Lichtexposition bei vitreoretinaler Chirurgie

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Lichtexposition bei vitreoretinaler Chirurgie
Leitthema
Ophthalmologe 2008
DOI 10.1007/s00347-008-1794-z
© Springer Medizin Verlag 2008
A.E. Höh1 · T. Ach1 · R. Amberger2 · S. Dithmar1
1 Leiter Schwerpunkt Retinologie, Universitäts-Augenklinik Heidelberg
2 Kirchhoff-Institut für Physik, Heidelberg
Lichtexposition bei
vitreoretinaler Chirurgie
I. Grundlagen
Physikalische Größen
elektromagnetischer Strahlung
Das Spektrum der elektromagnetischen
Strahlung reicht von der Höhenstrahlung
(Wellenlänge 10-12 m) bis hin zu hochfrequenten Wechselströmen (Wellenlänge
106 m)(. Abb. 1). UV-Strahlung, sichtbares Licht und Infrarotstrahlung werden auch als optische Strahlung bezeichnet. Das sichtbare Licht ist der Wellenlängenbereich zwischen 380 nm und 770 nm
und stellt somit nur einen kleinen Teil der
elektromagnetischen Strahlung dar.
Bei der Messung elektromagnetischer
Strahlung sind 2 Systeme zu nennen, die
Fotometrie und die Radiometrie, wobei sich das fotometrische System auf die
Messung von sichtbarer elektromagnetischer Strahlung beschränkt, die Radiometrie aber auch Ultraviolett (UV)-, Infrarot- und Gammastrahlung mit einbezieht. Die für beide Messsysteme gebräuchlichen Parameter und Einheiten
sind in . Tab. 1 wiedergegeben. Dabei
sind den fotometrischen Parametern die
radiometrischen gegenübergestellt.
Physiologischer
Lichtschutz des Auges
Der Aufbau des menschlichen Auges garantiert eine gute Filterung schädlicher
elektromagnetischer Strahlung. Letztlich erreichen die Netzhaut nur Lichtwellen zwischen 380 und 780 nm. Die übrige Lichtstrahlung wird durch mehrere
Schutzsysteme absorbiert. UVC und Teile
der UVB- und Infrarotstrahlung werden
in der Hornhaut, UVA und Teile der UVBStrahlung sowie nahe Infrarotstrahlung
(bis 1400 nm) werden in der Linse absorbiert (. Abb. 2). Bis zum jugendlichen
Alter besteht ein kleines Transmissionsfenster für UVB-Strahlen bei 320 nm, welches sich aufgrund der alterskorrelierten
Veränderungen der Linse später schließt.
Schützende Pigmente finden sich in der
Iris (Melanin), Linse (gelbes Linsenpigment) und Makula (Lutein, Zeaxanthin).
Antioxidative Enzyme (Glutathionperoxidase, Superoxiddismutase, Hämoxygenase), Radikalfänger (Vitamin C und E,
Glutathion) und die Kofaktoren Zink und
Selen unterstützen diese Schutzmechanismen (. Abb. 3 [36]).
Mechanismen der Lichttoxizität
Licht im sichtbaren Wellenlängenbereich
kann über verschiedene Mechanismen zu
einer Schädigung der Netzhaut führen.
Die Wechselwirkung der Lichtstrahlen
mit der Netzhaut hängt dabei im Wesentlichen von 3 Faktoren ab: der Wellenlänge (nm), der Expositionszeit (s) und der
Bestrahlungsstärke (W/cm2) [40]. Man
unterscheidet zwischen fotomechanisch,
fotothermisch und fotochemisch induzierten Schäden [8, 40, 47].
Die fotomechanische Schädigung (Fotodisruption) entsteht durch eine hohe Energiezufuhr (kiloW- megaW/cm2)
innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne
im Nano- bis Picosekundenbereich. Dabei spielt die Wellenlänge des Lichts keine Rolle. Die zugeführte Energie führt
zur explosionsartigen Verdampfung von
Gewebswasser [2]. Durch die dabei entstehende Schockwelle kommt es zur Ruptur des Gewebes. Dieser Mechanismus
wird bei der Nd:YAG-Laser-Kapsulotomie oder -Iridotomie genutzt.
