Torgefahr im Anzug
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Torgefahr im Anzug
Im Fußball gelingt Mario Gomez im Moment fast alles. Hier spricht er über Stil, Geld und seine Gefühle Chic aus Schwaben Gomez trägt auf allen Fotos die Frühjahrskollektion von BOSS Black, BOSS Selection – und seine eigene Uhr von IWC (Chronograph Top Gun Miramar) 82 Focus 16/2012 83 Herr Gomez, was ist härter – der Fußballer-Job oder der des Modelns? Wie fühlt sich das perfekte Tor an? Ganz klar ist’s vor der Kamera schwerer. Weil dort letztlich alles gestellt ist. Beim Fußball passiert alles aus der Situation heraus. Man muss nicht auf Knopfdruck lachen können oder abrupt ernst gucken. Verändert man sich charakterlich durch so einen gewaltigen Erfolg? Bastian Schweinsteiger hat Sie mal als sein modisches Stilvorbild bezeichnet. Hat er das gesagt? Ich glaube, das war einer seiner Scherze. Mode ist entgegen der Klischees null Thema bei uns. Wenn Jogi Löws babyblauer Kaschmirpulli bundesweit Thema ist – zieht ihn seine Mannschaft nicht auf? Nein, den Trainer veräppelt man nie. Das ist eine Sache des Respekts. Mit Louis van Gaal kamen Sie nicht immer klar. Dabei schwärmte er, Sie hätten einen „Körper wie ein Gott“. Glücksgefühle: Freude, Emotion, Stärke. Sicher. Fußball ist finanziell ein Riesengeschäft, mittlerweile auch Showgeschäft. Da so zu bleiben, wie man von Jugend an ist, ist schwierig. Aber ich denke nicht, dass gerade Fußballer völlig durchdrehen. Ein 20-jähriger Schreiner würde sich bei so viel Geld auch ein tolles Auto kaufen. Deswegen muss man sich nicht als Mensch verändern. Der Schriftsteller Albert Camus sagte: „Nirgendwo lernt man so viel über Moral und Werte wie im Fußball.“ Hat er Recht? Ja, zum Beispiel beim Thema Integration ist der Fußball eine Art Vorreiter geworden. Bei einem Mannschaftssport muss man als Team Visionen verfolgen. Natürlich versucht jeder Spieler darüber hinaus, für sich das Beste herauszuholen. Fällt es schwer, auch mal zurückzustecken? Na ja, das hat er ja nicht sportlich gemeint. Ich selbst sehe das auch nicht so. Es gibt Spieler, deren Körper besser definiert sind. Die tun auch mehr dafür als ich. Sicher. Gerade Kommentare hätte man oft auf der Zunge, aber die werden einem heutzutage wochenlang um die Ohren geschlagen. Vor allem durchs Internet verfolgen einen Sprüche ja ewig. Stimmt’s, dass Sie gern Yoga üben? Bereuen Sie Sachen, die Sie gesagt haben? Yoga haben wir während der WM gemacht. Privat finde ich Pilates ganz lustig und entspannend. Nein. Ich bin auf dem Platz sicher aufbrausend, aber vor den Kameras halte ich mich schon zurück. Wer beim FC Bayern bringt die größte Kosmetiktasche mit in die Kabine? Ist das der Spanier in Ihnen, der bei emotionalen Momenten durchbricht? Man lernt ganz früh beim Fußball: Was in der Kabine passiert, bleibt in der Kabine. Eher der grundsätzliche Ehrgeiz. Woran zeigt sich Ihre eigene Eitelkeit? Ich nehme täglich eine gute Gesichtscreme wegen meiner trockenen Haut. Das ist eher Sinn für Zweckmäßigkeit. Ich ziehe auch nichts an, nur weil es trendy ist. Ich habe immer den gleichen Stil – schlicht. Woran orientieren Sie sich beim Shoppen? Nach meinem eigenen Geschmack. Apropos Shoppen: Sie sammeln Vintage-Autos und fahren gern Motorrad? Sammeln ist aber übertrieben, ich habe nur einen Oldtimer. Ich finde 50, 60 Jahre alte Autos schön. Ein Traum wäre das 300er-SL-Flügeltüren-Modell von Mercedes. Einen Motorradführerschein habe ich nicht. Aber ich liebe alte Motorräder. Wofür geben Sie sonst Geld aus? Ich esse gern und gut. Ich werfe mein Geld aber auch nicht aus dem Fenster. Sie gelten als einer der zehn teuersten Kicker der Welt. Fühlen sich solche Millionensummen nicht manchmal Schwindel erregend an? Mein Ziel ist nur, sehr erfolgreich zu sein. Ich habe eine Begabung für den Fußball mit auf den Weg bekommen, und will das Beste daraus machen. Ich versuche letztlich nur, den Ball ins Tor zu schießen. 