Arbeitsberichte des Fachgebietes Systemanalyse und EDV
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Arbeitsberichte des Fachgebietes Systemanalyse und EDV
Arbeitsberichte des Fachgebietes Systemanalyse und EDV Herausgeber: Prof. Dr. Hermann Krallmann Forschungsgruppe Produktionsorientierte Wirtschaftsinformatik Gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit durch ein Groupware-basiertes Projektcontrollingsystem Dipl.-Ing. Berndt Förster, Adtranz Corporate Center Berlin Dr.-Ing. Norbert Gronau, Technische Universität Berlin Februar 1997 Bericht PWI 97-2 erschienen in englischer Sprache im Tagungsband der 3. Internationalen Konferenz Wirtschaftsinformatik 1997 Technische Universität Berlin Fachbereich 13 - Informatik - Sekr. FR 6-7 Franklinstr. 28-29 D-10587 Berlin Tel. (030) 314-25 118 Fax (030) 314-22 357 E-Mail: [email protected] Gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit durch ein Groupware-basiertes Projektcontrollingsystem Berndt Förster, ABB Daimler-Benz Transportation GmbH, Corporate Center Berlin und Norbert Gronau, Technische Universität Berlin Unternehmensweite Informationssysteme auf Groupwarebasis erleichtern die Bearbeitung komplexer Vertriebsaufgaben und liefern dem Management grundlegende Angaben für die strategische Unternehmensplanung. Am Beispiel des projektorientierten Vertriebs von Schienenverkehrssystemen werden zwei erfolgreich eingeführte GroupwareInformationssysteme vorgestellt. Im Januar 1996 gingen AEG Bahnsysteme und der Verkehrsbereich von ABB ein joint venture ein und wurden zu Adtranz, dem nunmehr weltgrößten Anbieter von Schienenverkehrssystemen im Nah- und Fernverkehr. Die beiden Unternehmen unterschieden sich in ihrer Organisationsstruktur erheblich. Während AEG zentral organisiert war und alle Vertriebsaktivitäten von der Zentrale in Hennigsdorf bei Berlin gelenkt wurden, bestand die Transportation-Sparte von ABB aus vielen rechtlich selbständigen Einheiten, die als Fertigungsstätte, als Vertriebsorganisation oder als Dienstleister (z.B. EDV-Dienstleistungen) aufgebaut waren. Das Management von Adtranz stand vor der Aufgabe, durch eine Neuorientierung der Geschäftsprozesse einen einheitlich am Markt auftretenden Anbieter zu formieren, um die Synergieeffekte aus dem joint venture zu nutzen. Der Vertrieb von Schienenverkehrssystemen ist fast ausschließlich Projektgeschäft. Daher hat das Controlling dieser Projekte eine existenzsichernde Bedeutung für Adtranz. Das Controlling umfaßt dabei die Bereiche ? ? ? ? ? ? ? Marktbeobachtung Produktspektrum überprüfen Projektverfolgung Kosten/Erlössituation Vergleich zu Wettbewerbern Vergleich einzelner Business Units Überwachung der Zielvorgaben. Jedes der beiden Unternehmen hatte zum Zeitpunkt des joint ventures eine beinahe vollständige Produktpalette von Schienenverkehrssystemen für den Nah- und Fernverkehr. Sie umfaßte u.a. Lokomotiven, elektrische und Dieseltriebwagen, Straßenbahnen und U-Bahnen, Bahnstromversorgung, Customer Support und Signaltechnik. Die Weiterentwicklung paralleler Produkte gerade bei den Schienenfahrzeugen ist angesichts des harten Wettbewerbs auf diesem Markt nicht vertretbar. Daher muß für eine Entscheidung, welche Produkte weiterentwickelt werden, auch der Erfolg dieser Produkte in den letzten Jahren herangezogen werden. Wesentliche Aufgabe des in der Holding angesiedelten Group Controlling ist die Aufstellung und Anpassung der mehrjährigen Unternehmensplanung. Indikatoren dafür sind