La Carrera Panamericana 1998
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La Carrera Panamericana 1998
Magazin La Carrera Panamericana 1998 ...aus der Sicht eines angeheuerten Schraubers zwecks ausloten der eigenen Teilnahme Am 24.10.98 starteten 84 Fahrzeuge zur 11. Carrera Panamericana (Panam) in Mexiko. Wieder dabei die deutschen Teams mit der Panam-erfahrenen Berlinerin Heidi Hetzer mit Sohn Dylan auf Chevrolet Corvette und das Sache gegangen wird, dieses Jahr wegen der Wirbelsturmschäden und politisch prekärer Lage im Grenzgebiet um Guatemala allerdings nur 6 Tage. Zur Abrundung der SL-Armada trug der 190SLS-Umbau von Rolf Motoren die Fahrwerke und Fahrer sichtlich überfordern. Nicht umsonst ist die Panam für hohe Ausfallraten und spektakuläre Abgänge bekannt und ein Überrollkäfig ist Vorschrift. Die Turismo-Mayor-Klasse (100-149) läßt noch einige Tuning-Spielarten mehr zu, unter anderem spezielle „hot heads“, aber keine Turbos oder Kompressoren. Zu den Sport-Menor (150199) zählen die leichten kleinen Sportwagen wie der 356er Porsche oder die MG/A, während die Mayor (200-249) ausgewachsene Sportwagen vom Schlage einer Corvette oder eines Jaguars mit mehr als zwei Litern Hubraum sind. Auch hier ist Tuning um den Serienblock herum ausdrücklich erlaubt. Es folgen die Klassen Historico A (250-299), B (300-349), und C (350- Start frei für 300 SL Werksmuseum / von Pein Vater-Tochter-Gespann Wolfgang und Jessica Wischnewski auf Borgward Isabella. Verstärkt wurden diese um 4 Mercedes-Benz 300 SL. Davon 2 Flügeltürer, gefahren vom Team Schumacher/Rosier und Dehnhard/Dreier. Anekdote am Rande: Dr. Schuhmacher wurde in der mexikanische Lokalpresse als der Vater von Schumi hervorgehoben. - Ein SL-Roadster kam vom Mercedes-Werksmuseum mit dessen Chef Max Gerrit von Pein am Steuer und Copilot Michael Stadler. Den 2. Roadster stellte HKEngineering in Form eines 300SLSLeichtbau gefahren vom Erbauer Hans Kleissl mit Beifahrer Erich Schöffmann. Damit wurden Erinnerungen an Karl Kling und dessen Geier-in-derWindschutzscheibe-Unfall von 1952 mit dem 300SL-Prototyp geweckt. Damals brauchte Karl Kling übrigens für die in einem Stück gefahrene Gesamtstrecke von 3130 Kilometern 18 Stunden 51 Minuten und 19 Sekunden, während heute in Tagesrationen mit Sonderprüfungen 7 Tage zur Meyer mit „Navigante“ Jochen Roenford bei. Gestartet wird in 8 Klassen: In Turismo Production (Startnummer 299) tummeln sich getunte Ami-BigBlocks, deren über 300 PS starke 300 SLs auf Tuchfühlung Immer schnella Isabella 399) was nichts anderes bedeutet als 4, 6 oder 8 Zylinder im klassischen Serien-Outfit, mitwachsende Baujahrsbe- 1/99 • Seite 35 1/99 • Seite 36 Magazin grenzung 1940 bis 1963. Neu im Programm: Die Klasse original Panam. Zeitgenössisches Motor-Tuning ist erlaubt, das Fahrwerk bleibt original, nur bei Reifen und Stoßdämpfern bleibt Spielraum. Das Gewicht wird bei allen Fahrzeugen maximal 5% unter dem Seriengewicht angesetzt. Wie schon erwähnt wurde der Start von Tuxtla nach Vera Cruz verlegt. Eine der schwierigeren Tagesetappen fiel damit aus. Heidi Hetzer riß zum Auftakt ein Ausläufer von Wirbelsturm „Mitch“ beim Öffnen den Kofferaumdeckel der Corvette ab. Als Ersatz für die ausgerissenen Scharniere mußte Gewebeband herhalten. Ein Vorgeschmack auf die kommenden Improvisationen. Kirchen ist beeindruckend, ebenso die kooperative Haltung der mexikanischen Polizei. Immer sind die Polizisten präsent und Tempo 120 durch die Stadt wird zur Gewohnheit. Der VWClub von Puebla (hier wird