Der Wirtschaftsraum Ruhrgebiet
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Der Wirtschaftsraum Ruhrgebiet
Seite 1 Dennis Klawitter „Der Wirtschaftsraum Ruhrgebiet“ Vorgelegt im Rahmen der Facharbeit im Fach Erdkunde an der Geschwister- Scholl- Ge. Moers GK 12.2 bei Herrn Markus Moers, den 08.03.01 Seite 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 3 2. Beschreibung der Lage 3 3. Verkehrsinfrastruktur 3 4. Aufstieg des Ruhrgebiets zu einem industriellen Ballungsraum 6 5. Die Krise im Revier 9 6. Der Strukturwandel 11 7. Fazit 12 8. Anhang 14 9. Quellenangabe 16 10. Erklärung 17 Seite 3 1. Einleitung Das Thema meiner Facharbeit lautet: „ Der Wirtschaftsraum Ruhrgebiet“ Die Arbeit ist in verschiedene Themenbereiche aufgeteilt. Anfangen werde ich mit einer Beschreibung der geographischen Lage und der Verkehrsinfrastruktur, die das Rückgrad des Ruhrgebiets bildet. Im Vordergrund stehen aber die geschichtliche Entwicklung, die Krise und der Strukturwandel im Ruhrgebiet (mit Grafiken im Anhang). Abschließend folgt mein eigenes Fazit über das Revier. Erwähnenswert ist außerdem für das Verständnis, daß man bei der Bezeichnung Ruhrgebiet von einem schwankenden Namen redet. Von vielen Menschen wird es einfach nur „Pott“ oder „Revier“ genannt. 2. Beschreibung der Lage Das Ruhrgebiet ist die Kernzone des Rheinisch- Westfälische n Industriegebietes und der wichtigste Wirtschaftsraum in Europa. Grob kann man sagen, daß die Ruhr im Süden, die Lippe im Norden, Kamp- Linfort im Westen und Hamm, Unna, Herdecke im Osten das Industriegebiet begrenzen. Es umfaßt die 11 kreisfreien Städte Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gladbeck, Mülheim a. d. Ruhr, Gelsenkirchen, Herne, Bochum, Hagen, Dortmund und Hamm. Außerdem die 4 Landkreise Wesel, Recklinghausen, Ennepe- Ruhr und Unna. Auf einer Fläche von rund 4900 km² leben 5,3 Mio. Menschen. Das Besondere am Ruhrgebiet ist der gigantische Vorrat an Steinkohle, der auf etwa 20 Mrd. Tonnen ( 85% der Vorräte in Deutschland) geschätzt wird. Das Revier liegt am wichtigsten Schiffahrtsweg, dem Rhein, und an den alten Ost- West Handelsstraßen. Die günstige Verkehrslage in der Mitte Kontinentaleuropas ist einer der Gründe für den wirtschaftlichen Aufschwung des Region. Darüber hinaus sind im Ruhrgebiet, besonders für die alte Montanindustrie, die großen Wasserreserven des angrenzenden Sauerlandes wichtig. Ein weiters Merkmal ist die hohe Wohndichte, die 1225 Einwohner/ km² beträgt, im Kernraum sogar 2744 Einwohner/ km². 3. Verkehrsinfrastruktur Schon seit den Anfängen des Ruhrgebiets ist das Wasserstraßen- und Hafennetz besonders wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung gewesen. Seite 4 Rückgrat des Wasserstraßennetzes im Ruhrgebiet ist dabei der Rhein, der das Revier mit Süddeutschland, der Schweiz, Lothringen, mit den holländischen Seehäfen, Antwerpen in Belgien und auch den deutschen Nord- und Ostseehäfen verbindet. Das Netz besteht weiterhin aus dem Dortmund- Ems- Kanal (DEK), der 1899 fertiggestellt wurde und eine Länge von 269 km hat. Die Endhäfen sind im Binnenland Dortmund und an der Nordsee Emden. Dieser Kanal wurde gebaut, um die eisen- und stahlschaffende Industrie konkurrenzfähig zu halten. Der Rhein- Herne- Kanal verläuft parallel zur Emscher, der sogenannten Kloake des Reviers, und ist 49 km lang. Er wurde 1914 in Betrieb genommen