Wandel weltweit: Die global alliance for Banking on Values

Transcription

Wandel weltweit: Die global alliance for Banking on Values
Bank
spiegel
Ausgabe 1/2013
Heft 217
Das Magazin der GLS BAnk
Wandel weltweit:
Die Global Alliance for
Banking on Values
Unterm Strich
Editorial
481 % WACHSTUM
72,4 %
und damit den größten Teil ihrer Aktiva
verwendeten die GABV–Banken im Berichtszeitraum 2002 bis 2011 für die
Kreditvergabe. Konventionelle Geldinstitute hingegen setzen nur 40,7 Prozent
ihrer Aktiva zur Unterstützung der Realwirtschaft ein.
haben die Mitglieder der Global Alliance for Banking
on Values (GABV) seit 2002 im Kreditbereich vorgelegt. Durchschnittlich entspricht dies einem jährlichen
Wachstum von 18,5 Prozent. Im selben Zeitraum
wuchsen die Aktiva der weltweit größten systemrelevanten Banken um durchschnittlich 10,4 Prozent.
QUELLE: „Strong and Straightforward: The
Business Case for Sustainable Banking”,
Studie der Rockefeller Foundation, 2012
15 MITARBEITER
zählte die kleinste GABV–Bank, die norwegische Cultura Bank, 2012. Vancity (Kanada) ist mit 2 565 Mitarbeitern die größte unter den Mitgliedsbanken.
QUELLE: Cultura Bank, Vancity
57 %
der europäischen institutionellen Investoren wie Versicherungsunternehmer und
Pensionsfonds schließen
Unternehmen aufgrund von
Menschenrechtsverstößen
und Umweltzerstörungen
bei ihren Investitionen am
Kapitalmarkt aus.
QUELLE: „ESG Strategies of
Asset Owners — Different
Scenarios across Europe“,
Studie des französischen Forschungsinstituts Novethic,
2012
10 MIO. MENSCHEN
erreichen die nachhaltigen Banken der GABV weltweit mit ihrer Arbeit.
QUELLE: www.gabv.org
unsere Gesellschaften sind heute so miteinander vernetzt, dass soziale Herausforderungen nicht vor den Landesgrenzen haltmachen — und ökologische schon
gar nicht. Nachhaltige Veränderungen können daher nur global gedacht werden.
95
Deshalb bewegt sich die GLS Bank in zahlreichen Netzwerken. Eines davon ist
die Global Alliance for Banking on Values (GABV) — ein weltweites Bündnis aus
werteorientierten Finanzinstituten, das gemeinsam viel erreichen möchte. Diese
Zusammenarbeit hat sich für mich persönlich im vergangenen Winter mit Leben
gefüllt. Acht Wochen lang durfte ich die Arbeit zweier kanadischer GABV–Banken
vor Ort kennenlernen — Vancity in Vancouver und Assiniboine Credit Union in
Winnipeg. Es hat mich tief beeindruckt, mit welcher Energie sich die Menschen
für lokale Projekte einsetzen — bei Vancity, indem in einem Umfeld mit unverhältnismäßig hohen Mieten erschwinglicher Wohnraum für sozial schwache
Menschen geschaffen wird. Oder bei Assiniboine, wo spezielle Sparangebote
Eltern mit Migrationshintergrund ermöglichen, ihren Kindern das erste eigene
Bett zu kaufen.
Milliarden Euro waren im Juni 2012
europaweit in nachhaltigen Publikumsfonds investiert. Das Volumen
nahm innerhalb von zwölf Monaten
um zwölf Prozent zu. In Frankreich fiel
das Wachstum dabei mit 31 Prozent
am stärksten aus. Dort werden Fondsmanager seit Kurzem vom Gesetzgeber dazu angehalten, bei ihren Investitionsentscheidungen nachhaltige
Aspekte zu berücksichtigen. Deutschland belegte mit 18 Prozent Zuwachs
hinter den Niederlanden Platz drei.
Der Blick über den Tellerrand hat mir wieder einmal bewusst gemacht: Überall
auf der Welt setzen sich Menschen für ein werteorientiertes Bankwesen und eine
nachhaltige Gesellschaftsentwicklung ein. Und wir alle sind Teil dieser globalen
Bewegung. Mit „wir“ meine ich dabei nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 22 GABV–Banken, sondern auch die vielen Kundinnen und Kunden weltweit, die sich wie Sie bewusst für einen anderen Umgang mit Geld entscheiden.
Das nachhaltige Bankgeschäft ist an den Bedürfnissen der lokalen Gesellschaft
orientiert. Deshalb hat es nicht überall auf der Welt die gleiche Ausrichtung. Doch
so unterschiedlich die konkreten Ziele der einzelnen Banken auch sein mögen,
es geht ihnen allen darum, einen Wandel anzustoßen — und zwar mit Hilfe des
Gestaltungsmittels Geld.
QUELLE: Marktstudie „Green Social and
Ethical Funds in Europe“, Vigeo, 2012
13,6
Billionen US–Dollar professionell gemanagtes
Vermögen wird weltweit
unter Einbeziehung von
sozialen und ökologischen
Kriterien sowie Aspekten
Millionen US–Dollar betrug das der verantwortungsvollen
Kreditvolumen aller GABV–MitUnternehmensführung
glieder gemeinsam im Jahr 2011. verwaltet.
Im März dieses Jahres war die GLS Bank Gastgeberin des GABV–Jahrestreffens
und richtete zudem eine öffentliche Konferenz zum Thema „Change–makers:
Wertewandel im Bankensektor“ aus. Von diesen bewegenden Tagen möchten
wir Ihnen ebenso berichten wie von den Zielen und der Arbeit der GABV und
ihrer Mitglieder.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!
Mit herzlichen Grüßen
47.120
QUELLE: www.gabv.org
2
Liebe Leserinnen und Leser,
QUELLE: „Strong and Straightforward: The Business Case for Sustainable Banking”, Studie der Rockefeller Foundation, 2012
QUELLE: Global Sustainable Investment
Review, 2012
Eva Schneeweiss, Chefredakteurin Bankspiegel
TITELBILD:
Dr. Simon Kagugube,
Vorstand Centenary
Bank, Uganda,
auf der Konferenz
der GABV in Berlin
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
3
Autoren
Inhalt
3
Editorial
TITELTHEMA
MITGLIEDSCHAFT
BANK
2
28
34
Unterm Strich
Unterstützung weltweit
Zinsgestaltung
9
35
Global Alliance for
Banking on Values
Innenansicht
4
Dr. Katrin Käufer
ist wissenschaftliche Leiterin am Presencing Institute
sowie Mitarbeiterin des
Community Innovators Lab
(CoLab) in der Abteilung
für Stadtforschung und
–planung am Massachusetts
Institute of Technology (MIT).
Ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt beschäftigt
sich mit gesellschaftlicher
Transformation und nichthierarchischer Koordinierung. Seit 2010 unterstützt
sie den Aufbau der GABV.
Mary Houghton
war Mitbegründerin der
ShoreBank Corporation,
der ersten und größten US–
amerikanisch regulierten
Geschäftsbanken–Holding,
die sich auf kommunale
Entwicklung und Umweltfinanzierung spezialisiert
hat. Sie gehört zum Lenkungsausschuss der GABV.
Muhammad A. (Rumee) Ali
ist seit 2007 Mitglied des
Aufsichtsrats der BRAC Bank
in Bangladesh und wurde
2008 zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Damit
folgte er dem Bankgründer
Fazle Hasan Abed. Er ist
zudem geschäftsführender
Direktor des Bereichs Enterprises and Investments der
BRAC Bank.
Dr. C. Otto Scharmer
lehrt am Massachusetts
Institute of Technology (MIT)
und ist Gründer des Presencing Instituts. Seine Führungs– und Innovationsprogramme sind international
ausgezeichnet worden. Das
von ihm vertretene Konzept
des „Presencing“ wird als
neuer Weg zur Gestaltung
von Veränderungsprozessen
angesehen.
36
Autoren
10
6
Wünscht sich
nicht jeder eine
nachhaltige Bank?
30
Tamara Vrooman
Eigentum verpflichtet
Meldungen
Ein Fonds geht
neue Wege
8
Leserstimmen
31
27
Die Geschichte eines
Bildes
Netzwerk
38
Kreditvergabe
46
Kalender
15
46
Von der Ego– zur Öko–
System–Ökonomie
Impressum
Dr. C. Otto Scharmer
19
Entwicklungsbanken
eines zukünftigen
Finanzwesens
42
Royale Begegnung
in der Natur
43
Mode mit
Verantwortung
Thomas Jorberg
20
Dynamische Vielfalt
22
Peter Blom
ist seit 1997 Vorstandsvorsitzender der Triodos
Bank mit Sitz in Zeist. Er
ist Mitglied im Club of
Rome, Vorsitzender der
Global Alliance for Banking
on Values und Vorstandsmitglied des niederländischen Bankenverbands.
Dr. Silke Kirch
ist Geisteswissenschaftlerin
und war nach dem Studium
in Frankfurt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich
Frauen– und Geschlechterforschung an der Universität zu
Köln tätig. Sie arbeitet freiberuflich als Autorin, Redakteurin und Texterin in Frankfurt,
u. a. für Info3.
Tamara Vrooman
ist Präsidentin und Vorstand
der kanadischen Genossenschaftsbank Vancity mit Sitz
in Vancouver. Sie ist zudem
Mitglied des Lenkungsausschusses der Global Alliance
for Banking on Values. Von
2004 bis 2007 war sie stellvertretende Finanzministerin
von British Columbia.
Thomas Jorberg
ist Vorstandssprecher der
GLS Bank. Er ist Gründungsvorstand der GLS Beteiligungs AG und Initiator der
Energiefonds. Darüber
hinaus gehört er den Aufsichtsräten der Elektrizitätswerke Schönau und der
Hannoverschen Kassen an.
Er ist Mitglied des Lenkungsausschusses der GABV. Im
Jahr 2011 erhielt er den
Deutschen Fairness Preis.
Aufbruchstimmung
in Berlin
Dr. Katrin Käufer
44
Stiften und Schenken
45
Klartext
47
Kassensturz:
Was haben Sie im
Geldbeutel?
24
Blickwinkel
XacBank, Banca Popolare Etica,
One PacificCoast Bank
26
Standpunkt
Rolf Kerler
4
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
5
Meldungen
ÖFFENTLICH WIRKEN 2013
WEITERBILDEN
UNSER TIPP: NEWSLETTER ZU NACHHALTIGEN GELDANLAGEN
Wer sich umfassend über den Markt informieren möchte, kann den kostenlosen monatlichen Newsletter „Handelsblatt Business
Briefing Nachhaltige Investments“ nutzen.
Als unabhängige Quelle bietet er Wissenswertes zu nachhaltigen Anlagekonzepten,
Vermögensverwaltung, Trends und Themen
sowie einen Blick hinter die Kulissen von
nachhaltig ausgerichteten Finanzanalysen.
www.handelsblatt–nachhaltigkeit.de
Das Institute for Social Banking verfügt über langjährige
Erfahrung in Bildung und Forschung im Bereich sozial verantwortliches Bank– und Finanzwesen. Zum diesjährigen
Angebot gehört die Summer School zum Thema „Come
Together: Social Banking & The Commons“ in Filzbach in
der Schweiz (14. bis 19. Juli). Mit dem Certificate in Socially
Responsible Finance bietet das Institut zudem gemeinsam mit der Alanus Hochschule eine Weiterbildungsmöglichkeit für Banker auf akademischem Niveau. Der Kurs
erstreckt sich über sechs Monate und enthält die beiden
Module „Money and Society“ und „Socially Responsible
Management in Banking and Finance”.
Nach einer überwältigend positiven Resonanz
auf die erste Fachtagung für Kommunikation
findet öffentlich wirken vom 1. bis 2. November
2013 ein zweites Mal in Bochum statt. Die Tagung
wird von der GLS Bank mit ausgerichtet und wendet sich an alle, die sich in kleinen und größeren
Institutionen für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit engagieren — mit Informationen über
die Entwicklung moderner Kommunikationsinstrumente oder dem Rüstzeug für die täglichen
Presseaufgaben.
Informationen und Anmeldungen unter
www.öffentlich-wirken.de
Anmeldungen und Informationen unter
www.social–banking.org
SEPA — DER COUNTDOWN LÄUFT
Zur Schaffung eines einheitlichen Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area) stellen alle europäischen
Banken ab dem 1.2.2014 auf die neuen
europäischen Formate bei Überweisungen und Lastschriften um. Die gute
Nachricht: Alle europäischen Zahlungen
kosten nur noch so viel wie Inlandsaufträge und Lastschriften können europaweit verarbeitet werden.
Was sich ändern wird: Alle bisherigen
Einzugsermächtigungen werden dafür
durch SEPA–Lastschriftmandate ersetzt.
Diese enthalten erweiterte Angaben wie
die Identifikationsnummer des Einreichers und des Mandats. Für die Veränderung genügt bei bestehenden Einzugsermächtigungen ein Änderungsschreiben.
Solche Schreiben werden Sie demnächst
von Ihren Energieversorgern, Vermietern,
Kreditinstituten, Sport– und Musikvereinen etc. erhalten.
Wichtig für Lastschriftrückgaben:
Die Widerspruchsfristen betragen nach
Buchungsdatum acht Wochen bei vereinbar ten und 13 Monate bei nicht autorisierten Lastschriften.
Alles zu SEPA — auch für Firmen und Vereine — finden Sie
unter www.gls.de/sepa.
DIE ENERGIEWENDE GEHÖRT DEN
BÜRGERN
VERANTWORTUNGSVOLL REISEN
Die Urlaubszeit steht vor der Tür! Wer umweltbewusst und
nachhaltig verreisen möchte, ist beim forum anders reisen
an der richtigen Adresse. Dem 1998 gegründeten Verband
gehören etwa 130 Reiseveranstalter an, die sich dem nachhaltigen Tourismus verpflichtet haben. Die Reisen werden
am Menschen und der Umwelt ausgerichtet — stets mit Blick
auf einen sorgfältigen, respektvollen und sozialen Umgang
mit den Ressourcen der Reiseländer vor Ort.
Innovative Reiseideen unter www.forumandersreisen.de
Seit Monaten wird in Politik und
Medien über die Fortführung der Energiewende debattiert. Dabei kommt die
Stimme der Bürgerinnen und Bürger oft
zu kurz, obwohl sie die Wende vorangetrieben haben und sie heute umsetzen. Deshalb wurde im März 2013 die
Kampagne „Die Wende — Energie
in Bürgerhand“ ins Leben gerufen. Die
Initiatoren sind überzeugt, dass der
Schlüssel zur erfolgreichen Fortführung
der Energiewende auch in Zukunft bei
den Bürgern liegt. Ihnen möchte die
Kampagne daher eine Stimme geben.
Sie sind aufgefordert, sich im Jahr der
Bundestagswahl einzumischen, z. B.
indem sie eine Charta unterzeichnen.
Zu den Initiatoren gehören neben der
GLS Bank Stiftung die Haleakala Stiftung, die 100 prozent erneuerbar stiftung und der Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland e. V. (BUND).
EINLADUNG ZUR JAHRESVERSAMMLUNG 2013
Wir laden unsere Mitglieder herzlich
zur Jahresversammlung 2013 ein! Die
Veranstaltung findet am 21. und 22.
Juni in Bochum statt. Neben aktuellen
Berichten zur GLS Bank erwartet Sie
ein spannendes Rahmenprogramm.
Weitere Informationen unter www.mitglieder.gls.de
UMWELTSCHONEND MIT DEM EBANKSPIEGEL
INFORMIERT
Nutzen Sie die Möglichkeit, den Bankspiegel online
zu beziehen. Papierschonend können Sie unter
www.gls.de/ebankspiegel den Postversand abbestellen und sich die künftigen Ausgaben elektronisch zusenden lassen. Alles, was wir dazu benötigen, sind Ihre E–Mail-Adresse und Kundennummer.
GENOSSENSCHAFTSANTEILE AUF DIE GLS BANK STIFTUNG ÜBERTRAGEN
Bereits seit Ende 2011 können GLS Mitglieder ihre Geschäftsanteile
oder ihre Dividende auf die GLS Bank Stiftung übertragen. Damit wirken die Anteile über ihre Eigenkapitalfunktion für die GLS Bank hinaus in besonderem Maße gemeinnützig. Denn die GLS Bank Stiftung
verwendet die Dividende satzungsgemäß für gemeinnützige Zwecke.
Ende 2012 betrug das Stiftungskapital 2,1 Millionen Euro. Kernanliegen
der Stiftung sind die Weiterentwicklung eines auf den Menschen ausgerichteten Bankwesens sowie die Verbesserung der finanzrechtlichen
Rahmenbedingungen. So widmet sich die GLS Bank Stiftung im politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen u. a. dem Ausbau
der ökonomischen Bildung an Schulen und Universitäten.
Ihre Anteile können Sie hier übertragen: www.gls.de/uebertragen.
www.die–buergerenergiewende.de
Lesen Sie zu diesem Thema auch den
Kommentar auf Seite 35.
6
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
7
Leserstimmen
Was denken Sie über das Thema und die Beiträge in
diesem Bankspiegel? Wir freuen uns über Ihre Stimme
per Leserbrief, E–Mail oder in unseren Online–Foren.
