Lauschangriff: Wenn der Hacker ins Wohnzimmer schaut

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Lauschangriff: Wenn der Hacker ins Wohnzimmer schaut
Datum 13.09.2006
Lauschangriff: Wenn der Hacker ins
Wohnzimmer schaut
Per Kamera und Internet die Wohnung überwachen - WWW als
"World Wide Watching"? Wie schützt man sich aber vor
ungebetenen Gästen, den Hackern, die unerlaubt in die
Kameras
eindringen
könnten:
Die
weltweite
"Hack-the-Cam"-Bewegung? Von Oliver Schonschek
Videoüberwachung ist heute „angesagt“. Nicht nur Bahnanlagen, auch die eigene
Wohnung kann mit Kameras kontrolliert werden. Mit entsprechender Technologie
kann dies auch über Funkverbindungen und das Internet erfolgen.
Funkverbindungen erleichtern die Montage, sparen Anschaffungs- und
Unterhaltskosten und machen auch unzugängliche Stellen dauerhaft erreichbar.
Neben klassischen CCTV (Closed Circuit Television) Anlagen werden dafür
Netzwerkkameras, sogenannte IP-Kameras, angeboten. Sie verfügen über einen
integrierten Webserver und eine eigene IP-Adresse, anders als eine einfache
WebCam.
WebCams werden "zweckentfremdet"
Doch selbst die eher im Entertainment-Bereich angesiedelten WebCams werden
den Verbrauchern als „Ideal für die Raumüberwachung und den Schutz des
eigenen Rechners!“ angeboten, so zum Beispiel von dem Hersteller TerraTec. Da
WebCams geradezu dafür geschaffen wurden, dass sich unbekannte
Chat-Freunde auch einen optischen Eindruck von dem Gegenüber verschaffen
können, fehlen meist entsprechende Sicherheitsvorkehrungen gegen mögliche
Hackerangriffe. Nach Auskunft von TerraTec sind „WebCams genau so sicher wie
die Systeme, an denen sie laufen. Nicht mehr und nicht weniger.“
Der unbedarfte Nutzer ist sich der Gefahr
eines Lauschangriffes im eigenen Wohnzimmer
jedoch nicht bewusst. Deshalb warnt das LKA
Rheinland-Pfalz auch vor einer falschen
Konfiguration von WebCams. Wie das
zuständige Fachdezernat der Redaktion
gegenüber bestätigte, ist es gerade bei einer
WebCam sehr wichtig, das System korrekt
nach den Erfordernissen einzustellen, „um
nicht unfreiwillig ungewollte Einblicke in Bild
und Ton in die Privatsphäre zu gewähren.“
Die richtigen Einstellungen einer WebCam
müssen von dem Anwender geplant und
umgesetzt werden, so das Landeskriminalamt
Der Große Bruder? Bild:
in Mainz. „Nach Installation der WebCam und
TerraTec
ihrer Software sollte der Anwender deshalb
alle Einstellungen überprüfen und nicht "blind" die WebCam mit den
Standardeinstellungen in Betrieb nehmen.“
Für die Anwender, die die notwendigen Sicherheitseinstellungen nicht dem
Handbuch der WebCam entnehmen können, gibt das Mainzer LKA Hinweise. So
sollte man eine WebCam grundsätzlich deaktivieren, wenn sie nicht benötigt wird.
Bei externen WebCams zieht man dazu einfach den Stecker. Schwieriger wird es
bei Notebooks, die zunehmend über eine integrierte WebCam verfügen, die meist
oberhalb des Displays angebracht ist.
Die sicherste Methode ist es in diesem Fall, die eingebaute WebCam abzudecken.
Ohne spezielle Sicherheitsvorkehrungen ist es für Hacker möglich, eine WebCam
durch einen einfachen Portscan zu finden. Der Zugriff von außen ist dann in den
meisten Fällen ein Kinderspiel.
Die für die Videoüberwachung speziell geschaffenen IP-Kameras sind in der Regel
vor Angriffen besser geschützt, doch auch hier erzielen die Hacker immer mehr
„Erfolge“. Funkverbindungen zwischen den Kameras und der Schaltzentrale sind
in der Regel besser geschützt als die gelegentlich abhörbaren Kabelverbindungen.
Der Komfort der Fernabfrage des Webservers der IP-Kameras und ihre
Fernsteuerung über das Internet schafft wesentlich mehr Sicherheits-probleme
als den meisten Verbrauchern bewusst ist. So klingt es verlockend, nicht nur im
heimischen Netzwerk alle Kameras kontrollieren zu können, sondern dafür
weltweit jeden Internetzugang und sogar PDAs und Mobiltelefone mit GPRS-/
UMTS-Verbindung nutzen zu können. Nur: Wie sicher ist das?
Die Gefahren des offenen Internets
Nach Darstellung des Herstellers Bosch Sicherheitssysteme GmbH wird bei
sicherheitsrelevanten CCTV Videoüberwachungsanlagen ein geschlossenes
Netzwerksystem mit Firewalls eingesetzt, um Zugriffe von Außen zu verhindern.
Möchte der Besitzer selbst zum Beispiel vom Urlaubsort aus zugreifen, verwendet
man ein VPN (Virtual Privat Network).
