von Giraffe und Okapi

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von Giraffe und Okapi
Selektion: die Entstehung
von Giraffe und Okapi
ULRICH KATTMANN · ANNE JANßENBARTELS · MATTHIAS MÜLLER
Die Selektionstheorie Darwins ist bis heute
das Herzstück aller Erklärungen für die
Entstehung der Angepasstheit von Lebewesen. Genau dieses Phänomen wollte
Darwin durch die Annahme der Selektion
erklären. Die vergleichende Methode reichte ihm nicht aus, um auf Abstammung zu
schließen.
Die Rolle der Selektion leitet sich logisch aus der Variabilität und Überproduktion bei der Fortpflanzung ab. Die Variabilität (Veränderlichkeit, Verschieden-Werden) führt in jeder Generation zu Nachkommen mit unterschiedlichen, von den
Eltern abweichenden Merkmalen. Die Verschiedenheit der Nachkommen heißt Variation (Vielfalt, Verschieden-Sein). Durch
Selektion gelangen solche Individuen vermehrt zur Fortpflanzung, die mit der jeweiligen Lebensweise und den herrschenden
Umweltbedingungen am besten zurecht
kommen. Der relative Fortpflanzungserfolg
von Lebewesen einer Art wird als Fitness
bezeichnet. Die Selektion bewirkt eine bessere Angepasstheit der Nachkommen an
Lebensweise und Umweltbedingungen
der Elterngeneration. Damit ist die Selekti-
on Ursache eines evolutionären Anpassungsprozesses, der zur Angepasstheit
der Lebewesen an bestimmte Lebensweisen und Umweltbedingungen führt.
Schon Darwin hat sich vehement gegen
die Meinung gewehrt, dass die Lebewesen
ein Produkt der Umweltbedingungen seien. Die Selektion resultiert aus der Wechselwirkung zwischen Umwelt und Lebewesen (vgl. S. 5).
Von den Formen der Selektion wird
meist nur die transformierende (abwandelnde) betrachtet. Diese wird auch als
«gerichtet» bezeichnet, weil die Variation
zu einem Optimum hin verschoben wird
(vgl. UB 260, S. 5). Dieser Terminus ist jedoch missverständlich, da mit der Selektion – wie mit der Variabilität – keine gerichteten (teleologischen) Faktoren verbunden
sind. Lediglich das Ergebnis kann – rückblickend – als gerichtet erscheinen.
Während die transformierende Selektion den evolutionären Wandel betrifft, erklärt die stabilisierende (gleich haltende)
Selektion das Gleichbleiben von Arten
über lange Zeiträume hinweg. Die Selektion hört mit dem Erreichen einer relativen
Angepasstheit an die Lebensbedingungen
nicht auf, sondern ist andauernd wirksam,
indem sie die in jeder Generation auftreten-
de neue Variation auf die der Elterngeneration einschränkt.
Das Beispiel der Giraffenentstehung
wurde sowohl von Jean Babtiste de Lamarck (1744–1829) als auch von Charles
Robert Darwin (1809–1882) für ihre Theorien herangezogen. Ausgangspunkt ist bei
beiden die gerichtet erscheinende Umwandlung eines normal proportionierten
Huftiers zu einem solchen mit langem Hals
und langen Beinen. Lamarck hielt physiologische Reaktionen des Körpers auf Gebrauch und Nichtgebrauch für die Ursache
der Umwandlung, Darwin die natürliche
Selektion (Material 1). Darwins Erklärung
der Giraffenevolution gilt als plausibel, selektionstheoretisch ist sie allerdings unsicher, da die historisch wirksamen Selektionsbedingungen nicht bekannt sind.
Lamarck nahm – wie fast alle seine Zeitgenossen – eine Vererbung der durch Gebrauch und Nichtgebrauch erworbenen Eigenschaften an. Diese Annahme wird heute in lebensweltlichen Vorstellungen durch
teleologische Erklärungen ergänzt. Außerdem postulierte Lamarck eine Höherentwicklung aller Formen auf einer Stufenleiter
der Natur. Einen «Vervollkommnungstrieb»
und «Absicht» haben erst seine Nachfolger
propagiert.
a
b
1: Giraffen-Vielfalt durch Selektion: Steppen-Giraffe (a) und Wald-Giraffe (Okapi, b)
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7 – 9 UNTERRICHT
Darwin konnte Lamarck empirisch nicht
widerlegen und dessen Annahmen daher
nicht ausschließen. Er sah aber die natürliche Selektion als den Hauptfaktor an, der
zu Anpassung und Artenwandel führt.