Global Alliance for Banking
on Values
GLS Bank, Postfach 100829, 44708 Bochum; [email protected]; www.blog.gls.de
Die Global Alliance for Banking
on Values (GABV) ist ein 2009
gegründetes weltweites
Netzwerk sozial–ökologisch
ausgerichteter Banken. Die 22
Mitglieder stammen aus Afrika,
Asien, Aus tralien, Europa,
Lateinamerika und Nordamerika. Gemeinsam stehen sie
für ein werteorientiertes und
menschliches Bankgeschäft.
BIANCA VOSSENBERGER, AACHEN
Sehr geehrte Redaktion des
GLS Bankspiegels,
als ich neulich den neuen Bankspiegel
aufschlug, ging mir schon nach ein
paar Seiten das Herz auf.
Aufgrund meines Berufes (Tischlerin) war mein Interesse eh schon
geweckt und als ich dann auf einem
DIN A4–Foto nicht nur eine Frau im
Handwerk, sondern sogar eine mir
bekannte Tischlerin sehe, freue ich
mich unsäglich: So hat es doch auch
mal eine Frau geschafft, in ein Magazin
zum Thema Bauen zu kommen, ohne
dass es sich speziell um das Thema
Frauen im Baugewerbe bzw. in offiziell
männerdominierten Berufen handelt.
Beim Durchlesen des Artikels zur
Baustelle der Freien Schule Wülfrath
werde ich jedoch enttäuscht.
Erwähnung. In Baden–Württemberg z. B.
ist diese in 20 Jahren von um die 35 auf
über 43 m²/Person angestiegen. Bundes– und Ländervorgaben zur Reduzierung des Flächenverbrauchs insgesamt
während der letzten zehn Jahre zeigen
so gut wie keine Wirkung, besonders
im Südwesten — und dies angesichts
der Tatsache, dass Lebensraumverlust
schon lange die Hauptursache für die
Artenverluste darstellt. Ich hielte es für
angemessen, wenn die GLS Bank hier
bei der Kreditvergabe einen maßvollen
(Wohn–)Flächenverbrauch zur Bedingung für eine Immobilienkreditvergabe
machte. Wo die Grenze verlaufen
könnte zwischen ökologisch vertretbarem und nicht mehr vertretbarem
Wohnflächenverbrauch, darüber kann
man reden. Aber zuerst gilt es einmal,
das Thema überhaupt anzusprechen,
gerade von Seiten der GLS Bank.
Barbara Wimmel
(…) In ihrem Artikel bleiben alle Formulierungen — wie allgemein üblich —
männlich, mit Ausnahme der Berufsbezeichnungen der Buchbinderin und
Steinmetzin. Dadurch wiederholen Sie
ein bekanntes Phänomen: Die wenigen
Frauen im Handwerk werden auf die
künstlerisch–kreative Seite des Handwerks beschränkt. Kein Wunder also,
dass mir bei der Montage eines Fensters nicht nur der Kunde, sondern
sogar die Nachbarn versuchen, das
Stück zu entreißen und es mit ihrer
ganzen Manneskraft die drei Etagen
hochzutragen. (…)
Es grüßt
Bianca Vossenberger
BARBARA WIMMEL, FREIBURG
In Ihrer wichtigen letzten Ausgabe zum
umweltgerechten Bauen findet das
Thema „Zunahme der Wohnfläche pro
Kopf bei stagnierender bzw. abnehmender deutscher Bevölkerung“ keine
8
BRIGITTE KÜHNERT, BONN
Stefan Behnisch (Bankspiegel Ausgabe
3/2012) ist „guter Hoffnung“ in Sachen
Bewusstseinsentwicklung bezüglich
des Umgangs mit der gebauten und
natürlichen Umwelt und möchte auf
Gesetze verzichten, denn als er „ein
Kind war, lagen im Wald Kühlschränke,
Autoreifen und alte Matratzen und
man hat den Kaugummi auf die Straße
gespuckt. Das machen wir heute nicht
mehr.“ Leider ist das aber auch heute
noch der Fall. (…)
In dem Film von 2010 „Die 4. Revolution — Energy Autonomy“ sagt Hermann Scheer: „Wie es heute in Kulturstädten nicht erlaubt ist, dass Müll auf
die Straße geschmissen wird, dürfte
man auch nirgends erlauben, einfach
Energieemissionen zu hinterlassen
und damit die gesamte Gesellschaft
den damit verbundenen Folgen auszusetzen, anstatt diese Energieemissionen zu vermeiden.“
Behnisch zeigt auf, dass im Gegensatz
zu der vermeintlich zufriedenstellenden
guten Gesetzeslage in Deutschland
sich die Amerikaner an Leuchtturmprojekten orientieren. (…)
Dann sollten wir endlich die Energiewende in Deutschland zügig und
kompromisslos angehen und damit ein
globales Leuchtturmprojekt liefern.
Hierzu bietet sich die von der GLS Bank
verwaltete Hermann–Scheer–Stiftung
doch geradezu an.
Brigitte Kühnert
MONIKA WEISS, FRANKFURT
AM MAIN
Liebe Frau Schneeweiss,
TITELTHEMA
10
Wünscht sich nicht
jeder eine nachhaltige Bank?
Tamara Vrooman
15
Von der Ego–
zur Öko–System–
Ökonomie
Dr. C. Otto Scharmer
19
Entwicklungsbanken
eines zukünftigen
Finanzwesens
Thomas Jorberg
20
Dynamische Vielfalt
22
Aufbruchstimmung
in Berlin
Dr. Katrin Käufer
24
Blickwinkel
XacBank, Banca
Popolare Etica, One
PacificCoast Bank
26
Standpunkt
Rolf Kerler
wie habe ich mich über den neuen
Bankspiegel gefreut und gleich viel drin
gelesen! Schon das Cover so klar in
seiner Botschaft, wie es nicht leicht
gelingt. Insgesamt ein Heft, das das
Bewusstsein stärken kann.
Darf ich eine Ergänzung anbringen
zu „Warum Menschen bauen“: die Zelte
und Jurten von Nomaden z. B. im tibetischen Hochland, der Beduinen in arabischen Ländern und in der Tundra, die
Pfahlbauten in diversen Ländern, die
Iglus der Inuit in alten Zeiten, die Blockhütten in Nordamerika. Es ist wirklich
inspirierend zu überlegen, was sich
Menschen je nach den örtlichen Gegebenheiten ausgedacht haben. (…) Sie
alle bestehen ja auch ursprünglich aus
Naturmaterialien und scheinen sehr
gut geeignet, vor Kälte und Witterungseinflüssen zu schützen. (…)
Kurzum, der neue Bankspiegel ist
für mich eine gelungene Ausgabe.
Vielen Dank!
Monika Weiß
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
9
Wünscht sich
nicht jeder
eine nach­haltige
Bank?
Text: Tamara Vrooman
Von gelebten Visionen
10
TITELTHEMA Global Alliance for Banking on Values
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA Global Alliance for Banking on Values
11
Es mag auf den ersten Blick nicht so aussehen, aber Banker
spielen für unsere Gesellschaft eine wichtige Rolle — mit
Konsequenzen, die weit in die Zukunft reichen.
Wie sieht diese Rolle aus? Sie verleihen Geld, erhöhen
Kreditrahmen, tätigen Investitionen. Die Entscheidung, wem
man einen Kredit gewährt und wofür, ist nämlich von großer
Bedeutung. Unsere Geldanlagen von heute bestimmen ganz
wesentlich, wie unsere Gesellschaft der Zukunft aussieht —
egal, wo wir auf dieser Welt leben.
Die Welt braucht und verlangt ein robustes Bankwesen,
das zuverlässig funktioniert und von den Menschen verstanden wird. Die Finanzkrise der letzten Jahre hat vielen bestätigt, was sie schon lange vermuteten: Das System funktioniert nicht. Warum, ist allerdings schwer zu durchschauen.
Große Teile der Öffentlichkeit erwarten heute, dass sich
das Bankwesen ändert und auf die sozialen, ökologischen
und ökonomischen Herausforderungen reagiert, die sich in
zunehmendem Maße überall auf der Welt beobachten lassen.
Ein Netz von Pionieren
Es gibt Banker, die das ebenfalls möchten. Diese Pioniere
haben eine Bewegung angestoßen, die nach globalen
Lösungen für die komplexen Herausforderungen der Gesellschaft sucht und sich für eine machbare Alternative zum
aktuellen Bankenwesen einsetzt: für eine Alternative, die auf
Fairness, Verantwortung, Transparenz und Inklusion baut.
Diese Banker treten für eine zeitgemäße Umgestaltung des
Bankwesens ein.
Sie sind Mitglieder der Global Alliance for Banking on
Values (GABV), eines internationalen, unabhängigen Zusammenschlusses von weltweit führenden nachhaltigen Banken,
Kreditanstalten und Genossenschaften. Was sie anders
machen? Sie stellen die Bedürfnisse der Menschen in den
Mittelpunkt und unterstützen mit ihren Bankangeboten eine
ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung, die die
Lebensbedingungen der Menschen verbessert.
Die GABV wurde 2009 von einigen Pionieren gegründet,
die schon jahrelang Grundsätze eines nachhaltigen Bankwesens entwickelt und umgesetzt hatten. Sie arbeiteten über
den ganzen Globus verstreut, in den verschiedensten Ländern. Die Finanzkrise wirkte dann als Katalysator: Die Banken beschlossen, sich zu vernetzen und nach Gleichgesinnten zu suchen, um ihrer Stimme gemeinsam mehr Gewicht
zu verleihen.
Die Mitgliederzahl der GABV ist seitdem rasant gestiegen. Inzwischen sind es 22 Banken und jährlich kommen
neue hinzu.
Größe, Geschichte und Marktumfeld der Mitgliedsbanken
mögen unterschiedlich sein, doch sie teilen ein gemeinsames Ziel: Sie setzen sich für ein widerstandsfähiges Bankmodell ein, das den Menschen und der Umwelt nutzt und als
Vorbild für ein zukunftsweisendes Bankwesen dienen kann.
Alle Mitgliedsbanken fühlen sich den Grundsätzen eines
nachhaltigen Bankwesens verpflichtet, welches das Konzept der Triple–Bottom–Line, also die Integration sozialer,
ökologischer und ökonomischer Kriterien, ins Zentrum seines Geschäftsmodells stellt. Zu den weiteren Merkmalen
des Netzwerks gehören zudem die Verankerung im lokalen
Umfeld, die Ausrichtung am Nutzen für die Gesellschaft, der
Aufbau langfristiger Beziehungen zu Kundinnen, Kunden
und Mitgliedern sowie die unmittelbare Kenntnis von deren
unternehmerischen Aktivitäten und Risiken. Darüber hinaus
12
11
1
21
17
15
3
20
13
10 2
19
14
22
4
12
8
18
9
16
1. Affinity Credit Union, Kanada
2. Alternative Bank Schweiz AG, Schweiz
3. Assiniboine Credit Union, Kanada
4. Banca Popolare Etica, Italien
5. Banco Fie, Bolivien
6. BancoSol, Bolivien
7. bankmecu, Australien
8. BRAC Bank, Bangladesch
9. Centenary Bank, Uganda
10. Crédit Coopératif, Frankreich
11. Cultura Bank, Norwegen
12. First Green Bank, USA
13. GLS Bank, Deutschland
14. New Resource Bank, USA
15. Merkur Cooperative Bank, Dänemark
16. Mibanco, Banco de la Microempresa, Peru
17. One PacificCoast Bank, USA
18. SAC Apoyo Integral S.A., El Salvador
19. Sunrise Community Banks, USA
20. Triodos Bank, Niederlande
21. Vancity, Kanada
22. XacBank, Mongolei
6 5
zeichnen sich alle Banken durch eine langfristige Belastbarkeit in Bezug auf äußere Einflüsse aus sowie durch eine
transparente Geschäftsführung, die Zugang für alle gewährleistet. Alle genannten Grundsätze sind in der Unternehmenskultur der GABV–Banken fest verankert und bilden die
Bedingung für ihre Aufnahme in das Netzwerk.
Mit Aktiva im Gesamtwert von 60 Milliarden US–Dollar
haben die Mitgliedsbanken gemeinsam Auswirkungen
auf das Leben von zehn Millionen Menschen in 25 Ländern.
Damit sind sie heute eine bedeutende Größe.
Zukunft gestalten
Unsere Vision eines nachhaltigen Bankwesens stellt die
Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund. Ein angemessener Gewinn ist Voraussetzung für Wachstum, aber
weder vorrangiges noch alleiniges Ziel unserer Arbeit.
Wir betrachten ein nachhaltiges Bankwesen als wesentliches Element einer funktionierenden Gesellschaft, weil es
den Einzelnen dabei unterstützt, sein Potenzial auszuschöpfen, und es die lokale Wirtschaft stärkt. Ein nachhaltiges
Bankwesen ist eng mit den Menschen und ihrem Umfeld
verbunden. Und es zeigt sich verantwortungsbewusst: auf
Kundenebene ebenso wie in gesellschaftlicher Hinsicht.
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
7
Nachhaltig wirtschaftende Banken setzen auf ein robustes
Geschäftsmodell und sie arbeiten ganzheitlich: Weil sie auf
Basisbankprodukte setzen, die viele Menschen in Anspruch
nehmen können, anstatt auf raffinierte Angebote, die nur
wenigen zugutekommen.
Die Mitglieder der GABV haben erkannt, dass Banken
den Menschen dienen müssen. Denn wo wir heute investieren — wem wir Kredit gewähren und wem nicht —, spielt
für die Zukunft unserer Gesellschaft eine wesentliche Rolle.
Die Banken der GABV legen deshalb Wert darauf, Kapital
nur dort anzulegen, wo soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Sie sind davon überzeugt, dass Banken verantwortungsbewusst handeln müssen und dass ein nachhaltiges Bankwesen nicht nur den
Menschen und ihrem Umfeld nutzt, sondern auch die Banken selbst stärker und robuster macht.
Ist das bewiesen?
Die Rockefeller Stiftung hat in der Studie „Strong and
Straightforward: The Business Case for Sustainable Banking”
die finanziellen Kennziffern von 28 weltweit tätigen sogenannten systemrelevanten Banken mit denen von 22 nachhaltigen Banken in den Jahren 2002 bis 2011 verglichen.
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
Bei fast allen Kennziffern, die im Bankwesen eine Rolle spielen, weisen die nachhaltigen Banken bessere Werte als die
„Too–big–to–fail–Banken“ auf: Der Anteil der Kundeneinlagen, die als Kredite vergeben wurden, ist bei den GABV–Banken deutlich höher. Sie verfügen über ein relativ betrachtet
höheres Eigenkapital, bieten eine bessere Gesamtkapitalrendite und eine gleichwertige Eigenkapitalrendite bei geringeren Gewinnschwankungen. Und sie verzeichnen wesentlich
höhere Wachstumsraten.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die nachhaltigen Banken im Vergleich zu den systemrelevanten einen fast doppelt so hohen Anteil ihrer Bilanzsumme in die Realwirtschaft
investieren, d. h., sie stellen mehr Kapital für Unternehmer
und Unternehmen zur Verfügung, die Lösungen für unsere
komplexen globalen Probleme entwickeln und eine soziale,
ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit fördern.
Die Studie kam zu dem Schluss, dass nachhaltige Banken
widerstandsfähig sind, die Realwirtschaft unterstützen und
stabile Gewinne erwirtschaften. Im Vergleich dazu vergaben
die systemrelevanten Banken weniger Kredite, konnten
weniger Einlagenkunden gewinnen und verfügten über eine
schwächere Eigenkapitalausstattung.
Unsere Ziele
Als nachhaltig wirtschaftende Banker sind wir davon überzeugt, dass es unsere Aufgabe ist, die Lebensqualität aller
Menschen auf dieser Erde zu verbessern. Wir müssen Verantwortung für kommende Generationen übernehmen. Um
sicherzustellen, dass wir die wirtschaftlichen Entwicklungen
in unserer Gesellschaft genau kennen und Risiken realistisch bewerten können, setzen wir auf eine enge Beziehung
zu unseren Kundinnen, Kunden und Mitgliedern.
Wir möchten, dass Politiker und Regulierungsbehörden
das nachhaltige Bankmodell zum Vorbild eines Bankwesens
machen, das auf diese Weise widerstandsfähiger, fairer,
transparenter und verantwortungsbewusster wird. Wir
möchten außerdem, dass Inklusion ernst genommen wird,
dass also mehr statt immer weniger Menschen die Vorteile
von Banken nutzen können. So können wir nicht nur das
Vertrauen der Öffentlichkeit in die Werte und ethischen
Grundsätze des Bankwesens wiederherstellen, sondern
auch diejenigen erreichen, die an den Rand gedrängt oder
von dem System ganz ausgeschlossen sind. Wir müssen
Barrieren abbauen, ob sie nun durch zu hohe Zugangsschwellen oder durch mangelnde Finanzbildung verursacht worden sind.
Ein Bankwesen, das sich heute und in Zukunft an den
Bedürfnissen der Menschen orientiert, ist für alle Menschen
da und legt das Kapital in die Hände derjenigen, die Lösungen für unsere komplexen sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme entwickeln. Ein nachhaltiges Bankwesen besteht aus starken, stabilen Banken. Wir sind davon
überzeugt, dass ein solches Bankwesen Antworten auf
die durch die Gesellschaft aufgeworfenen Fragen an das
Finanzsystem bereithält.
