LOCO DICE - Temporärer Aussteiger

Transcription

LOCO DICE - Temporärer Aussteiger
nicoleankelmann.de
LOCO DICE - Temporärer Aussteiger
Contributed by Nicole Ankelmann
Tuesday, 17 April 2007
Last Updated Tuesday, 23 September 2008
Nachdem kein Mensch mehr Renoviershows mit dicken Blondinen oder rosahaarigen Ex-Bravo-TV-Moderatorinnen
sehen will, auch Kochshows von, mit und ohne Promis inzwischen dezent nerven, haben die privaten TV-Sender jetzt ein
neues Thema entdeckt, mit dem sie ihre Konsumenten quälen können: Aussteigergeschichten. Â
Storys von Menschen, die von unserem Land die Schnauze voll haben und in Australien, Schweden, Papua Neuguinea
oder sonst wo einen Neuanfang wagen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Ob KFZ-Mechaniker, Zahnarzt oder
HartzIV-Empfänger - sie alle haben ihren Kram gepackt und sind gegangen. Und auch Loco Dice aus Düsseldorf ist
einer von ihnen, wenn auch ohne ein Kamerateam im Schlepptau. Na ja, so ein richtiger Aussteiger ist er ja auch gar
nicht. Zwar hat er seine Zelte hier ab- und in New York City wieder aufgebaut, doch ist dies bei ihm weder eine Flucht vor
Deutschland an sich, noch der Versuch, sich im fremden Land eine neue Existenz aufzubauen. Vielmehr hat er sich - auf
ein halbes Jahr limitiert – gemeinsam mit seinem Freund und Studiopartner Martin Buttrich in ein Loft in Brooklyn
verzogen, um neue Eindrücke zu sammeln und diese in seinem Sound zu verarbeiten. Und welche Stadt eignet sich
hierfür besser, als die, die niemals schläft? Und eigentlich waren es ja auch keine Zelte, die die zwei im vergangenen
Jahr zusammengepackt haben, sondern ihr Equipment aus dem Hannoveraner Studio. Das steht jetzt also in NYC,
genießt den sicherlich spannenderen Ausblick ebenso wie seine Besitzer und dient der musikalischen Ver- und
Ausarbeitung.  Ein Rückzug aus Deutschland wäre für den gebürtigen Tunesier ja auch völlig unnötig, läuft es
derzeit für ihn hier doch besser als jemals zuvor. Als DJ jettet er längst durch die ganze Welt, seine Tracks – u.a. „Phat
Dope Shit“, „City Lights“, „Cathargo“, „Flight LB 7475“ oder „Seeing Through Shadows“ - erschein
wie Four:Twenty, Ovum, M_nus oder Cocoon und treffen bei Fans und Kritikern stets auf Wohlwollen. Remixes gibt es
bisher für Timo Maas, Daniel Taylor, Layo & Bushwacka oder Mousse T. Auch Mix-CDs aus seiner Schmiede wie die
„Circoloco Morning Session“-Reihe des ibizenkischen DC10 oder seine „Green & Blue“-Ausgabe stoßen vielerorts
Ohren. Im April ist „der Dice“ – wie er gemeinhin genannt wird (was womöglich daran liegt, dass seinen wirklichen,
tunesischen Namen keiner aussprechen, geschweige denn schreiben kann) - dann auch bei der TDK Time Warp in
Mannheim dabei und wird die dazugehörige Compilation zusammenstellen und mixen. Grund genug für mich, ihn im
Auftrag von Raveline an einem feuchten Februarfreitag im Tribehouse Office abzufangen. Anlass seiner Stippvisite in
good old Germany ist die am darauf folgenden Tag stattfindende „Hells Kitchen“ in seinem Neusser Residentclub, der
Geburtsstätte seiner Karriere. Hier spielt er das erste Mal in der Geschichte des Ladens gemeinsam mit Martin Buttrich
auf dem Housefloor, während Miss Kittin sich liebevoll um die Gäste auf dem Mainfloor kümmert. Dass Loco Dice
heute der ist, der er ist und dort ist, wo er ist, war weniger lange geplant, als eher eine Verkettung vieler glücklicher
Zufälle. In den 90ern war er als eingefleischter HipHop-DJ unterwegs und hatte es als solcher eigentlich schon weit
