Bedarf an Patienteninformationen über das
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Bedarf an Patienteninformationen über das
Bedarf an Patienteninformationen über das Krankenhaus Eine Literaturanalyse Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Bedarf an Patienteninformationen über das Krankenhaus Eine Literaturanalyse erstellt von Prof. Dr. Doris Schaeffer © 2006 Bertelsmann Stiftung, Gütersloh Kontakt Prof. Dr. Doris Schaeffer Universität Bielefeld Telefon 0521 106-3896 E-Mail [email protected] www.uni-bielefeld.de/gesundhw Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Str. 256 33311 Gütersloh Telefon 05241 81-81314 E-Mail [email protected] www.bertelsmann-stiftung.de Inhalt Abstract .....................................................................................................................................5 1. Einleitung ..............................................................................................................................7 2. Problemhintergrund ...............................................................................................................8 3. Informationsbedarf und -bedürfnisse von Patienten und Nutzern – vorliegende Forschungsbefunde ..........................................................................................11 4. Präferenzen und Erwartungen von Patienten und Nutzern an die Krankenhausversorgung ......................................................................................................13 5. Zwischenfazit ......................................................................................................................24 6. Informationswege bei der Suche nach Patienteninformation über das Krankenhaus..................................................................................................................26 7. „Usability“ – Nutzbarkeit von Informationen......................................................................33 8. Schlussfolgerungen..............................................................................................................41 Anhang: Methodisches Vorgehen bei der Literaturrecherche..................................................44 Literatur...................................................................................................................................49 4 Abstract Was wollen Patienten wissen, wenn sie sich über Krankenhäuser oder andere Versorgungseinrichtungen informieren möchten? Welchen Informationsbedarf haben sie, wenn ein Krankenhausaufenthalt bevorsteht und eine konkrete Einrichtung auszusuchen ist? Welches sind ihre Erwartungen an die Krankenhausversorgung? Bei wem informieren sie sich, und wie muss die Information beschaffen sein? Dieses sind Fragen, denen sich der vorliegende Bericht widmet. Auf der Basis einer Literaturanalyse wird in ihm der vorliegende Wissens- und Forschungsstand zur Beantwortung der genannten Fragen zusammengetragen. Dabei zeigt sich, dass über den Bedarf an Patienteninformation – seinen quantitativen Umfang, seine Verteilung in der Bevölkerung und seine qualitativen Dimensionen – bislang wenige Erkenntnisse vorliegen, weil es national und international bislang an entsprechenden Untersuchungen mangelt. Auch über die Informationsbedürfnisse von Patienten und Nutzern liegen kaum Studien vor. Anders ist die Situation, wenn es um ihre Erwartungen an die Krankenhausversorgung und um die Präferenzen von Patienten und Nutzern geht. Gerade zu diesem Thema wurden in den letzten Jahren international etliche Studien durchgeführt, deren Ergebnisse sich auf die hiesige Situation übertragen lassen. Es lassen sich folgende Themenbereiche ausmachen, die aus der Sicht von Patienten und Nutzern prioritär sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. Vertrauenswürdigkeit Fachliche Expertise und Kompetenz Verhältnis/Beziehung zum Patienten Kommunikation/Information Organisation/Management der Krankenhausversorgung Umgebungsgestaltung/Atmosphäre Über diese zentralen, nachfolgend detaillierter dargestellten Themenbereiche – die aus Patientensicht wichtigen Qualitätsdimensionen – möchten Patienten und Nutzer informiert werden. Die Möglichkeiten, entsprechende Informationen über diese Qualitätsdimensionen einzuholen, sind bislang allerdings begrenzt. Auch Patienten beklagen, dass ihnen nicht genug Informationen und Informationsquellen zur Verfügung stehen. Betrachtet man, wie sich Patienten bislang informieren und welche Informationsquellen sie nutzen, scheint sich dies zu bestätigen. Vorrangig wenden sie sich an den behandelnden (Haus-) Arzt oder das soziale Netz, Familienangehörige, Freunde oder Bekannte. Sie sind die wichtigsten Informationsquellen – ein Befund, der seit Jahren konstant ist. Patienten und Nutzer bewegen sich also nach wie vor auf herkömmlichen Informationswegen, weil ihnen nicht genug andere Informationsquellen zur Verfügung stehen, aber auch, weil sie ihnen nicht vertrauenswürdig genug erscheinen. Damit in Einklang steht, dass das Internet eine zwar steigende, aber bislang noch periphere Bedeutung als Informationsquelle hat – besonders wenn über die Wahl eines Krankenhauses zu entscheiden ist. Überwiegend wird es von jungen männlichen Nutzern herangezogen, die dem Internet aber mehr vertrauen als anderen Hinweisen. Bei diesen Befunden ist zu bedenken, dass Studien die Realität immer zeitverzögert abbilden und sich die Nutzung des Internet in Anbetracht der hohen 5 Entwicklungsdynamik, die dieses Informationsmedium umgibt, mit Sicherheit schon heute geändert hat. Insgesamt herrscht Einvernehmen in der Literatur, dass das Internet künftig sehr hohe Bedeutung für die Informationssuche einnehmen wird. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die dort vorgehaltene Information nutzerfreundlich und vertrauenswürdig ist. Vorliegende Studien zeigen nämlich, dass Patienten sich zwar über Qualitätsdaten/Versorgungseinrichtungen informieren, diese Information aber nicht nutzen, wenn Entscheidungen anstehen. Ursache dafür ist, dass sie die vorliegende Information nicht für vertrauens- und glaubwürdig erachten und sie eher als verwirrend, denn als hilfreich empfinden. Damit Informationen verwendet werden, müssen sie bestimmte dar- stellungsorganisatorische Kriterien erfüllen: • • • • • • • • • • • leicht zugänglich sein, übersichtlich sein und Detailfülle vermeiden, grafisch einleuchtend dargestellt sein, nicht zu hohe kognitive Anforderungen stellen, (sprachlich) verständlich sein, an das Wissen der Nutzer anschließbar sein, den o. g. inhaltlichen Präferenzen von Patienten folgen, nicht nur Sach- und Leistungsinformation, sondern auch (narrative) Erfahrungsberichte enthalten, an mündliche Information und Austauschmöglichkeiten gekoppelt sein, auf die spezifische Problemsituation von Patienten zugeschnitten sein, zielgruppenspezifisch ausgerichtet sein. Letzteres ist ein nicht in seiner Bedeutung zu unterschätzender Hinweis, der vor allem dann von Belang ist, wenn Zielgruppen erreicht werden sollen, die Patienteninformationsangeboten – im Internet – bislang eher mit Vorbehalten begegnen. Dazu gehören u. a. auch alte und hochbetagte Menschen, die zugleich die Mehrheit der Patienten im Krankenhaus ausmachen. Wie auch andere bislang schwer erreichbare Zielgruppen (z. B. Migranten) benötigen sie Informationsangebote, die auf ihre besondere lebensweltliche Situation zugeschnitten sind und ihren Rezeptionsgewohnheiten folgen. Exemplarisch deutet dies an, was zusammenfassend generell als leitend für die Erstellung von Patienteninformationsangeboten gelten sollte: Eine konsequente Befolgung der Leitmaxime „Patienten- und Nutzerorientierung“ bei der inhaltlichen und darstellungsorganisatorischen Gestaltung ist unverzichtbar, um das Interesse der Nutzer zu binden und verwendungsrelevant zu werden. 6 1. Einleitung Anliegen des vorliegenden Berichts ist es, die Ergebnisse einer Literaturanalyse zum Thema „Bedarf an Patienteninformation bei der Krankenhauswahl“ darzulegen und zusammenzufassen. Die Analyse erfolgte im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und in Kooperation mit Studierenden1 der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, denen an dieser Stelle ausdrücklich für ihr großes Engagement gedankt sei. Ziel der Literaturanalyse war es, Aufschlüsse darüber zu erlangen, welche Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse Patienten und Nutzer an Informationsangebote und -medien richten, vor allem, wenn sie sich über Krankenhäuser, aber auch andere Versorgungseinrichtungen informieren wollen, und konkreter noch: was sie an Information suchen und welche Informationswege sie beschreiten, um sich bei einem anstehenden Krankenhausaufenthalt für eine konkrete Einrichtung zu entscheiden. Da die Ergebnisse dieser Analyse für den Aufbau eines konkreten Informationsangebots dienlich gemacht werden sollen, werden Erkenntnisse, die dabei zu berücksichtigen sind, abschließend noch einmal zusammenfassend betrachtet. 1 Namentlich: Gunnar Geuter, Kathrin Lottmann, Uwe Ohlrich, Andreas Polanc, Lena Prinzen, Lukas Slotala, Birgit Stüve und Jan Weber. Mein Dank gilt außerdem Gabriele Müller-Mundt für ihre konstruktiven Hinweise und Ergänzungen. 7 2. Problemhintergrund In den vergangenen Jahren ist der Bedarf an Information, Aufklärung und Wissen über die gesundheitliche Versorgung in der Bevölkerung deutlich gestiegen. Ursächlich dafür ist nicht zuletzt der Wandel der Patientenrolle, der sich in fast allen Gegenwartsgesellschaften beobachten lässt. Patienten begreifen sich zunehmend weniger als Objekt oder passiven Empfänger von Behandlungsbzw. Versorgungsleistungen, sondern möchten sich in ihrer Subjektivität respektiert wissen, aktiv an der Gestaltung ihrer Versorgung beteiligt und in die dabei zu fällenden Entscheidungen einbezogen sein. Einhergehend mit dieser Entwicklung sind Patienten und Nutzer kritischer und anspruchsvoller als in der Vergangenheit geworden.2 Sie wollen mehr Transparenz über das Versorgungswesen, möchten genauer wissen, in welcher Institution sie wie behandelt und versorgt werden und möchten sich gezielt für oder gegen eine Einrichtung (oder Behandlung) entscheiden können: „Many people feel they should be able to choose who to consult or where to be treated and there is considerable demand for more involvement in treatment choices.“ (Coulter 2004, S. 185). Um dies zu ermöglichen und Patienten und Nutzern die dazu notwendigen Informationen bereitzustellen, ist in den letzten Jahren eine Vielzahl innovativer Vorhaben angestoßen worden – auch in Deutschland. Analog zur internationalen Entwicklung erfolgte eine Stärkung der Patientenrechte (Hart 2005) und der Ausbau der unabhängigen Patientenberatung (Schaeffer/SchmidtKaehler 2006; Schaeffer et al. 2005), es wurden neue Konzepte der Patienteninformation und Förderung der Nutzerkompetenz entwickelt (Hauss 2006; Kranich 2006; Maywald/Kirch 2006; Müller-Mundt 2001; SVR – Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003) und außerdem zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die nötigen Grundlagen zur Transparenz und Qualitätsinformation für Patienten und Nutzer zu erarbeiten. Obwohl dabei vieles noch in Bewegung ist, kann in der Summe festgehalten werden, dass Patienten und Nutzern inzwischen zahlreiche Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Freilich ergibt sich noch kein einheitliches Bild: Während in einigen Bereichen bereits die Flut an Informationen beklagt wird (etwa im Internet, Schmidt-Kaehler 2004a, 2005a; Schmidt-Kaehler 2005b; auch Schaeffer/Dewe 2006), ist der Aufbau an (Patienten-)Information in anderen Bereichen noch am Anfang. Das gilt beispielsweise für den Krankenhaussektor, der hier im Mittelpunkt des Interesses steht. Gerade im Krankenhausbereich erfolgen derzeit – angestoßen durch gesetzliche Anreize (GMG 2004) – vielfältige Bemühungen zur Bereitstellung von Basisinformationen und Qualitätsdaten über Krankenhäuser mit dem Ziel, Patienten und Nutzer durch die für sie unübersichtliche Krankenhauslandschaft zu navigieren und sie bei der Krankenhauswahl zu unterstützen (Hesse/Podding 2006).3 2 3 Zugleich wächst die Verunsicherung: So meint beispielsweise fast jeder dritte deutsche Patient, dass sich die Patientensituation im Gesundheitswesen eher verschlechtert habe (Wasem/Nolting 2002) und es neu gestaltet werden müsse (Sawicki 2005). Vielfach wird bei diesen Bemühungen auf die von den Krankenhäusern zu erstellenden Qualitätsberichte rekurriert, die – wie im GMG 2004 festgeschrieben (§ 137 SGB V) – erstmals seit 2005 veröffentlicht werden müssen (vgl. hierzu auch Lütticke/Schellschmidt 2005). 8 Damit wird eine Entwicklung nachvollzogen, die international schon vor längerem eingeleitet wurde. So werden in den USA seit bald zwei Dekaden Qualitätsdaten über Krankenhäuser veröffentlicht. Ähnlich auch die Entwicklung in Kanada, Australien, Neuseeland (Barr et al. 2002; Brown et al. 2005; Matthes/Wiest 2005) und in etlichen europäischen Ländern (Italien, Niederlande, Großbritannien, Skandinavien) (Bevan 2005; vgl. auch Klauber et al. 2005; Mason/Street 2006). Damit wurden und werden ganz unterschiedlich gelagerte Ziele verfolgt: So soll Patienten der Zugang zu qualitativ hochwertigen Leistungsangeboten erleichtert, aber auch Kostenkontrolle im Krankenhaus ermöglicht und zudem der Krankhaussektor in die Lage versetzt werden, sich im Wettbewerb zu behaupten etc. (ebd. Marshall et al. 2000). Ein solcher Mix an Zielen ist auch in Deutschland derzeit beobachtbar (Dierks/Schaeffer 2005), wobei die Hoffnung überwiegt, für die Patienten Transparenz herstellen zu können (Geraedts i. E./2006). Dennoch deuten die aus diesen Ländern vorliegenden Evaluationsuntersuchungen zur Nutzung dieser Informationen auf eine Schieflage. Sie zeigen, dass Patienten und Nutzer nach wie vor mehr Information über das Versorgungswesen (besonders auch über Krankenhäuser) wünschen und die verfügbare Information noch keineswegs als ausreichend empfinden (Coulter 2004; Dealey 2005), sie aber zugleich die bereitgestellten Informationen nicht in dem Umfang nutzen wie erwartet – jedenfalls nicht dann, wenn Entscheidungen (etwa über die Wahl eines Krankenhauses) zu fällen sind (ebd., auch Geraedts i. E./2006; Hibbard/Jewett 1996, 1997; Mannion/Goddard 2003; Marshall et al. 2000). Fragt sich, wie sich diese Schieflage erklärt. Lässt sie sich auf mangelnden Bedarf zurückführen oder darauf, dass die bereitgestellte Information nicht die Bedürfnisse und Interessen der Nutzer trifft? Mangelndem Bedarf dürfte sie – wie soeben angedeutet wurde – kaum geschuldet sein. Vielmehr ist offenkundig – ähnlich wie im Präventionsbereich (Bauer et al. 2005) – von einer Fehlausrichtung des bestehenden Angebots auszugehen. Ganz in diesem Sinn kommen Marshall et al. (2000) in ihrer Analyse der einem peer-review-Verfahren unterzogenen Literatur zu dem Schluss, dass mangelndes Interesse der Patienten, die Qualitätsdaten für die Entscheidungsfindung zu nutzen, wesentlich darauf zurückzuführen ist, dass die verfügbare Information für Patienten unverständlich ist, sie als irrelevant empfunden wird und Patienten und Nutzer kein Vertrauen in die bereitgestellten Daten haben, aber auch keine Alternativen offeriert bekommen (auch: Dealey 2005; Mannion/Goddard 2003; Marshall et al. 2000; Suhonen et al. 2005). Mangelndes Interesse infolge unzureichender Nutzerorientierung bzw. als Resultat dessen, dass die Informationsangebote zu sehr aus der Akteursperspektive und zu wenig aus der Nutzerperspektive konzeptualisiert und auf diese zugeschnitten wurden – so lassen sich die vorliegenden Erfahrungen mit der Bereitstellung von Qualitätsinformationen zusammenfassen (Dealey 2005; auch Mannion/Goddard 2003; Marshall et al. 2000; Suhonen et al. 2005) – ein Ergebnis, das von großer Relevanz für die hierzulande derzeit mit viel Energie konzipierten Informationsangebote im Krankenhaussektor ist. Wollen sie nicht ein ähnliches Schicksal erleiden, sollten sie also den Interessen und Relevanzkriterien der Nutzer – ihren Bedürfnissen, Präferenzen, Erwartungen und Nutzungsgepflogenheiten – von Beginn an, schon bei der Planung und Konzipierung neuer Informationsangebote, hohe Beachtung beimessen. 