Wünscht sich nicht jeder eine nachhaltige Bank? —
Übersetzt aus dem Englischen
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
13
BANCO FIE,
BOLIVIEN
Felipa gehört zu
einer Gruppe von
Frauen, die in einer
ländlichen Gegend
von Santa Cruz
partnerschaftlich
biologische Landwirtschaft betreiben. Gemeinsam
bauen sie Zitrusfrüchte, Mais,
Karotten, Maniok
und Kaffee an. Mit
Hilfe eines 400–
Dollar–Kredits von
Banco Fie konnte
Felipa den Anbau
von Kaffee und
Maniok erweitern.
NEW RESOURCE
BANK, USA
Statt alte Straßenlaternen durch neue
zu ersetzen, stattet
Tanko Streetlighting bestehende
Halterungen mit
energieeffizienten
Lampen aus. Die
Gemeinden sparen
dadurch sowohl
an den günstigeren, nachgerüsteten
Laternen als auch
bei den Energiekosten. Dank eines
Kredits der New
Resource Bank kann
das Unternehmen
heute mehr als 200
US–amerikanische
Städte versorgen.
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TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
Von der Ego–
zur Öko–
System–Ökonomie
TEXT: Dr. C. Otto Scharmer
Wir leben in einer Zeit
fundamentaler Umbrüche.
Doch wie kann eine tiefgreifende gesellschaftliche
Transformation gelingen?
So wie bei einem Eisberg lediglich zehn Prozent über der
Wasseroberfläche sichtbar sind, sind auch die verschiedenen Krisensymptome, mit denen wir heute konfrontiert
sind, nur die Spitze eines Eisbergs. Mit welchen Aspekten
haben wir es unterhalb der Wasseroberfläche zu tun,
was sind die systemischen Faktoren, die die Krisensymptome der Gegenwart immer weiter verschärfen? Dieser
Frage nachgehend stoßen wir zunächst auf acht strukturelle Entkopplungen.
Acht strukturelle Entkopplungen
Die erste Entkopplung ist die Finanzblase: Eine Zahl zur Veranschaulichung des Volumens dieser Blase ist der Gesamtwert der Devisentransaktionen: Im Jahr 2010 betrug das
Volumen des Börsenhandels mit Währungen 1.500 Billionen
US–Dollar. Der Gesamtwert des internationalen Handels
betrug hingegen nur 20 Billionen US–Dollar, also hatten
weniger als 1,4 Prozent dieser Devisentransaktionen einen
direkten Bezug zur Realwirtschaft. Selbst wenn man ausländische Direktinvestitionen und andere Transaktionen mit
einrechnet, die sich zumindest teilweise auf die Realwirtschaft beziehen, kommt man lediglich auf fünf Prozent — die
anderen 95 Prozent sind Transaktionen, die keinen ökonomisch oder sozial vernünftigen Zweck erfüllen. Die Entkopplung der Finanz– von der Realökonomie hat viele Gesichter:
die lateinamerikanische Finanzkrise der 1980er, die asiatische Finanzkrise der 1990er, die amerikanische Savings–
and–loan–Krise der 2000er und die globale Finanzkrise
2008. Obwohl diese Finanzkrisen viele Facetten haben, liegt
ihnen doch dasselbe Problem zugrunde, nämlich die zunehmende Entkopplung von Finanz– und Realwirtschaft.
Die zweite Entkopplung ist die ökologische: Unsere Wirtschaft operiert mit einer ökologischen Belastung von 1,5 Planeten, d. h. wir übernutzen die Regenerationsfähigkeit der
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
Erde mit 50 Prozent. Die dritte Entkopplung betrifft die soziale Realität: 2,5 Milliarden Menschen leben unterhalb der
Armutsgrenze. In den USA besitzt das reichste Prozent der
Bevölkerung ein größeres Vermögen als die unteren 90 Prozent zusammen. Die vierte Entkopplung betrifft, was wir im
weitesten Sinne als Führung bezeichnen: Viele Individuen
mit Führungsverantwortung in Wirtschaft, Politik und
Gesellschaft sind von der Lebenswirklichkeit der Menschen
und Systeme entkoppelt. Das Ergebnis ist, dass wir kollektiv
Realitäten schaffen, die niemand will. Die fünfte Entkopplung betrifft unser Konsumverhalten: Ein Mehr des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führt in den Industrieländern nicht zu
mehr Wohlstand und Lebensqualität der Menschen.
Die sechste Entkopplung bezieht sich auf unsere Form
von Demokratie und kollektiver Entscheidungsfindung: Hunderte Millionen Menschen haben nicht die Möglichkeit, bei
wesentlichen Entscheidungen über ihre Zukunft und ihre
Lebensbedingungen gehört zu werden. Gleichzeitig dominieren Interessengruppen den öffentlichen Diskurs und Entscheidungen. Ein Paradebeispiel ist die Machtakkumulation
der US–Banken. Bereits vor der Finanzkrise entsprach die
Bilanzsumme der sechs größten Banken an der Wall Street
55 Prozent der US–amerikanischen Einlagen. Dieses Volumen erlaubt es ihnen, erhöhte Risiken einzugehen, denn sie
können darauf bauen, dass die Regierung — und damit die
Steuerzahler — sie im Notfall auffangen müssen, was ja
dann auch passiert ist. Nach 2008 konnten diese Banken
dieses Abhängigkeitsverhältnis noch vergrößern: 2010 stieg
die Zahl auf 64 Prozent.
Die siebte Entkopplung betrifft die Frage von Eigentum:
Die zwei dominanten Eigentumskonzepte — Staats– und
Privateigentum — sind erfolgreich, aber auch mit Problemen
verbunden, beispielsweise der massiven Vernichtung von
ökologischen und sozialen Gemeingütern wie Grundwasser
oder Boden. Die offene Frage hierbei ist, wie ein drittes
Eigentumskonzept gestaltet werden kann, das die Gemeingüter besser schützt und die Interessen künftiger Generationen effektiver berücksichtigt.
Die achte Entkopplung betrifft das Thema Technologie:
Forschungs– und Entwicklungsausgaben konzentrieren sich
in der Regel auf existierende Märkte und nicht auf die dringenden und realen Probleme und Bedürfnisse von Menschen
und Gesellschaften mit geringem Einkommen wie in Ländern der Südhalbkugel.
Aber was liegt diesen Entkopplungsphänomenen zugrunde?
Wirtschaftliches Denken und die Entwicklung von
Bewusstsein
Das Problem der acht Entkopplungen beginnt mit der Art
und Weise, wie wir über Ökonomie denken. Ein Beispiel ist
unsere Haltung zur Koordination der modernen arbeitsteiligen Ökonomie. Historisch lassen sich drei Denkansätze
unterscheiden. Der erste Ansatz (1.0) ist eine zentrale Koordination. Hier wird die ökonomische Arbeitsteilung staatszentrisch koordiniert, d. h. durch zentrale staatliche Planung
basierend auf Hierarchien, Regulierungen und Kontrolle. Beispiele hierfür sind staatszentrische Arten des Merkantilismus oder Sozialismus.
Ein zweiter Ansatz (2.0) ist der dezentralisierte Wettbewerb der freien Marktwirtschaft, die mit dem Aufstieg des
privaten Sektors einhergeht. Ein Beispiel ist die Laissez–faire–
Wirtschaft in Europa im 19. Jahrhundert. Ergebnisse waren
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
15
ein enormes Wachstum, enorme Erfolge und gleichzeitig
auch enorme Probleme in der Form von negativen Externalitäten.
Der dritte Ansatz (3.0) ist eine soziale Marktwirtschaft.
Verhandlungen zwischen verschiedensten Interessengruppen und institutionelle Innovationen wie die Schaffung von
Zentralbanken, sozialen Sicherungssystemen, Gewerkschaften und Umweltstandards setzen dem freien und unregulierten Markt Grenzen. Das Ergebnis ist eine Weiterentwicklung des Rahmens, in dem Marktwirtschaft praktiziert wird.
Die soziale Marktwirtschaft, also der 3.0–Ansatz, war in
den meisten OECD–Ländern im 20. Jahrhundert erfolgreich,
stößt aber jetzt an Grenzen, weil es nicht gelingt, globale
negative Externalitäten wie z. B. die massive Umweltzerstörung oder Armut zu bewältigen. Der heutige Diskurs dreht
sich wesentlich um die drei folgenden Optionen: (1) sich
durchlavieren, (2) zurück zu einer neoliberalen oder zu einer
autoritär staatszentralistischen Lösung oder (3) einen Schritt
vorwärts, bei dem die Koordination unserer ökonomischen
Prozesse nicht länger auf einem Gegeneinander, sondern auf
einem ko–kreativen Miteinander aller beteiligten Partner und
Bürger basiert.
Jede dieser drei unterschiedlichen Koordinationsformen
unserer Ökonomie beinhaltet nicht nur ein unterschiedliches ökonomisches Denken, sondern auch eine unterschiedliche Rolle des Individuums in der Wirtschaft oder Gesellschaft. Die zentralisierte Wirtschaft 1.0 verlangt vom
Einzelnen, sich in eine bestehende hierarchische Struktur
einzufügen, Loyalität ist wichtiger als Leistung. Die marktorientierte Wirtschaft 2.0 baut auf einem Ego–System–
Bewusstsein auf, bei dem der oder die Einzelne die Initiative
ergreift, um den eigenen Vorteil zu maximieren, Leistung
zählt mehr als loyales Verhalten. Die heutige Realität ist
jedoch von einer anderen Art von Rationalität geprägt, die
wir als 3.0– oder Stakeholder–Bewusstsein bezeichnen.
Konkret heißt das, dass Unternehmer oder Konsumenten
ökonomische Entscheidungen auf Basis von Prämissen treffen, die die Interessen und Bedürfnisse der Hauptpartner
(z. B. Zulieferer, Kundinnen, Kunden) mehr oder weniger mit
einbeziehen.
Diese Form von Ökonomie finden wir bereits an vielen
Stellen, z. B. bei Unternehmen, die die Arbeitsbedingungen
bei ihren Lieferanten mit verantworten, oder bei Konsumenten, die in Kaufentscheidungen Umweltschutzfragen mit
einbeziehen. Doch die nächste Herausforderung ist ein weiterer Schritt, in dem wir in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen die Fähigkeit entwickeln müssen, aus
vielen Ego–System– und Stakeholder–basierten Strukturen
eine neue ökonomische und gesellschaftliche Steuerungsrationalität entstehen zu lassen, die wir als Öko–System–
Bewusstsein bezeichnen. Öko–System–Bewusstsein heißt,
dass ich nicht nur meinen eigenen Wohlstand und meine
Lebensqualität maximiere, sondern auch diejenige aller meiner Partner und Mitgestalter.
Weiterentwickeln durch Loslassen
Basierend auf unserer Arbeit mit Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und anderen gesellschaftlichen Gruppen sehen wir die größte Herausforderung für einen solchen
Schritt in eine schöpferische Öko–System–Ökonomie in der
Frage, wie wir den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren helfen können, ihr Ego–System–Bewusstsein loszulassen.
16
Dabei hilft es, sich in die Perspektive des Anderen zu begeben. Wie das geht? In unserer Arbeit haben wir gelernt, dass
dazu ein Prozess erforderlich ist, der die Öffnung des Verstandes, des Herzens und des Willens ermöglicht: gemeinsame Wahrnehmung und Willensbildung. Warum
geschieht dies so selten? Weil der schwerste Schritt das
Loslassen ist. Es bedeutet, eine Schwelle zu überschreiten,
eine Welt loszulassen und eine andere Welt kommen zu lassen, von der wir gar nicht wissen, ob sie überhaupt existiert.
Auf das Bild des Eisbergs und die Krise der Gegenwart
zurückkommend denke ich, dass drei revolutionäre Schritte
erforderlich sind. Der erste Schritt betrifft eine Revolutionierung unseres ökonomischen Denkens dahingehend, dass
wir die Kernkategorien der Ökonomie auf Basis des vorgeschlagenen Öko–System–Bewusstseins neu denken. Angefangen mit dem Begriff der Natur, die nicht länger als Ressource, sondern als ein zu kultivierendes Öko–System
gedacht wird. Weiter über unser Verständnis von Kapital,
das nicht mehr als Geld, sondern als kreative, schöpferische
Kraft des Menschen zu denken ist. Bis zu unserem Verständnis von Technologie — weg von den alten Industrien hin zu
erneuerbarer Energie, Kommunikations– und sozialen Technologien, die uns helfen, gemeinsam kreativer zu werden.
Führung kann zudem nicht länger nur hierarchisch ausgerichtet sein, sondern es geht um den Aufbau gemeinsamer Wahrnehmungs–, Willensbildungs– und Handlungsfähigkeit. Die ökonomische Kategorie des Konsumierens muss
mit Lebensqualität und Wohlbefinden verknüpft werden.
Und gesamtwirtschaftlich müssen wir die Art und Weise
überdenken, wie wir die Wirtschaft koordinieren — weg von
den drei alten Mechanismen der Hierarchie, Märkte und
Stakeholder–Verhandlungen hin zu etwas, das ich als ABC
(„awareness–based collective action“) bezeichne — also
Handlungen, die aus einer gemeinsamen Wahrnehmungsund Willensbildung entstehen. Die ökonomische Kategorie
der Eigentumsrechte muss mit gemeinschaftlichen Eigentumsrechten, die zukünftige Generationen schützen, erweitert werden.
Der zweite Schritt für diesen Umbruch zu einer Öko–System–Ökonomie ist eine relationale Revolution, eine Transformation unserer ökonomischen und kommunikativen Beziehungen. Wir müssen alte auf Manipulation zielende Kommunikationsformen abbauen und neue Räume für schöpferische
Dialoge und gemeinsame Kreativität aufbauen, beispielsweise zwischen Herstellern und Verbrauchern.
Der dritte Schritt betrifft die Umwandlung unserer
alten hierarchischen institutionellen Strukturen hin zur
Kultivierung schöpferischer Felder von gleichberechtigter
Kooperation.
Diese drei Revolutionen des Denkens, der Kommunikation und der Umstülpung aller unserer gesellschaftlichen
Institutionen sind die große Aufgabe unserer Generation.
Wir können es tun! Was mich an der GABV inspiriert, ist,
dass sie auf diesem Weg von der Ego– in die Öko–System–
Ökonomie bereits viele wichtige Samen gepflanzt hat. Jetzt
gilt es, diese Keime im Sinne einer weltweit vernetzten
Bewegung praktisch, wissenschaftlich und strategisch weiterzuentwickeln. —
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
BANKMECU,
AUSTRALIEN
Die Women’s Property Initiatives
(WPI) stellen
Frauen und ihren
Kindern langfristig
sichere Wohnungen zur Verfügung
— viele von ihnen
entkommen damit
häuslicher Gewalt.
Bankmecu hat die
WPI seit 2009 mit
rund 3,4 Millionen
Dollar finanziert.
Damit konnte 110
Frauen und Kindern
bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung
gestellt werden.
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
17
BRAC BANK,
BANGLADESCH
Die Fischerei ist
eine der wichtigsten Ressourcen
der ländlichen
Gebiete in Bangladesch. Die BRAC
Bank kennt das
Bedürfnis dieses
Sektors nach Unterstützung und
stellte Herrn Faizuddin einen Kredit zum Aufbau
seines eigenen
Fischereibetriebs
zur Verfügung.
Entwicklungsbanken eines
zukünftigen
Finanzwesens
TEXT: Thomas Jorberg
Für grundlegende
Veränderungen braucht es
Visionen und Vorreiter.
Die GABV–Mitglieder stammen aus den verschiedensten
Ländern und Kontinenten mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Umfeldern. Die Entstehung dieser globalen
Bewegung und der Erfolg jeder einzelnen Mitgliedsbank
zeigen, dass die Zeit reif ist für nachhaltige Veränderungen.
Die GABV–Banken stehen für den Wandel im Finanzsektor.
Wodurch zeichnen sie sich aus?
ALTERNATIVE
BANK SCHWEIZ AG,
SCHWEIZ
Die Romanens Pilz
GmbH bietet als
einziger Betrieb in
der Schweiz ein
komplettes Bio–Pilz
Sortiment an. Der
1988 gegründete
Betrieb beliefert
den hiesigen Bio–
handel und kann
Dank hygienischer
Sorgfalt und mechanischer Schädlingsbekämpfung gänzlich auf chemischsynthetische Fungizide und Insektizide
verzichten.
18
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
Wandel der Kultur
Die Eigentümer, Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GABV–Banken sehen den Kernwert in der sozialen
und ökologischen Nutzenstiftung für ihre Kundinnen und
Kunden und die Gesellschaft. Bei unterschiedlichen Geschäftsmodellen — ob sozial–ökologisches Banking in Europa, sozial
orientierte Mikrofinanz in Asien und Südamerika oder breite
gesellschaftliche Solidarität von Genossenschaftsbanken in
Nordamerika — alle haben in das Zentrum ihrer Geschäftspolitik menschliche Werte integriert, die ihre Geschäftskultur
maßgeblich prägen.
