Passaparola - tessiner zeitung

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Passaparola - tessiner zeitung
21. August 2015
13
Passaparola
Prosagedichte
Trügerische
Schönheit
Jahrzehnte lang habe ich den
Fingerhut vergessen, obschon ich
Vater beim Nähen mit diesem Ding
hantieren sah. Doch eben hat mich der
Fingerhut um den Finger gewickelt.
Sein Violett hat mich vom Weg
abgebracht. Fingerhüte von solcher
Grösse, die obszön ihre verzierten
Seelen zur Schau stellen, sind mir
noch nicht untergekommen. Schwarz
auf Weiss äugt es aus den
Kelchblättern. Eine äusserst sinnliche
Verlockung. Gibt man ihr nach, kann
es tödlich sein, sofern man diesen
Fingerhut in den Mund statt auf den
Finger steckt.
Traumhaft
Der Rotmilan sieht etwas, das ich nicht
sehe. Warum sonst segelt er,
gemächlich sinkend, über dem
welligen Abhang. Die betörend
duftende Wiese zeigt sich nackt.
Darauf hat der gabelschwänzige
Greifvogel gewartet. Lautlos durch die
Luft segelnd, zieht er die Schlaufen
über der angepeilten Beute enger. Er
hat Zeit, er ist sich seiner Sache sicher.
Das erlaubt mir, seine Flügel zu
bestaunen. Indianisch gefärbt sind sie:
Sandbraun, Orangerot, Weiss und
enden in gebogenen schwarzen
Zinken. In diesem Vogel, wer hätte das
geglaubt, fliege ich, wie mir als
Jugendlicher träumte.
Küchenlatein
Gefiederblättrig krautet dieses würzige
Suppengrün als Levisticum officinale
durch viele Küchen. Ein Italiener
nannte es bastonetto d’amore. Diese
Bezeichnung, rückwärts ins Deutsche
übersetzt, lässt den Namen Liebstöckel
aufleuchten.
Offenbarung
Das, das in meinem Kopf sich dreht, ist
das schönste, das ich je gesehen; ein
Wagenrad mit Nabe, eine konische
Scheibe, vor Jahren im Valle di Blenio
gefertigt aus nur einem Stück Baum,
das, einen Traum umschliessend,
rechtzeitig in die richtigen Hände kam,
und diese haben nichts hinzugetan,
nur weggenommen: Die Zukunft, das
Leben verändernd, kam ins Rollen.
Martin Steiner, Locarno/Zürich
Cannocchiale
CINQUETERRE: VOM INDIVIDUAL- ZUM MASSENTOURISMUS
von Sarah Coppola-Weber
Die Cinqueterre sind fünf Dörfchen zwischen Genua
und La Spezia, die sich wie ein Ei dem andern gleichen
und trotzdem ihre Eigenheiten bewahrt haben. Jedes
Jahr werden sie von Tausenden von Reisenden aus aller
Herren Länder bewandert und bewundert, das Sprachengewirr gehört dort zum Alltag wie die Fähnchen zu
den Touristenführern. Die Menschenmassen werden
mit dem Zug oder per pedes durch die fünf Dörfer geschleust. Die Verbindungswege sind aber nicht gratis:
Bis zu 12 Euro muss man für eine Tageskarte “Cinqueterre Card” hinlegen, um sich auf einen der begehrten
sentieri zu begeben. Und zwar auch dann, wenn vier
von fünf Wegen aufgrund – praktisch unaufhörlichen –
Unterhaltsarbeiten geschlossen sind. So wie es den Anschein macht, würden die Touristen wohl noch tiefer in
die Taschen greifen, nur um die Wege an der Felsküste
zwischen Berg und Meer zu betreten. “Klar sind die
Gäste enttäuscht, wenn sie hören, dass die legendäre
Via dell’amore nur zur Hälfte begehbar ist und auch andere Wege geschlossen sind”, sagt Ruth Spalt, Empfangsdame des Hotels Porto Roca in Monterosso. Sie
unterbreite ihnen dann Alternativen und die Gäste kehrten stets zufrieden vom Ausflug zurück.
Seit zwei Jahren ist La Spezia ein offizieller Kreuzfahrtschiff-Hafen und so stehen die Cinqueterre auch
bei den Kreuzfahrten auf dem Ausflugsprogramm.