Bemerkungen zum Unterricht
Bei der Frage nach dem evolutionären
Wandel äußern die Lernenden vorunterrichtliche Konzepte, an die beim Thema
Selektion angeknüpft werden kann. Ungerichtetes Variieren wird durchaus wahrgenommen, wenn auch nicht auf Artbildung
bezogen (Schüler der 10. Klasse, vgl. Biebricher 2002). Bei der Erprobung des Unterrichts (7. Klassen) wurde vor allem die
Vorstellung geäußert, dass Nachkommen
in den Merkmalen untereinander und von
Eltern abweichen können: «Solche ‹Außenseiter› können vielleicht eine eigene Gruppe aufmachen und sich dann anders entwickeln» (vgl. Kattmann/Janßen-Bartels/
Müller 2005 in UB 307/308). Diese Äußerung ist nicht abwertend gemeint. Die Erkenntnis, dass sich alle Individuen in einer
Population unterscheiden, kann zu dem
Schluss führen: «Alle sind eigentlich
‹Außenseiter›» (J. Langlet, mdl. Mitteilung).
Selbst wenn an die genannten Vorstellungen der Lernenden angeknüpft wird,
stellt die Selektion für die Sek. I ein schwieriges Konzept dar; teleologische Vorstellungen überwiegen (vgl. u. a. Halldén
1988; Biebricher 2002; UB 179, S. 45).
Selbst Lernende der Sek. II haben oft kein
zutreffendes Verständnis der Selektion entwickelt (vgl. Baalmann u. a. 2004; 2005).
Eine frühe Einführung der Selektionstheorie ist sinnvoll, um sie in vielen Zusammenhängen als historische Erklärung anwenden zu können (vgl. Kattmann 1995,
Rudzinski in UB 179, Kattmann/Klein in UB
141). Das von den Richtlinien vorgesehene
Thema «Anpassung» kann dann naturwissenschaftlich behandelt werden und nicht
vorwissenschaftlich im Sinne einer implizit
gedachten Harmonie zwischen Umwelt
und Lebewesen.
Das Beispiel der Giraffenevolution wird
im Unterricht häufig behandelt. Die Darstellungen sind jedoch oft verwirrend und irreführend. Insbesondere wird Darwin verkannt, wenn in Illustrationen am Ende nur
langhalsige Giraffen übrig bleiben und damit Variation und Populationsdenken auf
der Strecke bleiben. Die hier gewählte grafische Darstellung veranschaulicht die
transformierende Selektion. Damit die Voraussetzung für die Abänderung durch Selektion deutlich wird, ist zu betonen, dass
in jeder Generation neue Abweichungen
(Varianten) auftreten.
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2: Entstehung der Giraffe nach Lamarck
Auf die Thesen von Lamarck wird Bezug
genommen, damit die Lernenden ihre eigenen Vorstellungen leichter äußern. So
können diese thematisiert werden, ohne
sie als abwegig abzuwerten.
Folgende Kompetenzen werden im Unterricht angestrebt: Die Lernenden
f erklären die Evolution von Giraffe und
Okapi anhand unterschiedlicher Lebensweisen und Umweltbedingungen;
f vergleichen dabei Waldformen und Savannenformen kriteriengeleitet;
f entwickeln historische, selektionstheoretische Erklärungen und wenden sie auf die
Stammesgeschichte der Giraffen an. Damit
wird das Kompetenzniveau 4 der historisch-narrativen Erklärung erreicht (vgl.
Kattmann u.a. in UB 307/308).
Das Verständnis der Selektion soll nicht
bei dem (bisherigen) «Endpunkt» der Giraffenentwicklung stehen bleiben. Folgende
Überlegungen führen das Thema fort:
f Wie geht die Entwicklung weiter? Bei der
Beantwortung dieser Frage sollen die Lernenden erfassen, dass die Selektion unter
Beibehaltung der Variation in der Population fortwirkt.
f Wie entstand die «Wald-Giraffe», das
Okapi? Damit soll der Vorstellung einer gerichteten «Höherentwicklung» entgegengewirkt und die Entstehung der Vielfalt durch
unterschiedliche Lebensweisen und Lebensräume in den Blick gerückt werden.