Die Mitglieder der GABV agieren in ihren jeweiligen Märkten, sind den gleichen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen, erwirtschaften einen ökonomischen
Gewinn und sind doch in ihren Angeboten und ihrer Arbeitsweise auf die Menschen und ihre ganzheitlichen Bedürfnisse
ausgerichtet. Zugleich sind diese Banken in der klaren Umsetzung ihrer werteorientierten Geschäftspolitik auch immer
wieder Widersprüchen ausgesetzt, mit denen sie jedoch
bewusst umgehen und die sie gegenüber Kundinnen, Kunden und Eigentümern transparent kommunizieren.
Zur Kultur dieser Banken gehört dabei auch, dass sie ein
erweitertes Verständnis von Gewinn haben und diesen in
den drei Dimensionen des Sozialen, des Ökologischen und
des Ökonomischen sehen.
Banken haben dieses Entscheidungssystem erweitert — um
das wesentliche Kriterium, wofür das Geld verwendet wird.
Maßgeblich bei der Vergabe von Krediten ist deshalb die
soziale und ökologische Auswirkung der Investitionen. Auch
für die Einlagenkunden dieser Banken ist es ein wesentliches
Motiv zu wissen, dass das Geld gesellschaftlich sinnvoll eingesetzt wird. Durch diese Erweiterung des Entscheidungssystems wird bei der Geldanlage und Kreditvergabe soziale,
ökologische oder gesellschaftliche Verantwortung möglich.
Wandel der Kundenbeziehung
Damit verändert sich auch die Beziehung zwischen Kundin/
Kunde und Bank. Sie reduziert sich nicht auf die Höhe des
Zinssatzes und die Auseinandersetzung um die Risikoverteilung. Die GABV–Banken entwickeln und pflegen eine partizipative Beziehung zu ihren Kundinnen, Kunden und Eigentümern, in der die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung
eine wesentliche Rolle spielt. Banker und Kundinnen/Kunden
verstehen sich in dieser Beziehung gemeinsam als Akteure,
als Gestalter von Wirtschaft und Gesellschaft. Bank und
Kundin/Kunde fühlen ihre gesellschaftliche Verantwortung
beim Umgang mit Geld und üben diese entsprechend
bewusst aus.
Wandel der Berichterstattung
Neben dem zahlenbasierten Jahresbericht legen alle GABV–
Banken in unterschiedlicher Art und Weise die Auswirkungen (Impact) offen, die ihre Tätigkeit in sozialer und ökologischer Hinsicht auf die Gesellschaft hat. In diesen Berichten
weisen sie ihren Kundinnen, Kunden, Eigentümern und der
Gesellschaft nach, wie sie ihre werteorientierten Ziele umgesetzt haben. Die einheitliche Messung sowie die individuelle
und gemeinsame Veröffentlichung der gesellschaftlichen
Auswirkungen der GABV–Banken ist ein wesentliches Projekt
der kommenden Jahre.
Wandel des Vertrauens
Leitwährung der GABV–Banken ist nicht das Geld, sondern
das Vertrauen von Eigentümern, Kundinnen, Kunden und
Gesellschaft. Das Bekenntnis und die Übernahme von Verantwortung im gesellschaftlichen Kontext sind die Voraussetzungen dafür. Selbstverständlich erfüllen die GABV–
Banken die aufgrund der Finanzmarktkrisen extrem zunehmenden regulatorischen Anforderungen. Vertrauen entsteht aber erst, wenn über das Regelerfüllen hinaus in der
menschlichen Kunden–Bank–Beziehung wieder eine wertebasierte Verlässlichkeit entsteht. Dieses Vertrauen kann
nicht durch Befolgung von Regeln und auch nicht nur durch
transparente Berichterstattung aufgebaut werden, sondern
muss in der sich entwickelnden Beziehung zwischen Bank
und Kundin/Kunde bei jedem Geschäftsvorgang aufgebaut
und bewiesen werden.
Wandel des Systems
An den Finanzmärkten werden die Entscheidungen derzeit
bei gegebener Laufzeit und in der Regel abstrakt bewertetem
Risiko ausschließlich nach der Höhe der Rendite getroffen.
In dieser eindimensional orientierten Entscheidungsmatrix
kommt die Verantwortung für gesellschaftliche, menschliche, soziale und ökologische Fragen nicht vor. Die GABV–
Globaler Wandel
Die GABV–Banken sehen sich als Teil einer weltweiten Bewegung, die Entwicklungen anstoßen kann. Noch haben sie
nicht das „Bankparadies“ geschaffen, aber sie haben ein klares, positives Bild, wie ein werteorientiertes Bankgeschäft
und eine Kunden–Bank–Beziehung idealerweise aussehen
sollten. In der Verfolgung dieser Bilder und ihrer jeweiligen
Geschäftspolitik verstehen sich die Mitglieder der GABV als
Entwicklungsbanken eines zukunftsfähigen Finanzmarktes. —
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
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Dynamische Vielfalt
INTERVIEW: Eva Schneeweiss
Fragen an Mitglieder* des Lenkungsausschusses,
das höchste Gremium der GABV
EVA SCHNEEWEISS : Herr Blom, Sie haben die GABV
gemeinsam mit Anderen ins Leben gerufen. Was war Ihre
Intention?
PETER BLOM: Die Idee entstand bereits zwei bis drei
Jahre vor der eigentlichen Gründung, als klar wurde, dass es
ein Bedürfnis für ein internationales Netzwerk von Finanzinstituten mit denselben wertebasierten Zielen gibt. Interessanterweise fiel die tatsächliche Gründung der GABV mit
dem Ausbrechen der Finanzkrise zusammen und vor diesem
Hintergrund wurde die Existenz eines solchen Netzwerks
noch dringlicher. Das hat uns geholfen, die Gründung der
GABV zu beschleunigen.
Am Anfang haben wir nicht daran gedacht, eine große
Organisation zu bilden. Wir wollten ein schlankes Netzwerk
nachhaltiger Banken sein, die durch die gemeinsame Überzeugung miteinander verbunden sind, dass Bankgeschäfte
einen einflussreichen Hebel für eine positive Gesellschaftsentwicklung darstellen können. Wir wollten ein Netzwerk
von leitenden Führungskräften und den wichtigsten Entscheidungsträgern aufbauen. Ziel war, dass die Vorstände
und Aufsichtsräte der Banken zusammenkommen, um sich
darüber auszutauschen, was sie mit ihren eigenen Einrichtungen erreichen wollen, und um auszuloten, was sie
gemeinsam bewirken können. Dann haben wir eine Strategie
entwickelt, um die zukunftsweisenden Geschäftsmodelle
der Mitgliedsbanken, ihre Leuchtturmprojekte und ihre
gesellschaftliche Wirkung hervorzuheben. Heute diskutieren
wir auch ganz praktische Themen — z. B. die Frage, wie das
Wachstum der Bewegung finanziert werden kann.
Im Jahr 2009 haben zehn Finanzinstitute die GABV
gemeinsam gegründet. Heute zählen wir 22 Mitglieder. Wir
gehen davon aus, dass das Limit bei 30 bis 50 Banken liegen
20
wird. Dann, so nehmen wir an, werden wir die wichtigsten
Akteure im nachhaltigen Bankgeschäft einbezogen haben.
Wie kann die GABV Einfluss auf die Regulierung von Banken nehmen? Kann das Netzwerk eine neue Kultur im
Bankensektor schaffen?
BLOM: Die GABV–Mitgliederbanken bieten ihren Kunden
einen integrierten Ansatz — sozial, ökologisch und ökonomisch. Dies geschieht auf freiwilliger statt auf regulatorischer Basis. Gleichzeitig ist offensichtlich geworden, dass
konventionelle Banken — aufgrund ihrer Funktion, der Wirtschaft Finanzmittel bereitzustellen — auch beginnen sollten,
mehr und mehr nichtfinanzielle Kriterien in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen. In diesem Sinne sollte das, was
wir als nachhaltige Banken bereits auf freiwilliger Basis tun,
allmählich zur normalen Praxis für alle Banken werden —
und schließlich in die allgemeinen regulatorischen Anforderungen Eingang erhalten.
Ich glaube, dass wir die Kultur innerhalb des Finanzsektors beeinflussen können. Hauptsächlich weil so viele talentierte Menschen gerne in diesem Bereich arbeiten würden,
dies jedoch nur in wertebasierten Instituten tun möchten.
Die GABV kann eine wichtige Rolle bei der Unterstützung
dieser neuen Generation von nachhaltigen Bankern spielen.
Außerdem sollten wir uns bemühen, Banker weiterzubilden,
die bereits in konventionellen Banken tätig sind. Denn
wenn sie die neue Art von Bankarbeit einbringen, können
wir auch größere Institute von innen heraus verändern
und gemeinsam Schritt für Schritt einen anderen Bankensektor schaffen. —
EVA SCHNEEWEISS: Herr Ali, was sind derzeit die größten
Herausforderungen für die Mikrofinanzbanken in der
GABV?
MUHAMMAD A. (RUMEE) ALI: Eine zentrale Herausforderung ist die wachsende Auffassung, dass Mikrofinanz nicht
zur Beseitigung von Armut beiträgt. Zu dieser Haltung kam
es, weil Mikrofinanz in vielen Ländern als der Königsweg
gegen Armut „verkauft“ wurde. BRAC sieht das nicht so.
Unser Ansatz gegen Armut ist vielmehr ganzheitlich ausgerichtet. Deshalb konzentrieren sich unsere Entwicklungsprogramme auf die drei wesentlichen Voraussetzungen von
Armutsbekämpfung: auf Gesundheit, Bildung und Finanzen.
Denn nur wenn Programme auch Gesundheit und Bildung
ganzheitlich mit einbeziehen, können Mikrofinanzprogramme gelingen und Veränderung bewirken.
Die zweite Herausforderung liegt darin, einen von vielen
Mikrofinanzinstituten eingeschlagenen Weg zu vermeiden:
Mikrofinanz ist oft nicht mehr primär ein Konzept der Entwicklungshilfe, sondern ein kommerzielles Geschäft. Diese
Bewegung hat einige Mikrofinanzinstitute dazu veranlasst,
sich an der Börse notieren zu lassen. Doch die Aktienmärkte
sind notorisch profitorientiert, weshalb sich viele der Organisationen von ihrer eigentlichen Mission, Armut zu bekämpfen, entfernen. Vielmehr geht es dann um Gewinnstreben und darum, selbst zu profitieren.
Wie profitiert die BRAC Bank von der Mitgliedschaft in
der GABV?
ALI: Der größte Wert liegt darin, Wissen und Erfahrung
miteinander zu teilen. Indem wir besonders gelungene
Arbeitsbeispiele oder innovative Konzepte zu Themen weitergeben, die alle wertebasierten Banken beschäftigen,
gewähren wir uns gegenseitig Zugang zu neuen Lösungen.
Als Plattform hilft das Netzwerk allen werteorientierten
Banken, einschließlich der BRAC Bank, um die öffentliche
Meinung noch effektiver zu mobilisieren. Es ist entscheidend, dass wir innerhalb des Finanzsystems ein Verständnis
schaffen für die Notwendigkeit der Existenz von Banken wie
den unsrigen. —
Muhammad A. (Rumee) Ali, Aufsichtsratsvorsitzender BRAC
Bank, Bangladesch
EVA SCHNEEWEISS: Frau Houghton, eine Studie der
Rockefeller Stiftung hat belegt, dass die GABV–Banken
auch in ökonomischer Hinsicht nachhaltiger sind als die
größten sogenannten systemrelevanten Banken weltweit.
Worauf führen Sie dies zurück?
MARY HOUGHTON: Für mich ist die bedeutendste
Erkenntnis aus der Studie das unterschiedliche Niveau in der
Kreditvergabe, das bei den Nachhaltigkeitsbanken so herausragend ist. Im Durchschnitt wurden bei ihnen zwischen
2002 und 2011 über 70 Prozent des angelegten Geldes konsequent in Kredite investiert, wohingegen die globalen systemrelevanten Finanzinstitute nur rund 41 Prozent davon an
Krediten ausgaben. Das ist ein beträchtlicher Unterschied!
Ich glaube, dass es die grundlegende Aufgabe von
Geschäftsbanken ist, die Realwirtschaft zu finanzieren. Es
ist eine wichtige Funktion, Geldanlagen in einem Land in Kredite für Unternehmen und andere Organisationen umzuwandeln. Denn diese Unternehmen schaffen wiederum Arbeit
und bilden das Eigenkapital von Unternehmern und Bürgern.
Insofern ist es ein wichtiges Argument für institutionelle
oder private Anleger, diese unabhängigen Banken zunehmend zu unterstützen, da sie in der Gesellschaft verankert
sind und sich verpflichtet haben, wirtschaftliches Wachstum
und soziale und ökologische Zielsetzungen zu fördern.
Was sind die größten Hindernisse dafür, dass nachhaltiges Bankgeschäft nicht die Norm wird, sondern die Ausnahme bleibt?
HOUGHTON: Ich kann hauptsächlich für die USA sprechen. Dort ist die Befürchtung der Banker, dass kleine Kreditvolumen und Sparanlagen nicht profitabel sind, wohl das
größte Hindernis für viele Banken, soziale Ziele in ärmeren
Gemeinden zu verfolgen. Dennoch macht die Entwicklung
von neuen mobilen und internetbasierten Technologien
diese kleineren Transaktionen eher möglich und wirtschaftlich. Zudem hat sich weltweit gezeigt, dass Menschen mit
geringeren Einkommen ihre Kredite in derselben Zeit zurückzahlen wie jeder andere, wenn sie die Gelegenheit bekommen, eine langfristige Beziehung zu einem Finanzinstitut
aufzubauen.
In den USA sind viele Banken erpicht darauf, Finanzierungen für umweltfreundliche Projekte bereitzustellen. Derzeit
zertifiziert die US–Regierung 85 Banken in den Vereinigten
Staaten als „Finanzinstitute für gesellschaftliche Entwicklung “, was primär von deren Fokussierung auf das Marktsegment von niedrigeren Einkommen ausgeht. Nur etwa
zwölf Banken konzentrieren sich hauptsächlich auf ökologische Bankgeschäfte. Einige wenige Institute berücksichtigen
beide Dimensionen — die ökologische und die soziale. Wir
brauchen wesentlich mehr, die das tun! —
Mary Houghton, Mitbegründerin ShoreBank
Corporation, USA
*Zum Lenkungsausschuss der GABV gehören Muhammad A.
(Rumee) Ali, Tamara Vrooman (Präsidentin Vancity, Kanada), Mary
Houghton, Luis Felipe Derteano Marie (Vorsitzender Grupo ACP
und Vertreter von Mibanco, Peru), Peter Blom und Thomas Jorberg
(Vorstandssprecher GLS Bank, Deutschland). (von links nach rechts)
Peter Blom, Vorstand Triodos Bank, Niederlande
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
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Aufbruchstimmung
in Berlin
TEXT: Dr. Katrin Käufer
Das GABV–Jahrestreffen
„Studenten, Vorstände, Konferenzteilnehmer und Mitarbeiter
aus verschiedenen Nachhaltigskeitsbanken sitzen allesamt
an einem Tisch. Ich habe das Gefühl, dass sich etwas verändert”, berichtete Luise Eisfeld, eine Wirtschaftsstudentin, die
am 14. März 2013 an der internationalen GABV–Konferenz in
Berlin teilnahm. Mit ihr waren knapp 300 Gäste aus der
Wirtschaft, dem Bankensektor und von verschiedenen Universitäten gekommen. Die öffentliche Tagung wurde von der
GLS Bank ausgerichtet und von den 22 Nachhaltigkeitsbanken aus Afrika, Asien, Australien, Europa, Nord– und Südamerika unterstützt. Das Thema „Change–makers: Wertewandel im Bankensektor” und die hochkarätigen Redner
sorgten für angeregte Diskussionen.
Die Notwendigkeit für eine Veränderung im Finanzsektor
betonte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert in
seiner Eröffnungsansprache. „Im 20. Jahrhundert, aber auch
in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts haben wir erlebt,
wie unsere Märkte, insbesondere die Finanzmärkte, arbeiten. Diese Turbulenzen haben nicht nur Bilanzen, sondern
auch Biografien ruiniert“, so Lammert. Er wies auf die Grenzen unseres Wirtschaftssystems hin und betonte, dass
diese Veränderungen nicht nur Regulierungsvorschriften,
sondern auch die Art und Weise betreffen, wie wir über
unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft denken.