gebracht. Unter anderem stand er damals als Opener von Snoop Dog, Ice Cube oder Jamiroquai unter dem Namen Dice
Corleone auf großen Bühnen, und prinzipiell hätte es auch gut so weiter laufen können. Dass er irgendwann mal die
Kurve zur elektronischen Musik kratzen würde, hätte er selbst am wenigsten erwartet. „Ich war tatsächlich gut dabei im
HipHop und habe dann im Grunde wieder von vorne angefangen. Mich hat an der elektronischen Musik interessiert, dass
man als DJ wesentlich freier ist als im HipHop, du hast mehr Möglichkeiten. Beim HipHop spielst du den alten Track von
Grandmaster Flash bis heute noch. Deswegen muss man sich auch immer jede Scheibe gleich sechsmal kaufen, weil
die irgendwann durch ist.“ Jaja, und dann diese lästige Scratcherei… „Ich war nicht so der Scratchmaster. Ich war kein
Battle-DJ. Ich hatte zwar schon ein paar Skillz drauf, aber nicht so überdimensional viele. Los ging es bei mir als
Rapper, ich habe damals sogar ein Album veröffentlicht. Erst dann habe ich mit dem Auflegen begonnen. Das hatte sich
einfach so ergeben, wie, weiß ich gar nicht mehr. Jedenfalls ging es nicht ums Geld, damit konntest du damals nämlich
nichts verdienen. Du hattest im HipHop drei Möglichkeiten. Entweder du warst Rapper, DJ oder Tänzer.“ Die ProfiBreakdancerei hat Mr. Corleone dann damals aber doch anderen überlassen. „Klar haben wir alle getanzt damals, aber
ich war ganz sicher kein Dancer. Ich war eher Poser, habe besser ausgesehen als mich bewegt. Man musste eigentlich
nur einen Move richtig gut beherrschen, den hast du dann immer gebracht, wenn es nötig war, und den Rest der Zeit
einen auf cool gemacht. Das ist HipHop“, erklärt mir der Dice nicht ganz ernst gemeint. Der Weg von dort zur
elektronischen Musik war eher ein holpriger, alles andere als linear oder klassisch. „Ich habe damals in einer Agentur in
Düsseldorf gearbeitet und R’n’B-Partys veranstaltet. Irgendwann ist mein Kollege, der für Techno und House
zuständig war, gegangen und man hat mich ins kalte Wasser geworfen. Ich war vorher hier und da mal auf den Partys,
und da ich ein paar Leute also schon kannte, meinte man wohl, ich könne das genauso gut direkt übernehmen. So
war ich dann der Booker vom Poison Club, dem La Rocca und habe beim Union-Rave-Booking fürs Tor3 geholfen. So
habe ich über die DJs und die Kultur viel gelernt. Erstmal musste ich erfahren, dass es ja vielmehr gibt als einfach nur
Techno, House und Trance. Dann habe ich sämtliche Magazine von Raveline über Groove bis Frontline und Loop
studiert, mir alle Informationen wie bei einem Memoryspiel zusammen gesucht. Welche DJs gibt es, wo legen die auf?
Was gibt es für Clubs, wer hat was zu sagen? Es hat mich total fasziniert, wie viel in dieser Szene passiert.“ Die Musik
hatte zu diesem Zeitpunkt dagegen bei ihm noch keinen richtigen Anklang gefunden. „Die war mir viel zu stupide, weil ich
sie nicht verstanden habe, ein Brett vor dem Kopf hatte. Ich war der HipHop Homie, und es war schon krass, dass ich die
Affen, wie ich sie nannte, überhaupt verbucht habe – bis ich dann selbst zu einem dieser Affen wurde. Mark Spoon hat
damals schon immer zu mir gesagt: ‚Dich kriegen wir auch noch.’“ Das kam dann zwar schleichend, war aber wohl
unumgänglich. Er konnte Sven Väth wie auch Paul van Dyk mal bei der Arbeit beobachten. „Ich war völlig fasziniert
davon, dass man eine solche Menschenmasse mit der Musik bewegen kann.“ Später dann selbst die ersten
Housescheiben – von Armand van Helden bis Robin S – in die HipHop-Sets im damaligen Residentclub eingebaut, Spaß
http://nicoleankelmann.de
Powered by Joomla!
