März - Johanneswerk
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März - Johanneswerk
Unser Werk Z E I T S C H R I F T F Ü R F R E U N D E U N D F Ö R D E R E R D E S E VA N G E L I S C H E N J O H A N N E S W E R K E S E . V. NR. 1 MÄRZ 2010 Alt g n u J d un n e d n e g wa g n u r p s t i Ze Begegnungszentrum Pellahöhe veranstaltet dreiwöchiges Kulturprojekt Liebe Freunde und Förderer unseres Werkes, dienst mit der Einführung neuer leitender Mitarbeitender noch einmal die Ereignisses des Jahres 2009 zu bedenken. Nicht nur weil Unser Werk in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag feiert, hoffe ich, dass wir Ihnen auch mit dieser Ausgabe etwas von der Vielfalt unserer Arbeit im Johanneswerk vermitteln können und Sie nach dem Lesen sagen: „Das waren wieder einmal viele interessante Informationen für mich!“ Mit freundlichen Grüßen auch von meinen Vorstandskollegen Ihr Karsten Gebhardt Vorsitzender des Vorstands FOTO: HILLA SÜDHAUS verschiedene Ereignisse mit unterschiedlichen Auswirkungen auf unsere Arbeit stehen im Mittelpunkt der ersten Ausgabe von Unser Werk im Jahre 2010. Zum Jahresanfang konnten wir die neue Holzwerkstatt des Hauses Nordpark in Bielefeld eröffnen und damit unser Angebot deutlich verbessern. Die Transparenzberichte für Alteneinrichtungen beschäftigen uns aus vielfältigen Gründen, unsere kritische Position hierzu wird im Bericht deutlich. Bei der Jahrestagung im Dezember 2009 trafen sich die leitenden Mitarbeitenden unseres Werkes, um nach einem festlichen Gottes- UNSER WERK März 2010 Unser Werk wird 40 225 Führungskräfte bei Jahrestagung 7 10-13 Behindertenarbeit NTZ hat erste Patienten aufgenommen 23 Rhein-Klinik ehrt Förderer mit Kunstwerken 24 Pädagogische Arbeit Ehrenamtliche ist Heldin des Alltags 14 Haus Nordpark eröffnet Holzwerkstatt Gruppe Grün gestaltet bunte Gedenkstätte 15 Zehn Jahre Schulstation 26 Schüler sammeln soziale Kompetenz 27 JETZT UNTER WWW.JOHANNESWERK.DE Transparenzberichte bieten keine Klarheit Wie gut oder schlecht eine Alteneinrichtung ist, soll anhand von Schulnoten schwarz auf weiß im Internet veröffentlicht werden. „Der richtige Weg, doch das Verfahren muss dringend überarbeitet werden“, sagt Vorstand Dr. Bodo de Vries. (20-21) UNSER WERK inspiriert von Bewährtem So viel Zeit für Austausch zwischen den Generationen ist selten: Im Begegnungszentrum Pellahöhe in Bielefeld hatten Alt und Jung drei Wochen lang Gelegenheit, Aktionen zu den Themen Mode, Schulleben, Haushalt, Musik und Film zur organisieren. (S. 4-6) 8 Altenarbeit Auszeichnung fürs Europaprojekt 18 Personalien Erstes Demenzcafé für Castrop-Rauxel 19 Thomas Redecker in Kuratorium berufen Schnuffeliger Mitbewohner im Haus am Sähling 25 Heimattreffen am Frühstückstisch 28 Zeit für schwerkranke Patienten 28 23 Stiftung mitLeidenschaft Der Einzelne zählt 16 Spenden oder stiften? 17 Impressum 26 Gesundheit Klinik des Jahres 2015 im Blick 22 Unser Werk ist auf 100 Prozent Recycling-Papier gedruckt. Unser Werk TITELFOTO: CHRISTIAN WEISCHE TITEL Offen für Neues, 3 Begegnungszentrum Pellahöhe lädt zu dreiwöchigem Kulturprojekt Alt und Jung wagen den Zeitsprung Ilse Milz (r. Bild) und Judith Bartels bringen verschiedene Modeepochen auf die Bühne Alte Menschen, die offen für Neues sind, und junge Menschen, die sich von Bewährtem inspirieren lassen: Im Begegnungszentrum Pellahöhe wagten sie gemeinsam einen Zeitsprung. Die Besucher der Einrichtung des Ev. Gemeindedienstes im Johanneswerk erkundeten zusammen mit Schülern der elften Klasse die 50er Jahre. Dann wurden die Erfahrungen dem Leben im Jahr 2009 gegenübergestellt. 4 Unser Werk BIELEFELD. „Ä ltere Leute sind toll, fröhlich und unkompliziert“ – das Kompliment der Jugendlichen war umso bedeutender, weil es nach drei Wochen auf umfangreichen Erfahrungen basierte. So lange hatten die Schüler mit den Besuchern des Begegnungszentrums Pellahöhe intensiv Aktionen geplant und umgesetzt inklusive der großen Abschlussfeier. „Bei der Abschlussveranstaltung leuchteten die Augen der jungen und älteren Menschen um die Wette“, freute sich Claudia Domke, Mitinitiatorin des Kulturprojekts „Alt trifft Jung“ in der Pellahöhe. „Nach etwas Zurückhaltung am Anfang gab es im Lauf der drei Wochen intensiven Miteinanders unglaublich viele bewegende Momente. Die jungen Leute waren am Ende überrascht über ihr positive Erfahrung, das hatten sie nicht erwartet“. Beim Kulturprojekt ging es um lebendigen Austausch auf Augenhöhe zwischen den Generationen. Bei ihrem Die Schüler hatten extra einen Kurs im Tanzstudio Gursch belegt: Mit Erfolg! Sarah Hommel legt mit Rudolf Schwan einen Boogie aufs Pakett Unser Werk FOTOS: CHRISTIAN WEISCHE Lennart Benz hat Elvis im Blut 5 FOTOS: CHRISTIAN WEISCHE (v.l.) Claudia Domke, Hannelore Pfaff, Sarah Hommel und Jessica Löbbe