Kunden hätten in letzter Zeit bitter zu spüren bekommen,
was geschehe, wenn instabile Finanzmärkte Werte nur
simulierten, ohne tatsächlich ein Teil der Wertschöpfungskette zu sein. „Sobald die Simulation kollabiert, kollabiert das
Produkt, weil es keine Substanz hat. Anstatt ein Instrument
zur Unterstützung wirtschaftlicher Prozesse zu sein, ist Geld
zu einem Selbstzweck geworden.“
Nach dieser anregenden Eröffnung sprach Dr. Tomáš
Sedláček, ein tschechischer Ökonom und der Chefvolkswirt
der größten tschechischen Bank, ČSOB, der auch als Wirtschaftsberater des ehemaligen Präsidenten Václav Havel
tätig war. Er warf die Frage auf, wie wir über die Wirtschaftstheorie und unser Wirtschaften selbst denken. Sedláček
erklärte, die Theorien gäben vor, wertneutral zu sein, doch
22
in Wirklichkeit seien sie dies nicht. Wirtschaftliches Denken
beherrsche unsere gesellschaftlichen Entscheidungen und
sei voll von Werten, die uns vorgäben, was im Leben wichtig
sei und was nicht und wonach wir streben sollten. So sei
sogar das Erreichen des größtmöglichen Gewinns heute zu
einem Wert an sich geworden. Gekonnt führte Sedláček die
Konferenzteilnehmer durch Beispiele, die veranschaulichten,
wie getroffene Annahmen in der Wirtschaftstheorie zu
einem Glaubenssystem werden. Besonders hob er dabei das
Modell des homo oeconomicus hervor, das von Menschen
als rein rationalen und auf Nutzenmaximierung bedachten
Individuen ausgeht. Auf Basis dieser wirklichkeitsfernen
Annahmen ginge man davon aus, dass Wirtschaftsexperten Zukunftsprognosen errechnen könnten — wie die BIP–
Wachstumsrate für das nächste Jahr. „Wir tendieren dazu,
die Wirtschaftstheorie zu verabsolutieren. Prinzipiell ist
nichts Falsches an ihr, solange wir den Modellen nicht zu
viel Glauben schenken.“ Letzten Endes, so Sedláček, geht es
jedoch bei allen wirtschaftlichen Aktivitäten um die Menschen und um gemeinsame Werte.
Dr. C. Otto Scharmer, der am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) in Boston lehrt, lud die Teilnehmer zu einer
Diskussion darüber ein, wie eine mögliche nächste Phase
des kapitalistischen Systems aussehen könnte. Er plädierte
für den Übergang von einer Ego– zu einer Öko–System–
Ökonomie — einen Übergang, den er bereits in vielen Bereichen unserer Wirtschaft sehe und für den gerade die GABV
ein leuchtendes Beispiel sei. (Den ausführlichen Artikel finden Sie auf S. 15.)
Als Sozialunternehmerin war Dr. Wendy Luhabe Mitbegründerin von Women Investments Portfolio Holdings,
einem mehrere Millionen umfassenden Private–Equity–
Fonds für Unternehmen, die von Frauen geführt werden.
Der Fonds stellt diesen Unternehmen Eigenkapital zur
Verfügung. Luhabe setzt das, an was sie appelliert, in die
Tat um — wenn sie über die Leistungen von Sozialunternehmern spricht und darüber, wie die Kreativität und das
Potenzial des Sozialunternehmertums die Lebensbedingungen der Menschen verändern können. Sie erklärte in ihrer
Rede, es komme darauf an, dass Banken die Auswirkungen
ihrer Entscheidungen auf die Menschen erkennen und
dass folglich die von ihnen verwalteten Gelder den menschlichen Bedürfnissen ebenso dienen müssten wie den Herausforderungen der Gesellschaft. „Die Banken müssen verantwortungsbewusst in der Art und Weise vorgehen, wie sie
Zugang zu finanziellen Mitteln ermöglichen”, führte sie aus.
„Denn es sind die Menschen, die eine sehr bedeutende Rolle
im Umgang mit den aufkommenden Herausforderungen
spielen, und ohne Zugang zu Finanzierungen kann es kein
Unternehmertum geben.” Wir können die Herausforderungen der Gegenwart nicht bewältigen, so Luhabe weiter, ohne
dem Potenzial der Menschen Raum zur Entfaltung zu geben.
Und dieses Potenzial kann und wird nur mit Banken ausgeschöpft werden, die in der Lage sind, das Sozialunternehmertum zu verstehen.
Am Nachmittag teilten sich die Teilnehmer in vier verschiedene Workshops auf, die von Vorständen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen GABV–Banken geleitet wurden. Hier erörterten die Teilnehmer die Rolle
der Kundinnen und Kunden und die Notwendigkeit von
Regulierungen; sie betrachteten innovative Finanzprodukte,
die auf gesellschaftliche Herausforderungen eingehen, und
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
diskutierten, wie der Finanzsektor umgestaltet werden kann.
Alle Workshops waren in hohem Maße interaktiv und gaben
den Teilnehmern nicht nur die Möglichkeit, tiefer in das
jeweilige Thema einzusteigen, sondern auch nachhaltigen
Bankern aus allen Teilen der Welt zu begegnen.
Abgerundet wurde der Tag von einer Diskussionsrunde,
die das dezentrale Modell aus Sparkassen, Genossenschafts–
und Volksbanken in Deutschland erörterte. Zu den Teilnehmern gehörten Uwe Fröhlich, Präsident des BVR (Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken),
Sven Giegold, Abgeordneter des Europäischen Parlaments,
Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV (Deutscher Sparkassen– und Giroverband) und Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Bank. Es wurde deutlich, wie wichtig es ist,
dass die Vorteile eines solchen Modells auf einer breiteren
europäischen Ebene Berücksichtigung finden, da bei Regulierungen der Märkte derzeit allein große Finanzinstitute im
Mittelpunkt stehen.
An den folgenden beiden Tagen fand die interne Tagung
der GABV statt. Die Mitglieder beschäftigten sich mit vielfältigen Fragen: Wie lässt sich z. B. der Stimme des Netzwerks
mehr Gewicht verleihen? Wie kann in der Öffentlichkeit
kommuniziert werden? Und welche Ansatzpunkte lassen
sich finden, um den gemeinsamen Wirkungsbereich zu ver-
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
größern? Die thematischen Arbeitsgruppen der GABV hatten Gelegenheit zum persönlichen Austausch. So trafen sich
beispielsweise die Personalleiter der Mitgliedsbanken und
diskutierten, wie sinnvolle und nachhaltige Vergütungen für
Banker auf einem Markt aussehen sollen, der üblicherweise
von hohen Bonuszahlungen beherrscht wird. Auch wurde
der Frage nachgegangen, wie innovative Finanzprodukte
gestaltet werden können, um Menschen zu erreichen, die
bisher keinen Zugang zu Finanzierungsangeboten hatten.
Darüber hinaus legten die Partnerbanken die Strategie für
die kommenden zwölf Monate fest — bis zum nächsten Jahrestreffen in Australien, das von der bankmecu ausgerichtet
werden wird.
„Wir haben uns gefreut, dass wir in diesem Jahr Gastgeber waren und einen so großen Zuspruch erlebt haben“,
resümierte Thomas Jorberg. „Wir sind innerhalb der GABV in
unserer Arbeit vorangekommen und konnten zugleich nach
außen ein wichtiges Zeichen setzen. Gerade angesichts der
Diskussionen über den Bankenbereich und seine Aufgaben
war das ein wichtiger Impuls.“ —
Alle Reden sowie eine umfangreiche Dokumentation der GABV–
Tagung mit Bildern, Video– und Audiomaterial finden Sie unter
www.gls.de/gabv13.
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
23
Blickwinkel
Ideen werden Wirklichkeit
Kreditgeschichten aus aller Welt
Wie erneuerbare Energien die Landwirtschaft retten Kevin und Daryl Maas kommen aus Skagit County im US–amerikanischen Staat Washington und wuchsen dort in einer von Milchbauern
geprägten Gegend auf. Als Kinder beobachteten die beiden Brüder, wie
eine Familie nach der anderen — darunter auch die von engen Freunden — ihre Betriebe aufgrund niedriger Milchpreise und der Entwicklungen der Immobilienpreise aufgeben mussten. Sie fragten sich, ob
erneuerbare Energien dazu beitragen könnten, diese kleinen Höfe zu
erhalten und damit den langfristigen Trend vom Verlust wertvoller
landwirtschaftlicher Flächen und passionierter Bauern umzukehren.
Im Jahr 2007 trafen sich die Brüder mit Milchbauern und lokalen
Dienstleistern. Nahezu alle Teilnehmer waren sich darüber einig, dass
Biogasanlagen die Lösung sein könnten. Bereits im Frühling desselben
Jahres gründeten sie Farm Power Northwest LLC.
Der Zeitpunkt und das wirtschaftliche Umfeld waren äußerst kritisch. Kevin und Daryl waren schon bald mit zahlreichen Absagen von
Kreditinstituten konfrontiert, von denen die meisten keine Erfahrung
mit oder kein Interesse an der Finanzierung von erneuerbaren Energieprojekten hatten. Die älteren Anlagen hatten in den vergangenen Jahrzehnten einen schlechten Ruf bekommen, sodass viele amerikanische
Banken und Milchbauern noch immer skeptisch waren — trotz der
inzwischen wesentlich verbesserten Technologie. Während in Europa
2007 bereits tausende profitable Anlagen liefen, waren es in den ganzen USA weniger als hundert.
Gleichwohl erschien die Zeit gekommen, amerikanische Bauern,
Entwickler und Finanzierer über den Nutzen der Systeme aufzuklären.
Der Schlüssel zum Erfolg waren gemeinsam betriebene Biogasanlagen, bei denen die Risiken aus dem Milchgeschäft unter den zusammenarbeitenden Höfen ausgeglichen und zugleich die Vorteile einer
großen, effizienten Anlage gemeinsam genutzt werden konnten.
Finanziert durch die One PacificCoast Bank besitzt und betreibt
Farm Power heute fünf Biogasanlagen im Nordwesten der USA —
dabei arbeiten 15 Landwirtschaftsbetriebe zusammen. Sie produzieren
bis zu 4,25 Megawatt grünen Strom und reduzieren Methanemissionen von umgerechnet jährlich 40 000 Tonnen CO₂. Kevin und Daryl
Maas sind inzwischen führende Experten ihres Sektors, weil sie das
Potenzial von Biogasanlagen und ihre Vorteile für die Milchwirtschaft,
die Wirtschaftlichkeit sowie die Umwelt und Gesellschaft aufzeigen.
Darüber hinaus hat die erfolgreiche Umsetzung der Idee dazu geführt,
dass das Vertrauen in Biogasanlagen im Nordwesten der USA sukzessive wächst. —
One PacificCoast Bank, Skagit County, USA
24
TITELTHEMA Global Alliance for Banking on Values
Energieeffizienz in der kältesten Haupt­
stadt der Welt
Yondon Nansalmaa wohnt mit ihrer
Familie in einem Vorort der mongolischen Stadt Ulaanbaatar — in einer
Gegend, die von niedrigen Einkommen, schlecht isolierten Häusern und
schwierigen Bedingungen im Winter
geprägt ist. Üblicherweise leben die
Menschen in Holzhäusern oder Gers,
traditionell mongolischen Filzzelten.
Ulaanbaatar ist die kälteste Hauptstadt der Welt. Regelmäßig fallen die
Temperaturen unter –30 Grad. Viele
Familien wie die von Nansalmaa
können sich jedoch nur ineffiziente
Kohleöfen leisten, in denen sie für
ein wenig Wärme jährlich 4,5 Tonnen
Kohle verbrennen müssen. Die Heizkosten machen 30 Prozent ihres Jahreseinkommens aus — Geld, das ihr
damit nicht für Nahrungsmittel oder
ihre Kinder zur Verfügung steht.
Zugleich sind die Öfen Ursache dafür,
dass Ulaanbaatar auf der Liste der
Städte mit der stärksten Luftverschmutzung weltweit an zweiter
Stelle steht. Effizientere und umweltfreundlichere Öfen sind für viele
Fami­lien jedoch zu teuer.
Deshalb hat die XacBank in Nansalmaas Viertel ein Netzwerk gegründet, das energieeffiziente Geräte
erschwinglich verkauft — durch Subventionen des mongolischen Clean
Air Fonds und der US–amerikanischen
Entwicklungshilfeagentur Millennium
Challenge Corporation. Zugleich bietet die Bank speziell für Menschen
mit niedrigen Einkommen Mikrokredite zu günstigen Konditionen, mit
geringen Sicherheiten und flexiblen
Rückzahlungsmöglichkeiten. Haushalte, die neben den umweltfreundlichen Öfen ihre Häuser zusätzlich mit
Decken isolieren, können ihren Energiebedarf um bis zu 50 Prozent senken. Dabei sind die Mikrokredite der
Xac Bank so konzipiert, dass die Kosteneinsparungen durch den gesenkten Energieverbrauch größer sind als
die monatlichen Raten für den Kredit.
Für Nansalmaa bedeutet dies einen
großen Schritt und eine jährliche
Kostenersparnis in Höhe von zwei
Monatslöhnen. Ihr bleibt mehr Geld
für Nahrungsmittel und sie kann
ihre Töchter und Söhne bei der Gründung ihrer eigenen Familien finanziell unterstützen. Nansalmaa ist eine
von fast 100 000 Kundinnen und
Kunden, die gemeinsam eine enorme
Wirkung erzielen: Sie verbessern die
Luftqualität, die Gesundheit und die
Lebensgrundlage ihrer Gemeinde.
Zugleich ist ein wegweisender Standard für ein neues Umweltbewusstsein entstanden. —
XacBank,Ulaanbaatar, Mongolei
Engagement gegen die organisierte Kriminalität Die Messina Community Foundation in Süditalien wurde gegründet,
um Menschen zu unterstützen, die jahrelang unterhalb der Armutsgrenze gelebt haben. Die soziale Einrichtung gibt ehemaligen Patienten
des psychiatrischen Krankenhauses Barcellona Pozzo di Gotto Arbeit
und bietet ihnen Unterricht in traditioneller Handwerkskunst an. Dabei
werden alle Erträge aus den handwerklichen Arbeiten in soziale und
kulturelle Projekte vor Ort reinvestiert. Das Modell der Stiftung wurde
von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem United
Nations Office for Project Services (UNOPS) als weltweit besonders
beispielhaft anerkannt.
Die Messina Community Foundation hat auch deshalb eine so
große Bedeutung, weil sie in einem unterentwickelten Teil Süditaliens
tätig ist. Dort ist die Schere zwischen Arm und Reich besonders groß
und die bürgerliche Gesellschaft noch immer in der Hand des organisierten Verbrechens und der Schutzgelderpresser. Die Niederlassungen
der Stiftung befinden sich in Gebäuden, die ehemals der Mafia gehörten. Grundsätzlich gehört der Kampf gegen die Mafia zum Kern der Stiftung. Auch ihre Partner und ihr gesamtes Netzwerk von Unternehmen
arbeiten täglich gegen jede Form von Kriminalität — von der transparenten Offenlegung ihrer Handelsbeziehungen bis hin zur Anzeige von
jeglichen beobachteten Schutzgelderpressungen. Die Stiftung ist vollständig eigenständig, regierungsunabhängig und erzeugt mit Solarmodulen sogar ihren eigenen Strom.
Eine der vielen sozialen und ökologischen Initiativen der Messina
Community Foundation befindet sich auf einem Stück Land in der Nähe
des psychiatrischen Krankenhauses Barcellona Pozzo di Gotto. Dort
werden Blumen, Früchte und Gemüse angebaut und über eine Einkaufsgenossenschaft verkauft, die von der Slow–Food–Bewegung gefördert
wird. „Wir müssen uns wieder daran erinnern, dass wir unser Essen
zuallererst mit unserem Verstand und dann erst mit unserem Mund
essen, denn alles, was wir produzieren und anbieten, soll einen positiven Effekt auf unsere Umwelt und die Menschen haben“, erläutert ein
Mitarbeiter der Stiftung. Darüber hinaus wirkt die Einrichtung an zahlreichen Kulturprojekten wie Musikfesten, an der Literaturförderung und
der musikalischen Erziehung für Kinder mit. Die Banca Popolare Etica
war von Anfang an Finanzpartner der Stiftung, unterstützt Spendenaktionen und finanziert zahlreiche soziale und kulturelle Initiativen. —
Banca Popolare Etica, Sizilien, Italien
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
TITELTHEMA Global Alliance for Banking on Values
25
Standpunkt
Netzwerk
Von Anfang an war klar, dass die GLS Bank nicht die einzige
Bank sein konnte, um alle diese Anfragen zu befriedigen. Im
Übrigen war sie mit ihrem Anliegen, das Bankgeschäft in
überschaubare, menschliche Zusammenhänge zu bringen,
nicht allein in der Welt. In den 1970er– und 1980er–Jahren
begannen auch in anderen Ländern Mikrofinanzinstitute mit
ihrer Arbeit, um das Bankwesen auf Gemeinschaftsbildung
und gegenseitiges Geben und Nehmen zu gründen — am
bekanntesten wurde die Grameen Bank in Bangladesch.
Die GLS Bank war in dieser Zeit nicht nur eine Werkstatt
für die eigene Entwicklung, sondern auch eine Keimzelle für
die Gründung verwandter Bankinitiativen in anderen Ländern. Diese sollten aus den Bedingungen und Bedürfnissen
des jeweiligen Landes heraus geschaffen und getragen werden. Daraus ergaben sich viele Gespräche und internationale
Konferenzen mit Menschen, die in ihrem Land eine Bank
gründeten oder gründen wollten, z. B. mit der Mercury Provident Society in England, Triodos Bank in den Niederlanden,
der Freien Gemeinschaftsbank in der Schweiz, Merkur Bank
in Dänemark, Ecobank in Schweden, Cultura Bank in Norwegen oder La Nef in Frankreich. Gespräche mit Interessenten
aus anderen Ländern wie den USA, Österreich oder Brasilien
führten nicht zu formalen Bankgründungen, sondern zu bankähnlichen Organisationen wie Finanzstiftungen.
Von den
Wurzeln
TEXT: Rolf Kerler
ROLF KERLER
ist Bankkaufmann sowie studierter Soziologe
und Wirtschaftswissenschaftler.