und verbindet den Rhein mit dem Dortmund- Ems- Kanal. Dieser Kanal wurde besonders stark als Transportweg für die Kohle genutzt, weil viele Zechen direkt am Ufer standen. Der Lippe- Seitenkanal liegt im Norden des Reviers und wird zur Beförderung von Massengutfracht genutzt. Auch er verbindet den Rhein mit dem DEK. Die Ruhr hat eine nebensächliche Bedeutung, da sie nur bis Mülheim für die Schiffahrt ausgebaut wurde. An diesen Wasserstraßen liegen viele öffentliche und private Häfen. Die öffentlichen Häfen sind multifunktionale Häfen, die also mehrere Aufgaben haben. Sie dienen zum Güterumschlag, der Versorgung von Menschen und Industrie im Bezug auf Rohstoffe oder zum Versand der hergestellten Produkte. Der wichtigste und größte Hafen ist der Duisburg- Ruhrorter, der gleichzeitig auch der größte Binnenha fen in Europa ist. Er gewann an Bedeutung durch den Umschlag von Kohle, Eisen, Stahl und Eisenwaren. Wie gigantisch groß dieser Hafen ist, wird deutlich, wenn man hört, daß er etwa 40 km Kai- und Uferanlagen, 100 Portal- und Brückenkräne, sowie 506 Erdöltanks mit einem Fassungsvermögen von 907500 m³ besitzt. Das zweite Standbein im Güter- aber auch Personenverkehr ist das Eisenbahnnetz. Neben den etwa 5000 km Gleisanlagen der Deutschen Bahn im Revier gibt es auch noch viele tausend km Privat- oder Werksbahnen. Mit einem dichten Netz von Rangierbahnhöfen konnten früher die Erzeugnisse und Rohstoffe der Montanindustrie im Revier oder für den Transport ins Umland schnell transportiert werden. In der Blütezeit der Schwerindustrie dominierten Güter wie Rohstoffe, Chemikalien, Rohstahlund Walzerzeugnisse, Maschinen und Fahrzeuge. Heute gibt es nur noch wenige große Rangierbahnhöfe, die Container und Stückgut abfertigen. Viele Strecken müssen geschlossen werden, weil der Güterverkehr sich immer mehr auf die Straße verlagert. Seite 5 Eher das Gegenteil kann man im ÖPNV beobachten: Hier wird das S- Bahnnetz mehr und mehr ausgebaut, um eine größere Mobilität den Menschen zu ermöglichen. Die Hauptachse ist die Route Duisburg- Dortmund über Mülheim, Essen und Bochum und bietet von Duisburg auch einen schnellen Anschluss nach Düsseldorf. Neben der S- Bahn wird auch das Stadtbahnnetz innerhalb der Städte ausgebaut. Moderne Tunnelanlagen machen die Bahnen zum schnellsten Verkehrsmittel innerhalb der Städte. Das wichtigste Verkehrsmittel im Ruhrgebiet ist wohl das Straßen- und Autobahnnetz. Neben den unzähligen Gütern, die jeden Tag in Lkws transportiert werden, wird es auch von vielen tausend Pendlern, die im Ruhrgebiet oder den Randgebieten ( Sauerland, Niederrhein) leben, genutzt. Die wichtigste Autobahn im Ruhrgebiet ist die A40, die dem Weg des alten Hellwegs folgt. Sie verbindet die Städte Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund. Als diese Strecke 1963 fertiggestellt wurde, gab es deutlich weniger Fahrzeuge. Heute ist die zweispurige Strecke, die sich wie eine Ader durch die Städte zieht und dabei teilweise nur wenige Meter vor den Häusern verläuft, hoffnungslos überlastet. Weitere wichtige Autobahnen sind die A2 und A42 im Norden des Reviers, die die Städte Oberhausen, Bo ttrop, Essen, Gelsenkirchen, Herne und Dortmund verbinden. Die A3 kreuzt in Duisburg die A40 und A42. Sie verbindet das Revier mit Düsseldorf und den Niederlanden. Die Hauptaufgabe des Autobahnnetzes ist, das Ruhrgebiet mit anderen