zum einen die Marktentwicklung und zum anderen die zu erwartenden Erlöse aus Projekten, die sich gegenwärtig in der Akquisitionsphase befinden. Eine ausführliche Darstellung des Akquisitionsprozesses findet sich in [1]. Der Vergleich zu Wettbewerbern ist von Interesse, um sich ein Bild von den spezifischen Stärken und Schwächen der anderen Anbieter machen zu können. Der Vergleich mit den Wettbewerbern beeinflußt die Entscheidung, welche Regionen bearbeitet werden, welche Marktsegmente im Vordergrund stehen und ob ein Akquisitionsprojekt weiter bearbeitet wird oder ob diese Aktivitäten eingestellt werden. Der Vergleich des Projektvolumens der einzelnen Business Units liefert Aussagen darüber, ob die organisatorische Abgrenzung ausreichend leistungsfähige und starke Business Units geschaffen hat. Auch für eine detaillierte Kosten- und Erlösplanung ist eine Abgrenzung nach Business Units und nach zahlreichen weiteren Kriterien erforderlich. Die Überwachung der Zielvorgaben ist die wichtigste Aufgabe des Group Controlling. Da das Projektgeschäft in einzelnen Märkten starken Schwankungen unterworfen ist (so wurden z.B. in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1975 und 1985 nur sehr wenige Elektrolokomotiven verkauft), muß das Management solche sich anbahnenden Schwächen schnell erkennen können. Notwendige Maßnahmen sind die Ausweitung von Aktivitäten in Märkten, die steigende Tendenzen aufweisen. Vorläufersystem Vorläufer des hier beschriebenen Projektcontrolling-Systems ist ein dezentrales Informationssystem für Marketing und Vertrieb von Schienenfahrzeugen (DIVA), das die Technische Universität Berlin für AEG entwickelte. Mit diesem Projekt, das von Dezember 1994 bis Oktober 1995 dauerte, wurde bereits ein für AEG neuer Weg beschritten: Erstmals wurde in größerem Umfang eine Groupwareanwendung unter Lotus Notes im Vertrieb eingeführt [2]. Ziel der Entwicklung von DIVA war es, die Informationsversorgung von Marketing und Vertrieb entlang des Geschäftsprozesses „Projektakquisition“ zu unterstützen. Die Phasen eines Akquisitionsprojektes spiegeln eine Kombination von Marketingaufgaben und Vertriebsaufgaben wider. Diese Aufgaben werden weitgehend von denselben Mitarbeitern durchgeführt, so daß von einer organisatorischen Verknüpfung von Marketingaktivitäten und Vertriebsaktivitäten gesprochen werden kann. Präakquisitionsphase Akquisitionsphase Präqualifizierungs phase Angebotsphase Nachverhandlungen Abb. 1: Phasen des Geschäftsprozesses Projektakquisition. DIVA leistet für die Projektakquisition folgende Unterstützung: In der Präakquisitionsphase findet eine Marktbeobachtung statt. Durch das Sichten regionaler Quellen wird überprüft, ob sich auf dem beobachteten Markt ein Bedarf an Investitionsgütern abzeichnet. Diese Phase gibt den Anstoß zu einem Vertriebsprojekt, wenn die Marktbeobachtung positiv endet. In diesem Fall wird dann die Akquisitionsphase angestoßen. Die Marktbeobachtung ist eine ständige Aufgabe der Vertriebsmitarbeiter im Außendienst. In dieser Phase werden Informationen über den Markt bzw. das Land im DIVA-Modul „Märkte“ gespeichert. Dazu gehören Wirtschaftsdaten ebenso wie Finanzierungsmöglichkeiten sowie ggf. Informationen über das politische System. Sofern einzelne Kunden bereits jetzt zu identifizieren sind, sind Informationen über wichtige Ansprechpartner des Kunden sowie eingesetzte Produkte im betrachteten Marktsegment erforderlich. Informationen über potentiellen Bedarf erschließen