9 Was aber sind aus Nutzersicht wichtige Kriterien, die darüber entscheiden, ob bereitgestellte Informationen – hier über das Krankenhaus – ihr Interesse finden, und mehr noch: ob Informationen von ihnen (bei der Wahl eines Krankenhauses) auch verwendet werden? Anders formuliert: Was wollen Patienten/Nutzer über das Krankenhaus wissen, was ist für sie relevant, auch um Auswahlentscheidungen treffen zu können, und wie wollen sie informiert werden? Diesen Fragen nachzugehen, ist die Intention der vorliegenden Literaturanalyse, deren Ergebnisse nun dargelegt werden. 10 3. Informationsbedarf und -bedürfnisse von Patienten und Nutzern – vorliegende Forschungsbefunde Die zuvor erhobene Forderung danach, die Nutzerinteressen bei der Planung und Konzipierung von Informationsangeboten – sei es über das Krankenhaus oder andere Einrichtungen des Versorgungswesens –stärker zu beachten, ist leichter postuliert als realisiert. Denn dazu fehlt es in Deutschland bislang – wie seit längerem kritisiert wird – an dafür notwendigen Patienten-/Nutzeruntersuchungen (Badura/Schellschmidt 1999). Grundsätzlich wird für Deutschland ein eklatanter Mangel an systematischen Untersuchungen zum Bedarf an Patienteninformation und -beratung beklagt (Krause et al. 2004; Rosenbrock 2001; Schaeffer et al. 2005; SVR – Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003). Noch mehr gilt das für Studien über die Bedürfnisse, subjektiven Wünsche und Erwartungen von Patienten an die Versorgung – eine Tradition, die international unter dem Stichwort „patient’s view“ subsumiert wird (Armstrong 1984, 1991; Conrad 1990; Draper et al. 2001) und viel beachtete Erkenntnisse hervorgebracht hat (ex. Cleary/Edgman-Levitan 1997; Coulter/Fitzpatrick 2000; Coulter/Cleary 2001; Coulter/Magee 2003; Dierks et al. 2001; Gerteis/Roberts 1993b). In Deutschland ist diese Forschungstradition bislang erst rudimentär ausgebaut (Badura/Schellschmidt 1999; Schaeffer 1999; Wingenfeld 2003) und kann, wiewohl auch dies seit längerem beklagt wird, erst auf wenige Studien zurückschauen (ex. Coulter/Magee 2003; Grande/Romppel 2005; Müller-Mundt 2005; Müller/Thielhorn 2000; Ruprecht 2001; Sawicki 2005; Schaeffer 2004a; Schaeffer et al. 2003; Witte 1996). Noch bescheidener ist der Diskussionsstand, wenn es um das Thema „Krankenhaus“ geht. Vor allem zu dem hier im Zentrum stehenden Thema „Informationswünsche von Patienten bei der Krankenhausauswahl“ liegen hierzulande bislang keine Untersuchungen vor. Allerdings ist auch die internationale Studiensituation durchaus übersichtlich: Im Rahmen dieser Literaturanalyse konnten nur wenige einschlägige Artikel gefunden werden. Ganz in diesem Sinn konstatierte Cleary (1997) vor nunmehr fast einem Jahrzehnt, dass allgemein nur wenig Forschung über die Informationswünsche und -bedürfnisse von Patienten existiert – eine Feststellung, die vor allem für den deutschsprachigen Raum nach wie vor Gültigkeit hat (Schaeffer et al. 2005). Ziehen wir an dieser Stelle dennoch kurz die wenigen für Deutschland in Betracht kommenden Untersuchungen heran. Sie beziehen sich zwar, wie hier wiederholt sei, nicht immer direkt auf das hier zur Disposition stehende Thema, lassen aber doch einige interessante Rückschlüsse zu. So gaben in einer internationalen Repräsentativbefragung 58 % der befragten Deutschen an, nicht genügend Informationen zu haben, um den aus ihrer Sicht besten Leistungsanbieter im Krankenhaussektor auswählen zu können (Coulter/Magee 2003).4 Auch bei einer von Wildner et al. (2002) bei 3000 Bürgern durchgeführten Telefonbefragung über die Informationsbedürfnisse der deutschen Bevölkerung stellte sich heraus, dass die Hälfte der Befragten das Gefühl hat, über unzureichende 4 Sie stehen damit europaweit besehen nicht allein. Italiener und Schweizer fühlen sich ähnlich schlecht informiert (Klauber et al. 2005). 11 Gesundheitsinformationen zu verfügen (Wildner et al. 2002, S. 312). Eine in Bielefeld durchgeführte Pilotuntersuchung zum Informationsbedarf im Krankenhaus bestätigt ebenfalls, dass der Bedarf an Patienteninformation hoch ist und – in diesem Kontext bemerkenswert – er zudem nach Schichtmerkmalen variiert. Ihr zufolge steigt der Informations- und Beratungsbedarf invers zu einem sozialen Gradienten gesellschaftlicher Ressourcenverteilung an. Das heißt, dass in den Gruppen, die über geringe ökonomische Ressourcen, einen niedrigen Bildungsgrad und nur kaum belastbare soziale Unterstützungsnetzwerke verfügen, der Informations- und Beratungsbedarf besonders hoch ist (Bauer i. E.). Umgekehrt äußern sich die statushöheren Gruppen eher verhalten zu ihrem subjektiven Bedarf (vgl. auch Oermann et al. 2000). An diesen Bedarfsunterschieden scheinen Patienteninformationsangebote bislang vorbeizugehen. So deuten die wenigen hiesigen Daten zur Nutzung von Informationsangeboten (Dierks/Seidel 2006) darauf hin, dass gerade ressourcenschwache und sozial unterprivilegierte Patientengruppen bislang kaum erreicht werden und im Spektrum der Nutzer unterrepräsentiert sind. Überwiegend scheinen die bereits relativ gut informierten (weiblichen) Mittelschichtangehörigen von den Informationsangeboten zu profitieren, nicht aber diejenigen, die in gesundheitlicher Hinsicht als Risikogruppen diskutiert werden und der Information besonders bedürften. Dies ist für die im Aufbau befindlichen Informationsangebote von besonderer Wichtigkeit: Sie sollten – wie bereits an dieser Stelle zu betonen ist – ziel- bzw. adressatenspezifische Kriterien keineswegs ignorieren. Angeführt wurden diese Befunde, um das Argument zu stützen, dass auch hierzulande von einem großen Bedarf an Information über das Versorgungswesen und speziell das Krankenhaus ausgegangen werden kann, aber über dessen Umfang, qualitative Dimensionen und vor allem über dessen Verteilung in der Bevölkerung wenige Erkenntnisse vorliegen. Ähnliches gilt auch für die Bedürfnisse, Präferenzen und Erwartungen von Patienten und Nutzern an Versorgungs- und auch an Informationsangebote. Dennoch lassen sich aus der vorliegenden patient’s-view-Literatur, etwa zur Problemsicht der stationären Versorgung oder den Qualitätsanforderungen aus Nutzersicht, bereits wichtige Hinweise ableiten. Selbst wenn dort das hier zur Diskussion stehende Thema nicht gezielt abgearbeitet wird, so können die Erkenntnisse aus den thematisch angrenzenden Arbeiten doch übertragen werden und vermögen wichtige Anregungen zu geben. Betrachten wir daher nachfolgend die vorliegende patient’s-view-Literatur zur stationären Versorgung, fragen, was sie über die Präferenzen von Patienten und Nutzern lehrt und welche Schlussfolgerungen sich daraus für das Thema Krankenhauswahl und die dazu seitens der Patienten erforderlichen Informationen ziehen lassen. Dabei wird zunächst betrachtet, welche Informationsinhalte aus Patientensicht wichtig sind, dann werden die Informationswege beleuchtet, um die Frage zu eruieren, wie Information distribuiert werden sollte und was dabei zu beachten ist. 12 4. Präferenzen und Erwartungen von Patienten und Nutzern an die Krankenhausversorgung Vorab ist festzuhalten, dass die Präferenzen und Erwartungen von Patienten und Nutzern an die stationäre Versorgung variieren. So zeigen sich Unterschiede zwischen Akutkranken und chronisch Kranken (Dealey 2005), zwischen älteren und jüngeren Patienten (Schaeffer 2004a; Wingenfeld 2003; Witte 1996) und ebenso zwischen den Geschlechtern (Anderson et al. 2001; Schopp et al. 2003a; Schopp et al. 2003b; Scott et al. 2003; Suhonen et al. 2005) sowie zwischen Menschen mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund (Johnson et al. 2004; Ngo-Metzger et al. 2004; NgoMetzger et al. 2003). Vermutet wird, dass auch krankheits- bzw. indikationsspezifische Differenzen existieren. Detaillierte Kenntnisse über diese Unterschiede liegen allerdings nicht vor, weil, wie zuvor in Rekurs auf Cleary (1997) dargelegt wurde, das Thema Patientenpräferenzen und bedürfnisse noch zu wenig die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden hat. Konsens scheint aber darüber zu bestehen, dass länderspezifische Unterschiede wiederum kaum eine Rolle spielen, wenn es um die Qualitätserwartungen von Patienten und Nutzern geht. So kommt Ruprecht (2001) zu dem Schluss, dass „die wesentlichen Bedürfnisse und Erwartungen kranker, auf Hilfe angewiesener Menschen […] offensichtlich länder- und systemübergreifend gleich [sind]. Die Frage, was ihnen wichtig ist, wenn sie krank sind, kann zumindest für den westlichen Kulturkreis als grundsätzlich beantwortet gelten. Patientenbefragungen gleich welcher Art können darauf aufbauen; die entscheidenden Präferenzen müssen nicht jedes Mal erneut abgefragt werden“ (Ruprecht 2001, S. 185). Dies rechtfertigt u. a., dass nachfolgend sowohl die nationale wie auch die internationale Literatur referiert wird. Betrachtet man die vorliegenden internationalen und nationalen Studien über die Erwartungen von Patienten und Nutzern an die stationäre Versorgung, lassen sich sechs große Themenbereiche identifizieren, die sich jeweils abweichend formuliert wie ein roter Faden durch die Literatur ziehen (siehe auch Dierks/Schaeffer 2005): 1. 2. 3. 4. 5. 6. Vertrauenswürdigkeit Fachliche Expertise und Kompetenz Verhältnis/Beziehung zum Patienten Kommunikation/Information Organisation/Management der Krankenhausversorgung Umgebungsgestaltung/Atmosphäre Die Auflistung stellt keine Rangfolge nach Wichtigkeit der Themen dar, sondern bildet ab, welche Themen insgesamt die aus Nutzersicht prioritären sind. Wichtig anzumerken ist auch, dass diese Themenbereiche sich auf die Erwartungen von Patienten und Nutzern an die Versorgung im Krankenhaus beziehen, also umschreiben, was Patienten für wichtig erachten, wenn sie in einer stationären Einrichtung versorgt werden. Darüber, ob diese Kriterien auch vor einem Krankenhausaufenthalt für wichtig erachtet werden und auch die Entscheidung über die Wahl einer Einrichtung bestimmen, herrscht keine endgültige Sicherheit, dies wird aber vermutet. 13 Vertrauenswürdigkeit Vertrauenswürdigkeit ist ein aus Nutzersicht überaus wichtiges, wenn nicht gar das zentrale Kriterium, und dies dürfte unmittelbar einleuchten (Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis/Roberts 1993b; Gerteis et al. 1993a; Ruprecht 2001; Thiede 2005). Wer vertraut sich mit einem ihm wichtigen Anliegen schon einer nicht als vertrauenswürdig geltenden Institution/Person an? Noch mehr gilt dies, wenn es um existenzielle Belange geht, wie auch Krankheit und Krankheitskrisen sie darstellen, oder wenn nicht autonom bewältigbare (Not-)Situationen anstehen. Vergegenwärtigen wir uns an dieser Stelle noch einmal: Krankenhausaufenthalte werden in der Regel dann erforderlich, wenn ambulant nicht lösbare Gesundheits- bzw. Krankheitsprobleme zu bewältigen, unüberschaubare Krankheitskrisen entstanden sind oder sich – meist unerwartet und plötzlich – schwierige gesundheits- bzw. krankheitsbedingte Probleme oder gar Notsituationen eingestellt haben. In solchen existenziell bedrohlichen und angstbesetzten Situationen möchten Patienten das Gefühl haben, dass sie sich einer (Krankenhaus-)Einrichtung anvertrauen, ja sich ihr überantworten können. Eine Einrichtung muss daher aus ihrer Sicht verlässlich, seriös und glaubwürdig erscheinen und sie muss darüber hinaus „Sicherheit“ ausstrahlen, und dies in einer Situation, in der Patienten/Nutzer zumeist in vielfacher Hinsicht verunsichert sind – durch ihre Krankheitssituation, die Erkenntnis, dass überhaupt ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist, und durch die Ungewissheit darüber, ob sie wieder gesund werden (Mechanic/Meyer 2000; Schaeffer 2006). Dass sie wieder gesund werden wollen und von dem Krankenhaus erhoffen, dass es eine Wiederherstellung ihres gesundheitlichen und körperlichen Wohlbefindens ermöglicht, steht aus Nutzersicht außer Frage (Dierks/Schaeffer 2005). Vertrauenswürdigkeit hat daher immer mit überzeugender fachlicher Kompetenz zu tun, umfasst aber auch emotionale und normative Implikationen und zielt auch auf das Verhältnis zum Patienten, die Kommunikation und Information sowie Organisation der Krankenhausversorgung – Aspekte, die nachfolgend abgehandelt werden. 14 Fachliche Expertise und Kompetenz Ausgewiesene fachliche Expertise und überzeugende Kompetenz sind aus Nutzersicht bedeutsame Kriterien, wenn es um die Beurteilung der Krankenversorgung und die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit einer stationären Einrichtung geht. Expertise- und Kompetenzerwartungen zielen in erster Linie auf die Medizin. Patienten und Nutzer erwarten vom Krankenhaus eine qualitativ hochwertige medizinische Behandlung und die Vorhaltung eines differenzierten, spezialisierten diagnostischen und therapeutischen Angebots (Radwin 2000; Sofaer et al. 2005; Stichler/Weiss 2000). Sie erwarten aber auch eine qualifizierte pflegerische Versorgung und eine gute Patientenbetreuung (Coulter/Cleary 2001; Geraedts i. E./2006; Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis/Roberts 1993b; Gerteis et al. 1993b; Witte 1996) – Kriterien, die der Literatur zufolge auch bei der Entscheidung für oder gegen eine Einrichtung herangezogen werden. Auch von den im Krankenhaus tätigen Gesundheitsprofessionen (vor allem der Medizin, aber auch der Pflege) erwarten Patienten und Nutzer einschlägige Expertise, fundierte Kompetenz (Anderson et al. 2001; Geraedts i. E./2006; Grande et al. 2005; Infante et al. 2004), ebenso einen hohen Grad an Professionalität (Jun et al. 1998; Larrabee/Bolden 2001; Stichler/Weiss 2000), Erfahrung und Sorgfältigkeit (Coulter/Fitzpatrick 2000; Sofaer et al. 2005; Witte 1996). Außerdem setzen sie voraus, dass die Gesundheitsprofessionen im Krankenhaus auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Stands agieren und die dazu nötigen Fort- und Weiterbildungen absolvieren (Anderson et al. 2001; Jun et al. 1998; Oermann et al. 2000; Shank et al. 1992). Die dort tätigen Mediziner sollten zudem – so die Erwartungen der Nutzer – nicht nur über umfassende, dem aktuellen Wissens- und Forschungsstand entsprechende Kenntnisse über konventionelle Behandlungsmethoden verfügen, sondern sich auch im Bereich unkonventioneller komplementärer Behandlungs- und Versorgungsangebote auskennen (Anderson et al. 2001; Geraedts i. E./2006; Shank et al. 1992). Die Kenntnis über diesen Bereich und generell das Vorhandensein einer umfassenden holistischen Versorgungsphilosophie scheinen – wie die Literatur zeigt – zunehmend Relevanz erhalten zu haben (Attree 2001; Infante et al. 2004).5 Nicht weniger wichtig ist aus Patientensicht, dass die im Krankenhaus tätigen Gesundheitsprofessionen in der Lage sind, ihr Wissen fallangemessen anzuwenden und eine individualisierte, auf die jeweilige Patientensituation zugeschnittene bedarfs- und problemgerechte Behandlung zu gewährleisten (Attree 2001). Eine in diesem Sinn patientenorientierte bzw. -fokussierte und dabei zugleich exzellente Krankenhausversorgung wird von allen Patienten für wünschenswert erachtet (Attree 2001; Larrabee/Bolden 2001; Witte 1996). In Korrespondenz dazu betrachten Patienten als kritisch, so Attree (2001), wenn sie lediglich routinemäßig behandelt werden und die Behandlung nicht ihrer subjektiven Problemsituation und ihrem Bedarf entspricht und sie zu wenig individualisiert ist (Attree 2001; vgl. auch Suhonen et al. 2002). 5 Kultursensibilität, aber auch Kenntnis und Respekt der Praktiken und Heilmethoden anderer, nicht westlicher Kulturkreise, scheint besonders in der Gruppe der Migranten eine wichtige Rolle zu spielen (Ngo-Metzger et al. 2003). 