Eine fotothermische Schädigung der
Netzhaut entsteht insbesondere durch
die längeren Wellenlängen des sichtbaren Lichts und im Nah-Infrarot-Bereich (600–1400 nm) bei einer Expositionszeit von Mikrosekunden bis mehreren Sekunden. Durch die Absorption der
Photonenenergie kommt es zu einer Anhebung des Energieniveaus der Moleküle
und einem Ansteigen der kinetischen Energie, was einem Temperaturanstieg entspricht. Ab einem Temperaturanstieg von
10°C kommt es zu einem Aufbrechen von
Bindungen in makromolekularen Strukturen und damit zu einer Zerstörung der
Tertiärstruktur und Denaturierung der
Proteine. Dieser Mechanismus wird bei
der Argonlaserkoagulation der Netzhaut
genutzt.
Bei der fotochemischen Schädigung
führen kürzere Wellenlängen des sichtbaren Lichtspektrums zu lichtinduzierten
chemischen Reaktionen, wobei das Licht
mit endogenen Chromophoren des Auges (Sehpigmente, Hämproteine, Flavoproteine, Melanin, Lipofuszin u. a.) interagiert. Dabei reicht eine deutlich niedrigere Bestrahlungsstärke aus als bei fotothermisch induzierten Schäden, während
die Expositionsdauer in der Regel länger
ist. Durch Absorption von Photonen werden die Moleküle in einen elektronisch
angeregten Zustand gebracht, in welchem
sie besonders reaktiv sind. Die angeregten
Der Ophthalmologe 2008 | Leitthema
sichtbarer Bereich des
Spektrums
Art der Strahlung
Wellenlänge [m]
Röntgenstrahlung
UVStrahlung
y-Strahlung
10-12
10-10
10-8
InfrarotStrahlung
10-6
TerrahertzStrahlung
10-4
Mikrowellen
10-2
100
Rundfunkwellen
UKW
MW
LW
102
Wechselstrom
104
106
Abb. 1 8 Wellenlängenbereich elektromagnetischer Strahlung. Elektromagnetische Strahlung weist Wellenlängen von 10-12 bis
106 m auf. Der nur geringe Anteil von sichtbarer Strahlung (380–770 nm) ist zur Verdeutlichung vergrößert hervorgehoben
Abb. 2 8 Absorption von elektromagnetischer Strahlung im menschlichen Auge. Nicht das gesamte
Spektrum elektromagnetischer Wellen erreicht die Netzhaut. Bereits in Hornhaut, Iris und Linse werden Teile der Strahlung absorbiert
rung spielt die fotochemisch induzierte
Lipidperoxidation in der Netzhaut eine
große Rolle.
Der primäre Ort der fotochemischen
Schädigung sind die Außensegmente der
Fotorezeptoren und das RPE. Je nach Ausmaß der Schädigung, können die Läsionen klinisch sichtbar werden, was meistens 24 bis 48 h dauert [16]. In Untersuchungen an Rhesusaffen zeigte sich nach
Bestrahlung mit 441 nm eine Disruption
und Hypopigmentierung des retinalen
Pigmentepithels und histologisch eine Vakuolisierung und Desorientierung der Fotorezeptoren. Im Verlauf kommt es zu einer Makrophageninvasion und RPE-Proliferation. Bei milden Läsionen kann sich
die Architektur der Netzhaut nach 30 Tagen, abgesehen von einer bleibenden Hypopigmentierung [16, 44], wieder normalisieren.