sich durch Medienberichte und Ergebnisse persönlicher Gespräche der Außendienstmitarbeiter bei Kundenbesuchen. In der Akquisitionsphase werden die potentiellen Kunden mit Informationen über das Investitionsgut versorgt. Ziel ist es, den Kunden zu einer Ausschreibung zu veranlassen, die Konditionen der Ausscheibung zu beeinflussen und das eigene Unternehmen an dieser Ausschreibung zu beteiligen. Die Dauer dieser Phase hängt vom Verhalten des jeweiligen Kunden ab und ist daher nur schwer zu bestimmen. In der Praxis werden Werte zwischen sechs Monaten und zehn Jahren erreicht. Das Vertriebsteam muß auf bereits abgewickelte vergleichbare Projekt zurückgreifen können. Da insbesondere bei Auslandsaufträgen häufig ein bestimmter Anteil an lokaler Planung bzw. Fertigung angestrebt wird, sind Informationen über entsprechende Fertigungsstrukturen und Beratungspartner erforderlich. Diese Informationen enthält das DIVA-Modul „Kunden“. Um ein Angebot abgeben zu können, ist es häufig erforderlich, die Qualifikation als Anbieter unter Beweis zu stellen, um zur Ausschreibung zugelassen zu werden (Präqualifikationsphase). Weiter ist es erforderlich, möglichst früh die Ausschreibungsbedingungen zu erfahren, um sie zu beeinflussen und sich darauf vorbereiten zu können. Die Dauer dieser Phase ist wegen der Vielzahl der externen Einflüsse wiederum schwer zu bestimmen. In der Ausschreibungsphase steht das Vertriebsteam unter hohem Zeitdruck, da die Fristen bis zur Abgabe der Angebote sehr kurz sind und drei Monate nur selten überschreiten. In dieser Phase ist es erforderlich, den Leistungsstand und Funktionsumfang der vom eigenen Unternehmen hergestellten Produkte in möglichst gute Übereinstimmung mit den technischen und kommerziellen Anforderungen der Ausschreibung zu bringen. Zudem ist eine möglichst genaue Kalkulation des Angebotes erforderlich, um einerseits konkurrenzfähig zu bleiben, andererseits aber auch einen ausreichenden Deckungsbeitrag bei Auftragserteilung zu erzielen, Risiken zu erkennen und zu begrenzen. Informationen über Akquisitionsprojekte werden im Modul Projekte von DIVA gespeichert. Zusätzlich ist in der Präqualifikationsphase eine detaillierte Kenntnis der eigenen Produkte erforderlich. Daneben werden alle Informationen der vorigen Phasen in z.T. stärkerer Detaillierung weiter genutzt. In dieser Phase werden Kalkulationsinformationen aus entsprechenden Datenbeständen bzw. betriebliche Auswertungen hinzugezogen. Aufgrund der Dokumentenorientierung von Lotus Notes können alle derartigen Berichte und Dokumente mit Bezug zum jeweiligen Projekt zur Verfügung gestellt werden. Nach Abgabe der Angebote wird der Auftraggeber typischerweise nachverhandeln, um mit den günstigsten Anbietern bessere Konditionen zu erzielen und um ggf. technische Rahmenbedingungen zu ändern. Je nach Dringlichkeit der Auftragsvergabe kann diese Phase zwischen einer Woche und mehreren Monaten dauern. In der Abschlußphase ist eine schnelle Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Vertriebsteam erforderlich, um Verhandlungsspielräume und Zwischenergebnisse weitergeben zu können. Hier leistet DIVA eine wesentliche Hilfe, da es über eine eingebaute e-Mail-Funktion verfügt und auch vom entfernten Standort über Telefon Datenbanken eines Servers am Firmensitz abgefragt werden können. Zusätzlich enthält DIVA eine Info-Datenbank, die alle im Unternehmen verfügbaren Informationsquellen sowie ausgewählte Online-Datenbanken aufführt und nach