der alte und neue Beetle gefertigt) begleitet den Rennwagenkonvoi zum „Zocalo“, dem örtlichen Veranstaltungsplatz im Stadtzentrum. Von dort aus geht es dann nach reichlich Kontakt zu den rennbegeisterten Mexikanern in die vom Veranstalter gebuchten Hotels. Jetzt beginnen für viele die Stunden der Reparatur. Überall wird gewerkelt und geschraubt und die reichlich vorhandenen Blechschäden gerichtet. bracht hat, der relaxt an der Hotelbar. Das deutsche Service-Team treibt stattdessen einen Werkstattbesitzer aus dem Schlaf und versorgt den Werks300 SL mit einem VW-Golf-Scheibenwischermotor, da das Original im bis dahin häufigen Regen aufgab. Am 190 und 300 SLS versucht man das Gemisch der Motoren an die Höhe anzupassen. 2. Tag Puebla-Morelia: In Puebla heißt es früh aufstehen. Start ist um 7 Uhr. Am 5500m hohen Popocatepel und der 25 Millionen-Stadt MexikoCity vorbei sind gute 450 km bis zur Stadt Morelia zu absolvieren. Die 1. Tag Veracruz-Puebla: Beim Start in Vera Cruz fällt auf, daß hier wirklich ein buntes Teilnehmerfeld antritt. Vom perfekt durchgestylten „TropicalGangster-Team“, die mit eigenem Werkstatt-Trailer und reichlich manpower angereist sind, bis zum hausgetunten Karmann-Ghia oder Käfer mit großer Krawalltüte am Auspuff, bei welchen Fahrer und Beifahrer Abend für Abend selbst Hand anlegen, ist alles vertreten. Die kurvenreiche und über 400 km lange Etappe führte den Tross von Vera Cruz in die 4-Millionen-Stadt Puebla. Schon hier sorgten erste Abgänge für Freude bei den Fotografen. Auch der sich nach der Türaufschrift „piloto grande“ nennende Fahrer Gubelman samt Beifahrer „piloto normale“ verformt die Front des Chevrolet nachhaltig, kann aber nach Entfernen des Kotflügels weiterfahren. Der Empfang in der Stadt mit über 70 220 S-Coupé nackt Schließlich zählt bei der Panam Bestzeit und entsprechend wird das Material geschunden. Wer sein Auto ohne Blech- und sonstige Schäden durchge- Mit dem Auspuff auf Du - Max Gerrit von Pein Straßen weisen Schlaglöcher auf, in denen sich Kinder verstecken können. Auch Gullydeckel sind nicht immer auf den Schächten. Beim 300 SLS brach deshalb die Verbindung zwischen Rahmen und Stoßdämpfer. Der 120 Liter-Alutank zeigte erste Vibrationsrisse. Gegen 14 Uhr wurde der Wagen deshalb an einem Checkpoint aus dem Rennen genommen und die Schrauberei begann. Mangels Hebebühne packten 10 Mann zu und stellten die Hinterräder auf den „Seziertisch“. Tank ausbauen und kleben, während die Mexikaner den Rahmen schweißten, war eins. Zwischendurch wurde der Hetzer-Corvette noch ein neuer Reifen spendiert, da nach einem Dreher nicht nur die Karosserie lädiert wurde, sondern auch Felge und Reifen. Um 19 Uhr war der 300 SLS wieder fahrbereit und nun sollte zum Feld nach Morelia aufgeschlossen werden. Nach 10 km verliert der Wagen kontinuierlich im Heckbereich Flüssigkeit. Magazin Nein, nicht der Tank, sondern der Trockensumpfüberlauf stellte sich als „Ölquelle“ heraus. Geschätzte Ursache im Dunkel der Landstraße: Durch überfettetes Gemisch, wir befinden uns ja permanent in Höhen von 2500 Metern, Anreicherung des Ölhaushaltes mit Benzin. Die Schnüffelprobe am corpus delicti bestätigt die Theorie und die nach kurzer Weiterfahrt aufflackernde Ölkontrollleuchte sind weitere Indizien. Also schleppen wir den 300 Leichtbau-Roadster bei Dunkelheit über 250 km und mit Tempo 120 hinter dem Servicefahrzeug nach Morelia. Als wir dort gegen 2 Uhr nachts ankommen, fallen wir todmüde ins Bett während für die Mechaniker jetzt der Dienst beginnt. die Devise, notfalls mit dem Schrottwagen auf dem Trailer! 