Frauen zeigen, dass sie genauso viel können wie Männer.
Prodanovic Das stimmt. Aber ich glaube, dass junge Frauen
hier in einem ganz wesentlichen Punkt die Möglichkeiten
der „neuen Welt“ sofort für sich übersetzt haben: Sie
18
­ aben das Thema Erfolg umdefih
niert. Die wollen überhaupt nicht
mehr 100 Stunden für irgendein Unternehmen arbeiten und ihre Familie
dafür nicht sehen. Die wollen gar
nicht in irgendeinem Aufsichtsrat
von einem Unternehmen sitzen, das
sie nicht interessiert, nur wegen der
Garnitur an Titeln. WU-Studenten
habe ich oft gefragt: Wer ist erfolg­
reicher, eine Billa-Verkäuferin oder
ein Geschäftsführer? Und für alle
war klar, der Geschäftsführer. Als
ich ihnen aber den Preis aufgezeigt
habe, den der Geschäftsführer für
seinen Erfolg zu zahlen hat – 90
Stunden, geschiedene Ehen, Herzinfarkt, Burn-out, Einsamkeit – da
wurden sie dann auf einmal hellhörig, weil ihnen die andere Seite des
­Erfolgs nirgends vermittelt wurde.
Liechtenecker Für mich ist dieses
strebsame Rund-um-die-Uhr-Arbeiten, um zu beweisen, dass wir toll
sind und damit unser Geld wert
sind, etwas typisch Österreichisches.
In Schweden wird bei einem Call
um 16 Uhr schon gemault, und am
Freitagnachmittag ist niemand
­erreichbar. Und trotzdem arbeiten
dort alle gut, verdienen gut, und die
Welt geht nicht unter.
Prodanovic Für mich zählt immer nur
das Ergebnis. Denn für das, was ich
mache, darf ich es sogar gar nicht
anders machen, als mir Leerläufe
gönnen, weil der freudvolle Ausgleich die Qualität und Effizienz
meiner Arbeit ungemein steigert.
Liechtenecker Auch bei uns in der
Agentur wird mal ein Wochenende
durchgearbeitet, wenn es sein muss,
aber dafür gibt es dann Zeitausgleich.
Ich muss als Arbeitgeber reagieren,
wenn die Arbeit nicht erbracht ist,
aber nicht, wenn nicht 20 Über­
stunden regelmäßig geleistet werden.
Am Freitag haben wir zum Beispiel
­grundsätzlich Homeoffice für alle als
Angebot der freien Zeiteinteilung.
Ihr Angebot geht weit über das ver­
meintlich „großzügige Flexibiliäts­
angebot“, dass jeder seine 80 Stun­
den erbringen kann, wo und
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wann immer er will. Sie wollen gar
nicht, dass Ihre Mitarbeiter regel­
mäßig 80 Stunden arbeiten, sondern
im Schnitt nur 40, die punktuelle
Spitzen beinhalten können.
dem Kinderkriegen zwischen 20 und
30 etwas aufbauen oder mit 40 plus.
Zwischen 30 und 40 ist einfach
­immer noch schwierig.
Liechtenecker Richtig. Ich hab ja
besonders, weil ich als Unternehme­
rin nicht gefördert werde wie eine
Angestellte.
nichts davon, wenn ein guter Mitar­
beiter nicht mehr kann oder mag
und kündigt. Nicht nur, weil ich ihm
dann ewig viel Überstunden ausbe­
zahlen muss.
Prodanovic Das ist eine völlig neue
Form des „langfristigen und nach­
haltigen Betrachtens“. So wie es
mehr kostet, einen neuen Kunden
zu bekommen, als einen bestehen­
den zu halten.
Lassen Sie uns einmal die Kinder
mit in die Diskussion einbeziehen:
Hat sich die V-Frage (Vereinbarkeits­
frage von Karriere und Kind, Anm.)
in der Digital- und EntrepreneurshipSzene verbessert?
Prodanovic Frauen haben immer die
Problematik mit der Lebensplanung.
Deshalb müssen sie entweder vor
Liechtenecker Als Selbstständige ganz
Aber gerade als Unternehmerin hat
man doch die super Möglichkeit, sich
die Zeit einzuteilen, wie man es
braucht, weil es niemanden gibt, der
einem vorschreibt, wo man wann zu
sein hat. Und zum Thema Geld:
­Kinder zu haben bedeutet immer
Teilzeit. Und das bedeutet immer nur
ein Teil des Geldes. Egal, ob als
Selbstständiger oder Angestellter.
Prodanovic Es war noch nie so leicht,
sich die Zeit selbst einzuteilen und
ein Unternehmen zu gründen. Es ist
alles machbar. Nur gesellschaftlich
ist es egal, was du tust, es gibt im­
mer jemand, der sagt, es ist falsch,
wie du es tust. Denn Kinder sind
­immer noch ein Frauenthema und
Susanne Liechtenecker
gründete gemeinsam mit ihrem Mann 2009 die
Agentur Liechtenecker und bietet mit ihrem
Team digitale Strategien und Kreativkonzepte
mit modernster Web-Entwicklung, insbesondere
mit Fokus auf HTML5, CSS3 und ResponsiveProgrammierung, sowie erfolgreiches Social
Media Management an. Zu ihren Kunden
­zählen Unternehmen wie LG Electronics, Iglo,
Bene oder Henkel. Ihre Erfahrung gibt sie auch
bei Vorträgen weiter sowie in Form von BlogArtikeln unter http://liechtenecker.at/blog.
2013 gründete sie gemeinsam mit acht weiteren
Frauen das Netzwerk Digitalista, das Frauen in
der Digitalbranche fördern soll.
kein Familienthema. Und das hat auch eine Kehrseite:
­Viele Frauen machen nach der Karenz noch mal irgendeine
­Ausbildung und schlagen einen neuen Weg ein. Das geht
nur, wenn der Mann die Kohle nach Hause bringt. Viele
Männer haben – unter anderem auch deshalb – diese
Chance überhaupt nicht, irgendwann noch mal zu fragen,
‚was will ich eigentlich vom Leben?‘. Bei Männern ist es
gesellschaftlich nicht akzeptiert mit 40 einen auf Selbst­
verwirklichung zu machen.
Noch mal: Wenn die Chancen jetzt so groß sind, wie nie
­zuvor, wo sind sie dann, die Frauen?
Liechtenecker Ich finde, dass gerade das Jahr 2013 ein
­unglaubliches Jahr ist, in dem sich in meinem Bekannten­
kreis sehr, sehr viele Frauen selbstständig machen.
Prodanovic: Diese Entrepreneurship-Szene hat vor ein paar
Jahren in Österreich ja überhaupt noch nicht existiert.
Wenn vor ein paar Jahren der Mitbegründer von Facebook,
Chris Hughes, in einem Saal in Österreich vor 1.000 Leuten
gesprochen hat, saß die versammelte Old Economy in den
Stühlen mit der Haltung: „Was willst du mir erzählen, du
bist ja noch ein Bub“. Mittlerweile hat man erkannt, dass
da eine wirtschaftliche Kraft entsteht aus diesen New Busi­
nesses. Noch ist die Silicon-Valley-Community männlich.
Will die junge Generation überhaupt noch eine Führungs­
position erreichen?
Liechtenecker Ja, aber in der eigenen Firma. Jeder will sein
Ding haben.
Prodanovic Mit diesen Zuckerberg-Millionen sehen wir ja
immer nur die Spitze des Eisbergs, ein paar wenige, die es
geschafft haben. Die vielen, vielen, die es nie geschafft
­haben, blenden wir alle aus. Entrepreneurship heißt für
mich auch nicht, in sechs Monaten ein Business hochziehen
und verkaufen – das bringt unsere Welt nicht weiter. Ich
möchte ein nachhaltiges, beständiges Business schaffen,
das gedeiht und 200 Jahre existiert. Ein Unternehmen, das
zwei Weltkriege überlebt, diesen Wert solcher Unternehmen
sollten wir nicht unterschätzen.
Ist die Social-Entrepreneurship-Szene – ähnlich der CSR-­
Szene – weiblicher besetzt als die IT-lastige Start-up-Szene?
Prodanovic Nein. Wenn es um Unternehmertum, um Busi­
ness geht, dann sind dort in beiden Szenen die Männer die
Vorherrschenden. Weil auch ein Social Entrepreneur muss
eine nachhaltige Finanzierung aufstellen können und nicht
nur nett und lieb sein.
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Lassen wir die nächste Bim auch aus?
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Die Stadt gehört Dir.
Scheuen sich Frauen davor, ein
unter­nehmerisches Risiko zu tragen?
Prodanovic Ja. Weil sich Männer
­immer eher überschätzen und das
Risiko einer Unternehmensgründung
oft unterschätzen und Frauen sich
meist unterschätzen und deshalb das
Risiko überschätzen. Wenngleich von
Frauen gegründete Unternehmen in
der Regel länger Bestand haben als
von Männern gegründete.
Liechtenecker Ich glaube, dass es
­ erzeit viel um die Idee geht, dass
d
die Frauen etwas tun wollen, was sie
gerne tun, dann ist es nämlich keine
Arbeit mehr. Wenn es finanziell
­erfolgreich ist, umso besser. Frauen
geht es nicht mehr darum, eine
­lukrativ-vielversprechende Nische zu
finden, die sie aber nicht interessiert.
Da geht es um die Selbstverwirk­
lichung, wo ist ein Thema, wo ist die
Lösung dafür, wofür brenne ich.
Prodanovic Zur Selbstverwirklichung
können aber auch Kinder gehören.
Und da finde ich es so schade, dass
es mittlerweile zum Problem geworden ist, Kinder zu haben. Mich
­haben meine Kinder um ein Viel­
faches reicher gemacht.
Liechtenecker Es wird zum Problem,
weil die Männer nichts dazu bei­
tragen.
Aber es sind ja nicht nur die Ehemänner, die einen Teil b
­ eitragen
können. Es sind ja auch die Chefs,
die hier etwas verändern können:
Stichwort Corinna Milborn – ihre Beförderung trotz Schwangerschaft war
nur möglich, weil auch Markus Breitenecker gewillt war, einen Weg aktiv
zu suchen (siehe Seite 24, Anm.).
Prodanovic Das hat sicher auch damit
zu tun, dass Frauen heute diese
­Dinge fordern: Ich bin es wert, dass
wir eine Lösung finden.
In der neuen Arbeitswelt verschwinden die strikten Trennungen von
­Familien- und Arbeitswelt. Kinder
werden ­immer öfter integriert.
Prodanovic Das war in der Kreativund Künstlerwelt schon immer so.
Jetzt kommt es in die klassische
Welt hinein. Das erste, was bei mir
in den Kalender kommt, sind meine
Kinder. Meine Kinder sind Teil
­meines Lebens, und eines davon
wird hernach hier auch ganz selbstverständlich ­reinplatzen.
Liechtenecker Meine Eltern sind
Weinbauern, und wir K
­ inder waren
auch immer von klein auf mitten in
allen ­Geschäften der Eltern dabei.
Familie und Firma waren bei uns
­immer eines.
Es ist also gar kein „neues“ Thema,
sondern eigentlich ein urtraditio­
nelles – neuer Wein in alten Schläuchen, um beim Weinbau zu bleiben?
Liechtenecker In meiner Agentur sind
wir alle noch kinderlos. Aber grundsätzlich wäre ich offen für solche
Modelle.
Was denken Sie sich, wenn Sie mit
einer Frau geschäftlich telefonieren
und plötzlich schreit ein Kind im
Hintergrund?
Liechtenecker Sie verliert an Reputa­
tion. Aber auch wenn ich mit einem
Mann telefoniere, und er versucht
währenddessen, sein Kind zu beruhigen, ist er mit einem Schlag kein
Businesspartner mehr.
Prodanovic Für mich ist das Kind der
einzige Grund, warum jemand einen
Termin absagen darf. Für mich ist
das eher ein Coolness-Faktor.
Warum sind Sie selbstständig?
Prodanovic Nach meinem Studium
hab ich bei Agenturen wie Young &
Rubicam und Ogilvy & Mather im
Im stylish-entspannten Brains­
work-Office: Susanne Liechten­
ecker und Selma Prodanovic im
Gespräch mit Doris Raßhofer
über Frauen, Männer, Techno­
logie und Lebenswege.
„Ich würde mir wünschen,
dass sich auch Männer etwas
anderes von ihrem Leben
wünschen – und wünschen
dürfen – als die pure Karriere.“
Selma Prodanovic
Osteuropa-Geschäft gearbeitet, in der Aufbruchszeit der
Südosteuropa-Öffnung. Aber nach zwei Jahren war klar:
Corporate World ist nicht meine Welt.
Warum?
Prodanovic Dieses langsame Politische, ewig Dauerende, bis
eine Entscheidung gefällt wird. Wenn eine Glühbirne
­kaputt ist, und die ist nicht im Lager, dauert es 28 Tage, bis
das Licht im Klo repariert ist – da flipp ich aus. Oder wenn
mir ein Chef in New York sagt, was ich mit einem Kunden
in Slowenien zu tun habe, wo er nicht einmal weiß, wo
Slowenien überhaupt liegt.
Liechtenecker Aber ich glaube, es wäre die falsche Botschaft
an Frauen, zu sagen, wenn du wirklich frei sein willst,
musst du dich selbstständig machen. Es ist zwar gut, dass
sich da gerade sehr viel tut, aber wenn wir langfristig eine
Veränderung wollen, ist es wichtig, dass Frauen auch in
klassischen Corporate-Strukturen in der Führung sitzen,
dass sie sich gerade in digital- und IT-lastigen Firmen in die
Machtstrukturen hineinbegeben, um sie aufzubrechen und
sichtbar zu werden. Sonst gibt es zwar viele Gründerinnen,
aber wir bleiben wieder „die kleinen Mädels“. Und die Big
Boys bleiben wieder unter sich.
Prodanovic Ich würde mir wünschen, dass beide Welten,
Männer und Frauen, die Corporate-Welt in den nächsten
Jahren verändern. Dass sich auch Männer etwas anderes
von ihrem Leben wünschen und auch die Möglichkeit
­haben, dazu zu stehen. Verantwortung ja, aber eben nicht
unbedingt „so“. Es kann auch anders gehen.
Dazu braucht es ein Selbstwertgefühl, das mir sagt, ich
muss nicht 90 Stunden arbeiten, um mein 40-Stunden-­
Gehalt wert zu sein, dass ich nicht 130 Prozent geben muss,
um 100 Prozent wert zu sein.
Prodanovic Da braucht es Vorbilder, die zeigen, dass es
auch anders geht, gerade in der Mehr- und Next Genera­
tion. Charly Kleissner zum Beispiel (Apple-iOS-Miterfinder
aus Tirol) hat mit seinem Exit so viel Geld gemacht, dass
er sich erst einmal hingesetzt hat und für sich definiert hat:
Wie viel ist für mich genug? Und was mache ich Sinn­volles
mit dem Rest?
Liechtenecker Ja, wir brauchen Rollenbilder, die den Frauen
die Angst nehmen, die Dinge anders zu tun, sowohl auf
Gründerseite als auch von Corporate-Seite. Damit wir nicht
immer nur entweder die „Mädels“ sind oder die „Domina“.
Prodanovic Man kann natürlich sagen: Oh Gott, ich bin unter
20 Männern die einzige Frau. Man kann aber auch sagen:
Super, ich bin die einzige Frau, da werde ich auf jeden Fall
wahrgenommen. Eine Frage der gewünschten Sichtbarkeit.
22
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Frauen, die aus den Rahmen fallen
Es gibt Frauen, die haben Dinge komplett
anders gemacht als alle anderen. Ein Chapeau!
an besondere Lebenswege. Text von Doris Raßhofer
Selbstbestimmt. Ja, Sie haben ganz richtig gelesen: „Frauen, die aus deN Rahmen fallen“.
Kein Tippfehler. Weil Frauen heute zum Glück inzwischen aus vielen Rahmen fallen
­können. Und so, wie es heute schon kein Modediktat mehr gibt, wird es bald auch kein
weibliches Rolemodel-Diktat mehr geben. Rahmenloses F
­ rausein, quasi. Erlaubt ist, was
­gefällt. Nein, das ist nur die halbe Chance. Erlaubt ist, was glücklich macht. Und wer sagt
überhaupt, was erlaubt ist? Bühne frei für sieben Portraits toller Frauen, deren berichtens­
werte Besonderheiten hier explizit nicht in den schon leicht überholten Kategorien
­„Quoten“, „Kind & Karriere“ oder „Emazipation“ zu suchen sind.
Schwanger, und trotzdem befördert
Was passiert mit berufstätigen Frauen, die schwanger
werden, normalerweise? Sie gehen in Karenz und kom­
men irgendwann als irgendwas wieder. Die Karriere­
planung findet zu diesem Zeitpunkt oft ein jähes Ende.
Anders für Corinna Milborn, ihres Zeichens frisch geba­
ckene Infochefin von Puls 4 – befördert im vierten Monat
ihrer Schwangerschaft. „Die Nachbesetzung dieser Positi­
on und meine Schwangerschaft sind glücklich zusam­
mengefallen“, strahlt die Medienfrau. „Senderchef
Markus Breitenecker war es, der diese Kombina­
tion möglich machen wollte, also haben wir
­gemeinsam ein Modell dafür erar­
beitet“. Und das sieht wie folgt
aus: Bis zum Mutterschutz im
­August hält Milborn die operative
Chefredaktion von Sendungen
wie „Guten Abend Österreich“,
„Café Puls“, „ProSieben News“.
Im Mutterschutz geht die
journalistisch-inhalt­
liche Verantwor­
tung in die Sen­
dungsverantwortung über, und acht Wochen
nach der Geburt fungiert die frisch gebackene
Mutter schwupps als Herausgeberin für alle
Sendungen – in 20-Stunden-Teilzeit, zum
Teil von zu Hause aus. Das dürfte im deut­
schen Raum einzigartig sein. Und „ja, das
ist ein Zeichen für viele Frauen, ein mutmachendes“. Was
nichts anderes heißt wie: Wenn man(n) will, geht alles.
Zumindest in diesem Fall. Milborn: „In dieser Schwanger­
schaft hab ich mich richtig, richtig ernst genommen
­gefühlt als Mitarbeiterin. Das war bei meinem ersten
Kind vor 14 Jahren leider noch ganz anders.“
Die Karriereleiter nach oben zu springen wie Corinna Milborn –
und zwar mitten in der Schwangerschaft –, das ist ein starkes
Zeichen an alle berufstätigen Frauen. Und an deren Chefs.
24
Bestseller 5|6 2013
illustration: Martina Andrae
Corinna Milborn
PULS 4 Gerry Frank, Studio1016, Tatjana Ruthardt (2)
Mijke Gelbmann
Die Zentaurin
Oben im Designergewand, unten noch die Reitstiefel. So
ist Mijke Gelbmann lange Zeit in der Diva-Redaktion erschienen. Sie war viele Jahre Artdirektorin im Verlag, bis
sie ihre Jugendliebe wieder aktiviert hatte: Pferde. Also
wurde vormittags geritten, nachmittags und abends
­ge­arbeitet. „Aber irgendwie war ich halb-halb. Und diese
ganze Schicki-Micki-Adligen-Szene, das war auch nicht
wirklich meine Welt, da hat
mir irgendwann zu sehr
der Boden gefehlt“, erinnert sich das drahtige Energiebündel. So kam, was
kommen musste: der Abschied. Gelbmann kaufte
sich amerikanische Quarterhorses, absolvierte die
Ausbildung zum staatlich
geprüften Western-­
Instruktor und kaufte sich
mit ihrem Partner eine
Ranch im Marchfeld, wo
seit nun acht Jahren Pferde
Die zwei Herzen in ihrer Brust
und Reiter ausgebildet wer- zu vereinen, war für die Artdirek­
torin und ­passionierte Reiterin
den. Und da saß sie dann:
Mijke Gelbmann ein langer und
mitten in ihrem P
­ aradies
harter, aber lohnender Weg.
„am Arsch der Welt“, wie
sie selber sagt, aber ersteinmal allein. „Für alle war ich ein
Alien – für die Städter das Landei, für die Landbevölkerung die Städterin“, so Gelbmann. „Es hat gedauert, bis
sich das Pendel seine Balance gefunden hat.“ Im Laufe
der Jahre hat sich eine passende Community um ihr Leben gebildet, der soziale Aktionsradius liegt heute
bei 100 Kilometern, sowohl Gummistiefel als auch
Highheels liegen immer im Auto parat. Und zum
Ausgleich der Extreme hat die Grafikern inzwischen
ihr eigenes Designbüro, „Studio 1016“, eröffnet.
­„Eine Frau muss einfach tun, was sie tun muss.“
Nämlich? „Nicht unterdrücken, was in ihrem Naturell
liegt. Auch wenn man damit nicht reich wird. Aber für
mich ist es wichtiger, meinen Weg so zu leben, wie ich
es brauche.“
Tatjana M. Ruthardt
Ein Leben wie ein Ypsilon
Manche Frauen verlassen das Schema F an jeder möglichen Ecke: Tatjana M. Ruthardt ist eine davon. Schule in
Bayern, Highschool in El Paso/Texas, Matura im Sauerland,
Studium in Trier, Berufsstationen in Luxemburg, Frankfurt,
London – und nun Wien. Studium der Wirtschaftsmathematik und eine Senkrechtkarriere als Investmentbankerin
bis hin zu Prokuristin und Direktor der Investment-Division der Dresdner Bank. „Ich mag das Spielerische, die gedanklichen Konzepte“, erzählt Ruthardt. Als leidenschaftliche Motorradfahrerin verbringt sie jede freie Minute auf
dem Motorrad. Nie Angst? „Mit Training und Fahrtechnik
kann man sehr viele Stürze verhindern. Und letzteres
kann man lernen“. Dieses Know-how gibt die 45-Jährige
seitdem als Motorrad-Fahrtechnik-Instuktorin beim
ÖAMTC weiter – wieder einmal als Frau allein auf weiter
Flur, wie auch im Starterfeld ihrer Motorradrennen. Die
­Investmentkarriere hängte sie inzwischen an den Nagel –
ihre Entscheidung: 70 Stunden pro Woche sind einfach zu
viel. Letztes Jahr machte sie eine Ausbildung zum systemischen Coach und gründete die Y Unternehmensberatung.
Warum „Y“-Coaching? „Ich bin Mathematikerin, ich mag
Ypsilone“, scherzt Ruthardt. „Im Englischen heißt es
­‚Why-Coaching‘ – also: Es gibt viele Gründe dafür“. Und:
„Y sieht aus wie ein Weg, den man geht, bis man an eine
Gabelung kommt. Coaching ist für mich eine Reisebegleitung des Kunden auf seinem Weg zum Ziel – und da gibt
es oft Entscheidungen zu treffen, wie bei einer Gabelung.“
Tatjana Ruthardt war bisher
überall zu finden, wo Frauen
normalerweise flüchten:
­Mathematik, Investment­
banking, Motorradrennen.
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Bestseller 5|6 2013
Signe Reisch
Julia Neumann
Anneliese Degen
Eine Firma nur mit Frauen
Sie ist keine junge, hippe Jungunternehmerin mit den
Mit Schrägheit unter die US-Top-33
großen Visionen einer besseren Welt. Anneliese Degen
Sie liebt Spätzle und nennt ihren Hund danach – weil sie
hat vor 25 Jahren einfach etwas für eine bessere Welt gees mag, wenn Amerikaner „Spätzle“ sagen müssen. Sie
tan. Für eine bessere Welt für Frauen: Damals selbst mit
ist die einzige Frau in ihrer Runde, die kein einziges Paar
Stöckelschuhe besitzt und trotzdem „immer die teuersten zwei Kindern als junge Frau beruflich mit dem Rücken
zur Wand stehend, fand sie Boden unter den Füßen in
Schuhe in einer Runde von Frauen trägt“, wie sie selber
Heimarbeit in der Kabelkonfektion. Daraus machte sie
witzelt. Sie habe keine Haare auf den Zähnen, sei kein
recht schnell eine eigene Firma, ohne Gründerinnenzentweiblicher Macho, der seine Projekte versteckt und für
sich behält – im Gegenteil, sie hole gerne auch diejenigen rum und Förderungen, wie sie heute überall parat stehen.
„Die ersten acht Jahre habe ich ausschließlich Frauen mit
an Bord, die dazu beitragen, eine Idee noch besser zu
Kindern beschäftigt“, erzählt die Geschäftsfrau mit Herz,
„Männer
kamen später nur deshalb dazu, weil manche
Auch nach tausend „Nos“ stand sie
wieder vor der Tür ihrer Kreativ­
Dinge einfach zu schwer sind.“ Von den heute insgesamt
direktoren – bis zum „Yes“. Mit ­
18 Mitarbeitern stellen Männer nach wie vor eine Minderihrer Hartnäckigkeit schaffte es Julia
heit dar. Warum nur Frauen? „Frauen haben ein viel
Neumann unter die 33 kreativsten
Frauen der US-Werbebranche.
­feineres Gefühl und arbeiten mit viel mehr Akribie und
Qualitätsanspruch. Frauen mit Kind sind zudem um vieles flexibler. Zeitdruck von Kundenseite erzeugt bei ihnen
keine Krise, sondern sie organisieren sich das einfach.“
Frauen fehlen aber auch mal, wenn das Kind etwas
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Bestseller 5|6 2013
Echo Friedle, julia neumann, Foto Furgler, helga Bernold, Martina Andrae
Dank ihrer eigenen SocialMedia-Kampagne schaffte es
die Besitzerin des Rasmushof
in Kitzbühel, als erste Frau
Tirols zur Chefin des Tourismusverbandes Ihrer Heimat
gewählt zu werden.
Bauernstube und WLAN
Der Rasmushof in Kitzbühel steht direkt in
der Zieleinfahrt der Streif, ein stattlicher
Hotelbetrieb samt Golfplatz, mit elf Zimmern, Zirbenstube und Free WiFi – wie
sich das für einen alpinen Traditionsbetrieb
im VIP-Bereich heute gehört. Das Werk von machen. Und sie verfügt über ungeheuer viel Hartnäckigkeit. Nach tausend Mal „No“ und „Not good enough“
Signe Reisch und ihren drei Kindern. Letzund „So kann man das doch nicht machen“ ist sie immer
tes Jahr wurde sie zudem noch zur ersten
und immer wieder mit neuen Ideen vor den Türen ihrer
Präsidentin des Kitzbüheler TourismusverKreativdirektoren gestanden. So lange, bis es hieß: „Yes“.
bandes gewählt – und ist damit die erste
Und schließlich wählte sie Business Insider Anfang dieses
weibliche Tourismuschefin in Tirol. Wie sie
das geschafft hat? Durch ihre eigene Social- Jahres unter die 33 kreativsten Frauen der US-Werbewelt
(in der 97 Prozent aller Kreativ Direktoren männlich
Media-Kampagne. „Ich hab mir das ein
sind): Julia Neumann aus Hörbranz, mit mehreren „Nicht
bisschen beim US-Präsidentschaftswahl­Genügend“ in Englisch in der Schule. In der Miama Ad
kampf des Obama abgeschaut“, gibt Reisch
School in Hamburg hatte sie ein geheimes Ziel: die meisverschmitzt zu, „ich hab mir einfach überlegt: Was wisten Löwen aller bisherigen Schüler in Cannes zu machen
sen die Leute eigentlich alles von mir? Und hab darauf– sie gewann 2006 für TideToGo einen Print- und einen
hin über alle Kanäle offen kommuniziert, warum ich
Outdoor-Löwen. Der Weg zu Saatchi & Saatchi in New
TVB-Chefin werden möchte“ – via Facebook, Twitter und
York war frei. Auch der zu Young & Rubicam N.Y.,
Blog. Die 58-Jährige im Trachtengewand tippt auf ihrem
Wieden+Kennedy in Portland, BBH New York. Wie sie
iPhone 5 herum, hinter ihr liegt ihr iPad. Ach ja, und
es schaffte, sich aus der Masse abzuheben? „Ich denke,
­eine eigene iCloud-Adresse habe sie auch, schiebt sie gewitzt nach. „Das Ganze funktioniert doch im Grunde wie mit meiner Hartnäckigkeit, mit meiner Direktheit und
weil ich mich und die Dinge alle nicht so ernst nehme.
am Stammtisch: Du musst mit den Leuten kommunizieIch gehöre nicht zu den Frauen, die ‚SalzstreuerIn‘ sagen
ren, damit du interessant und im Gespräch bleibst.“ So
muss. Viele halten mich sicher für schräg.“ Heute ar­
einfach ist das. Inzwischen muss jeder neue Mitarbeiter,
egal ob Management oder Rezeption, einen Social-Media- beitet sie selbstständig als Creative Director und Copy­
Kurs bei der ÖHV belegen. „Unsere Tradition gilt es unter writer – für Herzensprojekte. Zum Beispiel eine aktuelle
Umfrage unter Frauen ab 70 nach ihrem letzten sexuellen
allen Umständen zu erhalten“, so die Hotelchefin streng,
Kontakt. Daraus soll ein Buch werden.