Wirtschaftsräumen zu verbinden. Neben dem Autobahnnetz gibt es im Revier ein dichtes Netz von Straßen innerhalb der Städte. In Verbindung mit den Autobahnen bildet es das wichtigste Verkehrsmittel im Revier. Besonders gefördert wird auch in den letzten Jahren das Nahverkehrsnetz. Ein außerordentlich dichtes Netz an Bus- und Straßenbahnlinien ermöglicht es den Menschen, sich schnell innerhalb einer Stadt zu bewegen. Durch eigene Trassen und Ampelfreischaltungen fahren Busse und Straßenbahnen am Stau vorbei und sind somit meist innerhalb der Städte das schnellste Verkehrsmittel, da die Straßen meistens verstopft sind, besonders zur Hauptzeit. Das erkennen immer mehr Menschen und steigen auf Bus und Bahn um. Dazu kommt, daß es im Revier seit Anfang der 80er Jahre einen gemeinsame n Verkehrsverbund gibt, den VRR ( Verkehrsverbund- RheinRuhr), der ein Preissystem für das ganze Revier eingeführt hat. Seite 6 Das gut ausgebaute Verkehrsnetz begünstigt noch heute das Revier als attraktiven Wirtschaftsstandort und schuf auch in der Vergangenheit ein schnelles Wachstum zum wichtigsten Standort der Montanindustrie in Europa. 4. Aufstieg des Ruhrgebiets zu einem großindustriellen Ballungsraum Das Ruhrgebiet ist ein gewachsener Wirtschaftsraum und liegt keinen Plänen zu Grunde. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Fläche des heutigen Ruhrgebiets eine Idylle aus Wäldern und landwirtschaftlich geprägter Gegend. An der Ruhr gab es kleine Städte, die ihre Existenz oft dem Hellweg verdankten. Es lebten etwa 300.000 Menschen auf dem Gebiet des heutigen Ruhrgebiets. Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten Manufakturen und private Unternehmen wie Gewehrfabriken, Betriebe der Metallverarbeitung und Brauereien. Die Städte waren verarmt und verludert, die Häuser ärmlich. Es bestand kein Unterschied zu anderen ländlichen Regionen in Deutschland. Das Gebiet war aufgeteilt in Herrschaftsbereiche, die Zölle erhoben und unterschiedliche Rechtsnormen hatten. 1815 kam es dann zum Anschluß an Preußen und eine gemeinsame Geschichte auf politischer und wirtschaftlicher Ebene in dem Gebiet des Reviers begann. Der eigentliche Anstoß der Entstehung und Entwicklung des Reviers aber war die Steinkohle, die in großen Mengen vorhanden war. Der erste nennenswerte Abbau von Kohle begann im 18. Jahrhundert. 1738 wurde das Märkische Bergamt in Bochum gegründet. Der Abbau von Kohle war aber in dieser Zeit eher ein unsystematischer Raubbau, da die Schächte nicht tief genug waren und man sich mit den Kohlenflözen dem Gebirgsbau anpassen mußte. Erst 1837 kam man durch das Deckgebirge und ermöglichte so den Abbau von Kohle mit vertikalen Energieträger Tiefbauschächten. gewann die Kohle Ihre auch lang anhaltende durch die Monopolstellung rasante Verbreitung als der Dampfmaschine. In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts explodierte die Kohlenförderung. 