Faktoren der fotochemischen
Lichttoxizität
Abb. 3 8 Molekularbiologische Schutzmechanismen des menschlichen Auges. Neben den Pigmenten
in Iris und Linse schützen auch die Radikalfänger Vitamin C und E sowie Glutathion. Gegen oxidativen
Stress wirken verschiedene Enzyme wie Glutathionperoxidase, Superoxiddismutase und Hämoxygenase. Die Spurenelemente Zink und Selen wirken als Biokatalysatoren. Lutein und Zeaxanthin als Pigmente der Retina wird ein protektiver Wert zugeschrieben
Elektronen dieser Moleküle können ihre
Energie über verschiedene Wege wieder
abgeben. Dazu gehören Reaktionen mit
anderen Molekülen, in denen es zur Spaltung von Bindungen durch den Austausch
von Elektronen oder Wasserstoff kommt,
wodurch freie Radikale gebildet werden.
Freie Radikale zerstören und inaktivieren
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zahlreiche andere Moleküle, insbesondere Zellmembranen. Durch den Angriff
freier Radikale auf mehrfach ungesättigte
Fettsäuren kommt es zur Lipidperoxidation und einer Zerstörung von Membranstrukturen. Aufgrund der großen Menge an Membranen in den Fotorezeptoraußensegmenten und der hohen Oxygenie-
Die fotochemische Lichttoxizität ist unter Alltagsbedingungen und bei der intraoperativen Nutzung von Lichtquellen
der entscheidende Schädigungsmechanismus der Netzhaut. Das Ausmaß der Schädigung wird durch verschiedene Faktoren
beeinflusst.
Wellenlänge
Bei der fotochemischen Lichttoxizität ist
die Wellenlänge des Lichts von großer Bedeutung. Je kürzer die Wellenlänge, desto weniger Energie ist zur Schädigung der
Netzhaut erforderlich. Bei Versuchen mit
Ratten oder aphaken Rhesusaffen zeigten
sich Wellenlängen im UV-Bereich (320–
380 nm) deutlich toxischer als Licht
des sichtbaren blauen Spektrums (420–
480 nm). Im UV-Bereich waren nied-
Zusammenfassung · Abstract
rigere Dosen zur histologisch sichtbaren
Schädigung der Fotorezeptoren erforderlich, hingegen ergab die Bestrahlung mit
blauwelligem Licht eine stärkere Schädigung des RPE [9, 10, 15]. Bei Rhesusaffen,
deren Augen mit 8 monochromatischen
Wellenlängen zwischen 441,6 nm (blauwellige Strahlung) und 1064 nm (Infrarotstrahlung) bestrahlt wurde, war mit
zunehmender Wellenlänge eine deutlich
höhere Bestrahlungsstärke notwendig,
um eine funduskopisch sichtbare Schädigung der Netzhaut zu induzieren [14].
Bei Ratten, deren Augen 120 Minuten
lang mit tiefblauem Licht (403 nm) oder
grünem Licht (550 nm) bestrahlt wurden, führte nur das tiefblaue Licht zu histologisch nachweisbaren Netzhautschäden [13]. Als Erklärung hierfür führen die
Autoren die fotochemische Regeneration von Rhodopsin durch blaues Licht an
(„photoreversal of bleaching“). Während
im normalen Sehzyklus Rhodopsin enzymatisch im RPE regeneriert wird, kommt
es bei Bestrahlung mit blauwelligem Licht
zusätzlich zu einer fotochemischen Regeneration des Rhodopsins in den Fotorezeptoren [12, 46]. Blaues Licht erhöht daher die Menge an vorhandenem Rhodopsin in der Netzhaut. Da Rhodopsin Photone absorbiert, steigert ein hoher Rhodopsinspiegel in der Retina die Empfindlichkeit der Netzhaut für eine Lichtschädigung. Diese positive Korrelation einer
Schädigung der Netzhaut mit ihrem Rhodopsingehalt vor Lichtexposition konnte von mehreren Autoren gezeigt werden
[28, 33]. Vice versa kann durch Inhibition
des Sehfarbstoffzyklus (z. B. durch Halothan, 13-cis-Retinal, DHA- (Docosahexaenoic-acid-)Depletion oder durch Fehlen
des Proteins RPE65, welches an der Regeneration von 11-cis-Retinal beteiligt ist)
das Ausmaß der fotochemischen Schädigung reduziert werden [12, 20, 39]. Wahrscheinlich führt jedoch nicht Rhodopsin
selbst zu einer Fotosensibilisierung, sondern seine gebleichten Produkte, die die
Bildung fototoxischer Moleküle induzieren [5]. So steigert beispielsweise Alltrans-Retinal die retinale Fotosensitivität
[4], indem es Strahlung im blauwelligen
und UV-Lichtbereich absorbiert und zur
Freisetzung freier Radikale [38] sowie zur
schnelleren Akkumulation von A2e führt
[19].