freuen sich gemeinsam über das gelungene Kulturprojekt Schlager, Skat und coole Klamotten 6 Unser Werk Gehen der Musik-Technik der 50er Jahre auf den Grund: Karl-Heinz Helmich (l.) und Lennart Benz nicht alltäglichen Sozialpraktikum haben die Schüler der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schulen mit den 60- bis 95Jährigen das Alltagsleben der 1950er Jahren erkundet und dem Leben im Jahr 2009 gegenübergestellt. Auf dem Programm standen Aktionen zum Thema Mode, Schulleben, Haushalt, Musik und Film. Es wurde viel geredet, gelacht, gelernt, Material gesammelt und die Abschlussveranstaltung mit Modenschau, Musik, Tanz und Büfett vorbereitet. „Im Alltag treffen junge und alte Menschen meist nur im Familienkontext aufeinander und das auch immer seltener. Wir wollten einen anderen Rahmen bieten“, sagt Domke. „Und wir haben erlebt, wie alte Menschen zu Titeln von Michael Jackson feiern und Jugendliche zu Schlagern tanzen; wie Schülerinnen von älteren Herren Skatspielen lernen und ältere Damen coole moderne Kleidung auf dem Laufsteg präsentieren.“ „Es war unglaublich viel Arbeit, das Kulturprojekt vorzubereiten, aber der Aufwand hat sich mehr als gelohnt“, sagt Domke. Vielleicht bliebe ja die eine oder andere der herzlichen Bande, die im Laufe der Woche geknüpft worden sind, bestehen. „Alt trifft Jung“ war eine Kooperationsveranstaltung des Begegnungszentrums Pellahöhe, des örtlichen Heimatvereins und der Bezirksvertretung Bielefeld-Gadderbaum. [AK] FOTO: CHRISTIAN WEISCHE Unser Werk erscheint seit 40 Jahren „Ist dieses Blatt sinnvoll und nötig?“ „Sie mögen fragen, ob dieses Blatt, das in regelmäßigen Abständen herauskommen soll, sinnvoll und nötig ist“: Das wollte Johanneswerk-Leiter Pastor Werner Graf von der Schulenburg von den Lesern der ersten UnserWerk-Ausgabe wissen. 40 Jahre später erscheint die Zeitschrift des Ev. Johanneswerks noch immer – womit die Frage wohl als positiv beantwortet gelten kann. 40 40 Darüber hinaus hat sich Unser Werk gewandelt von einer Mitarbeiterzeitung über eine Publikation für Johanneswerker und Außenstehende zu einer Zeitschrift ausschließlich für Freunde und Förderer. Für Mitarbeitende gibt es inzwischen einen eigenen Newsletter, der per E-Mail verschickt wird und ausgedruckt weitergegeben werden kann. Auch optisch hat sich Unser Werk weiterentwickelt, Layout und Fotos haben sich immer wieder den Sehgewohnheiten angepasst. Stil und Inhalt der Texte verändern sich ebenfalls im Laufe der Zeit. Der Unterschied wird am besten deutlich, wenn man ein wenig in der ersten Ausgabe von 1970 stöbert. Vor 40 Jahren lebten die Jugendlichen oft bis zum 21. Lebensjahr im Kinderheim. So konnte man über die pädagogische Einrichtung Heidequell in Bad Salzuflen damals lesen, dass „die Arbeit an schulentlassenen Jugendlichen, die bisher im Heidequell ausschließlich getan wurde, stark zurückgeht, einmal durch die Heraufsetzung der Schulpflicht bis zum 15. bzw. in Zukunft zum 16. Lebensjahr, außerdem durch die bevorstehende Herabsetzung der Volljährigkeit auf 18 Jahre – bisher wurden schulentlassene Jugendliche bis zu 21 Jahren in der Freiwilligen Erziehungshilfe und Fürsorgeerziehung betreut“. Die Wortwahl zum Thema Hilfe f ü r Suchtkranke wirkt heute etwas antiquiert: Beim Jahrestreffen der Kurklinik am Hellweg in Oerlinghausen sagte der damalige Chefarztes Dr. Sandmann in seinem Referat: „‘Die Patienten haben zugegeben, alkoholkrank zu sein, und ihre Konsequenzen daraus gezogen: abstinent zu leben.’ Er gab u. a. den Rat, nicht allzu hastig nach der Kur die ‘versäumten Jahre’ wieder aufzuholen (...).“ Die Qualit ä tssicherung in Einrichtungen war 1970 noch eine freiwillige Angelegenheit. Folgendermaßen kommentiert wurde ein Text aus der Zeitschrift Das Altenheim, in dem die Vorschriften zur Kontrolle und Überwachung gewerblicher Altenheime in der Bundesrepublik und Westberlin abgedruckt waren: „Interessant ist für uns dazu die Mitteilung, dass in Westberlin auch die Vertreter der Wohlfahrtsverbände sich bereit erklärt haben, ihre Häuser und Heime für Inspektionen nach den gleichen Richtlinien zu öffnen.“ [AK] Unser Werk Immer wieder ein neues Gesicht: Julia Bindzus, seit kurzem Volontärin in der Öffentlichkeitsarbeit, zeigt verschiedene Layouts von Unser Werk. In der Hand hält sie die erste Ausgabe von 1970 In den vergangenen 40 Jahren ist viel geschehen. Sowohl im Johanneswerk als auch in Unser Werk. So ist beispielsweise der diakonische Träger von damals 2.000 Mitarbeiter auf heute rund 6.000 angewachsen – genauso ist aus dem ersten 8-seitigen Unser Werk heute eine Zeitschrift mit durchschnittlich 40 Seiten geworden. Nur so ist es möglich, wenigstens annähernd einen Überblick über die vielfältige Arbeit in den mehr als 70 Einrichtungen zu geben. 