1839 wurden über eine Million Tonnen Kohle aus den Schächten geholt, 1853 waren es dann schon 2 Mio. Tonnen. Die Fortschritte auf dem Gebiet der Geologie, der Lagerstättenkunde, der Bohrtechnik und dem Abteufverfahren sorgten dafür, daß innerhalb von 60 Jahren Schächte mit einer Tiefe von bis zu 1000m Teufe angelegt werden konnten. Seite 7 Vertikal verlaufen die Schächte unter der Erde im Norden bis zur Lippe, im Süden bis an die Ruhr und im Westen reichen sie bis zum Niederrhein. Ein Sog setzte ein. Die Menschen kamen aus den umliegenden Regionen, später auch aus Schlesien, Ostpreußen und Polen ins Ruhrgebiet. Mitte des 19. Jahrhunderts lebte eine halbe Million Menschen im Ruhrgebiet, 1871 dann schon 1 Million Menschen. Doch nicht nur der Kohlenbergbau entwickelte sich: Die Ruhrkohlearten Eß- und Fettkohle eigneten sich besonders gut zur Verkokung und lieferten so einen sehr guten Hüttenkoks. Daraus entwickelte sich die Eisen- und Stahlindustrie. Schon 1811 eröffnete Friedrich Krupp sein Unternehmen zur Herstellung von Gußstahl. 1818 gelang ihm die Herstellung von hochwertige m Tiegelguss. Doch der wirkliche Aufschwung der Stahlindustrie begann erst ab 1850. Dieser langfristige konjunkturelle Aufschwung bedeutete viele Firmengründungen. „Die Firmen werden vor allem im Bereich der metallverarbeitenden Industrie gegründet; es entstehen viele Eisenhütten und Gussstahlfabriken sowie Betriebe der Weiterverarbeitung von Stahl“ (Chronik des Ruhrgebiets, S. 75 f). Bis 1900 hatte das Revier es geschafft, sich von einer agrarisch strukturierten Region zu einem industriellen Ballungszentrum zu entwickeln. Die Bevölkerung wuchs von 310.000 Menschen (1800) bis auf 2,3 Millionen (1900). Auch die Städte wuchsen schnell: In der Zeit von 1815 bis 1900 stieg die Einwohnerzahl in Essen von 4700 auf 120.000, in Dortmund von 4300 auf 140.000, in Duisburg von 4500 auf 100.000 und in Bochum von 2100 auf 65.000. Auch die Kohlenförderung stieg drastisch an: 1850 wurden 1,9 Mio. Tonnen Kohle im Ruhrgebiet gefördert, 1870 waren es dann schon 11,5 Mio. Tonnen und 1900 etwa 60 Mio. Tonnen (Abb. 2, siehe Anhang). Die größte Zeche im Revier war zu dieser Zeit „Deutscher Kaiser“ mit einer Jahresproduktion von 1.2 Mio. t. 1910 förderte diese Zeche schon fast 4 Mio. t. Es kam zu einem industriellen Ausbau der Ruhrregion durch die Entwicklung von Bergbau und Metallindustrie. Es siedelten sich auch Unternehmen an, die sich auf Maschinenbau, Produktion von Bergbaubedarf sowie die Weiterverarbeitung von Kohle, Stahl und anderen Nebenprodukten spezialisiert haben. Auch chemische Werke siedelten sich an, weil die Kokskohle auch zu Teer, Ammoniak und Benzol verarbeitet werden konnte. Das vielseitige Verkehrsnetz schuf die Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebiets. Der Ausbau der Bahnen und Kanäle wurde nicht vernachlässigt, was Seite 8 dazu führte, daß das Ruhrgebiet für die Großindustrie immer interessant blieb. Eisenindustrie und Bergbau bestimmen das Bild an Rhein und Ruhr. Doch die gesamte Wirtschaft im Revier, von der Schwerindustrie bis zum Handwerksbetrieb, wäre nicht so schnell gewachsen , wenn das Kapital nicht zur Verfügung gestanden hätte. Wichtig wurden die finanziellen Mittel erst am Ende des 19. Jahrhunderts. In den Anfangsjahren gab es eher eine patriarchalische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Arbeitern. Die Investitionen waren klein, so daß die Firmeninhaber die Projekte selber finanzieren konnten. Erst als anonymes Kapital zur Finanzierung der gigantischen Projekte nötig war und die Banken immer mehr Einfluß in den Unternehmen erlangten, kam es zu Streiks. Ein wichtiger Faktor in der Wirtschaft und der Politik an Rhein und Ruhr Ende des 19. Jahrhunderts war die Schaffung von Kartellen, Monopolen und Syndikaten. In den 1870er Jahren gab es eine Absatzkrise, die man auf die Überproduktion der englischen Eisen- und Stahlindustrie zurückführte und nicht auf die eigene Überproduktion. 