4. Tag Guadalajara-Zacatecas: Der Start in Guadalajara ist für 8 Uhr vorgesehen. Der 190 SLS ist wieder im Rennen. Der in der Nacht zuvor eingeflogene Motorenexperte diagnostizierte einen Riß vom Kühlwasserkreis in den Ansaugtrakt. Der betreffende es durch einen gewaltigen Canyon kontinuierlich bergauf. Zacatecas bietet neben einer historischen Altstadt auch eine Seilbahn mit Aussichtsplateau von wo aus die Stadt zu überblicken ist. Von dort oben beobachten wir den Einlauf der Fahrzeuge und wie das übliche Volksfest seinen Lauf nimmt. 3. Tag Morelia-Guadalajara: Jetzt hat der 190 SLS aus Bremerhafen von Mayer/Roenford Probleme. Wasser dringt in den Brennraum ein. Während beim 300er die Prognose richtig war und ein Ölwechsel und eine magere Einstellung den gewünschten Erfolg haben, muß der 190 SLS aufgrund größerer Reparatur zum nächsten Etappenziel nach Guadalajara, der zweitgrößten Stadt Mexikos und Geburtsstätte des Tequila, getrailert werden. Alle anderen Autos unseres Teams laufen an diesem Tag ohne Pro300 SE, aber bitte ohne Promille Vom Original keine Rede - 220 S Coupeé mit Rennkäfig bleme, während sich das gesamte Teilnehmerfeld bis dato um 7 Fahrzeuge, meist Unfälle, dezimiert hat. Doch selbst die Bruchpiloten sind bei den Hotelparties nach wie vor dabei, wenn auch mit Halskrause und bandagierter Hand. Dabei sein bis zum Schluß heißt Zylinder war allerdings schon so ausgewaschen, daß der 190 SLS im weiteren Verlauf an der blauen Ölwolke anstandslos zu indentifizieren war. Ziel der 4. Tagesetappe ist die 2500 Meter hoch gelegene Silberminenstadt Zacatecas. Über kurvige Straßen geht Die abendliche Fahrerbesprechung bietet hier ein besonderes Zeremoniell. Eine einheimische Band führt den Zug der Fahrer ähnlich einem Faschingsumzug an. Es geht an der Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert vorbei zum Theater Calderon von 1890 bis der Zug schließlich nach einer Stunde wieder am Hotel Plaza del Sol ankommt. Das Organisationsteam hatte während des Umzuges reichlich für Tequila gesorgt, so daß die eigentliche Fahrerbesprechung feuchtfröhlich ausfiel. Nur das HetzerTeam war nicht dabei. An der Corvette war das Antriebsritzel der Einspritzpumpe eingelaufen. Der Wagen lief deshalb nur noch in einem Tourenbereich. Spät abends und außerhalb der Wertung erreichte die Berlinerin das Ziel und bemühte sich darum das rare Ersatzteil aufzutreiben - erfolglos! Die Service-Crew fand jedoch in einer langen Schraubernacht eine Lösung in Form der Drehzahlmesserwelle, welche den Antrieb der Einspritzpumpe übernahm. 5. Tag Zacatecas-Saltillo: Die Corvette brauste mit neuer Kraft über die Start-Linie, nur um 500 m danach wieder liegenzubleiben. Auch die bis 1/99 • Seite 37 1/99 • Seite 38 Magazin dahin problemlos dahingleitende Borgward Isabella wollte die Stadt Zacatecas nicht verlassen. Der Anlasser streikte just beim Start. BorgwardEigner Wischnewski half seinem „Mädchen“ jedoch schnell wieder auf die Sprünge, während bei der Corvette nun der Zeitpunkt der Aufgabe gekommen schien. Und das gerade vor den Etappen, die den amerikanischen PS-Monstern liegen. Vollgas auf ellenlangen Geraden! Hier zeigen die muscle-cars was in ihnen steckt, falls nicht der Hitzetod eintritt. Heidi Hetzer bei der Kurvenhatz Der 54er-Studebaker der Franzosen Lemoine/Thoisy, man munkelt von 500 PS und einer Spitze über 300km/h, donnerte jedenfalls so vorbei, daß selbst die 300 SL langsam aussahen. Der Rest des Feldes kompensiert