Mit den Überlegungen zum letzten gemeinsamen Vorfahren von Okapi und Steppen-Giraffe, das Gabeldiagramm (Abb. 3)
und der damit verbundenen Entstehung
von Vielfalt wird an eine Unterrichtseinheit
zur Entstehung der Säugetiere angeknüpft
(vgl. UB 307/308, S. 18–23).
� Theorien zur Entstehung der Giraffe
1. Unterrichtsabschnitt
Einen Einstieg bietet das Foto einer Giraffe
(Abb. 1a) und der Ausruf eines Zoo-Besuchers: «So’n Tier gibt es ja gar nicht!» Sei-
ne Besonderheiten werden herausgestellt
(vgl. Material 1). Wie kann dieses absonderliche Huftier entstanden sein?
Zur Beantwortung dieser Frage beschreibt die Lehrperson kurz die Vorstellungen von Lamarck: Streckung von Hals
und Beinen durch Gebrauch und Vererbung der erworbenen Eigenschaften. Dabei wird Abb. 2 auf Folie präsentiert.
In einem fiktiven Gespräch zwischen Lamarck und einem Kollegen vollziehen die
Lernenden die Gedankengänge der Forscher nach. Dabei haben sie Gelegenheit,
ihre eigenen Vorstellungen zu artikulieren.
Im Gespräch nehmen die Lernenen
Stellung zu den Lamarckschen Thesen,
z.B.: Durch Training erworbene starke
Muskeln oder besondere Geschicklichkeit
werden nicht vererbt. Solche Beispiele sind
jedoch für viele Jugendliche nicht sehr
überzeugend, da die antrainierten Merkmale zum Überleben nicht notwendig sind
(vgl. Baalmann u. a. 2004). Deshalb wird
mitgeteilt, dass die Vererbung erworbener
Eigenschaft durch die Erkenntnisse der
modernen Genetik nicht gestützt oder sogar ausgeschlossen wird.
Die Lehrperson teilt mit, dass ein anderer großer Naturforscher, Charles Darwin,
ganz andere Vorstellungen hatte. Es werden Bildkärtchen (Material 1B, ohne das
letzte Teilbild) ausgeteilt, auf denen drei
Generationen von Giraffen dargestellt sind.
In Partner- oder Gruppenarbeit sollen die
Lernenden die Bilder in die richtige Reihenfolge bringen und versuchen, die Gedanken Darwins nachzuvollziehen. Bei der gemeinsamen Auswertung werden Konkurrenz, Sterben, Überleben, Fortpflanzung,
Vererbung und Variation (abweichende
Nachkommen in jeder Generation) herausgestellt und schließlich die Begriffe «Selektionstheorie» und «Selektion» eingeführt.
Als Merksatz wird formuliert:«Die Abänderung der Arten erfolgt durch abweichende Nachkommen und Selektion.»
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Material 2 und 3 dienen der Festigung der
Grundbegriffe und der wirksamen Selektionsfaktoren. Die Bearbeitung des Lückentexts (Material 2) ist weniger anspruchsvoll
als die des Originaltexts (Material 3), der
aber motivierender ist. Man kann auch beide Materialien nacheinander bearbeiten
lassen. Unter dem Originaltext wird der
Merksatz notiert: «Die Selektionstheorie erklärt die Anpassung der Lebewesen an ihre Lebensbedingungen.»
� Giraffen wachsen nicht in den Himmel
2. Unterrichtsabschnitt
Anhand der aufgeklebten Kartenbilder zur
Giraffenevolution nach Darwin wird erörtert, wie die Entwicklung wohl weitergeht.
Dabei wird angenommen, dass sich die
Umwelt nicht ändert, also die Akazien
gleich hoch wachsen wie zuvor.
