Pressemitteilung 28.7.2016 Erstes Magritte

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Pressemitteilung 28.7.2016 Erstes Magritte
Pressemitteilung
28.7.2016
Erstes Magritte-Gemälde für die Moderne-Sammlung
Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe kann mit Unterstützung der Museumsstiftung Baden-Württemberg, der Ernst von Siemens Kunststiftung sowie der Kulturstiftung der
Länder einen kapitalen Zuwachs der Moderne-Abteilung verzeichnen: Die bereits hochrangig besetzte Surrealismus-Sammlung des Hauses wird erstmals um ein Gemälde von
René Magritte erweitert.
Kunststaatssekretärin Petra Olschowski: „Die Kunsthalle Karlsruhe zählt mit ihrer renommierten Sammlung zu den großen deutschen Kunstmuseen. Dies ist Ergebnis einer
reflektierten und verantwortungsbewussten Ankaufspolitik. Ich freue mich, dass wir
das Profil der Kunsthalle Karlsruhe durch den Erwerb des Magritte-Gemäldes weiter
schärfen können.“ Das Land unterstütze die staatlichen Museen hierbei durch die Museumsstiftung Baden-Württemberg im Umfang von ca. 3,5 Mio. Euro jährlich. Weitere
0,7 Mio. Euro kommen aus dem Zentralfonds für die Anschaffung von Spitzenwerken
hinzu.
„Mit dem Erwerb von Magrittes „Le Goût de L’invisible“ erhält die Staatliche Kunsthalle
Karlsruhe einen neuen 'Glanzpunkt', ganz nach dem Wunsch des Stiftungsgründers
Ernst von Siemens“, freut sich auch Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von
Siemens Kunststiftung.
Mit drei Gemälden und einer plastischen Arbeit von Max Ernst sowie je einem Gemälde von Yves Tanguy und Joan Miró verfügt die Kunsthalle bereits über ein kleines, aber
hochrangiges Werkensemble aus der Frühzeit des Surrealismus. Alle Gemälde sind
surrealistische Interpretationen von Landschaft. „Die Neuerwerbung des MagritteGemäldes bietet den Besuchern einen weiteren Anreiz, das Panorama surrealistischer
Kunst aus den Zwischenkriegsjahren in der Orangerie der Kunsthalle zu besichtigen“,
so Pia Müller-Tamm, die Direktorin der Kunsthalle.
„Le Goût de L’invisible“ entstand 1927 in der frühen, „heroischen“ Phase des Surrealismus unmittelbar vor Magrittes Umzug von Brüssel nach Paris. Das Gemälde macht
deutlich, dass bereits in der Brüsseler Zeit die wesentlichen Ansätze seiner surrealistischen Position entwickelt waren. Das querformatige Bild lässt sich zunächst als dreigründige Landschaft beschreiben: Über dem braunen Vordergrund liegt ein rotbrauner
Mittelgrund von dem sich ein blauer, von schwarzen Pflanzen durchzogener Hintergrund absetzt. Schon in der Anlage des Bildraumes verunklärt der Künstler jedoch die
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Kontakt
Alexandra Hahn
Leitung Presse und Medien
T +49 721 926 3890
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Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Hans-Thoma-Straße 2 – 6
D-76133 Karlsruhe
perspektivische Ordnung: Das Braun des Vordergrundes durchzieht das darüber liegende Bildfeld zweimal als vertikaler Streifen, sodass der Grund zugleich als nach hinten fluchtende Bühne und als bildparallele Fläche gelesen werden kann. Alle atmosphärischen Werte oder Lichtwirkungen, die sich gängigerweise mit der Landschaft als
Kunstaufgabe verbinden, sind ausgeschaltet. Das Gemälde ist weitgehend in der unpersönlichen, unexpressiven Handschrift abgefasst, die Magritte sein ganzes Leben –
mit kurzen Ausnahmen – praktiziert hat.
In den alogischen, inkonsistenten Bildraum hat der Künstler einige identifizierbare und
nicht-identifizierbare Gegenstände platziert: Schlingpflanzen und Wolken in surrealistischer Verfremdung sowie zwei flächige weiße Formen mit gezackten Konturen, die an
Papierfetzen mit einem Loch in der Mitte erinnern und hier an die Stelle der menschlichen Bildfiguren treten. Sie sind im braunen Grund der vorderen Bühne verankert, auf
dem sie wie verschiebbare Theaterkulissen erscheinen. Der Effekt der Doppeldeutigkeit
von Fläche und Raum überträgt sich auch auf die zwei abstrakten Figuren, die zwar
einerseits verschiebbar, andererseits aber – durch die Verbindung mit den braunen
Vertikalstreifen am ihrem jeweils rechten Rand – auch als immobil und in der Fläche
fixiert erscheinen. Eine knäuelartige Form aus schwarzen, leuchtend roten, blauen und
geringfügigen weißen Farbspuren in einer freien und pastosen Malweise kontrastiert
mit der bewusst anti-malerischen Pinselarbeit, in der das Bild abgefasst ist. Einige rätselhafte schwarze Punkte am unteren Bildrand, die durch rote gestrichelte Linien miteinander verbunden sind, haben dagegen die Knappheit einer technischen Zeichnung.
Magritte scheint in „Le Goût de L’invisible“ gezielt unterschiedliche Modi von Malerei
bzw. der Vermittlung von Bildinformationen zu demonstrieren.
„Le Goût de L’invisible“ lässt sich als „Der Geschmack am bzw. des Unsichtbaren“
übersetzen. Bildtitel waren für Magritte eine wichtige zusätzliche Dimension seiner
Kunst. Sie sollten die gleiche Prägnanz wie seine Bilder besitzen und nichts erklären,
sondern den Bildern eine weitere Ebene des Rätselhaften hinzufügen. „Le Goût de
L’invisible“ spielt auf das Unsichtbare an und zielt damit auf ein Kernstück der surrealistischen Programmatik, die das innere Gesicht gegenüber dem äußeren Sehen privilegierte. Der Titel verweist auf ein anderes Verhältnis von Wort und Bild bzw. von Bild
und Welt. Max Ernst hat mit Bezug auf Magrittes Kunst von hand-gemalten Collagen,
d. h. von Collagen als Idee und Denkform, weniger als technisches Verfahren, gesprochen. In den collageartigen Charakter seine Kunst fügen sich die Titel und die Bilder
gleichermaßen ein. Sie sollen Vertrautes und Fremd-artiges aufeinander treffen lassen
und in surrealistischer Manier sichtbar machen, was hinter dem Sichtbaren verborgen
ist.
René Magritte (1898 Lessines – 1967 Brüssel)
Le Goût de l’invisible, 1927
Öl auf Leinwand, 73,5 x 100 cm
Erworben 2015 aus dem englischen Kunsthandel.
Die Provenienz des Werkes wurde geprüft und vollständig erschlossen. Es besteht kein
Verdacht auf eine NS-verfolgungsbedingte Verlustgeschichte des Gemäldes.
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