15 Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser eher skeptisch betrachtet werden. Viele Patienten möchten nicht, dass die Behandlung ihrer Person an sich noch in der Ausbildung befindliche Ärzte oder gar an Medizinstudenten übertragen wird und sie in Studien einbezogen werden, weil sie kein „Versuchskaninchen“ von Forschung und Ausbildung sein möchten (Shank et al. 1992; Sofaer et al. 2005; Witte 1996). Verhältnis/Beziehung zum Patienten Von hohem Stellenwert für die Einschätzung der Krankenhausversorgung und vermutlich auch für die Vertrauensbildung ist außerdem das Verhältnis bzw. die Beziehung der Gesundheitsprofessionen zum Patienten. Patienten/Nutzer möchten im Krankenhaus nicht als anonymes Objekt von Behandlung betrachtet werden, sondern sich in ihrer Subjektivität respektiert wissen. Respekt vor der Person, den Bedürfnissen, Wünschen und der Individualität des Patienten (Anselm 2003) stehen daher an ranghoher Stelle in der Hierarchie an Patientenpräferenzen, wie zahlreiche Studien zum patient’s view belegen (Allshouse 1993; Anderson et al. 2001; Coulter/Cleary 2001; Draper et al. 2001; Gerteis/Roberts 1993a; Grande et al. 2005; Grol et al. 1999; Höhmann et al. 2004; Infante et al. 2004; Larrabee/Bolden 2001; Larsson et al. 1998; Lovgren et al. 1996; Müller/Thielhorn 2000; Ngo-Metzger et al. 2003; Ruprecht 2001; Schaeffer 2004a; Stevens et al. 1977; Stichler/Weiss 2000; Weingart et al. 2006; Witte 1996).6 Fragt man nun danach, was Patienten unter Respekt vor der Person verstehen, ist zunächst einmal die Ebene des persönlichen Umgangs anzusprechen. Durchgängig wird in der Literatur betont, dass Patienten sich als Person gesehen und in den sich ihnen stellenden Problemen ernst genommen wissen und auf Interesse stoßen möchten. Sie wünschen sich außerdem eine Form des Umgang der im Krankenhaus tätigen Gesundheitsprofessionen mit ihnen, der durch Achtung ihrer Person, Anerkennung ihrer Autonomie und Individualität sowie durch Sensibilität gegenüber ihren individuellen Präferenzen und ihren sozialen, kulturellen und religiösen Wertvorstellungen und Normen geprägt ist (Allshouse 1993; Draper et al. 2001; auch Gerteis/Roberts 1993a; Infante et al. 2004; Kass et al. 1992; Larsson et al. 1998; Schilder et al. 2001). Aus Patientensicht nicht weniger wichtig ist, dass sie im Krankenhaus auf eine Form des Umgangs stoßen, die zur Wahrung ihrer Autonomie und ihrer Würde beiträgt und Identitätsverlust und Entmündigung verhindert (Höhmann et al. 2004; Ruprecht 2001, S. 184). 6 Bemerkenswert ist, dass einige der Autoren unterstreichen – so auch Coulter und Cleary (2001) in ihrer in acht Ländern durchgeführten Studie –, dass die Erwartungen von Patienten sich länder- und systemübergreifend ähneln und vor allem der Wunsch nach Respekt und einem von Würde gekennzeichneten Umgang mit Patienten im Krankenhaus (auch generell in der Arzt-Patienten-Interaktion) sich quer durch alle Länder zieht (vgl. auch Ruprecht 2001). Anders die Einschätzung von Grol et al. (1999): Sie kommen in ihrem systematischen Literaturreview europäischer Studien zu dem Schluss, dass die Qualitätserwartungen von Patienten sich nach kulturellem Milieu und Alter unterscheiden und sie zudem durch gesundheitssystemische Bedingungen, etwa von dem jeweils präferierten Verständnis von der Patientenrolle, geprägt sind (Grol et al. 1999, S. 5). So erwarten manche Patienten (in manchen Ländern) einen eher demokratischen, andere einen eher autoritären Umgangsstil. Auch hiesige Studien belegen, dass das Verständnis von der Patientenrolle nach Alters-, Schicht- und Milieumerkmalen differiert (Ludwig 2005; Schaeffer 2004a), zeigen aber auch, dass diese Merkmale sich weniger hinsichtlich des „ob“ als vielmehr des „wie“ auswirken, also darauf, was ein Kriterium wie Respekt vor der Person aus Patientensicht bedeutet. 16 Ngo-Metzger et al. (2004; 2003) betonen zudem die Bedeutung eines kultursensiblen Umgangs mit Menschen aus anderen sozio-kulturellen Milieus (Migranten) und fremd anmutenden Lebenswelten und mit deren jeweiligen Gesundheitsvorstellungen (vgl. auch Johnson et al. 2004). Grundsätzlich – so die Literatur – erwarten Patienten einen nicht diskriminierenden Umgang – eine Forderung, die im Zusammenhang mit dem unerwarteten Auftauchen von HIV und Aids an obere Stelle auf der Tagesordnung geriet und seinerzeit vor allem auf die Akzeptanz unterschiedlicher Lebenswelten und -stile zielte (Kass et al. 1992; Schilder et al. 2001). Schon bald darauf wurde sie auch mit Blick auf Migranten und auch auf alte Menschen diskutiert. So hebt Iruritita hervor (1999), dass unreflektierte Altersstereotype im Krankenhaus eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung behindern und die Verletzlichkeit älterer Patienten verstärken (Garms-Homolová 1990; Irurita 1999). Altersdiskriminierung vorzubeugen, ist daher gerade aus Sicht älterer und alter Menschen, die die Mehrheit der Patienten im Krankenhaus bilden, ein vordringlicher Wunsch.7 Patienten wünschen sich jedoch nicht lediglich respektvolle Umgangsformen, sondern eine ebensolche Beziehung zu ihnen. Sie erwarten von den im Krankenhaus tätigen Gesundheitsprofessionen, dass sie ihnen mit Interesse, Verständnis und Empathie begegnen (Larsson et al. 1998; Lovgren et al. 1996) und eine Beziehung zu ihnen herstellen, die durch Vertrauen und Glaubwürdigkeit geprägt ist, Konstanz bzw. kontinuierliche Begleitung ermöglicht (Infante et al. 2004; Schaeffer 2004a) und durch Freundlichkeit, Zuvorkommenheit, Ehrlichkeit und Fürsorglichkeit (caring) gekennzeichnet sein sollte (Coulter 2002; Geraedts i. E./2006; Ruprecht 2001). Larsson et al. (1998) ermittelten in ihrer Studie acht Aspekte, die aus Patientensicht für die Beziehung zu ihnen als wichtig erachtet werden: 1. Respekt, 2. Interesse an ihrer psychosozialen Situation, 3. Empathie bzw. Sympathie, 4. Interesse an ihrer biografischen bzw. ihrer Lebenssituation, 5. Partizipation und Einbeziehung in Entscheidungen, 6. Sorgfältige Vorbereitung auf die Therapie, 7. Vertrauen und Verständnis, 8. Verbindlichkeit (Larsson et al. 1998, S. 113). Coulter wiederum betont andere Merkmale, so etwa Ehrlichkeit, Offenheit, Ansprechbarkeit, Interesse am Patienten, Einbeziehung des Patienten in Entscheidungen, Bereitschaft, Patienten in ihrer Autonomie zu respektieren, aber auch ihre Befürchtungen und Ängste zu akzeptieren, ihnen nicht zusätzlich zu schaden etc. (Coulter 2002; auch Coulter/Magee 2003). Die Charakterisierung der wünschenswerten Beziehungsmerkmale ließe sich fortsetzen und durch immer weitere Merkmale bzw. Varianten weiterer Autoren ergänzen, lässt sich in der Summe aber wie folgt zusammenfassen: Prioritär ist aus Patientensicht, dass Patienten in ihrer Subjektivität und Individualität gesehen und verstanden werden, ihre Vulnerabilität (an-)erkannt wird und auf Verständnis stößt, gleichwohl aber auch ihre dennoch vorhandene Autonomie akzeptiert und ihre Würde bewahrt wird. Patienten und Nutzer stellen damit keineswegs einfach zu erfüllende Beziehungserwartungen an die Gesundheitsprofessionen. Doch ist hier nicht der Ort, dies zu diskutieren. Wichtiger ist festzuhalten, 7 Zur Illustration dazu sei hier ein Interviewauszug aus der Studie von Irurita (1999) zitiert: „When you get grey hair they put you in two categories, you are then an oldie and if you are an oldie they think you haven´t got a brain” (Irurita 1999, S. 88). 17 dass sich bei den Beschreibungen der aus Patientensicht für wichtig erachteten Beziehungsmerkmale in der Literatur zahlreiche Überschneidungen zeigen. So wird u. a. durchgängig betont, dass Patienten sich wünschen, von den Ärzten und Pflegekräften als gleichrangig, als „equal“ in der Interaktion (sei es mit Ärzten oder Pflegenden) behandelt zu werden (auch Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis et al. 1993a; Lovgren et al. 1996, S. 152; Schaeffer/Moers 2003). Ebenso möchten sie – wie seit Jahren in der Literatur hervorgehoben wird – in Entscheidungsprozesse über ihre Therapie und die Gestaltung ihrer Versorgung einbezogen werden (ebd.). Sie möchten nicht passiv Entscheidungen hinnehmen müssen, sondern sich selbst dazu äußern können und in die Festlegung ihrer Behandlung und Versorgung involviert sein, geht es doch um ihre Gesundheit und mehr noch um ihr Leben (Schaeffer 2004a). Das gilt für alle Altersgruppen, wiewohl ältere Patienten sich hier etwas zurückhaltender äußern, wohingegen für jüngere Patientengruppen selbstverständlich ist, einen mitgestaltenden Part an der Behandlung und Versorgung zu beanspruchen (ebd. Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis et al. 1993a; Schopp et al. 2004; Schopp et al. 2003a; Scott et al. 2003; Välimäki et al. 2004). Auch für die Information über Krankenhäuser dürfte dies ein wichtiger Hinweis sein. In ihr darüber aufzuklären, wie Patienten in das Behandlungsgeschehen einbezogen werden und wie das Verhältnis zum Patienten gesehen wird, dürfte für die Nutzer von großem Interesse sein – auch, wenn es um die Wahl eines Krankenhauses geht. Schließlich ist anzuführen, dass ein respektvoller Umgang aus Patientensicht auch bedeutet, die Privatsphäre von Patienten zu akzeptieren (Allshouse 1993; Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis et al. 1993a; Lemonidou et al. 2003; Schopp et al. 2003b) – ein Gesichtspunkt, der angesichts des „öffentlichen Charakters“ des Krankenhauses besonders hervorzuheben ist. Die Privatsphäre des Patienten zu respektieren ist einerseits ebenfalls mit Implikationen auf der Ebene des Umgangs verbunden: Aus Patientensicht sollten Anklopfen bei dem Betreten eines Patientenzimmers, persönliche Ansprache des Patienten, Respekt vor persönlichen Besitzgegenständen der Erkrankten etc. selbstverständlich sein (Bauer 1996). Die Privatsphäre des Patienten zu respektieren hat aber auch räumliche Konsequenzen und bedeutet, auch bei der Gestaltung der Patientenzimmer entsprechende architektonische Vorkehrungen zu treffen (siehe dazu einen der späteren Abschnitte). Respekt vor der Person des Patienten ist darüber hinaus mit sozialen Implikationen verbunden und bedeutet außerdem, den Patienten als Teil seines sozialen und familialen Umfelds zu respektieren und nahestehende Familienangehörige in die Interaktion einzubeziehen (Coulter/Cleary 2001; Ellers 1993a; Larsson et al. 1998; Ruprecht 2001; Schaeffer et al. 2003). Denn sie sind die „intimates“, die das Vertrauen der Patienten genießen, sie am besten kennen und die zudem meist weite Teile der Betreuung bestreiten (Moers/Schaeffer 1992; Schaeffer 2001; Schaeffer/Moers 2003). Dabei können Angehörige – das ist gerade in Deutschland zu betonen – in verwandtschaftlicher, aber auch nicht verwandtschaftlicher Beziehung zum Patienten stehen, es sind also auch Wahlverwandte einzubeziehen (Bischofberger/Schaeffer 2001; Schaeffer 2001, 2004a). Doch obschon sie bereits während des Krankenhausaufenthalts wichtige Betreuungsfunktionen einnehmen und anschließend meist die zentralen care giver sind, gelangen sie dort oft kaum in den Blick und auch nicht in den Genuss der dazu nötigen kommunikativen Unterstützung (Müller-Mundt 2006; Sawicki 2005; Wingenfeld 2005; Witte 1996). Stattdessen fühlen sich Angehörige eher als lästiger Störfaktor, der den Krankenhausbetrieb aufhält, werden aber nicht als potenzieller Kooperationspartner gesehen. 18 Kommunikation und Information Für sehr wichtig wird aus Patienten- und Nutzersicht darüber hinaus die Kommunikation und Information erachtet. Damit ist ein empfindlicher Bereich der Krankenhausversorgung angesprochen. Denn seit Jahren wird ihr entgegengehalten, dass die Kommunikation mit den Patienten (aber auch der Akteure untereinander) unzureichend ist und die hier üblichen Muster der Kommunikation und Interaktion dringend revisionsbedürftig sind (Hurrelmann/Leppin 2001; Schaeffer et al. 2003). Kommunikationsdefizite zeigen sich schon bei der Abklärung und Mitteilung der Diagnose – ein Abschnitt im Krankheitsverlauf, der oft bereits einer Odyssee gleichkommt (Müller-Mundt 2005; Schaeffer 2005, 2006) und vielfach eher durch hilflose Nicht-Kommunikation, denn würdevolle und sensible Verständigung mit den Patienten und ihren Angehörigen gekennzeichnet ist. Kommunikationsdefizite werden auch dann sichtbar, wenn es darum geht, die Behandlung festzulegen – ein Schritt, der meist ohne partizipative Einbeziehung des Patienten erfolgt, trotz langjähriger Diskussion über Shared Decision Making (SDM) (ex. Klemperer 2003; Scheibler 2004; Scheibler/Pfaff 2003; Scheibler et al. 2003). Sie werden auch darin offenbar, dass Patienten sich unzureichend über die (medikamentöse) Therapie und deren Implikationen informiert fühlen (Sawicki 2005) und lassen sich schließlich auch dann beobachten, wenn die Entlassung aus dem Krankenhaus ansteht und es um die Vorbereitung der Patienten auf die nachfolgende (häusliche) Versorgung geht. Auch in diesem Abschnitt des Krankenhausaufenthalts ist die Kommunikation – wie immer wieder neu kritisiert wird (Höhmann et al. 2004; Sawicki 2005; Schaeffer et al. 2003; Wingenfeld 2005) – durch zahlreiche Mängel gekennzeichnet. Doch insgesamt ist das Wissen der Patienten (und ihrer Angehörigen) über ihre Krankheit und die mit ihr einhergehenden Anpassungsherausforderungen nach einem Krankenhausaufenthalt erschreckend schlecht (Schaeffer 2004a; Schaeffer 2006; Suhonen et al. 2002; Suhonen et al. 2005). Dies mag ausreichen, um zu zeigen, dass im Krankenhaus eine ganze Reihe an Kommunikationsproblemen zur Bewältigung anstehen. Skizziert wurden sie vor allem, um zu illustrieren, warum das Thema Kommunikation und Information aus Nutzersicht so bedeutsam ist. Patienten und Nutzer möchten die Gewissheit haben, dass sie ausreichend informiert werden und mit ihnen kommuniziert wird, dass ihnen zugehört wird und sie mit ihren Äußerungen nicht auf Ignoranz, sondern auf Resonanz und Interesse stoßen. Zudem wünschen sie sich eine ausreichende Ansprechbarkeit der im Krankenhaus tätigen Gesundheitsprofessionen und möchten so informiert werden, dass sie die erhaltene Information nachvollziehen und verstehen können (Attree 2001; Sofaer et al. 2005; Suhonen et al. 2005). Schließlich – auch das ist ein wichtiger Aspekt – erwarten sie, dass ihnen genügend Zeit zur Verfügung steht, um die Information zu verarbeiten und ggf. Rückfragen stellen zu können (Attree 2001; Sofaer et al. 2005; Suhonen et al. 2005). Diese Erwartung richten sie an die sie behandelnden Ärzte, wie auch an das Pflegepersonal (ebd., Attree 2001; Sofaer et al. 2005; Suhonen et al. 2005; auch Witte 1996). Wie eine Studie von Suhonen et al. (2005) zeigt, richten sich ihre Informationswünsche unter inhaltlichen Gesichtspunkten betrachtet auf die Krankheit, im Krankenhaus erfolgende Untersuchungen und Eingriffe, Behandlungsverfahren und Versorgungsmöglichkeiten, zu erwartende Komplikationen während der Rekonvaleszenz, negative Begleiterscheinungen der Krankheit wie Schmerz, Medikamentennebenwirkungen etc. und auch auf die Entlassungsvorbereitung und die Nachsorge (Ellers 1993b; Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis et al. 1993a; Sawicki 2005; Suhonen et al. 19 2002). Als fragwürdig schätzen sie in Korrespondenz dazu ein Krankenhaus ein, wenn die Kommunikation schlecht ist, sie kaum Informationen erhalten, die Kommunikation aus Zeitgründen verweigert oder zu kurz gehalten wird und wenn kommunikative Missverständnisse und Probleme die Zeit des Krankenhausaufenthalts prägen (Attree 2001). Die hier aufgelisteten Herausforderungen sind sicherlich primär für Bemühungen zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus relevant. Gleichwohl sollten sie auch bei der Erstellung von Informationen über den Krankenhaussektor dringend Beachtung finden. In ihnen sollte die Kommunikations- und Informationsfreundlichkeit eines Krankenhauses thematisiert und zugleich praktisch unter Beweis gestellt werden, z. B. indem Patienten und Nutzern schon im Vorfeld des Krankenhausaufenthalts Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet werden (Chats, telefonische Hotlines etc.). Organisation/Management der Krankenhausversorgung Auch an die interne Organisation oder das Management des Krankhauses werden seitens der Patienten eine ganze Reihe an Erwartungen gestellt, die sich vereinfachend auf folgende Formel bringen lassen: Patienten wünschen sich eine reibungslose und auf sie zugeschnittene Organisation der Krankenhausversorgung. Was aber bedeutet eine in diesem Sinn nutzerfreundliche Organisation und ein ebensolches Management der Krankhausversorgung? Der Literatur zufolge sind damit vorrangig folgende Aspekte gemeint: • • Keine langen Wartezeiten: Sowohl bei der Aufnahme in das Krankenhaus, aber auch im Krankenhaus sollten – so die Patienten – lange Wartezeiten vermieden werden. Lange Wartezeiten ergeben sich offenkundig an vielen Stellen der Krankenhausversorgung, etwa bei den Mahlzeiten (Weingart et al. 2006) oder bei den während des Aufenthalts angesetzten Untersuchungen. Gerade die Wartezeit auf Untersuchungen wird als besonders belastend empfunden, vor allem, wenn Patienten sie auf dem Flur verbringen müssen (Schaeffer 2004a). Lange Wartezeiten sollten aber auch vermieden werden, wenn Patienten „klingeln“ und nach der Pflege rufen. Patienten wünschen sich gerade hier die Gewissheit der „Knopfdrucksicherheit“ (Schaeffer/Moers 2002), die ihnen indes oft versagt wird. Zur Illustration dazu ein Interviewauszug: „When I push the call button, I´m not asking for the TV guide. I need help” (Sofaer et al. 2005, S. 2027). Eine rasche Reaktion wünschen Patienten sich in Notsituationen, aber