„aber up to date bleiben müss ma halt auch“. Ihre Facebook-Seite hat über 2.500 Fans.
braucht. „Dafür sind andere bereit, etwas aufzufangen.
Handfestem und Sinnvollen“, erinnert sich die heute
Gegen alle Unkenrufen – die Kollegialität ist eine sehr ho- vierfache Mutter und Vollerwerbsbäuerin. Sie setzt heute
he bei uns“. Natürlich spürt auch Deakon den Preisdruck
auf Direktvermarktung auf hohem Qualitätsniveau –
aus dem Ausland, billiger, billiger.
„weil ein gutes Lebensmittel einfach etwas wert ist“,
Vor allem bei Großkunden. Degen
meint sie idealistisch. Und wie ist das mit dem Stress
suchte deshalb nach einem Partner heute? Sie lacht: „Ein stressfreieres Leben war der Plan.
im Ausland. Zwei Jahre lang. Bis
Aber daraus wurde nichts. Dafür aber ein selbst­
endlich ein Unternehmen in Unbestimmtes Leben“. Auch wenn die Herausforderungen
garn gefunden war, das ihren fami- geblieben sind.
lienfreundlichen Vorgaben entNach 23 Jahren als AUA-Flugbegleiterin
sprach: „Für mich sind all diese
­ ackte die Wienerin Martina Andrae i­hren
p
Frauen, die ich beschäftige, gelebte
Kindsheitstraum wieder aus: aus alten
CSR, die einfach Sinn macht.“
In Hart bei Graz beschäftigt
­Deakon-­Chefin Anneliese Degen
seit 25 Jahren ­nahezu ausschließlich
Frauen mit Kindern: „Das ist gelebte
CSR, die Sinn macht.“
­Zeitungen Neues gestalten. Seitdem macht
sie sich einen Namen mit ihren Collagen. Die
Verwendung bestehender Bilder, Texte und
Gegenstände sind für sie eine Art ­Tribut an
alles und jeden. Der Titel dieses Werkes:
„Frauen, die aus deN Rahmen fallen“.
Helga Bernold
Von der App zum Pinzgauer Rindvieh
Ihre Welt war die Mobilfunkbranche. Zusammen mit
Markus Wagner und Andreas Wiesmüller gründete Helga
Bernold nach ihrem Studium drei Unternehmen für Mobilfunkapplikationen. 2004 wurden diese zu 3 United
­fusioniert, hatten 100 Mitarbeiter, und Bernold war COO.
Ein guter Exit an Verisign vergoldete ihr den Ausstieg. Ihr
Mann hatte nebenberuflich eine kleine Landwirtschaft im
östlichen Weinviertel. Schrittweise wurde diese mit den
Internet-Millionen auf 100 Hektar Demeter-Landwirtschaft mit Ackerbau und Pinzgauer Rinderhaltung ausgebaut. Und als dann das dritte Kind da war, war klar: jetzt
ist Schluss mit nebenbei, jetzt ist es Zeit, der Mobilfunkbranche „Adieu!“ zu sagen. „Ich sehnte mich nach etwas
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Einreichfrist bis einschließlich 08. Juli 2013. Die Teilnahme ist kostenlos. Teilnahmeberechtigt sind alle werbetreibenden Unternehmen, Werbeagenturen und Mediaagenturen für ihre Auftraggeber, jeweils mit Sitz in Österreich.
Seit drei Saisonen kämpft der Modehandel mit
der Kaufunlust der Kunden. Die Wetterkapriolen
sind nur ein Grund für die schlechten Umsätze.
Das Problem ist mehr als vielschichtig. Text von Dagmar Lang
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Bestseller 5|6 2013
Bikeworldtravel/Fotolia
Im Laden
ist Schluss
Lust
oder
Frust. Katharina, 42, bei einer Wiener Kreativagentur für New Business zuständig, hatte
heuer schon einige interessante Erlebnisse
in Sachen Mode. Ende Februar lief sie bis
zum Ladenschluss durch München, um einen schwarzen Rollkragenpulli zu ergattern,
weil sie vergessen hatte, ihren einzupacken.
Die Verkäuferinnen sahen sie an, als hätte
sie eine Packung Kokain verlangt, und
­zuckten bedauernd die Achseln. Bei minus
vier Grad und zehn Zentimeter Schnee führt
man doch keine Rollkragenpullis, sondern
duftige Plisseeröcke in Pastellfarben. In
­ihrem Frust erstand Katharina einen solchen,
der Monate ungetragen im Kasten hing.
­Katharina ist das eigentlich gewöhnt, denn
als besonders modebewusste Kundin kauft
sie öfter zu Saisonbeginn ein, was ihr gefällt.
Sie ist jene Zielgruppe, für welche die internationale Modeindustrie diesen atemberaubenden Rhythmus eingeführt hat: immer
früher, immer öfter, immer mehr … Das gilt
inzwischen nicht nur für die Anlieferung
(Herbst- und Winterware Anfang Juni, Sommerware ab Dezember, spätestens Januar),
sondern natürlich auch für den Abverkauf:
immer früher, 30 Prozent zu Beginn, 50 Prozent in der Mitte, 70 Prozent zum Schluss.
So war Katharina nicht sehr überrascht,
Mitte Mai in ihrer Post zwei Einladungen
vorzufinden: als „exklusive Stammkundin“
könne sie schon jetzt die Sommerware um
30 Prozent billiger erstehen, teilte ihr eine
Wiener Nobelboutique mit. Der Versender
Madeleine hingegen schickte der „treuen
Kundin“ einen Preview-Katalog der
@@@dieser mann bewegt@@@
@@@60
@@@65 millionen pakete in über@@@
@@@200 länder pro jahr.@@@
@@helmut zaufall, LOGISTIK TEAM@@
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Wenn’s wirklich wichtig ist, dann lieber mit der Post.
Herbst/Winter-­Mode 2014. Wenn sie bis
zum 31. Mai bestelle, gäbe es besondere
Vergünstigungen. Gewundert hat sich
­Katharina nur über die Bezeichnung
„Stammkundin“ – bei beiden Unternehmen
hatte sie seit Jahren nichts mehr eingekauft.
Als Marketingexpertin o
­ rdnet sie die Aktion
richtig ein: als echte V
­ erzweiflungstat.
30
Now! Sehen, probieren, kaufen und tragen
.
eu heißt neu in meinem Kleiderschrank, egal ob im Outlet-Center,
N
im Sale, online oder secondhand gekauft
.
Push for Posh: billige Ware wertvoll inszeniert
.
Es gibt keinen Bedarf
.
It-Pieces gehen noch immer
.
Es ist zu viel schlechte Ware im Markt
.
Nachhaltige Mode boomt in ihrer kleinen Zielgruppe
.
Irischer Diskonter Primark boomt in der Masse
.
Topmodische Kundin will die neue Mode immer früher
.
Die Mehrheit wartet auf die reduzierten Preise
das Budget ist verbraucht. „Selbst Aktionen
laufen nur noch, wenn auch das Wetter
passt“, weiß Jörg Weber, der mit Rabe eine
der erfolgreichsten deutschen Marken vertritt. „Der Handel hat ein echtes Frequenzproblem.“ Markus Dejori, Geschäftsführer
der modischen Marken Jean Paul und
­Blacky Dress, ist da anderer Meinung: „Wir
müssen einfach wieder mehr Mode bringen,
mehr Einzelteiliges, mehr It-Pieces.“ Das
Produkt Sommerdaune (seit Wochen fast
überall ausverkauft) hätte ja gezeigt, dass
gute Ideen Erfolg haben. „Weil man die
auch zehn Monate im Jahr tragen kann“,
wirft Eilhardt ein. Walter Moser, Eigentümer
des international erfolgreichen Premium­
modelabels Airfield aus Seewalchen, will
raus aus der Saisonfalle. „Wir hören mit
Sommer und Winter jetzt auf und bringen
einfach acht Kollektionen mit möglichst vielen, das ganze Jahre über tragbaren Materialien“, hat Moser die Lösung bereits gefunden und arbeitet schon an der Umsetzung.
Zwischen Tochter und Oma: nichts
Andere Ware zu anderen Zeiten – dazu wären auch andere Hersteller bereit, doch der
„Handel spielt da nicht mit, hält an tradierten Lieferrhythmen fest“, weiß Jörg Weber
aus eigener Erfahrung. „Wir müssen die
Renner viel schneller nachproduzieren“, ist
Gerhard Kränzle vom deutschen Hosen­
spezialisten Atelier Gardeur überzeugt. Dazu
bedarf es des ganz engen Kontaktes mit
dem Handel. Der seine Kunden auch nicht
gut genug kennt, sonst würde man sich
mehr um jene Damen kümmern, die wirklich Geld haben. „Die sogenannten BMWKundinnen bedient keiner richtig: Bäcker,
Metzger, Wirtsleute“, sagt Jens Eilhardt, und
Michael Alten gibt ihm Recht: „Die Kundin
über 50 hat viel mehr Geld als die unter 50.“
Es müssen gar keine BMW-Kundinnen sein,
die frustriert durch den Handel schlendern.
Katharinas Freundin Uschi, 52, Gymnasiallehrerin in Mödling, wollte neulich für eine
Taufe ein Kleid kaufen. Alles, was sie fand,
hätte ihrer 20-jährigen Tochter oder ihrer
75-jährigen Mutter sehr gut gepasst …
Kein Wunder, dass der Online-Handel
boomt: „Zalando ist unser zweitgrößter Kunde, und er schickt uns keine Ware z­ urück“,
proklamiert Frank Gouder vom deutschen
Modelabel Passport. Auch Walter Moser
setzt auf die Online-Shopperin. Bei Airfield
hält sich die Retourenquote mit 30 Prozent
in bescheidenem Rahmen, was an der exakten Passform der Marke liegen könnte. „Eine
Jacke in Größe 27 kann man nicht googeln“,
wirft Peter Dür ein. „Ich b
­ ezweifle, dass
­online alles besser ist“, ­widerspricht auch
Gerhard Kränzle. Gerade bei Hosen ist die
Anprobe schon sehr wichtig. „Richtig“,
meint Urs Kinting. „Unsere Läden werden
Bestseller 5|6 2013
Bikeworldtravel/Fotolia
Der Hit: Sommerdaunen
Der heimische Textilhandel hat die dritte
schlechte Saison hinter sich. Kaufte die
Konsumentin in den Krisenjahren noch
richtig lustvoll ein, so ist es seit Sommer
2012 damit vorbei. Sie hat gelernt, abzuwarten und dann ein Schnäppchen zu machen.
„Das Grundproblem ist, dass zu viel schlechte
Ware am Markt ist“, sagt Michael Alten,
­Geschäftsführer der deutschen Abendmoden­
marke Vera Mont. Der Handel kaufe das
­Falsche ein, kenne seine Kunden einfach
nicht gut genug, meint etwa Jens Eilhardt
vom Salzburger Bekleidungsspezialisten
Schneiders. Peter Graf (Kleider Bauer, Hämmerle) spielt den Ball an die Industrie zurück: „Es gibt viel zu wenig schöne Sachen
am Markt.“ Wenn dann das Wetter so verrückt spielt wie heuer, ist die Katastrophe
perfekt, der Handel verliert die Nerven und
beginnt mit frühzeitigen Abverkäufen. Peter
Dür (Lodenfrey) wurde schon vor acht Wochen mit den ersten Anfragen nach Reduktionen konfrontiert.
„Bevor der Sommer noch begonnen hat,
gibt’s minus 50 Prozent“ stöhnt Eilhardt,
der eine interessante Wetterstatistik parat
hat: Am 24. Dezember 2012 war es wärmer
als am 27. Mai 2013. Die Lösung des Dilemmas? „Kein Kunde hat Bedarf, wir können
nur Bedürfnisse wecken. Für den Kauf gibt
es nur zwei Motive: Lust oder Frust“, sagt
Urs-Stefan Kinting, Geschäftsführer des
Hamburger Damenmodenanbieters Olsen.
„Es muss uns mit unseren Produkten und
deren Inszenierung gelingen, Impulse zu
setzen und diese dann zu befriedigen.“ Und
das sofort: „Das Kleidungsstück muss in der
gewünschten Farbe und Größe verfügbar
sein“, weiß Kinting. Der Kunde will nicht
warten, und er kommt auch nicht wieder.
Wenn man Pech hat, kauft er statt bei XY
die Bluse bei Z, dann ein Paar Schuhe, und
Zehn Megatrends der Mode
.
sich in Showrooms verwandeln, wo man
probieren und fühlen kann – bestellt wird
dann online.“ Dies vornehmlich Dienstag­
mittag, weiß Alexander Gedat, der mit Marc
O’Polo seit Jahren besser performt als die
Mitbewerber. Gedat ist überzeugt, dass man
wieder mehr in das Produkt inves­tieren
muss. Und in die Werbung, w
­ obei Marc
O’Polo wesentlich präsenter ist als viele
­Modemarken. In der Tat ist die Bran­che kein
Big Spender. Gerade mal 96 Millionen Euro
gibt die Textilbranche für klassische Wer­
bung aus und liegt damit an 19. Stelle.
Rasend viel Werbung macht auch der
­irische Diskonter Primark nicht, der mit
­seinen in Bangladesch gefertigten Billigst­
waren europaweit boomt. „Diese Kunden
blenden die Herkunft aus“, meint Jörg
­ eber, der seit der Katastrophe in Bangla­
W
desch von seiner qualitätsbewussten Kundin
viel öfter gefragt wird, wo die Ware eigent­
lich herkommt. Was heißt, es fragen nur
­jene, die es berührt: Lisa Muhr (Göttin des
Glücks) erzählt von intensiven Anfragen
aufgeschreckter, an Fairtrade-Mode interes­
sierter Kundinnen. Ähnliches berichtet Marc
Willy vom Schweizer Nachhaltigkeitslabel
Nile, der mit eigenen Augen gesehen hat,
wie ein Londoner Putztrupp bei ­Primark die
auf den Boden gefallenen ­Kleidungsstücke
mit dem übrigen Schmutz entsorgt hat.
Es scheint, als hätte der Modehandel
wirklich noch ganz andere Sorgen als das
schlechte Wetter.
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Urlaub, und off!
Digital Detox vulgo „Digitale Entgiftung“ gilt als neuer
­Urlaubstrend. Wie die Flucht vor der 24/7-Erreichbarkeit
zum neuen Tourimuskonzept wird. Text von Doris Neubauer
höfen in Osttirol seit vorigem Jahr absolvieSeelentempo. Ein Knacken in der Leitung.
man Handy und Co. absperren kann. Ein
Statt eines „Hallos“ – einfach nichts. Genau ­Sekretariatsservice, das an der Rezeption alle ren können. Die „Praktikanten“ packen vielmehr dort an, wo Arbeit ansteht: von der
das möchte das Projekt „Hotline Stille“
Telefonate entgegen nimmt, und das AbgeHerstellung von Topfen und Joghurt bis hin
(so-sein.at) bieten. Eine Telefonnummer,
ben elektronischer Geräte beim Check-in
zum Mähen der Almwiesen. „Die Leute
unter der sich der Anrufer holen kann, was
­sollen seit Februar 2012 im österreichischen
im Alltag allzu oft im Gewusel untergeht:
Forsthofgut (www.forsthofgut.at) in Leogang dürfen das machen, woran sie interessiert
sind“, erklärt Frau Oppeneiger vom KlamStille und Ruhe. Ohne hektisches Aufpopfür „Digitales Entgiften“ sorgen. Statt Fern­
pererhof in Virgen, die ihren Gästen auch
pen von E-Mails oder SMS. Ohne Anrufe.
seher, Telefon und WLAN findet sich ein
einmal eine Nacht auf der Almhütte er­
Für eine einmalige Registrierungsgebühr
Kreativblock in den Zimmern, auf dem Gäsvon elf E
­ uro ist man dabei, ergänzendes
te ihren Gedanken freien Lauf lassen können. möglicht. „Dort gibt es keinen Strom, kein
­ asser“, so die Klein-Bäuerin, „dann
W
„Stille-Coaching“ möglich. Der Wunsch
Durch Angebote wie Wanderungen oder
­merken sie erst, wie wenig sie brauchen.“
nach Stille und Ruhe ist laut „Global Trends Wellness im „WaldSPA“ will man selbst
­Report“ des World Travel Market der
„­ Digitaloholics“ dazu bringen, die schnelle
Kloster öffne dich!
­Urlaubs-Trend des 21. Jahrhunderts.
Welt links liegen zu lassen.
Was die Abgeschiedenheit der Alm kann,
Schon jetzt läuten die ersten Ange­bote des
können dicke Klostermauern schon lange:
­„Offline-Tourismus“ – auch gern „Digital
Sense statt Handy
„Das Kloster ruft, berührt, beruhigt, lehrt
­Detox“ oder „Digitales Entgiften“ ­genannt – Unterkünfte mit Angeboten für ein „Interund verändert“, beschreibt Gabor Karsai,
die Gegenbewegung zum allzeit bereiten
net-Sabbatical“ werden auch gerne „Black
­Direktor des Klosters Wandorf bei Sopron
WLAN und der Rundum-Vernetzung ein.
Hole“-Hotels genannt. Was sie erst – künstdie Kraft dieser „Seelentankstellen“, wie er
„Wir haben die steigende Abhängigkeit der lich – erschaffen, geschieht an anderen
sie nennt. Eine Autostunde von Wien entMenschen von ihren elektronischen G
­ eräten
­Orten wie von selbst. Seit einiger Zeit
fernt ist vor zwei Jahren ein besonderer Ort
gesehen und gemerkt, dass Hotels ihren Gäs- ­machen sich die Anbieter von Urlauben auf
entstanden: Das über 500 Jahre alte Gebäuten eine Art Flucht bieten müssen“, erklärt
dem Bauernhof oder den Almen das natür­
de, einst im Besitz des Ordens der PaulinerFred Smits, General Manager des Westin
liche Abschalten zu Nutze. „Wir bieten das
Karmeliten, wurde renoviert und in ein KlosDublin, das vor rund einem Jahr ein Digital
an, was wir ohnehin schon machen“, beterhotel umgewandelt. Schwestern oder
Detox Package kreiert hat. Letzteres beinhal- schreibt Regina Berger vom Bartlerhof in
Mönche sucht man dort vergeblich. Dafür
tet Frühstück ans Bett, ein Detox Survival
Zedlach die Idee zu „Bauer in 3 Tagen“
findet man Anderes: Vom Meditationskurs
Kit mit Zeitung, Kerze, Brettspiel und Baum- (sommer.osttirol.com). Es ist kein fixes
bis zum Yoga-Retreat, von der Persönlichsamen für zuhause sowie einen Safe, in dem ­Programm, das die Gäste von vier Bauernkeitsentwicklung für Einzelne bis hin zu
Managerklausuren ist für alles Raum. „Mit
Seit 28 Jahren findet Heinz Nußbaumer, Herausgeber der Wochenzeitung
der Schaffung unseres Zentrums der inneren
Die Furche, am Berg Athos, was er lang ersehnt hat: einen „Ruheplatz am Wasser“.
Einkehr und Fortbildung haben wir uns das
Ziel gesetzt, einen Ort der Spiritualität zu
etablieren“, beschreibt Karsai das Haus, in
dem die Uhren anders ticken. Ohne Zeiger
nämlich. „Die Uhr der Klosterkirche hat nur
ein leeres Zifferblatt“, erklärt Karsai, dessen
Klientel ständig wächst, „unsere Gäste sollen die Zeit vergessen.“ Für Letzteres sorgt
darüber hinaus die Tatsache, dass es in den
Zimmern – den ehemaligen Mönchszellen –
­weder Fernsehen noch WiFi gibt.
Wie das Kloster Wandorf öffnen sich
auch „echte“ Klöster für Gäste. In Zeiten, in
denen laut einer Cisco-Studie 92 Prozent
der 18- bis 30-Jährigen morgens als erstes
zum Smartphone greifen, besinnen sie sich
auf ihre Jahrhunderte alte Tradition und
Bestseller 5|6 2013
Von der Ruhe der Natur sollen sich die Gäste im Hotel Forsthofgut in Leogang anstecken
lassen und die moderne Welt mit Handy, iPad und Co. ein wenig vergessen.
Heinz NuSSbaumer, Hotel Forsthofgut (2)
werden zu einer Ladestation für Seele und
Körper. Eine Positionierung, die ihnen zugegebenermaßen sehr gut steht. So bieten die
Marienschwestern vom Karmel im Kneipp
Traditionshaus Bad Kreuzen (kneippen.at/
de/bad-kreuzen) eine Mischung aus Ritualen, gelebter Spiritualität und traditioneller
europäischer Medizin an. Gebet statt ZenMeditation, Güsse und Wickel aus Wiesenkräutern statt chinesischer Heilpflanzen –
kurz: Rückbesinnung auf das Greifbare
steht im Vordergrund, etwas, was in der
­virtuellen Welt oft verloren geht.
Pionierarbeit
Wie wichtig diese Rückbesinnung ist, weiß
Heinz Nußbaumer, Herausgeber der Wochenzeitung Die Furche aus eigener Erfahrung. „Niemand muss in die bunte Welt der
Esoterikbranche eintauchen, wenn er nach
Anleitungen zum Glücklichsein sucht“, ist
der Journalist überzeugt, „er findet sie auch
in der Spiritualität des Abendlandes.“ Eine
solche „Heimat seiner Seele“ ist für ihn der
Mönchsberg Athos bereits vor 28 Jahren geworden. „Es war zunächst Flucht aus dem
Alltag − und ein Stück Überlebensstrategie“, erzählt er über seine zahlreichen Reisen in die Unerreichbarkeit. „Als Außenpolitik-Chef des Kurier und später als Sprecher
zweier Bundespräsidenten war ich über
Bestseller 5|6 2013
drei Nächten und vier Tagen, die Reisende
Jahrzehnte hinweg auf permanente Erreichum den Berg Athos verbringen dürfen.
barkeit programmiert. Mit bösen gesund„Abends schalte ich mein Handy zwar an“,
heitlichen Folgen. Also habe ich nach eiso Peterleithner, „aber da stelle ich bloß
nem Platz gesucht, an dem ich zumindest
für kurze Zeit glaubwürdig versichern konn- den Wecker für den nächsten Tag und sehe
meine SMS durch.“ Dass man ihn während
te, dass mich Telefone, Faxe et cetera nicht
seines Athos-Urlaubs nur auf diesem Weg
erreichen.“ Eine Ruhe und Stille, die er zu
schätzen gelernt hat: „Es macht einen enor- erreichen kann, das wissen mittlerweile alle
in der Familie und im Büro.
men Unterschied, ob man in der Früh aufsteht und weiß: Der nächste Anruf kann
Der lange Weg zum Klick
den ganzen Tag zum Entgleisen bringen.
„Das Abschalten macht mich frei“, beOder ob man sich auf einen Tag des Rückschreibt Nußbaumer, der seine Erfahrungen
zugs in die Stille und Eintauchens in die
Zeitlosigkeit einlassen kann“, meint der Off- auch in seinem Buch „Der Mönch in mir“
teilt, gesteht aber: „Das gelingt mir eigentline-Pionier und fügt hinzu: „Ich muss gelich nur am Athos.“ Die einfache Bewegung
stehen, dass ich es dem Bundespräsidenten
verschwiegen habe, als das Mobiltelefon am des Schalter-Ausmachens scheint im Alltag
doch schwer vorstellbar zu sein. Das merBerg Athos durchaus funktioniert hat.“
ken auch die Offline-Urlaub-Anbieter: „Wir
Auch Josef Peterleithner, Pressesprecher
haben festgestellt, dass die Gäste die Idee
von TUI, besucht seit Langem einmal jährsehr reizvoll finden“, fasst es Smits von
lich den Athos, wandert von Kloster zu
Westin Dublin zusammen, „aber sie möchKloster, genießt nicht nur das Gehen auf
ten sich nicht auf eine völlige digitale Entmittlerweile verwachsenen Wegen, sondern
giftung festlegen.“ Dass die Angebote ihrer
vor allem die Pause von der ständigen
2011 eingeführten „Müßiggangpauschalen“
­Erreichbarkeit. „Die ersten Jahre habe ich
eher bescheiden angenommen werden, ist
mich abends ans Ufer gesetzt und meine
für Annette Ritter, Marketingleiterin der
­E-Mails gecheckt“, erzählt er, „aber ich
­Lübeck und Travemünde Marketing GmbH
­habe festgestellt, dass ich dadurch nicht
(www.unerreichbar-in-sh.de), hingegen
­abgeschaltet habe und mir viele Eindrücke
­keine Enttäuschung: „Es ging uns vor allem
entgangen sind.“ Seit einigen Jahren gilt
darum, mit einem Augenzwinkern
deshalb ein striktes E-Mail-Verbot in den
33
In den ehemaligen Mönchszellen im Kloster Wandorf bei Sopron gibt
es weder Fernseher noch WiFi, nur in den öffentlichen Räumlichkeiten
wie Lounge oder Bibliothek können Gäste online gehen.
­ ufmerksamkeit für das Thema zu erregen.“
A
Genau das hat auch Schweiz Tourismus
(switzerland.com) im Sommer 2011 geschafft, als eine Woche ohne Internet und
Handyempfang in einer Schweizer Berghütte verlost wurde. Über eine Facebook-App
konnten sich Benutzer in einem interaktiven Spiel mit den Schweiz-Maskottchen
­Sebi und Paul verbinden. Sobald die Verbindung hergestellt war, analysierten die beiden alten Älpler das Facebook-Profil des
Mitspielers. Für Aufsehen erregt hat die Online-Kampagne nicht nur deshalb, sondern
auch, weil Facebook die App ohne Begründung kurz nach dem Launch gestoppt hat –
um sie schließlich aufgrund der hohen
Nachfrage wieder zu aktivieren.