Er war von 1974
bis 1998 Vorstand
der GLS Bank und
gehört seit 1996
dem GLS Aufsichtsrat an.
26
Internationale Zusammenarbeit ist der
GLS Bank angeboren. Man stelle sich
ihre Gründungssituation Anfang der
1970er–Jahre vor: In einer Zeit, in der es
seit Jahrzehnten keine Bankgründung
in Deutschland mehr gegeben hatte,
wurde — ausgehend von den Anregungen anthroposophischer Sozialwissenschaft — die Idee einer Bank geboren,
die andere Paradigmen setzte: Transparenz des Bankgeschäfts, Eigenverantwortung, Vertrauen und gegenseitige Hilfe.
Das führte dazu, dass sich gerade
in dieser Anfangszeit Initiativen aus
aller Welt an die neue Bank wandten
— ob ein im Aufbau befindliches Krankenhaus in Brasilien, ein biodynamischer Hof in Australien oder eine
Waldorfschule in Südafrika: Die Bank
wurde überflutet von Kredit– und
Schenkungsanfragen.
In dieser Zusammenarbeit ging es zum einen um Grundsatzfragen über das Wesen des Geldes und um Ideen
moderner Sozialgestaltung, zum anderen aber auch ganz
konkret darum, welche Schritte am jeweiligen Ort möglich
und notwendig sind, um die Bankidee auf den Boden zu
bringen. In der Regel beteiligte sich die GLS Bank auch finanziell am Gründungskapital dieser Banken. Einige von ihnen
sind heute Mitglied der GABV. Entscheidende Gesichtspunkte
der internationalen Vernetzung waren:
1. Am Beispiel der GLS Bank konnte gezeigt werden: Es ist
möglich, etwas Erneuerndes auf dem Gebiet des Finanzwesens zu unternehmen, das lebensfähig ist und mit der
Welt zusammenwachsen kann. Das konnte Mut machen
und Anregung für Andere sein.
2. Es ist möglich und trifft auf ein zunehmendes Bedürfnis,
dass Menschen mehr Verantwortung im Umgang mit
ihrem Geld realisieren — und mit ihrer Unzufriedenheit
mit den gegebenen Verhältnissen nicht beim Demonstrieren stehen bleiben müssen.
3. Die internationale Zusammenarbeit basiert auf der Einsicht, dass unsere wachsenden gesellschaftlichen Probleme, ob im Bildungswesen, in der Landwirtschaft, in der
Umwelt oder anderswo, besser durch Kooperation von
vielen Partnern in Angriff genommen werden und nicht
durch Konkurrenz oder zentrale Steuerung — mit größter
Offenheit und ohne versteckte Eigeninteressen.
Deshalb setzt die GLS Bank bis heute auf intensive und
wachsende Kooperationen mit Partnern in anderen Ländern, die unterschiedliche Fähigkeiten einbringen, um
gemeinsam zu versuchen, dass unsere Welt etwas humaner wird. —
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
Wüstenzauber in
Ägypten
TEXT: Bijan Kafi, Presse– und Öffentlichkeitsarbeit der SEKEM–Gruppe in Europa
Vom nachhaltigen Gleichgewicht
in kargen Wüstenregionen —
oder was dem GLS Partner SEKEM
seit vielen Jahren gelingt
Nachhaltigkeit ist heute in aller Munde. Gut und
richtig, möchte man meinen. Doch nicht überall
auf der Welt haben Bioprodukte und grüner
Strom ihren Siegeszug gleichermaßen angetreten.
Bei Entwicklungs– und Schwellenländern tun sich
große Unterschiede auf.
Seit 1977 arbeitet die SEKEM–Initiative in
Ägypten an einer nachhaltigen Entwicklung der
arabischen Welt. Im Mittelpunkt steht seitdem
der biologisch–dynamische Landbau. Neun
SEKEM–Firmen produzieren heute gesunde und
biologische Produkte. Die Rohwaren stellen sie
selbst auf Demeter–Farmen her oder erhalten
sie von zertifizierten Zulieferfarmen aus ganz
Ägypten und anderen Ländern.
Frische Biolebensmittel für den ägyptischen
Markt gehören da ganz selbstverständlich mit ins
Programm. Doch das war nicht immer so. Dass
sich heute in den meisten Kairener Supermärkten
die typischen „Bioecken“ finden, ist vor allem der
ägyptischen Initiative zu verdanken, die mit der
großflächigen Anwendung von 60 000 Tonnen
Biokompost pro Jahr in 35 Jahren viele Hektar
Wüstenboden zurückgewonnen hat.
Mit den Produkten der auf diesen Flächen
angebauten Rohwaren finanzieren die SEKEM–
Firmen soziale und kulturelle Projekte. Allgemeinbildung ist dabei ein besonderer Schwerpunkt:
SEKEMs Stiftung für Entwicklung betreibt eine
Schule, ein Berufsbildungszentrum und ein
Erwachsenenbildungsinstitut neben vielen anderen Einrichtungen in einer besonders strukturschwachen Region.
Diese Anstrengungen für eine nachhaltige
Entwicklung kommen nicht nur Ägypten und der
arabischen Region zugute. SEKEM–Produkte werden auch in Deutschland, Österreich und auf
internationalen Märkten verkauft. Doch noch sind
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
in Ägypten Bioprodukte teuer. Deshalb ist es ein
wichtiges Ziel von SEKEM, diese Produkte zukünftig erschwinglicher zu machen. Dabei engagiert
sich die GLS Bank seit vielen Jahren als verlässlicher Partner und seit 2007 als Investor.
SEKEMs Vision von Nachhaltigkeit geht dabei
über Umwelt– und Ressourcenschutz weit hinaus.
Mensch und Natur bilden eine Einheit, deren
Gleichgewicht in den kargen Wüstengebieten der
arabischen Region besonders empfindlich ist. Nur
wenn beide ihren Bedürfnissen entsprechend
gedeihen können, bleibt es erhalten. SEKEM fördert daher die harmonische Entwicklung von beidem: der nachhaltigen Nutzung der natürlichen
Umwelt und der nachhaltigen Gestaltung der
menschlichen Lebens– und Arbeitswelt. Für Dr.
Ibrahim Abouleish, den Gründer SEKEMs, und die
SEKEM–Mitarbeiter geht es bei SEKEM auch um
Gemeinschaftsbildung, interkulturellen Dialog und
die Förderung individueller Entwicklung sowie um
die Pflege von Rahmenbedingungen, die für ein
gedeihendes Miteinander notwendig sind.
Vor allem aber geht es um eine deutlichere
Wahrnehmung der Mitmenschen als Partner im
Wirken für eine lebenswerte Zukunft für alle. In
SEKEM heißt das „Bio plus“: Nicht nur einzelne
Ressourcen werden für zukünftige Generationen
bewahrt. Nachhaltigkeit ist vielmehr ein ganzheitlicher Vorgang, ein laufendes Arbeiten an
einer Verständigung von Mensch und Natur im
gleichberechtigten Dialog. Soziale, kulturelle und
spirituelle Aspekte gehören ganz selbstverständlich dazu.
Nach der Revolution 2011 hat sich der Erfolg
dieses Ansatzes gezeigt. Während viele Firmen
schließen mussten, hielten die Mitarbeiter
SEKEMs zusammen, um ihre Arbeitsplätze und
ihr Lebensumfeld selbst zu schützen. Mit ihnen
hat die SEKEM–Gemeinschaft die Revolutionswirren unbeschadet überstanden und im November
2012 den 35. Geburtstag gefeiert. —
[email protected], www.sekem.com
BANK
TITELTHEMA GLOBAL ALLIANCE FOR BANKING ON VALUES
27
Mitgliederportraits
Unterstützung
weltweit
„Wir wussten, dass Romy* aus einer sehr
armen Familie kommt. Aber wir wussten nicht,
wie arm er ist, bis er eines Tages mit nassen
Kleidern in der Schule erschien“, berichtet
Anna Teresa Slater, Mitgründerin der Gamot
Cogon Waldorfschule in Zarraga, Iloilo, auf den
Philippinen. „Als sein Lehrer schließlich nach­
fragte, erzählte er, dass seine Kleidung am Tag
zuvor gewaschen wurde und nicht genug Zeit
blieb, um sie zu trocknen. Kurz, er hatte nichts
anderes anzuziehen.“ Wie Romy kommen viele
der Schüler aus finanziell benachteiligten
Familien, mindestens 40 Prozent leben weit
unterhalb der Armutsgrenze.
Wesentliche Unterstützung erfuhr die
Schule von den Freunden der Erziehungskunst.
Seit 1976 fördert der Verein Waldorfschulen,
–kindergärten, sozialtherapeutische und heil­
pädagogische Einrichtungen sowie soziale Ini­
tiativen im Ausland. Mit Hilfe zahlreicher
Spender konnten bereits über 600 waIdorfpä­
dagogische Projekte auf der ganzen Welt
gefördert werden.
So betreuen die Freunde der Erziehungs­
kunst junge Waldorfinitiativen in finanziellen
wie rechtlichen Fragen und leiten Spenden zu
100 Prozent weiter. Um schnell auf dringende
Anfragen und auf akute Situationen in Schulen
und Kindergärten reagieren zu können, hat der
Verein den Internationalen Hilfsfonds einge­
richtet. 2012 wurden aus dem Hilfsfonds u. a.
die Kindergartenausbildung in Burma, Roma­
kinder an der Waldorfschule Rosia und die
heilpädagogische Ausbildung in Santiago de
Chile gefördert.
Außerdem koordinieren die Freunde der
Erziehungskunst jedes Jahr den WOW–Day
(Waldorf One World). Einmal im Jahr engagie­
ren sich Schülerinnen und Schüler einen Tag
lang für Waldorfinitiativen in aller Welt. Etwa
durch künstlerische Aktivitäten oder Tages­
jobs sammeln sie Geld für Waldorfeinrichtun­
gen, die dringend Hilfe benötigen. 2012 konn­
ten so über 300.000 Euro gesammelt werden.
Auch die Gamot Cogon Waldorfschule
konnte mit diesen Geldern unterstützt wer­
den. Seit 2005 ermöglicht sie den Kindern eine
sichere Lernumgebung, unabhängig von ihrem
wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund.
Schule wird hier zu einem Lebensort, denn
über den Unterricht hinaus versorgen die
Lehrerinnen und Lehrer Kinder wie Romy mit
Kleidung und Essen. —
*Name wurde geändert
www.freunde–waldorf.de
„Wir
sind Mitglied
der GLS Bank, weil
Spendengeld
kein Spielgeld ist.“
28
Mitgliedschaft
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
Mitgliedschaft
29
Mitgliederportraits
jenseits eines „Schonvermögens“ von 500.000 Euro, das
unbesteuert bleibt. Anschließend fordern wir die Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Höhe von mindestens
einem Prozent. Die aus der Vermögensabgabe erzielten Einnahmen — etwa 160 Milliarden Euro — sollen gezielt in die
Energiewende, in Bildung sowie soziale Dienst– und Transferleistungen fließen.
Eigentum
verpflichtet
INTERVIEW: Eva Schneeweiss
DR. HANS–DIETRICH
LEHMKUHL
versteht Geld als
soziales Gestaltungsmittel. Er hat
die Initiative „Vermögende für eine
Vermögensabgabe“
mit gegründet und
spendet bereits
heute seine gesamten Zinsen und
Gewinne aus Kapitalvermögen.
EVA SCHNEEWEISS: Herr Dr. Lehmkuhl, Sie haben 2009 die Initiative
„Vermögende für eine Vermögensabgabe“ mit ins Leben gerufen. Warum?
DR. HANS–DIETRICH LEHMKUHL:
Das war Ergebnis der Finanzmarktkrise.
Damals war plötzlich klar, dass wir ein
Systemversagen haben und es eine
himmelschreiende Ungerechtigkeit ist,
wenn die Armen und Normalverdiener
für die Folgen dieses Versagens aufkommen müssen. Sie haben die Krise
weder verursacht noch von dem Boom,
der ihr vorausging, profitiert. Das war
ein wesentlicher moralischer Impuls.
Ein anderer waren die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie
der ökologische Umbau der Wirtschaft,
Bildungsfragen, Fragen der Infrastruktur
und der sozialen Ungleichheit.
Was sind Ihre Kernforderungen?
LEHMKUHL: Wir fordern eine einmalige zweckgebundene Vermögensabgabe in Höhe von zweimal fünf Prozent, auf zwei Jahre verteilt. Und zwar
30
Sehen Sie in Deutschland große Einkommensungleichheiten?
LEHMKUHL: Absolut. In den 1950er–Jahren waren wir ein
relativ egalitäres Land und im Vergleich zu England, den USA
und Portugal sind wir das noch immer. Besorgniserregend
ist aber die Geschwindigkeit, mit der die Ungleichheit in
Deutschland in den letzten 15 Jahren zugenommen hat.
Früher wurde der Anstieg der Produktivität relativ fair verteilt. Damals lag der Spitzensteuersatz bei 70 und bis Ende
der 1990er–Jahre bei 56 Prozent. Wesentlicher Treiber der
Ungleichheit ist aber auch der Anstieg der Primäreinkommen in den oberen Segmenten. Früher hat ein DAX–Manager
das Zwanzigfache von einem Arbeitnehmer seines Unternehmens verdient, heute geht es bis ins Zweihundertfache.
Und das nicht durch verstärkte Leistung, sondern weil die
Wachstumsgewinne hier nur noch an die oberen zehn Prozent gehen. Gleichzeitig stagnieren oder sinken die unteren
Gehälter. Das bedeutet eine neue Qualität von Ungleichheit.
Die
Geschichte
eines
Bildes
ALEX MARASHIAN
ist Redakteur und
freier Journalist.
Zudem ist er in
der Werbebranche
selbstständig.
MITGLIEDSCHAFT
Welche Folgen hat das für die Menschen?
LEHMKUHL: Die britischen Sozialforscher Richard Wilkinson und Kate Pickett haben herausgefunden: Je ungleicher
eine entwickelte Gesellschaft ist, desto größer sind ihre sozialen Probleme. Es ist also die Einkommensungleichheit
selbst, nicht allein Armut, die gesundheitliche Faktoren wie
niedrigere Lebenserwartung, Depressionen und Ängste verschärft. Auch z. B. bei der Kriminalität schneiden ungleiche
Länder schlechter ab. Insofern kann man sagen: Ungleichheit in sich selbst zerstört die soziale Struktur einer Gesellschaft.
Brauchen wir einen Kulturwandel, einen neuen Umgang
mit Reichtum?
LEHMKUHL: Ich denke, zentral ist, dass wir wieder über
Werte sprechen müssen und darüber, wie wir leben wollen.
Ohne stärkere Ausrichtung auf gemeinschaftsbezogene
Werte wie Solidarität, Kooperation, sozialen Zusammenhalt
und mehr Gleichheit werden wir nicht die notwendigen Veränderungen hinbekommen. —
Die Anzeigen der GLS Bank erscheinen in Zeitungen und Magazinen und hängen regelmäßig als
Plakate bundesweit in Bahnhöfen. Eine von ihnen
wird seit Kurzem von einem freundlichen Gesicht
geziert.
Eigentlich wollte Alex Marashian nur eine
gemütliche Mittagspause in netter Gesellschaft
verbringen. Dass er damit Teil einer bundesweiten
Kampagne der GLS Bank werden könnte, hätte er
sich nie träumen lassen. Der Amerikaner aus Kalifornien lebt seit sieben Jahren in Berlin. Regelmäßig verbringt er Zeit in den Prinzessinnengärten –
einem urbanen Gartenprojekt. An diesem Tag
trifft er dort Oliver Helbig, der die angelegten
Obst– und Gemüsebeete im Auftrag der GLS Bank
fotografiert. „Ich bin mit Oliver sehr gut befreundet, wir haben als Journalisten bereits zusammengearbeitet“, erzählt das GLS Mitglied. „An
dem Mittag sind dann spontan ein paar Bilder
mit mir entstanden, wir haben viel gelacht und
anschließend habe ich gar nicht mehr darüber
nachgedacht. Bis ich einen Anruf von der
GLS Bank bekam.“
Alex Marashian ist Redakteur und in der Werbebranche selbstständig — am liebsten möchte
er sich jedoch seiner Leidenschaft, der Musik, dem
Komponieren und Schreiben, widmen. Er hat
Erfolg in seinem Beruf und trotzdem ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Tätigkeit: „Ich ermuntere mit meiner Werbung Menschen zum Konsum. Das sehe ich kritisch.“ Deshalb sucht er sich
seine Auftraggeber sehr genau aus. Auch im Rahmen seiner Gastprofessur an der Bauhaus–Universität Weimar möchte Marashian den Studenten ein kritisches Verhältnis zur Konsumkultur
näherbringen.
Dass er nun die Seiten gewechselt hat und
selbst auf einer Anzeige abgebildet ist, war
eine ganz neue Erfahrung. „Ich habe der Kampagne zugestimmt, weil ich voll und ganz von der
GLS Bank überzeugt bin.“ —
„Ich bin Mitglied
der GLS Bank,
weil mein Geld
für eine grüne
und faire Zukunft
arbeiten soll.“
„Wir sind Mitglied
der GLS Bank, weil
ihre Philosophie
genau meinen Vorstellungen entspricht.“
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
MITGLIEDSCHAFT
31
Sie sind Teil
der Bank mit Sinn.
