Warum viele Banken am Geschäftsmodell Estate Planning scheitern

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Warum viele Banken am Geschäftsmodell Estate Planning scheitern
Mangelhafte Umsetzung
Warum viele Banken am Geschäftsmodell Estate
Planning scheitern
Estate Planning eignet sich wie kein anderes Thema zur Stärkung einer
Kundenbindung – ein Traum für jeden Finanzdienstleister. Doch viele
Wealth-Management-Anbieter scheitern bei der Umsetzung.
Schlagwörter wie Überalterung der Gesellschaft und Erbschaftswelle kursieren seit mehr als einem
Jahrzehnt in der Finanzbranche. Bereits Anfang des Jahrtausends hielt Estate Planning mit
verschiedenen Beratungsansätzen bei den Banken Einzug. Man wollte Geschäftspotenziale aus der
demografischen Entwicklung heben.
Nüchtern betrachtet muss man heutzutage feststellen, dass Banken das Angebot kürzen, einstellen
oder als Info-Veranstaltung nutzen. Man fragt sich, ob es am Estate Planning oder am
(un-)wirksamen Transfer in die Praxis liegt. Estate Planning wird meist mit Nachfolge- und
Erbschaftsplanung übersetzt. Schnell werden Begriffe wie Erbschaftsteuer, Pflichtteile, Berliner
Testament, Testamentsvollstreckung oder Stiftung genannt.
Allesamt eher rechtliche und steuerliche Themen, wodurch die Wahrnehmung einseitig geprägt
wird. Das ist für Banken im Wettbewerb mit den rechts und steuerberatenden Berufen ein Problem,
denn sie sind mitten in der Diskussion zur unerlaubten Rechtsberatung. Die Versorgung des Kunden
und der Angehörigen bleiben indes meist auf der Strecke.
Wenn es im Erbfall oder Vertretungsfall zu Rechtsstreitigkeiten kommt, wird immer versucht, das
Motiv der Regelung nachträglich zu verstehen. Estate Planning indes sollte nicht das Pferd von
hinten aufzäumen, sondern mit Motiven und den wirtschaftlichen Auswirkungen für die Kunden
beginnen.
Kunde bleibt auf der Strecke
Diese müssen den Kontext und konkreten Bezugsrahmen kennen, um eigene Motive zu formulieren.
Es ist ein Trugschluss, dass Kunden ad hoc ihre konkreten Motive benennen können. Entsprechend
fürchten darf sich ein Kunde vor Beratern, die das eigene Estate Planning noch nicht geregelt haben
und sich nicht einfühlen können.
Die Definition des Estate Planning muss weiter und somit näher am Kerngeschäft eines
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Finanzdienstleisters und am Kundenbedarf gefasst werden. Wirtschaftliche Aspekte müssen im
Vordergrund stehen, rechtliche und steuerliche Begriffe in eine wirtschaftliche Dimension
transformiert werden. Demnach kann die Definition wie folgt lauten:
„Estate Planning gestaltet auf der Basis der mit dem Mandanten zu erörternden persönlichen und
wirtschaftlichen Zielvorstellungen und Rahmenbedingungen (Anamnese) die Vorsorge und
Vermögensnachfolge. Dabei erfolgt eine eingehende Analyse (Diagnose) der Ist-Situation.
Grundlage für die Gestaltungs- und Optimierungsmaßnahmen (Therapie) sind die in der Analyse
festgestellten Abweichungen von den Zielvorstellungen. Estate Planning ist eine interdisziplinäre
Beratungsdienstleistung und erfordert die zielgerichtete Einbindung von Spezialisten. Das
Beratungsziel besteht in einer wirtschaftlich, rechtlich und steuerlich an den Zielen des Mandanten
orientierten und abgestimmten Vorsorge- und Vermögensnachfolgegestaltung.“
Wie finden Kunden, Banken und Netzwerkpartner also zum richtigen Anbieter? Problem ist, dass
der Markt für Estate-Planning-Zertifizierungen nicht transparent ist. Es kursieren diverse
Ausbildungen und Titel für Estate Planner. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2011 (Nr.
I ZR 113/10) hat in Bezug auf die Führung von Zertifizierungstiteln Maßstäbe gesetzt.
Die Richter urteilten: „Der Verkehr erwartet von einem Rechtsanwalt, der sich als zertifizierter
Testamentsvollstrecker bezeichnet, dass er nicht nur über besondere Kenntnisse, sondern auch über
praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt.“
Ein Gutachten bestätigt, dass das Urteil Einfluss auf andere Zertifizierungstitel
hat. Praxiserfahrungen sind an konkreten Fällen nachzuweisen. Ein Kunde muss sicher sein können,
dass ein Estate Planner qualitativ gut und regelmäßig berät.
Praktiker gefragt
Welche Grenzen sollte ein Berater, der den Titel nicht nur auf der Visitenkarte trägt, einhalten?
Wichtig ist dazu das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Dezember 2010
(Aktenzeichen: 4 U 109/10) im Kontext von Beratungsdienstleistungen im Bereich von
Vorsorgevollmachten sowie erbschaftsteuerlichen Sachverhalten.
Es gibt dazu erhebliche Fehlinterpretationen. Gegenstand des Prozesses war nicht die tatsächlich an
einem Kunden erbrachte, sondern die in einem Flyer beworbene Beratungsdienstleistung.