7 Haus Nordpark bietet Beschäftigung für Haftentlassene „Glückauf“ für die neue Holzwerkstatt „Wenn Menschen nach der Haft wieder Fuß fassen möchten, gehören eine Wohnung und Arbeit dazu. Die neue Werkstatt löst nicht alle Probleme der Haftentlassenen, aber sie ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Integration.“ Gabriele Walczak, stellvertretende Regionalgeschäftsführerin des Johanneswerks, eröffnete offiziell ein weiteres Standbein von Haus Nordpark – die Holzwerkstatt. BIELEFELD. FOTO: VEIT METTE dernen Geräten ausgestattet werden. „So können die Mitarbeiter an echten Maschinen unter Anleitung eines echten Tischlermeisters echte Produkte herstellen“, so Walczak. „Das ist ein wichtiger Schritt, um die Lücke im Lebenslauf auszugleichen.“ Aufträge sind willkommen An echten Maschinen echte Produkte fertigen ist der erste Schritt in das richtige Arbeitsleben In der Werkstatt arbeiten Bewohner des Hauses Nordpark, eine Einrichtung der Straffälligenhilfe des Johanneswerks. Sie haben ihre Haft verbüßt und versuchen nun, einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. „Die Werkstatt dient der Beschäftigung und Integration“, erklärt Werkstattleiter Thomas Franke. „Die Jungs lernen hier pünktlich zu sein, einen geregelten Arbeitsalltag durchzuhalten und im Team zu arbeiten.“ 8 Unser Werk Auf 550 Quadratmetern in Bielefeld-Heepen wird nun täglich gesägt und gehobelt. Dank einer großzügigen Spende des Rotary Clubs Bielefeld-Süd konnten die Räume mit mo- Die Produkte – kleine Gebrauchsgegenstände und Geschenke – sollen in Zukunft auf Festen und Märkten verkauft werden. „Wir nehmen natürlich jederzeit Aufträge entgegen“, schmunzelt Franke. Auch Reparaturarbeiten im Johanneswerk erledigen die Mitarbeiter der Werkstatt. Das Projekt Holzwerkstatt wird unterstützt von mehreren Partnern, deren Vertreter die gute Zusammenarbeit hervorhoben. „Ich danke Ihnen, dass es Ihnen gelungen ist, Menschen, die es nicht leicht haben, eine Perspektive zu bieten“, so Margret Stücken-Virnau, Geschäftsführerein der REGE. Uwe Nelle-Cornelsen, Leiter der JVA BielefeldBrackwede II, bestaunte den „beachtlichen Gerätepark“ und überreichte zur Eröffnung ein großes Eingangsschild aus Holz. Ulrich Ewering, Geschäftsbereichsleiter von Arbeitplus, brachte die Zukunftswünsche der Gäste auf den Punkt: „Alles Gute und: Glückauf!“ [CH] FOTO: CHRISTIAN WEISCHE Hundert Künstler für Ausstellung gesucht t a T s o to Kreativität im Visier: Susanne Haber, Leiterin Straffälligenhilfe im Johanneswerk, zeigt die Papprollen, die an Künstler in die ganze Welt verschickt werden sollen ein e bleibende Eri g Ein kleiner n n u n r e Stern, ein rotes Herz oder ein riesiger Drache: „Für die Bewohner unserer Einrichtung gehören Tattoos einfach zum Leben“, sagt Eckhard Tarner, pädagogischer Leiter des Hauses Nordpark. Die soziale Rehabilitationseinrichtung des Ev. Johanneswerks bietet Männern und Frauen in Bielefeld nach der Entlassung aus dem Gefängnis voll- und teilstationäre Angebote. Jetzt sucht das Haus Nordpark Künstler, die sich mit dem Körperkult unter dem Aspekt Straffälligkeit und Freiheit auseinandersetzen. Aus den Werken soll dann eine Ausstellung konzipiert werden. 100 Künstler erhalten vom Haus Nordpark eine Rolle spezielles Zeichenpapier sowie eine Die farbigen Körperzierden sind mehr als ein modisches Accessoire. Sie sind unter die Haut gestochene Kunstwerke. Sie drücken Gefühle, Mahnungen und Beziehungen aus. Tattoos haben besonders bei Inhaftierten die Funktion von körperlicher Kommunikation. Tattoos zeigen, wer man ist oder wie lange man gesessen hat, sie erzählen manchmal sogar ganze Lebensgeschichten. [JB] Für weitere Informationen und Anmeldung mailen Sie bitte Ihre Kontaktdaten an E-Mail: brita.grabenmeier@johanneswerk. de. Anrufen können Sie im Haus Nordpark unter Tel. 0521/603 71 Unser Werk BIELEFELD. Projektskizze. Bis Ende Mai können die Arbeiten zurückgesendet werden. Auf einem Quadratmeter Papier haben die kreativen Köpfe Platz für Fotocollagen, Grafiken, Malereien oder Skizzen. „Wir schicken die Rollen in die ganze Welt. Mal schauen, was uns die Welt zurückschickt“, sagt Brita Grabenmeier vom Haus Nordpark. 9 Rund 225 Führungskräfte bei Johanneswerk-Jahrestagung Neue Unternehmensstrukturen jetzt mit Leben füllen Die Stärkung der einzelnen Johanneswerk-Einrichtungen ist das Ziel des Strukturprojekts, dessen Umsetzung der große diakonische Träger 2009 begonnen hat. „Jetzt müssen die veränderten Strukturen mit Leben gefüllt werden“, erklärte der Vorsitzende des Vorstands Karsten Gebhardt in seinem Jahresbericht in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld. „Dazu haben wir Team- und Personalentwicklungsprozesse angestoßen.