relevanten Stichworten (deutsch/englisch/französisch) anbietet. Erfahrungen bei der Entwicklung und der Nutzung von DIVA Der maßgebliche Erfolgsfaktor bei Informationssystemen im Vertrieb ist die Akzeptanz des neuen Systems durch die Benutzer. Da die Konzeption des System nicht mit organisatorischen Veränderungen einhergeht, sollen die Mitarbeiter den Wert des System bei ihren täglichen Aktivitäten unmittelbar und ohne langfristige Einarbeitung erkennen. Dies ist jedoch nur bei einem partizipativen Vorgehen möglich. Partizipation bedeutet Teilhabe. Als partizipative Systemanalyse wird eine solche Systemgestaltung verstanden, an der die später vom Einsatz des Systems Betroffenen während der ganzen Entwicklungszeit beteiligt sind [3]. Die mit dem Begriff Partizipation verknüpften Inhalte der Benutzerbeteiligung sind sehr vielschichtig und reichen von der einfachen Information der Beteiligten bis zur Entscheidungsgewalt in der Projektgruppe und als ideale Endstufe zum autonomen Design. Als Gründe für die Verfolgung eines partizipativen Ansatzes werden u.a. genannt [4] ? die Berücksichtigung des Fachwissens und der Erfahrung der Anwender, ? die Einbeziehung neuer Arbeitsträger, da Experten rar und teuer sind, ? die Akzeptanzsteigerung bei den Anwendern durch aktives Erleben des Entwicklungsprozesses und ? die gesteigerte Bedeutung der Anwender, die heute vermehrt auch gleichzeitig Auftraggeber sind Im DIVA-Projekt wurde eine umfassende Partizipation der späteren Benutzer durch die Einrichtung von Modularbeitskreisen erreicht. Im wöchentlichen Turnus wurden in einer kleinen Gruppe aus Anwendern und Entwicklern die Konzeotion und Realisierung von DIVA besprochen. Nach Fertigstellung des Prototypen wurden statt der Modularbeitskreise Workshops eingerichtet, um Neuerungen einem breiteren Anwenderkreis vorzustellen und um Fragen, Ergänzungen und aufgetretene Fehler zu diskutieren. Die effektivste Überzeugungsarbeit gegenüber skeptischen Kollegen im Workshop leisteten die Teilnehmer der Modularbeitskreise. Sie identifizierten sich in starkem Maße mit dem Prototyp. Häufig übernahmen sie die Diskussion und lieferten auch den Entwicklern somit wertvolle Einsichten in die betriebliche Praxis der Datenverarbeitung und Argumente gegen Bedenken. DIVA ist heute in einer mehrsprachigen Version mit deutschen bzw. englischen Masken, die auf die gleichen Daten zugreifen, im Einsatz. An fünf europäischen Standorten arbeiten etwa 120 Mitarbeiter von Adtranz mit DIVA. Die Entwicklung und Dokumentation von DIVA wurde mit Lotus Notes durchgeführt. Groupware-Entwicklung ist anders! Das Forschungsgebiet des CSCW (Computer Supported Cooperative Work) befaßt sich mit der Rechnerunterstützung kooperativen Arbeitens. Typisch für CSCW-Aufgaben ist die Ungewißheit, wann eine solche Aufgabe zu bearbeiten ist und ihre geringe Strukturiertheit. Ziel ist es, die Zusammenarbeit von Menschen durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik zu verbessern und sozialer zu gestalten [5]. Beiträge zu CSCW kommen aus verschiedenen Disziplinen. So tragen neben der Informatik und Wirtschaftsinformatik u.a. auch die Arbeitswissenschaften und die Psychologie zur Weiterentwicklung des Gebietes bei. Während im Bereich der Bürokommunikation vor allem Prozesse der Übertragung (Kommunikation) sowie der Verarbeitung und Speicherung von Informationen im Mittelpunkt stehen, werden im Rahmen von CSCW in erster Linie Aspekte der Zusammenarbeit und Koordinationsprobleme