Übersicht 6 – Beispiele für Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
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Übersicht 6 – Beispiele für Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
AGB-Recht FREIE UNIVERSITÄT BERLIN Wintersemester 2012/2013 Niko Härting Vorlesung im Schwerpunktbereich www.haerting.de 6.02.2013 Übersicht 6 – Beispiele für Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam 1. (Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 bis 3 und § 356 zu leisten; "Der Vertrag kommt wahlweise durch schriftliche Bestätigung des Auftrags (Email, Fax, Brief) oder durch Versenden der Ware zu Stande" Bestellung von Kameras und Kamerazubehör auf einer Website (LG Leipzig, Urt. v. 04.02.2010, Az. 08 O 1799/09) 2. (Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält; „Der Käufer kann vier Wochen nach Überschreitung eines unverbindlichen Liefertermins oder einer unverbindlichen Lieferfrist den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen angemessener Frist zu liefern“ Klausel für Verträge über individuell zusammengestellte Einbauküchen (BGH, Urt. v. 25.10.2006, Az. VIII ZR 23/06) 3. (Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; "Ist die Durchführung einer Reise nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten für uns deshalb nicht zumutbar, weil das Buchungsaufkommen für diese Reise so gering ist, dass die uns entstehenden Kosten, bezogen auf diese Reise, nicht gedeckt sind, sind wir berechtigt, die Reise bis zu vier Wochen vor Reisebeginn abzusagen." Formularklausel eines Reiseveranstalters (LG Bamberg, Urt. v. 12.04.2011, Az. 1 O 218/10) 4. (Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz für Spareinlagen dieser Art, zur Zeit [handschriftlich eingefügt: 4] %, bei Beendigung des Sparvertrages auf die Summe der bis dahin vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen eine einmalige und unverzinsliche Prämie." Prämiensparvertrag aus dem Jahre 1991 (BGH, Urt. v. 10.6.2008, Az. XI ZR 211/07) 5. (Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen; "Die Teilnahme an HappyDigits erfolgt auf Grundlage der Allgemeinen Teilnahmebedingungen, die Sie mit Ihrer Karte erhalten und die Sie dann mit Ihrer ersten Aktivität, z.B. Sammeln, anerkennen." Klausel in AGB, die der Betreiber eines Kundenbindungs- und Rabattsystems für Verträge mit Verbrauchern über die Teilnahme an dem System verwendet. (BGH, Urt. v. 11.11.2009, Az. VIII ZR 12/08) „Die vom Verwalter erstellte Jahresabrechnung gilt gegenüber dem Verwalter als genehmigt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht innerhalb von 4 Wochen nach Vorlage Einwendungen erhebt.“ Klausel in einem WEG-Verwaltervertrag (OLG München, Beschl. v. 25.9.2008, Az. 32 Wx 118/08) 6. (Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; „Einwendungen bezüglich der Abrechnung der Visa-Card sind unverzüglich geltend zu machen; unterlässt der Vertragspartner dies, so gilt die Kreditkartenabrechnung als genehmigt.“ Klausel eines Kreditkartenvertrages (LG Berlin, Urt. v. 4.3.2010, Az. 37 S 6/09) 7. (Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann; „Bei Kündigung des Vertrages vor Produktionsbeginn ist eine Pauschalvergütung in Höhe von 30% des vereinbarten Preises zu zahlen.“ Vertrag über den Einbau eines Treppenlifts (OLG Hamm, Urt. v. 10.11.2009, Az. I-19 U 34/09, 19 U 34/09) 8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten „Die von Y.D. erbrachte Vermittlungsleistung ist davon abhängig, dass sich geeignete Gastfamilien und Gastschulen ohne Gegenleistung freiwillig zur Aufnahme der Gastschüler bereiterklären. Es liegt damit außerhalb des Leistungsvermögens von Y.D. ob die Partnerorganisation rechtzeitig vor der vorgesehenen Abreise eine genügende Anzahl geeigneter Gastfamilien und Gastschulen im vorgesehenen Aufnahmeland findet. Es ist daher möglich, dass die Vermittlung des Gastschülers in eine geeignete Gastfamilie oder Gastschule im vorgesehenen Aufnahmeland nicht gelingt. Einen solchen Fall hat es in der jahrzehntelangen Praxis von Y.D. bislang nicht gegeben. Sollte es aber der Partnerorganisation nicht möglich sein, rechtzeitig vor der vorgesehenen Abreise eine Platzierung in dem Aufnahmeland vorzunehmen, wird Y.D. sich bemühen, einen Platz im Programm einer Partnerorganisation in einem anderen Aufnahmeland anzubieten. Ist auch dies nach besten Kräften nicht möglich, so ist Y.D. zum Rücktritt von diesem Teilnahmevertrag berechtigt. Unbeschadet dessen sind in diesem Fall auch die Reisenden zum kostenfreien Rücktritt berechtigt... Bereits erbrachte Zahlungen werden ... zurückerstattet...“ Vertrag über die Vermittlung von Gastschulaufenthalten (LG Hamburg, Urt. v. 20.10.2009, Az. 312 O 173/09)