Generated: 15 January, 2017, 22:35
nicoleankelmann.de
daran gefunden und die Leute begeistert, schon war es – wie schon von Mark Spoon prophezeit - um den Dice
geschehen. „Ich hatte sogar schon als HipHop-DJ einige Strictly-Rhythm-Vorreiter in der Plattenkiste und habe offenbar
schon immer ein wenig in diese Richtung tendiert, ohne es selbst richtig zu merken. Irgendwann war ich dann
katastrophal dem Vocal House verschrieben. Latino-Rhythmen, Percussions…“ Tribehouse-Chef Erik Ludwig war einer
der ersten, der Loco Dice und seine Qualitäten entdeckte und ihn sich direkt für seinen Laden sicherte. „Das Tribehouse
war immer anders im Vergleich zu den anderen Clubs. Es war damals schon speziell, die haben ihre Residents besser
gepflegt. Und es hat mir sehr imponiert, wie die gesamte Crew immer gemeinsam aufgetreten ist, dieses Posse-Denken,
dieser familiäre Umgang, ähnlich wie bei meinen HipHop Homies. Die haben zusammen gefeiert, zu Abend gegessen,
Ausflüge gemacht… Und irgendwann habe ich so dann auch mal den Erik kennen gelernt.“ Dann ging alles ganz schnell.
Noch immer überrascht von Eriks Angebot, im Tribehouse zu spielen, stand Dice dann auch schon kurz darauf an den
Decks auf dem Housefloor, einige Wochen später hunderte Kilometer weiter südlich im österreichischen Saalburg bei
Rave on Snow. Der familiäre Gedanke im Tribehouse ist auch das, was Loco Dice bis heute als Resident hier hält. „Ich
habe hier meine größte Spielwiese, kann einfach am meisten ausprobieren. Die Jungs hier sind genauso verrückt wie
ich.“ Wie der Schritt zum House DJ – mittlerweile hat der Dice dem Vocal House längst den Rücken gekehrt und ist fü
seine treibenden TechHouse- und Electrohouse-Sets bekannt – beruhte auch der Weg zum Produzenten keineswegs auf
einem Masterplan, sondern hat sich mal wieder „einfach so ergeben“. „Ich war nie darauf aus, etwas zu produzieren. Ic
habe irgendwann Timo (Maas) kennen gelernt. Er hat mir die Türen auch außerhalb von Deutschland weit geöffnet,
und durch Timo habe ich Martin Buttrich getroffen. Ich hatte vorher schon mal mit einem Kollegen aus Düsseldorf
versucht, etwas zu produzieren, aber das klingt in meinen Ohren bis heute noch komisch. Jedenfalls hat der Martin mich
eines Tages nach Hannover eingeladen. So saßen wir dann im Studio und haben ein bisschen rumgeschraubt. Am Ende
hatten wir ‚Phat Dope Shit’ fertig.“ Zurück zu Timo. Auch das Kennen lernen der beiden heute guten Freunde war
keineswegs klassisch – so wie offenbar nichts an Locos musikalischem Lebenslauf so richtig klassisch ist. Als Booker der
Backview Partys im Tor3, für die er „alte“ DJs buchen sollte, schlug ihm irgendwer mal vor, Timo Maas zu holen – lang
bevor dieser mit dem „Doomsday“-Remix wieder auf sich aufmerksam machte. Nachdem der Dice ihn dreimal gebucht
hatte und selbst nicht einmal auf einer der Partys erschienen war, um ihm zumindest mal die Hand zu schütteln,
beschwerte sich Herr Maas ganz direkt und nahm ihm telefonisch das Versprechen ab, beim nächsten Mal dabei zu sein.