“ „Die Restrukturierungen in den Regionen sind bereits abgeschlossen und Personalentscheidungen getroffen“, fasste Gebhardt vor mehr als 200 Führungskräften aus ganz NordrheinWestfalen das Erreichte zusammen. In seiner Rede während der Jahrestagung nahm der Vorsitzende des Vorstands auch Bezug auf die Betroffenheit und Unsicherheit, mit der Mitarbeitende anfangs auf das Strukturprojekt reagiert hätten. „Inzwischen haben viele Mitarbeitende andere Erfahrungen gemacht“, so Gebhardt. „Wenn es uns zudem gelungen ist, im Zuge der Umstrukturierung sogar die Identifizierung der Mitarbeitenden mit den ihnen übertragenen Aufgaben, dem Johanneswerk und der Diakonie überhaupt zu stärken, dann ist dies ein ganz besonderer Gewinn.“ FOTOS: CHRISTIAN WEISCHE BIELEFELD. Karsten Gebhardt stellt den Johanneswerk-Jahresbericht in der Ravensberger Spinnerei vor Krise bei sozialen Trägern noch nicht angekommen 10 Unser Werk Gebhardt nahm auch die Folgen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise in den Fokus. Zurzeit spürten das Gesundheits- und Sozialwesen zwar noch keine direkten Auswirkungen. Die Träger seien sogar in den vergangenen Monaten so etwas wie die Stabilitätsgaranten für die Gesellschaft gewesen. Die Nachfrage nach den Diensten des Ev. Johanneswerks e.V. sei ungebrochen, so dass das Unternehmen mit einem ausgeglichenen Jahresergebnis für 2009 rechnen könne. „Das wird aber nicht so bleiben. Bei einer so stark gewachsenen Verschuldung der Öffentlichen Hände, erwarteter hoher Arbeitslosigkeit und gleichzeitigen Steuerrückgängen müssen wir künftig mit Leistungskürzungen rechnen“, so Gebhardt. „Trotzdem und gerade deswegen, werden wir uns in Zukunft noch intensiver dafür einsetzen, dass nicht immer mehr Menschen durch das größer werdende Raster unseres Sozialstaats fallen“, benannte er eine der großen bevorstehenden Aufgaben für das Johanneswerk und andere soziale Träger. Gebhardt wies darauf hin, dass in einem Arbeitsbereich des Johanneswerks die Krise aber sehr wohl angekommen sei: Die Nachfrage nach Therapieplätzen in den PsychotherapieKliniken des Unternehmens steige, die Wartelisten würden immer länger. Viele Menschen seien in diesen unruhigen Zeiten den Herausforderungen und Ängsten nicht mehr gewachsen. „Deshalb werden wir im Jahr 2010 eine neue Station einrichten und ein neues Kriseninterventionsangebot bereit halten“, so Gebhardt. [AK] Jahresbericht erhältlich Der Jahresbericht 2009 liegt jetzt in gedruckter Form vor. Das Heft kann telefonisch oder per E-Mail bestellt werden: Tel. 0521/801 2131 E-Mail: [email protected] Der Jahresbericht ist auch im Internet abrufbar unter www.johanneswerk.de Die Verwaltungsratsmitglieder Doris Damke und Hans Werner Schneider (Mitte) führen Pastor Dr. Ingo Habenicht in sein neues Amt als stellvertretender Vorsitzender des Johanneswerk-Vorstands ein Theologischer Vorstand stellt Pastoralen Dienst neu auf Habenicht mahnt in Predigt soziale Gerechtigkeit an Der 50-jährige Theologe hat sein Amt am 1. Juli 2009 angetreten und ist Stellvertreter von Karsten Gebhardt. Er wurde im Rahmen des Gottesdienstes von den Verwaltungsratsmitgliedern Hans Werner Schneider (Superintendent des Kirchenkreises Tecklenburg) und Doris Damke (Oberkirchenrätin) feierlich in sein neues Amt eingeführt. Habenicht wird unter anderem für die Neuaufstellung des Pastoralen Dienstes des Johanneswerks verantwortlich sein, die bis Mitte 2010 erfolgen soll. Unser Werk Die Jahrestagung begann mit einem Gottesdienst. Die Predigt hielt Pastor Dr. Ingo Habenicht, neuer stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des Ev. Johanneswerks. Darin forderte er soziale Gerechtigkeit: „Wir treten ein für Menschen, die ausgeschlossen werden aus der Gesellschaft. Wir erstreben eine menschenwürdige Pflege.“ Zugleich bezog er diese Forderung auch auf die Finanzierung der sozialen Arbeit: „Denn es gibt einen gerechten Anspruch auf eine angemessene Finanzierung für alle diakonische Arbeit und die in ihr Tätigen.“ 11 Im Folgenden lesen Sie einen Auszug aus der Predigt von Pastor Dr. Ingo Habenicht zur Jahrestagung. Im Mittelpunkt stand der Wochenspruch zum 1. Advent, zugleich sein Taufspruch: „Siehe, Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sacharja 9,9) Liebe Gemeinde! Es hing an seiner Wand. Ein merkwürdiges Bild. Zwei sehr ungleiche Männer. Dazu ein paar Kinder in Sonntagskleidung, mit Blumensträußen. Ein großer Brunnen, einige Menschen im Hintergrund. Darunter der Text. Das Gedruckte gut zu erkennen, die Eintragungen mit Tinte hingegen fast völlig verblasst. „Sacharja 9,9“ war da zu entziffern. Wie sprach man das überhaupt aus, fragte sich der Junge mit Blick auf die Urkunde. Sacharja? Fremdartig. Wer das wohl war? Außerdem gehörten Jesus und Luther doch nicht gemeinsam auf einen mittelalterlichen Marktplatz. Und dann der Satz dahinter: „Siehe, Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Was Sie, liebe Gemeinde, auf Ihrem Liedblatt sehen, ist ein Teil meiner Taufurkunde. Ausgestellt am 1. Advent vor 50 Jahren. Darauf mein Taufspruch: „Siehe, Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Damals wie heute ist das zugleich das biblische Leitmotiv für die Woche nach dem 1. Advent. 