Die Verkehrserschließung von Neubauwohngebieten – bisherige

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Die Verkehrserschließung von Neubauwohngebieten – bisherige
Institut für Straßen- und Verkehrswesen
Lehrstuhl für Straßenplanung und Straßenbau
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Ressel
Die Verkehrserschließung von Neubauwohngebieten –
bisherige Entwicklung, Sachstand und künftige Entwicklungspotenziale (Diplomarbeit)
Aufgabenstellung
In den letzten 50 Jahren haben sich ändernde Rahmenbedingungen, Einstellungen und Verhaltensweisen dazu geführt, dass auch die Ziele, Planungsprinzipien und der
Entwurf von Anlagen der verkehrlichen Erschließung von Neubauwohngebieten angepasst und weiterentwickelt wurden. Seit den 90er Jahren prägen besonders Begriffe wie
Nachhaltigkeit und Flächensparsamkeit auch die Erschließungsplanung.
Kern der Diplomarbeit ist die Darstellung und Aufbereitung dieser Entwicklung anhand der relevanten Regelwerke. Die Veränderungsprozesse werden dann beispielhaft an
Neubauwohngebieten unterschiedlicher Entstehungszeit, Lage und Dichte dargestellt. Darauf aufbauend werden mit Hilfe einer Auswertung der einschlägigen Literatur sowie
einem offenen Fragebogen für Stadt- und Verkehrsplaner künftige Entwicklungstendenzen aufgezeigt.
Vergleich der Regelwerke
RAST-E 71
RAS-E 81
Querschnitte: anbaufähige
Sammel- bzw.
Sammelstraße
EAE 85/95
… für die Anlage von Erschließungsstraßen
•1971: RAST-E 71
– Sicherheit und Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs
– fahrdynamische Trassierungsgrundsätze
800 Kfz/h
600 Kfz/h
500 Kfz/h
1000-1600 WE
1000-1500 WE
800-1600 WE
•1981: RAS-E 81
– erste Hinweise auf einen ganzheitlichen Entwurfsansatz der
Straßenraumgestaltung
Querschnitte:
Anliegerstraße
•1985: EAE 85
– Abkehr von fahrdynamischen Trassierungselementen
– ganzheitlicher Straßenraumentwurf: Technischer Straßenentwurf +
stadtgestalterischer Beitrag
•1995: EAE 85/95
– Ergänzungen
RAST-E 71
350 Kfz/h
400-750 WE
RAST-E 71
RAS-E 81
EAE 85/95
RAS-E 81
250 Kfz/h
400-600 WE
EAE 85/95
250 Kfz/h
400-800 WE
Knotenpunkte:
Sammelstraße Anliegerstraße
Die Entwurfsparameter z. B. an Knotenpunkten oder die Fahrbahnquerschnitte wurden
stark reduziert und die Einsatzgrenzen für einen Entwurf nach dem Mischungsprinzip
von 25 Kfz/h auf 100-200 Kfz/h erhöht.
Untersuchung von Fallbeispielen
Um die Änderungen und Weiterentwicklungen in den Regelwerken auch in der
gebauten Realität nachzuvollziehen, werden beispielhaft je zwei Neubauwohngebiete der 60er / 70er Jahre mit aktuellen Erschließungsvorhaben vergleichend
gegenübergestellt. Dafür wurden je ein großes Wohngebiet („Stadtteil“) mit einer
geringen Wohndichte und ein kleines Wohngebiet („Wohnquartier“) mit einer hohen
Dichte aus der Region Stuttgart ausgewählt.
Bei der verkehrlichen Erschließung ist bei aktuellen Vorhaben im Gegensatz zu
den 60er / 70er Jahren deutlich zu erkennen:
Anliegerstraße
• Die heute kleinteilige Parzellenstruktur und die gewünschte Anfahrbarkeit
der meisten Gebäude führt zu einem engmaschigeren Netz.
• Die Fahrbahnbreiten sind reduziert und das Mischungsprinzips wird
verstärkt angewendet (Die Einsatzgrenzen nach den EAE werden weiter
nicht erreicht).
 Aber: Der Verkehrsflächenanteil hat sich tendenziell erhöht.
 Die Straßenraumgestaltung gewinnt sehr stark an Bedeutung.
Anliegerstraße:
verkehrsberuhigter
Bereich
Autofreie bzw. autoarme Wohngebiete haben in den letzten Jahren europaweit an
Bedeutung gewonnen. Deshalb wird als weiteres Beispiel das Französische Viertel,
ein autoarmes Wohngebiet in Tübingen, untersucht. Mit unterschiedlichen
Maßnahmen wird der freiwillige Autoverzicht gefördert. Die Stellplatzfreiheit und der
damit stark reduzierte MIV stellen wieder den Menschen als Maßstab für den
Entwurf der öffentlichen Straßenräume in den Mittelpunkt.
Knotenpunkt: Einmündung Sammelstraße – übergeordnetes Netz
(linkes Bild: Richtungstrennung, nur Zufahrt)
Künftige Entwicklungspotenziale
Siedlungsentwicklung
• Bis 2010 sind 350.000 Wohnungen pro Jahr notwendig (Quelle: BBR, 2001).
• Die Anstrengungen zur Baulandmobilisierung und Nachverdichtung reichen nicht aus.
• Das Muster der modernen westlichen Stadtentwicklung (Funktionstrennung) ist
unverändert in Kraft, zumal bestehende Regelungen (z. B. Entfernungs-pauschale)
im Blick auf Nachhaltigkeit wenig Ziel führend sind. Die Chancen für eine Trendwende
stehen aber besser als in der Vergangenheit.
• Gegenmodell: Siedlungsstruktur der kurzen Wege, Nutzungsmischung
Problem: notwendiges, aber nicht hinreichendes Merkmal „verkehrsarmer“ Strukturen.
• Autoarme und autofreie Wohngebiete bleiben „Nischenprodukt“.
Bearbeiter: cand. ing. Felix Schiffner, 27. Oktober 2004
Verkehrliche Erschließung
• Über die EAE 85/95 hinausgehenden Flächeneinsparungen sind nicht zu erwarten
– eine konsequente Anwendung der Minimalmaße vorausgesetzt.
• In der Praxis sind aber Straßenkategorien tendenziell eine Stufe zu hoch
angesetzt.
• Verstärkte Anwendung des Mischungsprinzips wäre möglich und sinnvoll.
• Großes Potenzial für Flächeneinsparungen wird im ruhenden Verkehr gesehen:
Verzicht auf gezielte Stellplatzzuweisung (Mehrfachnutzung), automatisierte
Parkierungsanlagen.
• Demographische Entwicklung:
– Alterung: Wunsch nach der Zugänglichkeit jedes Gebäudes mit Pkw.
– Bevölkerungsrückgang: Dennoch ist keine Entspannung des Problems
„Flächeninanspruchnahme“ zu erwarten.
Betreuer: Dr.-Ing. W. Vogt, Dipl.-Ing. S. Alber