Die Lernenden erhalten jetzt das vollständige Material 1 mit der Aufgabe, in das
letzte Teilbild die nächste Giraffengeneration einzuzeichnen (als Strichfiguren). Dabei
sollen sie beachten, dass wieder abweichende Halslängen auftreten, also Giraffen
mit kürzeren und solche mit noch längeren
Hälsen als die Elterntiere.
Im Unterrichtsgespäche wird festgehalten: «Giraffen mit zu kurzen Hälsen erreichen nicht alle Blätter. Giraffen mit zu langen Hälsen haben Schwierigkeiten, untere
Blätter zu erreichen. Die Tiere, deren Halslänge an die Baumhöhe angepasst sind,
ernähren sich also besser und werden
mehr Nachkommen haben als die mit längeren oder kürzeren Hälsen. Daher bleibt
die mittlere Halslänge erhalten.»
Merksatz: «Bei der Fortpflanzung treten
bei den Nachkommen immer abweichende Merkmale auf. Die Selektion wirkt andauernd weiter.»
� Lebensweisen und Selektion:
Giraffe und Okapi
3. Unterrichtsabschnitt
Nun wird ein Foto vom Okapi (Abb. 1b) gezeigt. Die Lernenden identifizieren die Giraffenmerkmale: Greifzunge, kleine Hörner,
Paarhufer. Einige sind überrascht, dass es
eine Giraffe mit kurzem Hals neben den
langhalsigen überhaupt noch geben kann.
Nun wird mitgeteilt, dass das Okapi im
Regenwald lebt. Die Lernenden setzen die
Lebensbedingungen im Wald mit den
Merkmalen des Okapis in Beziehung: Das
Erreichen von Blättern ist kein Problem, da
diese reichlich in mittlerer Höhe vorhanden
sind. Kürzere Hälse und Beine erleichtern
die Bewegung im Dickicht.
Aus den Giraffenmerkmalen des Okapi
wird abgeleitet, dass Wald- und SteppenGiraffe verwandt sind, also einen gemeinsamen Giraffen-Vorfahren haben müssen.
Die Alternative «kurzhalsiger» oder «langhalsiger» als letzter gemeinsamer Vorfahr
wird erörtert und als Gabeldiagramme an
die Tafel gezeichnet (Abb. 3). Beide Möglichkeiten werden als gleichwertig erkannt;
eine Entscheidung setzt mehr Information
voraus. Es wird bewusst gemacht, dass ein
gleitender Übergang, d. h. eine allmähliche
Entwicklung möglich ist: Wechseln zwischen Waldrand und Savanne.
Material 4 wird als Folie projiziert. Die
Savannen- und Waldformen werden verglichen und die jeweiligen Angepasstheiten
aufgelistet:
f Savannenformen: lange Beine, längerer
Hälse, schlanker Körper, große Schulterhöhe, Hörner hoch stehend oder ausladend; Stoßzähne des Elefanten gebogen,
nach vorn gerichtet ;
f Waldformen: kleinerer Körper, kurzer
Hals, gedrungener Körper, niedrige Schul-
b)
a)
Wald-Giraffe (Okapi)
Steppen-Giraffe
Zeit
Wald-Giraffe (Okapi)
Steppen-Giraffe
Zeit
kurzhalsiger
Giraffen-Vorfahr
Literatur
Baalmann, W./Kattmann, U.: Birkenspanner:
Genetik im Kontext von Evolution. In: UB 260,
2000, S. 32–35
Baalmann, W./Frerichs, V./Kattmann, U.: Genetik
im Kontext von Evolution. In: MNU 7, 2005,
S. 420–427
Baalmann, W./Frerichs, V./Weitzel, H./Gropengießer,
H./Kattmann, U.: Schülervorstellungen zu
Prozessen der Anpassung – Ergebnisse einer
Interviewstudie im Rahmen der Didaktischen
Rekonstruktion. In: Zeitschrift für Didaktik der
Naturwissenschaften, 2004, S. 7–28
Biebricher, A. C.: Entstehung und Bedeutung der
Vielfalt der Lebewesen. Oldenburger VorDrucke
463. Didaktisches Zentrum, Oldenburg 2002
Darwin, C.: Die Entstehung der Arten. Reclam,
Stuttgart 1963
Halldén, O.: The evolution of species: pupil
perspectives and school perspectives. In:
International Journal of Science Education 5,
1988, S. 541–552
Kattmann, U.: Konzeption eines naturgeschichtlichen Biologieunterrichts: Wie Evolution Sinn
macht. In: Zeitschrift für Didaktik der
Naturwissenschaften 1,1995, S. 29–42
Kattmann/Janßen-Bartels/Müller: Warum gibt es
Säugetiere? Kompetenzentwicklung in der
Naturgeschichte. In: UB 306/307, 2005, S.18–23
Kattmann, U./Klein, R.: Maubrüter – Selektion und
Verhalten. In: UB 141, 1989, S. 29–32
Rudzinski, H.-G.: Artentstehung und Artenvielfalt. In:
UB 179, 1992, S. 23–35
http://natureinstitute.org/pub/ic/ic10/giraffe.htm
AutorInnen
langhalsiger
Giraffen-Vorfahr
3: Gabeldiagramme zum letzten gemeinsamen Vorfahr von Steppen-Giraffe und Okapi
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terhöhe, Hörner am Körper anliegend,
Stoßzähne des Elefanten gerade, nach unten gerichtet.