Ophthalmologe 2008 DOI 10.1007/s00347-008-1794-z
© Springer Medizin Verlag 2008
A.E. Höh · T. Ach · R. Amberger · S. Dithmar
Lichtexposition bei vitreoretinaler Chirurgie. I. Grundlagen
Zusammenfassung
Das Auge ist aufgrund seiner Funktion einer großen Strahlenbelastung im optischen
Spektrum ausgesetzt. Der größte Teil der UVund Infrarotstrahlung wird in der Hornhaut
und Linse absorbiert, sodass die Netzhaut
fast nur durch Strahlung im sichtbaren Wellenlängenbereich gefährdet wird. Sichtbares
Licht kann über fotomechanische, fotothermische oder fotochemische Mechanismen
zu einer Schädigung der Netzhaut führen.
Der wichtigste Schädigungsmechanismus in
der Netzhaut ist dabei unter Alltagsbedingungen oder bei der Anwendung ophthalmologischer Lichtquellen die fotochemische
Lichttoxizität, die durch lichtinduzierte chemische Reaktionen zustande kommt. Das
Ausmaß der Schädigung wird entscheidend
durch verschiedene Faktoren wie die Wellenlänge des Lichts, die Expositionszeit und die
Bestrahlungsstärke beeinflusst. Insbesondere
der kurzwellige Anteil des sichtbaren Lichts
(blaues Licht) ist für die fotochemische Schädigung der Netzhaut von Bedeutung.
Schlüsselwörter
Licht · Fototoxizität · Fotochemische Schädigung · Retina · Optische Strahlung
Light exposition in vitreoretinal surgery. I. Basics
Abstract
Due to its function of light perception, the
eye is exposed to high levels of radiation of
the optical spectrum. Most of the ultraviolet and infrared radiation is absorbed in the
cornea and lens, and mostly only radiation of
the visible spectrum can reach the retina. Visible light can cause retinal damage by photomechanical, photothermal, and photochemical mechanisms. The most important mechanism of light damage to the retina under daily conditions or when using ophthalmologic
light sources is the photochemical light tox-
icity caused by light-induced chemical reactions. The extent of damage depends on several factors, such as wavelength, exposure
time, and irradiance. Particularly the shorter portion of the visible light spectrum (blue
light) is responsible for photochemical damage to the retina.
Keywords
Light · Phototoxicity · Photochemical damage · Retina · Optical radiation
Der Ophthalmologe 2008 | Leitthema
Tab. 1 Physikalische Größen elektromagnetischer Strahlung
Fotometrische Größen
Einheit
Lichtmenge
lm s
Beschreibung
Produkt aus Lichtstrom und Zeit
Radiometrische Größen
Einheit
Strahlungsenergie
J
Lichtstrom
Beleuchtungsstärke
lm
lx
Spektrale Strahlungsleistung
Strahlungsleistung pro Fläche
Strahlungsleistung
Bestrahlungsstärke
W
W/m2
Lichtstärke
cd
Strahlstärke
W/sr
Leuchtdichte
cd/m2
Strahlungsleistung einer Lichtquelle pro
Raumwinkel
Lichtstärke pro Fläche
Strahldichte
W/m2sr
Beschreibung
Energie einer Anzahl von Photonen
Strahlungsenergie pro Zeiteinheit
Strahlungsleistung pro Empfängerfläche
Strahlungsleistung pro Raumwinkel
Strahlungsleistung pro Fläche und
Raumwinkel
cd: Candela, J: Joule, lm: Lumen, lx: Lux, m: Meter, s: Sekunde, sr: Steradiant, W: Watt.