84 Auf der Sonnenseite Mario Gomez Garcia, 26, wurde im schwäbischen Riedlingen geboren. Sein Vater ist Spanier, seine Mutter Deutsche. Bereits mit acht Jahren wollte Gomez Profi-Fußballer werden. Schon mal geheult nach einem verlorenen Spiel? Nein. Es gibt natürlich Momente, die anrühren. Aber minutenlanges Heulen? So einen Moment hatte ich noch nie. »Es gibt wohl keinen Fußballer, der nicht sensibel ist. Das ist keine Schwäche« Dramen wie der Selbstmord von Robert Enke oder die Depressionen von Sebastian Deisler waren öffentliches Thema: Wie sensibel darf ein Spitzenfußballer sein? Es gibt wohl keinen Fußballer, der nicht sensibel ist. Das ist keine Schwäche. Ohne Gefühle funktioniert nichts auf dem Platz. Aber wenn du mit Druck nicht umgehen kannst, fällt es schwer, Top-Leistungen zu bringen. Wenn du über Probleme nicht sprechen kannst, wird es noch schwieriger. Weil du dich selber runterziehst. Focus 16/2012 Focus 16/2012 85 Bei jemandem, der so im Mittelpunkt steht wie Sie, sind die Reaktionen extrem: von großem Lob bis zu Schmähgesängen. Wie gehen Sie damit um? Im Moment der Kritik trifft einen so etwas. Aber ich bin Profi-Fußballer, seit ich 18 war. Meine Karriere ging meist nach oben, zweimal ging es brutal nach unten. Ich hatte diese schwierige Zeit im Nationalteam, als ich nicht so glücklich gespielt habe: Ich bekam den Kopf nicht frei, die Leute nörgelten. Solche Phasen härten ab. Ich werde immer polarisieren. Ich bin bei Bayern, bin Stürmer, da werde ich immer Kritik abbekommen. Wichtig ist nicht, was die Leute denken, sondern ob ich Spaß an meinem Job habe. Entspannt erfolgreich Gomez führt die Liste der Torschützen in der Bundesliga an. Bei seinem Wechsel vom VfB Stuttgart zum FC Bayern im Jahr 2009 flossen 30 Millionen Euro – der teuerste Transfer in der BundesligaGeschichte. Seit 2011 hat er einen Stammplatz in der Nationalmannschaft Wie gehen Sie mit der permanenten medialen Beobachtung um? Das ist Teil meines Lebens, kein Problem. Wäre ein so öffentliches Leben wie das von David Beckham für Sie vorstellbar? Schwierig. Ich bleibe gern privat. Ich muss mein Privatleben nicht öffentlich dokumentieren. Das Leben ist schon durchleuchtet genug. Ich wäre eher froh, wenn mich die Leute nach meiner Fußballkarriere nicht mehr erkennen. Wann haben Sie zuletzt richtig gefeiert und einen über den Durst getrunken? Silvester. Das gehört auch dazu. Aber ich trinke während der Saison keinen Alkohol, nur in der Sommer- und Winterpause. Sind Sie mit anderen Spielern befreundet? Mit einigen, zum Beispiel mit Sami Khedira, Andi Ottl, Holger Badstuber, Jerome Boateng. Viele sind es nicht, weil wir ja ohnehin mehr mit den »Ich werde immer polarisieren. Ich bin bei Bayern, bin Stürmer, da werde ich immer Kritik abbekommen« Mitspielern als mit Freundin und Familie zusammen sind. Da bin ich froh, wenn ich die Fußballwelt auch mal hinter mir lassen kann und zu Hause bin. Was machen Sie dann so? An meinem letzten freien Tag bin ich zu meinen Eltern gefahren. Ich bin supergern dort. Sagt Ihnen Ihre Mutter eher „Junge, ich bin stolz auf dich“ oder „Jetzt räum mal endlich deine Sachen auf!“? 86 Focus 16/2012 87 Beides. Wobei sie nicht jeden Tag sagen muss, dass sie stolz auf mich ist. Sie kann stolz auf sich sein. Meine Eltern haben einen großen Anteil an meinem Erfolg. Ihr Opa ist Olivenbauer in einem kleinen Dorf in Südspanien. Haben Sie die dortige Mario-Gomez-Straße selbst eingeweiht? Leider nicht. Aber das ist auch nicht spektakulär dort: Die Straße besteht nur aus drei Häusern. Zwei gehören meinem Opa. Aber der ist mächtig stolz auf mich. Gab es Zeiten, in denen Ihre Familie an Ihrer Berufswahl zweifelte? Nein. Mein Daddy ist ja Handwerker, aber es gab nie ein Drängen von ihm, dass ich ein Handwerk lernen soll. Ich habe mein Fachabitur gemacht, »So lange meine Beine mich tragen, werde ich Fußball spielen« während ich schon Profi wurde. Ich wusste, die nächsten zehn Jahre würde ich im Profisport bleiben – wenn nichts gewaltig schiefgeht. Wenn’s gut läuft, spielen Sie noch gut zehn Jahre. Was wäre danach eine Option? Vielleicht Management, Marketing. Wirtschaft interessiert mich. Fußball ist so schnelllebig, heute weißt du nicht, was morgen ist. Aber ich will nicht viel überlegen. So lange meine Beine mich tragen, werde ich Fußball spielen. Gehen Sie vielleicht noch nach Spanien? Ja, wenn ich irgendwann der Mannschaft nicht mehr weiterhelfen kann, wenn ich zu alt bin, wenn es nicht mehr reicht für Bayern. Aber momentan habe ich nicht vor, etwas anderes zu machen. Was die Zukunft angeht: Mit Ihrer Freundin sind Sie seit Jahren zusammen. Woran liegt es, dass sich viele Fußballer so jung binden? Man wird Profi-Fußballer mit etwa 18 Jahren, dann beginnt die weite Reise: Du bist alle drei Tage ein, zwei Nächte von zu Hause weg, hast kein richtig geregeltes Leben. Da sehnt man sich nach Geborgenheit – nach Frau, Kindern. Viele Schauspieler, Musiker sagen, dass sie berühmt werden wollten, um Frauen zu erobern. Ist das bei Fußballern ähnlich? Ich glaube nicht. Ich wollte mit acht Fußballer werden – da habe ich kein bisschen an Mädchen gedacht. Interview: E. Hartmann-Wolff / M. Schaertl VISIT OUR ONLINE SHOP WWW.MARC-O-POLO.COM 88 Focus 16/2012