Die Frage: «Warum haben Elefanten,
Antilopen und Kaffernbüffel keine langen
Hälse wie die Giraffe?» wird durch die unterschiedlichen Lebensweisen geklärt: Die
Giraffe ist ein Laubfresser. Grasfresser
wären durch lange Hälse behindert, Elefanten haben einen langen Rüssel.
Aus dem Körperbau der Huftiere (Zehenspitzengänger) kann abgeleitet werden, dass sie als Lauftiere ursprünglich Bewohner der offenen Landschaften waren.
In Afrika sind viele Huftiere offensichtlich
von der Savanne in den Regenwald eingewandert. Diese Überlegungen machen die
zweite Möglichkeit (Abb. 3b: Vorfahr mit
schon verlängertem Hals) wahrscheinlicher als die erste.
Zur Ergebnissicherung wird Material 4
ausgeteilt, auf dem die Gabeldiagramme
und der folgende Merksatz ergänzt werden:
«Okapi und Giraffe haben verschiedene
Lebensbedingungen. Durch Selektion wurden sie ihrer jeweiligen Lebensweise und
Umwelt angepasst.»
Ulrich Kattmann, geb. 1941; Hochschullehrer für
Biologiedidaktik i. R. der Uni-Oldenburg.
Anne-Janßen Bartels, geb. 1972; Gymnasiallehrerin
für Biologie und Deutsch in Oldenburg und
Doktorandin der Uni-Oldenburg (Biologiedidaktik).
Matthias Müller , geb. 1970; Studium der Biologie
und Chemie für das Lehramt an Gymnasien an der
Uni-Oldenburg.
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7 – 9 UNTERRICHT
MATERIAL
1
Die Evolution der Giraffe
Giraffen sind Paarhufer und Zehenspitzengänger. Sie haben lange Beine und können Geschwindigkeiten bis 50 km/h
erreichen.
Mit ihrer Greifzunge zupfen die großen Huftiere Blätter von den Bäumen. Die Nahrung wird wiedergekäut.
Auf ihrem Kopf tragen Giraffen kleine Hörner. Am ungewöhnlichsten an einer Giraffe ist ihr langer Hals, der trotz seiner
Länge nur 7 Halswirbel hat.
Wie schon rund 50 Jahre vor ihm der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck stellte sich auch der englische Naturforscher
Charles Robert Darwin (1809–1882) die Frage, wie ein solcher langbeiniger und langhalsiger Wiederkäuer
entstanden sein könnte.
Aufgabe
> Hier sind drei Generationen von Giraffen dargestellt. Versucht, Darwins Überlegungen nachzuvollziehen, indem ihr
die Abbildungen in die richtige Reihenfolge bringt.
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MATERIAL
2
Abwandlung durch Selektion
Alle Individuen einer Art unterscheiden sich in jeder Generation durch kleine
Abweichungen
voneinander. Diese Erscheinung heißt Variation.
Bei der
Fortpflanzung
Lebensraum
produzieren alle Arten mehr Nachkommen, als im zur Verfügung stehenden
überleben können. Diese Überproduktion führt dazu, dass die Individuen einer Art
miteinander z. B. um Nahrung, Raum und Partner wetteifern müssen. Diese Erscheinung heißt
Es können diejenigen Individuen am besten bestehen, die
Diese Merkmale treten bei den
Vererbung
vorteilhafte
Nachkommen
Konkurrenz
.