auch nachts und vor allem dann, wenn sie Unterstützung bei Toilettengängen benötigen (ebd., auch Stichler/Weiss 2000). Unterbleibt hier eine zeitlich angemessene Reaktion, wird dies von den Patienten als verantwortungslos und Verletzung der persönlichen Würde empfunden (Sofaer et al. 2005; Witte 1996). Zeit: Patienten erwarten zudem, dass ihnen hinreichend Zeit gewidmet wird. Dies gilt besonders für den Umgang der Ärzte mit ihnen, aber auch für die Pflege. Eine Pflege, die aus Gründen von Zeitknappheit auf „Flitz und Spritz“ reduziert ist, wird als entwürdigend empfunden, ebenso wenn die personellen Engpässe im Pflegebereich zur Folge haben, dass die Pflege kaum Zeit für die Patientenversorgung hat (Irurita 1999). Zeitmangel wird besonders von immobilen und 20 • • • • • 8 hilfsbedürftigen Krankenhauspatienten als qualitätseinschränkend empfunden (Weingart et al. 2006), wobei sie nicht nur die zu geringe reale Zeit kritisieren, sondern dass ihnen die verfügbare Zeit nicht wirklich gewidmet wird (Schaeffer 1999).8 Personelle Kontinuität: Der Wunsch nach personeller Kontinuität (speziell in der Pflege) rangiert an hoher Stelle, wenn es um die Organisation der Krankenhausversorgung geht. Patienten fühlen sich oft überfordert davon, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Pflegekräfte konfrontiert zu sein, und wünschen sich mehr Kontinuität, zumindest aber, über eine Ansprechperson zu verfügen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können (Dealey 2005; Radwin 2000; Ruprecht 2001; Sixma et al. 1998). Dies gilt für alle Patientengruppen, hat aber ebenfalls für ältere und mehr noch für demenziell erkrankte Patienten, die eine keineswegs marginale Gruppe unter den Krankenhauspatienten bilden, besondere Bedeutung, um Desorientierung und Hospitalisierungserscheinungen zu vermeiden (Schaeffer 2001; Wingenfeld 2005). Kontinuität der Versorgung: Auch wenn die Entlassung aus dem Krankenhaus ansteht, erhoffen Patienten – wie zuvor erwähnt –, dass eine kontinuierliche Weiterversorgung gewährleistet wird und ihnen kein Versorgungsbruch beschert ist (Höhmann et al. 2004; Ruprecht 2001; Schaeffer 2004b). Sie möchten hinreichend über die Entlassung, das dazu notwendige Prozedere und die anschließend auf sie zukommenden Herausforderungen informiert sein (Anderson et al. 2001; Ellers/Walker 1993; Gerteis/Roberts 1993a; Sawicki 2005; Wingenfeld 2005) und eine nahtlose Nachsorge bzw. einen lückenlosen Versorgungsanschluss gesichert sehen. Auch dabei wünschen sie sich personelle Kontinuität – ein Wunsch, der sich hierzulande bislang an Strukturdefiziten reibt, im Rahmen der inte-grierten Versorgung aber künftig vielleicht auf die Tagesordnung gerät. Flexibilität: An vielen Stellen der Krankenhausversorgung wird außerdem größere Flexibilität erwartet, so etwa bei der Untersuchungsplanung, der Essens- und Mahlzeitengestaltung (Douglas/Douglas 2004), der Besuchsregelung (ebd. Dealey 2005), der Organisation der Duschund Badezeiten (Lovgren et al. 1996) und der Krankenhausbetriebsabläufe (Draper et al. 2001): Sie sollten nicht starr organisiert sein und sich – zugespitzt formuliert – flexibel an den Patienten und ihren Bedürfnissen und Problemen ausrichten und nicht umgekehrt erfordern, dass sich die Patienten an den Betriebsablauf anpassen müssen. Transparenz: Patienten wünschen sich außerdem, dass die für sie oft undurchsichtigen Betriebsabläufe im Krankenhaus für sie transparent gemacht werden und sie wissen, was, warum, wie organisiert ist. Dies gilt in erster Linie für die Organisation und das Management der medizinischen Behandlung, aber auch der pflegerischen Versorgung. Service: Ein weiterer, aus der Patientenperspektive relevanter Qualitätsaspekt stellt der angebotene Service dar. Wichtig zu betonen ist zunächst, dass auch unter Servicegesichtspunkten für die Patienten die Berücksichtigung ihrer individuellen Wünsche und Präferenzen prioritär ist (Bethell 2000; Schaeffer 2004a). Serviceerwartungen richten sich zudem an die Qualität der Verpflegung, die als minderwertig empfunden wird (Draper et al. 2001; Grande et al. 2005; Lovgren et al. 1996; Sofaer et al. 2005; Stichler/Weiss 2000; Weingart et al. 2006). Außerdem erhoffen sich Patienten im Krankenhaus Entspannungs- und Erholungsmöglichkeiten, aber auch Angebote der Beschäftigungs- und Freizeitgestaltung (Douglas/Douglas 2004; Dies, wie auch die anderen an die Organisation der Versorgung gestellten Erwartungen, gilt nicht nur für das Krankenhaus, sondern auch für andere Versorgungseinrichtungen (Müller/Thielhorn 2000; Schaeffer 1999; Wingenfeld/Schaeffer 2001). 21 Grande et al. 2005) sowie zur körperlichen Betätigung (Lovgren et al. 1996), was auch Wellness-Angebote einschließt (Douglas/Douglas 2004). Umgebungsgestaltung/Atmosphäre Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Krankenhausversorgung, das auch die Entscheidung der Wahl für oder gegen ein Krankenhaus beeinflussen dürfte, lässt sich mit dem Stichwort „Umgebungsgestaltung“ bezeichnen. Angesprochen sind damit die geo-grafische und räumliche Situierung, die Infrastruktur in der Nahumgebung der Einrichtung und die baulicharchitektonische Gestaltung des Krankenhauses. Nach wie vor werden von den Patienten Krankenhäuser in Wohnortnähe präferiert. Gewünscht wird eine möglichst geringe Entfernung zwischen Einrichtung und Wohnort der Patienten (Concato/Feinstein 1997; Dealey 2005; Grande et al. 2005; Sofaer et al. 2005). Ob Einrichtungen am Rand von städtischen Ballungsgebieten angesiedelt sein oder in städtischen Zentren liegen sollten, scheint demgegenüber eine untergeordnete Rolle zu spielen. Wichtiger ist Patienten und Nutzern eine gute verkehrstechnische Anbindung (Grande et al. 2005) und eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Ngo-Metzger et al. 2003; Sofaer et al. 2005). Im Vordergrund steht dabei der Wunsch der Patienten, möglichst nah bei ihrer Familie, ihren Angehörigen oder Freunden zu sein, ohne Schwierigkeiten Besuch erhalten zu können und eine größtmögliche Sicherheit hinsichtlich des Transfers zwischen häuslichem Umfeld und Krankenhaus zu haben. Gefordert werden darüber hinaus ausreichende Parkmöglichkeiten (Concato/Feinstein 1997; Stichler/Weiss 2000) – ein marginal anmutender Aspekt, der für die Erreichbarkeit und die Besuchsfreudigkeit von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten jedoch bedeutsam ist. Douglas und Douglas (2004) kommen in ihrer explorativen qualitativen Studie zu wichtigen Erkenntnissen für eine nutzerfreundliche architektonische Gestaltung des Krankenhauses. Ihnen zufolge ist – wie erwähnt – ein möglichst hohes Maß an Privatsphäre von besonderem Interesse für die Patienten (ebd., auch Anderson et al. 2001; Draper et al. 2001; Gerteis/Roberts 1993a; Gerteis et al. 1993a; Jun et al. 1998; Larsson et al. 1998). Eine baulich-architektonische Gestaltung, die persönliche Rückzugsmöglichkeiten eröffnet und ein hohes Maß an Privatsphäre garantiert, wird als besonders nutzerfreundlich empfunden. Patienten wünschen sich außerdem eine ansprechende, behindertengerechte Architektur und ein ebensolches Mobiliar, schöne Accessoires, Dekors und Bilder (Anderson et al. 2001; Oberlander 1979). Vor allem die Untersuchungs- und Behandlungszonen und die Korridore sollten hell und freundlich gestaltet werden (Sixma et al. 1998). Infante et al. (2004) unterstreichen darüber hinaus die Bedeutung einer freundlichen Gestaltung des Empfangsbereichs. Auch eine barrierefreie, sichere und unterstützende Gestaltung des Krankenhauses wird aus Patientensicht für wichtig erachtet (Douglas/Douglas 2004; Stichler/Weiss 2000). So sollten beispielsweise die Außengelände ohne große Mühen erreichbar und Handläufe, Sitzmöglichkeiten etc. vorhanden sein, die auch bei Mobilitätseinbußen ermöglichen, dass sich Patienten in der Einrichtung eigenständig bewegen können (ebd., Anderson et al. 2001) und ihnen trotz Einschränkungen ein größtmögliches Maß an Autonomie gewährleistet ist. Wichtig ist den Patienten darüber 22 hinaus eine ruhige und lärmfreie Umgebung, in der sie eine ungestörte Nachtruhe haben, sie aber beispielsweise auch in den Besuchszeiten von Familie, Angehörigen und Freunden nicht durch Unruhe gestört werden. Last but not least zählen die Sauberkeit und Hygiene in den Zimmern und den sanitären Einrichtungen zu den aus Patientensicht wichtigen Qualitätskriterien (Draper et al. 2001; Jun et al. 1998; Sofaer et al. 2005; Stichler/Weiss 2000; Weingart et al. 2006). Grundsätzlich wird ein gepflegter Gesamteindruck des Krankenhauses als wichtig erachtet (Jun et al. 1998). Über Hygienegesichtspunkte hinaus ist damit auch die Atmosphäre des Krankenhauses angesprochen, die, so die Patienten, „anheimelnd“ (Douglas/Douglas 2004), natürlich, hell und warm sein (Gerteis/Roberts 1993a; Walker 1993) und ein angenehmes Raumklima aufweisen sollte (Anderson et al. 2001). Zusammenfassend betrachtet präferieren Patienten also eine freundliche, einladende und gepflegte Atmosphäre, in der sie sich „zu Hause“ bzw. „aufgehoben“ fühlen können (Larsson et al. 1998) oder – wie Walker (1993, S. 135 ff.) es auf den Punkt bringt – ein im umfassenden Sinn die Gesundheit bzw. Heilung förderndes Umfeld („healing environment“). Dazu gehört auch der Wunsch nach einer Gestaltung ihrer räumlichen Umgebung, die den Kontakt und Austausch untereinander begünstigt, wie vor allem ältere Patienten hervorheben (Douglas/Douglas 2004). 23 5. Zwischenfazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende patient’s-view-Literatur – so dürfte deutlich geworden sein – eine Fülle von Einzelbefunden und Erkenntnissen zutage gefördert hat, die auch von unübersehbarer Relevanz für die hier im Mittelpunkt stehende Fragestellung ist. Denn vieles spricht dafür, dass die Patienten, wenn sie sich über Krankenhäuser informieren, den dargelegten Qualitätspräferenzen folgen9 und sie auch bei der Informationssuche zugrunde legen. Dagegen könnte eingewendet werden, dass diese Qualitätspräferenzen auf der erlebten Erfahrung eines Krankenhausaufenthalts beruhen und sich die Präferenzen vor und nach dem Krankenhausaufenthalt, also mit und ohne erlebte Erfahrung unterscheiden. Aber: Auch darüber wissen wir nichts Genaues, weil es dazu bislang – ebenso wie über das Thema Informationsbedarf und -bedürfnisse – an Untersuchungen fehlt. Gehen wir daher zunächst von der These aus, dass die sechs zuvor dargestellten Themenbereiche für die Patienten auch bei der Suche nach Informationen vor einem Krankenhausaufenthalt relevant sind. Dafür spricht auch eine vom Picker Institut veröffentlichte Grafik zur Weiterempfehlungsbereitschaft von Patienten (Abb. 1). Abb. 1: Einfluss der Picker-Dimensionen auf die Weiterempfehlungsbereitschaft der Patienten (Picker Institut Deutschland 2005) Arzt-Patienten-Verhältnis 0,26 Pflegepersonal 0,16 Zimmerausstattung 0,13 Erfolg der Behandlung 0,12 Essen 0,07 Sauberkeit 0,06 Aufnahmeverfahren 0,05 Vorbereitung auf Entlassung 0,05 Zimmeratmosphäre 0,04 Einbeziehung der Familie 0,04 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 Beta-Werte 9 Diese Qualitätskriterien weisen zudem hohe Übereinstimmung mit denen auf, die Patienten auch für andere Versorgungseinrichtungen anlegen. 24 Wenngleich die gewählten Kriterien etwas unscharf gefasst sind, so bestätigt die Grafik doch die zurückliegenden Ausführungen und zeigt einmal mehr, was aus Patientensicht bedeutsam ist. An erster Stelle rangiert das Verhältnis von Medizin und Pflege zum Patienten. Erst dann folgen andere Präferenzen, wobei erstaunlich ist, dass die Kategorie „Erfolg der Behandlung“ erst an vierter Stelle nach der Zimmerausstattung rangiert. Doch wie auch immer die Rangfolge aussieht – der Literatur zufolge ist sie nicht eindeutig –, wichtig ist festzuhalten, dass die in der Grafik wie auch die schon zuvor ausführlich dargestellten Qualitätspräferenzen bei der Erstellung von Informationsmaterial im Vordergrund stehen sollten. Davon auszugehen, dass reine Sach- und Leistungsinformation, wie sie die Qualitätsberichte der Krankenhäuser enthalten, auch das Interesse und die Präferenzen der Patienten treffen, kommt also einer Fehlannahme gleich. Aus Patientensicht sind andere Themen wichtig, und ergo muss die für sie bereitgestellte Information über das Krankenhaus inhaltlich anders ausgerichtet sein. 25 6. Informationswege bei der Suche nach Patienteninformation über das Krankenhaus Fragen wir nun, welche Informationsquellen und -wege Patienten nutzen, wenn sie sich über das Krankenhaus informieren wollen. Betrachtet man die vorliegende Literatur, scheint dies eindeutig zu sein: Patienten präferieren bislang vor allem zwei Informationswege. Sie suchen den Rat ihres behandelnden Arztes10 und/oder folgen Hinweisen in ihrem sozialen Netz, in erster Linie von Angehörigen, aber auch von Freunden und Bekannten. Sie suchen bislang also vorwiegend nach mündlicher Information. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass bislang nur wenig andere Informationsmöglichkeiten über das Krankenhaus zur Verfügung stehen (Dierks/Schaeffer 2005, S. 137), könnte aber auch – wie eingangs vermutet – darin begründet sein, dass sie, auch wenn es um die Informationswege/-quellen geht, eigenen und anderen Präferenzen folgen. Betrachten wir dazu die vorliegende Literatur, die zur Frage der Relevanz der verschiedenen Informationsquellen und ihrem jeweiligen Stellenwert für die Entscheidungsfindung bei einer Krankenhauswahl wertvolle Hinweise gibt. So deuten die Ergebnisse einer Untersuchung von Loos-Elßner/Sichermann (2003) darauf, dass Patienten einen Mix aus professionellen und nicht-professionellen Informationsquellen bevorzugen. Loos-Elßner/Sichermann zufolge entscheidet knapp jeder dritte Patient seine Krankenhauswahl auf der Basis eines ärztlichen Rates. Eine bedeutsame Rolle spielen mit 19,7 % auch Empfehlungen von Bekannten/Familienmitgliedern, 18,5 % entscheiden sich aufgrund eigener zurückliegender Krankenhauserfahrungen, für 17 % ist der Ruf der Klinik11 und für 11,7 % die räumliche Nähe ausschlaggebend (Loos-Elßner/Sichermann 2003). Insgesamt entscheiden sich also 55 % der Patienten aufgrund nicht-professioneller Quellen für ein Krankenhaus. Auch eine Studie von Andersen/Schwarze (2000) bestätigt, dass neben Hinweisen des behandelnden Arztes aus dem sozialen Netz stammende Ratschläge bei der Entscheidung für oder gegen ein Krankenhaus am bedeutsamsten sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sie betonen, eine Empfehlung aus dem sozialen Netz bleibe selbst dann noch ausschlaggebend, wenn eine unabhängige professionelle Instanz zu einer gegenteiligen Einschätzung der Krankenhausqualität komme (ebd., auch Badura et al. 1995). Ähnlich auch die Ergebnisse einer im Jahre 1996 in USA von der Kaiser Family Foundation et al. (1996) durchgeführten repräsentativen Umfrage, in der hypothetisch gefragt wurde, welche Informationsquellen bei einer zu treffenden Krankenhauswahl den größten Einfluss auf die Entscheidungsfindung hätten. Auch hier präferieren 63 % der Befragten den Arzt, 60 % Familienangehörige/Freunde und 43 % setzen auf Erfahrungsberichte von Patienten. Geringen Stellenwert nehmen demgegenüber Printmedien sowie Regierungs- und Verbraucherorganisationen 10 11 Das gilt auch, wenn es etwa um das Thema Pflege und Versorgung im Alter geht. Auch hier sind es vor allem die Ärzte, von denen Information erwartet wird, wie der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung zeigt (Amhof 2006). Es wird angenommen, dass sich der „Ruf einer Klinik“ in der Regel auf Informationen/Erfahrungsberichte des sozialen Netzwerks gründet. 