betrachtet, wobei Kommunikation als Mittel zur Realisierung der Koordination zwischen Aufgabenträgern angesehen wird. Durch die Koordination sollen „Reibungsverluste“, die sich in Form von Doppelarbeit, erhöhtem Suchaufwand, Wartezeiten, Mißverständnissen usw. ausdrücken, vermieden werden. Die Aufgabenträger sollen in die Lage versetzt werden, durch Koordination mehr zu leisten als der Summe der Einzelergebnisse entspricht. Eine der am weitesten verbreitete Anwendung im Bereich der Groupware ist Lotus Notes. Lotus Notes ist im Kern ein System zum Verwaltung von Dokumenten mit einem eingebundenen Mailsystem, das die Arbeit von Teams unterstützt [5]. Dazu bietet Notes die Möglichkeit, dem Benutzer verschiedene Anwendungen, wie z.B. Datenbanken, Diskussionen oder Electronic Mail, unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche auf unterschiedlichen Hardund Softwareplattformen zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklung von Groupwareanwendungen unter Lotus Notes unterscheidet sich grundsätzlich von der herkömmlicher Informationssysteme. Lotus Notes stellt alle grundlegenden Funktionen eines Informationssystems bereits zur Verfügung. Der Ablauf der Entwicklung von Groupware-Informationssystemen bei Adtranz ist in Bild 2 dargestellt. Abgrenzung des Untersuchungsgebietes Modulabgrenzung Beteiligung der Benutzer Eigenschaften der Informationseinheiten festlegen Eingabeprozeduren festlegen Systemoutput (Dokumentlayout, Ansichten, Export) festlegen Workflow-Prozeduren festlegen Systemfreigabe und verteilung Zugriffskonzept erstellen Bild 2: Ablauf der Entwicklung von Groupware-Informationssystemen Tabelle 1 zeigt die Unterschiede zwischen einer herkömmlichen Informationssystementwicklung und der Realisierung eines Groupwaresystems aus der Sicht des Entwicklungsteams. Tabelle 1: Vergleich von konventioneller und Groupware-Programmentwicklung Kriterium Entwurfsparadigma Zentralität des Programmcodes GroupwareInformationssystem Dokumentenorientierung objektbezogener Programmcode herkömmliches Informationssystem Datenorientierung compilierbarer, zumeist prozeduraler Programmcode in weiten Grenzen beeinflußbar Aufgabenverteilung zwischen Server und Client Abbildbarkeit relationaler Datenmodelle feststehend Dokumentation von Sourcecode und Eigenschaften Workaroundzeit automatisch, aber schwach strukturiert extrem kurz (über Nacht) Unterstützung des Vorgehensmodells „Prototyping“ Einspielen neuer Versionen und Anpassung des Datenmodells sehr gut je nach Projektorganisation Tage bis Monate begrenzt sehr einfach aufwendig mühsam manuell zu programmieren Referenzintegrität bei Verwendung geeigneter Entwicklungswerkzeuge sichergestellt manuell Dokumentenorientierte Systeme wie Lotus Notes erlauben und erzwingen eine andere Art der Aufbewahrung von Daten bzw. Informationen. Um die Unterschiede zu Informationssystemen, die auf relationalen Datenbanken basieren, zu verdeutlichen, werden für die Beschreibung der Groupware-Informationssysteme folgende Begriffe verwendet: Datenfelder in Notes sind zwar typbestimmt, aber insbesondere Textfelder haben keine feste Länge. Daher wurde statt des Begriffes Datenfeld der Begriff Informationseinheit für das kleinste trennbare Element einer Notes-Datenbank gewählt. Eine Informationseinheit kann eine Zahl, ein Wort, aber auch eine Tabelle, eine Grafik oder einen 30-seitigen Bericht enthalten. Ein Modul ist eine inhaltlich abzugrenzende Sammlung von Informationseinheiten zu