Sanftes Abschalten versus kalter Entzug
Weniger spektakulär, dafür längerfristiger ist
der Versuch von Schleswig Holstein, das
Thema Abschalten bewusst zu machen. So
finden sich im Buch „Müßiggang in Schleswig-Holstein“ neben den Urlaubsangeboten
der Region – von Strickkursen in Lübeck bis
zur Segel-Stadtrundfahrt in Kiel – Tipps, um
34
Nichtstun und vor allem Nicht-Online-Sein
wieder zu erlernen. Was die Deutschen mit
einem Buch erreichen möchten, dafür werden andernorts Berater eingesetzt. Für das
britische Reiseunternehmen Black Tomato
arbeitet ein Digital-Detox-Coach, der Urlauber bei dem Versuch berät, neun Tage lang
in der Karibik auf ihre technische Ausrüstung zu verzichten. Eine persönliche Betreuung, die es einem wert sein muss, kostet sie
doch um die 3.500 Euro. Wer sich das nicht
leisten möchte, für den bietet der Digital-Detox-Coach ein Vorab-Training. D
­ abei wird mit
den Teilnehmern erarbeitet, was sie in der –
durchs Offline-Gehen – gewonnenen Zeit
machen können. Alternativen zu Handy oder
iPad aufzuzeigen, darauf hat auch Steiermark Tourismus bei seinem kürzlich gelaunchten Programm „Offline-Urlaub in Österreich“ Wert gelegt. Schließlich gilt es,
wieder Schritt für Schritt zu lernen, ohne
Smartphone und Internet leben – Parallelen
mit anderen Süchten kommen nicht von ungefähr. „In der Zeit, in der normalerweise
ferngesehen oder gesurft wird, soll die Natur
wiederentdeckt werden“, so das Rezept von
Viktoria Loder-Taucher, Initiatorin des
­Programms, „es soll das Genießen wieder
­erlernt, tiefes Durch­atmen ermöglicht und
vor allem in schöner Landschaft entspannt
werden.“
Eine eigene Methode gegen den „kalten
Entzug“ hat Peterleithner bei seinen Abschalt-Urlauben für sich entdeckt. „Wir haben bestimmte Rituale: Da ist der Hinflug,
dann bleiben wir eine Nacht auf dem
­griechischen Festland“, berichtet der Kommunikationsexperte. „Statt des Schnellboots
nehmen wir eine langsame Fähre, die eineinhalb Stunden für die Übersetzung benötigt.
Man gleitet an der Landschaft vorbei, stimmt
sich ein, bis man in der Ferne das erste Kloster sieht.“ Ein bewusster Übergang, der bei
der Heimkehr ebenfalls wichtig ist, um nicht
zu schnell vom Alltag verschlungen zu werden. Schließlich muss man bei hoher Reisegeschwindigkeit der Seele immer wieder die
Möglichkeit geben, nachzukommen – sie
schafft das Tempo der modernen Technik
nicht. Reisende wissen um dieses Phänomen.
„Der Trend zum Offline-Urlaub ist sicher
da, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie es
Bestseller 5|6 2013
Sopron Monastery Retreat Centre (3), Josef Peterleithner (2)
TUI-Pressesprecher ­Josef
Peterleithner kann bei
seiner alljährlichen Wanderung von Kloster zu
Kloster (wie hier vor dem
Kloster Simonos Petras)
am Berg Athos nur über
SMS erreicht werden.
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In Schleswig-Holstein
wurden eigene Müßig­
gang-Angebote wie
Bootsfahrten kreiert,
um die Menschen auf
die Region aufmerk­
sam zu machen.
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LTM Annette Ritter, LTM K.E. Vögel, Markus Hippmann
Private
Workout
sein sollte“, lautet die Zwischenbilanz von
Lober-Taucher von Steiermark Tourismus
nach einigen Monaten, „aber wir bleiben
dran.“ Genauso wie Daniel Hopkins von der
Agentur Provoke Media: Bis Jahresende
möchte er ein Portal einrichten, das Urlaubs- und Freizeitaktivitäten auflistet, bei
denen Internet nicht verfügbar oder gar unerwünscht ist. Die Plattform offlinezone.de
soll eine umfassende Informationsseite für
das Thema „Digital Detox“ werden.
Schließlich erreicht man den Erholung
suchenden Digitaloholic nirgendwo so gut
wie dort, wo er die meiste Zeit verbringt:
im Internet.
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Doris Neubauer Journalistin, Bloggerin, Autorin, Reisende.
Von ihrer Basis in Wien zieht sie in die Welt, um Mut­
machendes, Inspirierendes und Nachhaltiges mitzubringen.
Ihre Reise- und T
­ ourismusgeschichten veröffentlicht sie
unter anderem auf den Online-Seiten der Styria Multi
Media – wienerin.at, miss.at, diva.at – und auf ihrem
Blog littlemissitchyfeet.com.
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„Vorbereitung verhindert Überraschung“
Tex Rubinowitz, Cartoonist, Schriftsteller und
Reisejournalist, über die Kunst des würdevollen
Reisens und den Stress der Zwangsoriginalität.
Interview von Sebastian Loudon
Bestseller In einem Essay für das Album des
­ tandard vom 12. Mai 2013 befassen Sie sich mit
S
der Frage, ob es sich überhaupt noch würdevoll
­verreisen lässt. Welche war denn Ihre letzte „würde­
lose“ Reise, und wie lange ist sie her?
Tex Rubinowitz Mit „würdevollem Reisen“ meinte
ich, dass man sich selbst und dem Reiseziel die
Würde bewahren sollte. Viele Touristen verhalten
sich im Urlaub nicht so, wie sie es von anderen bei
sich zuhause erwarten, sie nehmen keine Rücksicht, sie bewegen sich anders, sie okkupieren
­alles. Natürlich sagen sie, das ist mein gutes Recht,
ich zahle ja auch dafür, ich kann also machen, was
ich will, aber dabei kommt dann nur der unbeholfene, unästhetische Trampel heraus. Zwei Beispiele: Venedig wird zwar von dem Geld, dass die Touristen dort lassen, zusammengehalten, aber um
den Preis, dass die Bewohner Venedigs bestimmte
Teile ihrer Stadt nicht mehr betreten können, weil
ein zäher Schwarm von Touristen alles blockiert.
Oder Japan: Wir Europäer sind nun mal kräftiger
gebaut, aber muss man das dann auch noch alles
zur Schau stellen? Weiße, haarige Beine aus
­kurzen Hosen, dicke, nackte Füße in Sandalen,
­T-Shirts über dem dicken Bauch – nirgendwo sonst
sticht die krasse Diskrepanz zwischen dem, was
wir ­laissez faire nennen, und einer Gesellschaft,
die allerhöchste Ansprüche an Stil und Dezenz
stellen, dermaßen ins Auge.
Gab es einen singulären Moment, an dem Sie
­beschlossen, fortan anders zu reisen? Was war
­dieses Ereignis?
Rubinowitz Nein, eigentlich nicht. Man kommt so
peu à peu darauf, dass zum Beispiel weniger
­Gepäck praktischer ist, dass man nicht alles
­fotografieren muss, weil sowieso schon alles über
Gebühr dokumentiert ist – der Stellenwert eines
­Fotos hat ja in den letzten Jahren dramatisch an
Wert verloren.
36
Zuletzt waren Sie mit dem Mofa in Estland – wie
gelangt man zu dieser Entscheidung, und spielt da
ein gewisser Zwang zur Originalität eine Rolle?
Rubinowitz Nein, das ist ein Vorwurf, den ich immer wieder höre. Mit zwanghafter Originalität
kommt man aber meist nicht weit. Man steht sich
selbst im Weg, weil man immer auf Wirkung bedacht ist – „Wie wirke ich auf andere?“ –, das
kann zu Stress führen, und wer will schon Stress
im Urlaub haben? Für mich war diese Mofareise
eine ästhetische Erfahrung. Mein Mofa war ein
­Vélosolex, ein Klassiker, und dann ist diese Route
durch Polen, L
­ itauen, Lettland, Estland einfach so
traumhaft, dass die einzige Alternative zum Mofa
Linienbusse wären, Entschleunigung deluxe.
Wie bereiten Sie sich geistig auf Ihre nächste
­Destination vor?
Rubinowitz Gar nicht, Vorbereitungen verhindern
nur Überraschungen. Ich lese auch keine Reiseführer. Am besten man weiß gar nichts über sein Ziel.
Einkehr-Wochenenden im Kloster, Brunnengraben
in Afrika – es gibt einige neue Tourismusformen,
die Sinn stiften sollen. Wie sehen Sie diese
­Entwicklung?
Rubinowitz Ich finde das großartig, weil das eine
gute, aktive Form ist, in ein Land hineinzuwachsen, sich eben nicht passiv bedienen zu lassen.
Man lernt von Land und Leuten viel mehr,
­bekommt viel mehr mit und gibt etwas zurück.
Ihre absolute Traumreise?
Rubinowitz Japan zur Kirschblüte, ein Land in
­kollektiver Extase, komplett sediert, so muss es im
Himmel aussehen.
Und Ihr nächstes Reiseziel?
Rubinowitz Montag geht’s nach Japan. Sieben Vorträge übers Reisen an sieben Universitäten.
Bestseller 5|6 2013
Tex Rubinowitz
Hertha Hurnaus
heißt eigentlich Dirk Wesenberg, wurde 1961 in Hannover geboren und verdient wie wenige den Beinamen
­ niversaldilettant („diletto“ ist italienisch für „Vergnügen“). Seit Mitte der 80er-Jahre lebt er in Wien, wo er zunächst an der „Angewandten“ bei
U
­Oswald Oberhuber studierte. Genau eine Woche lang. Dann fing er an, für die Wochen­zeitung Falter zu zeichnen. Seine einzigartigen, absurd-­
reduzierten ­Cartoons illustrieren auch Armin Thurnhers „Medientagebuch“ im Bestseller. Er ist zudem Musiker, Schauspieler – Rubinowitz war
unter a­ nderem 1995 in einer Nebenrolle im Film „Before Sunrise“ zu sehen – und Kurator.
Bestseller 5|6 2013
37
Die Wohl­
fühloase
Bad Blumau
kennen viele.
Als Gast.
Doch was
wie kluges
Marketing
aussieht, ist
in Wahrheit
ein avant­
gardistisches
Experiment.
Ein Blick ins
philosophi­
sche Labor.
Geschichten
in den
Wind tragen
Text von Doris Raßhofer
38
Bestseller 5|6 2013
rogner bad blumau®hundertwasser architekturprojekt
Kreative Symbiose – erbaut 1997 von
­Friedensreich Hundertwasser –, wo die
­Natur zurückerhält,
was ihr durch das ­Bauen
genommen wurde
Symbiotisch. Die Seife duftet nach
f­rischen Heublumen. Mit einem Krug
gießt er wohlig warmes Wasser über
die Hände. Bettet sie in ein vorgewärmtes Handtuch und drückt sie
sanft und langsam trocken. Ein ­kleines
Ritual der Wertschätzung. Ein Wohlfühlritual. Waschungen sind so alt
wie unsere Kulturen: Im Islam werden
die Hände vor dem Beten gewaschen,
frisch geborene Kinder werden als
­Erstes gewaschen, Tote als Letztes,
­keines der 2.400 Fenstern dem anderen,
tablett für das Räucherzeremoniell elegant
auch vor großen Entscheidungen
­keine Fliese der 330 Säulen der anderen,
balancierend. Auf eine Bitte antwortet er
­sollte man sich die Hände waschen.
das macht es so munter-lebendig dort, ohne mit einem strahlenden „Aber sehr gerne“.
Es ist ein Ankommen im Hier und
ein Störfaktor in der Natur zu sein.
Nicht einfach gerne. Nein, „sehr“ gerne.
Jetzt. Wirkt Wunder.
Die operativen Geschäfte im Hotel leitet
Was für den Gast der HunderwasserQualität für alle Stakeholder
Melanie Franke, selbst im Übrigen ZenTherme Bad Blumau vermutlich nur
„Ein Geschenk“, so Robert Rogner3 junior
Meisterin. Rogner3 sorgt für den strategiein überraschend angenehmer, aber
stimmiger Teil eines gebuchten Gewertschätzend, „eine wundervolle Hardschen Unterbau, für den gesellschaftsrelesamtwohlfühlprogrammes für ein verware. Mit der Übergabe des Betriebs im Jahr vanten Impuls, der von seinem Schaffen
regnetes Wochenende ist, ist im Grun- 2000 ist es nun die Aufgabe von mir und
ausgeht. „Schaffen gefällt mir“, grinst er,
de ein klitzekleines Mosaiksteinchen
meiner Schwester Jasmin, diese Hardware
„scheffeln nicht. Scheffeln geht auf Kosten
einer viel weitreichenderen Unternehweiterhin mit Leben zu füllen, indem wir
von jemand anderem. Beim Schaffen bist
mensphilosophie, die wertvolle, gesell- sie alle gemeinsam ständig verbessern.“
du im Flow.“ Ein Begriff, den normaler­
schaftlich und wirtschaftlich relevante
Das deklarierte Ziel ist also nicht die x-fache weise nur Künstler und Kreative für sich
Impulse liefert. Die Philosophie der
Klonung des Ganzen im internationalen
­beanspruchen. Rogners3 Schaffen ist leise.
Familie Rogner. Baumeister Robert
Rahmen. Das deklarierte Ziel lautet – so
Weit jenseits der lauten öffentlichkeitserheiRogner senior pflanzte 1997 zusamsimpel und doch so gehaltvoll: Qualität.
schenden Oberflächlichkeits-PR mit philosomen mit dem Künstler Friedensreich
Nicht hier und jetzt und sofort, gekauft mit
phisch getünchtem strategischem Gequake,
­Hundertwasser die 40 Hektar große
Geld, aufoktroyiert durch in Management­
dem nach der Kampagne selten Taten folgen.
kunterbunte Hügelwiesenlandschaft
seminaren erarbeitete Strategien. Sondern
an den Rand der Steiermark geschmeidurch ein ständiges fließendes Bestreben,
Das Manifest – kann statt muss
dig mitten ins Nichts. Keine Ecke oder
sich in Richtung 100 Prozent zu bewegen.
2009, als die Krise sich auch in Österreich
Kante, keine Gerade, kein Winkel. Alles In Richtung 100 Prozent für alle. „Unser
nicht mehr leugnen ließ, ziehen sich
ist rund, geschwungen und wellig.
Ziel ist es, dass es mit dem, was wir hier
­Rogner3, Sonnentor-Chef Johannes Gut­Jede Mauer, jede Türschwelle, jede
tun, allen gut geht. Und zwar allen Stakemann und Schokoladenmeister Josef Zotter
Wand, jeder Weg. Angepasst an die
holdern: uns, den Mitarbeitern, den Liefein ­Reflexion zurück, um zu überlegen, was
Natur – denn wo die Natur kein reines ranten, den Gästen, der Natur, ja, auch dem ­nötig wäre für eine Sanierung der GesamtWeiß und kein reines Schwarz kennt,
Kapital – auch wenn es zurzeit hoffnungswirtschaft.
kennt sie auch keine geschliffenen
los überbewertet ist. Und allen gut gehen
Das Ergebnis der drei war das berühmte
rechten Winkel und keinen Anfang
kann es nur, wenn wir Qualität für alle
„Bad Blumauer Manifest“. Der I­nhalt besteht
und kein Ende. In Bad Blumau gleicht
­produzieren. Unter dieser Definition sehe
sinngemäß aus vier Forderungen: 1. Bei der
ich unser Bestreben als ein zutiefst ethiBilanzbewertung eines U
­ nternehmens sollsches, das auf diese Weise im Übrigen auch
ten auch Parameter wie Mitarbeiter- sowie
nicht in den Egoismus abrutschen kann.“
Kunden- und Lieferantenzufriedenheit
Wie ein Ameisenstaat. Der arbeitet schließ­ebenso wie ökologische Aspekte einfließen.
lich auch sauber und schließt alle Mit­
2. Bewusstseinsschaffung in der Manageglieder mit ein – ohne Müllproblem, Ausment-Elite, dass Reflexion ein unerlässliches
beutung und Überproduktionen. Oder wie
Instrument ist, um sein eigenes Tun bei­
Hundertwasser selbst schrieb: „Es gibt k
­ eine zeiten verantwortungsvoll zu hinterfragen.
Missstände der Natur. Es gibt nur Miss­
3. Globale Verantwortung und Umverteilung.
stände des Menschen.“
4. Förderung von regionalen Strukturen auf
Fröhlich pfeifend schlendert ein indischer Basis der Qualitätsphilosphie statt globaler
Brahmane den Gang entlang, das Zutaten­
Shareholder-Value-Orientierung.
„Mit unserem Tun soll
es allen Stakeholdern
gut gehen. Das geht
nur über die Qualität.“
Robert Rogner3
Fotografiert von Karl Michalski
39
Das Manifest in seiner im Internet
­ eröffentlichten Form wirkt wie ein unfer­
v
tiges Gesprächsprotokoll, völlig unüber­
arbeitet, unredigiert. Und das Interessante
daran: Es gibt auch keinerlei medial sicht­
bare Folgemaßnahmen in diese Richtung,
keine werbliche Aufbereitung, keine Design­
behübschung, keine Folder. Es steht un­
fertig in der Landschaft, ohne Vorher und
Da war sie also wieder, die Verantwor­
Nachher. Als hätte jemand einen guten
tung, die wir alle nur zu gerne an irgend­
­Ansatz und hätte sich dann aber Hals über
welche Gurus, Dogmatiker oder Heilsver­
Kopf über die Häuser gehauen. Rogner3
sprecher abgeben und willens sind, ihnen
lacht: „Ja, so ungefähr war das auch. Es
blindlings zu folgen. Denn wenn es schief­
­kamen plötzlich alle möglichen Menschen
geht, können wir uns abputzen und ihnen
mit der Forderung auf uns zu, wir sollten
die Schuld geben, denn schließlich haben
ihnen jetzt sagen und zeigen, was zu tun
sie uns ja gesagt, dass wir das ab jetzt so
wäre. Das war aber überhaupt nicht in
­unserem Sinn. Wir haben doch die Weisheit und nicht anders tun sollen. Wie die Schafe.
Weiße Schafe. Die Mehrzahl.
auch nicht mit dem Löffel gefressen. Das
waren doch keine fertigen Lösungen, keine
„Wir sind keine Märtyrer“
Handlungsanweisungen. Das waren nur
Rogner3 hasst Dogmen. Schon sein Vater
­unsere Gedanken, wie nachhaltiges Wirt­
schaften aussehen kann. Nicht muss. Eine
hasste sie. Und auch Hundertwasser war
mögliche Richtung. Und ob es funktioniert,
dafür bekannt, sich sinnlosen bürokrati­
werden wir auch erst wissen, wenn wir es
schen und stilistischen Vorgaben durch das
ausprobiert haben.“
Verfassen aller erdenklicher Manifeste zu
widersetzen, zugunsten von natur- und
menschengerechter schöpferischer Bau­
freiheit: das Verschimmelungsmanifest, das
Fensterrecht-und-Baumpflicht-Manifest, das
„Heilige Scheißkultur“-Manifest.
So dürften sich die Verfasser des Bad
­Blumauer Manifestes wohl auch ihrer ihnen
plötzlich zugeteilten Rolle als Heilsver­
sprecher entzogen haben und sich statt dem
Reden doch lieber wieder dem stillen, aber
Ein kleines
konsequenten Tun zugewandt haben.
­Ritual der
­Rogner3: „Jeder kann in seinem kleinen
Wertschätzung
und des An­
Wirkungskreis etwas verändern. Man muss
kommens:
nicht gleich die ganze Welt retten wollen –
die ­Waschung
um dann vor der Größe der Aufgabe ohn­
der Hände.
mächtig zu kapitulieren. Das Ziel ist es,
Der Geburtskanal
neue Realitäten zu schaffen.“
ist der Eingang
zu den Werk­
Ein Beispiel: Das Rogner Bad Blumau
stätten des
­beschäftigt 320 Mitarbeiter und b
­ eherbergt
­Rogner Bad
rund
600
Gäste.
Die
Größe
einer
kleinen
­Blumau – der
Weg zu etwas
­eigenen Gesellschaft. „Hier alles zu 100 Pro­
Neuem.
zent biologisch und aus der Region zu be­
ziehen, wäre das Ziel, das schaffen wir aber
mengenmäßig nicht. Noch nicht. Vor Jahren
wollten wir einmal mit Gewalt alles biolo­
gisch haben, aber das hätte uns fast umge­
bracht, weil die Prozesse und die Qualität
damals einfach noch nicht gestimmt haben.
Da wären wir fast zum Märtyrer ­geworden.
Jetzt versuchen wir uns Schritt für Schritt
diesem Ziel anzunähern“, erzählt Rogner3.
So wird zum Beispiel zusammen mit an­
liegenden Bauern mit einer symbiotischen
Landwirtschaft nach dem Vorbild der Herr­
mannsdorfer Landwerkstätten in der Nähe
von München experimentiert. Der Ansatz:
für den Konsumenten eine durchgängige
qualitative Transparenz bis hin zur ­Tötung
der Tiere herzustellen – ähnlich dem „Ess­
baren Tiergarten“ bei Zotter, wo man dem
Tier, das man gerne auf dem Teller ­hätte,
vorher noch in die Augen schauen kann.
Denn ja, „die Opfer sollen bewusst gezeigt
werden, denn nur so bekommen sie in den
Augen der Konsumenten wieder e­ inen
Wert“, meint Rogner3. Und wer soll sich die­
ses Fleisch leisten können? Die Reichen
kriegen feinstes Filet vom glücklich zu Tode
gestreichelten Kälbchen mit rosa Näschen,
die Armen dürfen den Antibiotika-­CuvéeDreck aus der Massentierhaltung e­ ssen?
Rogner3: „Das ist genau der Irrglaube, dass
wirklich qualitativ hochwertiges Fleisch
nicht verkaufbar sei, weil zu teuer. Aber ho­
he Qualität kann sich grundsätzlich jeder
leisten, wenn sie es ihm wert ist – manche
halt nur einmal im Jahr. Hier geht es um ei­
nen bewussten Konsum, auch von Fleisch –
das von lebendigen Tieren stammt und
nicht kreisrund gepresst auf die Welt
kommt.“ Durch die garantierte Abnahme­
menge durch die Therme Bad Blumau haben
diese Bauern eine Basis, mit der sie kalku­
lieren und damit Dinge im geschützten Rah­
men ausprobieren können. Rogner3: „Dieses
ständige Arbeiten an der Verbesserung einer
Qualität für alle – alle! –, ist für mich gelebte
Corporate Social Responsibility.“
Werkstätten sind Tu-Labors
Das Ausprobieren ist ein ganz wichtiges
Thema in Bad Blumau, und zwar in den
Werkstätten des Rogner Bad Blumau. Stät­
ten, die Zeit und Raum bieten. Um zu tun.
Sogenannte „Tu-Labors“. Für Reflexion. Für
Kreation. Für Co-Operation und Co-Kreation.
Zum Experimentieren. Für Campustage.
Gruppentherapien. Für Managerklausuren.
Von Mai bis Juli stehen diese Räume Freun­
den des Ortes, Künstlern, Wissenschaftlern
zur Verfügung – „ein Dankeschön von uns
Bestseller 5|6 2013
karl michalski (2), rogner bad blumau®hundertwasser architekturprojekt (4)
In den Werkstätten des Rogner Bad
Blumau finden Freunde des Ortes,
Künstler und ­Wissenschaftler von
Mai bis ­Juli Zeit und Raum für
­Reflexion, Experimente, Kreation.
www.wir-tun-es.at
an diese Menschen. Ohne die Inspiration
aus diesen Quellen gäbe es diesen Ort nicht.
Wir wollen als Nährboden etwas von dem
zurückgeben, was wir erhalten haben“, steht
in der Beschreibung. Ein Teil der Werkstätten
sind allerdings ­reelle Handwerkstätten in
ständigem Betrieb für den selbstversorgenden
Eigenbedarf für Therme und Hotel­– immer­
hin werden alle Reparaturen und Instand­
haltungsarbeiten, aber auch alle Weiterent­
wicklungen in Eigenregie durch­geführt, wie
in ­einer eigenen Kleinstadt. Es können aber
auch Werkstättengäste diese Kapazitäten,
für ein gemein­sames Schaffen nutzen. So
­arbeitet Erwin Thoma dort mit der hauseige­
nen Tischlerei daran, aus seinen Vollholz­
häusern leistbare Vollholzmöbel zu kreieren.
In der Werkstätten-Küche wird derzeit mit
Ayurveda-Kochkunst experimentiert, wo
auch Köche aus dem Thermenbetrieb mit­
mischen dürfen.
Untergebracht werden die Gäste in den
„Augenschlitzhäusern“ – einer Art Hundert­
wasser-Campusgelände mit Selbstversor­
gungscharakter. Diese Saison unter anderem
Alfred Strigl von den Pioneers of Change – er
arbeitet an seiner Buchkonzeption „für eine
neue Welt“, Prof. Friedrich Wallner an der
„Denkstruktur der chinesischen Medizin“,
Adolf Mild am Thema Sauerteigbrot und
Biobrot, Philipp Albrecht brütet über seinem
Projekt websafari, Tom Beck und Band (siehe
Seite 80, Reflexion) sind in Musikklausur.
„Es ist so verdammt schwer heutzutage,
Zeit und Raum zu finden für die Reflexion“,
so Rogner3, „dabei ist es so enorm wichtig
für unsere Manager, einmal stehen zu blei­
ben und zu überlegen: Was ist gut für mich?
Was ist gut für andere? Und nicht noch mehr
Druck ins blinde Tun zu legen, dorthin, wo
andere sagen, dass es hingeht.“
Die bunten großen Fahnen, die die Ein­
fahrt zieren, wiegen sich leise hin und her.
Von der Künstlerin Monika Gilsing in An­
lehnung an die tibetischen Gebetsfahnen in
den Werkstätten gestaltet. Als würden sie
Geschichten in den Wind tragen. Leise Ge­
schichten, die es wert sind, weitergetragen
zu werden.
Bestseller 5|6 2013
Auf dem Weg zu 100 Prozent
Wie das Rogner Bad Blumau nachhaltige Qualität
für alle Stakeholder zu bieten versucht.
Autarke Stromerzeugung: Aus dem heißen Vulkania-Wasser der Therme wird ein
­Drittel des gesamten Strombedarfs der Anlage produziert.
Heizen mit der Geothermieanlage: Die gesamte Rogner Therme (Hotel und Thermen­
becken) wird mit dem vulkanischen Wasser beheizt.
Regionale Beschaffung: Ein Großteil der biologischen Lebensmittel für die Gäste
stammt aus landwirtschaftlichen Betrieben der Region, die Kräuter aus dem eigenen
biozertifizierten Kräutergarten.
Naturausstattung: Die Hotelzimmer sind ausgestattet mit Vollholzmöbeln aus nach­
haltiger Forstwirtschaft, zum Teil von „Grüne Erde“, die Matratzen aus 100 Prozent
­Naturlatex, die gesunden Wandlehmfarben stammen von der Grazer Malerei Herbst­
hofer (siehe Seite 42, Wandelmenschen).
Naturkleidung: Die Spa-Mitarbeiter tragen alle Hessnatur-Kleidung.
Naturkosmetik: Die im Spa verwendeten Öle, Seifen, Kosmetika sind alle 100 Prozent
biologisch – vom new ethics institut, von Primavera, Farfalla, marie w., Seifensieder.
Green Print: Alle Drucksorten werden auf umweltfreundlichem Naturpapier gedruckt,
von der Kremser Druckerei gugler.
Symbiotische Landwirtschaft: Das Bio-Bauern-Projekt ist die größte Werkstatt im
­Rahmen der Bad Blumauer Werkstätten: Regionale Bauern wirtschaften biologisch, mit
artgerechter, gemischter Tierhaltung, bei der Schweine, Schafe und Hühner gemeinsam
wohnen, Verzicht auf Chemie und Gentechnik.
Mitarbeit: Mitarbeiter und Gäste helfen beim Ernten auf den Feldern – für eine höhere
Wertschätzung im Umgang mit Lebensmitteln.
Mitarbeiter: Verschiedene Arbeitszeitmodelle für verschiedene Mitarbeiterbedürfnisse,
besonders flexible Arbeitszeiten für Frauen mit Kindern, kostenlose Kinderbetreuung
vor Ort im Hotel, Homeoffice für manche Arbeitsplätze.
Lebensraum statt Arbeitsplatz: Zweimal wöchentlich Mitarbeitersport, kostenlose
­Nutzung der Therme unter der Woche, inklusive Anwendungen. Zen-Einheiten für den
geistigen Ausgleich, „Auszeiten“ mit Wiedereinstellungsgarantie, Veggi-Tag jeden
­Donnerstag für alle.
E-Mobilität: Bewirtschaftung der Anlage mit E-Carts und Fahrrädern, für Besorgungen
in der Region gibt es Elektroautos.
