Freie Netze zwischen Chancen und Risiko

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Freie Netze zwischen Chancen und Risiko
Freie Netze zwischen Chancen und Risiko
Lorenzo Marazzotta
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Inhalt des Vortrages
I.
Provider und freie Netze
IV. Geschichte des Internet-Haftungsrechts
VII.Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
X.
Strafrechtliche Verantwortung des Providers
XIII.Chance oder Risiko: Rechtlich immer noch ein Risiko
Lorenzo Marazzotta
09.05.06
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I.
Provider und freie Netze
A.
Freie Netze
-
Freie Funknetze: Sind WLAN-basierte Funknetze, die nicht von kommerziellen Anbietern,
sondern von Privatpersonen angeboten werden.
-
Technik: Mehrere Wireless Access Points werden miteinander verbunden und bilden ein Intranet,
dass über einen Internetprovider mit dem Internet verbunden werden kann.
-
Ziel: • Freie und alternative Netzinfrastruktur, zusätzlich zur vorhandenen
Netzinfrastruktur der grossen Internet Service Provider.
• Schaffung von kostengünstigem Computernetzwerk, von Heimnetzwerken bis
zu WMANs (Wireless Metropolitan Area Networks).
-
Rechtliches:
•
Wenig eingschlägige und konsistente Gerichtspraxis.
• KOBIK, aber Bekämpfung der Internetkriminalität hat nur z. T. mit freien Netzen
zu tun. Freie Netze können aber kriminelle Machenschaften erleichtern.
•
•
•
grosse Rechtsunsicherheit vorhanden
Risiken für Betreiber der Freien
Netze.
Art. 4 Abs. 2 FMG: Meldepflicht an das BAKOM, Ausnahmen in Art. 2 FDV
(kleinräumige Netze, bzw. geschlossene Netze).
Baubewilligungspflicht für Infrastruktur?
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I.
Provider und freie Netze
B.
Internetprovider
-
Definition: Als Provider wird ein Anbieter von Telekommunikationsdienstleitungen verstanden.
Besitzt der Provider ein eigenes Kommunikationsnetz gilt er als Netzbetreiber.
Traffic – Provider (Netzwerkbetreiber)
•
Access – Provider (Zugangsvermittler)
Service – Provider (gehostete oder eigene
Inhalte)
- Wer ein freies Netz betreibt ist rechtlich gesehen ein Provider. Das hat für ihn
rechtliche Konsequenzen.
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Dauerbrenner „Haftung“.
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II. Geschichte des Internet-Haftungsrechts
•
1991:
Telekiosk (156er Nummern der PTT)
Verurteilung des PTT
Generaldirektors wegen Gehilfenschaft zu Pronographie (BGE 121 IV 109).
•
1990-2000:
Strafbarkeit der Presse
(Art. 27 und 322bis StGB).
•
1998:
Rundschreiben Bundespolizei zur Sperrung von Websites mit rassistischen
Inhalten. Hinweis, dass die Ermöglichung des Zugangs zu solchen Websites
nicht nur als Gehilfenschaft interpretiert würde, sondern als Haupttat.
Strafbarkeit der Medien.
•
2003:
Expertenkommission „Netzwerkkriminalität“
(viele kritische Stimmen).
•
2003:
KOBIK geht online: Monitoring / Clearing / Analyse.
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Vorentwurf Revision StGB
II. Geschichte des Internet - Haftungsrechts
•
2005:
Schweizer Vertretung der International Producers of Phonograms and Videograms
droht in Rundschreiben straf- und zivilrechtliche Schritte gegen Internetprovider an.
unrealistische Vorstellungen über die Möglichkeiten von Internetprovider können,
falls nicht Gegensteuer gegeben wird, zu, für die Realisierbarkeit freier Netze,
fatalen Schranken führen.
Ohnmacht des Staates über die freie Nutzung des Internets durch Straftäter schlägt auf
die Provider zurück. Davon sind auch die Betreiber freier Netze betroffen.
immerhin: E-Commerce Richtlinie 2000/31 EG: Internet - Zugangsanbieter sind nicht
verantwortlich für die Inhalte bzw. für die übermittelten Informationen.
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III. Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
A.
Ausgangslage
•
Zivilrechtliche Verantwortlichkeit ist in der Schweiz bisher weitgehend ungeklärt (Praxis
und Lehre fehlen)
alles ist immer noch sehr „strafrechtslastig“.