Teilen Sie uns
mit Ihren Freunden!
Begeistert?
Von der GLS Mitgliedschaft?
Vom gesellschaftlichen Wirken Ihres Geldes?
Von jährlich 2 bis 4 %* Dividende?
Erzählen Sie Ihren Freunden,
Verwandten und Bekannten davon!
www.mitgliedwerden.gls.de
*gemäß dem Beschluss der jährlichen Generalversammlung
32
MITGLIEDSCHAFT
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
MITGLIEDSCHAFT
33
Innenansicht
Zinsgestaltung
bei der GLS Bank
Mit den Geldeinlagen unserer
Kundinnen und Kunden vergeben
wir Darlehen an sozial–ökologisch
engagierte Unternehmen und für
sinnvolle und zukunftsweisende
Projekte.
Die Wende
unserer Energieversorgung
Langfristig nachhaltiges Wirtschaften für Menschen und
Umwelt ist dabei Kern unseres Handelns. Wir haben bei der
Zinsgestaltung sowohl die Kredit– als auch die Einlagenseite
der GLS Bank im Blick. Dabei möchten wir Ihnen stets marktgerechte und verlässliche Zinsen bieten. Als Referenz dienen
uns hierbei die 14–tägigen Auswertungen der FMH–Finanzberatung. Die aktuelle Grafik stellt die Konditionen der
GLS Bank mit den Referenzzinssätzen, Markt– und Ausreißerkonditionen dar. —
BANK
ZINSGESTALTUNG
Sparbriefe 10 Jahre (15.000 Euro in % p. a.)
1,29 %
1,80 %
1,81 %
3,20 %
10–jährige Bund–Rendite
GLS Bank
Marktkondition*
Ausreißerkondition
0,34 %
0,45 %
0,41 %
1,80 %
EURIBOR
GLS Bank
Marktkondition*
Ausreißerkondition
Festgeld 180 Tage (50.000 Euro in % p. a.)
Tagesgeld (10.000 Euro in % p. a.)
0,07 %
0,40 %
0,47 %
1,85 %
EONIA
GLS Bank
Marktkondition*
Ausreißerkondition
*Großbanken, Sparkassen, Sparda–Banken, PSD–Banken, Volksbanken; Mittelwert
REFERENZSÄTZE
10–jährige Bund–Rendite: 1,29 %
(Stand: 28.03.2013), öffentliche Anleihe
des Bundes als festverzinsliches
Wertpapier
6–Monats–EURIBOR (European Interbank Offered Rate): 0,34 % (Stand:
28.03.2013), Referenzzinssatz für Kredite und Anlagegelder sowie für Geldgeschäfte zwischen Kreditinstituten
EONIA (Euro Overnight Index Average): 0,07 % (Stand: 27.03.2013), europäischer Tagesgeldzinssatz, Referenzzinssatz für die Refinanzierung zwischen
Banken am Geld– und Kapitalmarkt
Stand: 02.04.2013; Quelle: FMH–Finanzberatung; den aktuellen Zinsvergleich gibt es im Internet unter www.gls.de/zinsvergleich.
34
KOMMENTAR: Johannes Prahl, Analyst GLS Research
Der Mensch braucht täglich die Zufuhr von Energie. Durch
Nahrung und als Sonnenlicht. Aber auch zum Kochen, Heizen, zur Fortbewegung oder Kommunikation. Alle Energie
auf unserem Planeten entstammt der Sonne, sie ist die Primärenergiequelle schlechthin: unbegrenzt, kostenlos und für
alle ausreichend.
Die Entdeckung riesiger Vorkommen zu Urzeiten gespeicherter Sonnenenergie als Erdöl, Erdgas oder Kohle ermöglichte ab dem 18. Jahrhundert den Prozess der Industrialisierung. Spätestens an diesem Zeitpunkt verließen ganze
Nationen den Pfad der Nachhaltigkeit: Es wurde immer
mehr Energie verbraucht als produziert. Die CO₂–Emissionen
steigen seitdem an und führen zur kontinuierlichen Erwärmung unserer Erdatmosphäre.
Die große Herausforderung unserer Gesellschaft ist es
also, wieder auf den Pfad der Nachhaltigkeit zurückzukehren. Wir müssen so schnell wie möglich eine ausgeglichene
Energiebilanz anstreben, das heißt die Energie, die wir verbrauchen, auch selber herstellen. Heute, wo wir bereits jede
vierte Kilowattstunde aus regenerativen Energien gewinnen, ist klar: Technisch sind 100 Prozent erneuerbare Energien längst möglich. Wir müssen es nur richtig wollen!
Jenseits aller Polemik bewegt sich die politische Diskussion heute nicht um die grundsätzliche Frage, ob die erneuerbaren Energien ausgebaut werden müssen, sondern wie.
Zwar zeigt uns die aktuelle Debatte in aller Deutlichkeit,
wie der Politik in dieser so wichtigen gesellschaftlichen
Frage ein klares Zukunftsbild und der notwendige Weitblick
fehlen. Aber immerhin steht ein wichtiger Baustein nicht
(mehr) zur Disposition: Die Energiewende ist eindeutig
politisch gewollt.
Man vergisst dabei jedoch schnell, wer die eigentlichen
Initiatoren waren. So sind es weder die Politik noch die Energieversorgungsunternehmen gewesen, sondern innovative
Bürger, die mit Weitblick und Mut im Kleinen eine Entwicklung angestoßen haben, die heute von der breiten Bevölkerung und dem politischen Mainstream als alternativlos
bezeichnet wird.
Die GLS Bank hat von Anfang an diese Menschen und ihre
Ideen unterstützt, weil für uns eine wirklich zukunftsfähige
Energieversorgung durch die Nutzung erneuerbarer Energien
und durch eine dezentrale und demokratische Organisation
gekennzeichnet ist. Seither haben wir nicht nur für die Pionierprojekte Ende der 1980er–Jahre innovative Finanzierungsinstrumente entwickelt, sondern auch Tausende Energieprojekte mit einer Kredit– oder Beteiligungsfinanzierung
ermöglicht. Und bis heute sind es primär private Anleger, die
in unterschiedlichen Rechtsformen das Eigenkapital für die
mit GLS Krediten finanzierten Projekte investieren. —
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
Nähe
international
Janina Zajic, für das GABV–Jahrestreffen waren Sie als
Projektleiterin Tag und Nacht im Einsatz. Was war Ihr
Highlight?
ZAJIC: Mein Highlight war die Konferenz „Changemakers: Wertewandel im Bankensektor“. Zum ersten Mal
fand ein kompletter Tag zu einem Kernthema der GABV
statt, der in der breiten Öffentlichkeit beachtet wurde.
Spannend für viele Teilnehmer waren auch die Learning
Journeys, also die Besichtigung von GLS Projekten im
Umkreis von Berlin.
Was hat Sie bei bisherigen Konferenzen als Teilnehmer
am meisten beeindruckt?
ZAJIC: Ich bin seit drei Jahren als Values Ambassador
dabei, also als sogenannter Wertebotschafter. Und mich
begeistert vor allem, dass wir als GLS Bank Teil eines größeren Ganzen sind. Mit sehr unterschiedlichen, aber
gleichgesinnten Menschen ist bei den Treffen sehr schnell
eine Nähe entstanden. Für mich war es ein tolles Gefühl
zu sehen, dass wir gemeinsam Bankgeschäfte aus einer
ähnlichen Haltung vorantreiben. Spannend waren auch
die Projektbesuche in Ländern, in denen werteorientierte
Bankarbeit einen anderen Fokus hat als bei uns.
Ihre Wunschvorstellung: Wie sieht die Finanzwelt in
zehn Jahren aus?
ZAJIC: Ich wünsche mir, dass etwas von dem Geist der
GABV Einzug in den Finanzsektor findet. Dass in der Diskussion um den Finanzmarkt ein positives Bild gezeichnet
wird, es ähnliche Konferenzen weiterhin gibt und die Idee
des werteorientierten Umgangs mit Geld — wie auch
immer — Einzug in den Mainstream hält. —
BANK
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Wie wurde der FairWorldFonds von den Kundinnen und Kunden angenommen?
GOLDFUSS: Das Wachstum des Fondsvolumens, d. h. der Zuspruch von Seiten der Anleger,
liegt deutlich über unseren Erwartungen. Gerade
in den vergangenen Monaten konnte der Fonds
noch einmal deutliche Mittelzuflüsse verzeichnen
und hat mittlerweile die Marke von 113 Millionen
Euro Volumen überschritten. Auch die Wertentwicklung ist erfreulich.
BANK
Ein Fonds geht
neue Wege
INTERVIEW: Eva Schneeweiss
Drei Jahre FairWorldFonds
EVA SCHNEEWEISS: Herr Goldfuß, der FairWorld
Fonds feierte im März sein dreijähriges Jubiläum.
Zeit für ein Zwischenfazit. Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
THOMAS GOLDFUSS: Das wurden sie. Mit dem
Anspruch, einen mit dem Fokus auf entwicklungspolitische Kriterien ausgerichteten Investmentfonds aufzulegen, haben wir uns gemeinsam mit
unseren Partnern auf unbekanntes Terrain vorgewagt. Der FairWorldFonds war der erste seiner Art.
Worin bestand konkret die Herausforderung?
GOLDFUSS: Zum einen haben wir neue bzw.
ergänzende Nachhaltigkeitskriterien im Einsatz,
deren Einhaltung in der Realität selbstverständlich
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BANK
überprüfbar sein muss. Beim innovativen Themenbereich „Entwicklungsförderung für Unternehmen“ geht es z. B. um Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen in den
Fertigungs– und Zulieferbetrieben oder um die
Höhe der Reinvestition von Gewinnen aus den
Schwellen– und Entwicklungsländern vor Ort.
Zum zweiten erfüllen die Schwellen– und Entwicklungsländer sehr oft noch nicht die sozialen Standards, die in den meisten entwickelten Industrieländern gegeben sind. Hier kommt es darauf an,
welche verstetigte, positive Entwicklung in den
jeweiligen Ländern festzustellen ist, z. B. hinsichtlich der Armutsbekämpfung oder bei den Arbeitnehmerrechten.
Wie kam es zur Auflage des FairWorldFonds
und wer hatte die Idee dazu?
GOLDFUSS: Die Idee hatte Brot für die Welt.
In Anlehnung an deren Leitprinzip „Den Armen
Gerechtigkeit“ ist Brot für die Welt auch für den
neuen Kriterienkatalog verantwortlich. Die
Erkenntnis, dass der Umgang mit Geld auf den
Kapitalmärkten unmittelbar auf die Lebenssituation gerade der Armen der Welt wirkt und eine
partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit
untergräbt, hat zu der Initiative geführt. Übrigens
ist diese Erkenntnis bereits vor der jetzigen
Finanzmarktkrise gereift. Gemeinsam mit dem
SÜDWIND–Institut wurden dann die Partner GLS
Bank und KD–Bank sowie nach einer Ausschreibung auch die Beratungsgesellschaft imug und
die Fondsgesellschaft Union Investment zusammengebracht.
Welche Rolle spielen die einzelnen Partner für
den FairWorldFonds?
GOLDFUSS: Das SÜDWIND–Institut betreut
gemeinsam mit Brot für die Welt den transparenten und strengen Kriterienkatalog für nachhaltige
und entwicklungspolitisch orientierte Geldanlagen sowie den Kriterienausschuss. Zusammen
mit dem Institut imug recherchiert SÜDWIND
laufend Investmentmöglichkeiten, die diesen Kriterien entsprechen. Imug steht für „Institut für
Markt–Umwelt–Gesellschaft“. Es gilt als einer der
renommiertesten Anbieter von Nachhaltigkeitsbewertungen. Als Bankpartner fungieren die
GLS Bank und die KD–Bank mit ihrer langjährigen
Expertise im Bereich werteorientierter Investitionen. Union Investment komplementiert als
Fondsgesellschaft den Kreis der Partner, aus dem
auch der Anlage– und Kriterienausschuss besetzt
werden.
Welche Aufgaben haben der Anlageausschuss
und welche der Kriterienausschuss?
GOLDFUSS: Der Anlageausschuss ist beratender Gesprächspartner für das Fondsmanagement
bei der strategischen und finanziellen Ausrichtung des FairWorldFonds. Der Kriterienausschuss
legt die nachhaltigen ökologischen, sozialen und
entwicklungspolitischen Kriterien der zu erwerbenden Vermögenswerte sowie das Anlageuniversum des FairWorldFonds fest und überprüft
dies regelmäßig. Den Vorsitz des Kriterienausschusses hat die ehemalige Bundesministerin für
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek–Zeul, übernommen.
Vervollständigt wird der Kriterienausschuss durch
verschiedene externe Expertinnen und Experten
für Entwicklungsthemen sowie für nachhaltiges
Finanzwesen. In beiden Gremien ist jeweils ein
Mitarbeiter der GLS Bank vertreten.
Wie unterscheidet sich der FairWorldFonds von
anderen Nachhaltigkeitsfonds?
GOLDFUSS: Es handelt sich um einen breit
diversifizierten Mischfonds, der Investments in
Mikrofinanzanlagen, Aktien und festverzinslichen
Wertpapieren tätigt. Insbesondere durch die
Investitionen im Mikrofinanzbereich wird das entwicklungspolitische Engagement des FairWorld
Fonds deutlich. Zudem gehören die Ausschluss–
und Anlagekriterien des Kriterienausschusses
zweifelsohne zu den strengsten im Segment der
Nachhaltigkeitsinvestments.
Darüber hinaus ist es uns in den Partnerschaften mit Brot für die Welt und insbesondere auch
mit Union Investment möglich geworden, auf
Unternehmen über deren Führungsebene so einzuwirken, dass sie Missstände beseitigen, die
sich nachteilig auf die Menschen in den Schwellen– und Entwicklungsländern auswirken. Die
Ergebnisse dieses sogenannten „Engagements“
werden vom Kriterienausschuss kritisch beobachtet. Erfreulich ist auch, dass sich der globale
Investor Union Investment selbst stetig in Richtung soziale Verantwortung bewegt. So werden
sie sich verbindlich von jeglichen Geschäften mit
Nahrungsmittelspekulationen zurückziehen. Das
war eine Forderung des Kriterienausschusses des
FairWorldFonds.
THOMAS GOLDFUSS
ist Leiter des Vermögensmanagements und der
Eigenanlagen der
GLS Bank. Mit seinem Team betreut
er vermögende private und institutionelle Kunden, darunter insbesondere
gemeinnützige
Organisationen
und Stiftungen.
Gibt es eine Investition, die Sie persönlich
besonders bewegt hat?
GOLDFUSS: Dazu gehört das Unternehmen
Hikma Pharmaceuticals PLC, das 1978 in Jordanien gegründet wurde und heute den Hauptsitz
in London hat. Die Firma stellt Generika her und
ermöglicht großen Bevölkerungsgruppen in
armen Ländern den günstigen Zugang zu Medikamenten. Die Arzneimittelfirma von SEKEM hat
z. B. eine Kooperation mit Hikma.
Oder auch Telkom South Africa: Das Unternehmen bietet Gemeindetelefone an. Somit
können mehrere Menschen aus einem Dorf ein
Telefon nutzen, die sonst keinen Zugang hätten.
Telkom South Africa arbeitet mittlerweile in
über 30 afrikanischen Ländern als Anbieter mobiler und kabelgebundener Telekommunikation. —
Informationen unter www.fairworldfonds.de
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Kreditportraits
Royale
Begegnung
in der
Natur
FÖRDERVEREIN
WISENT–WELT–WITTGENSTEIN E. V.
Die GLS Bank finanzierte das Auswilderungsprojekt mit
210.000 Euro.
www.wisent–welt.de
Wisente sind die Könige des Waldes und auf
Initiative von Richard Prinz zu Sayn–Wittgenstein bevölkert eine Herde des europäischen
Bisons ein 88 Hektar großes Areal des Wittgensteiner Waldes. Im März 2010 startete das
einzigartige Artenschutzprojekt zur Wiederansiedlung und Erhaltung der bedrohten Tiere —
verantwortlich ist der gemeinnützige Förderverein Wisent–Welt–Wittgenstein. „Anfang
April 2013 haben wir die Herde in die Freiheit
des über 4 000 Hektar großen Waldes entlassen“, so Pressesprecher Michael Emmrich.
Das Projekt wird wissenschaftlich von vier
Universitäten und Forschern begleitet.
Seit September 2012 lebt eine zweite Herde
auf einem 20 Hektar großen Areal — der
Wisent–Wildnis am Rothaarsteig — und liefert
spannende Einblicke. Bullen erreichen bei
einem Gewicht von bis zu einer Tonne eine
Schulterhöhe von gut zwei Metern und werden
bis zu drei Meter lang. Die Kosten werden zu
rund 80 Prozent vom Verein und privaten
Unterstützern aufgebracht. Wanderlustige
können ebenfalls in die Welt der majestätischen Tiere eintauchen. Ein drei Kilometer langer Rundwanderweg führt vorbei an Felsen,
Bächen und Quellmulden und kann in zweieinhalb Stunden durchschritten werden. —
COMMON WORKS
konnte mit Hilfe
eines GLS Kredits
über 40.000 Euro in
größere Räumlichkeiten ziehen und
neue Maschinen
kaufen. www.com
mon–works.org
Mode mit
Verantwortung
„Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft selbstverständlich ist, fair und ökologisch hergestellte Kleidung zu produzieren und es keinen Sinn mehr macht, konventionelle Kleider auf
den Markt zu bringen.“ Marte Hentschel ist diplomierte Modedesignerin und hat zusammen mit ihrer Partnerin 2009 das
Modeunternehmen COMMON WORKS gegründet. Gemeinsam mit ihren zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet sie von der Idee und Konzeption bis zur Produktion die
gesamte Entstehungskette von Kollektionen aus einer Hand.