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Be the Change
Wandel erfordert Durchhaltevermögen und Mut. Kein Problem,
meinte schon Hermann Hesse: Nun, wo ein Anfang gemacht ist,
kommt immer das Beste von selber nach. Ein menschlicher
­Streifzug durch die Herausforderungen persönlicher Resilienz.
Text von Gabriele Rabl
„Einige in meinem Umfeld waren sehr skeptisch, ob die geplante
massive CO2-Reduktion i­n meinem Malerbetrieb wirtschaftlich
haltbar sein würde. Doch für mich gab es nur den Plan A.“
Johannes Herbsthofer (49), Unternehmer und steirischer Ökopionier,
www.herbsthofer.com
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Bestseller 5|6 2013
Kurt Remling, privat
Systemstreik. Eine Kündigung, eine
Scheidung oder die Geburt eines
­Kindes. Ereignisse wie diese krempeln
mitunter ein Leben komplett um.
Manchmal von einer Sekunde auf die
andere, manchmal schrittweise über
Jahre hinweg. Einmal in die Gänge
­gekommen, lässt sich der Wandel
­allerdings nicht mehr aufhalten.
Drei Menschen berichten, wie Wandel
in ihr Leben kam und wohin sie
dieser führte.
„Manche Menschen meinen, sie könnten sich
eine Veränderung finanziell nicht leisten. Ich denke,
wir haben verlernt, mit Unsicherheit umzugehen.“
Monika Franta (54), Ex-Geschäftsführerin SOS-Kinderdorf/NÖ
die Kündigung. Irgendwie überraschend
a­ bverlangten: Aufträge beschränkten sich
und doch wieder nicht, denn „mein Fühnunmehr auf einen Radius von 70 Kilo­
rungsstil ist ein anderer. Mir geht es zuerst
metern. Öffentliche Auftraggeber wurden
um Menschen und dann um Kennzahlen“,
nicht mehr bedient, nur noch P
­ rivatkunden
fügt Franta hinzu. Ihrer Kündigung folgten
zählten von nun an zum K
­ undenkreis. „Bis
weitere Weichenstellungen: Auszug aus der
zu diesem Zeitpunkt machten wir 80 ProDienstwohnung in eine neue kleinere Wohzent unserer Umsätze auf Baustellen, die
Überzeugt vom richtigen Weg
nung in Perchtoldsdorf, der Sohn beschließt
weiter weg als 70 Kilometer waren.“ Zwei
Johannes Herbsthofer ist kein Draufin Wien Studium und Wohnen zu vereinen
gänger. Er ist Realist. Genau deswegen schwierige Jahre folgten. Noch im Juli und
und die Beziehung zum Lebensgefährten
August 2007 musste er seinen Mitarbeitern
war für den steirischen Malermeister
endet. „Gut, dass alles auf einmal kam –
mitteilen, dass aufgrund geringer Auslasund Familienvater klar, es sind nicht
der Neustart war ein Impuls von außen,
tung zwei Monate lang die Arbeitszeit auf
die anderen, die gegen Umweltverund jetzt spüre ich, es ist gut so“, erklärt
20 Stunden reduziert werde. Zwei Mitar­
schmutzung und Klimawandel etwas
beiter trugen die Idee nicht mit, alle anderen sie heute, nachdem die Krise, die den Ereigtun müssen, sondern er selbst. „Mit
nissen folgte, im Wesentlichen überstanden
blieben und vertrautem dem Chef und
meinem Freund war ich 2006 bei der
zu sein scheint.
­seiner neuen Idee vom ökologischem WirtEnergiesparmesse in Wels. Dort entDas hat viele Gründe, meint Franta, die
schaften. Derweil wurde auch die Produktsprang die Idee, aus mehreren Gezwei Jahre zuvor aus persönlichem Inter­
palette „entgiftet“.
meinden eine Öko­region zu gründen,
esse eine Ausbildung in Mediation und
„Ich habe nie an meinem Vorgehen geum das Weltklima ­positiv zu beeinzweifelt. Als dann 2009 die Wirtschaftskrise ­Konfliktmanagement absolvierte: „Mein
flussen“, erinnert sich der 49-Jährige
Selbstwert war durch die Kündigung nie
für die meisten Betriebe spür- und sichtbar
an jenen Tag, der sein unternehmeri­angekratzt. Ich glaube an meine Fähigkeiten
sches Tun gänzlich veränderte. „Wenn wurde, hatte ich den Turnaround geschafft
und vertraue darauf, dass mir das Leben
und stand besser da als zuvor.“
du willst, dann schaffe ich einen Vorauch in Zukunft schenkt, was ich brauche.“
32 Mitarbeiter zählt der Betrieb heute –
zeigebetrieb für die Region, damit die
die Lebensqualität sei aufgrund der Umstel- Wohin sie ihre nächste berufliche Station
Leute sehen, wie man innerhalb von
führen wird, ist bis dato noch unklar, aber
fünf Jahren 50 Prozent CO2 reduziert“, lung des Betriebes für alle gestiegen: Mehr
„ich bin auf dieser Welt, um etwas zur EntZeit für die Familie, weniger lange Auto­
verlautbarte Herbsthofer noch am selwicklung von Menschen beizutragen“. Am
ben Abend. Gesagt, getan: Schon nach fahrten und ein verändertes Bewusstsein,
liebsten möchte sie wieder mit Kindern ardem Geschäft und dem Beruf nicht alles
zwei Jahren zeigte die Ökobilanz des
beiten, derweil finalisiert sie ihr berufliches
­unterordnen zu müssen.
Betriebes auf, dass der pionierhafte
Update zur akademischen Sozialmanagerin.
Jeder Mensch habe die Möglichkeit zur
Unternehmer bereits die angepeilte
Krisen, findet Franta, hätten den Sinn,
Veränderung, ist sich Herbsthofer sicher.
50-Prozent-Marke erreicht hatte.
­etwas neu zu ordnen und „in den nächsten
Rigorose Maßnahmen hatte Herbst- „Es ist die Summe vieler kleiner Schritte, die
Entwicklungsschritt zu kommen“. Wer in
zum großen Wandel führen.“ Nicht das
hofer dafür in die Wege geleitet, die
Krisen Ruhe bewahrt, könne lernen, sich
Geld am Konto ermögliche diesen, sondern
ihm und seinen Mitarbeitern eine
wieder selbst zu vertrauen, man entdeckt
die Überzeugung, den richtigen Weg ein­
­große Portion Mut und Voraussicht
dabei den nächsten Schritt und fällt aus
geschlagen zu haben.
­dieser inneren Klarheit Entscheidungen.
„Manchmal braucht man fremde Hilfe, um
Krisen dienen der Neuordnung
die eigenen Perlen – die jedem zur VerfüMonika Franta leitete 18 Jahre lang mit
gung stehen – heben zu können“, meint sie
­Engagement die Einrichtungen von SOSund verweist auf Freunde und Coaches.
Kinderdorf in Niederösterreich. Dann kam
Bestseller 5|6 2013
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„Mein Garten ist zum
Landeplatz für kleine
Erdbewohner geworden.
Ich habe lebenswerte
Umstände für mich und
andere geschaffen.“
Gernot Gangl (42),
Wiener Bioimker
aus Überzeugung
zeitlich beim AMS angestellt“ und wird dort . Indem man auf eigene Fähigkeiten und
für ein halbes Jahr zur Auffrischung seines
Lebenswerte Umstände schaffen
Gaben zurückgreift, erlebt man sich als
erlernten Berufsbildes in Kurse geschickt.
„Ich bin ein Einsteiger ins Leben –
machtvoll und stärkt sein Selbstvertrauen.
. Mithilfe der Vorstellungskraft eine Situa­
„Aber ich wollte nicht mehr in diesem Sys­
­sicher kein Aussteiger“, will Gernot
tem arbeiten“, erinnert sich Gangl. Also
Gangl möglichen Missverständnissen
tion und ein Gefühl von „so soll es sein,
­beschließt er im Alter von 39 Jahren, sich
entgegenwirken. Schließlich habe ihn
so fühle ich mich wohl“ herbeiführen.
als Bioimker und somit als Landwirt selbst­
das Leben an seine Wurzeln zurück­
Denn: „Wandel bedeutet, den Lebensfluss
geführt. Freilich, auch bei Gernot ­Gangl ständig zu machen.
in ein neues Bachbeet führen“, hält Wieser
Heute, zwei Jahre später strahlt der Neowar der eine oder andere Anstoß von
ihren Klienten vor Augen. Gut, wenn man
Imker über das ganze Gesicht, wenn er von
außen vonnöten, um den inneren
in Ruhe darüber nachdenkt, was man Neues
seinen Bienen erzählt. Viele fragen, ob er
­Bedürfnissen näherzukommen. Etwa
ins Leben bringen will. Hilfreich dabei:
denn von dieser Arbeit leben könne? „Ein
eine Bakterienerkrankung, die ihm
Dem Herzenswunsch folgen und dabei das
Haus ohne Schulden und kein aufwändiger
­einen Spitalsaufenthalt und eine Fülle
eigene Potenzial erkennen.
Lebenswandel“, lautet nach wie vor seine
von Antibiotika bescherte. Erst als er
Rita Trattnigg, Expertin für Zukunfts­
entspannte Antwort. „Wir alle bekamen in
ätherische Öle für sich entdeckt, geht
fähigkeit und Prozessbegleiterin, erkannte
jungen Jahren ein Sicherheitsdenken einge­
es mit der Gesundheit wieder bergauf
durch ihre Forschungsarbeit, dass Verände­
und es beginnt „das Nachdenken über trichtert, von dem wir uns befreien müssen, rung etwas mit Kultur zu tun hat: „Die mo­
um unseren Träumen und Bedürfnissen
die eigene Lebensweise und die Be­
mentan gefühlten Krisen weisen uns darauf
­folgen zu können. Diese Ängste abzulegen,
geisterung für Pflanzenwelt und Bie­
hin, dass die in unserer Kultur geschaffenen
ist mitunter ein langer Prozess“, weiß Gangl Antworten auf Fragen der Gesellschaft oder
nen“. Zwei Jahre später sieht er einen
aus eigener Erfahrung.
Film über das Bienensterben mit dem
des Wirtschaftens nicht mehr die passenden
Hinweis, es gäbe zu wenig Imker im
sind.“ Zudem würden Menschen ihren Ge­
Rezepte für den Wandel
Lande. Die Initialzündung ist perfekt:
staltungsraum oft enger setzen als notwen­
„Wandel passiert, wenn etwas, das lange
Er findet eine Imkerschule und den
dig und sich als Opfer des Systems fühlen.
funktionierte, plötzlich wegbricht und als
dazugehörigen Meister. Die ersten
Klar sei jedoch, dass ein individuelles Aus­
Krise wahrgenommen wird“, bringt Renate
­Bienenvölker sind schon gekauft, als
steigen aus den gesellschaftlichen Systemen
Wieser, Coach und systemische Beraterin,
der gelernte Maschinenbauschlosser
kaum möglich sei: „Wir brauchen ein
einen möglichen Auslöser von Verände­
seinen gut bezahlten Arbeitsplatz bei
­gesellschaftliches Innehalten, wo wir Zeiten
rungsprozessen auf den Punkt. In Krisen­
der Münze Austria AG zugunsten
und Räume schaffen und gemeinsam neue
situationen habe sich Folgendes bewehrt:
­eines 900-Euro-Jobs als Landarbeiter
Wege erkunden können“, findet die Buch­
. Komplexität reduzieren – was muss jetzt
bei seinem Imkermeister quittiert.
autorin (kultureller-wandel.at), „wir müs­
„Das war eine große finanzielle Einbuße,
sen auf nichts verzichten, sondern nur weg­
sofort gelöst werden, was kann warten
trotzdem spürte ich keinen großen
lassen, damit Neues entstehen kann.“
und liegt in ferner Zukunft.
Druck, denn ich hatte ja bereits alles
Notwendige fürs Leben: ein eigenes
Haus mit Garten, der mich wunderbar
ernährt.“ Auch seine Frau steht voll
hinter seinen neuen Lebensplänen.
Ein halbes Jahr später wendet sich
Gabriele Rabl ist freie Journalistin und schreibt unter anderem für die Tageszeitung
das Blatt: Sein Lehrmeister hat nicht
Die Presse. Außerdem ist sie als Kommunikationsberaterin für Unternehmen
mehr genug Arbeit – er ist „zwischen­
im Wandel tätig und engagiert sich für eine „Wirtschaft der Freude“.
44
Bestseller 5|6 2013
privat, Helmut Prochart
Schließlich spüre sie nun die Frei­
heit, die mit ihrer materiellen Reduk­
tion einhergegangen sei. Kleinere
Wohnung und weniger Geld am Konto
bedeuten nicht zwangsweise weniger
Lebensqualität, denn „die stellt sich
von selbst ein, sobald ich mit mir
selbst authentisch lebe, und das hat
etwas mit innerer Zufriedenheit zu
tun“, ist sich die gebürtige Burgenlän­
derin sicher. Darum investiert sie auch
­weiterhin in ihre Weiterentwicklung
und nicht in einen Alterswohnsitz im
Burgenland. „Ich vertraue dem Leben
und bleibe mutig.“
walter braun
Kommentar
Was bedeutet „Erfolg“?
Sheryl Sandberg, die Nummer zwei bei Facebook, hat jüngst ein viel bespro­
chenes Buch unter dem Titel „Lean in: Frauen und der Wille zum Erfolg“
veröffentlicht. Es geht der Autorin um äußere und innere Hindernisse, die
Frauen den Aufstieg verwehren. Dass die „Spitze“ immer nur einer ver­
schwindend kleinen Zahl vorbehalten sein wird und die Geschlechter­
mischung dort vergleichsweise unwichtig ist angesichts der Tatsache, dass
99,9 Prozent der Frauen wie Männer niemals dort anlangen, wird bei ameri­
kanischen Aufmunterungsschinken dieser Art gerne unter den Tisch fallen
gelassen. Schlimmer noch, solche Bücher verursachen großen Stress, indem
sie „Erfolg“ mit „sozialem Aufstieg, Geld und Einfluss“ gleichsetzen – Ereig­
nisse, die beträchtlich von Glück abhängen. Die Werte und Weltanschauung
privilegierter amerikanischer Neureicher werden nicht unbedingt das
21. Jahrhundert ­prägen; eine Gesellschaft, die nur eine kleine Anzahl von
„Gewinnern“ auslobt und den großen Rest kritisiert, hat kaum Zukunft.
Jüngst behauptete eine US-Erhebung, 83 Prozent (!) der amerikanischen
Arbeitnehmer würden unter Stress leiden. Ein Viertel der großen US-Unter­
nehmen fährt Stressreduktionsprogramme. Was sinnlos ist, wenn sich nicht
die dahinterstehende (Un-)Kultur ändert. Wenn nun Sheryl Sandberg mit
­ihrem privaten Heer von Unterstützern meint, Frauen müssten mehr E
­ rfolgsund Machtwillen zeigen („lean in“),
setzt das eine Welt von Besessenen
„Lernen könnte einen neuen voraus. Dass Arbeitsplatzstress ende­
Stellenwert erhalten, der über misch geworden ist, hat wohl mit
­steigender Konkurrenz aus Übersee,
rein zweckgebundene Arbeits- drohenden Jobverlusten und fallen­
platzschulung weit hinausgeht.“ den Reallöhnen zu tun; mehr aber
noch mit der Haltung, man könne im
Leben alles haben. Es ist diese irratio­
nale Erwartung, die Stress unerträglich macht. Permanent er­reichbar zu sein,
immer an die Arbeit zu denken, fortwährend von E-Mails und Telefonanrufen
unterbrochen zu werden, wieder und wieder umlernen zu müssen – und da­
bei noch harmonische Partnerschaften erwarten, Kinder liebevoll aufziehen,
auf erfüllte Freizeit und kreative Selbstverwirklichung hoffen? Kein Wunder,
dass Ärzte chronischen Schlafmangel diagnostizieren.
Männer sind zu Recht für ihre Arbeitsbesessenheit kritisiert worden –
Frauen werden nun dafür gelobt? Arianna Huffington, Gründerin einer erfolg­
reichen Online-Tageszeitung, hat zugegeben, ausgebrannt zu sein … was
sie veranlasst hat, ein Event namens „The Third Metric: Redefining Success
­Beyond Money and Power“ ins Leben zu rufen. Grund der Neuausrichtung:
Frauen in stressigen Jobs haben ein um 40 Prozent höheres Risiko einer Herz­
erkrankung und ein um 60 Prozent höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken.
Neue Werte sind im Kommen. Etwa der
Wunsch, sinnvolle Arbeit zu leisten bezie­
hungsweise mit seinem Arbeitseinsatz (und
nicht bloß in der Freizeit) etwas sozial oder
ökologisch Nachhaltiges zu bewirken. Lernen
könnte einen neuen Stellenwert erhalten, der
über rein zweckgebundene Arbeitsplatz­
schulung weit hinausgeht. Instabilität ist
leichter zu ertragen, wenn das große Ganze
einen Sinn macht – was nicht der Fall ist,
wenn man auf der Ebene persön­lichen Er­
folgsstrebens gefangen ist. Im Wettbewerb zu
gewinnen, ist sicherlich e­ rstrebenswert, aber
nicht, wenn man dabei emotional verarmt.
Die Unternehmenswelt wird diese Ent­
wicklung reflektieren. Es entstehen neue For­
men der Zusammenarbeit und der kreativen
Teilhabe, die in ein generell transparenteres
innerbetriebliches Agieren münden. Das zeigt
sich in Interviews in der New York Times
­unter der Rubrik „Corner Office“.
Unternehmenserfolg wird künftig in noch
größerem Maße von kreativem Input ab­
hängen – und der kann nicht von oben her
anbefohlen werden, sondern ist Ergebnis
­einer freundlichen, offenen Unternehmens­
kultur. Diese Entwicklung wird wiederum
Auswirkungen darauf haben, wie jeder
­Einzelne das Thema „Erfolg“ betrachtet
­beziehungsweise realisiert. Um individuelle
Fähigkeiten maximal zu nutzen, braucht es
die richtige Atmosphäre und echte Gelegen­
heiten – diese zu schaffen, charakterisiert
Unter­nehmen von morgen …
braun
Walter Braun ist freier Journalist
und lebt in Großbritannien.
Bestseller 5|6 2013
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vision
Niemand sollte des
Geldes wegen arbeiten
Der Werber Niki Ernst ist einer von weltweit 18 TEDx ­Ambassadors und
verbringt ein gutes Viertel seiner Zeit mit einer Beschäftigung, für die es
kein Honorar gibt. Naivität oder schlichtweg „ausgesorgter“ Reichtum?
Niki Ernst ist Gründer des
IACy-Netz­werkes – der
­Innovationagency. Gemeinsam mit Sigard Ernst,
Friso Schopper und Gernot
­Buttinger führt er die
­österreichische Agentur
planetsisa mit Büros
in Wien und Salzburg, die
Event­agentur Spread und
das Stra­tegie-Konzept und
Trendmonitor-Spin-off All
about us.
46
Bestseller Immer mehr Menschen scheint ein sinnvolles
Motiv hinter einer Beschäftigung wertvoller als ein
­dickes Honorar. Auch Sie. Aber uns alle umgibt ein
­Alltag von sekulären Verpflichtungen, und ich wage, zu
beweifeln, dass sich Ihr Supermarkt dazu bereit erklärt
hat, Ihnen Artikel entgeltfrei zur Verfügung zu stellen.
Niki Ernst Mitnichten! Natürlich haben wir nicht das
Geld abgeschafft. Aber ich glaube daran, dass jeder
Mensch einer Beschäftigung nachgehen sollte, die ihn
erfüllt. Sie wird ihm dann schon seine persönliche Vorstellungen von Wohlstand ermöglichen. Ich baue gerade ein weltweites Agenturnetzwerk auf und habe in
Wien und Salzburg ein großartiges Team, das mich
­soweit freispielt für Dinge, die nicht unmittelbar in
­Honorarnoten übersetzbar sind – wie zum Beispiel
meine Tätigkeit als TEDx-Organisator und -Ambassador. Am Ende des Tages sind die Erkenntnisse aus der
unbezahlten Beschäftigung aber für die anderen im
wahrsten Sinn des Wortes sehr wertvoll.
anschließen wollen. Die Innovationagency deckt von
Werkstätten über Patentanwälte, Universitäre Institute,
Designer und Kommunikationspezialisten alle Maßnahmen ab, die nötig sind, um von einer Idee zu einem verkaufbaren Produkt zu kommen. Gerade hier
sind die TEDx-Bühnen eine perfekte Ergänzung, weil
es dort schließlich auch darum geht, Menschen für eine Idee zu begeistern. Zur Zeit prallen nie dagewesene
Kulturen von Zusammenarbeit und technologischer
Errungenschaften aufeinander und schaffen ein beeindruckendes Momentum spannender Produktentwicklung. So schlecht ist die Zeit nicht, in der wir leben.
Derzeit finden weltweit täglich sieben TEDxes statt,
­heuer erstmals in beinahe jedem Bundesland Östereichs
eine eigene. Was macht den Erfolg dieser Events aus?
Ernst Der einzige Grund, warum Konferenzen derzeit
überhaupt so populär sind, ist doch die Tatsache, dass
wir ein Ausbildungsproblem haben, ein Ernährungsproblem, ein Gesundheitsproblem, ein BevölkerungsInwiefern?
problem, ein Mobilitätsproblem und natürlich ein UmErnst Unsere Branche – die Landschaft der Werbeagen- weltproblem – gäbe es alle diese Themen nicht, ginge
turen – ist eine alte Lady. Für mich lag ein klarer Wen- niemand auf eine Konferenz, in der mögliche Lösundepunkt in der Erkenntnis, dass mein Brot-und-Butter- gen vorgestellt werden. Ich nenne TED gerne die
Geschäft die uninspirierendste Beschäftigung von allen ­„Gute-Nachrichten-Konferenz“. Nicht weil wir leugnen,
dass es diese Probleme gibt, sondern weil dort ModelDingen ist, die ich mache. Was nicht an planetsisa
le für einen zukünftigen Umgang damit präsentiert
liegt, sondern vielmehr am Geschäftsmodell „Werbewerden. Keine Science-Fiction-Ideen, sondern „Ideas
agentur“. In ihrer Neuausrichtung als „Innovation­
into Action“ – wie das bei TED gerne genannt wird.
agency“ verbinde ich alle Aktivitäten und treffe überEs geht nicht darum, ein Publikum zu beeindrucken,
all auf der Welt Unternehmer, die sich dem Netzwerk
Bestseller 5|6 2013
Tech Down –
Listen Up
LoungeFM-Chef Florian Novak
holt die TEDx in die Hörstadt Linz
E
manfred klimek, stephan Rauch
eher darum, ein Gefühl von Aufbruch und erfreulichen Botschaften zu verbreiten, vor allem aber Ideen
und Konzepte. Damit jemand aufsteht und sagt „Was
du tust, gefällt mir, ich möchte dich dabei unterstützen“ oder „Ich kann etwas dazu beitragen, dass dein
Projekt schneller oder besser weiterentwickelt wird“.
Ich finde: Jeder TEDx-Organisator macht mit seiner
Konferenz etwas Sinnvolles. Er verbindet spannende
Menschen, Visionäre, Gestalter und sorgt für einen Tag
voll Hoffnung und Inspiration für alle, die dabei sind.
Neben der schon etablierten TEDx Salzburg haben Sie
heuer erstmals eine TEDxKids organisiert (22. 6. 2013,
TEDxKids@Neuwaldegg). Mit welcher Vision?
Ernst Viele TEDxKids-Organisatoren haben mir mit
­Funkeln in den Augen von ihren Events erzählt. Ich
bin selbst Vater dreier Kinder, die eine starke Persönlichkeit haben und die Freiheit, ihre Meinung zu äußern. Ich denke, Kinder haben viel mehr zu sagen, als
Erwachsene oft denken. Von Kinderkram keine Rede.
So haben wir ihnen in der Minopolis, der Kinderstadt
in Wien, einen Tag das Mikro in die Hand gegeben
und dabei zugehört, was sie uns so zu sagen hatten.
Wenn ein Zehnjähriger davon erzählt, dass er gerade
an seinem dritten Buch schreibt, oder eine 16-Jährige
dem Spott ihrer Freundinnen trotzt und ihrer Leidenschaft, dem Musical, nachgeht, ist eine Bandbreite
von Lachen, Spaß, Begeisterung und Rührung keine
große Überraschung mehr.
Doris Raßhofer
Bestseller 5|6 2013
r sei ein „Techie“, ein „Nerd“, „gadgetverliebt“,
sagt er selbst von sich. Aber er sei mittlerweile
­genauso ein Gejagter unserer tollen Technologien
wie die meisten in unserem Metier. „Unsere Technik verspricht uns Convenience und Freiheit und Mobilität und
was weiß ich noch alles. Aber wir zahlen einen Preis
­dafür: Überforderung, Stress, Burnout“, meint Florian
­Novak, Gründer und Geschäftsführer des oberösterreichischen Radiosenders LoungeFM. Der Claim seines
­Senders: „Listen & Relax“.
Novak ist aber auch TEDx-Fan der ersten Stunde – „für
mich gibt es nichts Aufregenderes als Ideen, die es wert
sind, weitererzählt zu werden.“ Und weil es nicht nur in
der TEDx-Welt nichts Gutes gibt, außer, man tut es, hat
der Technofreak seine eigenen Komponenten nun zu
­einem in sich geschlossenen sinnvollen Neuen zusammengefügt und am 21. Juni 2013 die erste TEDx nach
Oberösterreich gebracht – in das seit 2009 zudem noch
als Hörstadt positionierte Linz, und dort an den Hightechstandort der voestalpine Stahlwelt. Das Thema: Tech
Down – Listen Up. Eine runde Sache, das.
„Nein, nein, mit Technikfeindlichkeit hat das überhaupt nichts zu tun“, wehrt sich Novak schnell, vielmehr
mit einem smarten, selbstbestimmten Umgang mit Technologie. „Wir haben das Bedienen des Einschaltknopfes
gelernt. Jetzt müssen wir das Ausschalten dieses Knopfes
lernen. Zumindest zeitweise.“
Deshalb hat sich TEDx Linz auf ein systematisches inhaltliches Einkreisen der Entschleunigung fokussiert – sei
es in Form einer seminarkabarettistischen Anleitung zum
Herzinfarkt, sei es ein Erfahrungsbericht von 62 Tagen
Achtsamkeitspraxis im Waldkloster von Myanmar, sei es
in Form bioenergetischer Betrachtung anhand einer Funkmaus, einem Gedanken und einem Gummibärchen oder
auch einem Businessmodell, das Arbeit, Spielen und
­Bildung vereint, oder einfach nur „The power of slow“.
Zu lesen im nächsten Bestseller. Doris Raßhofer
Es gibt nichts Gutes, außer,
man tut es. Also verband der
LoungeFM-Gründer Florian
Novak mehrere Komponenten
zu einem sinnvollen Neuen:
einer neuen TEDx zum Thema
„Entschleunigung“.
47
vision
Einblick ins Repair-­
Café-Geschehen: Stefan
Reiter zerlegt eine Bohrmaschine unter Aufsicht
von Patrick Huemer und
Alfred Hollinetz.
Räume für neue Ideen
In Oberösterreich entstand ein Open-Source-Modell zur Regionalentwicklung: Otelo.
as Offene Technologielabor, kurz Otelo,
wurde vor drei Jahren in Oberösterreich
aus der Taufe gehoben. Laut Mitbegründer
Stefan Reiter stammt die Idee von Martin
Hollinetz (Hollinetz wurde 2013 in das Netz­
werk von Ashoka Österreich aufgenommen,
der größten internationalen Organisation
zur Förderung von Social Entrepreneurs,
Anm.), der erkannte, dass in der Region
­keine kreativen Räume zur Verfügung stan­
den, die unspezifisch nutzbar waren und in
denen neue ­Ideen geboren werden könnten.