1879 setzten die Industriellen Schutzzölle für die Einfuhr der Produkte durch. Doch diese Einfuhrzölle auf Eisen und Stahl wären ohne Nutzen gewesen, wenn die gegenseitige Konkurrenz der Unternehmen die Produktpreise unter Weltmarktpreise, Zoll und Frachtkosten gedrückt hätte. Um einen solchen Wettbewerb zu vermeiden, gründeten Steinkohlenbergbau 1893 die Industriellen zur Gründung Kartelle. des Zuerst „Rheinisch- kam es im Westfälischen Kohlensyndikats“. Die Mitglieder des Syndikats, das bis 1945 bestand, repräsentierten 87% der Kohlenförderung des Ruhrgebiets. 1896 gründete die Stahlindustrie ein Roheisensyndikat. 1904 gehörten 27 Stahlwerke dazu, die 85,5% der deutschen Stahlproduktion ausmachten: „Diese Syndikate sind herausragende Beispiele für die zunehmende Konzentration unternehmerischer Macht in den Händen weniger sowie für die Verflechtung von Industrie und Bankkapital“. ( Chronik des Ruhrgebiets, S. 252) Nach dem Kriegsausbruch im August 1914 sinkt die Produktion der Unternehmen des Bergbaus und der Stahlindustrie. Die Zechen des Kohlensyndikats kommen nur noch auf 33 % der Vormonatsförderung. Die Stahlwerke sogar nur noch auf 30% und der Roheisenverband auf 22% der Juliproduktion. Trotzdem steigen die Gewinne und der Umsatz der Montanunternehmen weiter. Dies wird erreicht durch die Erhöhung der Preise und der Herstellung von Rüstungsgütern. Besonders gut verdiente an der Produktion von Rüstungsgütern die Firma Krupp. In der Zeit von 1904 bis 1914 stieg die Zahl der Belegschaft von 47.500 auf 74.400 Seite 9 Beschäftigte. Auch die Produktionsanlagen für den Kanonenbau und die Geschoßherstellung wurden erweitert. Im Panzerplattenwerk wurden pro Jahr 20.000 t Panzerplatten und 30.000 t Schiffs- und Kesselbleche produziert. In der Geschoßdreherei wurden jährlich eine halbe Million Geschosse produziert. Auch vor und während des zweiten Weltkriegs verdiente Krupp viel Geld mit Rüstungsgütern. Vor dem Krieg (1913) wurden im Ruhrgebiet 10, 1 Mio. t Rohstahl hergestellt. Nach dem Krieg (1919) waren es nur noch 5,3 Mio. t. Aber die Produktion erholte sich schnell wieder, was auch nach dem zweiten Weltkrieg der Fall war (Abb.1, sie he Anhang). Der Grund dafür war die zuvor aufgestaute Nachfrage und die Zerstörungen. 5. Die Krise im Revier Abwärts für das Ruhrgebiet ging es schon mit der Bergbaukrise am Ende der 50er Jahre. Diese Krise erschütterte das ganze Revier, weil keiner mit ihr gerechnet hatte. Niemand wollte verstehen, daß die Blüte der Kohle vorbei ist und nun eine Zeit anbricht, die ein langfristiges bzw. langwieriges Strukturproblem für das Ruhrgebiet bedeutete. Noch ein Jahr zuvor, 1957, hatte man sogar von Seiten der Montanunion gefordert, die Fördermenge um 40 Mio. t zu erhöhen. 