12 Unser Werk „Manche haben in den letzten Monaten gesagt, ‚Wir warten auf den Erlöser’, und damit sind Sie, Herr Habenicht, gemeint. Natürlich nicht wirklich im Ernst, aber dieser Scherz kursiert.“ Das bekam ich gleich in meinen ersten Tagen im Johanneswerk von einer Mitarbeiterin zu hören. „Uff“, dachte ich. „Was wollen die denn damit sagen? Wie kommen die auf so eine merkwürdige Idee?“ Also hörte ich aufmerksam hin in den nächsten Wochen. „Unser diakonischer Auftrag ist im Kostendruck gar nicht mehr zu erkennen.“ „Zeit für persönliche Zuwendung gibt es nicht mehr.“ „Mehrarbeitsstundenberge!“ „Immer mehr Arbeit, immer weniger Lohn.“ „Outsourcing.“ Äußerungen von Mitarbeitenden aus allen möglichen beruflichen Positionen. Die es mit ähnlichem Inhalt auch in fast allen anderen Unternehmen gibt, nur in anderer Sprache. Und die alle eines gemeinsam haben: Sie rufen nach Erlösung. phet Sacharja unterstützt ihn. Er jubelt zum Volk: „Siehe, Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Ganz handfest hat der Prophet das gemeint. Jetzt passierte was. „Dein König kommt!“ Serubbabel wird den Tempel aufbauen, Jerusalem wieder zur Hauptstadt machen. Gerecht wird er sein und ein Helfer. Aufbruchstimmung und Erlösung. Heute wissen wir: Vieles wurde wirklich besser. Der Aufbruch gelang, der Tempel wurde gebaut. Aber nicht alle Hoffnungen haben sich damals verwirklicht. Die große Sehnsucht, dass alles heil werden möge, konnte Serubbabel nicht erfüllen. Darin gleicht er uns allen, ob Führungskraft oder nicht: Wir können Gutes bewirken, aber wir sind nicht der Erlöser, sondern wir brauchen ihn. Propheten waren keine Wahrsager, deren Sprüche sich einfach erfüllten. Ihre Worte wirkten weiter, suchten sich ihr Ziel durch den Lauf der Zeit. Deshalb wird sechs Jahrhunderte später dieser Satz Sacharjas auf Jesus bezogen. Wir haben das vorhin in der Lesung aus dem Matthäusevangelium gehört. Jesus ist der König, der kommen soll, ein Gerechter und ein Helfer. Erlösung gilt uns allen Das Bild meiner Taufurkunde zeigt, wie das geschehen kann: Im Wasser der Taufe berührt Christus eine jede und einen jeden von uns, ganz nah und spürbar. Unter Ausrufung des eigenen, persönlichen Namens. „Dieser König kommt zu Dir persönlich“, sagt die Taufe. Ganz anders als Könige, die zur Menge winken. Massengesellschaft gibt es bei Gott nicht. Damit beginnt die Erlösung. Und doch vereinzelt uns das nicht. Unser König weiß: Menschen gibt es nicht für sich allein, sie gehören zusammen. In Brot und Wein oder Traubensaft schenkt Christus sich uns allen gemeinsam. Wie gut, dass wir heute hier zusammen Abendmahl feiern. Um zu spüren: Die Erlösung gilt uns allen. „Hilfe, Hilfe! Holen Sie die Polizei. Hilfe, Hilfe!“, rief die alte, verwirrte Frau aus dem Fenster des Dorothee-Sölle-Hauses. „Können Sie mir bei meinen Schulden helfen?“, fragte der Mann in der Schuldnerberatung des Gemeindedienstes. „Darf ein Pastor rauchen?“, wollte der entlassene Sexualstraftäter im Haus Nordpark wissen. Sind auch das offene oder versteckte Rufe nach Erlösung? Doch bei Taufe und Abendmahl bleibt unser Erlöser nicht stehen. Wo Menschen sich nach Hilfe sehnen, da soll es auch Hilfe geben. Das ist Gottes Wille. Es bleibt nicht, wie es ist. Ein Helfer kommt. So wie damals, als die Israeliten aus der Fremde zurückkehren konnten und Serubbabel den Tempel baute. Hilfe geschieht, wird konkret. Das gibt Hoffnung. Und Freude daran, nun ebenfalls Helfende zu sein. Damit Gottes Liebe zu uns Menschen wirklich sichtbar werden kann. Darauf basiert unsere diakonische Nächstenliebe. Wir helfen, weil der Erlöser will, dass allen Menschen geholfen wird. Wieso suchen wir eigentlich noch angestrengt nach unserem diakonischen Profil? Im Alten wie im Neuen Testament ist es uns doch längst vorgegeben. In unserem helfenden Handeln wird Gottes Hilfe menschlich fassbar. In unserem diakonischen Tun geschieht bereits Advent: für Menschen mit Behinderungen, für Alte, für Straffällige und Verschuldete, für psychisch Kranke und viele andere mehr. Ein ganzes Volk samt Führungskräften saß an den Flüssen Euphrat und Tigris und weinte. Jammerkultur, sozusagen, im positiven Sinn. Trauerarbeit. Die Hauptstadt samt Tempel durch ihre Feinde zerstört, waren diese Klagenden aus Jerusalem nach Babylonien verschleppt. 