Institutionen wie das Metalab in Wien oder
das Spektral in Graz, in denen sich Men­
schen treffen und sich primär mit techni­
schen Projekten auseinandersetzen, gab es
in den ländlichen Gebieten Oberösterreichs
keine. Erschwerend kam noch die Tatsache
hinzu, dass kreative Köpfe die Region meist
verließen, um zu studieren, und nicht mehr
zurückkehrten, weil es für sie keine attrakti­
ven und fordernden Angebote gab.
Stefan Reiter, eines der ersten
Gründungsmitglieder von Otelo
Im Repair Café werden auch Textilien überarbeitet:
Sabine Huemer bastelt einen Reparaturflicken.
48
Kreative Köpfe im Ort behalten
Und da kamen die Otelos ins Spiel: Räume
für kreativ künstlerische und technische
Ideen, welche die Leute dort anschließend
auch umsetzen können. „Der Unterschied
zu bestehenden Systemen wie dem Metalab
ist, dass wir intensiv mit den Kommunen
kommunizieren. Die Gemeinden stellen uns
Räume und die Infrastruktur zur Verfügung,
welche die Otelos kostenfrei nutzen und im
Gegenzug eine Atmosphäre schaffen, in der
sich Leute mit Ideen wohlfühlen“, erklärt
Reiter. Ein Otelo besteht aus mehreren so­
genannten Node-Räumen, in denen sich
einzelne Gruppen mit einem bestimmten
Thema beschäftigen. Reiter dazu: „So ent­
steht ein Otelo-Netzwerk.“ Vorhanden seien
immer auch eine Küche und ein Sozialraum
beziehungsweise ein Treffpunkt, die als
Schnittpunkte dienen und wo neue Ideen
aus der Interaktion des Miteinanders entste­
hen können und sollen. Bisher gibt es die
Otelos in Vorchdorf, Gmunden, Vöckla­
bruck, Kirchdorf und in Ottenheim.
Die Jugend für Technik begeistern
„Wir bieten den Raum nicht nur zum
­Spielen an, sondern arbeiten auch mit der
regionalen Industrie zusammen, wenn die
Ideen in Richtung Professionalisierung
­gehen“, fährt Reiter fort. Ihm zufolge gibt es
enge Kooperationen, und Otelo bietet gerne
Schützenhilfe und Kontakte. Erfolgreiches
Beispiel ist eine Gruppe von Leuten, die
sich vor zwei Jahren über ein Otelo kennen­
lernten und intensiver mit 3D-Druckern
­auseinandersetzten. Die Zusammenarbeit
gipfelte in der Gründung einer Firma – dem­
nächst soll der Drucker tatsächlich produ­
ziert werden.
Um gerade die Jungen für Technik zu be­
geistern, gibt es auch ein Kinderprogramm,
bei dem verschiedene Workshops für unter­
schiedliche Altersklassen angeboten werden.
„Das Problem ist oft, dass die Kinder einfach
Bestseller 5|6 2013
Bettina Hutterer/OTELO Vorchdorf, krmepler, goetz
D
Rebekka Krempler: „Die gemeinsame Liebe zum
Musical hat mir geholfen, in der Pubertät die
­Verbindung zu meiner Mutter nicht zu verlieren.“
Kampf dem
Gruppenzwang
keinen Zugang haben. Sie sollen ­einen
­Einblick in Technik bekommen – auch weil
es gerade in technischen Berufen einen
Fachkräftemangel gibt“, wie Reiter erzählt,
„über dieses Angebot kommen auch wieder
Firmen-Kooperationspartner hinzu.“
Gegen die Wegwerfgesellschaft
Derzeit widmet sich Reiter unter anderem
dem Otelo Repair Café: In einer Kaffeehausatmosphäre werden kostenlos Reparatur­
leistungen angeboten. Die Idee dazu stammt
eigentlich aus den Niederlanden und Reiter
entdeckte das Prinzip zufällig im Netz.
„Nachdem ich selbst immer wieder Sachen
repariere, dachte ich, dass sich das fürs
Otelo eignet. Es wird auch sehr gut angenommen.“ In den Otelo-Räumlichkeiten
werden Dinge gemeinsam mit den Eigen­
tümern wieder instand gesetzt – primär
Elektro- und Haushaltsgeräte, aber auch die
Reparatur von Textilien ist nicht ausgeschlossen. „Der Fokus liegt auf der Wissensvermittlung und dass man gegen die Wegwerfgesellschaft arbeitet. Denn leider ist es
oft rechnerisch günstiger, etwas wegzu­
werfen und neu zu kaufen. Ressourcen sind
aber endlich.“ In Holland gibt es laut Reiter
seit der Gründung 2005 schon über hundert
solche Repair Cafés – es besteht also durchaus Nachfrage, wobei sich diese Projekte
­lediglich als Ergänzung zu bestehenden
Werkstätten verstehen und diese keinesfalls
ersetzen können, wie Reiter weiter ausführt.
„Ich mache das neben meinem Beruf als
Elektronik-Entwickler freiwillig. Mein persönlicher Antrieb dafür ist es, dass man mit
neuen Leuten und mit neuen Ideen zusammenkommt, ohne dass man weit fahren
muss“, so Reiter abschließend. Neben
­seiner Berufstätigkeit hilft er auch noch im
elterlichen Landwirtschaftsbetrieb bei der
Produktion und Vermarktung von Milch­
produkten, Fruchtsäften und Mosten mit
und leitet eine Pfadfindergruppe in Vorchdorf. Weitere Informationen gibt es unter
www.otelo.or.at sowie unter repaircafe.de.
Lana Gricenko
Bestseller 5|6 2013
Wie eine 16-Jährige ihre
Musical-Leidenschaft
altersunüblich verteidigt.
M
it zwölf Jahren entdeckte sie
ihre Leidenschaft für Musicals:
„Tanz der Vampire“. Wieder und wieder
schaute sie sich das Musik-Tanz-­
Theater an, opferte ihr Taschengeld,
ihr Geburtstags-, ihr Oster-, ihr Weihnachtsgeschenkgeld, ihr Geld von
Oma, Tante usw. „Seitdem bin ich
­Musical-begeistert“, gibt die heute
16-jährige Rebekka Krempler zu, Tochter der in der Werbeszene gut bekannten Carola Krempler. Viele Stücke sieht
sie sich bis zu zehn Mal an und ­es gibt
wenige Urlaube, die keine MusicalAufführungen beinhalteten – Hamburg,
New York, Los Angeles, St. Petersburg.
„Ich kann bei einer Aufführung einfach
alles vergessen, tanze und singe ja
selbst für mein Leben gern.“ Während
ihre Freunde am Wochenende Party
feiern, stellt sich Rebekka um eine Rest­
karte für 15 Euro an, wenn es ­keine
gibt, nimmt sie die Stehkarte für fünf
Euro. „Klar haben mich meine Klassen­
kameraden oft deswegen verarscht,
das hat mich auch sehr gekränkt, aber
meine Mutter hat mir immer gesagt:
‚Bleib bei dir, das sind nur deine Schulkameraden. Deine Freunde suchst du
dir selber aus.‘ Das hat mir sehr ge­
holfen, mich dem Gruppenzwang zu
widersetzen.“ Und ja, die Bühne ist
mittlerweile auch ihr eigener Traum.
Doris Raßhofer
Mündige Konsumbürger
Warum sagt Hermann Maier, dass Raiffeisen toll ist?
W
enn es um die Familienanschaffung von technologischen Innovationen
geht, geben Kinder immer öfter das Kommando. Das birgt Verantwortung.
­Elisabeth Götze forscht an der Wirtschaftsuniversität Wien in Sachen Kindermarketing: „Konsum ist nichts Schlechtes. Marketing auch nicht. Aber Eltern s­ ollten
Kinder beim Erlernen von beidem begleiten.“ Ein kritisches Hinterfragen bei
­jedem Konsumwunsch – „brauch ich das wirklich?“. Stärkung des Selbstwertgefühls – „du bist nur cool, wenn du das auch hast“ ist uncool. Augen und Ohren
von Kinder schulen: Wo ist überall Werbung und Product Placement im TV-Programm versteckt? Warum sagt Hermann Maier, dass er Raiffeisenbank toll findet?
Auch Hersteller haben Verantwortung: „Kleine Kinder empfinden Werbung als Information, die sie kritiklos aufnehmen“,
so Götze, „Unternehmen sollten dieses blinde Vertrauen nicht
ausnützen.“ Also: Verpackung nicht überdimensionieren,
­keine frühe Obsoleszenz, Geschmackswunderversprechen
sind tabu. Und Gesetze? „Das sind Rahmenbedingungen
zum Schutz von Kindern, nimmt aber den Eltern nicht die
Aufklärung ab.“
Doris Raßhofer
Elisabeth Götze: „Der Fernseher ist kein Babysitter.
Kinder müssen den Umgang mit Konsum und
­Marketing lernen wie lesen, schreiben, rechnen.“
49
Die Weisheit der Masse anzapfen, das wollen heute auch
­Journalisten. Kuratieren statt recherchieren lautet die Devise.
Doch Crowdsourcing wirft auch neue Fragen auf. Zum ­Beispiel,
warum Freiwillige da ­überhaupt mitmachen wollen.
Text von Jakob Steinschaden
Pfadfinder. Die Gehwege, die Ende der
1960er am Campus der Universität Oregon
angelegt wurden, laufen noch heute kreuz
und quer durch die Wiesen der Anlage. Aus
der Vogelperspektive von Google Maps
­gesehen, heben sie sich mit ihrem unorthodoxen Durcheinander deutlich ab von den
umliegenden Straßen, die typisch amerikanisch mit dem Lineal gezogen wurden. Erst,
wer die Wege am Boden nachgeht, erkennt
ihren Sinn: Sie sind die optimalen Routen,
um am Campus von A nach B zu gelangen.
Die weltberühmten Pfade sind das Ergebnis des „Oregon-Experiments“, das der in
Wien geborene US-Architekt Christopher
Alexander umgesetzt hat. Ende der 1960er
verlangten die Studenten der Universität
mehr Mitbestimmung, und einer ihrer
­Erfolge sind diese Wege. Anstatt, wie seit
Jahrhunderten gewohnt, die Wege am Reißbrett zu planen, ließ Alexander Gras pflanzen und wartete einfach mal ab. Als sich
nach einiger Zeit Trampelpfade bildeten,
wurden diese als die heutigen sogenannten
­„Desire Lines“ angelegt. „Bottom-up“ statt
„top-down“ – das Experiment gilt noch
­heute als Beleg dafür, wie gut Schwarm­
intelligenz funktionieren kann, und wirkt
bis in den Journalismus hinein, der sich
­einem neuen Betätigungsfeld zuwendet:
dem Crowdsourcing.
Die Perlen aussieben
„Bürgermedien hatten ein nicht ganz anständiges Image, wurden als Schmuddelecke
wahrgenommen. Durch das Internet haben
unten
Geschichten von
50
Bestseller 5|6 2013
wichtig, wenn es darum geht, eine Story zu
auf der Straße behalten konnten, Leser ­
sie diesen Charakter verloren, niemand
dazu auf, ihre Eindrücke einzuschicken, die verbreiten, das gehört heute zum journalis­
würde sagen, YouTube sei eine Schmuddel­
tischen Handwerk dazu. Ich denke, die Zei­
dann in Artikeln weiterverwertet wurden.
ecke. Da ist klar: Da sind Perlen drinnen,
ten, an denen man an seinem Schreibtisch
­Außerdem halfen dem Guardian Tausende
und unsere Aufgabe ist es, diese zu finden
saß und jeden Tag eine Geschichte getippt
bei der Auswertung von mehr als 450.000
und in einem neuen Kontext und kompakt
hat, sind vorbei.“
Ausgabenbelegen britischer Parlamentarier,
zugänglich zu machen“, sagt der deutsche
um Spesenbetrug aufzudecken – eine Auf­
Mediensoziologe Volker Grassmuck. Mit
Die Crowd außer Kontrolle
gabe, die ein kleines Redaktionsteam nicht
dem Boom von Blogs, Social Media (früher
„Es ist eine der spannendsten Fragen unserer
bewältigt hätte. In Deutschland setzt das
sagte man noch „User-generated Content“
Zeit, wie weit diese Zusammenarbeit gehen
ZDF aktuell Crowdsourcing-Technologien
dazu) und Smartphones wird das Netz täg­
kann und wo die Grenzen sind. Ich kann
lich mit schier unbegreifbaren Datenmengen ein, um die Aus­sagen von Politikern zu
mir keine medientheoretisch begründbare
­checken. Unter h
­ ttp://zdfcheck.zdf.de kön­
überflutet. WordPress, der führende BlogGrenze vorstellen, die sagt: Crowdsourcing
nen Leser Fakten beisteuern, diese werden
Anbieter, verzeichnet pro Monat 41,5 Milli­
geht bis dahin, und alles andere darüber
von der Redaktion geprüft. Die Aussage
onen neue Einträge und 53,2 Millionen
­hinaus können nur die Profis machen“, sagt
neue Kommentare. Bei YouTube werden pro „Die Einkommensschere schließt sich seit
Mediensoziologe Grassmuck. „Die Vorstel­
­Minute 72 Stunden Videomaterial hochgela­ drei Jahren wieder“ von Ursula von der
lung, dass nur die Experten eine Enzyklo­
Leyen (CDU) wurde auf der Webseite be­
den. Auf den Servern von Facebook landen
pädie wie die Wikipedia schreiben können,
reits widerlegt.
pro Tag mehr als 300 Millionen Fotos, und
ist widerlegt. Aber natürlich gibt es auch
Die US-Online-Zeitung Huffington Post,
bei Twitter werden 400 Millionen Kurznach­
­innerhalb der Wikipedia die Diskussion: Wie
die ab Herbst auch Deutschland und Öster­
richten alle 24 Stunden veröffentlicht.
können wir Artikel verbessern, wie können
reich mit Online-News und Meinungsbei­
Diese massive Verschiebung in Sachen
wir Experten ranholen, die mitschreiben
trägen versorgen will, hat das Crowdsour­
Content-Produktion von Profis hin zu
oder zumindest begutachten?“
cing sogar zum Geschäftsmodell erhoben.
­Privatpersonen macht vielen Journalisten
Zwei Beispiele, die beide ohne die über­
Nur wenige der Inhalte stammen von ange­
Angst. Content sei heute nichts mehr wert,
mit dem Echtzeit-Internet könne man in der stellten Redakteuren, den großen Rest liefern geordnete Rolle des Journalisten als Kurator
Blogger, Experten oder einfach leidenschaft­ verliefen, zeigen, wo diese Grenze verlaufen
Berichterstattung nicht mehr mithalten.
liche Online-Schreiber gratis zu – im Gegen­ könnte. Beim Projekt GuttenPlag, bei dem
Doch was die einen als Gefahr sehen, neh­
engagierte Internetnutzer Anfang 2011 in
men andere als Chance. Die Online-Ausgabe zug bekommen sie die Reichweite der
­einem Online-Wiki Plagiate in der Disserta­
der britischen Qualitätszeitung Guardian ist ­Webseite. „Bei der Huffington Post sind nur
25 bis 30 Prozent der Artikel selbst geschrie­ tion von Deutschlands ehemaligem Verteidi­
eines der Vorreiter-Medien, die auf Crowd­
gungsminister Karl-Theodor Freiherr zu
ben. Man ist nicht mehr nur ein Reporter,
sourcing im Journalismus setzen und die
Guttenberg aufdeckten, wurde echter Mehr­
sondern kuratiert die Inhalte auf der
Nutzerdaten zum Teil ihrer Berichterstat­
wert mit kollaborativer Arbeit geschaffen –
­Website. So arbeiten die meisten unserer
tung machen. Während der tagelangen ge­
der dazu beitrug, dass Guttenberg schließ­
Leute“, sagt CEO Jimmy Maymann über
walttätigen Unruhen in London im August
den Redaktionsbetrieb in mittlerweile sieben lich zurücktrat. Während der Suche nach
2011 forderten die Redakteure, die unmög­
den Bombenattentätern von Boston im
Ländern. „Social-Media-Seiten sind enorm
lich einen Überblick über die Geschehnisse
Bestseller 5|6 2013
51
„Ich bin überzeugt, dass es nie den Algorithmus
geben wird, den man einfach über das
Internet laufen lässt und der dann vier Stunden
mediale Grundversorgung zusammenstellt.“
Volker Grassmuck, Mediensoziologe
­ pril 2013 schlug das Pendel in die andere
A
Richtung aus: Nach dem Aufruf des FBI an
die Bevölkerung, Hinweise zu Verdächtigen
zu liefern, überboten sich Tausende Nutzer
der Internet-Community reddit.com im
­Subreddit „FindBostonBombers“ darin,
eben­solche zu liefern. Leider stellten die
Amateur-Detektive anhand von Fotos vom
Ort des Geschehens nur Unschuldige an
den Online-Pranger – mit schrecklichen Folgen. Die Leiche des 22-jährigen Studenten
Sunil T., der fälschlich vom Cyber-Mob
­verdächtigt wurde, fand man schließlich im
Bostoner Providence River – seine Familie
vermutet Selbstmord. reddit-Manager Erik
Martin entschuldigte sich später öffentlich
für die „Hexenjagd“.
Technologie (Rasen) und die richtige Verfahrensweise (Desire Lines), um aus dem
Schwarm die durchaus großartige Qualität
herauszuwringen, die den unglücklichen
Namen Schwarmintelligenz trägt“, schreibt
der Blogger Sascha Lobo mit Bezugnahme
auf das Oregon-Experiment auf Spiegel
­Online. Auch Mediensoziologe Grassmuck
sagt: „Ich bin überzeugt, dass es nie den
­Algorithmus geben wird, den man einfach
über das Internet laufen lässt und der dann
vier Stunden mediale Grundversorgung
­zusammenstellt. Professionelle journalis­
tische Arbeit wird weiterhin die Basis sein.
Aber um die Informationsflut bewältigen zu
­können, brauchen Menschen entsprechende
Werkzeuge, etwa Metadaten und das
­Semantic Web.“
Kuratieren statt recherchieren
Vor allem letzteres Beispiel zeigt, dass gerade Die richtigen Werkzeuge und Informanten
Was in der Theorie schlau klingt, erweist
im Internet die oft gepriesene Schwarm­
sich in der Praxis dann aber doch als ziemintelligenz Anleitung, Begutachtung und
lich schwer. „Man denkt, dass man mit auf­einen Filter braucht. Crowdsourcing haben
Medien schon immer betrieben – der Radio- geklärten Journalisten zusammenarbeitet,
aber dann muss man ganz praktische Dinge
sender Ö3 mit seinen Ö3vern, die von
erklären. Das ist wie in der Sendung mit der
Öster­reichs Straßen aus aktuelle Verkehrs­
Maus“, sagt Nicola Kuhrt, stellvertretende
infos an die Redaktion schicken, oder die
TV-Sendung „Orakel“ aus den 1970ern etwa Ressortleiterin im Wissenschaftsressort von
bauen beziehungsweise bauten schon lange Spiegel Online, über die Umsetzung von
Crowd-Journalismus. Sie hat etwa Erfah­
auf die Crowd, bevor das Wort Crowd­
rungen damit gesammelt, wie man Grippesourcing überhaupt erfunden wurde. Jeder
wellen auf Basis von Lesermeldungen auf
Journalist weiß: Die Leser um Tipps zu
einer Deutschlandkarte abbilden kann.
­bitten, ist eine alte Technik, um an interesDoch auch mit der aktiven Teilnahme an
sante Geschichten zu kommen – der neugierige Reporter, der im Wirtshaus die Ohren diesen neuen Prozessen sei es so eine Sache:
„Die Leute müssen sich erst einmal daran
spitzt, ist das Paradebeispiel dafür.
gewöhnen, dass es das jetzt gibt, und lernen,
Doch gerade im Netz erweist sich die
wie es funktioniert“, so Kuhrt. Der deutsche
Leitung durch einen Kurator als essenziell,
wie der reddit-Vorfall zeigt. „Es braucht Takt­ Wissenschaftsautor Ralf Grötker etwa versucht mit dem Web-Portal debattenprofis.de,
geber (Christoph Alexander), die geeignete
52
eine „Community aus Spezial-Nerds“ aufzubauen. Ihm geht es darum, die r­ ichtigen
zehn bis 15 Personen aus der ­Masse herauszufischen. „Mit redaktionellen Inhalten
können wir uns abstrampeln, wie wir
­wollen, der größte Einfluss auf die ­Qualität
der Kommentare ist die Community“, sagt
Grötker.
Technologische Unterstützung für journalistische Crowdsourcing-Projekte bietet die
kleine Berliner Firma OpenDataCity, die
­bereits für die Online-Ausgaben der taz, der
Süddeutschen, der WAZ oder der Zeit tätig
wurde. „Leute können helfen, eine
­Geschichte zu erzählen, indem sie Daten
spenden“, so Marco Maas von OpenData­
City. Er hat etwa bei Visualisierungen von
Zugverspätungen, Parteispenden oder Fluglärmbelastung mitgearbeitet und meint:
„Wenn man durch einen Wust an Dokumenten nicht selbst durchwühlen kann, kann
man eine Plattform aufbauen, wo Leser
­helfen können, das Material zu sichten.“
Nicht geklärt ist allerdings noch die Frage,
warum Menschen bei solchen Crowdsourcing-Projekten freiwillig ihre Zeit und ihr
Wissen einbringen. So kann man etwa vermuten, dass Leute, die mit dem Klarnamen
posten, das Rampenlicht suchen, während
sensible und persönliche Geschichten oft
gerne anonym erzählt werden. Diese Kenntnis wäre essenziell in der Beurteilung der
eingereichten Informationen durch den
­Redakteur. Heute müssen diese in ihrer sich
verändernden Arbeit aber eher Mutmaßungen darüber anstellen. Mediensoziologe
Grassmuck: „Wir müssen noch herausfinden,
was Menschen motiviert, da mitzumachen.
Dazu gibt es zwar einige Forschung, aber
letztendlich ist es eine ungeklärte Frage.“
Bestseller 5|6 2013
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„PR ist Geschichtenerzählen.
Was sonst?“
Die klassische Medienarbeit sei tot.
Sagt man. Social Media ist überall.
Sagt man. Und ohne Content Marketing
und Storytelling gehe in Zukunft
­sowieso gar nichts mehr. Wirklich?
Text von Yvonne Widler | Ranking von Carolin Daiker | Fotos von Karl Michalski
Ranking. Wie geht es der österreichischen
PR-Branche? Die richtige Antwort ­wäre
wohl „gut und schlecht“. Denn es gilt auf
der einen Seite natürlich, die allerorts beklagten Budgetkürzungen zu verdauen, auf
der anderen Seite tun sich spannende neue
Felder, Hoffnungen und Herausforderungen
auf. Die Budgetknappheit ist in ­diesen Zeiten kein Charakteristikum, das ­alleine der
PR-Branche zuzuschreiben ist, prägt jedoch
naturgemäß das Geschäft und Susanne
Senft, PRVA-Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin PR Quality Austria, findet
an der Reduktion auch durchaus etwas
­Gutes: „Das zwingt Auftraggeber und Auftragnehmer dazu, sehr viel genauer über
Kommunikationsziele, die richtige Strategie
und die geeigneten Maßnahmen nachzudenken.“ Auch Sepp Tschernutter, CEO
Grayling Austria, spürt einen klaren Trend
zu mehr Leistung für weniger Honorar. „Für
uns heißt das noch stärkere Konzentration
auf den Mehrwert, den eine gute PR-Agentur
liefern kann. Der Trend zu Beauftragungen
auf Projektbasis lässt sich kaum aufhalten.
54
Langfristige Rahmenverträge werden immer
seltener.“ Axel Zuschmann, Geschäftsführer
Ecker & Partner, formuliert es noch etwas
schärfer: „Zu kämpfen hat die Branche nach
wie vor mit überzogenen Erwartungshaltungen, schlampigen Briefings und einer Ausschreibungspraxis im öffentlichen Bereich,
die PR-Leistungen meist genau so behandelt
wie den Einkauf von Büromöbeln.“ Martin
Bredl, Geschäftsführer Take Off PR, sieht es
aber positiv: „Die Arbeitsmarkterwartung
zeigt nach oben. Die Werbeausgaben sind
2012 laut Focus um 6,3 Prozent gewachsen,
und man kann annehmen, dass PR mindestens in diesem Umfang auch gewachsen ist.“
Kaum Verständnis hierzulande
Für Susanne Senft ist all das Gesagte eine
Herausforderung, der man mit offenen
­Armen entgegengehen sollte. „Ich denke,
dass die Branche eine sehr spannende
­Phase durchlebt, in der sich vieles ändert,
die Basis aber gleich bleibt. Gute PR-Berater
waren immer schon Strategen, und diese
Qualifikation brauchen wir jetzt mit all
Bestseller 5|6 2013
Erneut Platz eins
Grayling Austria ist ein weiteres Mal auf dem ersten Platz
gelandet. 45 Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Agentur gut
läuft. Derzeit werden knapp 50 nationale und internatio­
nale Kunden betreut. Zu den wichtigsten Kundengewinnen
im Jahr 2012 gehört der globale Kommunikationsetat der
Kapsch Group, Grayling Österreich ist Lead-Agentur für die
internationale PR. Weitere neue Kunden sind Doka,
­Primark und Deloitte. Neu ist auch die OMV-Kampagne
„Österreich sucht die Technikqueens“.
1
Sepp Tschernutter, Chief Executive Officer Grayling
Austria, zeigt sich stolz ob seines stabilen und
­erfolgreichen Teams: „Digital wie analog, natio­
nal wie international sind wir gut aufgestellt.
Unser breit gefächerter und langjähriger
­Kundenstamm, unsere Marktposition sowie
Grayling Austria
diverse Auszeichnungen bestätigen, dass wir
mit dieser Strategie richtig liegen. Wir sind in
Honorarumsatz 2012:
diesem Jahr gleich dreifach für den Österreichi­
7,285 Mio. 
schen PR-Staatspreis nominiert worden. Inter­
national gewann die ‚Grayling Pulse‘-Umfrage den
Sabre Award in der Kategorie Agency Marketing.“
Von links nach rechts:
CEO Sepp Tschernutter mit den Managing
Directors Sigrid Krupica und Bernhard Hudik
The Skills Group GmbH · [email protected] · + 43 - 1 - 505 26 25
An affiliate of Fleishman-Hillard International Communications
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Von links nach rechts:
Eigentümer Dietmar Ecker mit
den Geschäftsführern Nicole
Bäck-Knapp und Axel Zuschmann.
2
Ecker & Partner
Qualität vor Quantität
Ecker & Partner Öffentlichkeitsarbeit und Public Affairs sichert sich auch
dieses Jahr wieder den zweiten Platz. Die Agentur zählt 38 Mitarbeiter und
konzentriert sich in erster Linie auf strategische Kommunikationsberatung
mit den Schwerpunkten Krisenkommunikation, Litigation-PR, Public Affairs
und Corporate-PR. Die Agentur betreut derzeit rund 70 Kunden. Die wich­
tigsten Neukunden aus dem Jahr 2012 sind Sony Mobile Communications,
Lyoness, Alpine, Novartis und Eli Lilly.
Geschäftsführer Axel Zuschmann resümiert das Ausklingen des letzten
­Jahres „mit einem sehr guten Ergebnis und einer Konsolidierung auf hohem
Niveau. Wir hatten etwas weniger Honorarumsatz, auch deshalb, weil
­einige Kampagnen ausgelaufen sind, aber dafür einen besseren Ertrag. Für
uns geht Qualität vor Quantität und Marge vor Umsatz – darauf kommt es
an, und auf diesem Weg sind wir sehr gut unterwegs.“
56
Honorarumsatz 2012:
5,152 Mio. 
den neuen Disziplinen ganz besonders.“
Mit all den neuen Disziplinen? Was ist über­
haupt neu? Hier scheiden sich die Geister
innerhalb der Branche. „Ich persönlich
­gehöre nicht zu denen, die meinen, dass
klassische Medienarbeit ein Auslaufmodell
ist. Im Gegenteil, je schwieriger die Rahmen­
bedingungen, umso besser und differenzier­
ter muss sie sein“, so Senft. Bei der hohen
Bedeutsamkeit von Social Media sind sich
jedenfalls – fast – alle einig. „Generell wird
die Social-Media-Komponente als integraler
Bestandteil von PR-Kampagnen weiterhin
an Bedeutung gewinnen“, meint Beatrix
Skias, Geschäftsführerin Kobza Integra,
zum Thema. Ein bisschen neutralisiert wird
der Hype von Martin Bredl, der Social Media
eher als Teil eines großen Ganzen sieht.