1958 passierte es dann: Die Feierschichten der Arbeiter reichten nicht mehr aus, so daß es zu den ersten Entlassungen kam. Die Kohlehalden wurden immer größer. Das ganze Revier lebte vom Kohlenbergbau. Die Stahlindustrie hatte sich wegen der Kohlevorkommen hier niedergelassen. Die Produkte aus dem Revier waren für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau nach dem Krieg sehr wichtig. In der Zeit zwischen 1950 und 1958 stieg die Kohlenförderung um fast ein Fünftel und erreichte mit 125 Mio. t ihren Höchststand. Aber auch die Stahlproduktion stieg in dieser Zeit um mehr als drei Viertel (Abb. 1+2, siehe Anhang). Es mußten sogar Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden, weil der Zustrom an Flüchtlingen nicht ausreichte, um den Bedarf an Arbeitern in der Industrie zu decken. Doch man erkannte im Revier nicht die Zeichen der Zeit, die schon Anfang der 50er Jahre zeigten, dass die wirtschaftlichen Wachstumsraten im Revier den anderen Bundesländern hinterher hinkten. Besonders in Süddeutschland setzte man auf neue Wirtschaftszweige wie der Automobilindustrie und Elektrotechnik. Hingegen regierte im Revier immer noch die Montanindustrie. Der Auslöser für die Krise im Revier war die Verschiebung in der Energieversorgung. Es setzten sich die Importkohle und das billige Erdöl durch. In den 60er Jahren folgte Seite 10 dann die Demontage, bedingt durch die Wirtschaftsstruktur. Es wurden in der Zeit von 1958 bis 1964 35 Zechen mit einer Jahresproduktion vo n 11,6 Mio t und 53000 Arbeitsplätze vernichtet. Im Ruhrbergbau arbeiteten 1966 nur noch halb so viele Menschen wie 1950. Trotz hoher Wachstumsraten in der BRD fand ein Wachstum in den Ruhrgebietsstädten nicht mehr statt. In manchen Städten war es sogar rückläufig. Aber auch jetzt war das Handeln in Politik und Wirtschaft defensiv. Mit allen Mittel versuchte man an den alten Strukturen festzuhalten. Keiner wollte sich den neuen Marktbedingungen anpassen und so forderte die Wirtschaft, daß man die Märkte durch Verträge mit den Elektrizitätswerken sichert. Der Öl- und Kohleimport sollte durch Zölle und Quoten eingeschränkt werden. Besonders der Bergbau wehrte sich gegen den Strukturwandel und verkaufte Industrieflächen für die Ansiedlung von neuen Unternehmen und Branchen nur zu unattraktiven Bedingungen. Damit wollte man die Konkurrenz an Betrieben mit einem höheren Lohnniveau unterdrücken. Zu diesem Zeitpunkt war das Wachstumspotential so groß, daß man ohne weiteres einen Strukturwandel hätte vollziehen können. 1966 erfaßte das Zechensterben dann die ganze Region und es kam zu Demonstrationen. Diese Unruhe unter den Menschen war auch ein Grund dafür, daß die CDU- geführte Regierung in Düsseldorf abgelöst wurde. Die neue SPD- geführte Regierung hatte eine ganze Menge Arbeit vor sich. Die durch die Kohlekrise entstandenen sozialen Folgen mußten gelöst werden. Ein weiteres Problem war die Monostruktur, die sich weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus auswirkte. Das Qualifikationsniveau der Arbeiter, besonders im Bergbau, war mehr als schlecht. Viele Arbeiter hatten noch nicht mal einen Volksschulabschluß oder gar keine Ausbildung. Das alles zu einem Zeitpunkt, zu dem die Qualifikation der Arbeiter das Grundkapital für ein wirtschaftliches Wachstum geworden war. Aber es gab noch mehr Probleme: Zu dieser Zeit war das Nahverkehrssystem noch schlecht ausgebaut, es gab wenig Freizeitmöglichkeiten, die Landschaftspflege und der Umweltschutz wurden vernachlässigt. Am Ende der 60er Jahre waren die Strukturprobleme an Rhein und Ruhr so groß, daß ein staatliches Eingreifen nötig war. Mit einem umfassenden wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm übernahm der Staat die Verantwortung für die Modernisierung. Die beiden Programme „Entwicklungsprogramm Ruhr“ (1968) und „N RW- Programm`75“ waren die ersten Schritte und die