598 vor Christus war das. Rund 60 Jahre später kommt Hoffnung auf. Sie dürfen zurück nach Jerusalem, auch der Tempel soll wieder erbaut werden. Ein Symbol der Hoffnung, wie jetzt bei uns die Dresdner Frauenkirche. Der Statthalter Serubbabel nimmt die Dinge in die Hand. Der Pro- „Müssten wir in der Diakonie dann nicht viel besser sein? Bessere Pflegekräfte, bessere Berater, bessere Führungskräfte, bessere Mitarbeitende, kurz: besser in der Nächstenliebe?“ Druck machende Fragen, die mir im Johanneswerk begegnet sind. Die schnell aufkommen, wenn man im Auftrag des Erlösers handelt. Doch wir Christinnen und Christen sind keine besseren Menschen. Wir schaffen die Erlösung nicht selbst. Auch nicht in der Diakonie. Befreien wir uns von diesem lähmenden Anspruch. Der macht lediglich depressiv. Und verhindert eher, dass wir gut und Pastor Dr. Ingo Habenicht führt beim Gottesdienst der Jahrestagung leitende Mitarbeitende in ihr neues Amt ein: (v.l.) Andreas Lüttig (Geschäftsführer Region Bielefeld), Elke Wemhöner (Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), Christoph Pasch (Regionalleiter Behindertenhilfe Arbeit), Ronald Hampel (Regionalgeschäftsführer Behindertenhilfe Wohnen), José Luiz Ruiz Arroyo (Geschäftsführer Spanien) und Gregor G. Hollenstein (Regionalgeschäftsführer Ruhrgebiet Süd) diese Forderung auch weiter an Politik und Kostenträger. Denn es gibt einen gerechten Anspruch auf eine angemessene Finanzierung für alle diakonische Arbeit und die in ihr Tätigen. Doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Das war schon bei Jesus so. Er hat sich nicht um alle gekümmert und hat nicht alle geheilt. Er hat Menschen schroff zurückgewiesen und sich zurückgezogen. Wie er, können auch wir in der Diakonie nicht alles leisten. Wir haben weder für alles Kraft, noch Geld, noch Möglichkeiten. Grenzen sind zu respektieren, das ist noch keine Ungerechtigkeit. Wenn wir dem kommenden König dann aus dem Fenster entgegen schauen, dann sehen wir: Unser Gott ist mehr für uns als nur Hilfe in der Not. Unser Erlöser ist zugleich der Gerechte. Deshalb ruft die Diakonie auch nach sozialer Gerechtigkeit. Wir treten ein für Menschen, die ausgeschlossen werden aus der Gesellschaft. Wir erstreben eine menschenwürdige Pflege. Wir kämpfen für Strafentlassene. Wir denken weltweit und nicht nur für den eigenen Kirchturm. Wir wollen Nachhaltigkeit statt nur kurzfristigen Erfolg. Und wir fordern auch „Mehr Geld ins System“, wenn das für gute soziale Arbeit notwendig ist. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne. Und wir geben Doch wenn zum Helfen auch Gerechtigkeit gehört, dann sollten wir diese zuerst bei uns selbst verwirklichen. Und werden dennoch auch immer Ungerechtigkeiten in der Diakonie finden. Auch wir brauchen Erlösung, wir sind nicht perfekt. Darin sind wir auf einer Ebene mit denen, für die wir diakonisch hilfreich sein wollen. Vor Gott stehen wir gleich da, alle der Erlösung bedürftig. Und die ist nahe. Unser König kommt! Die Antwort auf unsere Sehnsucht nach Erlösung ist unterwegs. In der Taufe, im Abendmahl, im diakonischen Tun wird sie bereits konkret. Schauen wir hin, dann sehen wir ihn kommen: „Siehe, Dein König kommt zu Dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Amen. Unser Werk professionell helfen und arbeiten. Christus will uns erlösen, nicht mit Ansprüchen erdrücken. Das gerade weckt Freude an guter Arbeit! Machen wir also die Türen hoch und die Tore weit! 13 Ehrenamtliche als Heldin des Alltags ausgezeichnet Bianca Eckert gibt etwas Kostbares: ihre Zeit FOTO: CHRISTINE LUTZ Für die Bewohner und Mitarbeitenden des BodelschwinghHauses in Essen ist Bianca Eckert eine Heldin. Jetzt trägt die Ehrenamtliche den Titel sogar offiziell: Bei der Aktion „Helden im Alltag“ gehört Eckert zu den Preisträgern. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung gemeinsam mit der Ehrenamtsagentur Essen und RWE Rheinland Westfalen Netz hatten die Leser aufgerufen, ehrenamtlich Engagierte vorzustellen. ESSEN. Christine Lutz vom Sozialdienst des Bodelschwingh-Hauses und Martina Schöler-Tillmanns vom Pastoralen Dienst waren sich sofort einig, dass Eckert diese Auszeichnung mehr als verdiene. Die beiden setzten sich hin und schrieben auf, was das Engagement der 42-jährigen Bürokauffrau auszeichnet. „Es mag kitschig klingen, aber mit jedem Besuch bringt Frau Eckert die Sonne ins Haus“, stand da unter anderem. Feiern mit Freunden: Bianca Eckert mit Bewohner Klaus Weyrauch beim Parkfest Schon beim ersten Kontakt eroberte Eckert mit ihrer natürlichen, einfühlsamen Art die Herzen der Bewohner. Seitdem begleitet sie regelmäßig die Kochgruppe und engagiert sich durch gezielte Einzelbetreuungen. Sie organisiert Spielabende in den Wohnbereichen und beteiligt sich an der Durchführung jahreszeitlicher Feste und anderer Gruppenaktivitäten. Jeder ist etwas Besonderes 14 Unser Werk Das Bodelschwingh-Haus in EssenBorbeck ist eine Einrichtung des Ev. Johanneswerks, in der erwachsene Menschen mit geistigen, seelischen und