„Insgesamt glauben viele in der Branche,
wenn sie jetzt auch in Social Media etwas
machen, einen Schritt vorwärts gemacht zu
haben. Unsere Freunde in den USA denken
dagegen, dass Europa in Social Media
­stecken geblieben ist. Der nächste große
Schritt ist – ausgehend von den USA –
­Content Marketing. Da spielen Social Media
wieder eine Rolle, aber der Schwerpunkt ist
Content. Das haben in Österreich noch ganz
wenige verstanden. In Deutschland ist das
ein Riesenthema.“ Vor allem Bredl und seine
Mannschaft haben sich hierzulande dem
Content Marketing verschrieben. Ziel ist es,
mit Inhalten statt mit Werbung Aufmerk­
samkeit zu erreichen und in Folge eine Be­
ziehung mit möglichen Kunden aufzubauen.
Für ihn ist klar, dass – auch wenn man das
in Österreich nicht so merkt – klassische
Medien an Einfluss verlieren werden. PRAgenturen sollten sich demnach darauf
­einstellen, dass sich der Schwerpunkt der
Arbeit von klassischer Pressearbeit auf neue
Kanäle verlagern wird. Die ersten deutli­
chen Auswirkungen sehe man nun bei den
großen Brands wie Red Bull oder Coca-Cola.
Dabei sei Content Marketing für kleinere
Unternehmen eigentlich besser geeignet,
denn hier entscheide nicht die Größe des
Werbebudgets über den Erfolg, sondern die
Qualität des Inhalts. „Das umfasst Branding,
Bestseller 5|6 2013
Website-Entwicklung, Content-Strategie,
Content-Produktion, Social Media, Presse­
arbeit, Online-Werbung und Lead Management. PR-Leute, die sich bei diesen Themen
Kompetenzen aufbauen, werden in Zukunft
gefragt werden“, prognostiziert Bredl.
Ein alter Hut?
Dass Veränderungen und Fokussierung auf
neue Themen nun mal dazugehören, ist für
Annabel Loebell, Geschäftsführerin loebell &
nordberg, ganz normal. „Vor zehn Jahren
waren es Megaevents, vor drei Jahren wollte
jeder in die Social-Media-Welt investieren,
jetzt muss es Content Marketing und Storytelling sein.“ Apropos Storytelling: Dass das
Geschichtenerzählen das A und O der PR
ist, ist für Wolfgang Rosam, geschäftsfüh-
auf ‚alten Wein in neuen Schläuchen‘ anrender Gesellschafter Rosam Change Comkommt, sondern auf die Qualität der Beramunications, ein unabdingbares Faktum.
tung und der Umsetzung.“ Skias dazu:
Klienten würden die Agenturen mit Informationen füllen und demnach zu Recht er- „Neu ist der Ansatz um Content Marketing
nicht. Inhalte mit hoher Qualität und Mehrwarten, dass diese eine tolle Story darüber
wert maßgeschneidert für die jeweils adreserzählen können. „PR ist Storytelling, was
sierte Zielgruppe fernab von werblichen
sonst?“, erklärt er. Mit der Begrifflichkeit
Botschaften zu produzieren, ist seit ­jeher
Content Marketing hingegen fängt Rosam
Teil guter, professioneller PR. Aber im
nicht viel an. „Ich glaube auch, dass der
Mehrheit meiner CEOs das nicht geläufig ist, Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit
zählen nicht immer die besten Fakten, sonweil es ihnen egal ist, mit welchen neuen
dern die besten Geschichten, die wir rund
super Begriffen wir etwas ‚benamsen‘. Als
um Marken und Produkte erzählen. Gutes
ich vor zehn Jahren Change CommunicaFraming – Verknüpfen von Botschaften und
tion bei uns einführte, wollte mir die WirtUnternehmenswerten – sowie Einbetten
schaftskammer dafür nicht einmal einen
der Story in ein gesellschaftlich relevantes
Gewerbeschein ausstellen, weil sie nicht
wusste, was sie mit diesem Begriff anfangen ­Thema, das auf der öffentlichen Agenda
steht, generiert diese Aufmerksamkeit.
sollte. Ich will damit sagen, dass es nicht
Plötzlich ist
jeder Journalist
Jeder textet, postet, publiziert, chattet, bloggt,
twittert, schreibt und spricht.
Immer. Überall.
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Wolfgang Rosam,
geschäftsführender
Gesellschafter
Eine gut gewählte Bildsprache, die genauso
konzeptionell überlegt sein will für das
­Unternehmen und für eine Marke, ist dabei
von großer Bedeutung.“ Aber ja, aktuell
werde der Begriff besonders gehypt. „Wir
spielen heute in allen Arten von Medien:
Earned Media, also klassische Medienarbeit,
Paid Media, Kooperationen, Shared Media,
in den sozialen Netzwerken, und auch
­Owned Media, in den eigenen Kanälen des
Kunden“, erklärt Saskia Wallner, Geschäftsführerin Ketchum Publico, in ihrer Agentur
verwendet man dafür gerne den Namen
„Converged Media“. Österreich habe hier
­sicher Aufholbedarf, international sei man
schon viel weiter, das „Ridebook“ von
­Harley-Davidson oder Cokes Klassiker
„Content 2020“ – eine unterhaltsame Zusammenfassung der Content-Strategie – seien
gute Beispiele dafür. Wir resümieren also:
Content ist immer noch King, auch wenn
sich die Geister bei den Begrifflichkeiten
mancherorts scheiden. Auch Christian
Krpoun, Managing Partner von currycom
­communications, betont die Wichtigkeit des
Geschichtenerzählens. „Wir wachsen mit
Geschichten auf, sie prägen unser intellektuelles oder auch kulturelles Verständnis
­sowie unsere Erlebniswelten. currycom hat
bei der Wiedereinführung der Marke Puch
in Österreich nahezu ausschließlich auf
­Storytelling gesetzt und wurde dafür heuer
mit dem Best PRactice Award in Silber
­ausgezeichnet“, so Krpoun. Aber Content
Marketing ist auch für ihn bloß eine andere
Beschreibung für etwas, das schon lange
passiert.
Authentizität und Glaubwürdigkeit
Bei der ganzen Diskussion um neue Disziplinen und Termini sollte man die Basis nicht
aus den Augen verlieren, und die ist für
­Michael Obermeyr, Geschäftsführer Reichl
und Partner PR, schlichtweg Vertrauen. Er
zeigt sich nachdenklich ob der Entwicklungen in den letzten Jahren und appelliert an
die Branche: „Das, was PR bewirken kann,
nämlich nachhaltig Vertrauen aufzubauen,
wurde von unterschiedlichsten Seiten in
den letzten Jahren mit Füßen getreten,
­Vertrauensgrundlagen wurden zerstört. Es
bedarf eines solidarischen Kraftaktes, die
Gesellschaft an sich muss am Wiederaufbau
des Vertrauens arbeiten. Und die Strukturen,
die diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten und
des Hochmutes begünstigt haben, gehören
beseitigt.“
60
3
Rosam Change
Communications
Change ist Hauptthema
Honorarumsatz 2012:
3,820 Mio. 
Auch dieses Jahr landet Rosam Change Communications auf dem
dritten Platz. Die Agentur mit zwölf Mitarbeitern setzt nach wie vor auf das,
was der Agenturname verrät. „Wir haben vor zehn Jahren Change Communication in Österreich als erste Agentur eingeführt. Heute hat das jede Agentur in ihrem Portfolio. Change ist nach wie vor unser Hauptthema, im Sinne
von strategischer Kommunikationsberatung.“ Derzeit werden rund 25 Kunden
strategisch betreut. Neukunden wurden der größte IT-Dienstleister Europas,
Atos, sowie die Handelshäuser bauMax und kika/Leiner.
Wolfgang Rosam, geschäftsführender Gesellschafter, beschreibt das letzte
Jahr als „durchwachsen“. Dank Hochegger und Co. sei das Lobbying zusammengebrochen und die strategische Beratung angewachsen. „Am Ende
­hatten wir zehn Prozent weniger Honorar als im Jahr davor.“ Preise und
Auszeichnungen sind für Rosam kein Thema mehr. „Nachdem ich schon vor
vielen Jahren dreimal den PR-Staatspreis gewonnen habe, überlasse ich das
Feld für Preise und Auszeichnungen Jüngeren.“
Bestseller 5|6 2013
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S
Besteller-PR-Agentur-Ranking 2012
Geschäftsfelder
Angaben in Prozent
Rang
Agentur
’12 ’11
Honorarumsatz in Mio. Euro Veränderung
2012
2011
in %
Mitarbeiter
Kunden
fixe/freie
1
1 Grayling Austria
7,285
7,625
-- 4 %
45/0
50
10 10
5
10
5
5
5
10 10
5
5
10 10
2
2 Ecker & Partner 1
5,152
5,697
--10 %
38/0
70
27 10
0
7
0
3
7
0
20
0
3
3 102 103
3
3 Rosam Change Communications4
3,820
4,201
-- 9 %
12/0
25
20
0
0
20
0
0
0
0
20
0
0
0
0 405
4
4 ikp PR und Lobbying
3,432
3,243
+6 %
36/4
55
15 20
5
5
5
0
0
5
10 15
5
5
10
5
5 The Skills Group
2,603
2,452
+6 %
16/2
31
20 20 10
5
5
5
5
0
15
5
0
0
10
0
•
6
6 currycom communications
1,940
1,914
+1 %
30/20
30
20 15 10
3
5
0
15
7
5
10
0
0
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0
•
7
– asoluto public + interactive relations
1,696
–
--
21/0
30
20 15
0
5
5
0
10
0
10
5
0
10 20
0
•
8
9 Kobza Integra PR
1,404
1,380
+2 %
10/2
15
20 25
5
0
0
0
10
3
10 20
2 2,5 2,5 0
9
7 Public Interest Consultants6
1,265
1,718
-- 26 %
6/1
13
0
0 100 0
0
0
0
0
0
10 11 Unique PR
1,175
1,065
+ 10 %
12/2
20
20 20
5
20
0
0
10
0
20
0
0
11 12 Reichl und Partner PR
1,009
1,004
+1 %
11/0
40
30
0
0
0
20
0
0
10
0
0
0
12 – Milestones in Communication
0,995
–
--
15/0
40
0
30 10
0
0
0
0
10
0
10
0
10 30
0
0
10 10
0
15 10
0
5
0
0
0
0
0
0
0
0
0
5
0
0
0 507
13 10 alphaaffairs
0,989
1,145
--14 %
14/7
21
10 15 10
0
5
0
15 10 15
0,900
0,982
-- 8 %
12/0
30
15 25
5
0
0
5
20
15 16 Himmelhoch
0,735
0,609
+ 21 %
11/3
25
20 30
5
0
0
5
10
5
5
5
5
5
5
0
16 18 loebell & nordberg
0,644
0,520
+ 24 %
6/2
16
20 20 20
0
0
0
15
0
15
0
0
5
5
0
17 17 Gassner & Hluma Communications
0,605
0,554
+9 %
6/1
10
10 40 10
0
0
0
0
0
0
25
0
10
5
0
0
18 – themata|kommunikation
0,480
–
--
4/1
14
10 20
5
0
15
0
20
5
0
0
10 10
5
0
19 20 mayway Werbung & PR
0,494
0,500
--1 %
7/0
9
0
0
0
0
0
0
0
0
0
95
0
0
0
20 22 Bauer PR
0,441
0,422
+5 %
4/1
6
0
50
0
0
0
0
0
0
50
0
0
0
0
0
21 – Radix Pure
0,435
–
--
5/0
8
20 20
5
0
0
0
0
0
30 10
0
0
15
0
22 23 PR Plus
0,432
0,409
+6 %
9/1
15
0
80
2
0
0
0
10
0
0
0
8
0
0
23 26 PR für Markenwachstum
0,426
0,350
+ 22 %
5/0
20
35 30
5
0
0
0
5
5
5
5
0
5
5
0
24 21 Pzwei. Pressearbeit
0,424
0,450
-- 6 %
7/1
35
0
60 15
0
0
0
5
0
0
20
0
0
0
0
0
0
25 19 comm:unications
0,402
0,507
-- 21 %
5/4
11
20 30 25
0
5
0
0
0
10
0
0
0
5
5
26 24 Conclusio PR
0,353
0,404
--13 %
8/0
20
25 25 30
5
0
0
0
0
5
5
0
3
2
0
27 27 Melzer PR Group
0,324
0,307
+6 %
4/13
13
50
10 10
0
0
20
0
0
10
0
0
0
0
0
28 25 Sery* Creative Communications
0,284
0,352
--19 %
1,5/1
10
25 15
0
0
0
0
0
0
10 35
0
0
15
0
29 28 Public Health PR
0,255
0,222
+ 15 %
3/3
13
15 30 25
0
0
0
15
0
5
0
0
5
5
0
20 20 20
0
0
0
5
0
5
0
5
5
20
0
0
0
0
0
10
0
10
0
0
0
10
0
30 – BrandensteinCom
0,165
–
--
2/3
7
31 29 comm·in PR
0,149
0,145
+3 %
0/3
k. A.
01Grayling Austria GmbH
www.grayling.at, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung Grayling International
Geschäftsführung Sepp Tschernutter (CEO), Sigrid Krupica (Managing Director), Bernhard Hudik
­(Managing Director)
Eigentümerverhältnisse 91,5 % Grayling International, 8,5 % CMC AG
Aktuelle Referenzkunden A1, A.T. Kearney, AMS Österreich, aspern Die Seestadt Wiens, Austrian
­Development Agency, Coca-Cola, Costa Kreuzfahrten, Deloitte, Doka, Dr. Hauschka, Emirates, FMMI
(Fachverband Maschinen & Metallwaren Industrie), ITS Billa Reisen/Jahn Reisen, Kapsch Group,
­Kattus, klima:aktiv mobil, Lanxess, Land Rover, Mondelēz (vorm. Kraft Foods), Nokia, OMV,
­Oesterreichs Energie, Österreichische Bundesforste, PayLife Bank, Quality Austria, Reckitt Benckiser,
Spotify, Telekom Austria Group und Xing
Umsatzbestätigung Heller Consult Tax and Business Solutions GmbH, Wien
02Ecker & Partner Öffentlichkeitsarbeit und Public Affairs GmbH
www.eup.at, [email protected]
Ist mit 30 % an der Leading Advisors Group beteiligt
Social Media: über die Tochterfirma Digital Affairs
3
Sonstige Geschäftsfelder: Litigation PR
1
2
62
60 10
•
0
14 13 wiko wirtschaftskommunikation
0
•
•
•
Internationale Network-Anbindung Burson-Marsteller
Geschäftsführung Nicole Bäck-Knapp, Dietmar Ecker, Axel Zuschmann
Eigentümerverhältnisse 25 % Dietmar Ecker, 50 % Dietmar Ecker GmbH, 12,5 % Bäck Beteiligungs
GmbH, 12,5 % Axel Zuschmann GmbH
Aktuelle Referenzkunden card complete, EMC, Fujitsu Technology Solutions, Hervis, Hipp, Immo­
finanz, Konzerthaus, Lyoness, Media-Saturn, oekostrom, Parship, Remax, Tchibo Eduscho, Sony,
Verband der Brauereien Österreichs, Wiener Linien
Umsatzbestätigung Casapicola & Gross Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Wien
03Rosam Change Communications GmbH
www.rosam.at, [email protected]
Ist mit 36 % an der Leading Advisors Group beteiligt
Sonstige Geschäftsfelder: Change Communications
Geschäftsführung Wolfgang Rosam
Eigentümerverhältnisse 100 % Wolfgang Rosam Privatstiftung
Aktuelle Referenzkunden Erste Bank, Wiener Städtische Versicherung, Hofer KG, Signa Holding, Porr,
KPMG, Waagner Biro, kika/Leiner, bauMax, Atos, S-Versicherung, Donau Versicherung, Wirtschaftskammer Wien
Umsatzbestätigung Casapicola & Gross Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Wien
4
5
Bestseller 5|6 2013
04 ikp PR und Lobbying GmbH (Wien, Salzburg, Vorarlberg)
­ ocial Media in Zusammenarbeit mit Agentur Liechtenecker, Mobilitätsagentur Wien (KampagnenS
konzept „RadJahr 2013“), Unilever/Dove (PR), J. Faber GmbH (Marken Piaggio, Vespa, Moto Guzzi,
Derbi, G
­ ilera, PR), Vienna Marriott Hotel (PR), CNH Österreich/Steyr Traktoren (Kommunikations­
beratung und PR), Jägermeister (PR), Lavazza (PR), Kellogg (PR)
Umsatzbestätigung G & W Steuerberatungs GmbH, Wien
www.ikp.at, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung Porter Novelli
Geschäftsführung Peter Hörschinger, Andreas Windischbauer, Susanne Hudelist, Maria Wedenig,
Martin Dechant
Eigentümerverhältnisse Peter Hörschinger, Andreas Windischbauer, Susanne Hudelist, Maria
­Wedenig, Martin Dechant
Aktuelle Referenzkunden Wien: ACP, Bosch AG, Borealis, BNP Paribas IP, Croma-Pharma, Darbo,
McArthurGlen Designer Outlets Parndorf & Salzburg, Ernst & Young, fit2work, Gas Connect, Google,
Hewlett-Packard, Libro, SCA Hygiene Products, Senecura, Stihl, tele2, Wr. Gebietskrankenkasse
Salzburg: AkzoNobel, Bank Austria, Bosch Mahle, coffee2watch, direktanlage, DSWV – Dach­
verband Salzburger Wasserversorger, Eurogast, Kiefel, Leube, Lidl, Porsche Bank, Schoellerbank,
Skoda, Schweighofer Fiber, Viking, Windhager Vorarlberg: Caritas, FH Vorarlberg, Getzner Werkstoffe,
GIKO Verpackungen, Häusle, Land Vorarlberg, Loacker Recycling, Meusburger, Netz für Kinder,
Schetteregg, Stiftung Maria Ebene, Qualiant, Vorarlberger Skiverband, Wirtschaftskammer Vorarlberg – Sparte Handel
Umsatzbestätigung Dr. Beisteiner Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H., Salzburg
Beatrice Verdino, Robert Bauer, Andreas Freitag
Aktuelle Referenzkunden AEG, AOP Orphan, ARA, Fundermax, MasterCard, Montana Erdgas, Merck,
Nestlé OptiFibre, Novo Nordisk, paysafecard, Umweltinitiative „Reinwerfen statt Wegwerfen“, Raiffeisen
evolution, S Immo, Schloss Schönbrunn, Schweighofer Prize, tobaccoland, Uniqa, Waagner Biro
Umsatzbestätigung RSM Walter, Zeinler & Partner Steuerberatung GmbH, Wien
08Kobza Integra Public Relations GmbH
www.kobzaintegra.at, [email protected]
Geschäftsführung Beatrix Skias, Rudolf Kobza
Eigentümerverhältnisse 100 % Kobza Media
Aktuelle Referenzkunden Samsung, Bau!Massiv!, Alu König Stahl, Nordsee, Kotanyi, Michael Page Int.
www.skills.at, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung Fleishman-Hillard International Communications
Geschäftsführung Jürgen H. Gangoly, Edward Strasser
Eigentümerverhältnisse 31,67 % Stefan Bachleitner, 31,67 % Jürgen H. Gangoly, 26,66 % Edward
(Austria) GmbH, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), Austromed, D
­ igitale
Mediensysteme (DMS), Pensionsversicherungsanstalt (PVA)
Umsatzbestätigung ECL Wirtschaftsprüfung- und Steuerberatung GmbH, Wien
Strasser, 10 % Jörg Wollmann
Aktuelle Referenzkunden AK, American Express, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, B&C
Gruppe, Bank Gutmann, Beck, Krist, Bubits & Partner Rechtsanwälte, bluemonkeys, chegg.net,
­Cisco, Coface, CSC, eBay, Fachverband der Pensionskassen, Gewerkschaft der Gemeindebediens­
teten, Heid Schiefer Rechtsanwälte, Hoval Österreich, Internet Ombudsmann, Kunst hat Recht, Mars
­Austria, Miba, Müller Transporte, MuseumsQuartier Wien, ÖIAT, Parlamentsdirektion, Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, Roland Berger, Stroh, Therme Wien, Vinzenz Gruppe, Wirtschaftskammer Österreich/e-Center, Yakult
Umsatzbestätigung Consultax Steuerberatungs GmbH, Wien
06
www.asoluto.com, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung 27 & More
Geschäftsführung Brigitte Mühlbauer, Martin Verdino
Eigentümerverhältnisse Im Eigentum der fünf Managing Partners Brigitte Mühlbauer, Martin Verdino,
currycom communications GmbH
www.currycom.com, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung Edelman
Geschäftsführung Karin Luise Stasny, Christian W. Krpoun
Eigentümerverhältnisse Management Team
Aktuelle Referenzkunden McDonald’s Österreich (PR), Merkur (Corporate & Brand PR), klima:aktiv,
www.publicinterest.cc, [email protected]
Ist mit 10 % an der Leading Advisors Group beteiligt
Geschäftsführung Gregor Schönstein
Eigentümerverhältnisse seit Oktober 2012 100 % Schönstein Strategie Communications GmbH
Umsatzbestätigung Gerold Müller Wirtschaftstreuhand GmbH, Wien
6
10Unique Public Relations GmbH
www.unique-relations.at, [email protected]
Internationale Network-Anbindung Hill+Knowlton Strategies
Geschäftsführung Josef Kalina, Michael Kochwalter
Eigentümerverhältnisse 75 % Josef Kalina, 25 % Unique Werbe GmbH
Aktuelle Referenzkunden BMASK, Austro Control, CAT, Danube Day, DDr. Wagner, Easy Drivers,
­E-Control, Energie Burgenland, Haus der Barmherzigkeit, Interseroh, Klimafonds, MedUni, Mörbisch,
ZipCar
Umsatzbestätigung IST International Tax Service, Wien
staubiges antiqueweiss
die Klimaschutzinitiative des Lebensministeriums (PR), Iglo (PR-Betreuung, digitaler Auftritt inkl.
09Public Interest Consultants GmbH
samtiges purpur
05
The Skills Group GmbH
07asoluto public + interactive relations
„Wer aufhört,
besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.
Marie von Ebner-Eschenbach
www.facebook.com/eckerundpartner | www.eup.at
11Reichl und Partner PR GmbH
www.reichlundpartner.at, [email protected]
Sonstige Geschäftsfelder: Marken-PR
Internationale Network-Anbindung ICOM
Geschäftsführung Michael Obermeyr Eigentümerverhältnisse Rainer Reichl, Michael Obermeyr
Aktuelle Referenzkunden Kärcher, Otto, Universal, Quelle, Pez, Dan Küchen, Gmundner Keramik, Maximarkt, Pan & Co, Doppler Mineralöle
Umsatzbestätigung Finanz Kraft Wirtschaftstreuhand, Linz
7
Nicht lesen.
Hingehen!
12Milestones in Communication PRA GmbH
www.minc.at, [email protected]
Geschäftsführung Werner Beninger Eigentümerverhältnisse 100 % Werner Beninger
Aktuelle Referenzkunden AMAG, A1 Telekom, Bawag P.S.K., Bundeswettbewerbsbehörde, Energie AG, Asamer Gruppe
Umsatzbestätigung Mag. Christian Walla, St. Pölten
13Alpha Affairs Kommunikationsberatung GmbH
www.alphaaffairs.at, [email protected]
Internationale Network-Anbindung Weber Shandwick International, Golin Harris
Geschäftsführung Christoph Mahdalik (CEO), Florian Faber (Managing Director)
Eigentümerverhältnisse 76 % Interpublic Group (IPG), 24 % Christoph Mahdalik
Aktuelle Referenzkunden Spar Österreich, Nespresso Österreich, Nestlé Cerealien, ARGE Gentechnik-frei, Verein Donau Soja, Toni’s Frei-
landeier, Lebensministerium („Lebensmittel sind kostbar!“), Walt Disney Studios Home Entertainment, Fonds der Wiener Kaufmannschaft,
PartyLite, kika, Ringstraßen-Gallerien, Q19, Wien Mitte – The Mall, CA Immo, Soravia Group, Prinzhorn Holding, EVN, Fernwärme Wien
Umsatzbestätigung ECL Wirtschaftsprüfung- und Steuerberatungs GmbH, Wien
14 wiko wirtschaftskommunikation GmbH
20
#
ÖSTERREICHISCHE
MEDIENTAGE
Medien, Politik & Demokratie
– Ein Widerspruch?