Voraussetzung für eine gezielte gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebiets. Seite 11 Der Staat wurde langsam zum Gestalter der Region und beschäftigte sich mit der Verbesserung der Lebensqua lität. Die Schachtanlagen des Ruhrgebiets wurden 1969 in der Betriebsgesellschaft „Ruhrkohle“ zusammengefaßt. Bund und Land beteiligten sich am Kapital und somit auch an den Verlusten. Mit Einverständnis der Gewerkschaften wurden die Beschäftigtenzahlen weiter runter gefahren. Aber der Wandel vollzog sich auch in den Köpfen der Menschen, die sich langsam von Kohle und Stahl lösten und die Universitäten, Kultureinrichtungen sowie die neuen Unternehmen entdeckten. 6. Der Strukturwandel Der Strukturwandel läßt sich in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase, die 1960 anlief, versuchte man das Problem auf drei Wege zu lösen: 1. Durch die Bestandspflege. Hier wurden Industrien, die schon vor der Montanindustrie entstanden, wie z B. Textil- und Nahrungsmittelindustrie, gefördert. 2. Durch die Weiterentwicklung der Folgeindustrie. Hier wurden besonders die Montanindustrie und die Wirtschaftszweige wie Maschinenbau, metallverarbeitende Industrie weiterentwickelt. 3. Durch die Ansiedlung ruhrgebietsfremder Industrien. Hier wurden Industrien wie Elektronik, Fahrzeugbau und Kunststoffindustrie angesiedelt. In der zweiten Phase, die 1970 begann, wandelten sich große Konzerne des Ruhrgebiets in ihrer Produktionsstruktur immer mehr zu Technologiekonzernen. Viele dieser Konzerne machen heute den größten Teil ihres Umsatzes nicht mehr im Montansektor. In der dritten Phase, die 1980 begann, kamen die neuen Technologien wie Mikroelektronik. Es kam zu einem Wandel in der Produktpalette und der Betriebsorganisation der Unternehmen. Viele Technologieparks wurden angelegt und das prägende Bild von Hütten- und Stahlwerken ging langsam zurück. Dieser Strukturwandel fand nicht nur auf dem Industriesektor statt, sondern zog sich durch die ganze wirtschaftliche Struktur des Reviers. Zwischen 1970 und 1995 gingen in den Industrieunternehmen im Revier 520.000 Arbeitsplätze verloren. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Beschäftigten im tertiären Sektor um ca. 380.000. Es fand ein Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft statt, der im Ruhrgebiet zu einer Umkehrung der Verhältnisse führte: „Während der sekundäre Sektor von 58% im Jahr 1970 auf 37% Seite 12 im Jahre 1995 fiel, stieg der tertiäre Sektor von 39% auf nunmehr 60%“( Terra Erdkunde SII, 262). Der tertiäre Sektor teilt sich in drei Bereiche: 1. Öffentliche Dienstleistungen wie Gebietskörperschaften, Sozialversicherungen und andere Organisationen ohne Erwerbscharakter. 2. Private produktionsorientierte Dienstleistungen wie Rechts- und Steuerberatung, Immobiliengewerbe, Kredit- und Versicherungsgewerbe und Verlagswesen. 3. Sonstige Dienstleistungen wie Groß- und Einzelhandel und Verkehrswesen. Die Ansiedlung solcher Dienstleistungen hängt im Revier vom Standort ab. Dabei wird auf Bevölkerungszahl und den Grad der Zentralität der Stadt geachtet. Überproportional stark vertreten, sind Dienstleistungsunternehmen in den Oberzentren der Hellwegzone. Im Bereich der Emscherzone dagegen in der Regel eher weniger stark. Einen besonders hohen Stellenwert im tertiären Sektor nehmen dabei die Städte Dortmund und Essen ein (Abb. 3+4, siehe Anhang). Von den hundert größten Unternehmen in Deutschland haben elf ihren Firmensitz in Essen. Außerdem ist Essen Universitätsstadt, Sitz zahlreicher Forschungsinstitute, mehrerer Gerichte und anderer Behörden. Heute kann man sagen, daß es zwar immer noch zu viele Arbeitslose im Ruhrgebiet gibt und der Strukturwandel noch lange nicht beendet ist, aber es hat sich schon viel getan: Die Lebensqualität wurde verbessert und man hat es geschafft neue Unternehmen zu etablieren. 