mehrfachen Behinderungen leben. Im November 2008 lernte Eckert zufällig im Wartezimmer einer ärztlichen Praxis Bewohner und einen Betreuer des Bodelschwingh-Hauses kennen. Schon lange hegte sie den Wunsch, sich für andere einzusetzen, wusste aber nicht so recht wo. Jetzt fragte sie spontan nach, ob im Bodelschwingh-Haus noch ehrenamtliche Unterstützung benötigt würde. Kurz darauf stellte sie sich bei Christine Lutz, Koordinatorin für die Ehrenamtlichen vor. „Frau Eckert erzählte, sie habe den Wunsch, Menschen mit geistiger Behinderung in ihrer Freizeitgestaltung zu unterstützen und zu begleiten. Sie habe keine pädagogischen Vorkenntnisse und bislang keinerlei Kontakte zu Menschen mit geistiger Behinderung gehabt“, erinnert sich Lutz. „Um einen Eindruck von der Arbeit zu bekommen, empfahl ich ihr, sich unserer vierzehntägig stattfindenden Kochgruppe anzuschließen.“ „Frau Eckert sieht und hört mit dem Herzen, und hat ein ausgeprägtes Gespür dafür, unsere Bewohner fühlen zu lassen, dass jeder bzw. jede einzelne von ihnen etwas ganz Besonderes ist. Sie gibt unseren Bewohnern Selbstbewusstsein, sie ist ihnen eine Freundin“, ist Martina Schöler-Tillmanns vom Pastoraler Dienst begeistert. Eckert trage mit ihren zusätzlichen Angeboten und ihrer Wesensart dazu bei, dass der Alltag im Wohnheim noch abwechslungsreicher sei. „Bianca Eckert hat die Gabe, andere Menschen dadurch glücklich zu machen, dass sie Zeit hat und einfach da ist!“, sagt Lutz und betont: „In unserer Gesellschaft, in der Gewinnmaximierung, Leistung und Erfolge die Wertediskussion bestimmen, sind Menschen, die sich uneigennützig, mit Leidenschaft und Liebe für andere engagieren, die nicht zum Wirtschaftswachstum beitragen, eine Kostbarkeit!“ Die Auszeichnung Bianca Eckerts als „Heldin des Alltags“ war mit einem Preisgeld von 250 Euro verbunden. Das Geld fließt in Aktivitäten im Bodelschwingh-Haus. [AK] FOTO: PETER SCHWERING Tim Beckstedde freut sich über das Ergebnis der vielen Arbeit Gruppe Grün des Goerdthofs hat Erinnerungsstätte im Garten angelegt Bunt und freundlich den Verstorbenen gedenken Hell, bunt und freundlich: Die Bewohner der Gruppe Grün des Gordthofs hatten eine genaue Vorstellung davon, wie ihr Ort des Trauerns und Gedenkens an ihre verstorbenen Mitbewohner und Freunde aussehen sollte. Diese Stätte gestalteten die Bewohner der Einrichtung für Menschen mit Behinderungen des Johanneswerks gemeinsam mit Betreuern in der jährlichen Projektgruppe. BOCHUM. Die sechs Bewohnerinnen und Bewohner der Gruppe Grün beschlossen, dass der Ort zum Besuchen, Gedenken und auch zum Trauern im Garten des Goerdthofes entstehen sollte. Dafür waren einige Vorbereitungen von Nöten. Es folgten gemeinsame Überlegungen für die Gestaltung, den Ablauf und die Durchführung des Projektes. In dem regelmäßig stattfindenden Gruppengespräch – das irgendwann einmal passend zum Ausblick aus dem Fenster „Zur grünen Tanne“ getauft worden war – wurden alle Details des Projektes besprochen und Vorschläge und Ideen diskutiert. Am Ende wurde beschlossen, dass ein buntes Gedenkbeet entstehen sollte – hell, bunt und freundlich gestaltet. großes Engagement in Planung, Gestaltung und Umsetzung des Projektes. Auf Wunsch der Bewohner findet seit 2008 jedes Jahr eine Projektwoche der Gruppe Grün statt. Hierfür nehmen sich alle eine Woche Urlaub und entscheiden selbst, welche Aktivitäten und Projekte in dieser Woche stattfinden sollen. 2009 gab es zusätzlich Aktivitäten wie der Besuch des Zeiss Planetariums und ein langer Abend in der Disco „Prater“ in Bochum. Zudem wurde eine Tagesfahrt nach Holland, der Besuch des Segelflugplatzes und viele weitere Aktivitäten organisiert. Jedes Jahr freuen sich die Bewohner sehr auf die Projektwoche. Freuen auf die Projektwoche Michael S., Bewohner der Gruppe Grün sagte: „Das Projekt hat mir viel Spaß gemacht. Ich arbeite gerne im Garten.“ Auch die anderen Bewohner hatten viel Freude und zeigten Die Gruppe Grün wohnt im Stammhaus des Goerdthofs in Bochum. Sechs Bewohner können hier selbstbestimmt, mit Unterstützung und Assistenz, leben. Die Gruppe Grün ist eine Selbstversorgergruppe und somit für die Beschaffung von Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Lebens eigenverantwortlich. Die Gruppe bereitet die Bewohner auf ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben in einer Außenwohngruppe oder dem Ambulant Betreuten Wohnen vor. Auch in Zukunft werden auf Wunsch der Bewohner Projekte stattfinden und wer weiß – vielleicht hören Sie ja noch mal von uns ... [SASKIA ROSE, MITARBEITERIN GRUPPE GRÜN] Unser Werk Gemeinsam mit dem Betreuungspersonal fuhren die Bewohner in den Baumarkt, um Modellbaufarben, Pinsel, weiße Kieselsteine und bunte Blumen zu besorgen. Große Steine wurden im Garten gesucht, gesäubert und später individuell mit den Namen der verstorbenen Bewohnern sowie mit kleinen Bildern fröhlich und bunt gestaltet. Die bunt bemalten Steine fanden ihren Platz im Gedenkbeet. Drumherum wurde das Gedenkbeet mit weißen Kieselsteinen und farbenfrohen Blumen verschönert. 