“Schon morgens um neun laufen die ersten voll gefüllten Touristenboote in die kleinen Häfen ein”, sagt Annette Barg, Betreiberin des Campings “Pian Di Picche”
in Levanto. Die vielen Tagestouristen würden die kleinen Dörfchen überfüllen, lassen dabei praktisch kein
Geld liegen, aber tragen zur Verunreinigung der Landschaft bei. Und belasten die schon brechend vollen Züge zusätzlich – in Stosszeiten kleben die Ausflügler aneinander wie die Sardinen in der Dose. “Das Transportsystem muss unbedingt angepasst werden”, sagt Patri-
zia Maestroni, die das B&B “Il Vigneto” in Volastra
führt. Man ist sich einig, dass das Fass voll und die Kapazitätsgrenze erreicht ist. So wie in den letzten Jahren
die Wassermassen die fünf Dörfchen immer wieder
heimgesucht und zerstört haben, fallen nun die Menschenmassen über das einzigartige Unesco-Gebiet her,
das zu zerbrechlich ist für den Massentourismus.
Nur: Ob sich daran in Zukunft etwas ändern wird, steht
in den Sternen. Einige Lösungsvorschläge, wie etwa
die Einführung eines “Numerus Klausus” für Gruppen,
sind aufgegleist, aber wenn deren Verwirklichung so
lange dauert wie die Wartungsarbeiten der Wege, wird
die Landschaft mit den schönen Terrassengärten, Rebstöcken und Trockenmauern irgendwann ins Meer rutschen und untergehen, wie dies für Venedig schon seit
Jahren vorhergesagt wird.
In Rubrik Cannocchiale blickt die TZ
über die Grenze nach Italien
Wortschatz
L’IMPORTANZA DEI POLI TECNOLOGICI PER DAR VITA A NUOVE AZIENDE
a cura di Gio Rezzonico
A Losone sta per nascere una startup, cioè una nuova
azienda innovativa, attiva nello sviluppo, nella produzione e commercializzazione di prodotti rivoluzionari
per il settore medico. Questa ditta sarà uno spin-off,
cioè una emanazione, che trova le sue origini nella
Sensoptic, che a sua volta è nata come distaccamento
indipendente dell’Agie, la nota azienda hightech losonese. La storia che sta dietro questa nuova avventura
imprenditoriale sostenuta da Agire, l’Agenzia per
l’innovazione del Canton Ticino, dimostra chiaramente
quanto sia importante creare poli tecnologici sul nostro
territorio, perché spesso le aziende ad alta tecnologia
che vi risiedono ne generano altre, non concorrenziali
bensì complementari tra loro.
Ma andiamo con ordine. Sedici anni fa un gruppo di
tecnici e di ingegneri che lavoravano per il reparto microtecnologia all’Agie di Losone, decidono di distaccarsi dalla casa madre con il suo consenso e di mettersi in proprio, per essere liberi di fornire la loro produzione anche ad altri clienti oltre che al precedente datore di lavoro. Nasce così la Sensoptic, che sviluppa e
produce sensori ottici per misurare la qualità di fili di
ogni genere, alcuni dello spessore di un capello. Nel
giro di pochi anni la ditta diventa leader mondiale in
questo settore di nicchia.
Sette anni fa inizia una nuova avventura. “Preso atto
che noi eravamo bravi a costruire sensori ottici e conoscendo l’ottima qualità dell’Agie nella produzione di
microstrutture metalliche – racconta il vulcanico direttore Axel Bertholds – abbiamo unito le competenze per
creare sensori di forza destinati ai cateteri cardiovascolari. L’operazione ha avuto successo e abbiamo licenziato il brevetto a un’importante ditta americana”.
E veniamo alla creazione della nuova startup. “Dopo la
felice esperienza nel settore cardiologico – prosegue
Bertholds – ci siamo chiesti come potevamo impiegare la stessa tecnologia in altri strumenti per la medicina. Il primo organo del corpo umano su cui ci siamo
concentrati è l’orecchio, ma stiamo pensando anche
alle ginocchia e agli occhi. Assieme a un medico del
Kantonsspital di Lucerna – prosegue – stiamo verificando nel quadro di uno studio clinico l’efficacia di
uno strumento per eseguire un delicato intervento chirurgico su pazienti che riscontrano difficoltà di udito.
