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PROPÄDEUTISCHE Ü BUN G EN ZUM GRU NDKURS ZIV ILRECHT I WINTERSEMESTER 2014/ 15 JURISTISCHE FAKULTÄT LEHRSTUHL FÜR BÜR GER LICH ES RECHT, INTERN ATIONALES PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG PROF. DR . STEPHAN LO RENZ F ALL 7 – A RBEITSTECHNIKEN D IE B RIEFMARKENSAMMLUNG A. Anspruch entstanden ..................................................................... 2 I. Einigung ....................................................................................... 2 1. Angebot ..................................................................................... 2 a) Tatbestand einer Willenserklärung ........................................... 2 b) Wirksamwerden .................................................................... 3 c) 2. aa) Abgabe ............................................................................. 3 bb) Zugang ............................................................................. 3 cc) Keine Unwirksamkeit gem. § 130 Abs. 2 Alt. 1 BGB ............. 3 Zwischenergebnis .................................................................... 4 Annahme.................................................................................... 4 a) Tatbestand einer Willenserklärung ........................................... 4 b) Wirksamwerden .................................................................... 4 c) 3. aa) Abgabe ............................................................................. 4 bb) Zugang ............................................................................. 4 cc) Keine Unwirksamkeit ......................................................... 5 Zwischenergebnis .................................................................... 6 Zwischenergebnis ....................................................................... 6 II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ......... 6 III. Zwischenergebnis ....................................................................... 6 B. Übergang der schuldrechtlichen Verpflichtung gem. § 1967 Abs. 1 BGB 7 C. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) ................ 7 D. Anspruch durchsetzbar – Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 Abs. 1 BGB ................................................................................... 7 I. Bewirkung der Gegenleistung ........................................................ 8 1. Einigung .................................................................................... 8 a) Angebot .................................................................................. 8 aa) Tatbestand einer Willenserklärung ..................................... 8 bb) Wirksamwerden ................................................................. 8 (1) Abgabe .......................................................................... 8 (2) Zugang .......................................................................... 9 VERONIKA EICHHORN AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN cc) b) c) 2. E. Zwischenergebnis .............................................................. 9 Annahme .............................................................................. 9 aa) Tatbestand einer Willenserklärung ..................................... 9 bb) Zwischenergebnis .............................................................. 9 Zwischenergebnis .................................................................... 9 Zwischenergebnis ....................................................................... 9 II. Eigene Vertragstreue ................................................................ 10 III. Zwischenergebnis ..................................................................... 10 Ergebnis ..................................................................................... 10 E weigert sich zu Recht, die Briefmarkensammlung an S zu übergeben und zu übereignen, wenn dieser keinen Anspruch darauf hat. Ein Anspruch des S gegen E auf Übereignung und Übergabe der Briefmarkensammlung könnte sich aus Tauschvertrag gem. §§ 480 i.V.m. 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen G und H ein wirksamer Tauschvertrag gem. § 480 BGB über die Briefmarkensammlung und den Tabletcomputer zustande gekommen ist, diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, der E als Erbe diesen gegen sich gelten lassen muss , sowie der Anspruch nicht erloschen und durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden Dies erfordert zunächst, dass zwischen S und H ein wirksamer Tauschvertrag (§ 480 BGB) über die Briefmarkensammlung und den Tabletcomputer entstanden ist. I. Einigung Ein Tauschvertrag kommt durch eine Einigung zustande, die hier in Form zweier auf Abschluss eines Tauschvertrages gerichteter, übereinstimmender und gültiger Willenserklärungen vorliegen könnte, nämlich in Form eines Angebots und einer Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB). 