Das war er dann auch – der Beginn einer langen und für Loco Dice äußerst fruchtbaren Freundschaft. Einer
Freundschaft, die vielen Neidern oftmals ein Dorn im Auge zu sein schien, wurden schnell Stimmen laut, er habe seinen
Erfolg und seine Bookings weniger seinem Können, als seinem „großen Bruder“ Maas zu verdanken. „Es ist traurig,
die Leute immer einen Aufhänger brauchen. Die lassen einen nie in Ruhe. Vielleicht sollten die Menschen im Techno
ruhig das Gedisse aus dem HipHop mal übernehmen und den anderen ihre Meinung direkt ins Gesicht sagen. Das gibt
es viel zu selten. Die sind vor dir immer sehr nett, hinter deinem Rücken ballern sie dich weg. Ich habe schon viele
solche schmerzlichen Momente in meinem Leben gehabt und habe bis heute nicht gelernt, nicht zu naiv zu sein. Selbst
wenn man sich sicher fühlt, kann sich das nach einem Jahr noch ganz anders heraus stellen.“ Leider können wir nicht
jedem DJ eine Kolumne bieten, um sich auszukotzen. „Der Tom (Novy) hat eine große Fresse, und das macht ihn aus. Er
müsste nur ab und zu erstmal überlegen, ehe was er sagt oder schreibt. Er ist meiner Meinung nach manchmal ein
bisschen zu schnell mit seinen Äußerungen. Das ist ja kein Spiel. Nicht viele verstehen es als Spaß, in einem öffentlichen
Magazin an den Pranger gestellt zu werden.“  Die Entscheidung, auch bei anderen Labels als nur dem Maas’schen
Four:Twenty zu releasen, resultierte aber schon zumindest ein Stück weit aus eben dem erwähnten Gerede anderer
Menschen, auch wenn Dice ansonsten bemüht ist, solche Dinge nicht zu sehr an sich heran kommen zu lassen. „Mir
ging das ewige ‚Timo, Dice, Timo, Dice, Timo, Dice…’ echt auf den Sack, und ich wollte wissen, ob ich auch bei anderen
Labels ankomme. Es war schon immer ein Traum von mir, auf Ovum zu releasen. Josh Wink hat ‚Menina Brasiliera’
geliebt und es direkt genommen. Das war eine sehr erfolgreiche Zeit. Wir haben ganze elf Tracks gemacht und alle
verdealt bekommen. Eigentlich wollte ich damals schon ein Album machen, aber davon haben mir alle abgeraten und mir
nahe gelegt, nur Singles zu veröffentlichen. Überall, wo wir was hingeschickt haben, haben sie mein Zeug genommen.“
Die Idee eines Albums ist dennoch nicht ganz gestorben. „Die Leute sind meist enttäuscht von einem Künstler, wenn sie
sein Album hören, weil sie bestimmte Erwartungen habe, die sie meist an eine bekannte Nummer knüpfen. Wir
denken uns, wir sammeln einfach Tracks, und wenn die sich zusammen in einem durch gut anhören, ist es ein Album.
Es ist als Künstler einfach schwierig, sich ein eigenes Standing zu erarbeiten. Früher wurde ich sogar für meine MixCompilations von meinen Kollegen schief angesehen: ‚Was, so was spielst du im Club?’ – ‚Alter, das ist eine Compil
die sollst du dir im Auto oder Zuhause anhören.’ Meine alten HipHop-Freunde sind ohnehin meine härtesten Kritiker, die
finden immer erstmal alles scheiße, was ich mache. Aber das ist auch gut so.“ Auch die eigentlich sehr beliebten DC10Compilations dürften bei seinen HipHop-Kollegen also weniger gut ankommen sein, womit ich geschickt die Brücke
zu Ibiza und seiner anderen Residency schlage. Seit einigen Jahren war Loco Dice Teil des festen DJ-Stamms des
Clubs und die Saison über beinahe jeden Montag dabei, wenn sich in der Früh die Türen öffneten, um die
verrücktesten Partygänger der Insel hereinzulassen. Und Loco Dice passte nicht nur aufgrund seines Namens so gut
zum Circoloco-Konzept, sondern eben auch musikalisch. Der aufmerksame Leser hat es schon gemerkt, ich benutze die
Verben sein und passen in der Vergangenheitsform, denn in diesem Jahr wird der Dice nicht mehr im DC10 als Resident
dabei sein. „Ich habe mich vom DC10 getrennt, weil unsere Boote irgendwie in zwei völlig verschiedene Richtungen
gesegelt sind. Die Jungs hatten völlig andere Vorstellungen als ich, wir haben uns überhaupt nicht mehr verstanden.