26 ein (Robinson/Brodie 1997, S. 243). Die hohe Bedeutung des Arztes für die Krankenhauswahl wird auch in einem Literaturreview von Dealey (2005, S. 578) bestätigt. Eine Untersuchung von Grande/Romppel (2005, S. 169), in der zwar nicht dezidiert nach der Krankenhauswahl, sondern nach der Entscheidung für eine stationäre Rehabilitationseinrichtung gefragt wurde, kommt ebenfalls zu ähnlichen Ergebnissen. Auch hier wird festgestellt, dass die Wahl einer stationären Einrichtung vor allem durch ärztlichen Rat und Hinweise von Bekannten, Familienmitgliedern, eigene Erfahrungen und/oder Erfahrungsberichte (ehemaliger) Patienten beeinflusst wird. Dieser Befund wird durch eine ganze Reihe anderer Untersuchungen bzw. Überblicksarbeiten bestätigt, die sich ebenfalls nicht speziell mit der Krankenhauswahl, sondern generell mit Informations- und Beratungsangeboten für Patienten und Nutzer beschäftigen (Cleary/Edgman-Levitan 1997, S. 1609 ff.; Coulter/Magee 2003, S. 48 f., S. 245 ff.; Dealey 2005, S. 578; Geraedts i. E./2006; Kaiser Family Foundation et al. 1996; Kempson 1987, S. 29 ff.; Robinson/Brodie 1997, S. 241 ff.; Spadaro 2003). Anders stellen sich die Studienergebnisse der Bertelsmann Stiftung dar. Ihnen zufolge zählen zu den am häufigsten genutzten Quellen für Gesundheitsinformationen Zeitungen/Zeitschriften (ca. 74 %), gefolgt von Erfahrungsberichten von Freunden/Familienangehörigen (ca. 48 %), Hinweisen aus dem Internet (ca. 40 %), des Hausarztes (ca. 30 %), Informationen aus Büchern/Printmedien (24 %) und der eigenen Krankenkasse (ca. 18 %) (Brechtel 2004, S. 4). Relativierend ist allerdings anzumerken, dass diese Ergebnisse sich auf allgemeine Gesundheitsinformation beziehen, also nicht auf Strukturinformation, und sie zudem keinerlei Aussagen über die Entscheidungsrelevanz dieser Medien zulassen. Zusammenfassend zeigen die referierten Befunde, dass Hinweise des behandelnden Arztes wie auch Empfehlungen und/oder Erfahrungsberichte von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten sowie (ehemaligen) Patienten offensichtlich bislang den höchsten Stellenwert für Patienten und Nutzer haben, sie also mündliche Information präferieren und mehrere Informationswege bei der Entscheidungsfindung für die Krankenhauswahl beschreiten. Ob der Rat des Arztes oder der des sozialen Netzes wichtiger ist, lässt sich auf der Basis der Literatur nicht eindeutig einschätzen, ebenso wenig in welcher Reihenfolge diese Informanten herangezogen werden. Vermutet werden kann, dass dies parallel geschieht. Ergänzend zu mündlicher Information werden – so lässt sich aus der Literatur schlussfolgern – zusätzlich auch schriftliche Informationen hinzugezogen. Darauf weisen auch die Ergebnisse einer kanadischen Studie von O`Connor (2001), in der nach den „decision making needs“ im Versorgungsgeschehen gefragt wurde. Sie zeigen, dass die Mehrheit der Patienten einen Mix aus schriftlichen Informationen und persönlichen Gesprächen bevorzugt und sich zugleich mehr schriftliche Informationen wünscht – auch im Internet. Ein Grund für diesen Wunsch dürfte darin bestehen, dass schriftliche Informationen – adäquat und nutzerfreundlich aufbereitet – geeignet sind, die Fülle an Informationen strukturiert darzustellen und sie daher von Patienten besser aufgenommen und verarbeitet werden können. Vor allem wenn Patienten krankheitsbedingt emotional stark belastet sind oder gar unter Schock stehen, wie es bei der Krankenhauswahl oder nach der Mitteilung einer schwerwiegenden Diagnose meist der Fall ist, werden ergänzende schriftliche Informationen für sinnvoll erachtet (Kempson 1987; Moult et al. 2004, S. 166). Seit längerem wird auch angemahnt, dass Patienten unabhängige Information zur Verfügung stehen müsse und sie 27 Einsicht in die Qualitätsdaten und das Leistungsgeschehen im stationären Sektor haben müssten, um überhaupt die notwenigen Grundlagen dafür zu erhalten, sich autonom für oder gegen ein Krankenhaus zu entscheiden (Dierks/Schaeffer 2005). Das Internet wird dazu als besonders geeignetes Medium betrachtet, weil es leicht zugänglich ist und rasche, jederzeit abrufbare Information ermöglicht (Geraedts i. E./2006; Schmidt-Kaehler 2005b). Fragen wir daher an dieser Stelle kurz gesondert, welche Bedeutung dieser Informationsquelle für Patienten zukommt. 28 Exkurs: zur Bedeutung der Informationsquelle Internet Auch die wissenschaftliche Diskussion hat sich in den letzten Jahren vermehrt mit der wachsenden Bedeutung des Internet als Informations- und Kommunikationsmedium und der Rolle des World Wide Web als Quelle von gesundheitsbezogenen Informations- und Beratungsangeboten unterschiedlicher Art befasst. Zu den wichtigsten Vorteilen des schriftlichen Informationsmediums für Gesundheitsinformationen zählen die optionale Anonymität der Nutzer, die niederschwellige Erreichbarkeit, die Kontroll- und Vernetzungsmöglichkeiten der Nutzer sowie die vielfältigen Möglichkeiten der didaktisch adäquaten Informationsvermittlung im Internet. Weitere Vorzüge des Internet bestehen darin, dass hiermit prinzipiell sowohl neue Nutzergruppen erreicht werden können, als auch der Zeitpunkt der Information „nach vorne“ verlagert werden kann – Nutzer können das Internet nämlich in Anspruch nehmen, noch bevor sie traditionellerweise mit Instanzen der ambulanten oder stationären Gesundheitssysteme in Kontakt treten (Überblick, siehe: SchmidtKaehler 2004b; Schmidt-Kaehler 2005a; Schmidt-Kaehler 2005b). Einer repräsentativen Befragung der European Opinion Research Group in Deutschland zufolge wird das Internet von ca. jedem vierten Bürger für gesundheitsbezogene Informationen genutzt (Spadaro 2003). Die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung weisen auf einen noch höheren Stellenwert des Internet als Informationsquelle hin. Danach umfasst der Anteil der Nutzer, der für gesundheitsbezogene Informationen das Internet heranzieht, etwa 40 % (Brechtel 2004, S. 4). Studienergebnisse aus anderen Ländern bestätigen in etwa diese Größenordnung (Hesse et al. 2005; Navarro/Wilkins 2001, S. 39; O'Connor et al. 2001), zum Teil wird sie noch höher veranschlagt (Fulda/Kwasik 2004). Eine in den USA durchgeführte repräsentative Studie von Hesse (2005) zeigt, dass innerhalb der Gruppe derjenigen, die das Internet als Quelle für Gesundheitsinformationen nutzt, bereits heute knapp jeder Zweite das World Wide Web als erste Informationsanlaufstelle wählt, noch bevor er seinen Hausarzt befragt. Insgesamt kann – so die Literatur – ein stetig wachsendes Interesse der Bevölkerung an Information aus dem Internet verzeichnet werden (Schmidt-Kaehler 2005b). Für die Zukunft wird prognostiziert, dass sich dies fortsetzen und das World Wide Web als Quelle für gesundheitsbezogene Informationen weiterhin enorm an Bedeutung gewinnen wird (Brechtel 2004, S. 5; Brooks 2001; Fulda/Kwasik 2004; Winkelman/Choo 2003). Betrachtet man das Profil der Nutzer, zeigt sich, dass das Internet bislang mehrheitlich von jüngeren Bevölkerungsgruppen im Alter von 18 bis 39 Jahren genutzt wird. Knapp 65 % dieser Altergruppe nutzt bereits das Internet für gesundheitsbezogene Informationen (Brechtel 2004). Der typische Nutzer ist zudem überwiegend männlich und weist einen höheren Bildungsgrad auf (Brechtel 2004, S. 8; Coulter/Magee 2003, S. 43, 247; Wildner et al. 2002, S. 67). Ältere Bevölkerungsgruppen ab 60 Jahren nutzen das Internet bislang kaum. Aus der Gruppe der Internetnutzer von gesundheitsbezogenen Informationen beträgt der Anteil der 60-Jährigen und älteren nur ca. 15 %. Hier nimmt vielmehr der Arzt eine besonders exponierte Stellung ein und fungiert in manchen Fällen sogar als einzige Informationsquelle (Brechtel 2004; Schaeffer/Dierks 2006, S. 76). Zu einer anderen Charakterisierung der Nutzer von gesundheitsbezogenen Internetangeboten gelangen Navarro/Wilkins (2001). Sie präsentieren Studienergebnisse einer Befragung von Internetnutzern in den USA, in der die Nutzer in Anlehnung an das sogenannte „PATH Model“ 29 klassifiziert wurden. Es wurde ursprünglich mit dem Ziel konzipiert, die Nutzer von Gesundheitsleistungen in sogenannte „PATH Groups“ zu differenzieren. Kennzeichen der einzelnen „PATH Groups“ sind unterschiedliche Muster im Auswahl-, Inanspruchnahme- und Bewertungsverhalten von Gesundheitsleistungen. Mit Blick auf die Nutzung gesundheitsbezogener Internetangebote zeigen die Studienergebnisse, dass das Internet überproportional häufig von einer Nutzergruppe frequentiert wird, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: Sie legt hohen Wert auf geringe Kosten, möchte lediglich „basics“, also basale Versorgungsleistungen (Navarro/Wilkins 2001) in Anspruch nehmen – auch dann, wenn dabei Abstriche bei der Versorgungsqualität gemacht werden müssen –, vertraut den Gesundheitsprofessionen nur mäßig, hat großen Informationsbedarf und ist eher bereit, alternative Versorgungsangebote wahrzunehmen. Die zweite große Gruppe der Internetnutzer ist hingegen durch ein ausgeprägtes gesundheitsbewusstes Verhalten charakterisiert, beansprucht hohe Versorgungsqualität, ist bereit, höhere Kosten zu tragen, analog zur ersten Nutzergruppe – gewillt, alternative Versorgungsangebote in Anspruch zu nehmen –, und hat ein tendenziell höheres Vertrauen in die Gesundheitsprofessionen. Die kleinste Nutzergruppe bilden Personen, die eine eher zynische oder aber sehr traditionelle Einstellung gegenüber dem Versorgungssystem aufweisen. Im Ergebnis plädieren Navarro/Wilkins (2001) dafür, nicht mehr länger von den Nutzern bei gesundheitsbezogenen Internetangeboten zu sprechen, sondern sie differenzierter zu betrachten und nach (Ziel-)Gruppen zu unterteilen, die sich in ihren Nutzungsmustern und in ihren Motiven unterscheiden. Denn auch die Motive der Nutzer, im Internet nach gesundheitsbezogenen Informationen zu suchen, sind breit gestreut. Interessant ist, dass laut Brechtel (2004) ca. 51 % derjenigen, die sich im Internet informieren, kein konkretes Anliegen bzw. Problemhintergrund aufweisen. Die andere Hälfte der Nutzer informiert sich, weil sie konkreten Informationsbedarf zu einem bestimmten Thema hat. So möchten ca. 48 % Informationen über eine Behandlungsmethode, ca. 40 % über ein Krankheitsbild bzw. ein gesundheitliches Problem, ca. 25 % über Präventionsangebote und Gesundheitsvorsorge, und ca. 18 % suchen spezifische Kontaktdaten und Adressen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nur ca. 17 % der Internetnutzer nach einem geeigneten Arzt oder Krankenhaus suchen (Brechtel 2004), wobei einschränkend zu erwähnen ist, dass die Krankenhaussuche nicht separat erfasst wurde – der tatsächliche Anteil dürfte deshalb vermutlich noch geringer sein. Diese eher geringe Bedeutung des Internet bei der Suche nach entscheidungsrelevanten Informationen über das Krankenhaus wird in der zuvor bereits referierten Studie von Loos-Elßner (2003) bestätigt. Der Anteil derjenigen, die sich aufgrund einer Internetinformation für ein Krankenhaus entschieden, lag hier lediglich bei 6 %. Die Ausführungen von Navarro (2001) könnten dafür eine Erklärung liefern. Ihnen zufolge nutzen vorwiegend diejenigen das Internet, die auch bereit sind, alternative Versorgungsangebote auszuprobieren. Dem Versorgungsgeschehen konservativ gegenüberstehende Nutzer hingegen meiden das Informationsmedium Internet und präferieren weiterhin die vertraute Arzt-Patienten-Beziehung. Zusammenfassend betrachtet kann festgehalten werden, dass das Internet zwar bereits heute eine wichtige Quelle für allgemeine Gesundheitsinformationen und auch für Informationen über Versorgungseinrichtungen wie auch das Krankenhaus darstellt und es künftig noch deutlich an Bedeutung gewinnen dürfte (Schmidt-Kaehler 2005b). Gegenwärtig aber bedient sich erst ein Teil der Bevölkerung dieses Mediums: Vorrangig wird es von jungen, männlichen und gut gebildeten 30 Personengruppen genutzt, die keineswegs das Gros der Krankenhauspatienten ausmachen. Die Mehrheit der Krankenhauspatienten rekrutiert sich aus der Gruppe der älteren und alten Menschen, die im Spektrum der Internetnutzer noch unterrepräsentiert ist.12 Doch auch für die Krankenhauswahl spielt das Internet derzeit noch eine untergeordnete Rolle: Es wird offenkundig eher dann frequentiert, wenn kein konkreter Handlungsbedarf und kein Handlungsdruck gegeben ist und wird vor allem in Kombination mit anderen Informationsquellen genutzt. Es dürfte also bislang eher zur allgemeinen Hintergrundinformation beitragen, der, wenn eine Krankenhauseinweisung ansteht und eine Einrichtung auszusuchen ist, eher indirekte Relevanz im Entscheidungsprozess zukommt. Allerdings ist bei dieser Einschätzung zu bedenken, dass sie auf der Basis der gegenwärtigen Nutzungsmuster und auch der heute im Internet existierenden Informationsangebote vorgenommen wurde, die die Vorteile des Internet und seine potenzielle Bedeutung als Medium für entscheidungsrelevante Informationen bei einer Krankenhauswahl noch keineswegs ausschöpfen (hierzu bspw. Brechtel 2004, S. 3; Dealey 2005, S. 577, 579; Schmidt-Kaehler 2005b). Angesichts der großen Dynamik, die im Internetbereich zu verzeichnen ist, sind hier weitere Veränderungen zu erwarten. Ob das Internet dabei seinen Status als zusätzliche Quelle beibehalten oder die Bedeutung der mündlichen Information durch den Arzt und das soziale Umfeld ablösen wird, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird dies von der Nutzerfreundlichkeit (Dealey 2005, S. 577; Dierks/Schaeffer 2005, S. 138) und ebenso von der Vertrauenswürdigkeit der Information im Internet anhängig sein – ein Aspekt, der derzeit viel zu selten diskutiert wird. Nutzer bewerten und selektieren gesundheitsbezogene Informationsquellen sehr wohl danach, ob sie ihnen vertrauenswürdig erscheinen oder nicht. Wenig vertrauenswürdige Informationswege werden skeptisch betrachtet und gemieden, weil fehlende Objektivität, interessengesteuerte (vorwiegend ökonomische) und/oder fehlerhafte Information befürchtet wird (Coulter/Magee 2003, S. 49; Dierks/Seidel 2006, S. 209; Hesse et al. 2005; Robinson/Brodie 1997). Fragen wir noch einmal, wer in Deutschland das höchste Vertrauen genießt, schließt sich gewissermaßen der Argumentationskreis in diesem Abschnitt: Auch in der von Coulter/Magee (2003) in acht Ländern (u. a. Deutschland) durchgeführten Studie sind es die Haus- und Fachärzte, die bei den deutschen Bürgern das größte Vertrauen genießen. Das geringste Maß an Vertrauen wird Magazinen, Zeitungen, Broschüren sowie Informationen der Pharmaindustrie entgegengebracht (Coulter/Magee 2003, S. 4 ff.; Geraedts i. E./2006).13 Allerdings ist bemerkenswert, dass das Internet bei jüngeren Bürgern schon heute teilweise bereits größeres Vertrauen als der Arzt genießt (Coulter/Magee 2003). Vertrauen ist also – so zeigt dies – keine altersunabhängige und keine konstante Größe. Anders formuliert: Es könnte sein, dass der derzeit stabile Befund, demzufolge der Arzt die zentrale Vertrauensperson deutscher Patienten ist, künftig ins Wanken gerät. Dass dies keineswegs unmöglich ist, zeigen exemplarisch die Ergebnisse einer Studie aus den USA. So konstatieren Robinson/Brodie (1997, S. 242 f.) für die USA ein hohes Vertrauen der Patienten in die 12 13 Das dürfte auch für Menschen aus ressourcenschwachen und statusniedrigen Milieus gelten, die – wie hier in Erinnerung zu rufen ist – hohen Bedarf an Patienteninformation aufweisen. Diese Ergebnisse widersprechen den zuvor dargestellten Ergebnissen der Bertelsmann Stiftung, was u. a. damit zu erklären ist, dass dort allgemein nach Gesundheitsinformation gefragt wurde und Coulter/Magee (2003) gezielt nach der Bedeutung professioneller Instanzen für die Information gefragt haben. 31 Familie/Bekannte (50 %), ebenso in Erfahrungsberichte von Patienten (34 %). Hingegen ist das Vertrauen in die dortigen Health Professionals eher gering (29 %), weil ihnen ökonomische Interessen unterstellt werden. Knapp 60 % der Bürger trauen den Empfehlungen von Health Professionals aufgrund vermuteter Eigeninteressen nicht (Kaiser Family Foundation et al. 1996). In dem hier zur Diskussion stehenden Zusammenhang sind diese Befunde deshalb bedeutsam, weil auch im hiesigen Gesundheitswesen die Verunsicherung wächst (Wasem/Nolting 2002) und auch dadurch ausgelöst der Bedarf an Information steigt (Schaeffer/Schmidt-Kaehler 2006), allerdings an einer Form der Information, die die Präferenzen, aber auch die Rezeptionsgewohnheiten der Nutzer trifft. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. 