Giovanni Faleg, Martin W. Młodecki, Birte Wassenberg (dir.), L`OTAN

Transcription

Giovanni Faleg, Martin W. Młodecki, Birte Wassenberg (dir.), L`OTAN
Francia­Recensio 2011/1
19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine
Giovanni Faleg, Martin W. Młodecki, Birte Wassenberg (dir.), L’OTAN et l’Europe. Quels liens pour la sécurité et la défense européenne?, Bruxelles, Bern, Berlin et al. (Peter Lang) 2010, 156 p. (Euroclio. Études et documents, 55), ISBN 978­90­5201­599­6, EUR 26,90.
rezensiert von/compte rendu rédigé par
Winfried Heinemann, Potsdam
Diese kleine Schrift ist nur zum geringeren Teil historisch. Weit überwiegend geht es den Autoren darum, das Zusammenwirken von NATO und Europäischer Union in Fragen der Sicherheits­ und Verteidigungspolitik unter aktuellen und unter politikwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu diskutieren. Die beiden im eigentlichen Sinne historischen Beiträge allerdings verstehen sich keineswegs als Feigenblatt oder als bloße »Vor«­Geschichte, zumal einer davon aus der Feder von Birte Wassenberg, einer der Herausgeberinnen, stammt.
Sie betrachtet die Haltung des Europarats zu der sich herausbildenden Rolle der NATO, sowohl als politische Allianz als auch – nach dem Koreaschock – als integrierte militärische Struktur. Dem Europarat waren (und sind) kraft seiner Grundsätze sicherheitspolitische Themen verwehrt. Aber natürlich lässt sich Außenpolitik nicht ohne Sicherheitspolitik denken, und auch die Fragen der wirtschaftlichen Stabilität des Nachkriegseuropas waren ohne eine militärische Stabilität nicht zu lösen. Von daher kann es nicht überraschen, dass immer wieder Gruppen von Abgeordneten im Europarat darauf drängten, auch Fragen der europäischen Verteidigung zu behandeln. Das galt umso mehr, als sich mit der von 1952 bis 1954 im Raum stehenden EVG auch eine spezifische europäische Dimension von Sicherheit – allerdings ganz im Rahmen der NATO und eben nicht der bestehenden Institution des Europarates – abzeichnete. Ein weiteres historisches, in diesem Fall wirtschaftshistorisches Kapitel arbeitet David Burigana auf. Er untersucht die Entwicklung einer europäischen Rüstungszusammenarbeit von den Anfängen bis in die Gegenwart. Europäische Zusammenarbeit ist wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber die Rüstungsindustrie ist davon zunächst grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings entwickeln sich immer mehr dual use­Güter, d. h. Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Das wirft Probleme der Abgrenzung auf. Zugleich erweisen sich die ersten europäischen Rüstungsprojekte (etwa das heute noch im Einsatz stehende deutsch­französische Transportflugzeug »Transall«) als kostspielig und langwierig – also in vieler Hinsicht der amerikanischen Konkurrenz unterlegen. Aber die europäischen Nationen halten am Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie fest, und die vielfältigen Formen von Kooperation (etwa beim britisch­italienisch­deutschen Projekt »Tornado«) erweisen sich langfristig als sehr wohl produktiv.
Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/3.0/de
Der Band ist 2010 erschienen, aber er geht auf eine Tagung zurück, die doch schon deutlich vorher stattgefunden haben muss. So analysiert Stanisław Parzymies das Verhältnis zwischen NATO und EU aus mitteleuropäischer, in diesem Fall insbesondere polnischer Perspektive. Ganz auf der Linie der Regierung Kaczynski spricht er sich für eine klare Trennung zwischen NATO und EU aus: Die einen sind für die Sicherheitspolitik zuständig, die anderen für die Wirtschaft. Und besonders die Stationierung amerikanischer Flugabwehrraketen werde die polnische Sicherheit stärken – nur ist dieses Projekt inzwischen schon längst beerdigt. Gérald Arboit und Michael Mathien analysieren luzide die Auswirkungen der modernen Medien auf die Gestaltung von Sicherheitspolitik und die Führung militärischer, auch asymmetrischer Konflikte, wobei sie sich auch den aktuellen elektronischen Medien und ihren Auswirkungen widmen. Insgesamt liegt hier ein Band vor, dessen Aufsätze teils schon nicht mehr aktuell sind, teils aber zum Nachdenken und weiteren Forschen anregen. Schade nur, dass die Veranstalter keinen Grund gesehen haben, auch nur einen deutschen Kollegen oder eine Kollegin einzubeziehen!
Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/3.0/de

Documents pareils