Ma ogni strumento, per la sicurezza del paziente, prima di poter essere utilizzato in sala operatoria viene
sottoposto a minuziose analisi ed esami, che hanno
un costo elevato per il produttore. Se si desidera inoltre evitare spiacevoli sorprese qualora l’invenzione si
rivelasse di successo bisogna subito garantirla con un
brevetto, pure esso costoso. Per una piccola azienda
come la nostra è impensabile sopportare queste spese
senza aiuti esterni, soprattutto nella fase in cui un nuovo prodotto genera solo costi e ancora nessun introito.
È a questo punto che ci è venuta in soccorso ed ha creduto in noi l’Agenzia per l’innovazione del Canton Ticino (Agire). Ci ha aiutati sia finanziariamente, sia ad
elaborare le strategie più opportune, sia a metterci in
contatto con altre aziende del settore”. Grazie all’interessamento di Agire, come abbiamo visto anche in
altri casi, sarà più facile trovare i finanziamenti necessari per portare il nuovo prodotto con successo sul
mercato: almeno lo speriamo!
sviluppo: Entwicklung
commercializzazione: Vermarktung
una emanazione: eine Ausgliederung
avventura imprenditoriale: unternehmerisches
Abenteuer
poli tecnologici: Technopole
ne generano: daraus entwickeln (schaffen)
complementari: ergänzend
distaccarsi: sich lösen von
con il suo consenso: mit ihrem Einverständnis
mettersi in proprio: selbständig werden
sensori: Sensoren
misurare: messen
fili di ogni genere: Kabel jeder Art
settore di nicchia: Nischensektor
cateteri cardiovascolari: Herzkatheter
impiegare: anwenden
l’orecchio: das Ohr
ginocchia e (…) occhi: Knie und Augen
l’efficacia: die Wirkung (Effizienz)
difficoltà di udito: Hörprobleme
analisi ed esami: Analysen und Prüfungen
un costo elevato: einen hohen Preis
evitare spiacevoli sorprese: unerfreuliche Überraschungen vermeiden
introito: Ertrag
elaborare: ausarbeiten
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Montag, 31. August, Locarno, San Francesco, 20.30 Uhr
Orchestre de la Suisse Romande,
Neeme Järvi Dirigent, Francesco Piemontesi Klavier
Ludwig van Beethoven (1770-1827) Konzert für
Klavier und Orchester Nr. 4 op. 58 Hector
Berlioz (1803-1869) Symphonie fantastique
Seit einigen Jahren unterhält der Pianist und
künstlerische Direktor des Festivals, Francesco
Piemontesi, nicht nur beruliche, sondern auch
freundschaftliche Beziehungen mit dem Orchestre
de la Suisse Romande. Angeregt durch Ernest
Ansermet - einer der berühmtesten Dirigenten des
letzten Jahrhunderts (und Freund von Stravinsky) wurde das OSR 1918 gegründet. Es zählt zu den
besten und traditionsreichsten Sinfonieorchestern
unseres Kontinents. Grosse Dirigenten und
Musiker schätzen die Zusammenarbeit mit dem
Orchester, das in seiner langen und
bemerkenswerten Konzerttätigkeit mit
Uraufführungen berühmter Komponisten wie u.a.
Debussy oder Britten, und in jüngerer Zeit auch
von Schweizer Komponisten, aufwarten kann.
Seit 2012 spielt das Orchester unter der Leitung
von Neeme Järvi, dem 68-jährigen Esten aus
Tallinn mit amerikanischem Pass. Er war einst
brillanter Schüler des legendären Evgenij
Mravinskij und widmet sich gerne dem grossen
spätromantischen Repertoire. Järvi hält zudem
zwei guinessverdächtige Rekorde: er ist einer der
diskograisch aktivsten Dirigenten mit etwa 500
Aufnahmen für diverse Labels und er hat drei
äusserst musikalische Söhne. Das begeisternde
Programm des Abends: Piemontesi, der Pianist mit
überbordendem Talent, interpretiert zu Beginn das
berühmte Klavierkonzert Nr. 4 von Beethoven.
Es folgt die wunderbare Symphonie Fantastique
von Hector Berlioz, eines der revolutionärsten und
extravagantesten Werke der frühen Romantik.
Gewinnen Sie
10 Eintrittskarten
Wenn Sie Karten für das Konzert
gewinnen möchten, dann senden
Sie einfach eine E-mail mit
Name, Adresse und dem Vermerk
“Settimane Musicali” an
[email protected].
Einsendeschluss ist der
27. August 2015.

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