www.wiko.cc, [email protected]
Internationale Network-Anbindung CEEPR-net
Geschäftsführung Ulrich Müller, Dieter Bitschnau Eigentümerverhältnisse 50 % Ulrich Müller, 50 % Dieter Bitschnau
Aktuelle Referenzkunden SVA, Infra Project Development, Wienerberger, evolution:m
Umsatzbestätigung Prodinger Steuerberatung, Innsbruck
15Himmelhoch GmbH
www.himmelhoch.at, [email protected]
Geschäftsführung Eva Mandl Eigentümerverhältnisse 100 % Eva Mandl
Aktuelle Referenzkunden Dialog Marketing Verband Österreich, OMV, UPC Austria, Finanz Marketing Verband Österreich, Spitz, Bundes-
rechenzentrum, Cardbox Packaging, Verband Österr. Beton- und Fertigteilwerke, Secure Payment Technologies, Interseroh Austria,
­Ionit Wandcreme, digitaldruck.at, twyn group IT solutions & marketing services, Jura Österreich, co2 Werbe- und Designagentur,
Harry Lucas – psychologische Illusionen, IVG Immobilien, JWT Wien, Menschen im Vertrieb, Sciotec Diagnostic Technologies, Trinergy,
toetschinger group, Fit am Mac, Lichtenegger Interior
Umsatzbestätigung taxservices 4you Steuerberatungs GmbH, Wien
16 loebell & nordberg gmbh,
Strategische Kommunikation und Medienkonzepte
www.loebellnordberg.com, [email protected]
Geschäftsführung Annabell Loebell, Grazia Nordberg
Eigentümerverhältnisse 50 % Annabell Loebell, 50 % Grazia Nordberg
Aktuelle Referenzkunden Amicis – Lifestyle Boutiquen, Cineplexx, Donau Zentrum, DDr. Reistenhofer, Dr. Jörg Knabl, Fabios, Freshfields
Bruckhaus Deringer, Huber&Lerner, Humanomed Group, MAM Babyartikel GmbH, Moser Medical Group, Roche Bobois, SCS, UnibailRodamco, Wunderman PXP, yamyam event production
Umsatzbestätigung IWPS Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Wien
17Gassner & Hluma Communications
www.gh-pr.at, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Geschäftsführung Susanne Gassner, Manfred Hluma Eigentümerverhältnisse 50 % Susanne Gassner, 50 % Manfred Hluma
Aktuelle Referenzkunden checkfelix.com, Kollers Hotel, Nassfeld, Weissensee und Lesachtal, Millstätter See Tourismus, Österreich
­Werbung, TRV Hochsteiermark, Roter Hahn, Österr. Aeroclub
Umsatzbestätigung Glocknitzer Hollenthoner Steuerberatung GmbH & Co KG, Wien
18 themata/kommunikation GmbH
www.themeta.at, [email protected]
Geschäftsführung Gertraud Auinger-Oberzaucher
Eigentümerverhältnisse 100 % Gertraud Auinger-Oberzaucher
Aktuelle Referenzkunden adidas Eyewear, Hotel Bristol, Hotel Astoria Relax & Spa, CBRE, Sacher Gruppe, Salamander, Silhouette,
Schella Kann, Schöffel, Vitra, Vöslauer, Legero Schuhfabrik, Procter & Gamble, Schiedel, Romy Gala, Fête Impériale, Festival for ­Fashion
and Photography Wirtschaftskammer Niederösterreich
Umsatzbestätigung Writzmann & Partner Steuerberatungs GmbH, Baden
19 mayway Werbung & PR GmbH
www.mayway.at, [email protected]
Geschäftsführung Wolfgang May, Gabriela May Eigentümerverhältnisse 100 % Wolfgang May
Aktuelle Referenzkunden EVN AG
Umsatzbestätigung Höchtl & Partner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, St. Pölten
20Bauer PR GmbH
24.–26. SEPTEMBER 2013
# ömt
Der offizielle Twitter-Hashtag der
Österreichischen Medientage
www.viktorbauer.com, [email protected]
Internationale Network-Anbindung PR World Alliance
Geschäftsführung Viktor Bauer Eigentümerverhältnisse 100 % Viktor Bauer
Aktuelle Referenzkunden Bank Austria, Raiffeisen Landesbank NÖ Wien, Raiffeisen Centrobank, List Group, Österr. Schuhwirtschaft,
­dayli Gruppe
Umsatzbestätigung Taxcoach Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Wien
21Radix Pure
www.radix-group.com/pure, [email protected]
Internationale Network-Anbindung PRN (Public Relations Network)
Geschäftsführung Alexander Tichy, Christian C. Waldheim Eigentümerverhältnisse 50 % Alexander Tichy, 50 % Christian C. Waldheim
Aktuelle Referenzkunden DPD Austria, WISAG Service Holding Austria, HVS GmbH, Kwizda Agro, Schönherr Rechtsanwälte,
GTW Management Consulting
Umsatzbestätigung Wirtschaftstreuhänder Mag. Dieter Schneider, Wien
Bestseller 5|6 2013
22PR Plus GmbH
www.prplus.at, [email protected]
Geschäftsführung Charlotte Ludwig
Eigentümerverhältnisse 100 % Charlotte Ludwig
Aktuelle Referenzkunden Krainerhütte, Energy for Life, Alpenregion NP Gesäuse
Umsatzbestätigung Dr. Gerd Eder Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsges.m.b.H., Wien
23PR für Markenwachstum GmbH
www.createam.at, [email protected]
Geschäftsführung Hans Reifetzhammer, Erwin Schmölzer, Barbara Hartl
Eigentümerverhältnisse Hans Reifetzhammer, Erwin Schmölzer
Aktuelle Referenzkunden Freistädter Bier, Hansaton, Happy Foto, Kreuzschwestern Europa
Mitte/Provinz OÖ, Josko, Reiter Betten & Vorhänge, Thalia
Umsatzbestätigung Alfred Fenzl Wirtschaftstreuhänder Steuerberater, Linz
24Pzwei. Pressearbeit.
www.pzwei.at, [email protected]
Geschäftsführung Wolfgang Pendl
Eigentümerverhältnisse 100 % Wolfgang Pendl
Aktuelle Referenzkunden Bregenzer Festspiele, Festspielhaus Bregenz, Raiffeisenlandesbank
­ orarlberg, Vorarlberg Tourismus, Baumschlager Hutter Partners, i+R Schertler-Alge, Symphonie­
V
orchester Vorarlberg, domainfactory GmbH
Umsatzbestätigung Lenz, Bereuter, Gehrer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgmbh & Co KG,
Dornbirn
25
comm:unications Agentur für PR, Events & Marketing
www.communications.co.at, [email protected]
Mitglied PR Quality Austria
Internationale Network-Anbindung PROI – Public Relations org.int
Geschäftsführung Sabine Pöhacker
Eigentümerverhältnisse 100 % Sabine Pöhacker
Aktuelle Referenzkunden Alstom Austria – Int. Konzern im Energie- und Transportbereich, Austrian
Standards Institute – Normen und Regelwerke, Illy Caffè, IVS Wien – Interessensvertretung sozialer
Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung, Komitee „Justice for Inara”, World
­Public Forum – Dialogue of Civilizations, World of coffee – Messe „Wonderful world of coffee“
Umsatzbestätigung Dkfm. Dr. Franz Klein Wirtschaftsprüfer & Steuerberater, Wien
26Conclusio PR Beratungs GmbH
www.conclusio.at, [email protected]
Geschäftsführung Martin Novak
Eigentümerverhältnisse Mehrheitsgesellschafter Martin und Jasmin Novak
Aktuelle Referenzkunden Antidiskriminierungsstelle Steiermark, Neuroth AG
Umsatzbestätigung BDO Graz GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Graz
27Melzer PR Group
www.melzer-pr.com, [email protected]
Geschäftsführung Rudolf Melzer
Eigentümerverhältnisse 100 % Rudolf Melzer
Aktuelle Referenzkunden AGRE Kompressoren, Bau & Boden Immobilien, Bauer Group, Braun Locken-
haus, Brenntag CEE, Capgemini Consulting Österreich, CBRE Gobal Investors, Ebmatex AG, Fraunhofer
Austria, Gangl Docking Systems, NTT Data Österreich, Software AG, ZV Spedition & Logistik
Umsatzbestätigung Bilanzwerkstatt Ursula Seigfried, Wien
28Sery* Creative Communications
www.sery.com, [email protected]
Internationale Network-Anbindung EU Russian Brand Alliance (Gründer)
Geschäftsführung Angelika Sery-Froschauer, Manfred Froschauer
Eigentümerverhältnisse 67 % Angelika Sery-Froschauer, 33 % Manfred Froschauer
Aktuelle Referenzkunden abatec Group AG, St. Barbara Friedhof/Gottesackerstiftung, Stift Schlägl,
Hartheim Institut, Kneipp Tradition, GWP OÖ, Raiffeisen Landesbank OÖ, Wozabal
Umsatzbestätigung Mag. Andreas Wimmer Steuerberatung, Linz
29Public Health PR Projekt GmbH
www.publichealth.at, [email protected]
Internationale Network-Anbindung Chandler Chicco Companies (CCC)
Geschäftsführung Michael Leitner
Eigentümerverhältnisse 51 % Michael Leitner, 44 % Herbert Pachler, 5 % Thomas Braunstorfer
Aktuelle Referenzkunden AbbVie, Almirall, Arcana, AstraZeneca, Genzyme, GSK, Merck, MSD, ÖDG
(Österreichische Diabetes Gesellschaft), Orthomol, Sanofi
Umsatzbestätigung Goldsteiner und Partner Steuerberatungs GmbH, Wr. Neustadt
30BrandensteinCom
www.brandensteincom.at, [email protected]
Internationale Network-Anbindung Shepard Fox
Geschäftsführung Christina Brandenstein
Eigentümerverhältnisse 100 % Christina Brandenstein
Aktuelle Referenzkunden Maresi, Die leichte Muh, Shan’shi, Knabber Nossi, Inzersdorfer, Himmeltau,
Kurier Medienhaus, Ritter Sport, Gebrüder Woerle, Peter Kinauer Motivationstrainer, Beafon, Obi
Bau- und Heimwerkermärkte
Umsatzbestätigung Fischer Steuerberatung, Wien
31comm•in PR • Events • Consulting
www.commin.at, [email protected]
Geschäftsführung Andrea Pfennigbauer
Eigentümerverhältnisse 100 % Andrea Pfennigbauer
Aktuelle Referenzkunden Engel & Völkers, Trenkwalder Int., Svoboda Büromöbel, American Express
Umsatzbestätigung Karl Hausch, Steuerberater, Wien
Raus aus dem Schatten!
Lange Zeit führte die interne Kommunikation ein Stiefkinddasein –
zu Unrecht. Der demokratische Wandel in der Kommunikation
räumt dieser Disziplin gerade den Weg frei in den Olymp.
Text von Lisa Mang
66
Bestseller 5|6 2013
cienpiesnf/Fotolia, ÖBB
„Der Stellenwert der internen
Kommunikation hat sich deutlich
­gesteigert. Das liegt ganz klar
am Management.“ Barbara Tichy, ÖBB
Mitarbeitertalk. Die ÖBB bekommen 3,01
von fünf Punkten, die AUA 3,03 und Spar
kriegt 3,15 Punkte. Wer auf Urlaub fährt,
liest Hotelbewertungen auf HolidayCheck,
wer sich heute für einen Job bewirbt,
schaut sich als Erstes die Bewertungen von
Unternehmen auf Kununu an. Schließlich
will ja niemand in einem Betrieb landen,
der Wasser predigt und Wein trinkt. Auf der
seit 2013 zum Business-Netzwerk Xing
­gehörenden Plattform können Mitarbeiter
anonym ihren Arbeitgeber bewerten. Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern haben
logischerweise die Nase vorn. Doch wie
macht man Mitarbeiter zufrieden? Ein klarer
Auftrag an die interne Kommunikation.
Bisher war es vor allem wichtig, wie sich
ein Unternehmen nach außen präsentiert,
die Mitarbeiterkommunikation meist ein
Anhängsel der PR- oder HR-Abteilung, sozusagen die „kleine Schwester“ der Öffentlichkeitsarbeit. Während die externe Kommunikation über eine Reihe etablierter Kanäle
verfügt, um sich zu präsentieren, ist die
­interne Kommunikation weniger sichtbar
und verfügt über weniger Instrumente der
Messbarkeit. Doch im digitalen Zeitalter
­erfährt auch die Mitarbeiterkommunikation
eine Demokratisierung: Vor allem in großen
Unternehmen rückt eine transparente
­Kommunikationskultur gegenüber den Mitarbeitern vermehrt in den Fokus, moderne
Instru­mente bieten Interaktionsmöglich­
keiten und Erfolgsparameter wie Click Rates,
Zugriffs- oder Kommentarzahlen, um sich
mit der externen Kommunikation auf
Augen­höhe zu messen – im wahrsten Sinne
des Wortes.
Sabine Sikor von VenusCommunications
präsentierte vor Kurzem die Ergebnisse
­ihrer Studie zu den derzeitigen Anforderungen und Rahmenbedingungen der internen
Kommunikationsmanager in Österreichs top
500 Unternehmen, die an der Donau-Universität Krems durchgeführt wurde. Ihr
­Fazit: „Am wichtigsten ist eine Unternehmenskultur, die eine offene Mitarbeiter­
kommunikation fördert. Es bringt gar nichts,
wenn ein Social Intranet installiert wird,
und dann traut sich keiner posten.“
Bottom-up
Eine solche Unternehmenskultur versuchen
die ÖBB seit einigen Jahren zu konstituieren.
Barbara Tichy, Leiterin der Internen Kommunikation: „Früher erfolgte die Mitarbeiterkommunikation bei uns eher top-down,
Das ikp-Kommunikationsplus:
Kommunikation,
die unterscheidet.
ikp hat das Kommunikationsplus:
Beraterinnen und Berater mit Herz, Hirn und
Leidenschaft, vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Branchen, messbare und vielfach
ausgezeichnete Erfolge.
Mehr dazu unter
www.ikp.at
68
„Die Zukunft der internen Kommunikation
liegt in Web-2.0-Elementen im Intranet.“
Viktoria Kiss-Geyer, ÖBf
„Wir sind keine
‚Betriebsjournalisten‘.“
Verena Wegscheider, Spar
und so weiter. Was hier so ein bisschen
nach „no na ned“ klingt, war bis vor einiger
Zeit in manchen Betrieben alles andere als
selbstverständlich: „Die ÖBB sind traditionell ein hierarchisches Unternehmen, es
gibt viele Richtlinien und ein strenges Regel­
werk. In der Mitarbeiterkommunikation
mussten wir den Absolutismus abschaffen
und statt der Vorgabesprache eine dialog­
orientierte Sprache etablieren, die man –
zugespitzt formuliert – auch am Stammtisch versteht“, berichtet Tichy. Für
Kiss-Geyer ist überdies das „Wir-Gefühl“
von entscheidender Bedeutung, weshalb
­interne Kommunikation auf jeden Fall in
der ersten Person Plural zu erfolgen habe.
Propheten
Und dennoch: In puncto Emotionsvermittlung gehe die persönliche Kommunikation
immer noch über alles, meint Barbara Greul,
Director Internal Communications bei Aus­
trian Airlines. „Auf dieser Tonspur lassen
sich Gefühle wie Vertrauen und Stolz viel
besser rüberbringen“, ist sie überzeugt.
Kein leichtes Unterfangen bei einem Unternehmen mit 6.000 Mitarbeitern, von denen
sich die Hälfte in der Luft befindet oder am
Check-in-Schalter sitzt. Aber wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann, muss
eben der Berg zum Propheten kommen, wie
der Volksmund sagt. Der AUA-Vorstand
führt deshalb regelmäßig „Roadshows“
durch, das sind vierteilige Veranstaltungs­
serien für die Mitarbeiter, die jeweils an
­unterschiedlichen Standorten abgehalten
werden, damit alle mal dabei sein können.
Für die einigen Hundert Mitarbeiter im
­Ausland wird die Hauptveranstaltung gefilmt und ins Intranet gestellt. Zwischen
1.500 und 2.000 Zugriffe pro Video seien
ein starker Wirkungsnachweis für den
­Erfolg der Events, ist sich Greul g­ ewiss.
Auch bei der ÖBB fährt im ­Rahmen
der ÖBB Rail Tours das Topmanagement – 100 Führungskräfte bestehend aus Vorständen, Geschäftsführern und Bereichsleitern
– an sogenannten „Mitarbeitertagen“ in die Regionen und
Bestseller 5|6 2013
Sabine-Hauswirth, spar, öbf, Austrian Airlines
Wegscheider betont: „Wir sind aber keine
aber seit drei bis vier Jahren hat sich der
Stellenwert der ‚internen‘ deutlich gesteigert. ‚Betriebsjournalisten‘, sondern steuern und
bewerten die Themen als KommunikationsDas liegt ganz klar am Management.“ Nun
manager und setzen sie in einen Kontext.“
sei die Abteilung Interne Kommunikation
keine befehlsausführende „Schreibwerkstatt“ Dass die interne Kommunikation bei Spar
mehr, sondern habe vielmehr eine beratende, eine lange Tradition hat, zeigt auch die
­Tatsache, dass die Publikation seit 1973 erservicierende Funktion. Das bis dahin eher
scheint (dieser Tage rollt die 200. Ausgabe
statische Intranet funktioniere seit 2011 in
vom Stapel). Eine zweite Möglichkeit, wirkDialogform mit einer Feedback-Funktion:
lich alle Spar-Mitarbeiter zu erreichen, ist
Mitarbeiter können auf Informationen mit
übrigens ebenfalls Gedrucktes: per Beilage
Postings oder Bewertungen ohne vorherige
Freigabe direkt reagieren. Der Vorstand wie- zum Lohnzettel kann der Konzern wichtige
Informationen an seine Mitarbeiter bringen.
derum antwortet auf das Mitarbeiter-Feedback zum Beispiel mit einer Videobotschaft.
Alle unterwegs
Seit Einführung des neuen Intranet hätten
Ganz ohne elektronische Medien geht’s
sich die Kommentare bereits verdoppelt, erzählt Tichy stolz – obwohl die Beiträge unter aber dann doch nicht – immerhin ist die
schnelle Verfügbarkeit von Informationen
Klarnamen veröffentlicht werden. Aber
kommen da auch kritische Rückmeldungen, ein unschlagbarer Vorteil. Aber was bringt’s,
wenn der Großteil der Mitarbeiter nicht daroder bringen sich die Mitarbeiter hier für
auf zugreifen kann? Davon kann Viktoria
die nächste Beförderungswelle in Stellung?
Kiss-Geyer, verantwortlich für die interne
„Wir haben zum Glück sehr selbstbewusste
Kommunikation der Österreichische BundesMitarbeiter, die sich auch engagiert mitteilen“, stellt ÖBB-Kommunikationschefin Kris- forste AG, ein Lied singen. Die Hälfte der
circa 1.200 Mitarbeiter arbeitet im Wald
tin Hanusch-Linser klar, „die Postings
und hat keinen Zugang zu elektronischer
im Intranet sind daher für das MaKommunikation. Noch werden für diese
nagement ein wirklich wertvoller
Mitarbeiter aktuelle Intranet-Meldungen
Input.“ Grundvoraussetzung sei
natürlich wechselseitiges Vertrau- ausgedruckt und per Post geschickt, doch
in Zukunft will das Unternehmen nach und
en. Einziges Problem ist, dass
nach mobile Endgeräte wie Smartphones
von den insgesamt rund 39.800
und Tablets anschaffen, um das Intranet
ÖBB-Mitarbeitern nur ­circa 21.800
endgültig zum wichtigsten Informations„Wir haben zum Glück sehr selbstbewusste
und Interaktionsmedium zu machen. „Das
Mitarbeiter, die sich auch engagiert mitteilen.“
ist natürlich eine Ressourcenfrage“, räumt
Kristin Hanusch-Linser, ÖBB
Kiss-Geyer ein. Sie träumt von MitarbeiterBlogs, User-generated Content, Wikis, LikeButtons und anderen Web-2.0-Elementen,
Zugang zum Intranet haben – Zugbegleiter
die ins Intranet einfließen könnten.
oder Werkstattmitarbeiter können über
­diesen Kanal nur schwer erreicht werden.
Alle anders
Dabei ist die Frage der MitarbeiterkontaktAlle da?
punkte nicht die einzige, auf die die interne
Die Erreichbarkeit aller Mitarbeiter ist für
Kommunikation eine kreative Antwort
die meisten internen Kommunikations­
manager ein zentrales Thema. Von den etwa ­finden muss. Auch die Heterogenität der
40.000 Mitarbeitern bei Spar Österreich zum Zielgruppe ist eine Herausforderung. Wie
spricht man vom Gleisarbeiter bis zum
Beispiel verfügen laut Verena Wegscheider,
­Manager, vom Regalschlichter im SuperKommunikationsmanagerin Konzernale PR
und Information bei Spar, nur 15 bis 20 Pro- markt bis zur IT-Fachkraft mit akademischem Abschluss, vom Holzfäller bis zum
zent über einen Computerarbeitsplatz – der
Revierleiter alle Mitarbeiter an? Da werden
Großteil arbeitet im Supermarkt, im Lager,
natürlich die üblichen Adjektive
als Fleischer oder Lkw-Fahrer. Flaggschiff
ins Treffen geführt: Die Sprache
der internen Kommunikation bei Spar ist
in der Mitar­beiterkommuni­
daher die Mitarbeiterzeitung, die sich der
kation müsse einfach, klar,
Konzern ordentlich was kosten lässt: Ein
verständlich sein, außerdem
siebenköpfiges Redaktionsteam gestaltet
glaubhaft, ­authentisch,
das zweimonatliche Magazin, das an alle
wertschätzend, empathisch
Mitarbeiter nach Hause geschickt wird.
„Am besten drücken interne und externe
Kommunikation gleich­zeitig aufs Knöpfchen,
wenn eine Information rausgelassen wird.“
Barbara Greul, AUA
als wenn Mitarbeiter brisante
Neuigkeiten über ihren Arbeit­
geber aus der Zeitung e­ rfahren.
Auch Sikor konnte in ihrer Stu­
die nachweisen: Der größte Stör­
faktor in der ­internen Kommunikation sind
Mitarbeitergerüchte. Deshalb muss Mitar­
beiterkommunikation vor allem zeitnah er­
folgen, im Ideal­fall sogar, bevor die breite
Öffentlichkeit informiert wird. Egal ob es
sich um ein Zugunglück, eine Hausdurchsu­
In der Krise
chung durch die Bundeswettbewerbsbehör­
Vor allem in Krisensituationen müsse der
Vorstand auch physisch präsent sein, erklärt de, eine Naturkatastrophe oder die Betriebs­
überführung zu Tyrolean handelt. Doch, frei
Greul: „Am besten drücken interne und
nach Ingeborg Bachmann gefragt: Wie viel
­externe Kommunikation gleichzeitig aufs
Wahrheit ist den Mitarbeitern zumutbar?
Knöpfchen, wenn eine Information raus­
Einstimmige Antwort: So viel wie möglich!
gelassen wird – sofort danach muss eine
­Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter „Man kann den Mitarbeitern alles sagen, so­
lange man es nachvollziehbar erklärt“, sagt
angeboten werden!“ Nichts ist schlimmer,
­ esucht die Mitarbeiter an
b
­ihrem Arbeitsplatz. Dieser
­persönliche Kontakt müsste
noch forciert werden, wünscht sich
Tichy, was nicht unbedingt an man­
gelnden Ressourcen scheitere, sondern an
der noch sehr notwendigen Überzeugungs­
arbeit. Ein paar interne Mauern gibt es also
doch noch niederzureißen.
Tichy, und Greul setzt nach: „Auch unpo­
puläre Maßnahmen müssen kommuniziert
werden – wichtig ist, dass die Mitarbeiter
verstehen, warum gewisse Dinge notwendig
sind, warum eine Strategie so oder so
­gefahren wird.“
Genderstudies
Und wo wir schon mal dabei sind, die
Wahrheit auf den Tisch zu bringen: Jetzt,
wo sich die interne Kommunikation durch
einen neuen Stellenwert auszeichnet und
permanente Eigen-PR gegenüber den eige­
nen Reihen der Vergangenheit angehört,
jetzt, wo auch die interne Kommunikation
Ansehen genießt, wird dieser Beruf viel­
leicht auch mehr Männer anziehen können.
Einstweilen: Danke an alle Interview­­part­
nerinnen. Ohne Binnen-I.
SIE SEHEN DA KEINE GRENZE?
Wir auch nicht.
Starke Präsenz in klassischen und digitalen
Medien braucht gemeinsame Strategien und
Lösungen. asoluto nutzt bewährte Kommunikationskanäle – und schafft neue. Unser
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entwickelt Plattformen, damit Themen und
Anliegen in allen Medienwelten ihre ganze
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IMAGNO brandstätter imgages
Nestroy als Vorbild für die Eventbranche, um im Lumpazivagabundus-Stil die Compliance-„Zensur“
zu umgehen? Nicht alle wollen das Gesetz im Stile einer Posse beugen. Der Markt sieht derzeit auch
viele ernsthafte Bemühungen, das Sponsoring angesichts eines strengen Reglements neu zu erfinden.
70
Bestseller 5|6 2013
Lebendig, begraben
Eigentlich wollten die verschärften A
­ ntikorruptionsbestimmungen
mit dem urösterreichischen Prinzip der Verhaberung aufräumen.
Doch das Nestroy-Land b
­ egegnet einer eigentlich teutonischen
­Knute namens „Compliance“ mit unge­heurer kreativer Kraft.
Ein Psychogramm Österreichs anhand der Eventbranche.
Text von Harald Wolkerstorfer
Füttern verboten. Wenn ältere Kollegen an
den Mittagstischen der diversen österreichischen Verlagshäuser über die sagenumwobenen Pressereisen der einstigen „Verstaatlichten“ schwadronieren, so muss das der
heutigen Freelancer-Generation das Nasse
in die Augen treiben. Und wer von coolen
Kulturtrips nach Tokio hört, bei denen nicht
nur Milch und Honig flossen, fühlt sich unweigerlich in die Gegenwart verbannt. Hier
spinnt nämlich der Proporz immer weniger
seine unsichtbaren Fäden. Transparenz
heißt der Legat der Stunde. Und dieser lässt
Genügsamkeit aufmarschieren.
Das Ende der VIP-Zone
Digitalisiert und gläsern und in der Nacht
ein klapperndes europäisches Skelett
­namens Rezession hörend, dräut für Wirtschaft wie Gesellschaft ein neuer Morgen.
Die Verstaatlichte ist längst begraben und
mit ihr ein Geschäfts- und Kommunikations­
gebaren, das häufig nicht weit von einer
­Bananenrepublik entfernt lag. Mittlerweile
verfügt ein modernes Österreich sogar über
Antikorruptionsbestimmungen, die inter­
nationalen Ansprüchen genügen und auch
das Beziehungsdreieck Wirtschaft-PolitikJournalismus an die Kette legen (siehe
­Kasten Seite 74). Ein rasanter Abfall im
­Korruptionsindex von Transparency Inter­
national machte dies notwendig, denn
­Bestechlichkeit ist Gift für Wirtschaft und
Wachstum. Mit ­offenem Mund steht nun
aber der ­gelernte Österreicher in der strengen K
­ ammer und sieht sich einer unnach­
gie­bigen Domina g­ egenüber, die e­ igentlich
viel besser nach Deutschland p
­ assen würde,
nun aber in Wean und Umgebung ihre
­Peitsche schwingt.
Doch es wäre nicht Österreich, würde es
nicht dieses teutonische Gespenst charmant
umarmen. Nach einer Zeit des Zauderns
und Jammerns in der Eventbranche
­(„kriminalisierte Gastlichkeit“, „Kind mit
dem Bade ausgeschüttet“, „populistische
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Red Bull und T-Mobile
werden lieber selbst
zum Programminhalt,
anstatt in der Werbepause weggezappt zu
werden – Projekte wie
„Stratos“ oder die
­Implementierung des
Telekom-Dienstleisters
in die Eröffnungszeremonie des Life Balls
sind Ausdruck des gegenwärtigen ContentMarketing-Booms.
72
Herr Knieriem lässt bitten
Wenn ein Außenstehender Österreich im
Allgemeinen und Wien im Besonderen verstehen will, sollte er sich mit dem Theaterschaffen Johann Nepomuk Nestroys befassen. Sein im 19. Jahrhundert beheimatetes
Werk gilt als literarischer Höhepunkt des
Altwiener Volkstheaters. Die Nestroy-Stücke
sind gekennzeichnet durch eine derbe
scheinbare Oberflächlichkeit, die doch
­subtil kritisch ist. Die Aufführungen wurden
und werden immer wieder durch Gesangseinlagen unterbrochen. Der Meister selbst
dichtete dabei nur die ersten Strophen, die
weiteren konnten von den jeweiligen Theatermachern je nach Mut selbst ergänzt
­werden. So konnte jeder Abend neu gestaltet
und die schriftliche Zensur im damaligen
Metternich-Staat geschickt umgangen werden. Noch heute zählen diese gesungenen
Querschläger in den Nestroy-Stücken zu
den Lieblingsszenen des Publikums.
Der findige Österreicher ist also von
­alters her nicht um Umgehungsstrategien
missliebiger Situationen verlegen. Aus der
Not heraus geboren, werden dann aus den
Umgehungsstrategien ganz einfach schon
mal „Begegnungsstrategien“. Denke, wie
dein Feind denkt, und falle ihm auf diese
Weise in den Arm. Umgemünzt auf die
­Veranstaltungsbranche heißt das etwa: Es
wird beispielsweise ein Subevent ins Leben
gerufen, für den Eintrittsgeld kassiert wird,
nur damit dann die Teilnahme am eigentlich
interessanten Hauptevent nicht als ­gratis
gilt. Zum Vergleich: Ein deutscher Verlagsriese feuerte einen seiner Manager, weil er
in einem internen Mail übers Verschenken
von Gebrauchselektronik sinnierte. Das war
ein Verstoß gegen die Compliance-Regeln
des Mutterkonzerns und aus, vorbei. So ist
Bestseller 5|6 2013
Wolfgang Voglhuber, Red Bull Stratos
Anlassgesetzgebung“ etc.) sind denn mittlerweile auch Begegnungs- wie Umgehungsstrategien im Markt zu beobachten, wie
Eventveranstalter, Sponsoren, Eingeladene
und Co. mit einem für sie sehr schwierigen
Gesetz umgehen. Denn das Leben und die
Geschäfte gehen ja weiter. Müssen sie.
­mumok stellt Jurykompetenz, Kontakte in
die Kunstszene etc. zur Verfügung. Die
­Lösung ist also ein gemeinsames Projekt
mit begleitenden medialen Maßnahmen.