Daneben existieren in der Netzhaut
weitere Chromophore, die ebenfalls ein
Absorptionsmaximum im blauwelligen
Lichtbereich aufweisen und so zur Toxizität von blauem Licht beitragen können.
Die Cytochromoxidase c, ein Schlüsselenzym der Atmungskette, absorbiert blaues
Licht mit einem Absorptionspeak der
oxidierten Form bei 420 nm und der reduzierten Form bei 440 nm [1]. In Ratten wird die Expression von Cytochromoxidase c in der Netzhaut und im RPE
durch tiefblaues Licht (404 nm) irreversibel inhibiert, was zu einer lichtmikroskopisch sichtbaren Schädigung der Fotorezeptoren führt [3]. Auch A2e hat sein Absorptionsmaximum im blauwelligen Bereich des Spektrums (430 nm). A2e-beladene RPE-Zellen gehen bei Exposition
mit blauem Licht oder weißem Licht des
gesamten sichtbaren Spektrums verstärkt
in Apoptose [41, 48].
Strahlungsenergie
Das Risiko einer fotochemischen Schädigung der Netzhaut steigt mit zunehmender Strahlungsenergie und Dauer
der Lichtexposition. Bezüglich der Bestimmung eines Schwellenwertes für eine Schädigung der Netzhaut existieren
verschiedene tierexperimentelle Untersuchungen, zum Teil an Primaten. Die
Untersuchungsergebnisse sind jedoch, je
nach experimentellem Aufbau, Expositionsdauer oder verwendeter Lichtquelle sehr uneinheitlich. In einer tierexperimentellen Untersuchung wurden Affen mit erweiterter Pupille und fixiertem
Kopf 12 h lang in rundum beleuchteten
Käfigen einer Beleuchtungsstärke von bis
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zu 24700 lx ausgesetzt. Dabei erfolgte eine
Messung der Bestrahlungsstärke auf Höhe der Hornhaut und daraus die Berechnung der retinalen Bestrahlungsstärke. Es
konnte gezeigt werden, dass bei Bestrahlung mit weißem Licht (mit einem Spektrum von 400–700 nm) der Schwellenwert
für eine morphologische Schädigung der
Zapfen zwischen 195 und 361 µW/cm2 und
der Stäbchen zwischen 361 und 615 µW/
cm2 lag [43]. Zu anderen Werten kommt
eine Studie von Ham et al. [14] bei der die
Netzhaut von Affen mit weißem Licht mit
einem Spektrum von 400–800 nm über
mindestens 10 s bestrahlt wurde, wobei
400 J/cm2 für eine milde funduskopisch
sichtbare fotochemische Läsion notwendig waren.
Bei Bestrahlung mit Licht im blauen
Wellenlängenbereich lag die schädliche
Lichtdosis niedriger. So erfolgte bei Affen, bei denen eine monokulare Visuskontrolle mit Landoltringen möglich war,
eine Beleuchtung der Fovea 1000 Sekunden lang mit 30, 60, 90 J/cm2 bei 441 nm.
Bei 30 J/cm2 zeigte sich keine Visusreduktion, 60 J/cm2 führten zu einer temporären Visusreduktion nach 5 Tagen und einer Erholung nach 20-30 Tagen, bei 90 J/
cm2 kam es zu einer dauerhaften Visusreduktion ohne Erholungstendenz über
1 Jahr [14].
Bei Lichtschäden besteht ein additiver
Effekt [14, 24], d. h. mehrere kurze Expositionen schaden genauso stark wie eine
lange Exposition von gleicher Gesamtdauer. Bei lang andauernder Exposition
oder langen Pausen zwischen einzelnen
Lichtexpositionen trifft das nur teilweise
zu, weil sich in diesem Fall die Lichtschäden aufgrund von Reparaturprozessen
nur noch zum Teil aufsummieren [29].