Also habe ich einen Schlussstrich gezogen.“ Dennoch muss die Insel nicht auf ihren Loco Dice verzichten. „Ich werde wie
auch die vergangenen zwei Jahre beim Sven im Amnesia spielen, und ich freue mich noch mehr darauf als sonst. Ich will
Ibiza in diesem Jahr einfach stressfreier erleben, mehr genießen und auch mal entspannen.“ Und doch ist sich auch Dice
bewusst, dass die Insel von Jahr zu Jahr einen Wandel erlebt und man nie so genau weiß, was einen erwartet. „Wenn du
die ganz alten Leute fragst, sagen sie dir, dass Ibiza heute scheiße ist. Fragst du unsere Generation, die jetzt auch schon
http://nicoleankelmann.de
Powered by Joomla!
Generated: 15 January, 2017, 22:35
nicoleankelmann.de
zur Hälfte verheiratet ist und Kinder hat, die erzählen dir, sie hatten ihre gute Zeit auf Ibiza, jetzt ist Ibiza scheiße. Drei
Jahre lang ist dort House in, dann drei Jahre lang Percussion House, dann ist es auf einmal wieder Techno oder Trance.
Die Insel ist so verrückt wie die Musik. Im Moment erleben wir ja alle diesen wunderschönen Minimalhype, von dem
mittlerweile auch die Insel befallen ist. Hier wird also alles so weit ausgereizt von den Veranstaltern, dass die Leute
irgendwann gar keine elektronische Musik mehr hören können und wollen. Der erste, der den Sound dort etabliert hat,
war der CocoonClub, und vor einigen Jahren waren beim Ricardo (Villalobos) gerade mal 200 Leute auf der Terrasse,
und dann guck mal, was heute da los ist. Ich glaube, viele Menschen sollten einfach mal zwei Jahre eine Pause einlegen
und dann wieder kommen. Das tut jedem einzelnen sicher ganz gut.“ Gerade in den vergangenen Jahren haben sich die
Geschichten über Drogenopfer auf Ibiza, im speziellen im DC10, gehäuft. Irgendwer hatte immer irgendeine
Geschichte von irgendjemandem parat, der auf irgendeiner Party von irgendeiner Droge tot umgefallen ist. „Clubs wie das
Pacha oder das Privilege haben eine gute Security, die, sobald es ein Drogenopfer gibt, dieses aus dem Weg in
irgendeinen Raum und dann aus Hintertür raus schafft. Im DC10 gibt es nur den einen Ausgang, der auch gleichzeitig
der Eingang ist. Wenn dann einer umkippt, bekommen es alle mit. Vor einigen Jahren ist ja dieser Althippie vor der Tür
gestorben, bis obenhin vollgepumpt mit Viagra, ewig nicht geschlafen – und zack, schon ist das DC10 wieder ein
Drogenclub. Oder dann guckt der Fritz (Space) mal einmal nicht hin, ist da auch schon ein Kamerateam von RTL und
filmt irgendwelche Kids dabei, wie sie Pillen verkaufen. Es kann jeden Club treffen. Vor einem New Yorker Laden ist
auch letzte Woche einer krepiert, der ist jetzt geschlossen. Aber was kann ein Club dafür, wenn du so doof bist, dir so
viel Zeug in den Kopf zu hauen? Das klingt jetzt vielleicht hart, ist aber doch so.“ Noch liegen der Sommer und Ibiza in
weiter Ferne, zumindest für Dice, stehen doch noch ein paar Wochen New York an, ehe es Mitte April wieder mit Sack
und Pack zurück nach Deutschland geht. „Ich finde, ein Mensch sollte in seinem Leben einmal auf Ibiza und einmal in
New York gelebt haben, einfach so für sich selbst, für seinen Erfahrungsschatz. Ich habe schon früher davon
geträumt. Die Idee zu ‚City Lights’ entstand zum Beispiel auch, als ich mit Martin mal in New York im Taxi saß, raus gu
und gerade alle Lichter angingen. Die Stadt hat so was Gigantisches, und ich blühe dort richtig auf.“ Wie schön, wenn
einem als Künstler ein Arbeitsvisum diese Möglichkeit bietet, während alle Normalsterblichen bereits nach drei
Monaten wieder das Land verlassen oder sich entscheiden müssten, als Illegaler zu bleiben. Und so sitzen Dice und
Martin nun also in ihrem Loft in Brooklyn mit Blick auf den Financial District inklusive Wall Street und den Hudson River.