einem bestimmten Thema, wobei die Abgrenzung in der Praxis auch durch implementierungstechnische Restriktionen beeinflußt wird. So unterscheidet DIVA die Module Kunden (alle kunden-, aber nicht projektbezogenen Informationen) und Projekte (alle projektspezifischen Informationen) und baut ein Verweissystem zwischen diesen beiden Modulen auf. Dieses Verweissystem erlaubt es, direkt von einem bestimmten Projekt zu den Daten des Kunden dieses Projektes zu springen und umgekehrt. Denkbar und prinzipiell möglich wäre es, Informationen von Projekten und Kunden in einem Modul zu verwalten. Dies wurde jedoch verworfen, weil das so entstandene Modul mit mehr als 400 Informationseinheiten nicht mehr handhabbar und pflegbar gewesen wäre. In der Praxis haben sich bisher keine gravierenden Nachteile aufgrund der Trennung zwischen Kundeninformationen und Projektinformationen gezeigt. Das zugrundeliegende Entwurfsparadigma ist nicht das der Daten und ihrer Manipulation, sondern das eines Dokumentes, das Informationen in verschiedenen Darstellungsarten enthält (Text, Tabellen, Grafiken u.ä.). Daher sprechen die Entwickler von DIVA bei der Konzeption von Groupware-Informationssystemen nicht von Datenfeldern wie bei herkömmlichen Systemen, sondern von Informationseinheiten, um diesen Unterschied zu verdeutlichen. Der Programmcode wird nicht zentral verwaltet, sondern den einzelnen Bausteinen und Elementen („Objekten“) der Datenbank zugeordnet. Es handelt sich zumindest in Release 3 von Lotus Notes noch nicht um eine echte Objektorientierung, da die Eigenschaften Abstraktion, Vererbung und Polymorphismus fehlen, die „echte“ objektorientierte Systeme auszeichnet [6, 7, 8]. Dagegen kann von einer Kapselung der Eigenschaften der einzelnen Dokumente durchaus gesprochen werden. Die Aufgabenverteilung zwischen den Clients und den Servern ist bei Groupwareanwendungen fest vorgegeben. Zu den stets vom Server zu erledigenden Aufgaben gehören die Nachrichtenspeicherung und -weiterleitung, die Herstellung von Verbindungen zu anderen Servern, das Abarbeiten von Wiedervorlage-Makros oder das Starten von News-Agenten. Die Clients übernehmen Aufgaben wie das Berechnen von Informationseinheiten in Dokumenten sowie die gesamte Präsentation der Informationen. Relationale Modelle sind in dokumentenorientierten Systemen mühsam und manuell abzubilden. Bei Verwendung geeigneter Datenbankentwicklungswerkzeuge kann diese Aufgabe bei der Entwicklung konventioneller Anwendungen hingegen automatisiert werden. Die verwendete Plattform Lotus Notes verfügt über eine automatische Dokumentationsfunktion, die jedoch keine Strukturierung zuläßt, sondern alle Eigenschaften aller Objekte eines Moduls hintereinander in einem Dokument darstellt. Um einen besseren Zugang zur Dokumentation zu haben und um Eigenschaften von Modulen wie etwa Makros oder Feldformeln mehrfach verwenden zu können, hat das Projektteam der TU Berlin ein Dokumentationswerkzeug entwickelt, das auch das Änderungsmanagement übernimmt (Abb. 3). Anwender Mail Replikation Kommunikation Helpdesk-Service Software-Freigabe und-verteilung Notes-Datenbanken Dokumentationswerkzeug Entwickler Spezifikation Aufwand Versionsverwaltung Dokumentation Styleguide Abb. 3: Dokumentationswerkzeug für Groupware-Anwendungen Die Workaround-Zeit, also die Zeitspanne zwischen Erkennen einer Anforderung und ihrer Realisierung und Einspielung ins Produktivsystem kann bei Lotus Notes extrem kurz gehandhabt werden. Im günstigsten