7. Fazit Das Ruhrgebiet ist ein in den letzten 2 Jahrhunderten gewachsener Ballungsraum. Groß geworden durch die Montanindustrie, die sich die Bodenschätze und die Verkehrslage des Reviers zu Nutzen machte, wurde die Monostruktur dieser Region ab den 60er Jahren zu einem Strukturproblem, das eine tiefe Krise mit sich brachte. Der nun einsetzende Strukturwandel kostete vielen Menschen die Arbeit und brachte neue Probleme mit sich. Doch die Anstrengungen zeigen heute, daß es sich lohnt. Die Lebensqualität konnte entscheidend verbessert werden. Neue Industrien kommen ins Ruhrgebiet, die viele neue Arbeitsplätze versprechen. Die Verkehrsinfrastruktur konnte verbessert werden. Insgesamt kann man sagen, dass sich das Image verändert hat: weg von Kohle und Stahl, hin zu neuen Technologien, die eine sichere Zukunft versprechen. Trotzdem ist der Strukturwandel noch lange nicht beendet. Es gibt immer noch zu wenig Ersatzarbeitsplätze für die Arbeitnehmer aus der Montanindustrie. Die hohe Seite 13 Arbeitslosigkeit drückt auf den Geldbeutel der Städte und verhindert so Umstrukturierungsmaßnahmen, die neue Arbeitsplätze schaffen könnten. Aber der Strukturwandel hat sich insgesamt gelohnt und wird es auch weiter tun. Die Menschen und die Wirtschaft dieser Region haben sich geändert und somit bewiesen, daß sie auch in der Zukunft ein starkes Stück Deutschland sein wollen. Seite 14 8. Anhang Abb. 1 0,8 25,5 Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor 73,8 Abb. 2 Seite 15 Beschäftigte nach Wirtschaftsbereichen in ausgewählten Städten des Ruhrgebiets, 1995 Abb. 3 Dortmund 0,6 25,8 Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor 73,6 Abb. 4 Essen 0,8 25,5 Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor 73,8 Seite 16 9. Quellenangabe 2. Beschreibung der Lage Meyers grosses Handlexikon, Mannheim 1991, 16. aktualisierte Auflage, S. 720 W. Dege, Großraum Ruhr, Wirtschaft, Kultur und Politik im Ruhrgebiet, Kopenhagen 1969, 1972 deutsche Ausgabe von Friedr. Vieweg+ Sohn, GmbH, Verlag, Braunschweig, S. 1 f 3. Verkehrsinfrastruktur W. Dege, Großraum Ruhr, a. a. O. , S. 106 ff 4. Aufstieg des Ruhrgebiets zu einem industriellen Ballungsraum Chronik des Ruhrgebiets, Dortmund 1987, Chronik- Verlag in der Harenberg Kommunikation Verlags- und Mediengesellschaft mbH und Co KG, S. 71 f, 250 Hans Spethman, Das Ruhrgebiet, 1. Auflage November 1995, Klartext Verlag, Essen 1995, S 464 ff 5. Die Krise im Revier Chronik des Ruhrgebiets, a. a. O. 6. Der Strukturwandel Terra Erdkunde SII, Räume und Strukturen, Gotha 1999, Justus Perthes Verlag Gotha GmbH, S. 252 ff 8. Anhang Abb. 1+2: Chronik des Ruhrgebiets, a. a. O. , S. Abb. 3+4: Terra Erdkunde SII, a. a. O. , S. 262 Seite 17 10. Erklärung Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne Fremde Hilfe angefertigt und nur die in der Quellenangabe angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.