Bei Rhesusaffen erzeugte eine zweimalige
Bestrahlung mit 458 nm mit der halben
Effektivdosis (ED50/2) im Abstand von
1 Tag nur 91% des Schadens, der durch eine einmalige Bestrahlung mit der vollen
Dosis (ED50) verursacht wird. Bei einem
Abstand von 2 Tagen beträgt der additive
Effekt 57% und bei einem Abstand von
6 Tagen 23%. Es erfolgte ein exponentieller Reparaturprozess mit einer Zeitkonstante von 4 Tagen [11]. Im Widerspruch zu
den hier genannten Untersuchungen stehen allerdings Ergebnisse anderer Autoren, die zeigen konnten, dass die intermittierende Lichtexposition sogar mehr
schädigt als die kontinuierliche Exposition [32].
Temperatur
Das Auftreten einer lichtinduzierten
Schädigung ist auch von der Temperatur
der Netzhaut während der Lichtexposition abhängig. Höhere Temperaturen beschleunigen das Auftreten von Netzhautschäden, während eine Absenkung der
Temperatur protektiv wirkt. Bei Kaninchen, deren Netzhaut mit Lichtsonden
(0,33 W/cm2) bestrahlt wurden, konnte
die Expositionszeit von 25 auf 60 min verlängert werden, bevor funduskopisch und
histologisch sichtbare Schäden auftraten,
wenn die Vitrektomieinfusion eine Temperatur von 22° C anstatt von 39° C hatte
[37]. In Ratten bewirkte eine Hyperthermie ein beschleunigtes Auftreten lichttoxischer Schäden durch Licht im grünen
Wellenlängenbereich [31].
Adaptationsstatus und
zirkardianer Rhythmus
Klinische Manifestation
lichttoxischer Schäden
Auch der zirkardiane Rhythmus und der
Adaptationsstatus spielen bei der Entstehung eines lichttoxischen Schadens eine
Rolle. Ratten, die während der Dunkelperiode des Tag-Nacht-Rhythmus oder zu
Beginn der Lichtperiode hellem weißem
Licht ausgesetzt wurden, waren deutlich empfindlicher, als wenn die Exposition gegen Ende der täglichen hellen Phase stattfand [30, 45]. Ratten, die bei Dunkelheit aufgezogen wurden, waren ebenfalls empfindlicher für Lichtschäden und
hatten einen höheren Rhodopsingehalt
der Fotorezeptoren, als Ratten, die einem
regelmäßigen Hell-Dunkel-Zyklus ausgesetzt waren [27].
Die Charakteristika lichtinduzierter Schäden der Netzhaut wurden insbesondere
für die Retinopathia solaris und in zahlreichen Fallberichten nach operativen
Eingriffen beschrieben. Funduskopisch
findet sich ein helles gelbliches depigmentiertes Areal. Während es sich bei der
Retinopathia solaris um eine kleine runde foveale Aufhellung handelt, ist das geschädigte Areal bei lichtinduzierten Schäden nach Operationen größer und weist
oft eine ovale Form und RPE-Unregelmäßigkeiten mit Hyper- und Hypopigmentierungen auf. Diese Veränderungen können sowohl foveal als auch außerhalb der
Fovea liegen, was v. a. nach Operationen
des Vorderabschnitts häufiger der Fall ist.
Fluoreszenzangiographisch zeigen sich
hyperfluoreszente Läsionen im Sinne von
Fensterdefekten mit unregelmäßigen fleckigen Hypofluoreszenzen [21, 23, 34].
Diese Veränderungen wurden nicht nur
nach Vitrektomie und „membrane peeling“, sondern auch nach Vorderabschnittschirurgie beschrieben [18, 21, 34].