Fall ist eine Änderung am Tag nach der Änderung bei allen Anwendern nutzbar. Diese sehr kurzen Workaround-Zeiten fördern den Gedanken der Partizipation und steigern so die Benutzerakzeptanz. Der Benutzer empfindet den Entwicklungsprozeß positiv, wenn die von ihm eingebrachten Anregungen schnell umgesetzt werden. Diese Erfahrung konnten wir im DIVA-Projekt mehrfach sammeln. Das Prototyping als mögliches Vorgehensmodell für die Erstellung von Informationssystemen wird durch ein von den Entwicklern der TU Berlin zur Verfügung gestelltes Werkzeug zur Aufwandsschätzung und Projektdefinition erleichtert. Dieses Werkzeug erweitert das Dokumentationswerkzeug um Funktionen zur Aufwandsschätzung und zur Diskussion der Systemeigenschaften mit den zukünftigen Nutzern. Konzeption von ASPI Im Zuge des joint venture zwischen ABB und AEG wurde rasch ein Projektcontrollingsystem benötigt, um Aufgaben der strategischen Planung für den neuen Konzern durchführen zu können. Der konzernweite Einsatz von Lotus Notes erleichterte die Entscheidung für ein Groupware-basiertes System. Bevor die Entwicklung begann, wurden die Geschäftsprozesse in der Holding analysiert und folgende zu unterstützende Tätigkeiten erkannt: ? Acquisition of Project Data ? Offering Financial Advice ? Planning Costs and Capacities ? Allocation and Pursuing of Projects ? Consolidating Balances and Tightening Reporting ? Supporting Tender Approval Process Das zukünftige Projektcontrollingsystem ASPI (Dezentrales Informationssystem Projektcontrolling) wird als eines der ersten Systeme für den weltweiten Einsatz in der Adtranz konzipiert. Abb. 4 zeigt die Nutzung von ASPI als Corporate Communication System. RTC 1 Controlling RTC 2 Finance RTC 3 Group Marketing DIS M&T ADtranz Branch Office RTC 4 RTC 5 Abb. 4: Nutzung von ASPI als Corporate Communication system. Als Vorläufer für weitere Groupwaresysteme zur Verbesserung der Information und Kommunikation innerhalb des Unternehmens sind klar definierte Anforderungen bezüglich Verantwortlichkeit, Management, weltweite Unterstützung und Weiterentwicklung festzulegen. Eine Untersuchung durch eine unabhängige Unternehmensberatung hat ergeben, daß derzeit keine Standardsoftware verfügbar ist, die die geforderten Belange von ASPI abdeckt. Insofern ist für Adtranz die Entwicklung eines solchen Werkzeugs auch aus der Sicht des Softwaremarktes gerechtfertigt. ASPI wird ein Monitoringsystem für das Projektcontrolling entlang des gesamten Geschäftsprozesses sein. Dazu gehören die Projektselektion und Projektgenehmigung und ein operatives Modul, das grundlegende Daten für Marketing und Vertrieb enthält. Ziel des Einsatzes von ASPI ist es, Kosten und Zeit des Projektcontrolling zu senken und gleichzeitig die Qualität und Kapazität der Projektsteuerung erheblich zu steigern. Um eine rasche Einführung im Unternehmen zu erreichen, sind die Erfahrungen aus DIVA bei der ASPIEntwicklung zu berücksichtigen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ASPI und DIVA zeigt Abb. 5. degree of detail of needed information # of regarded projects DIVA approach DIS approach Identified Tender Order End Project Life Cycle Abb. 5.: Systemkonzeptionen von ASPI und DIVA Während DIVA in der Phase der Identifikation und der Angebotsabgabe alle projektrelevanten Informationen abdeckt, beschränkt sich das Projektcontrollingsystem ASPI auf eine tiefe Abdeckung nur der Informationen, die zum Zeitpunkt der Identifikation notwendig und verfügbar sind. Dafür