Und zwar unter Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien.
Die Produktionskette in der Textilbranche ist im Allgemeinen intransparent und unübersichtlich. Oft werden Aufträge ohne Wissen des Kunden an Sub–Subunternehmer
weitergegeben, sodass Herstellungsbedingungen nur noch
schwer zu überprüfen sind. Deshalb hat es sich COMMON
WORKS zur Aufgabe gemacht, für Transparenz und die
Gewährleistung von sozialen und ökologischen Standards
im gesamten Entwicklungs– und Produktionsprozess zu sorgen. „Wir haben ein eigenes Netzwerk aufgebaut, kennen
alle Betriebe und schauen uns die Produktionsbedingungen
und Verfahren vor Ort regelmäßig an. Außerdem haben wir
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BANK
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
einen detaillierten Anforderungskatalog für unsere Betriebe
entwickelt“, erläutert Hentschel. Das Unternehmen arbeitet
mit Materialien, die z. B. mit dem Global Organic Textile
Standard (GOTS) ausgezeichnet sind. Die Zertifizierung kontrolliert sowohl den Anbau der Rohstoffe als auch die
umweltschonende Weiterverarbeitung und die Arbeitsbedingungen. „Nachhaltigkeit bedeutet für uns aber auch, Risiken fair zu verteilen“, erklärt die Gründerin. „Wenn z. B. der
Baumwollpreis steigt, müssen üblicherweise die Hersteller
dafür aufkommen. Oft sind dann die Arbeiter die Leidtragenden. Wir treten dagegen mit den Herstellern ins Gespräch.
Um für alle Seiten faire Bedingungen zu schaffen, vereinfachen wir dann auch mal ein Modell, um die gestiegenen
Baumwollpreise damit abzufangen.“
Die Kundinnen und Kunden sind von dem Konzept von
COMMON WORKS überzeugt. Um den Aufträgen nachkommen zu können, hat Marte Hentschel gerade erst weitere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt und ist in doppelt so große Räume umgezogen. —
BANK
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Stiften und Schenken
Bildung möglich
machen — auch in
der Krise
Griechenland, Vafios: ein kleiner Ort auf der Insel.
Lesbos: eine malerische Gegend, in der viele
Menschen Urlaub machen. Das Dorf hat aber
auch eine Alltagsseite. Die ökonomische Situation
macht einen langjährigen Schulbesuch oft schwierig. Plakate laden Kinder ein, sich für ein Stiftungsstipendium zu bewerben, das ihnen ermöglicht,
eine weiterführende Schule oder Universität zu
besuchen. Ein monatlicher Obolus entlastet
bedürftige Familien über die Förderdauer eines
Jahres und gegebenenfalls auch darüber hinaus.
Seit Oktober 2010 fördert der Stiftungsfonds
Vafios unter der Obhut der Dachstiftung für individuelles Schenken Kinder ortsansässiger Familien. Seither wurden sieben Schüler mit Stipendien bedacht. Jährlich konnte ein weiteres Kind
in die Förderung aufgenommen werden. Die
Anträge sind von den Schülerinnen und Schülern
selbst zu stellen, eine erwachsene Person aus
dem schulischen oder privaten Umfeld vermittelt
unterstützend. Wenngleich der bürokratische
WOHLSTANDSKOMPASS
Mittelauszahlungen der GLS Treuhand und
ihrer treuhänderisch verwalteten Stiftungen
im 4. Quartal 2012
ZUWENDUNGEN DER GLS TREUHAND E. V.
Summe
Unsere Sicht
auf aktuelle
Begriffe
W
TEXT: Dr. Silke Kirch, Autorin Info3–Verlag
GLS Treuhand e. V.
Dachstiftung für individuelles Schenken
Zukunftsstiftung Bildung
Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe
Zukunftsstiftung Gesundheit
Zukunftsstiftung Landwirtschaft
Zukunftsstiftung Soziales Leben
Stiftung Neue Energie
weitere treuhänderisch verwaltete Stiftungen
Klartext
262.681
420.299
39.000
944.546
2.500
350.377
2.495
23.000
101.660
Aufwand vergleichsweise gering ist, so ist diese
Hürde nicht leicht zu nehmen. Es sind Papiere
einzureichen und Fristen einzuhalten. Die Schüler
und Studenten brauchen eine gute Selbstorganisation und Eigenmotivation, um eine Bewerbung
zusammenzustellen. Ist das Stipendium dann
erreicht, öffnen sich zukunftsweisende Horizonte.
Der Stiftungsfonds Vafios ist das Vermächtnis
eines privaten Stifters, ins Leben gerufen wurde
das Projekt von seiner Familie. Möglich wurde das
durch die langjährige Erfahrung der GLS Treuhand
und die verschiedenen von ihr entwickelten Instrumente, die eine Feinabstimmung auf allen Ebenen möglich machen. Denn von Deutschland aus
eine Stiftung in Griechenland einzusetzen, ist
keine Kleinigkeit. Was nach griechischem Stiftungsrecht unmöglich war, konnte in Zusammenarbeit mit der Dachstiftung für individuelles
Schenken relativ zügig realisiert werden. So ist
europäische Zusammenarbeit möglich. —
In Deutschland gilt das Bruttoinlandsprodukt
(BIP) als feste Größe für die Bestimmung von
Wohlstand. Die Höhe des BIPs hat jedoch keinerlei Aussagekraft darüber, wer vom Wachstum
profitiert, in welchem Umfang die Natur belastet
wird oder welche Werte ehrenamtlich geschaffen
werden.
Deshalb sucht die Enquete–Kommission
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“, eine
überfraktionelle Arbeitsgruppe des deutschen
Bundestags, seit zwei Jahren nach alternativen
Formen der Wohlstandsmessung. Dabei ist der
Wohlstandskompass der Gegenvorschlag der
Bundestagsfraktion der GRÜNEN zu dem in der
Kommissionssitzung vom 28.01.2013 beschlossenen Wohlstandsindikatorensatz.
Mit seinen zehn Leitindikatoren soll der Wohlstandsindikatorensatz zum einen Aufschluss über
ökologische und soziale Entwicklungen geben,
zum anderen sollen in die Berechnung des materiellen Wohlstands nicht nur das BIP, sondern
auch Aspekte wie Einkommensverteilung und
Staatsschulden einfließen. Der Wohlstandskompass besteht dagegen nur aus vier Indikatoren
und misst neben ökonomischen, sozialen und
ökologischen Faktoren auch die Zufriedenheit der
Menschen. Durch die neuen Maßeinheiten soll
erreicht werden, dass künftig neben ökonomischen auch soziale und ökologische Faktoren in
politische Entscheidungen einfließen.
2.146.558
In Tausend EUR; insgesamt wurden über 142 Zuwendungen ausgezahlt.
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BANK
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
U
UN–PRI
Kürzlich empörte sich die Öffentlichkeit darüber, dass einige Finanzdienstleister bekannt gaben, weiterhin mit Lebensmitteln zu spekulieren. Auch ein Unterzeichner der Principles for Responsible Investment
(UN–PRI) gehörte dazu. Wie ist das möglich?
Bei den UN–PRI handelt es sich um eine Initiative der Vereinten
Nationen für umwelt– und sozialverantwortliches Investment. Ziel der
freiwilligen Grundsätze ist es, Umwelt– und Sozialstandards in die Entscheidung von Investoren einzubeziehen und bei Unternehmen sowie
bei Finanzdienstleistern zu verbreiten. Außerdem soll ein Netzwerk
zwischen den Unterzeichnern entstehen und jährlich über Nachhaltigkeitsmaßnamen berichtet werden.
Als erste Bank in Deutschland unterzeichnete die GLS Bank die Principles for Investors in Inclusive Finance (PIIF), die zu den UN–PRI gehören. Die PIIF verfolgen das Ziel, allen Menschen, insbesondere denen
mit geringeren Einkommen, Zugang zu Finanzdienstleistungen zu
gewähren. Die GLS Bank ermöglicht dies vor allem durch ihr Angebot
an Mikrokrediten. Auch die UN–PRI hat die GLS Bank unterzeichnet.
Obwohl sie kontroverse Aktivitäten wie Lebensmittelspekulationen
zulassen, sind sie ein wichtiges Instrument für den Dialog zwischen
den mittlerweile 1 000 Unterzeichnern. Durch diesen Dialog kann die
GLS Bank auf die Gestaltung der Kriterien für verantwortungsvolles
Investieren Einfluss nehmen.
Ä
ÄQUATORPRINZIPIEN
Die Äquatorprinzipien sind, ebenso wie die Principles for Responsible
Investment (UN–PRI), ein freiwilliges Regelwerk zur Einhaltung sozial–
ökologischer Standards. Ihr Fokus liegt dabei auf Projektfinanzierungen.
Der Name soll den buchstäblich weltumspannenden Anspruch betonen und die Verbindung zwischen Nord– und Südhalbkugel deutlich
machen.
Zu den 79 Unterzeichnern zählen einige multinational agierende
Banken. Doch während schon die UN–PRI Lebensmittelspekulationen
zulassen, sind die Äquatorprinzipien noch unverbindlicher. So gelten
diese erst für Projekte ab einem Volumen von zehn Millionen Euro.
Außerdem werden keine konkreten sozial–ökologischen Standards
definiert. Wirkt sich ein Projekt also negativ auf die Umwelt aus, wird
lediglich geprüft, ob die Rechte des Landes eingehalten werden und die
Schäden abgeschwächt werden können. Daher hat sich die GLS Bank
bewusst gegen eine Unterzeichnung entschieden.
BANK
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Kalender
Mai bis
September
Wenn Sie regelmäßig per E–Mail
über unsere Veranstaltungen
informiert werden möchten,
melden Sie sich bitte an unter
www.gls.de/newsletter.
07.05. SCHWÄBISCH HALL
„VERANTWORTUNGSVOLLER
UMGANG MIT GELD“
Kassensturz
12.06. — 13.06. MÜNCHEN
1. TRUDERINGER UMWELTFORUM
Die GLS Bank ist im Vortragsprogramm sowie mit einem
Infostand vertreten.
Kulturzentrum Trudering,
Wasserburger Landstr. 32
14.06. GELSENKIRCHEN
11. WOHNPROJEKTTAGE IN
NORDRHEIN–WESTFALEN
Unsere Mitarbeiter begrüßen Sie
an unserem Infostand.
Podiumsdiskussion mit GLS
Regionalleiter Wilfried Münch
Wirtschaftspark Gelsenkirchen
VHS Schwäbisch Hall, R 304
19.06. — 21.06. MÜNCHEN
FACHMESSE INTERSOLAR
EUROPE
13.05. MÜNCHEN
„ÖKOLOGISCHE ERNÄHRUNG —
CHANCEN, HINDERNISSE
UND ENTWICKLUNGSPOTENZIALE"
Vorträge und Diskussion —
GLS Bank, oicocredit Bayern e. V.
Schweisfurth–Stiftung, Südliches Schlossrondel 1, 80638
München
14.05. BERLIN
13.06. FRANKFURT
26.06. STUTTGART
„DAS LÄCHELN DER MONA
LISA. ÜBER DIE OHNMACHT
DES GELDES UND DIE MACHT
DER BÜRGER“
Vortrag von GLS Treuhandvorstand Lukas Beckmann
In den GLS Filialen
15.05. MÜNCHEN
7. MÜNCHNER UNTERNEHMENSTAG
Unsere Mitarbeiter sind mit
einem Infostand vertreten.
Hochschule München, Campus
Pasing, Am Stadtpark 20
02.06. BERLIN
UMWELTFESTIVAL DER
GRÜNEN LIGA „LEBENSRAUM
ZUKUNFT“
Wir sind mit einem Infostand
vertreten.
Brandenburger Tor
11.06. STUTTGART
„INKLUSION, WIE GEHT DAS?“
Vortrag mit anschließender
Podiumsdiskussion.
GLS Filiale Stuttgart
46
BANK
Die GLS Bank ist mit einem Infostand vertreten.
Messegelände München
21.06. — 22.06. BOCHUM
GLS JAHRESVERSAMMLUNG
2013
GLS Bank und Schauspielhaus
Bochum
29.06. BERLIN
MITTENDRIN — AKTIONSTAG
ANTHROPOSOPHIE
Unsere Mitarbeiter sind mit
einem Infostand vertreten.
Platz am Kulturforum
09.07. MÜNCHEN
„BEWUSST ANDERS — ERFAHRUNGEN EINES ÖKO–PIONIERS“
Georg Schweisfurth stellt sein
neues Buch vor.
GLS Filiale München
28.08. BERLIN
„MACHEN SIE’S GUT.“
Mitarbeiter und Projekte der
GLS Bank stellen sich vor.
GLS Filiale Berlin
04.09. BERLIN
VERNISSAGE ZUR AUSSTELLUNG VON MARIA FRAUNETILLMANNS
GLS Filiale Berlin
15.09. AUGSBURG
MESSE BIOSÜD
GLS Mitarbeiter sind mit einem
Infostand vertreten.
Augsburger Schwabenhallen,
Am Messezentrum 5
IMPRESSUM
Bankspiegel, Heft 217
(Frühjahr 2013)
32. Jahrgang, ISSN 1430–6492
Der „Bankspiegel — Das Magazin der GLS Bank“ wird herausgegeben für die Mitglieder,
Kundinnen und Kunden sowie
Freundinnen und Freunde der
GLS Bank. Über die Zusendung von redaktionellen Beiträgen und Leserbriefen freuen wir
uns. Bitte verstehen Sie, dass wir
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namentlich gekennzeichnete
Artikel sind die Autorinnen und
Autoren verantwortlich. Sie stellen nicht unbedingt die Meinung
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gestattet.
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CHEFREDAKTEURIN
Eva Schneeweiss
REDAKTION
Katharina Hahlhege, Christof
Lützel, Dorothée Oelbracht,
Bettina Schmoll, Dr. Antje
Tönnis, Janina Zajic, Falk Zientz;
Klartext: Uwe Greff
ERSCHEINUNGSWEISE
Dreimal im Jahr. Die nächste
Ausgabe erscheint im September 2013.
Redaktionsschluss ist
Juli 2013.
ABONNEMENT
Kundinnen, Kunden und Mitglieder der GLS Bank erhalten den
Bankspiegel kostenlos. Der Bankspiegel kann für 12 Euro pro Jahr
(drei Ausgaben) abonniert werden. Das Abonnement kann
jeweils zum Ablauf eines Bezugsjahres gekündigt werden. Bestellen Sie den Bankspiegel telefonisch unter 0234 5797 100.
EBANKSPIEGEL
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LEKTORAT
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ÜBERSETZUNG
Wort für Wort GmbH & Co. KG
DRUCK
Offset Company, Wuppertal,
gedruckt mit mineralölfreier
Farbe und auf Envirotop, 100 %
Recyclingpapier mit
dem Blauen Engel (RAL–UZ 14)
Was haben Sie
im Geldbeutel?
Cecilia Chimpén, Geschäftsfrau
aus Puente Piedra in Lima, Peru,
und Kundin der Bank Mibanco
„Mein Portemonnaie ist absichtlich so klein, dass ich es in meiner
Hosentasche verstauen und ohne
Handtasche unterwegs sein kann.
Normalerweise habe ich nur Bargeld in kleinen Scheinen und
Münzen dabei. Das benötige ich,
um täglich frische Waren für
meinen kleinen Supermarkt zu
kaufen, der sich in meinem Haus
befindet und mit dem ich meine
Nachbarschaft versorge. Zweimal pro Woche packe ich meine
Bankkarte in mein Portemonnaie
— für den Fall, dass ich Geld abheben oder Überweisungen
tätigen muss. Hoffentlich kann
ich bald auch meine Kreditkarte
nutzen, um meine Lieferanten
zu bezahlen und nicht mehr
so viel Bargeld mitnehmen zu
müssen.“
AUFLAGE
124 000 Exemplare
BILDQUELLEN
GLS Archiv und Projekte, Autorenportraits bei den Autoren,
Kredit– und Mitgliederportraits
bei den Projekten, Mitgliedern
und GABV–Banken,
Titel/S. 31/32: Oliver Helbig;
S. 6 www.weltweitwandern.com,
S. 7 Institute for Social Banking,
S. 10/11/22/23/35 Stephan
Münnich, S. 28/29 Damon Lynch,
S. 36 Christoph Püschner, Brot für
die Welt, S. 47 Cecilia Chimpén
Unsere nächste Ausgabe erscheint im
September zum Thema
Kunst und Geld.
Bankspiegel — Ausgabe 1/2013 Heft 217
BANK
47
Wandel ist
machbar, wenn
gute Ideen
Kreise ziehen.
nk
Machen
Sie’s gut!
Werden Sie
Mitglied.
.d e
Geld ist Mittel für gesellschaftliche Veränderung —
wenn wir es gemeinsam dazu machen.
gl s
ba
das macht Sinn

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