32 7. „Usability“ – Nutzbarkeit von Informationen Damit Informationen das Vertrauen potenzieller Nutzer finden, müssen sie, wie viele neuere Arbeiten belegen (Dierks/Schaeffer 2005; Marshall et al. 2000; Schmidt-Kaehler 2005b), nutzerfreundlich beschaffen und so aufbereitet sein, dass sie überhaupt verwendet und nutzbar gemacht werden können. Wie eingangs bereits festgestellt, besteht in der Literatur mittlerweile Einvernehmlichkeit darüber, dass mangelnde Nutzbarkeit der zur Verfügung gestellten Patienteninformation (auch über das Krankenhaus) eine der zentralen Barrieren dafür ist, dass vorhandene Information nicht aufgegriffen und verwendet wird (Dierks/Schaeffer 2005; Geraedts i. E./2006; Marshall et al. 2000; Schmidt-Kaehler 2005b). Welche Hürden sind es im Einzelnen, die die Verwendung von Information behindern? – Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt eingehender nachgegangen werden. Durchgängig wird in der Literatur betont, dass schwer auffindbare Informationen – egal, ob im Internet oder anderswo – und unverständliche Informationen, die von den Nutzern nicht dekodiert werden können, nicht verwendet werden. Anders formuliert: Informationen müssen also leicht zugänglich und erschließbar und sie müssen verständlich sein (ebd., Robinson/Brodie 1997; SVR – Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003) – eine selbstverständlich anmutende Forderung, der indes nur ein Teil der Patienteninformation bislang entspricht, weil sie vielfach aus der Akteursperspektive erstellt wurde und Nutzergesichtspunkten zu wenig Beachtung beimisst (ebd., auch Schaeffer/Dewe 2006). Auch wenn Information kaum oder nicht mit den inhaltlichen Präferenzen der Nutzer übereinstimmt, die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt wurden, findet sie nicht das Interesse der Nutzer. Bei der Berücksichtigung dessen ist freilich zu bedenken, dass Präferenzen keine feststehende Größe sind. Es wurde bereits angedeutet, dass die Präferenzen von Patienten u. a. erfahrungsabhängig sind (sich etwa anders darstellen, wenn eine Situation erstmals erlebt wird oder sie angstbesetzt ist, etc.) und dass sie sich im Verlauf einer Krankheit verändern, nicht zuletzt, weil sich auch die Patientensituation verändert. Präferenzen sind also keine feststehende Größe, wie in der Literatur neuerlich vermehrt betont wird. Ganz in diesem Sinne wird in der Theorie „der konstruierten Präferenzen“ (theory of constructed preferences) davon ausgegangen, dass Präferenzen konstruiert, aber interaktiv und erfahrungsabhängig herausgebildet werden. Ebenso wird davon ausgegangen, dass Menschen, die sich mit einer neuen und für sie ungewohnten, unüberschaubaren und noch dazu komplexen Situation konfrontiert sehen, mit großer Wahrscheinlichkeit keine festen Präferenzen haben. Zwar werden sie, nach ihren Präferenzen gefragt, diese benennen. Allerdings werden sie sie erst in dem Moment firmieren, in dem sie mit der Frage danach konfrontiert werden. Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen mit Patienten bestätigen dies und belegen auch, dass Patientenpräferenzen sich interaktions- und erfahrungsabhängig verändern können (Hibbard et al. 1996; Hibbard/Jewett 1996; Hibbard/Peters 2003; Sainfort/Booske 1996; Slovic 2000). Auch dies ist bei der Erstellung von Patienteninformation zu beachten und sollte – wie Hibbard und Peter (2003) betonen – auch die Art der Präsentation bzw. Darstellung von Informationen bestimmen. Denn auch sie hat Einfluss darauf, welche Informationen von den Patienten für relevant erachtet werden (Hibbard/Peters 2003). 33 Die Art der Darstellung von Information sollte übersichtlich und so angelegt und organisiert sein, dass Wichtiges sofort erkennbar und eine effektive Nutzung der bereitgestellten Information möglich ist. Die Informationsdaten sollten zudem so aufbereitet sein, dass sie als relevant und interessant wahrgenommen werden und Nutzer motivieren, sie bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (Hibbard/Peters 2003). Darüber hinaus sollte die Datenpräsentation Seriosität ausstrahlen und die Vertrauenswürdigkeit der Information unterstreichen – ein Aspekt, den Robinson/Brodie (1997) besonders unterstreichen. Neben den schon benannten Hürden wird in der Literatur darauf verwiesen, wie hinderlich sich Informationsvielfalt auf Patienten und Nutzer auswirkt. Sie führt zu Frustrations- und Lähmungserscheinungen und hat zur Folge, dass Information nur selektiv genutzt wird (Hibbard/Peters 2003; Hibbard et al. 1998; auch Schaeffer/Dewe 2006). Exemplarisch sei an dieser Stelle auf die Ergebnisse einer von Hibbard et al. (1998) durchgeführten Studie verwiesen, in der unter anderem der Frage nachgegangen wurde, welche Informationen Medicare-Patienten nutzten, um sich über die ihnen zur Wahl stehenden Health Maintenance Organizations (HMOs) zu informieren. Die Ergebnisse zeigen, dass sich viele Patienten von der Informationsfülle und Optionsvielfalt überwältigt und auch emotional überfordert fühlten, zumal die dargestellten Optionen für sie unverständlich waren (Hibbard/Peters 2003; Hibbard et al. 1998). Des Weiteren zeigt die Literatur, dass nur diejenigen von Informationsvielfalt profitieren, die ohnehin schon im Besitz von Information und bereits in der Lage sind, sich Information zu erschließen. Menschen, die nicht über die dazu nötigen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, werden durch Informationsvielfalt eher abgeschreckt (Schaeffer/Dewe 2006). Die Herausforderung besteht somit nicht allein darin, Informationen bereitzustellen, sondern sie so aufzubereiten, dass sie überhaupt rezipiert, verstanden und verarbeitet werden können (Hibbard/Peters 2003; ähnlich Mannion/Goddard 2003) – und dabei Informationsvielfalt und -komplexität zu vermeiden. Mit einer Fülle an Informationen, Variablen und Daten konfrontiert, fühlen sich Patienten und Nutzer überfordert und nehmen bestenfalls verwirrt und resignativ zur Kenntnis, aber nicht auf. Fragt sich also, wie viele Informationen realistischerweise aufgenommen und verarbeitet werden können und wie Nutzer informiert werden müssen, ohne sie zu überfordern und zu verwirren. Empirische Studienergebnisse lassen vermuten, dass wir häufig alles andere als „rational“ entscheiden, sei es aus kognitiver oder aus emotionaler Überforderung. Denn nicht immer verfügen Individuen über die zur Entscheidung einer spezifischen Situation nötigen kognitiven Ressourcen oder die entsprechende Motivation zur Verarbeitung aller vorhandenen Informationen (Hibbard/Peters 2003; Payne et al. 1993; Slovic 1995) – eine Erkenntnis, die hier bedeutsam ist, weil vermutet werden kann, dass Patienten, denen ein Krankenhausaufenthalt bevorsteht, sich in einer belastenden Situation befinden und dies ihre Aufmerksamkeit absorbiert und auch reduziert. Hinzu kommt, dass Menschen in Entscheidungssituationen immer nur eine begrenzte Anzahl von Variablen berücksichtigen können. Mit steigender Anzahl möglicher Wahlalternativen (und darüber erfolgender Information) sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass alle Variablen berücksichtigt werden. Ein „Mehr an Information“ ist also keineswegs immer uneingeschränkt positiv anzusehen. Im Gegenteil: Eine große und steigende Anzahl an Informationen kann eine effektive Entscheidungsfindung behindern (Hibbard/Peters 2003; Phillips/Bero 1996; Slovic 1982). 34 Auch Studien zur Informationsverarbeitung und Urteilsbildung zeigen, dass Menschen, die mit mehr Informationen konfrontiert sind als sie verarbeiten können, dazu neigen, den Entscheidungsprozess zu beschleunigen. Sie verzichten auf aufwändige Informationsverarbeitung und nehmen stattdessen eine gedankliche „Abkürzung“ (shortcut) vor, um sich kognitiv zu entlasten (Hibbard et al. 2002; Hibbard/Peters 2003). Häufig konzentrieren sie sich auf eine Variable und lassen andere wichtige Einflussgrößen außer Acht (Montgomery/Svenson 1989). So ist es beispielsweise möglich, dass sich ein Patient, weil ein Krankenhaus besser erreichbar ist als ein anderes, sich für das leichter erreichbare Krankenhaus entscheidet, obschon er weiß, dass Leistungsstruktur und -qualität des anderen besser bewertet wurden. In diesem Fall wird die Variable Erreichbarkeit stärker gewichtet als andere, deren Bedeutung damit gleichzeitig mental minimiert wird. Ursächlich für diese selektive Informationsnutzung ist, dass die Variable Erreichbarkeit für ihn verständlicher und einleuchtender ist als abstraktere Qualitätsinformationen, und ihm die Entscheidung durch die Komplexitätsreduktion wesentlich leichter fällt. Gleichzeitig muss dieses Vorgehen nicht unbedingt in seinem eigenen Interesse liegen (Hibbard et al. 1997; Payne et al. 1993). Hinzu kommt ein anderer Aspekt. So betonen Hibbard und Peters (2003) in Anlehnung an psychologische Forschungsergebnisse, dass menschliche Entscheidungen durch zwei verschiedene Denkarten zustande kommen: durch analytisches und/oder experimentelles Denken. Das analytische Denken wird als vorsichtiges, abwägendes, argumentatives, verbalisiertes und relativ langsames Denken und Entscheiden charakterisiert. Ihm gegenüber steht das intuitive, automatische, assoziative und schnelle experimentelle Denken und Entscheiden. In der bisherigen Informationspraxis von Qualitätsdaten im Gesundheitswesen wird – so kritisieren sie (ebd.) – eher auf analytisches Denken und rationale Entscheidungsfindung gesetzt. Doch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Patienten/Nutzer auch intuitiv entscheiden und die tragfähigsten Entscheidungen dann zustande kommen, wenn beide Denkarten zum Zuge kommen. Um Patienten eine schnellere und effektive Navigation durch komplexe Entscheidungsfindungsprozesse zu ermöglichen, sollten beide Denkarten daher auch bei der Erstellung von Patienteninformationen Beachtung finden. Anders formuliert: Sie sollte nicht einzig analytischen bzw. rational-choice-Kriterien folgen, sondern auch die für experimentelles Denken typischen Merkmale einbeziehen. Das kann – so Hibbard und Peters (2003) – durch die gewählten Techniken der Datenpräsentation erreicht werden. Was dabei zu beachten und wie vorzugehen ist, wird im Folgenden dargestellt. Minimierung der kognitiven Anforderungen Als eine der größten Herausforderungen für Patienten und Nutzer ist – wie erwähnt – die Informationsfülle und -vielfalt anzusehen, weil sie zu kognitiver und emotionaler Überforderung führt, was für viele Patienten Anlass ist, sich allein auf den persönlichen Rat von Menschen aus ihrem sozialen Umfeld zu verlassen oder ihre Entscheidung auf Grundlage einiger, aus der großen Masse von Daten willkürlich ausgewählter Informationen zu treffen (Hibbard et al. 1997; Hibbard et al. 2001; Hibbard/Peters 2003; Phillips/Bero 1996). Überforderungen können auf unterschiedliche Weise minimiert werden. • So können computergestützte Entscheidungshilfen die Entscheidungsfindung erleichtern, indem sie den Entscheidungsprozess strukturieren, die Aufmerksamkeit der Nutzer auf die wichtigen und relevanten Informationen lenken und durch „Herunterbrechen“ auf kleine Teilschritte die 35 • • Entscheidungslast für die Patienten und Nutzer minimieren. Ebenso ist es möglich, individuelle Präferenzen und Werte der Nutzer zu berücksichtigen. Multifaktorielle computergestützte Entscheidungshilfen sind zudem in der Lage, Dimensionen, die bei früheren Entscheidungen eines Nutzers im Vordergrund standen, quantitativ zu bewerten und im jeweils aktuellen Entscheidungsprozess zu berücksichtigen (Hibbard/Peters 2003; Klemperer 2003; Seibold 2002). Eine Alternative zu computergestützten Verfahren ist im Einsatz von „Informationsvermittlern“ zu sehen (ebd., siehe auch Dierks/Schaeffer 2005; Marshall et al. 2000), die mit den erforderlichen Informationen vertraut sind und Patienten durch den Entscheidungsprozess führen. Solche „Informationsvermittler“ sollten den Abwägungsprozess der Nutzer unterstützen, ohne dabei die Präferenzen der Nutzer zu vernachlässigen (ebd.). Um die Bewertbarkeit von Informationen zu erleichtern, bietet sich außerdem an, die grafische Darstellung von Daten zu verbessern. So können die kognitiven Anforderungen an die Nutzer dadurch verringert werden, dass Informationen auf einfachen Rating-Skalen eingeordnet werden (für empirische Evidenz vgl. Hsee 1996, 1998; Hsee et al. 2005). Für die Nutzer hat dies den Vorteil, dass durch die bereits evaluierende Darstellung die analytische Herausforderung reduziert wird. Anstatt darüber nachdenken zu müssen, wie die einzelnen Optionen zu bewerten sind, wird die Bewertung in vereinfachender Form vorweggenommen.14 Dass eine Verbesserung der grafischen Darstellung die Nutzbarkeit von Informationen erhöht, haben Hibbard und Peters (2003) in einer in den USA durchgeführten experimentellen Laborstudie zur Verbesserung der Evaluierbarkeit von Informationen über die sogenannten Health Plans nachgewiesen (Hibbard/Peters 2003). Dabei gingen sie der Frage nach, ob und wie die Konfrontation der Nutzer mit Qualitätsdaten und Preisen der verschiedenen Health Plans mithilfe von visuellen Hilfsmitteln ( = überdurchschnittlich; = durchschnittlich; = unterdurchschnittlich) zu einer stärkeren Gewichtung dieser Daten bei der Entscheidung für einen bestimmten Health Plan führte. Weiterhin untersuchten sie, ob die Darstellung der Leistungsqualität und Kosten der Health Plans in einem Balkendiagramm dazu führte, dass sich mehr Nutzer für qualitativ hochwertigere Health Plans entschieden. Tatsächlich wählten bei der durch zusätzliche visuelle Hilfsmittel leichter zu interpretierenden Darstellung mehr Untersuchungsteilnehmer einen qualitativ hochwertigen Health Plan – sie entschieden sich damit allerdings auch für die kostenintensivste Option. Empirische Belege für die bessere Evaluierbarkeit und Nutzung von grafisch aufbereiteten Daten kommen jedoch nicht nur aus experimentellen Laborstudien. Ein in den USA veröffentlichter Qualitätsbericht (Performance Report), in dem 24 Krankenhäuser verglichen wurden, verwendete zur Datenpräsentation vier verschiedene grafische Methoden. Zunächst wurden die vorhandenen Daten zu zwei aggregierten Maßeinheiten zusammengefasst. Im Anschluss wurden die jeweils 14 In Studien zur Bewertbarkeit (evaluability) von Informationen wird zudem auf die besondere Bedeutung von emotionalem bzw. affektivem Verstehen verwiesen: Informationen, denen keine emotionale Bedeutung beigemessen wird, sind wesentlich schwieriger zu bewerten und werden häufig nicht angemessen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt (Hibbard/Peters 2003; Slovic et al. 2002). Diese wie auch die anderen referierten Erkenntnisse sollten bei der Darstellung von Informationen beachtet werden, um so zu ermöglichen, dass vormals bedeutungslose Daten zu wertwollen Informationen für Patienten transformiert werden und in Entscheidungsfindungsprozesse Eingang finden können (Hibbard et al. 2002). 36 leistungsstärksten Krankenhäuser, getrennt nach regional und community, in einem Balkendiagramm farblich hervorgehoben und zusätzlich mit grafischen Symbolen für „bessere“ (+) oder „schlechtere“ (-) Leistungen ausgewiesen. Eine Untersuchung des Einflusses dieses Qualitätsberichts auf die Entscheidungsfindung zeigte, dass der Bericht die Entscheidungen der Patienten signifikant beeinflusste. Patienten, die den Bericht gelesen hatten, neigten eher dazu, ein besonders leistungsstarkes Krankenhaus zu wählen oder zu empfehlen (Hibbard/Peters 2003). Narrative Form der Informationsvermittlung Bei Entscheidungen, die nicht täglich getroffen werden, ist es in der Regel schwer, die Tragweite und Konsequenzen der Entscheidung für das eigene Leben zu antizipieren. Das gilt auch für die Krankenhauswahl. Auch sie gehört zu den eher nicht-alltäglichen Entscheidungen. Oft ist sie erstmals im Leben zu fällen, und die Folgen einer Entscheidung für oder gegen eine Einrichtung sind nicht abschätzbar (Hibbard/Peters 2003; Kahnemann 1992). Um Patienten ein besseres Verständnis der Bedingungen und Bedeutung anstehender Entscheidungen zu ermöglichen, stehen unterschiedliche Strategien zur Verfügung (Hibbard/Peters 2003). Eine Möglichkeit besteht darin, Erzählungen und Erfahrungsberichte von Patienten in die Patienteninformation zu integrieren oder aber Information narrativ bzw. erzählförmig aufzubereiten.15 Satterfield et al. (2000) wiesen beispielsweise in einem Experiment nach, dass Untersuchungsteilnehmer, denen Informationen in narrativer Form dargeboten wurden, wesentlich besser für die Bedeutung ihrer Entscheidung sensibilisiert werden konnten und besser in der Lage waren, die gegebenen Informationen zu bewerten, als die Untersuchungsteilnehmer, denen die Daten in normaler, nicht-narrativer Weise präsentiert worden waren. Nur die narrativen Informationen hatten einen signifikanten Einfluss auf die Reaktionen der Teilnehmer (Hibbard/Peters 2003; Satterfield et al. 2000). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Sanfey und Hastie (1998). Sie wiesen nach, dass diejenigen Teilnehmer ihrer Untersuchung, die mit narrativen Informationen konfrontiert wurden, leichter zu situationsgerechteren Urteilen kamen als diejenigen, denen dieselben Informationen mittels Balkendiagrammen oder Tabellen dargeboten wurden. Epstein (1994) führt dies darauf zurück, dass auf diese Weise die beiden unterschiedlichen Denkarten (das experimentelle, an der Entschlüsselung von konkreten Erfahrungen und Beispielen orientierte Denken, und das analytische, abstrahierende Denken) in den Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozess einbezogen werden. Für die narrative Form der Informationspräsentation spricht außerdem, dass: 15 Ganz in diesem Sinn werden etwa in Schweden, Dänemark oder auch Großbritannien regelmäßig Ergebnisse aus Patientenbefragungen (auf der Basis von „reporting questions“) in die Qualitätsinformationen über Krankenhäuser einbezogen (siehe für Großbritannien http://www.doh.gov.uk/nhspatients/). Allerdings kommen Overberg et al. (2006) in ihrer exemplarischen Analyse von Internetplattformen für Brustkrebspatientinnen in den Niederlanden zu dem Schluss, dass „Krankheiterzählungen“ zur Unterstützung der reflexiven Bewältigung von Krankheitserleben, Therapie- bzw. Versorgungsgeschehen hier in der Form nicht gezielt genutzt werden, obgleich einem entsprechenden Erfahrungsaustausch in der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe – so auch in „virtuellen“ Selbsthilfegruppen/Chats – auch im Sinne der emotionalen Unterstützung eine hohe Bedeutung beigemessen wird (vgl. auch Eysenbach et al. 2004). 37 • • • • • • komplexere Informationsverarbeitungsprozesse leichter bewältigt werden können, da Wissen aus vorangegangenen Erfahrungen und aus gerade stattfindenden, differenzierten Denkprozessen zusammengeführt werden kann (Hsee 1996), ungewohnte Informationen durch konkrete Bilder und Beschreibungen für den Empfänger vorstellbar und damit bewertbar werden (Price/Czilli 1996), auf diese Weise dargebotene Daten wesentlich länger erinnert werden (Price/Czilli 1996), Erzählungen die Verbindlichkeit von Informationen erhöhen und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden (Hibbard/Peters 2003), Patienten selbst Erzählungen und Erfahrungen anderer Patienten, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, als Informationsquelle gegenüber dem Studium von aggregierten Daten bevorzugen (Gibbs et al. 1996), durch diese Art der lebhaften Präsentation der Daten ein größeres emotionales Interesse evoziert wird, was wiederum dazu führt, dass die Informationen einen größeren Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Nutzer bekommen (Hendrickx et al. 1989; Kaplan et al. 1985). Eine weitere Strategie, um Information besser auf die Rezeptionsgewohnheiten auszurichten und die Nutzbarkeit zu erhöhen, besteht im Zuschneiden (tailoring) von Informationen auf die spezifische Situation eines Individuums oder einer Patientengruppe. Auch für diese Strategie spricht, dass sie kognitive Belastungen und Überforderungen zu minimieren vermag, da Patienten und Nutzer nur mit den Informationen konfrontiert werden, die zu ihrer spezifischen individuellen und sozialen Situation passen und so zudem die Bedeutung und Reichweite der Entscheidung verdeutlicht werden kann (Hibbard/Peters 2003; Kreuter et al. 2000; vgl. auch Mannion/Goddard 2003; Strange 1999). Für diese Strategie spricht auch, dass auf diese Weise die Anschlussfähigkeit von Information an die Denk- und Rezeptionsgewohnheiten, aber auch an den Wissensstand der Nutzer gesichert werden kann – eine unverzichtbare Voraussetzung, damit Information überhaupt aufgenommen und verarbeitet werden kann. Denn dazu muss sie in den bestehenden Wissenshaushalt integriert werden können. Gelingt dies nicht und erweisen sich Informationen als sperrig, prallen sie ab (Schaeffer/Dierks 2006). Informationen können auf unterschiedliche Weise auf die Rezeptionsgewohnheiten der Nutzer zugeschnitten werden: Sie können individuell oder zielgruppenspezifisch bzw. populationsbezogen zugeschnitten werden, etwa gezielt an alte Menschen, Migranten, Familien etc. adressiert sein. Ein zielgruppenspezifischer bzw. populationsbezogener Zuschnitt bietet sich besonders dann an, wenn es darum geht, eine gezielte Ansprache der unterschiedlichen Nutzergruppen des Krankenhauses zu ermöglichen (auch Gibbs et al. 1996), aber auch, wenn schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen sind (Romano/Zhou 2004). Konzentration auf wichtige Informationen In dem Bemühen, möglichst vollständige Informationen zur Verfügung zu stellen, werden Qualitätsdaten im Gesundheitswesen häufig sehr aufwändig aufbereitet und in umfangreichen, detaillierten grafischen Darstellungen präsentiert, in denen sogar die jeweiligen Konfidezintervalle abgebildet sind. Dahinter steht die Vermutung, dass möglichst vollständige und möglichst aufwändig aufbereitete Informationen zu stärker „gewinnbringenden“ Entscheidungen auf Seiten der Patienten und Nutzer führen. Doch hat umfangreiche Information (und aufwändige Informati- 38 onsaufbereitung) zuweilen kontraproduktive Wirkung: Sie reduziert die Bewertbarkeit der Daten, sodass der Wert der Informationen für die Nutzer eher ab- als zunimmt (Hsee 1996). Information darf also nicht zu detailliert und kleinteilig sein – auch das ist bei der Erstellung von Patienteninformationen zu beachten. Ganz in diesem Sinn weisen Hibbard und Peter (2003)darauf hin, dass die grafische Darstellung präziser Punktschätzungen eine besser zu bewertende Größe darstellen und die Bedeutung der Information besser transportieren kann als z. B. grafische Darstellung mit Konfindenzintervallen (Hibbard/Peters 2003). Bei der Information über Gesundheitsanbieter und -leistungen sind zudem häufig Angaben von Risikowahrscheinlichkeiten anzutreffen. Bei der Darstellung solcher Daten sollte bedacht werden, dass kleine Prozentangaben (z. B. 2 %) von Patienten häufig nicht adäquat eingeschätzt werden und somit kaum in ihren Entscheidungsprozess einfließen können. Sinnvoller ist, so die Literatur, die gleichen Zahlen als Frequenz anzugeben (z. B. 2 aus 100) (Hibbard/Peters 2003; Hoffrage et al. 2000; Kaplan et al. 1985; Lipkus et al. 2001; Slovic et al. 2000; Yamagishi 1997). Wichtigen Einfluss auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Daten hat die Art der Rahmung (framing). Gemeint ist, ob der Informationsschwerpunkt auf die Darstellung des mit der zu treffenden Entscheidung verbundenen potenziellen Gewinns oder Verlusts gelegt wird. Themenabhängig können unterschiedliche Strategien sinnvoll sein. So hat beispielsweise die Angabe von Sterbewahrscheinlichkeiten einen signifikant größeren Einfluss auf die Informationsrezipienten, wenn die Wahrscheinlichkeit als z. B. Mortalitätsrate von 10 % angegeben wird und nicht als Überlebensrate von 90 % (Hibbard/Peters 2003). Auch McNeil et al. (1986) konnten nachweisen, dass die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie stark davon abhängt, ob Risikoinformationen als Mortalität oder als Überlebensraten präsentiert werden. Ist die Mortalität angegeben, entscheiden sich Patienten eher gegen eine Therapie. In unterschiedlichen Studien wurde nachgewiesen, dass die Darstellung von Informationen zu Früherkennung, Behandlung, Prävention und unterschiedlichen Versorgungsmaßnahmen zu signifikant unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, ob die Informationen Angaben zum potenziellen Gewinn oder Verlust enthalten (Edwards et al. 2001; Hibbard et al. 2002; Rothman et al. 1999). Um etwa eine Erhöhung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen zu erreichen, scheint es sinnvoll zu sein, Informationen in Form von potenziell drohenden (Gesundheits-)Verlusten darzustellen. Genau anders verhält es sich bei präventiven Maßnahmen. Hier ist es sinnvoller, auf den wahrscheinlichen (Gesundheits-)Gewinn hinzuweisen. Bei der Wahl von Versorgungseinrichtungen wie dem Krankenhaus dürfte die Darstellung von potenziellen Verlusten und Nachteilen das Verständnis der Patienten und auch den Wert der Informationen steigern (zum Einfluss der Rahmung auf Patienten und Ärzte, vgl. auch Marteau 1989). Zusammenfassend dürfte deutlich geworden sein, dass der Nutzung und Verwendung von Patienteninformationen – über das Krankenhaus wie auch über andere Versorgungseinrichtungen – bislang zahlreiche Hürden entgegenstehen. Sie zu überwinden und die Nutzungsfreundlichkeit (Usability) der Informationsangebote zu erhöhen, ist daher von zentraler Bedeutung. Wie gezeigt wurde, sind damit Implikationen auf der Inhalts-, doch ebenso auf der Darstellungsebene verbunden. Auch die Art und Weise der Darstellung von Information muss den Rezeptionsgewohnheiten der Nutzer entsprechen, damit sie ihr Ziel nicht verfehlt und überhaupt aufgenommen und verarbeitet werden kann. Dazu gehört u. a. die Zugänglichkeit zu Informationen zu verbessern, den (sich 39 verändernden) Präferenzen der Nutzer auch in darstellungsorganisatorischer Hinsicht Beachtung zu schenken und entsprechende Formen der Darstellung zu finden. Nicht minder bedeutsam ist es, Informationsvielfalt zu vermeiden und Patienten und Nutzer nicht mit Detailinformation zu überfrachten, doch ebenso bereitgestellte Information auf die spezifische Problemsituation und die Rezeptionsgewohnheiten der Nutzer zuzuschneiden – etwa narrative Formen der Informationsvermittlung zu integrieren, da sie die Verarbeitung komplexer Information erleichtern, die Verbindlichkeit und Bewertbarkeit erhöhen und durch die lebhafte Präsentation der Daten ein größeres Interesse auslösen. Außerdem ist es ratsam, auch den Verwendungskontext stärker zu beachten: Damit Informationen für Such- und Entscheidungsprozesse fruchtbar gemacht werden können, ist es wichtig, dass sie entsprechend strukturiert und aufbereitet sind, was z. B. durch den Einsatz computergestützter Entscheidungshilfen oder durch (nicht zu kleinteilige) evaluative grafische Darstellungen erfolgen kann. All diese, wie auch die anderen im zurückliegenden Abschnitt dargestellten Hinweise mögen auf den ersten Blick banal erscheinen, haben aber, wie die Literatur zeigt, auf die Nutzung und Verwendung von Informationen großen Einfluss. 40 8. Schlussfolgerungen Abschließend sei anstelle weiterer Bündelungen danach gefragt, welche Konsequenzen aus der zurückliegenden Darstellung erwachsen, wenn es um die Konzipierung von neuen Patienteninformationsangeboten über das Krankenhaus, aber auch andere Versorgungseinrichtungen geht. Zahlreiche Aspekte wurden bereits angesprochen, lediglich die wichtigsten sollen noch einmal summierend festgehalten werden. • Wie die Analyse gezeigt hat, ist wenig Erfolg versprechend, wenn die Erstellung von Patienteninformationsangeboten gewollt oder ungewollt aus der Akteurs- statt aus der Patientenbzw. Nutzerperspektive erfolgt. Das mag selbstverständlich erscheinen, ist aber angesichts der gegebenen Informationsrealität besonders zu unterstreichen. Denn ein Großteil der derzeit verfügbaren Patienteninformation (auch und gerade im Internet) folgt dem, was Akteure des Gesundheitswesens für Patienten und Nutzer für wichtig erachten und ist mehr an der Outsiderals der Insiderperspektive orientiert. Die Insiderperspektive in das Zentrum der Bemühungen zu stellen, ist daher essenziell und noch keineswegs hinreichend erfolgt. Die Umsetzung dessen ist allerdings vor Schwierigkeiten gestellt, denn sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene fehlt es an Studien zur Ermittlung der Insiderperspektive sowie auch des Bedarfs und der Bedürfnisse an Information. Nach wie vor ist es daher erforderlich, entsprechende Studien anzustoßen. Der Insiderperspektive zu folgen bedeutet in der Konsequenz des Weiteren, die Konzipierung und Erstellung von Patienteninformation gemeinsam mit Patienten und Nutzern zu erstellen, zumindest aber sie begleitend und evaluativ in den Prozess einzubeziehen, um nicht unversehens an den aus ihrer Perspektive wichtigen Belangen vorbeizuagieren. • Damit Information von Patienten und Nutzern rezipiert, angeeignet und genutzt wird, ist des Weiteren essenziell, dass sie inhaltlich auf die Wünsche und Präferenzen von Patienten und Nutzern ausgerichtet ist. Wie die zurückliegende Analyse der patient’s-view-Literatur über die Erwartungen von Patienten an die Krankenhausversorgung gezeigt hat, wollen Patienten in erster Linie Informationen, die ihnen behilflich sind, die Vertrauenswürdigkeit einer Institution, auch des Krankenhauses, einzuschätzen. Darüber entscheiden u. a. die fachliche Expertise, vor allem aber das Verhältnis und die Beziehung zum Patienten, die Kommunikation und Information sowie das Management der internen Versorgungsabläufe. Hohe Bedeutung für Patienten haben außerdem16 räumliche und sonstige Ausstattungsmerkmale (Wohnortnähe, Lage, Zimmergestaltung und Atmosphäre). Reine Sach- und Leistungsinformation, wie sie derzeit die inhaltliche Informationsgestaltung beherrschen, treffen – so ist hier noch einmal zu betonen – die Informationsbedürfnisse von Patienten und Nutzern bestenfalls partiell. Auch bei der Festlegung und Gestaltung der Informationsinhalte ist also für eine konsequentere Beachtung der Patientenund Nutzerperspektive zu plädieren. 16 Die Wichtigkeit dieser Kriterien wird für den Krankenhaussektor durch eine jüngst von Geraedts (i. E./2006) vorgelegte Untersuchung bestätigt. Eine im Rahmen einer Bachelor-Arbeit durchgeführte Literaturanalyse und Pilotstudie bestätigt, dass diese Kriterien – Wohnortnähe und ein guter, vertrauenswürdiger Eindruck – auch für die Wahl von Pflegeeinrichtungen zentral sind (Beller 2006). 41 • Patienten und Nutzer wünschen sich darüber hinaus für sie leicht zugängliche und verständliche Information. Schwer auffindbare Information, die nur auf komplizierten Wegen erreichbar ist, stößt auf Nutzungs- und Rezeptionsbarrieren. Das Gleiche gilt für Information, die für die Rezipienten schwer decodierbar ist. Damit Information aufgenommen und angeeignet werden kann, muss sie verständlich sein. Sie darf nicht zu komplex und kompliziert, muss sprachlich nachvollziehbar, an das Wissen von Patienten und Nutzer anschließbar und in ihren Wissenshaushalt integrierbar sein. Erfüllt sie diese Merkmale nicht, prallt sie ab oder wird bestenfalls zur Kenntnis genommen, aber nicht angeeignet und verwandt. • Nicht nur für Versorgungsinstitutionen, sondern auch für Informationen selbst gilt, dass sie vertrauenswürdig sein und erscheinen müssen, damit sie die Aufmerksamkeit von Patienten und Nutzern finden. Bislang scheinen mündliche Informationsquellen –insbesondere der (Haus-)Arzt und das soziale Umfeld von Patienten und Nutzern – die größte Glaub- und Vertrauenswürdigkeit zu besitzen. Jedenfalls werden sie, wenn Such- und Entscheidungsprozesse im Gesundheitswesen anstehen, am intensivsten als Informationsquelle genutzt. Dies könnte sich – ausgelöst durch den Bedeutungsgewinn des Internet, aber auch den durch Ökonomisierungsprozesse im Gesundheitswesen bedingten Vertrauensverlust in professionelle Instanzen – künftig verändern und wird sich vermutlich verändern. Um die Bedeutung herkömmlicher Informationsquellen ersetzen zu können, dürfte die Vertrauenswürdigkeit neuer Informationsquellen und der hier dargebotenen Information aber eine wichtige Rolle spielen. Daraus erwachsen auch für die Konzipierung von Informationsangeboten im Internet Konsequenzen: Damit sie aus Nutzersicht an Vertrauenswürdigkeit gewinnen, ist wichtig, dass die dort vorgehaltene Information eben jenen Gesichtspunkten Aufmerksamkeit widmet, die zuvor mit Blick auf die Informationsinhalte erwähnt wurden. Darüber hinaus ist der Informationsdarstellung besondere Beachtung zu schenken. Auch sie sollte Glaubwürdigkeit und Seriosität ausstrahlen, an den Rezeptionsgewohnheiten von Patienten und Nutzern orientiert sein und ihren Prioritätensetzungen folgen. • Über all das hinaus ist bei der Konzipierung und Erstellung von Patienteninformation Gesichtspunkten der Nutzbarmachung (Usability) mehr Beachtung zu schenken. Wie die Analyse gezeigt hat, besteht eine der zentralen Herausforderungen darin, dass verfügbare Information nicht genutzt wird, wenn es um die Auswahl eines Krankenhauses oder einer Versorgungseinrichtung geht. Damit Information auch für Such- und Entscheidungsprozesse herangezogen und verwendet werden kann, muss sie nutzer- und nutzungsfreundlich sein. Dies hat auf der Ebene der Darstellung und der grafischen Gestaltung eine Reihe von Konsequenzen, die in den zurückliegenden Ausführungen ebenfalls geschildert wurden. Hier ist noch einmal festzuhalten, dass Informationsvielfalt, zu komplexe, unübersichtliche und zu kleinteilige Information die Rezeption behindern und ergo auch auf der Ebene der Darstellung Prioritätensetzungen unverzichtbar sind – freilich solche, die den Präferenzen der Rezipienten folgen. Ebenso sind Formen der grafischen Darstellung zu wählen, die Patienten nicht verwirren, irritieren und demotivieren, sondern ihnen stattdessen Orientierung und Kompetenzgewinn ermöglichen. Da Patienten offenkundig mündliche bzw. narrative Information präferieren und dieser, insbesondere wenn es um Entscheidungen geht, den Vorzug vor schriftlicher geben, sollten außerdem auch in (schriftliche) Internetinformationen narrative Elemente Eingang finden. Zudem ist zu überlegen, wie die schriftliche Internetinformation mit mündlicher Beratung bzw. Rückversicherungsmöglichkeiten gekoppelt oder verknüpft werden kann. Zur 42 Optimierung der Nutzbarkeit dürfte außerdem die Integration von Entscheidungshilfen sinnvoll sein. • Wie die Analyse gezeigt hat, ist darüber hinaus wichtig, die Darstellung von Information mehr auf die spezifische Problemsituation (sowie den Bedarf und die Bedürfnisse) der Nutzer/Rezipienten zuzuschneiden. Dabei zielgruppenspezifischen Gesichtspunkten besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sei ausdrücklich angeraten. Bislang wird Internetinformation vor allem von jungen und erwachsenen Mittelschichtangehörigen rezipiert, die allerdings zu den bereits informierten Nutzern des Gesundheitswesens gehören und in der Lage sind, sich problemlos Information zu erschließen. Ältere und alte Menschen, die die größte Patientengruppe im Krankenhaus ausmachen, werden bislang kaum durch Internetinformation erreicht. Das gilt auch für andere Bevölkerungsgruppen (etwa Migranten), sei es, weil sie nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um sich Information zu erschließen, oder weil die verfügbare Information nicht auf ihre spezifischen lebensweltlichen Bedingungen zugeschnitten ist. Um auch diese Bevölkerungsgruppen bzw. um jene Patientengruppen zu erreichen, die zu den Hauptnutzern des Krankenhauses gehören, ist bei der Erstellung von Patienteninformation über das Krankenhaus oder andere Einrichtungen des Versorgungswesens zielgruppenspezifischen Gesichtspunkten weitaus größere Beachtung zu schenken als bislang. 