•
Im Vordergrund stehen die Verletzung:
• von Immaterialgütern;
• der Persönlichkeit;
• der Wettbewerbsrechte (z.B. unlauteres Verhalten durch Spamming);
• der Vermögensrechte (Internetbetrug etc.).
•
Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche dominieren
ein Druckmittel.
•
Provider ist oft das einzige Haftungssubjekt.
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zivilrechtliche Haftung ist
III. Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
B.
•
OR 41
Wiederrechtlichkeit:
•
Verstoss gegen eine Norm, welche absolute Rechte der geschädigten schützt oder
Verstoss gegen eine Norm, welche den Zweck hat, Schäden der eingetretenen Art
zu verhindern.
•
also hier:
→ Verstoss gegen Urheberrechtsgesetz;
→ Verstoss gegen Markenschutzgesetz;
→ Verstoss gegen UWG;
→ Verstoss gegen Datenschutzgesetz;
→ Verstoss gegen das Persönlichkeitsrecht;
→ Verstoss gegen das Vermögensstrafrecht;
→ Verstoss gegen Art. 322 bis VE – StGB.
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III. Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
•
Verschulden:
•
Zivilrechtliche Haftung geht weiter wie strafrechtliche Haftung, da Fahrlässigkeit zur
Haftungsbegründung in der Regel genügt.
•
Vorsatz oder Fahrlässigkeit
„Konnte der Provider eine mögliche Schädigung eines Dritten erkennen bzw. hätte er sie
bei pflichtgemässem Handeln erkennen können?
•
Ist ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Handlung erforderlich?
•
Garantenstellung des Providers?
•
Gefahrensatz: Pflicht zum Eingreifen, wo ein gefährlicher Zustand geschaffen oder
unterhalten wird.
•
Richtig:
Konnte die Schädigung nach der branchenüblichen Sorgfalt
vorausgesehen werden?
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III. Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
•
Kausalzusammenhang:
• Adäquater Kausalzusammenhang: Jede Ursache ist haftungsbegründend, die nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung geeignet ist, den
eingetretenen Erfolg zu bewirken oder wesentlich zu begünstigen.
•
Art. 50 Abs. 1 OR: Auch Gehilfen haften.
•
Adäquater Kausalzusammenhang beim Accessprovider nicht mehr gegeben
aber umstritten.
•
Schaden:
•
•
•
•
Durch den Geschädigten zu beweisen.
Vermögensschaden (Differenztheorie)
Unbill
Genugtuung
keine punitive damages in der Schweiz
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III. Zivilrechtliche Verantwortung des Providers
•
Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch:
•
Bei Verletzung des Marken-, Urheber-, Persönlichkeitsrechts und beim UWG.
•
Muss ein Provider alles tun?
•
Nein, nur das technisch Mögliche und Zumutbare.
•
Auch bei einem erst befürchteten Schaden?
BGH – Entscheid „Rolex vs. Riccardo“ ist sehr weitgehend und für die Schweiz
abzulehnen.
•
Provider hat keine allgemeine Kontroll- und Überwachungspflicht (vgl. Art.15
E-Commerce - Richtlinie).
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IV. Strafrechtliche Verantwortung des Providers
-
Achtung: Unternehmensverantwortlichkeit (Art. 100 quater – 100 quinquies StGB).
-
Unklare Rechtslage
-
Teilnahme des Provider an einer Straftat
„Gutachter – Streit“
Gehilfenschaft
Mittäterschaft
-
Grundsatz:
Access – Provider kann nicht für im Netz zirkulierende deliktische Inhalte
verantwortlich sein.
Art. 322 bis VE StGB und Art. 27 VE StGB
-
aber: Teilnahmepflichten an Ermittlung der Straftat.
insbesondere: - Meldepflicht strafbarer Handlungen, sonst Gehilfenschaft
- Art. 15 BÜPF: Aufbewahrungspflicht der Randdaten über die
Internetnutzung für 6 Monate.
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V. Chancen und Risiken
•
Freie Netze sind für unsere Gesellschaft und für unsere Mobilität eine Chance.
•
Freie Netze bieten Gewähr für Unabhängigkeit der Netze und tragen zum Datenschutz bei.
•
Freie Netze gehören in einen demokratischen Rechtsstaat.
•
Aber: Betreiber von freien Netzen haben rechtliche Pflichten. Nehmen sie diese nicht wahr, sind
freie Netze für deren Betreiber ein grosses Risiko.
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