Abweichungen besitzen.
wieder auf. Dieser Vorgang heißt
. Die Individuen mit günstigen Merkmalen gelangen bevorzugt zur Fortpflanzung.
Dieser Vorgang heißt natürliche
Selektion
.
Die nächste Generation ist leicht verändert und es treten auch stets Individuen mit neuen abweichenden
Merkmalen
auf. Über viele Generationen können sich die Unterschiede durch Selektion
summieren. Dies bewirkt die
Abwandlung
der ursprünglichen Art.
Aufgabe
> Ergänzt den Text, indem ihr die folgenden Worte an den passenden Stellen einsetzt.
Abwandlung – Abweichungen – Fortpflanzung – Konkurrenz – Nachkommen – Lebensraum –
Merkmale – Selektion – Variation – Vererbung – viele – vorteilhafte
MATERIAL
3
Charles Darwin: Die Entstehung der Giraffe
(aus: Über die Entstehung der Arten, 1859)
Die Giraffe ist durch ihre hohe Gestalt, ihren langen Hals, ihre langen Vorderbeine,
sowie durch die Form von Kopf und Zunge prachtvoll zum Abweiden hoch
wachsender Baumzweige geeignet. Sie kann ihre Nahrung aus einer Höhe herabholen,
die die anderen, dieselbe Gegend bewohnenden Huftiere nicht erreichen.
Das muss für sie in Zeiten der Hungersnot vorteilhaft sein.
So werden, als die Giraffe entstand, diejenigen Individuen, die die am höchsten
wachsenden Zweige abweiden und in Zeiten der Dürre auch nur einen oder wenige
Zentimeter höher reichen konnten als die anderen, häufiger erhalten geblieben sein.
Dass die Individuen einer Art oft ein wenig in der Länge ihrer Körperteile voneinander
abweichen, kann aus zahlreichen wissenschaftlichen Büchern entnommen werden,
die sorgfältig solche Maße angeben. Diese geringen Unterschiede sind für die meisten
Arten ohne jeden Wert. Anders wird es bei der Entstehung bei der Giraffe (wegen ihrer
wahrscheinlichen Lebensweise) gewesen sein: Diejenigen Tiere, bei denen die Körperteile
ihre übliche Länge etwas überschritten, werden im Allgemeinen etwas länger am Leben
geblieben sein. Sie werden sich gepaart und Nachkommen hinterlassen haben, die
entweder dieselben körperlichen Eigenschaften erbten oder aber die Fähigkeit, in
derselben Weise zu variieren. Die in dieser Beziehung weniger begünstigten Individuen
starben am ehesten aus. Die natürliche Selektion merzt alle weniger tauglichen Individuen
aus. Hält dieser Prozess lange an, so erscheint es mir fast sicher, dass ein gewöhnliches
Huftier zu einer Giraffe umgestaltet werden könnte.
Anpassung
Konkurrenz
Konkurrenz
vorteilhafte
Abweichungen
Variation
mehr Nachkommen
Vererbung
Variation
Selektion
viele Generationen
Aufgabe
> Unterstreicht die Teile des Textes, die zu den folgenden Begriffen passen, und schreibt die passenden Begriffe
daneben: Anpassung – Konkurrenz – mehr Nachkommen – Selektion – Vererbung – Variation – viele Generationen –
vorteilhafte Abweichungen
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7 – 9 UNTERRICHT
MATERIAL
4
Afrikanische Huftiere in Savanne und Regenwald
Giraffe
Okapi
Kaffernbüffel
Wald-Kaffernbüffel
Steppen-Ducker
Wald-Ducker
Pferdeantilope
Bongo
Wald-Elefant
Steppen-Elefant
Aufgaben
> Vergleicht die Savannen- und Waldformen und deutet die Angepasstheiten an Lebensweise und Lebensraum.
Achtet auch auf Körperform, Beine, Stellung der Hörner bzw. Stoßzähne.
> Erläutert, in welchem Lebensraum sich Huftiere wahrscheinlich entwickelt haben.
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