Eine Veränderung der Autofluoreszenz (AF) durch Lichteinwirkung wurde am menschlichen Auge bislang nur bei
der Laserkoagulation der Netzhaut untersucht. Es zeigte sich eine sofortige Reduktion der Autofluoreszenz der Laserherde
[7]. Hierbei handelt es sich um einen fotothermischen bzw. thermo-mechanischen
Schädigungsmechanismus. Eine fotochemisch induzierte Reduktion der Autofluoreszenz konnte in vitro in humanen RPEZellen [17] und tierexperimentell in Affen
nach Bestrahlung mit 568 nm nachgewiesen werden [26]. Bei Mäusen zeigten sich
in der Autofluoreszenz nach Bestrahlung
mit weißem Licht irreguläre punktförmige Hyperfluoreszenzen [6].
Veränderungen im OCT wurden bislang nur für die Retinopathia solaris beschrieben. Hier wurde von den meisten
Autoren ein hyperreflektives Areal in der
Fovea und zum Teil eine Unterbrechung
im Bereich der äußeren Fotorezeptorschicht beschrieben. Teilweise fand sich
auch eine Hyporeflektivität in der Schicht
des retinalen Pigmentepithels [22, 42].
Funktionell lässt sich bei lichtinduzierten Schäden eine unterschiedlich stark
Medikamente
Verschiedene Medikamente können das
Risiko fototoxischer Schäden am Auge steigern. Dazu gehören insbesondere
chemische Verbindungen, die heterozyklische, trizyklische oder Porphyrin-ähnliche Strukturen aufweisen. Für die Netzhaut sind besonders Medikamente gefährlich, die sichtbares Licht absorbieren, da
UV-Strahlung durch Hornhaut und Linse
absorbiert wird. Daneben hängt die Gefahr fototoxischer Reaktionen jedoch auch
von der Penetration des Medikaments in
Strukturen des Auges ab und der Fähigkeit
die Blut-Retina-Schranke zu überwinden
[8]. Allerdings existieren trotz der großen Zahl an Medikamenten, die eine Fotosensibilisierung auslösen könnten, nur
wenige Fallbeschreibungen zu lichtinduzierten Schäden der Netzhaut im Zusammenhang mit der Einnahme potenziell
phototoxischer Medikamente. Dazu gehören Berichte über die Induktion fototoxischer retinaler Läsionen bei Patienten
nach Einnahme von Allopurinol, Benzodiazepinen oder Diuretika nach Lichtexposition durch einen normalen Kamerablitz, Schweißarbeiten, Phakoemulsifikation und IOL-Implantation, sekundäre Linsenimplantation oder Keratoplastik plus
Kataraktoperation [21, 25, 35]. Auch die
Toxizität von Indocyanin-Grün bei Peeling-Operationen könnte durch Lichteinwirkung während der Operation verstärkt
werden [49].
ausgeprägte Visusminderung nachweisen.
Starke Visusverluste mit foveal gelegenen
Läsionen traten häufiger bei Vitrektomie
und Peeling als bei Operationen des Vorderabschnitts auf [34]. Ein Zentralskotom kann bei der Retinopathia solaris in
der Mikroperimetrie oder im mfERG anhand einer zentralen Amplitudenreduktion nachgewiesen werden [22, 42].
Fazit für die Praxis
Bei der Schädigung der Netzhaut durch
sichtbares Licht spielen verschiedene
Mechanismen (fotomechanisch, fotothermisch, fotochemisch) eine Rolle. Bei
der Anwendung von Lichtquellen in der
Ophthalmologie ist die fotochemische
Lichttoxizität der entscheidende Mechanismus. Das Ausmaß der Schädigung
wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehören die Wellenlänge des
Lichts, die Expositionszeit, die Bestrahlungsstärke, die Temperatur des Auges
und der Adaptationsstatus. Möglicherweise spielt auch die Einnahme von Medikamenten eine Rolle.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. S. Dithmar
Leiter Schwerpunkt Retinologie, UniversitätsAugenklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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