verfolgt ASPI ein Projekt über seine gesamte Lebensdauer, d.h. bis zum Ende der Auslieferung und der sich anschließenden Garantiephase. Zeitplan Abb. 6 zeigt den Zeitplan für die Einführung von DIVA und ASPI. Realisierung DIS-P Konzeption DIS-P Produktivstart DIVA international (englisch) Produktivstart DIVA deutsch Realisierung DIVA Konzeption DIVA 12 94 3 95 6 95 9 95 12 95 3 96 6 96 9 96 12 96 Abb. 6: Zeitplan Konzeption und Realisierung von ASPI lassen sich erheblich beschleunigen, weil aus der Entwicklung von DVA bereits zahlreiche Erfahrungen in den Ablauf des Projektes eingebracht werden konnten. Auch ist der Datenumfang von ASPI mit etwa 70 Informationseinheiten wesentlich geringer als der von DIVA, das allein im Modul Projekte über 250 Informationseinheiten pro Projekt verwaltete. Der geringere Umfang erlaubt es, mehr Sorgfalt auf die Anpassung des Systemoutputs an die Bedürfnisse der Benutzer zu verwenden. Aufwand und Nutzen Der gesamte Aufwand für die Realisierung von ASPI liegt bei etwa 0,4 Mio. ECU. Dem steht nach einer bei Adtranz durchgeführten Nutzenabschätzung eine Kostenersparnis von etwa 0,6 Mio. ECU pro Jahr nach Einführung von ASPI gegenüber. Die Nutzenwerte resultieren im wesentlichen aus folgenden Komponenten: ? ? ? ? ? Verringerte Zeit für die Angebotsbearbeitung Vermeidung von Doppelarbeit an verschiedenen Standorten Schnellere Aktualisierung der operativen Planung Verbesserter Überblick über Märkte und Marktanteile Verbesserung des Informationsflusses, Vermeidung von kostenträchtigen Schnittstellen und Medienbrüchen, Mehrfacharbeit ? Gezielte Ausrichtung und verbesserte Strategieplanung ? Beschleunigung der Genehmigungspraxis Durch die genannten Effekte hat sich die Einführung von ASPI bereits nach weniger als einem Jahr rentiert. Zusammenfassung und Ausblick ASPI wird das erste Informationssystem einer Familie von Groupware-Anwendungen für Marketing und Vertrieb von Investitionsgütern sein. So sind Module zum Produktangebot, zu den Märkten, zu den Kunden und Wettbewerbern sowie zu lokaler Fertigung und Consultants geplant. Die Realisierung weiterer Anwendungen hängt wesentlich vom Erfolg von ASPI ab. Allerdings zeichnet sich bereits in der Konzeptionsphase ab, daß der von Adtranz beschrittene Weg, konzernweite Informations- und Controllingsysteme auf Basis von Groupwareplattformen zu realisieren, sehr erfolgversprechend ist. Literatur [1] Aurich-Haider, A.; Gronau, N.: Distributed Management of Sales and Marketing in: Krallmann, H. (Hrsg.): PWI Working Paper 96-2. TU Berlin 1996 [2] Aurich-Haider, A, v.Bogdandy, C, Gronau, N.: Groupware-Einsatz in Vertrieb und Außendienst. CIM Management 11 (1995) 5, S. 26-32 [3] Frank, H.; Gronau, N.: Vorgehensmodell der Systemanalyse. In Krallmann, H.: Systemanalyse im Unternehmen. 2. Auflage München Wien 1995. [4] Peschke, H.: Betroffenenorientierte Systemanalyse. Prozess und Methoden der Entwicklung menschengerechter Informationssysteme. Frankfurt am Main Bern New York 1986 [5] Hasenkamp, U.; Syring, M.: CSCW- Computer Supported Cooperative Work. Bonn 1994. [6] Booch, G.: Object-Oriented Analysis and Design with Applications. 2nd edition, The Benjamin/Cummings Publishing Company Redwood City California 1994 [7] Coad, P.; Yourdon, E.: Object-Oriented Analysis. 2nd edition. Yourdon Press Englewood Cliffs, New Jersey 1991 [8] Bourne, John R.: Object-Oriented Engineering. Building Engineering Systems Using Smalltalk-80. Irwin, Homewood Illinois 1992.