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Das Gericht hat zu diesem Sachverhalt in der Urteilsbegründung aufgeführt: „Darauf, dass die
Beklagte nach ihrer Darstellung tatsächlich lediglich persönliche Daten abfragt und den Kunden im
Übrigen an einen professionellen Rechtsdienstleister, zum Beispiel einen Rechtsanwalt, zur
konkreten Beratung weiterempfiehlt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Die Anwendbarkeit von Paragraf 2 Absatz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes setzt nicht voraus,
dass die Beklagte tatsächlich eine eingehende rechtliche Prüfung vornimmt, sondern nur, dass die
Angelegenheit eine solche erfordert.“
Diese Vorgehensweise ist in vielen Instituten immer noch gelebte Praxis. Estate Planning kann nur
rechtssicher betrieben werden, wenn es sich um eine eigene Dienstleistung, die in Verbindung zur
Haupttätigkeit des Anbieters steht, handelt. Dies wird auch unterstützt in der Kommentierung zu
Paragraf 5 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG):
„Eine ordnungsgemäße Anlageberatung oder Vermögensverwaltung kann und muss auch auf eine
Vermögens- oder Unternehmensnachfolge Bedacht nehmen. In diesem Zusammenhang gehört es
auch zu den erlaubnisfreien Rechtsdienstnebenleistungen des Beraters, seinen Auftraggeber über die
gesetzliche Erbfolge in seinem konkreten Fall zu unterrichten, ihn nach seinen Vorstellungen zu
möglichen Nachfolgeregelungen zu fragen und ihm die zivil- und steuerrechtlichen Folgen der
jeweiligen Regelung darzustellen.“
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Erlaubt sind Hinweise auf und Erläuterungen zu in Betracht kommenden Alternativen wie zum
Beispiel die Umwandlung eines Unternehmens in eine bestimmt Gesellschaftsform oder die
Einbringung in eine zu errichtende Stiftung. Darüber hinausgehende Tätigkeiten, wie zum Beispiel
die Konzipierung der Unternehmensumwandlung oder auch die Ausarbeitung einer
Stiftungssatzung, sind nicht gestattet.
Warum ist Estate Planning attraktiv? Ganz einfach: Estate Planning richtet sich an die Altersgruppe
50plus. In Kundenbeständen im Private Banking repräsentiert diese Altersgruppe im Schnitt zwei
Drittel des betreuten Vermögens und über 50 Prozent der Kunden. Es ist eine Sandwichgeneration –
oft leben die Eltern noch, und es sind Kinder vorhanden. Ertragschancen bestehen in:
Schaffung einer altersgerechten und übergabefähigen Vermögensstruktur,
Gestaltung der lebensphasenorientierten Liquiditätsstruktur unter Berücksichtigung des
Erbfalls (Hinterbliebenenversorgung),
Unterstützung bei der Gestaltung des Innenverhältnisses von Vertretungsregelungen
(Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung),
Einbindung der Nachfolgegeneration in Abstimmung mit dem Kunden.
Um den Markt zu bearbeiten, bedarf es konkreter Voraussetzungen. Der organisatorische Rahmen,
die klare Definition des Angebots und Beratungs-Tools sind die Erfolgsbasis. Zudem müssen
Berater umfassend qualifiziert werden (Fachwissen, Methodik, Empathie). Netzwerkpartner
(rechtlich, steuerlich) müssen das konkrete Angebot der Bank kennen, verstehen und nutzen. Zudem
muss es Regeln für die Zusammenarbeit im Netzwerk geben.
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Interne Prozesse unterstützen die Estate Planner in ihrer Arbeit. Es gelingt wenigen Anbietern mit
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Estate Planning die gesteckten Erwartungen zu erfüllen. Dies liegt nicht daran, dass es unrentabel
wäre. Stattdessen werden wertvolle Ressourcen verschwendet, wenn das Geschäftsfeld halbherzig,
mit falschen Schwerpunkten oder ohne Methodik umgesetzt wird.
Zudem haben fehlende Absprachen für die Zusammenarbeit im Netzwerk Folgen: Der Banker berät,
und die Netzwerkpartner setzen unabgestimmt rechtliche und steuerliche Instrumente ein. Daraus
kann kein ganzheitlicher Ansatz entstehen. Diese Fehler und die gestörte Vertrauensbasis zum
Kunden, der dann den Sinn der Bankberatung infrage stellt, gilt es zu vermeiden.
Das Geschäftsmodell Estate Planning:
führt nicht zwangsläufig zum schnellen Produktgeschäft,
ist nachhaltig,
funktioniert nicht online,
schafft Profil, Kundennähe und -bindung,
sichert Know-how über den Kunden.
Wer nicht beraten, sondern nur sensibilisieren möchte, kann sich Investitionen sparen und verzichtet
auf Potenziale. Wer beraten möchte, muss die Voraussetzungen im Unternehmen, bei Beratern und
Partnern schaffen. Kundenbindung ist im Wettbewerb mit Online-Anbietern und Fintechs
unbezahlbar. Anbieter brauchen Mut und müssen sich intern gegen Kostensparer und Rationalisierer
durchsetzen.
Über die Autoren:
Angelika Thiedemann (Certified Estate Planner, Mediatorin) ist seit 2003 in der Vermögens- und
Unternehmensnachfolge tätig. Sie führt das Unternehmen Erntezeit – Generationenberatung und
Mediation. Zuvor war sie bei der Wiesbadener Volksbank und baute den Geschäftsbereich
Vermögensnachfolgeplanung auf.
Heinz Angermair ist geschäftsführender Gesellschafter des Fachinstituts für Estate Planning Gene.
Er ist Initiator der Estate-Planner-Bewegung in Deutschland, Mitgründer des Vereins Estate Planner
Deutschland sowie des Qualitätssiegels Certified Estate Planner.
Dieser Artikel erschien am 07.07.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/estate-planning-warum-viele-anbieter-bei-der-umsetzung-scheitern-1463582969/
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