Neues wie geschmiert
„Man muss ein gemeinsames Baby haben,
Doch beileibe nicht alle in der österreichischen Event- und Sponsoringbranche mäan- die klassischen Packages eins, zwei oder
drei funktionieren nicht mehr“, so Christina
dern mit kostenpflichtigen Subevents durch
Hardegg vom Corporate Sponsoring im
ein engmaschiges Gesetz wie weiland die
­mumok. „Hirnschmalz“ sei derzeit gefragt,
Donau durch Wien. Im mumok beispiels„Produkte müssen angepasst werden“.
weise, im museum moderner kunst im
Dass Sponsorings neu aufgestellt werden
­MuseumsQuartier, hat eine völlig neue
müssen, weil die Einladungspolitik viel
­Strategie Platz gegriffen. Da aufgrund der
schwieriger geworden ist, liegt in der Natur
strengeren Compliance-Regeln „klassische“
der Sache. Denn Sponsoren nehmen ja
­Gegenleistungen für Sponsoren an Wert
­zumeist Geld in die Hand, um einladen zu
­ erloren haben, wird im MuseumsQuartier
v
können. Wo nun der Anpassungsdruck groß
vermehrt über die Bereitstellung von Conist, folgt aber auch ein hoher Innovationstent – etwa in Form von Know-how – geargrad auf dem Fuß. Während im mumok
beitet. Beispiel Henkel Art Award: Das
das Naturell des Österreichers nicht. Mit
a­ llen Vor- und Nachteilen.
schlicht Content in Form von Know-how
e­ ine Form der Gegenleistung an Sponsoren
ist, werden ein paar Meter weiter beim Life
Ball die Gönner aus der Wirtschaft in die
Dramaturgie der Veranstaltung eingebunden.
Beide Formen dieses „Content Sponsoring“
funktionieren über die enge Verzahnung mit
der medialen Berichterstattung über die
Events. So können Sponsoren nämlich auch
noch in Zukunft zufrieden über ihre Marketingergebnisse bilanzieren und dank medialer
Verstärkung auch einen sehr guten Gegenwert verbuchen – ohne den Herrn Amts­
träger XY samt Gattin einladen zu müssen.
Dieses neue Phänomen des Content
Sponsoring ist ein aus der Compliance-Not
heraus geborenes Kind des gegenwärtigen
Content-Marketing-Booms. Darunter ist
Enges Korsett, weiße Weste
Essenz der verschärften Compliance-Regeln
Wenn Amtsträger, Unternehmer oder sonstige Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik aus lauter Jux und Tollerei einem kapitalen Hirsch das Lebens­
licht auslöschen wollen, können sie dies auch in Zukunft tun – sie dürfen sich
nur nicht einladen lassen, sondern müssen selbst dafür bezahlen. Auf diesen
Nenner lässt sich das „Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2012“ bringen,
das mit 1. Jänner dieses Jahres in Kraft trat. Insgesamt kam es durch diese
­Gesetzesnovelle zu einer Verschärfung der Compliance-Rechtslage (= Wohlverhalten). Die verpönte Klimapflege, also das berühmte „Anfüttern“, wurde wieder unter Strafe gestellt und genügt nunmehr internationalen Standards, wie
Kommentatoren mit Branchendistanz betonen. Der neuen Gesetzeslage zufolge
ist jeder Amtsträger strafbar, wenn er – um sich beeinflussen zu lassen – einen
nicht gebührenden Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Um
auf der sicheren Seite zu sein, dürfen Amtsträgern nur geringfügige Zuwendungen gewährt werden (Richtwert: 100 Euro – übrigens nicht im Gesetz genannt).
Mit dieser Grenze können laut Expertenmeinung auch Entscheidungsträger von
rein privaten Unternehmen gut fahren,
denn sie müssen beim Einladen oder
Geschenkemachen das Gesetz ebenfalls beachten. „Bordell-Reisen“ –
­Pardon – darf es also auch bei Privat­
unternehmen nicht mehr geben.
Um die Gefahr einer strafrechtlichen
Verfolgung für den jeweiligen Dienstnehmer und den Vorteilsgeber auszuschließen, empfiehlt es sich, das
­Einverständnis des Dienstgebers bei
Einladungen und sonstigen Vorteilszuwendungen vorweg einzuholen. Von
Unternehmen zu Unternehmen herrschen verschiedene interne Compliance-Richtlinien. Bei T-Mobile etwa
darf der Wert von Geschenken nicht
über 40 Euro liegen, sollten diese zu
Anlässen wie Weihnachten überreicht
werden. Generell müssen alle Geschenke unabhängig vom Wert beim unternehmenseigenen Compliance Officer des Telekom-Konzerns gemeldet werden.
Geschäftsessen unterliegen ebenfalls diesen Kriterien.
zu verstehen, dass jemand selbst zum Programm wird, weil er nicht in den Werbepausen weggezappt werden möchte. Internationales Vorzeigebeispiel ist Red Bull, das
mit seinen Sportteams lieber selber spielt,
als fade an der Werbebande zu kleben: Das
Projekt „Stratos“, also ein Sprung aus einem
Ballon vom Rande des Weltraums, war der
bisherige Höhepunkt dieser Strategie. Einige
sticheln, Red Bull sei mittlerweile zu einem
Medienkonzern mit angeschlossener Getränkeherstellung geworden, gehören doch
auch ServusTV, das Servus-Magazin, Red
Bulletin oder das Seitenblicke Magazin zum
Reich von Dietrich Mateschitz. Red Bull
schafft sich also nicht nur die Inhalte selbst,
sondern auch die Medien an sich.
Trend: Content Sponsoring
Ähnlich verhält es sich beim Content Sponsoring: Hier werden Unternehmensmarken
zum Teil der Handlung gemacht und bekommen so – auch über die Medien – ihre
Sponsoring-Gegenleistung ausbezahlt. Ein
weiterer Vorteil ist, dass etwa das Bereit­
stellen von Know-how (wie das Abhalten
einer Jury) nur sehr schwer in Geldbeträgen
zu quantifizieren ist. Das ist ein Vorteil im
Auch beim ORF regiert mittlerweile ein besonders strenger Compliance-Regelkatalog. Die Mitarbeiter gelten als Amtsträger, weil das Medienunternehmen
vom Rechnungshof geprüft wird. Und so bedürfen Einladungen zu Restaurantbesuchen, Veranstaltungen und Reisen oder die Bereitstellung von Leihgeräten
und Testautos der vorherigen Genehmigung durch die jeweiligen Dienststellenleiter und der Compliance-Abteilung. Geringwertige Aufmerksamkeiten wie
­Kalender, Kugelschreiber oder andere Reklameartikel sind vom Geschenk­
annahmeverbot ausgenommen. Auch Einladungen, die ausschließlich dienst­
lichen Interessen dienen, dürfen erst nach Genehmigung angenommen werden.
Dazu gehören etwa Pressekarten für verschiedene Veranstaltungen. Einladungen zu Veranstaltungen ohne vorherrschenden geschäftlichen Charakter dürfen
ORF-Beschäftigte gar nicht mehr annehmen.
Die Materie ist also durchaus komplex und ist Gegenstand von Schulungen
und Workshops.
74
Bestseller 5|6 2013
Unter­nehmen, da dies die Möglichkeit
Compliance-Zeitalter. Doch bleiben wir
­bietet, ­praxisrelevante Problemstellungen
beim Life Ball, bei dem etwa eine stimmige
zu diskutieren.“
Integration von Sponsoren in die Eröffnungszeremonie zu beobachten war. Mit
Einladungen an „Normalos“
Methoden wie dieser schaffte es die AidsAuch Herwig Straka vom Vorstand des event
Charity auch heuer, mit einem Erlös von
marketing board austria (emba) sieht sein
2,430.000 Euro das Vorjahresergebnis zu
Fach unter gehörigem Innovationsdruck.
übertreffen. Und das unter wirtschaftlich
schwierigen Rahmenbedingungen bei immer „Die Eventbranche muss sich anpassen. Ein
Umdenken findet statt.“ Der Interessenverknapper werdenden Budgets. „Zurück­
treter spricht zwar von einem „Einschnitt“
zuführen ist dies unter anderem auf die
­Kreativität und Bereitschaft, gemeinsam mit und von einem „Rückgang“, aber mitnichSponsoren immer neue Wege zu finden und ten von einem Einbruch in der Branche.
„Wir müssen neue Produkte entwickeln, die
Sponsoren auch in die Umsetzung des Life
den Compliance-Regeln entsprechen.“ Den
Ball aktiv einzubinden“, heißt es dazu aus
Geschäftsrückgang versuche man laut
dem Veranstalter-Büro. Natürlich habe sich
seit Verschärfung der Regeln die Einladungs­ ­Straka mitunter auch durch das Anbieten
politik schwieriger gestaltet und viele Spon- neuer Beratungsdienstleistungen abzufedern.
„Die Unsicherheit ist groß, da ist Beratung
soren seien diesbezüglich verunsichert
wichtig. Unsere Verkäufer sind in diese
und es seien denn auch deswegen die Ein­
Richtung geschult.“
ladungen von Sponsoren an Kunden leicht
Ein Beispiel für eine interessante Neuzurückgegangen. „Aber wir haben den
gründung in diesem Feld sind die Agentur
Weg gewählt“, so das Life-Ball-Büro weiter,
Kobza Integra PR und die Anwaltskanzlei
­„zunächst eine eingehende rechtliche
Lansky, Ganzger + partner in Wien: Sie
­Ana­lyse vorzunehmen und darauf aufbauend ein entsprechendes Compliance-Konzept gingen diesen Mai mit dem Beratungsunternehmen Compliance Consulting an den
zu entwickeln. Besonders wichtig ­erscheint
Start. Compliance Consulting bietet durch
der Erfahrungsaustausch mit anderen
die Verbindung von juristischem Know-how
sowie einer kommunikativen Expertise
­einen umfassenden Blick auf dieses Thema
an und berät Unternehmen zum richtigen
Umgang mit den Regeln. Die Angebotspalette reicht dabei von Unternehmensanalysen
über Start-up-Seminare und Schulungen bis
hin zur Umsetzung von Kommunikationskampagnen.
Eine interessante Neuinterpretation der
Einladungspolitik ist übrigens auch bei den
Casinos Austria zu bemerken. Laut Martin
Himmelbauer, Leiter Corporate Communications, „werden auch Menschen zu Veranstaltungen geladen, die sonst nie in den
­Genuss kämen“. So werden etwa die
­Bewohner des niederösterreichischen Karl
­Ryker Dorfes der Lebenshilfe zu einem
­Konzert des Sommer-Musikfestivals nach
­Grafenegg gebeten oder die Bewohner eines
Caritas-Hauses zum „Niederösterreichischen Märchensommer“. Und so ist auch
dem sozialen Aspekt Genüge getan. Denn
wie heißt es bei Nestroy: „Der Mensch ist
gut, die Leut’ sind schlecht.“ Und Sie
­wissen ja, Klischees sind dann überwunden,
wenn man über sie schmunzeln kann. Erst
recht in einem modernen Österreich.
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Green Event?
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folgen zu lassen ist besser. Mit einem Green
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76
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Bestseller 5|6 2013
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zu besuchen und in die exquisite Produktwelt einzutauchen.“ Andreas Stöger
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Tel.: 01/866 48-626 (Ariane Schlosser)
77
showcase
78
Bestseller 5|6 2013
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Schönheit
Stress. Der Sommer ist nun wirklich da. Freibad,
Strand, ­Bikini! Sind Sie bereit? Haben Sie den Sprung
vom Winterspeck zur Bikinifigur dieses Jahr geschafft?
Wenn ja: herz­liche Gratulation! Wenn nein: kein Grund
zur Panik! Die Schönheitsideale ändern sich laufend –
wie Sie anhand u
­ nserer ausgewählten Sujets sehen
­können. Wir denken an die Venus von Willendorf und
andere kurvige Schönheiten wie Sophia Loren oder
­Brigitte Bardot. In der Renaissance war ein Doppelkinn
das Maß aller Dinge. Das als ideal angesehene Körpergewicht schwankt sowieso innerhalb der Kulturen und
Epochen. Da geht’s einem doch gleich viel besser …
Es macht einfach keinen Sinn, sich an blutjungen
Modellschönheiten zu orientieren. Denn man strahlt
oder man strahlt nicht. Von innen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen wunderschönen, stressfreien Sommer!
Bestseller 5|6 2013
Tanz deinen Tanz
Liedermacher, Coach für utopische ­Realisierungen, Vater,
Gründer der Wirtschaft der Freude, Weltverbesserer,
Baggerverkäufer, Bienenzüchter. Tom Beck.
Text von Doris Raßhofer | Fotos von Karl Michalski
Waldwege. Und wenn es noch so regnet
oder schneit. Er läuft aus seiner Hütte,
­wickelt sich den Umhang um, springt auf
sein schwarzes Pferd und donnert durch
den Wald davon. Wenn er gebraucht wird.
Wenn er gerufen wird. Denn er weiß, dass
er helfen kann. Und dass nach seinem
Handanlegen nichts mehr so sein wird wie
vorher.
Kuckuck. Kuckuck. Kuckuck. Lautlos
pflügt sich das E-Auto durch das Dickicht.
Eine winzige Hütte. Umgeben von Urwald
an Gräsern, Blumen, Bäumen. Gewachsen,
wie es jeder Pflanze über die Jahre am
­besten möglich war. Ohne Fremdeinwirkung.
Ein unbebautes Grundstück in einem Naturschutzgebiet ohne Baugenehmigung schien
ihm vor Jahren das Beste, was man sich in
Zeiten wie diesen zulegen konnte. Es ist der
Zufluchtsort von Tom Beck. Sein Ort der
Stille und seiner Kreativität. Wenn es dämmert, werde es ihm unheimlich, wenn er
­alleine in seiner Hütte im Nirgendwo sitzt,
gibt er zu. Verletzlich. Er. Schwarze Nappalederhose, viele Tattoos, Schnellkraft. Keiner,
der zurückweicht, wegschaut. Im Gegenteil:
Sein Blick findet immer den Punkt, wo es
am meisten wehtut. Und wo am meisten
Heilung nötig und möglich ist, damit Großes
daraus erwachsen kann.
Ihr Motto ist „Alles in die größte Kraft“.
Wo ist die?
Dort, wo du in nicht gestellten Fragen
­feststeckst, weil du dich vor der Antwort
fürchtest.
So einfach.
Überhaupt nicht einfach. Sonst bräuchte es
keine Menschen wie mich. Coaches und
Prostituierte sind Menschen, die mit Dingen
ihr Geld verdienen, die eigentlich aus
­gesunden Beziehungen geschöpft werden
sollten. Aber wir leben ­alle in der totalen
„Ich coache nur noch
­Herzensangelegenheiten,
­keine unbeseelten
Geschäftsziele mehr
ohne Sinn.“ Tom Beck
Bestseller 5|6 2013
Früher hatte Tom Beck auch so ein schickes Vorzeigebüro am Wiener Naschmarkt. Heute kommen seine Kunden zu ihm
in den Wald im Nirgendwo: Zuerst wird Feuer gemacht in der Hütte. Bis es warm ist, gibt es Coaching beim Spaziergang.
Im Sommer auch Lagerfeuer danach.
Getrenntheit. Wir sind e­ ine Gesellschaft von ängstlich-egoistisch
und narzisstisch verletzten Menschen. Und unsere Wirtschaft wird
genau von solchen Menschen geführt – narzisstisches Arschlochverhalten, das andere schädigt, wird ­belohnt. Zu Hause spielen sie
den lieben ­Familienpapa. Jeder agiert für sich, in K
­ onkurrenz- und
­Verdrängungsangst, Innovationen werden geheim gehalten.
Sie sprechen vom Belief-Behaviour-Gap.
Wir wissen doch alle, dass wir so den Karren an die Wand fahren.
Aber wir ändern nichts daran. Wir müssen diesen Gap schließen.
Wie?
Lenken?
Früher hatte er auch so ein schickes Vorzeigebüro am Wiener
Naschmarkt. Wer heute zu ihm kommt, findet purste Basics. Es
wird Feuer in der Hütte gemacht, dann zwei Stunden beim Waldspaziergang gecoacht. „Beim Gehen reden ist das Beste, wenn es
schwierig ist“, grinst er. Auf diese Weise hat er schon Großunternehmen fusioniert. Konzerne saniert. Start-ups gezüchtet. Lieder
komponiert. Oder einfach Menschen wieder glücklich gemacht.
Bagger waren einmal sein Lebensinhalt. Beck war Österreichs
­erfolgreichster Baggerverkäufer. Damals, mit 25. Bis er in die Unfähigkeit befördert wurde. Es folgten Zufälle: ungewollte Fusions­
begleitung, Unternehmensberatung, Ausbildung zum Coach. Als
solcher gab er weiter, was er als Star-Verkäufer seinerzeit praktizierte: Wie schalte ich die Konkurrenz systematisch aus und
­komme selbst möglichst schnell nach oben? So was zog in der
­Wirtschaft. Und schließlich galt es, Familie mit zwei Kindern zu
­erhalten. Damals.
Dann seine persönliche Krise: Scheidung, Einsamkeit, Süchte,
Therapien, Buddhismus, Rechthaben, den Traditions-Wurstfabri­
kanten versuchen zu überreden, dass es doch besser wäre, Soja zu
verwursten statt Fleisch. Der übliche Wahnsinn. Der Wurstfabrikant
war damals sein bester Kunde. Aber Beck ging es ums Prinzip, um
Weltverbesserung im missionarischen Extrem. „Ich verlor dabei
­meine Anschlussfähigkeit.“ Er sagt das nicht ohne Reue. Wenngleich es heute für ihn keinen Weg mehr zurück gibt. „Bis dahin
coachte ich Manager, noch mehr aus ihren Mitarbeitern rauszuquetschen, um noch mehr kündigen zu können, um noch mehr Kosten
zu senken, um den eigenen Gewinn noch mehr zu maximieren.
Wenn du aber in diese Gemeinwohlökonomie-Szene einmal reingeschnuppert hast, kannst du nicht mehr weitermachen wie bisher.“
Jetzt also nur noch Coaching für eine bessere Welt? „Nein. Das
geht auch nicht. Die bessere Welt hat noch kein Geld.“ In Stolz und
Ehr’ verhungern? Plötzlich wird er laut. Zornig. „Ich hab mich
­gefühlt wie der beste Konsument auf dieser Welt, als ich mir das
Elektroauto gekauft habe. Und dann muss ich lesen, dass ich damit
vermutlich mehr angerichtet habe, als wenn ich mir einen normalen
Vier-Liter-Diesel gekauft hätte.“ Entschuldigung, Herr Beck, habe
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ich Sie mit meiner Frage irgendwie gekränkt? „Nein, ich schreie es
vielmehr hysterisch in die Welt hinaus.“ Was genau? „Dass es
­einem so schwer gemacht wird, sich selbst treu zu bleiben. Dass
­respektvoll-liebevolles Agieren immer wieder bestraft wird.“ Beck
wird wieder ruhig, klinkt sich in den Klang seiner Wildnis ein.
­Kuckuck. „Hier muss das Pendel seine Balance finden.“
Auf seiner Visitenkarte steht „Utopische Realisierungen“. Die
­Erklärung dazu: „Unerreichbar erscheinende Zukunftsbilder schrittweise in die Realität holen. Dabei den Kopf über den Wolken haben
und die Füße trotzdem am Boden.“ Best of both worlds. Es sei ja
nicht alles schlecht, was in der Old Economy bisher gemacht wurde.
Auch einem Unternehmer zu helfen, zu expandieren, sein Unternehmen der nächsten Generation zu übergeben oder aus der Krise
zu führen, sei nichts Schlechtes. Wichtig ist ihm heute die Haltung
seines Gegenübers, sein Weltbild. Es müsse eine Herzensangelegenheit sein, kein unbeseeltes Geschäftsziel ohne Sinn. Und ja, dafür
musste er auf viele Klienten und viel Geld verzichten.
Er zupft frische Rosmarin- und Pfefferminzblätter vom Stengel
und gibt sie in sein Wasserglas. „Brunnenwasser“, freut er sich.
Sie sind Gründer der Initiative „Wirtschaft der Freude“. Was ist das?
Nicht das, was die meisten daraus machen. Ich wurde oft angegriffen von Unternehmern – „Du wiegelst mir mit deiner Wirtschaft
der Freude meine Mitarbeiter auf. Die sollen arbeiten!“ Dabei rede
ich überhaupt nicht von einer Spaßwirtschaft, wo alles immer nur
lustig sein soll.
Wie lautet Ihre Definition?
Es ist gut, wenn es für alle gut ist. Also auch für den einzelnen.
Wie eingangs gesagt, es werden die meisten Entscheidungen heute
aus Angst, Schmerz oder Wut getroffen. Die Wirtschaft der Freude
schließt eine Entscheidung aus Freude mit ein. Die Wirtschaft soll
also AUCH die Freude nähren. Aber nicht NUR die Freude.
Was angefangen hat als missionarischer Gratisring, hat sich
­ ittlerweile zu einem handfesten „Fortgeschrittenenkreis“ entwim
ckelt, der gemeinsam an wirtschaftlich relevanten Projekten für
­eine V
­ erbundenheit zwischen Wirtschaft und Gesellschaft arbeitet.
­Unter anderem an Stadtentwicklungskonzepten wie Aspern, der
­Seestadt Wiens.
Beck springt auf, holt seine Gitarre aus seiner Hütte und fängt
an, das Titellied seiner letzten CD zu singen: „Da ist die Freude in
dir drinnen …“ Beck, der Künstler, der Liedermacher, der Rockcoach … und schmettert gleich noch seine Coachinghymne in den
Wald: „I glaub an mi …“
Schwingt den Umhang um seine Schultern, bindet sein Pferd los
und donnert fort durch den Wald. Dorthin, wo er helfen kann,
wenn jemand nicht mehr weiter weiß, auf seinem Weg zu Freude
und Utopie.
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Armin Thurnher
MEDIENTAGEBUCH NR. 181
Im Eisenbahnwaggon erster Klasse ordiniert
eine Ärztin in unverschämter Lautstärke, im
Vollbewusstsein ihres Sozialprestiges. Ich
muss mich morgen nicht in ihr Labor begeben, kann mich nur gegen ihre geschulte
Freundlichkeit wehren, indem ich mir einen
Kopfhörer überziehe, mir Musik reinziehe und mir einen Hörschaden zufüge. Generationen machen sich mit geklauten MP3Files fit für den Ohrenarzt. Wer hat’s ausgeheckt? Die Boys
vom Max-Planck-Institut am Starnberger See. Ohne Max Planck
kein MP3. Die Juristen von der gleichen Institution setzen sich
gegen das Leistungsschutzrecht ein, mit Recht, wie mir vertrauenswürdige Blogger versichern, denn die Art des geplanten
Schutzes schützt hauptsächlich die Verwertungsgesellschaften.
Während ich so sitze und fahre, fällt mir ein, ich habe ein
Buch über Würde geschrieben. Viel zu viel geschrieben, der
Lektor war beunruhigt, in beunruhigender Weise erhöhte sich
der Verkaufspreis des Buchs, während ich schrieb. Schon fahre
ich nicht mehr, denn eine Störung an der Oberleitung hat den
Zug lahmgelegt, das ist blöd. Wahrscheinlich Kupferdiebe,
­Mafia. Nun sitze ich mit meinem schönen ÖBB-WLAN und
dem feinen Bordservice in der Steppe, und in Linz warten sie
in einem TV-Studio auf mich, um ein Liveinterview mit mir
durchzuführen.
Mediengesellschaft! Könnte mir jetzt die „ZiB“ anschauen,
Hochwasserporno ist angesagt, Fluten des Guten, sogar Armin
Wolf wird weich ums Herz, ich als gewesenes Katastrophen­
opfer darf das sagen, muss aber Batterie
sparen. Der Feuerwehrkommandant
von Niederösterreich brachte das
viel gescholtene Funknetz ins Spiel.
Schön, dass wir es haben, sagte er
live, er konnte aus dem Hubschrauber mit Kollegen aller Organisationen Funkkontakt halten.
War da nicht ein Korruptionsfall mit
dem Innenminister gewesen, wie hieß er doch
gleich? Nein, ist nie etwas aufgekommen, solche
Sachen kann man bei uns lang untersuchen.
Mediengesellschaften haben fluktuierende
Aufmerksamkeitskonjunkturen, die Fragen
nach vergangenem Verschulden kommen
rasch aus der Mode. Karl Marx, Gott hab
ihn selig, leitete seine Kapitalismuskritik
nicht zuletzt aus der historischen Erinnerung
­daran ab, wie der englische Adel die schottische
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Landbevölkerung bestahl, betrog und vom Land des allgemeinen Stammesbesitzes vertrieb. Solche Ent- und Aneignungen
passieren heute in medialer Form, in Form von binären Impulsen spekulierender Computer und von virtuellen Geldmedien
politisch ungesteuerter Zentralbanken. Virtuelles Gelddrucken
geht schnell, die Rechnung zahlen andere.
Mediengesellschaft: Stehen heißt leiden. Ich stehe auf e­ inem
Geleise vor Amstetten in der Abendsonne, die Klima­anlage und
das WLAN funktionieren, nur mein Ladekabel habe ich vergessen, der Akku und die Sonne neigen sich dem Untergang zu,
aber ich bin auf alles vorbereitet, habe Stift, Notizbuch und ein
Buch von Gilbert K. Chesterton mit. Die Sonne scheint nun
ins Abteil, vom Westen her den Bildschirmen e­ ntgegen, sonst
könnte man die Displays nicht mehr lesen.
In Venedig war ich kürzlich in einem Kunstlokal nahe der
­Biennale, dessen Set sich für eine Komödie geeignet hätte. Um
kleine Tische – Format Wiener Kaffeehaus – scharten sich fesche
junge Menschen. Jeder hatte einen Mac, jeder und jede, und sie
klappten die Bildschirme so gegeneinander, dass es aussah, als
bauten sie um die Wette Kartenhäuser, und darüber steckten sie
die Köpfe zusammen und sprachen kein einziges Wort.
Das Lokal hatte Verteiler für die Netzstecker aufgestellt, und
an diesen Verteilern drängten sich die Schirmbesitzer, es war
ein wirklich beeindruckendes Bild, dessen Teil ich war, weil ich
mit dem Kollegen Fleischhacker meine monatliche E-Mail-­
Debatte für die Kleine Zeitung abzuführen hatte. Er hetzte derweil durch die gleiche Stadt, einen WLAN-Hotspot suchend,
um mir Marxismus vorzuwerfen, während
ich unter den Kunstfuzzis (Ku-Fus) saß
und vergnügt vor mich hin summte:
„Everybody was Ku-Fu-Fighting …“
Die Klimaanlage funktioniert
noch immer, die Ärztin hat ihre
­Ordination geschlossen, das Bord­
restaurant macht Geschäfte wie noch
nie, sogar den Falter haben sie zum
­Lesen da, schnell tippe ich ein letztes Mal
„Mediengesellschaft“, ehe die Batterie ausgeht, der
Zug anfährt und ich meinen Chesterton zücke. In der
TV-Debatte, die auf mich wartet (gewartet hätt’?) sollte
es übrigens um Medien gehen. Live. Ja mei. Draußen
­fantastischer Abendhimmel, graue Fetzen und
­sardinenbauchgelbe Cumulus vor Tintorettoblau.
Armin Thurnher ist Gründer, Herausgeber und
Chef­redakteur der Wiener S
­ tadtzeitung Falter.
Bestseller 5|6 2013
irena rosc, illustration von tex rubinowitz
Im Zug der Mediengesellschaft
!
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. . . jetzt auch von der Rolle.
Vereinigte Druckereien- und Verlags-GmbH & Co KG
Zamenhofstraße 43-45, 4020 Linz/Austria, Tel.: +43 (0) 732 66 96 27 0, Fax: +43 (0) 732 66 96 27 5, Web: www.friedrichvdv.com, E-Mail: [email protected]
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