Ein Buch über Werbefilm? Werbefilm: Bezahlte Kreativität.

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Ein Buch über Werbefilm? Werbefilm: Bezahlte Kreativität.
Intro
Ein Buch über Werbefilm?
Es gibt Dinge, die man wirklich braucht. Denken Sie nur an Errungenschaften wie Toilettenpapier, Särge und Krankenhäuser. Niemand aber
braucht ein Buch zum Thema »Werbefilm«, um die filmtechnische Seite
dieses Genres zu verstehen. Da gibt es Festmeter an guter, genereller
Literatur zum Thema »Filmtechnik«, prall gefüllt mit technischen Details
von A wie »Amerikanische« bis Z wie »Zoom«. Das alles ist mit durchschnittlichem Fleiß nicht schwer zu begreifen. Auch für Werbefilmeinsteiger. Denn rein technisch betrachtet sind Spielfilm und Commercial
eineiige Zwillinge.
Das Einmalige und Schwierige am Werbefilm – und dies ist auf den
ersten Blick sicher noch keine sensationelle Nachricht – ist vielmehr sein
vergeichsweise winziges Zeit-Format: in einem Kommunikations-Mikrokosmos von durchschnittlich zwanzig bis sechzig Sekunden Länge werden Geschichten erzählt, Produkte gepriesen, Marken platziert. »InhalteKonzentration« auf dem Daumennagel: Außer dem Matchball beim Tennis oder dem K.o.-Schlag im Boxring gibt es nur wenige Dinge, die so
treffsicher auf den Punkt gebracht werden müssen wie ein Werbespot,
der »funktionieren« soll.
Werbefilm: Bezahlte Kreativität.
Der sagenumwobene König Odysseus brachte den heldenhaften Achilles
dazu, mit ihm gegen Troja in den Krieg zu ziehen, indem er ihm Gold
und unsterblichen Ruhm versprach.
Wir wissen mehr oder weniger dank Brad Pitt, wie die Geschichte
letztlich ausging, doch eines ist sicher: Wir sind mitten im Thema. Werbefilm ist bezahlte Kreativität, seine Macherschaft eine Honorarlegion
auf dem Pulverfass.
Für David Ogilvy, Werbe-Genie und Vater des Markenimages, war
Werbung weder Unterhaltung noch eine Form der Kunst, sondern ein
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Medium der Information und Verkaufsförderung. Ich füge hinzu: mit großem kreativem Spielraum für die eigene Phantasie. Auch Händel komponierte die »Wassermusik« ja nicht aus einer Selters-Laune heraus, sondern im Auftrag des englischen Königs, weil dieser bei einem sommerlichen Bootsausflug Musik zu hören wünschte. Wie wir wissen, kam dabei ein grandioses Stück Musik ans Tageslicht. Der Werbefilm – sicher
die attraktivste Werbeform – bietet großartige Möglichkeiten, sich kreativ
auszutoben, solange man die Gesetze von Werbung und Kommunikation
nicht sträflich ignoriert und in der Lage ist, feindliche Signale im Markt
und bei den Kunden zu dechiffrieren. Wer als Lätta-Werber auch nach
Jahren noch in Gegenwart von Klienten mutmaßt, Margarine werde aus
Kohle hergestellt, sollte das besser für sich behalten.
Ein wenig Marketing-Know-how
hat noch keinen Kreativen umgebracht.
Nur wenige Kollegen teilen mein Interesse an Marketing. Viele sind der
Meinung, dass dies der Kreativität abträglich wäre. Meine Erfahrung
hat jedoch genau das Gegenteil gezeigt: Mein bescheidenes MarketingVerständnis hat mir oft zu guten Ideen verholfen; gerade dann, wenn es
um komplexere Imagefilme ging. So beispielsweise, als die UFA mich
bat, einen internationalen Werbefilm für ein Produkt zu machen, das
man nicht sehen kann: Ideen. Um solch ein Projekt halbwegs auf Augenhöhe mit dem Kunden zu entwerfen, kommt man – bei aller Kreativität – ohne ein Minimum an Marketing-Grundausrüstung nicht über
die Runden.
Schauen Sie als Werbefilmer also nicht nur durch das eine Ende des
Fernrohres. Sie könnten übersehen, worauf es wirklich ankommt.
Auf den folgenden Seiten finden Sie einfache Marketing Basics für Ihr
Handgepäck. Unkompliziertes Know-how, das man sich aneignen kann,
ohne mit einem Koffer voller Bücher herumzulaufen. Dazu ein paar kleine Übungen, die Spaß machen, und für die Sie lediglich eine Freundin
oder einen Freund, einen Fernseher, einen Videorecorder, einen Stift und
Papier benötigen.
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Ein wenig Marketing-Know-how hat noch keinen Kreativen umgebracht.
Sollten Sie am Ende diese Kapitels Lust auf mehr Marketing haben,
empfehle ich einen Blick in das Kapitel »Kleines Repetitorium: Marketing
& Werbung«1.
Sollten Sie bereits alles zu diesem Thema wissen oder sich gar nicht
dafür interessieren, so quälen Sie sich bitte nicht und blättern Sie einfach
weiter zur Seite 27. Dort erfahren Sie alles, was man über die praktische
Entstehung eines Werbefilmes wissen sollte.
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Interessierte Leser finden dazu Details im Kapitel »Kleines Repetitorium: Marketing &
Werbung« > Seite 161, sowie weitere Hinweise in den Literaturempfehlungen >
Seite 179.
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