mangelnde Endgeschwindigkeit mit offenen Auspuffanlagen und ist so wenigsten akustisch schnell. Überhaupt hört sich zu diesem Zeitpunkt des Rennens jeder zweite Wagen mehr oder weniger angeschlagen an. Auch die Begleitfahrzeuge verabschiedeten sich nach und nach. Der Jeep des mexikanischen Fernsehens löschte mit einer eleganten Seitwärtsrolle das Leben einiger Kakteen aus. Die vier Insassen kamen mit dem Schreck davon. Ein weiteres MediaTeam crashte dem „piloto grande“ von hinten in sein bis dahin nur vorne zerstörten „Big Block“. Nach diesem staubigen Tag schmeckte dem deutschen ServiceTeam das Corona besonders gut, zumal alle Fahrzeuge ohne Blessuren und Reparaturen in Ziel gelangten, bis auf die Corvette. Nach dem erneuten Liegenbleiben wurde das Ritzel in einer mexikanischen Werkstatt mit Hartlot wieder in die ursprüngliche Form gebracht. Das hielt genau 50 km. Dann hatte Beifahrer Dylan das „Heureka-Erlebnis“. Ein Akkuschrauber wurde ans Bordnetz angeschlossen und besorgte nun den Antrieb der Einspritzpumpe und so „bohrte“ sich Heidis Corvette letztendlich bis in letzte Etappenziel nach Nuevo Laredo an der texanischen Grenze. 6. Tag Saltillo-Nueveo Laredo: Nach einem gemütlichen Start um 10 Uhr geht es über die Maut-Autobahnen, auch die Rennwagen müssen zahlen, schnurgerade durch die Kakteenlandschaft. Zwei der drei Sonderprüfungen des Tages sind auf den Autobahnen als High-Speed-Etappen vorgesehen. Speedy Gonzales läßt grüßen! Hier waren dann auch endlich die Temperaturen so wie man sie sich in Mexiko vorstellt: 30°. Anlaß für viele Teams gleich einmal in voller Montour das Ende der Rallye im Hotelpool auszubaden. Auch die die Panam begleitenden Werbegirls von „Corona“ und „Ariel“ brachten kurz danach das Wasser zum schäumen und die „Wet-T-Shirt-Party“nahm bis zur offiziellen, abendlichen Siegerehrung Ihren Lauf. Von den 7 deutschen Fahrzeugen waren alle aus eigener Kraft im Ziel angekommen. Den Gesamtsieg holten sich erwarteter Weise die Franzosen Lemoine/Thoisy mit ihrem 500PS- Wischnewski auf großer Fahrt Studebaker. Dieser Wagen hatte in den letzten vier Jahren unter verschiedenen Fahrern den Sieg gepachtet. Die Borgward Isabella lief in ihrer Klasse nach drei amerikanischen Porsche 356 auf einem guten vierten Platz ein, während der 190 SLS mit angeschlagener Maschine das Schlußlicht der 4Zylinder-Klasse bildete. Das 300 SLTeam Schuhmacher/Rosier holte sich den 2. Platz der Historico B nach den Engländern McLean/Grant auf Lancia, gefolgt von dem Stuttgarter Werks-SL gesteuert von von Pein/Stadler. Last but not least lief der Bayern-SLS von Kleißl/Schöffmann trotz Wertungsausfällen durch Wartung auf Platz 7 ein. In der Historico C „bohrte“ sich das Hetzer-Team immerhin noch auf Platz 6. Und der „piloto grande“ hätte sicher den PechvogelPreis gewonnen, wenn es denn einen gäbe. Irgendwie brachte er es fertig seinen schon reichlich verbogenen Chevy übers letzte unversehrte Teil, das Dach, abzurollen und dann noch mit eigener Kraft über die Ziellinie zu fahren. Neugierig geworden? Das Nenngeld bewegt sich um die 3500 USD. An weiteren Kosten muß man mit Transferkosten für Auto und Leute sowie Hotelkosten in Höhe von DM 8000 rechnen. Der mexikanische Spritpreis pro Liter bewegt sich um die 60 Pfennig, ist also eine vernachlässigbare Größe. Genaue Infos gibt es unter Faxnummer: 0044-1189-012 089, Mr. & Mrs. Purdy in England oder bei Thomas Hanna 089/3004491. Text: Thomas Hanna Fotos: Mark Diekmann-Lange, Thomas Hemsing, Josef Neuberger, Thomas Hanna