43 Anhang: Methodisches Vorgehen bei der Literaturrecherche Um den aktuellen Forschungsstand ermitteln zu können, erfolgte eine umfassende Literaturrecherche. Neben der Auswertung von Handbüchern und Sammelbänden (Badura/Iseringhausen 2005; Coulter/Magee 2003; Gerteis et al. 1993b; Hurrelmann/Leppin 2001; Jähn/Nagel 2004; Klauber et al. 2005; Reibnitz von 2001; Schaeffer/Schmidt-Kaehler 2006), konzentrierte sich die Recherche schwerpunktmäßig auf die Datenbanken „PubMed“ und „CINAHL“. Zur Komplettierung erfolgte ergänzend eine Recherche im „Social Science Citation Index“ und in „PsychInfo“, um die in den beiden zentralen gesundheitsbezogenen Datenbanken nicht erfasste (medizin-)soziologische und psychologische Literatur ermitteln zu können. Da sich bei der Recherche die Bedeutung der architektonischen Gestaltung als ein aus Patientensicht zentraler Qualitätsaspekt herauskristallisierte, erfolgte zugleich eine Stichwortabfrage im „Science Citation Index Expanded“. In ihm sind neben naturwissenschaftlichen Zeitschriften auch ingenieurwissenschaftlich-technische und architektonische Fachzeitschriften erfasst. Ausgehend von den Diskussionslinien der Transparenz- und Qualitätsdebatte und zur Patienten/Nutzerorientierung im Gesundheitswesen (vgl. exemplarisch Badura 1999; Badura/Iseringhausen 2005; Klauber et al. 2005; Schaeffer 2004a) und den in PubMed eingeführten Hauptschlagworten, wurden für die Literaturrecherche Suchbegriffe („keywords“) und die in der Literatur verwandten „Synonyme“ (z. B. Patient/Klient/Nutzer/Kunde) für eine kombinierte Stichwortabfrage (mit Trunkierung) in deutscher und in englischer Sprache ausgewählt (s. Tabelle 1). Tabelle 1: Suchbegriffe (keywords) Begriff 1 Begriff 2 Begriff 3 Begriff 4 Begriff 5 Begriff 6 PatientenKrankenperspektive /haus* sicht* Informationsbedarf* Be-ratung* Krankenhauswahl* Deutsch Patient* Synonym 1 Nutzer Nutzerperspektive/sicht* Synonym 2 Klient Klientenperspektive/sicht* Synonym 3 Kunde* Kundenperspektive/sicht* stationäre EntVerPräfe-renz* Edukation* scheidung* sorgung* Erwartung* 44 English Patient* view* hospital* information* counseling* choice* Synonym 1 user* perspective* hospice* request* education* decision* Synonym 2 client* preference* Synonym 3 consumer* Synonym 4 expectation* customer* Nachfolgend werden exemplarisch die Suchergebnisse der Recherche in der Datenbank PubMed in tabellarischer Form dargestellt. Die Datenbankrecherche beschränkte sich auf die seit Anfang 1990 bis zum Stichtag der Abfrage (26.5.2006) in die Datenbank aufgenommene Literatur und konzentrierte sich auf deutsch- bzw. englischsprachige Referenzen. Tabelle 2: Ergebnisse der Literaturrecherche PubMed (Abruf: 21.05.2006) 17 Datenbank Suchoption17) Suchergebnisse kein Nachweis PubMed 1 (Patient* OR Nutzer) AND (Krankenhaus OR stationäre Versorgung) AND (Patientenperspektive* OR Nutzerperspektive* OR Patientensicht* OR Informationsbedarf* OR Präferenz* OR Erwartung* OR Beratung OR Edukation OR Krankenhauswahl OR Entscheidung) 11 731 Artikel, davon 742 Reviews PubMed 2 (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR customer*) AND (hospital OR hospice) AND (view* OR perspective OR information OR request* OR preference* OR expectation* OR counselling OR education OR choice OR decision) PubMed 3 (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR customer*) AND (hospital OR hospice) AND (information OR request* OR preference* OR expectation*) 13 962 Artikel, davon 944 Reviews PubMed 4 (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR customer*) AND (hospital OR hospice) AND (information OR request* OR preference* OR expectation) AND view* 840 Artikel, davon 60 Reviews Weitere Suchbegriffe/Begrenzung: Abstracts 1990/01/01-2006/05/21; „Humans“, English/German. 45 PubMed 5 PubMed 6 PubMed 7 PubMed 8 PubMed 9 (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR customer*) AND (hospital OR hospice) AND (information OR request* OR preference* OR expectation) AND perspective 333 Artikel, davon 33 Reviews (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR 334 Artikel, customer*) AND (hospital OR hospice) AND (infor- davon 32 Reviews mation OR request* OR preference* OR expectation) AND counseling (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR 3145 Artikel, customer*) AND (hospital OR hospice) AND (infor- davon 230 Reviews mation OR request* OR preference* OR expectation) AND education 531 Artikel, (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR customer*) AND (hospital OR hospice) AND (infor- davon 41 Reviews mation OR request* OR preference* OR expectation) AND choice (patient* OR user* OR client* OR consumer* OR 1605 Artikel, customer*) AND (hospital OR hospice) AND (infor- davon 147 Reviews mation OR request* OR preference* OR expectation) AND decision Wie aus der Übersicht in Tabelle 2 ersichtlich wird, förderten die einzelnen Suchschritte eine Vielzahl von Referenzen zu den genannten Stichwortkombinationen zutage. Allerdings zeigte bereits eine erste Sichtung der über den Abfrageschritt PubMed 2 (11 731 Titel, davon 742 ReviewArtikel) und PubMed 3 (13 962 Artikel, Titel, davon 944 Review-Artikel) erschlossenen Titel, dass es sich bei der überwiegenden Anzahl der Referenzen nicht um Beiträge zum Informationsbedarf und Präferenzen der Patienten bei der klinischen Behandlung oder gar der Krankenhauswahl handelte. Daher konzentrierte sich die Auswertung auf die Sichtung der Titel und Abstracts zu Review-Artikeln, die über die Suchschritte PubMed 4 bis PubMed 9 ermittelt worden waren, um anhand dieser im „Schneeballverfahren“ die zentralen Originalbeiträge zum Rahmenthema zu erschließen. Bei der systematischen Auswahl der ermittelten Review-Artikel zeichnete sich ein ähnliches Bild ab wie bei der exkursorischen Sichtung der Titel, die auf der Grundlage der Stichwortkombination bei der Abfrage PubMed 2 und PubMed 3 ermittelt worden waren. Die Rechercheergebnisse spiegeln – wie bereits an dieser Stelle zu betonen ist – die Forschungsschwerpunkte zum Themenfeld „Patientensicht und -informationsbedarf“ wider und konzentrieren sich thematisch auf: • Health Technology Assessments (HTA) zu spezifischen Diagnose- und Therapieverfahren, einschließlich krankheitsspezifischer Therapieentscheidungen (minimal-invasive Chirurgie vs. offene Operationen, postoperatives Schmerzmanagement, Anästhesieverfahren bei minimalinvasiven Eingriffen, Lapraskopie, medikamentöse Therapie, Therapiewahl bei MP, Lungenerkrankungen, Diagnoseverfahren, MNR zur Abklärung) und der partizipativen Entscheidungsfindung (vgl. z. B. Roe et al. 2001). 46 • • • • Untersuchungen zur Auswahl und Patientenzufriedenheit mit spezifischen klinischen Servicebereichen im Krankenhaus (Behandlungsverfahren Chang et al. 2004; Entbindung/ Wöchnerinnenbetreuung Hundley et al. 2000; Rubin et al. 1997; Notaufnahme Trout et al. 2000; Essensversorgung Watters et al. 2003; z. B. zur Klinikambulanz Yarris et al. 2006) und prekäre Entscheidungssituationen der Betreuung schwerstkranker Patienten bei progredienten Erkrankungen (vgl. z. B. Greipp 1996). Entscheidungskriterien zur Klinikauswahl bei der Einweisung durch die behandelnden Ärzte (Mahon et al. 1993). Integrierte Versorgung, Managed Care und Disease Management Programme (Bene/Solomon 1999). Nach einer ersten Analyse der Rechercheergebnisse wurden die für die Bearbeitung der Fragestellung relevanten Artikel identifiziert. Es wurden alle Artikel herangezogen, die sich Fragen des Informationsbedarfs, der Erwartungen und Qualitätsanforderungen an die Versorgungsgestaltung speziell im stationären Sektor aus der Patientenperspektive widmen.18 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die recht aufwändige elektronische Recherche insgesamt relativ wenig an Artikeln zutage gefördert hat, die sich direkt auf die aufgeworfene Fragestellung beziehen. Insgesamt konnten 28 einschlägige Literaturhinweise ermittelt werden, die zumindest im weiteren Sinn unmittelbare Relevanz zum Rahmenthema aufweisen (Allen/Hommel 2006; Bolton/Brittain 1994; Cleary/Edgman-Levitan 1997; Coulter 2004; Coulter/Jenkinson 2005; Dealey 2005; Douglas/Douglas 2004; Draper et al. 2001; Fulda/Kwasik 2004; Geron 2000; Gooding 1995; Hart 1997; Hibbard/Peters 2003; Larsson et al. 1998; Lorence/Greenberg 2006; Lovgren et al. 1996; Mason/Street 2006; Moult et al. 2004; Mukamel/Mushlin 2001; Oermann/Templin 2000; Phillips/Zorn 1994; Rudd/Glanz 1989; Schauffler/Mordavsky 2001; Shank et al. 1992; Sofaer/Firminger 2005; Sofaer et al. 2005; Suhonen et al. 2005; Weingart et al. 2006). Sie kristallisierten sich auch in der weiteren Literaturanalyse größtenteils als richtungsweisende Beiträge heraus. Im Gegensatz dazu stellte sich die Datenbankrecherche in Kombination mit der Sichtung der in den letzten zehn Jahren publizierten Beiträge in den beiden für den Themenbereich „Patienteninformation“ als zentral erachteten internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften „Health Expectations“ und „Patient Education and Counseling“ und der weiteren Suche nach dem Schneeballverfahren als zielführend dar19: • 18 19 „Health Expectations“ erscheint seit 1998 vierteljährlich, wird von der Direktorin des Picker Institute Europe, Angela Coulter, in London herausgegeben, ist peer-reviewed und stellt Fragen der patientenorientierten Versorgungsforschung und Gesundheitspolitik in den Mittelpunkt. Die Beiträge wurden in eine Datenbank (Endnote) eingepflegt und anschließend analytisch bearbeitet. Deutschsprachige Literatur konnte allerdings mit drei Forschungsbeiträgen nur in sehr begrenztem Umfang ausgemacht werden (Luthy et al. 2000; Sawicki 2005; Schröder et al. 2004). Ursächlich dafür dürfte u. a. die nur fragmentarische Erfassung der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur in internationalen Datenbanken sein. Daher erwies sich hier die Hinzuziehung von Buchpublikationen als zielführender – seien es Handbücher, Sammelbände oder Forschungsberichte (z. B. Aust 1994; Grande/Romppel 2005; Grande et al. 2005; Müller-Mundt 2001; Schaeffer 2004a; Schaeffer/Schmidt-Kaehler 2006; Schaeffer et al. 2005; Wingenfeld 2003; Wingenfeld 2005; Wingenfeld/Schaeffer 2001; Witte 1996). 47 • „Patient Education and Counseling” ist das seit 1979 bestehende offizielle Organ der Association for Communication in Healthcare (EACH) und American Academy on Communication in Healthcare (AACH). Die Zeitschrift widmet sich entsprechend der disziplin- und fachgebietsübergreifenden Ausrichtung der beiden wissenschaftlichen Fachgesellschaften aus interdisziplinärer Perspektive unterschiedlichen Themen der Gesundheitskommunikation und -beratung sowie der Patientenedukation. Im Ergebnis bestätigte die Sichtung der beiden Zeitschriften, dass das Thema „Informationsbedarf/wünsche und Erwartungen der Patienten bei der Krankenhauswahl“ bisher ein randständiges Thema darstellt. Bei der systematischen Sichtung und Auswertung der in „Health Expectations“ erschienenen Beiträge konnten – neben den bereits in der Datenbankrecherche ermittelten – für die weitere Recherche nach dem „Schneeballverfahren“ weitere 15 Übersichtsdarstellungen und Originalbeiträge erschlossen und in die Literaturanalyse einbezogen werden. Als instruktiv erwiesen sich nicht zuletzt die die Diskurslinien zu „Erwartungen“ (Coulter 2006), „Informationsverhalten“ (Longo 2005), „Entscheidungskriterien“ und „Partizipation“ der Patienten (Coulter 2004; Entwistle 2006) komprimiert zusammenfassenden Editoriale. Neben (Forschungs-)Beiträgen, die sich den Patientenerwartungen und Informationserfordernissen aus einer übergreifenden Perspektive (Abbott et al. 2006; Deber et al. 2005; Hain 2002; Lamont/Levenson 2001; Moult et al. 2004; Rogers 2002; Sixma et al. 1998) widmen, erwiesen sich zwei speziell auf Patientenerwartungen an das Krankenhaus bezogene Beiträge für die weitere Analyse als gewinnbringend. Sie widmen sich speziell den Anforderungen an die architektonische Gestaltung (Douglas/Douglas 2005; Douglas/Douglas 2004), deren Berücksichtigung bereits Ende der 1990er-Jahre von der European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions gefordert wurde (vgl. Moran et al. 1990). Auch die themenbezogene Analyse der in den letzten zehn Jahren in „Patient Education and Counseling“ (Vol. 27/1996) erschienenen Beiträge bestätigt, dass die Evaluation krankheitsbezogener Patienteninformationsmaterialien zwar ein Thema bildet (vgl. z. B. Davey et al. 2005; Kennedy et al. 2003; Rees et al. 2003; Sheard/Garrud 2006; Wensing et al. 2003), nicht jedoch das Thema Informationsbedarf bei der Krankenhauswahl.20 Das methodische Vorgehen und die Ergebnisse der unterschiedlichen Schritte der Literatursuche zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die im Mittelpunkt des Interesses stehenden Fragen noch keineswegs zu den viel beforschten und diskutierten wissenschaftlichen Themen gehören und hier noch großer Forschungsbedarf besteht. 20 Analog hierzu finden sich zum Thema „Internet“ Beiträge zur Entwicklung und Evaluation von internetgestützten Patientenedukationsprogrammen (Chen/Yeh 2006; Escoffery et al. 2004; Jones et al. 2001; Rozmovits/Ziebland 2004; Thakurdesai et al. 2004) und von gesundheitsbezogenen Informationsplattformen (Ademiluyi et al. 2003; Hardyman et al. 2005; Winefield et al. 2004). Zum Internet-Zugang und dessen Nutzung durch Patienten wurde in dem betrachteten Zeitraum nur ein Beitrag in der Zeitschrift publiziert (Kalichman et al. 2002), der sich auf HIV/Aids-Patienten bezieht (DeGuzman/Ross 1999). Im Vergleich dazu findet das Thema „Virtual Communities“ in der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und in entsprechend moderierten Diskussionsforen (Bruce et al. 2005; Demiris 2006; Street 2003; Winefield 2006) in den letzten drei Jahren als Forschungsgegenstand Beachtung. So ist in diesem Jahr auch erstmals ein Beitrag zur Bedeutung von „Krankheitsgeschichten/Patientenerzählungen“ in Internetplattformen für Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen erschienen (Overberg et al. 2006). 48 Literatur Abbott, S./Meyer, J./Bentley, J./Lanceley, A. (2006): Patient advice and liaison services: strengthening the voices of individual service users in health-care organizations. Health Expectations 9, Nr. 2, 138-147 Ademiluyi, G./Rees, C./Sheard, E. 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