Sie hätten es schlechter treffen können, ist es mit aktuell 14 Grad Fahrenheit (-10 Grad Celsius) auch rund 20 Grad
kälter als hierzulande. „Du würdest mich auf der Straße dort nicht erkennen, so eingepackt bin ich. Es ist so saukalt.“
kann eben nicht alles haben, doch gleichen die Vorzüge der Stadt diesen kleinen Makel doch locker aus. „Jeden Abend,
wenn wir am Rechner sitzen und raus gucken, sind wir noch geflasht. Du kommst aus der U-Bahn, gehst einen Bagel
kaufen, und du bist schon wieder geflasht. Unsere Tage in New York sehen in etwa so aus: Wir stehen auf, laden uns
die Tageschau als Podcast runter, um zu wissen, was hierzulande so abgeht. Dann lese ich noch die FortunaDüsseldorf-Seite, wir checken unsere E-Mails und schon geht’s an die Maschinen.“ Und das vor einer eindeutig ganz
anderen Kulisse als in Hannover, was auch den dort entstehenden Sound beeinflussen dürfte. „In Hannover macht es
nicht die Umgebung. Wenn wir da die Studiotür zumachen, sind wir in einer anderen Welt. In New York machen wir uns
vielleicht Kerzen an, oder wir spielen eine Partie PlayStation (Pro Evolution Soccer 6), je nach Gefühlslage. Wir
vollenden hier nicht einen Track pro Tag, sondern lassen es langsamer angehen. Es ist das Beste, was uns passieren
konnte, obwohl der ganze Umzug viel Stress war. Das Studio kam einen ganzen Monat zu spät. Dann der Zoll etc. Aber
es hat sich gelohnt, wir haben soviel neue Musik auch kennen gelernt. Aber ich denke, das Ganze wird sich erst richtig
bezahlt machen, wenn wir wieder in Hannover sind, in den vertrauten vier Wänden, und die Zeit in New York noch mal
Revue passieren lassen.“ Wie viel New York am Ende auf der Compilation zur „TDK Time Warp“ zu hören ist, wird
sehen, wenn es denn dann soweit ist. Dies ist zumindest das konkreteste Projekt, das für Loco Dice ansteht. Alles
Weitere lässt er mal wieder auf sich zukommen, alles weitere „wird sich ergeben“. „Kein Druck“ lautet jedenfalls se
für das Jahr 2007. „Wir haben viel gemacht, aber nichts, von dem ich jetzt schon konkret sagen kann, wann es wo
erscheinen wird. Wir haben uns viele Gedanken über die Zukunft gemacht. Ich habe viele neue Geräte ausprobiert und
versuche, mein DJ-Set mehr in ein Semi-Live-Act umzuwandeln. Wir wollen die ‚Hells Kitchen’ weiter voranbringen…
Irgendwas wird passieren…“ … und wir sind gespannt drauf.www.locodice.comwww.myspace.com/locodice  Â
http://nicoleankelmann.de
Powered by Joomla!
Generated: 15 January, 2017, 22:35

Documents pareils