Die IP-Kameras nutzen darüber hinaus ein gesondertes eigenes oder ein auf
Linux basierendes Betriebssystem, das Hacker die Arbeit wesentlich erschwert, so
Bosch. So weit, so gut. Dennoch bietet Bosch, wie andere Hersteller auch,
Netzwerkkamera-Systeme an, die einen Zugriff über ein PDA erlauben. Die
Kunden freuen sich sicherlich über diese Zusatzfunktion, aber ist ihnen auch die
Gefahr bewusst, die mit der Verwendung des freien und offenen Internets
verbunden sein kann?
Bei Bosch Sicherheitssysteme GmbH sieht man die Gefahr: „Bei PDA
Anwendungen wird in der Regel das Internet benutzt. Somit ist der Datenverkehr
"in der großen Welt". Dies muss einem User klar sein. Bosch ST (Bosch
Sicherheitssysteme GmbH) steht der Nutzung von PDAs auch eher skeptisch
gegenüber und würde immer die Lösung in einem abgesicherten Netzwerk
empfehlen.“, so die Pressestelle.
Bei den Zugriffen über das Internet bleibt nur der Zugriffsschutz durch die
richtige Kombination aus Benutzername und Passwort. Doch gerade damit tun
sich viele Verbraucher schwer und verwenden gerne immer wieder ein und
dasselbe Passwort. Manchmal kennt es sogar der Kollegen- oder Bekanntenkreis.
„WWW als das World Wide Watching“
Hier setzen die Hacker an. „Hack-the-cam“ ist inzwischen zu einer aktiven
Hacker-Bewegung geworden, deren Angriffe auf Kameras im Internet zunehmen.
Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn ein Hacker in die
Videoüberwachungsanlage eindringen kann? Das kommt auf die durch die
Video-Steuerungssoftware erlaubten Funktionen an.
Im Prinzip kann der Hacker alles, was der legitimierte Anwender auch kann:
Livebilder sehen, gespeicherte Videos abrufen, die Kamerapositionen ändern,
Tonaufnahmen der Kameras mithören oder auch das komplette
Videoüberwachungssystem abschalten. Die von dem Security-Center des
Herstellers Abus werbeträchtige Übersetzung von WWW in „World Wide
Watching“ erhält damit einen zweifelhaften Beigeschmack.
Um beispielsweise auf die Abus DIGILAN®
Security-Netzwerkkamera weltweit zugreifen
zu können, benötigt man nur einen Microsoft®
Internet Explorer ab Version 5.5 sowie ein
Plugin auf ActiveX Basis, das man ohne
weiteres im Internet auf der Herstellerseite
herunterladen kann. Mit Benutzername und
Passwort kann das „World Wide Watching“
dann beginnen. Allerdings gelten weder der
Internet Explorer noch unsignierte ActiveX
Steuerelemente (aktive Inhalte), die hierbei
zum Einsatz kommen, als besonders Vertrauen
erweckend.
Die Videodaten werden über das
HTTP-Protokoll zur Verfügung gestellt.
Wünschenswert wäre jedoch eine
Abus Digilan
HTTPS-Verbindung mit SSL-Verschlüsselung. Bild: Security Center GmbH & Co.
Im zugehörigen Handbuch weist Abus deshalb KG
auch auf die Problematik hin: „ACHTUNG:
Wenn der gewählte Benutzer Zugang auf sämtliche Funktionen des
Serverprogramms hat, so kann er sämtliche Einstellungen am Server über dieses
Web-Interface vornehmen. Nutzen Sie deshalb die Passwortvergabe, um die
Setup-Ebene vor unbefugtem Zugriff zu schützen.“
Mehrfacher Passwortschutz gegen die Hacker
Der Hersteller Mobotix zum Beispiel plant die Einführung der HTTPS-Version mit
Verschlüsselung der Kameradaten für den Herbst 2006. Weitere Hersteller
werden folgen. Der Anbieter Axis Communications setzt bereits auf die
SSL-Verschlüsselung. In seiner Broschüre „Auswahl einer Netzwerkkamera – Die
zehn wichtigsten Kriterien für die richtige Entscheidung“ hat die
Netzwerksicherheit zumindest die Nummer 6. In einem technischen Guide
empfiehlt Axis für die Realisation eines IP-Kamera-Projektes mehrfachen
Passwortschutz, SSL-Verschlüsselung sowie die Filterung der IP-Adressen bei den
Zugriffen.
Auch der Hersteller Linksys wirbt mit den
Vorteilen seiner neuen IP-Kamera WVC200.
„Die Inhalte können von Nutzern und
Firmenmitarbeitern von unterwegs überall auf
der Welt ganz einfach per Webbrowser
abgerufen werden“ heißt es in der zugehörigen
Pressemeldung. Sicherlich wäre es blauäugig
zu erwarten, dass die Hersteller in der
Produktwerbung und den Pressemeldungen auf
die möglichen Gefahren hinweisen.
Eine entsprechende Anfrage der Redaktion bei
der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
(vzbv) in Berlin ergab, dass man sich dort mit
der Problematik noch nicht befasst hat und
dass man deshalb keinen internen
Ansprechpartner vermitteln kann.
Angesichts der Zunahme an digitalen
Axis 214 ptz
Videoüberwachungssystemen mit weltweitem Bild: Axis Communications AB
Internetzugriff zeigt eine solche Aussage
immerhin ein Defizit bei der Verbraucheraufklärung. Beratung erhält man
hingegen bei der Kriminalpolizeilichen Prävention sowie den jeweiligen
Landeskriminalämtern.