1. Angebot Erforderlich ist zunächst ein hinreichend bestimmtes Angebot (§ 145 BGB), welches alle wesentlichen Bestandteile des zu schließenden Vertrages (die sog. essentialia negotii) enthält. Wesentliche Vertragsbestandteile Tauschgegenstände. sind Vertragsparteien und a) Tatbestand einer Willenserklärung H könnte mit dem Schreiben vom 25.10. ein Angebot zum Abschluss eines Tauschvertrages über den Tausch seiner Briefmarkensammlung gegen den Tabletcomputer des S gemacht haben. Das Schreiben vom 25.10. enthält alle vertragswesentli- SEITE 2 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN chen Bestandteile (essentialia negotii) eines Tauschvertrags – Vertragsparteien und Tauschgegenstände. Weiterhin ist der in ihm zum Ausdruck kommende Erklärung swert – Tausch der Briefmarkensammlung gegen das Tablet – von H gewollt und damit von einem Rechtsbindungswillen g etragen. Das Schreiben erfüllt somit alle Voraussetzungen eines Angebots. b) Wirksamwerden Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es wird daher nur wirksam, wenn es von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde und dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. aa) Abgabe Mit der Aufgabe zur Post hat sich H seiner Erklärung willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger entä ußert, so dass bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit Zugang zu rechnen war. Damit hat er alles seinerseits Erforderliche getan, damit das Angebot wirksam werden kann. Er hat die Willenserklärung mithin abgegeben. bb) Zugang Bei dem Angebot des H handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden, so dass sich die Zugangsv oraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB beurteilen. Mit Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des S am 27.10. ist das Angebot so in den Machtbereich des S gelangt, dass dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat te und mit Kenntnisnahme bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse zu rechnen war. Das Angebot ist damit zugegangen. cc) Keine Unwirksamkeit gem. § 130 Abs. 2 Alt. 1 BGB Das Angebot des H könnte wegen des vor Zugang eingetr etenen Todes des H unwirksam geworden sein. § 130 Abs. 2 BGB Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erkl ärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. T ATBESTAND R ECHTSFOLGE Wenn der Erklärende nach der Abgabe … … stirbt … oder geschäftsunfähig wird, dann ist [dies] auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluss systematische Stellung des § 130: BGB / Buch 1: Allgemeiner Teil / Abschnitt 3: Rechtsgeschäfte / Titel 2: Willenserklärung / § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Anwesenden SEITE 3 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN Indes bestimmt § 130 Abs. 2 Alt. 1 BGB ausdrücklich, dass es für die Wirksamkeit von Willenserklärungen unerheblich ist, wenn der Erklärende nach Abgabe (aber vor Zugang) gestorben ist. Der Erbe hätte zwar noch vor Zugang des Angebots des H bei S dieses nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB widerrufen können, hat dies jedoch – wohl mangels Kenntnis von dem Tauschangebot – nicht getan. Damit ist das Angebot des H auf Abschluss eines Tauschvertrages nicht wegen des Todes des H unwirksam geworden. c) Zwischenergebnis Somit liegt ein wirksames Angebot des H zum Abschluss eines Tauschvertrages über die Briefmarkensammlung gegen das Tablet vor. 2. Annahme S müsste das Angebot des H rechtzeitig angenommen haben. A nnahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständ nisses mit dem Angebot. a) Tatbestand einer Willenserklärung Mit dem von S verfassten Dankesschreiben und gleichzeitiger Zusendung des Tablets hat S deutlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er das Tauschangebot des H annehmen wolle. Das Handeln des S erfüllt damit alle Voraussetzungen einer Annahme. b) Wirksamwerden Eine Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wird daher nur wirksam, wenn sie von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde und dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. aa) Abgabe Mit der Aufgabe zur Post hat sich S seiner Erklärung willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger entä ußert, so dass bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit Zugang zu rechnen war. Damit hat er alles seinerseits Erforderliche getan, damit die Annahme wirksam werden kann. Er hat die Willenserklärung mithin abgegeben. bb) Zugang Bei der Annahme des S handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden, so dass sich die Zugangsv oraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB beurteilen. Nachdem H zwischenzeitlich verstorben war, konnte di esem die Annahmeerklärung des S nicht mehr zugehen. SEITE 4 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN Fraglich ist daher, ob durch den Zugang bei E die Ann ahmeerklärung wirksam geworden ist. § 1922 Abs. 1 BGB 1 Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ga nzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. T ATBESTAND R ECHTSFOLGE Mit dem Tode Person (Erbfall) einer geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. systematische Stellung des § 1922: BGB / Buch 5: Erbrecht / Abschnitt 1: Erbfolge / § 1922 Gesamtrechtsnachfolge E ist als Alleinerbe gem. § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger des H geworden. Die Gesamtrechtsnachfolge 2 bedeutet den automatischen und einheitlichen Übergang aller vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Erben bzw. auf alle Miterben. Der Erbe wird nicht nur Inhaber des Vermögens des Erblassers, in seiner Person setzt sich auch die Rechts- und Pflichtenstellung des Erblassers fort, und zwar grds. mit demselben rechtlichen Inhalt und in demselben Zustand, also auch mit der Bindung an das von H abgegebene Angebot. Damit war E der richtige Erklärungsempfänger. Indem die Annahmeerklärung in den Machtbereich des E gelangt ist und dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat te und mit Kenntnisnahme bei Annahme gewöhnlicher Verhältni sse zu rechnen war ist die Annahmeerklärung zugegangen. cc) Keine Unwirksamkeit Allerdings könnte die Annahme des S wegen des zwische nzeitlichen Todes des H unwirksam sein. § 130 Abs. 2 Alt. 1 BGB ist hier nicht einschlägig, da dieser nur die Wirksamkeit der Willenserklärung des Verstorbenen nach Abgabe regelt, nicht aber die Frage, ob der Vertragsschluss trotz Todes des Antragenden noch möglich ist. 1 Treffender kann dieser Syllogismus nicht formuliert werden. Daher unterbleibt eine Umformulierung in einen Wenn-Dann-Satz. 2 Gesamtrechtsnachfolge = Universalsukzession. SEITE 5 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN § 153 BGB Das Zustandekommen des Vertrages wird nicht dadurch gehindert, dass der A ntragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es s ei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. systematische Stellung des § 153: BGB / Buch 1: Allgemeiner Teil / Abschnitt 3: Rechtsgeschäfte / Titel 3: Vertrag / § 153 Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden Indes bestimmt § 153 BGB, dass trotz Todes des Antragenden ein Vertragsschluss noch möglich ist , es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. Ein solcher entgegenstehender Wille des H ist nicht e rsichtlich. Folglich wird das Zustandekommen nicht gehi ndert. Der Tod des H führt daher nicht dazu, dass die A nnahme unwirksam ist. nota bene: Gem. § 130 Abs. 2 BGB ist es für die Wirksamkeit eines Antrags ohne Belang, wenn der Antragende nach Abgabe, aber vor Zugang seiner Willenserklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird. An diese Regelung schließt § 153 BGB an und statuiert, dass der Antrag grundsätzlich wirksam akzeptiert werden kann, wenn der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, „dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist“. Für den Fall, dass der Antragende nach der Annahme seines Antrags, aber vor deren Zugang stirbt, ist § 153 BGB ebenfalls anwendbar, da die Annahme ja erst mit ihrem Zugang wirksam wird (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Hinter § 153 BGB und der dort getroffenen Anordnung einer Gesamtrechtsnachfolge liegt die den Motiven (Mot. I S. 176) zu entnehmende rechtspolitische Erwägung, dass Vertragsanträge regelmäßig „aus einem wirtschaftlichen Bedürfnisse oder aus einem Geldinteresse hervorgehen, und dass dieses Bedürfnis oder Interesse der Regel nach mit dem Vermögen bestehen bleibt, wenn solches auch mit dem Tode des bisherigen Inhabers in andere Hände übergeht“. c) Zwischenergebnis Somit liegt eine wirksame Annahme des S zum Abschluss eines Tauschvertrages über die Briefmarkensammlung gegen das Tablet vor. 3. Zwischenergebnis H und S haben damit einen Tauschvertrag über die Briefmarke nsammlung gegen das Tablet geschlossen. II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse Der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte, die der Wirksamkeit dieses Vertrags entgegenstehen könnten. Dem geschlossenen Tauschvertrag stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen. III. Zwischenergebnis Folglich ist ein wirksamer Tauschvertrag zwischen H und S über die Briefmarkensammlung gegen das Tablet geschlossen. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Briefmarkensammlung ist entstanden. SEITE 6 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN B. Übergang der schuldrechtlichen Verpflichtung gem. § 1967 Abs. 1 BGB Diesem Anspruch des S gegen H auf Übergabe und Übereignung der Briefmarkensammlung aus § 480 i.V.m. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB steht eine korrespondierende Verpflichtung des H gegenüber. § 1967 Abs. 1 BGB Der Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten. T ATBESTAND R ECHTSFOLGE Wenn jemand Erbe geworden ist, dann haftet er für Nachlassverbindlichkeiten. § 1967 Abs. 2 BGB Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrühre nden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbeso ndere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Aufl agen. systematische Stellung des § 1967: BGB / Buch 5: Erbrecht / Abschnitt 2: Rechtliche Stellung des Erben / § 1967 Erbenhaftung, Nachlassverbindlichkeiten Diese Verpflichtung könnte gem. § 1967 Abs. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB durch Erbfall auf den E übergegangen sein und sich der Anspruch des S damit fortan gegen den E richten. E ist als Alleinerbe gem. § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger und damit Erbe des H geworden. 3 Als Erbe haftet er für Nachlassverbindlichkeiten, mithin auch für schuldrechtliche Verpflichtungen des Erblassers. Folglich ist die Verpflichtung des H aus dem Tauschvertrag mit S auf E übergegangen. Der Anspruch des S auf Übergabe und Übereignung der Briefmarkensammlung richtet sich fortan gegen E. C. Anspruch erloschen (Rechtsvernichtende Einwendungen) Für sog. rechtsvernichtende Einwendungen des E gibt der Sachverhalt nichts her. Der aus dem Tauschvertrag resultierende Anspruch des S auf Übergabe und Übereignung der Briefmarkensammlung ist nicht erloschen. D. Anspruch durchsetzbar – Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 Abs. 1 BGB Diesen Anspruch müsste S jedoch durchsetzen können. Das ist dann nicht der Fall, wenn E eine sog. rechtshemmende Einwendung (Einrede) geltend machen kann. Hier kommt die dilatorische (= aufschiebende) Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB 3 S.o. A.I.2.b)bb). SEITE 7 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN in Betracht. Demnach könnte E gem. § 320 Abs. 1 BGB die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern , es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. I. Bewirkung der Gegenleistung Die Gegenleistung könnte jedoch bereits bewirkt sein. Dies könnte durch Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB erfolgt sein. S schuldet E die Übergabe und Übereignung des Tablet s aus §§ 480, 433 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB. Nach § 929 S. 1 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erfo rderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. 1. Einigung Eine Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden und gültigen Willenserklärungen. Eine Einigung ist nach ganz h.M. ein dinglicher Vertrag. Es entspricht der allg.M., dass die Vorschriften des Allgemeinen Teils über Rechtsgeschäfte auf die Einigung anwendbar sind, sofern sich nicht aus ihrem Charakter der Einigung als dingliches Rechtsgeschäft etwas anderes ergibt. a) Angebot Erforderlich ist zunächst ein hinreichend bestimmtes Angebot (§ 145 BGB). aa) Tatbestand einer Willenserklärung Der Inhalt eines Übereignungsangebotes ist aufgrund der inneren Abstraktion sachlich stark eingeschränkt: Er umfasst die Spezifizierung der Parteien und der zu überei gnenden Sache sowie die Rechtsfolge des Eigentumsübe rgangs selbst. Im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog), dass S mit der Zusendung des Tablets und dem dazugehörigen Dankesschreiben seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit H übereinkommen wolle, dass das Eigentum an dem Tablet auf H übergehen solle. Darin liegt ein zulässiger und bestimmter Inhalt eines (konkludenten) Übereignungsangebotes. bb) Wirksamwerden Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es wird daher nur wirksam, wenn es von dem Erklärenden in Geltung gesetzt (d.h. abgegeben) wurde und dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. (1) Abgabe Mit der Aufgabe zur Post hat sich S seiner Erklärung willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger entäußert, so dass bei Zugrundelegung normaler Ve r- SEITE 8 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN hältnisse mit Zugang zu rechnen war. Damit hat er alles seinerseits Erforderliche getan, damit die Annahme wirksam werden kann. Er hat die Willenserklärung mithin abgegeben. (2) Zugang Bei dem Angebot des S handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden, so dass sich die Zugang svoraussetzungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB beurteilen. Auch diese Willenserklärung ist dem E als Gesam trechtsnachfolger des H zugegangen. 4 cc) Zwischenergebnis Somit liegt ein wirksames Angebot des S auf Abschluss eines Übereignungsvertrages vor. b) Annahme E müsste dieses Angebot auch angenommen haben. Annahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot. aa) Tatbestand einer Willenserklärung Ausdrücklich hat E die Annahme des Übereignungsangeb otes nicht erklärt. Indem er sich weigert, die Briefmarke nsammlung an S zu übergeben und zu übereignen kommt j edoch nicht nur der Wille zum Ausdruck, seiner Verpflichtung aus dem schuldrechtlichen Tauschvertrag nicht nachkommen zu wollen. Vielmehr will E das Geschäft insgesamt nicht gelten lassen, mithin weder den von H geschlossenen schuldrechtlichen Tauschvertrag erfüllen noch das dingliche Übereignungsangebot des S annehmen. Damit liegt schon tatbestandlich keine Annahmeerklärung vor. bb) Zwischenergebnis E hat das Angebot des S zur Übereignung des Tablets nicht angenommen. c) Zwischenergebnis Eine Einigung zwischen S und E, dass das Eigentum an de m Tablet auf E übergehen solle, ist nicht zustande gekommen. 2. Zwischenergebnis Die Gegenleistung ist damit noch nicht bewirkt. 4 S.o. A.I.2.b)bb). SEITE 9 VON 10 AG ZUM GRUN DKU RS ZIV ILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN L O RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/ 15 FALL 7 – AR BEITSTECHNIKEN II. Eigene Vertragstreue Dem E könnte jedoch die Berufung auf die Einrede des § 320 Abs. 1 BGB wegen eigener Vertragsuntreue verwehrt sein. 5 Wer aus dem Leistungsverweigerungsrecht Nutzen zu ziehen sucht, kann nicht gleichzeitig von der vertraglichen Verpflichtung Abstand nehmen. Darum wird die Einrede des nicht erfüllten Vertrages allen Schul dnern vorenthalten, die sich selbst durch ernstliche und endgültige Erfüllungsverweigerung von dem Vertrag lösen, dessen Durchfü hrung die Einrede gerade dient. Der Tatbestand einer Erfüllungsve rweigerung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Erforderlich ist, dass der Schuldner die Erfüllung des Vertrages gegenüber dem Gläubiger unmissverständlich, endgültig und ernstlich ablehnt, so dass jenseits vernünftiger Zweifel feststeht, d ass er unter keinen Umständen mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist. E will vorliegend auf keinen Fall die Briefmarkensammlung an S übergeben und übereignen. Damit hat er unmissverständlich und endgültig zum Ausdruck gebracht, dass er die Erfüllung der überg egangenen schuldrechtlichen Verpflichtung verweigere. nota bene: Weiterhin könnte eingewendet werden, dass E mit der Annahme der Gegenleistung im Verzug, mithin in Annahmeverzug ist. 6 Annahmeverzug schließt jedoch das Leistungsverweigerungsrecht des E nicht aus, solange er noch am Vertrag festhalten will. Der andere Teil wird ausreichend durch das Gesetz geschützt vgl. Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 320 BGB Rn. 6. Der Sachverhalt deutet hier jedoch klar in eine andere Richtung, so dass auch der Annahmeverzug als Vertragsuntreue gelten kann.7 III. Zwischenergebnis E kann die ihm obliegende Leistung nicht bis zur Bewirkung der G egenleistung verweigern. E. Ergebnis Nachdem S gegen E einen durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Briefmarkensammlung hat weigert sich E zu Unrecht, dem Begehren des S nachzukommen. 5 Eigene Vertragstreue ist nach bisheriger Rspr. ungeschriebene Voraussetzung für die Einrede aus § 320 Abs. 1 BGB. 6 Mit der Tauschvertrag entsteht gem. § 480 i.V.m. § 433 Abs. 2 Alt. 2 BGB die Pflicht zur Abnahme der getauschten Sache. Erfüllt der Gläubiger diese Pflicht nicht, so kommt er gem. §§ 293 ff. BGB in Annahmeverzug. 7 Der Annahmeverzug ist Thema der Vorlesung Schuldrecht AT im Sommersemester, vgl. § 10/C der Gliederung. Er wird hier aufgrund des Sachzusammenhangs bereits genannt. Für ein vollständiges Gutachten wäre dieser zu prüfen. SEITE 10 VON 10