15 Die Stiftung mitLeidenschaft wurde 2001 gegründet als Stiftung des Ev. Johanneswerks zur Förderung und Unterstützung innovativer Projekte in der Diakonie. Die Stiftung hilft vor allem älteren Menschen und Familien, die in Armut leben müssen. Sie fördert Projekte für Kinder und Menschen mit Behinderung sowie Projekte auf dem Gebiet der Demenz. Vorstände sind Karsten Gebhardt und Burkhard Bensiek. Geschäftsführerin der kirchlichen Stiftung ist Elke Wemhöner. Sie können das Johanneswerk durch Spenden an die Stiftung mitLeidenschaft unterstützen. Spendenkonto KD-Bank: 88 8 88 8 88 8 (BLZ 350 601 90). Bei Fragen zu Spenden oder Vermächtnissen können Sie sich mit Geschäftsführerin Elke Wemhöner in Verbindung setzen, Tel. 05 21 /1 36 44 44 . FOTO: STIFTUNG MITLEIDENSCHAFT mitLeidenschaft Ein Zwillingskinderwagen hilft Karina L., den Alltag mit drei Kindern zu bewältigen Zwillingswagen und Spielzeugpäckchen Wenn Frau B. ihren kleinen Sohn aus der Kita abholen will, zählt für beide jede Minute. Nach einem ausgefüllten Tag am Ausbildungsplatz (für die Mutter) und in der Kita-Gruppe (für den Sohn) möchten beide schnell nach Hause. Ein gebrauchtes Fahrrad, aus Spendenmitteln der Stiftung mitLeidenschaft angeschafft, spart beiden Zeit. Und am Wochenende ist es als Transportmittel im Einsatz, wenn beide ins Grüne fahren. Ein Beispiel aus der Liste der Einzelfallhilfen, die im Rahmen der Aktion „Armut zum Fest“ möglich wurden. Zum Fest einen Wunsch erfüllen, den sich Bedürftige mit zu geringem Einkommen nicht leisten können – damit können sich viele Spender identifizieren. Hier setzt die Einzelfallhilfe der Stiftung an. Da die Fälle von jenen vorgeschlagen werden, die sich im Rahmen der ambulanten diakonischen Hilfen um Bedürftige kümmern, hat die Stiftung die Gewissheit, ganz im Sinne der Spender zu handeln. Auch für die Sozialpädagogen ist es ein gutes Gefühl, der alleinerziehenden dreifachen Mutter Karina L. eine praktische Lösung vorzuschlagen. Mit einem Zwillingswagen kann sie ihr Baby und das eineinhalb Jahre alte Geschwisterkind schieben und hat ihren Großen (sieben Jahre) auch noch gut im Blick. Wunschzettelaktion mit Tradition Einen wahren Berg von Geschenken haben Mitarbeiter der Stiftung und Sozialpädagogen aus der Grundschule in Bielefeld-Ubbedissen abgeholt. Das bekannte „Sockenmotiv“ der Aktion prangte auf 150 Wunschkarten, die Kinder im Kita- und Schulalter geschrieben hatten. Ein Feuerwehrauto, ein Fußball, Lesestoff, Malutensilien – alles kleine Wünsche. Die aber ihre Wirkung haben, wenn sie erfüllt werden. Kinder und Eltern der Ubbedisser Grundschule unterstützen seit vier Jahren die Wunschaktion. 16 Unser Werk Auch wenn die Spendengeber anonym bleiben: die Mitarbeitenden der verschiedenen ambulanten Hilfsangebote berichten immer wieder von der Freude, die ihre Klienten zeigen. Bei den Kindern wird das ganz unmittelbar deutlich, bei den Erwachsenen manchmal etwas verhaltender. So, als ob sie zunächst kaum glauben können, dass die kaputte Waschmaschine der siebenköpfigen Familie ersetzt wird oder der 61-Jährige Bett und Matratze anschaffen kann. [ER] Finanzamt belohnt Engagement Zustiftung oder Spende – beides hilft Bedürftigen Auch wenn sie relativ jung ist, hat die Stiftung mitLeidenschaft viele treue Spender. Nicht nur die Aktion „Armut zum Fest“ wird regelmäßig unterstützt. Immer wieder freut sich der Stiftungs-Vorstand über Beträge, die anlässlich von besonderen Ereignissen eingehen. Weniger bekannt ist die Möglichkeit des Zustiftens: Unter dem Dach der Stiftung können Menschen, die Gutes tun möchten, den Stiftungszweck oder konkrete Projekte unterstützen. Anschub für neue Projekte Ob freudig oder traurig: Die Goldene Hochzeit, ein runder Geburtstag oder der Abschied von Angehörigen sind Anlässe, Gratulanten oder kondolierende Gäste um Spenden zu bitten. Diese kommen Stiftungsprojekten zugute und helfen gelegentlich, Geplantes schneller auf den Weg zu bringen. Wünsche, den Gesamtbetrag für eine bestimmte Zielgruppe zu verwenden, können berücksichtigt werden. Desgleichen gilt für Zuwendungen, die die Stiftung erben soll. Wer spendet, kann seine Zuwendung von der Steuer absetzen. Der absatzfähige Höchstbetrag im Jahr entspricht 20 Prozent der Gesamteinkünfte. Privatleute legen zur Steuererklärung den Kontoauszug beim Finanzamt vor. Dies erübrigt sich mit einer Zuwendungsbescheini- gung, die die Stiftung mitLeidenschaft dem Spender zuschickt. Bei Überweisungen ist es sinnvoll, auch die Anschrift auf dem Überweisungsträger aufzuführen. Ein Weg, die Stiftung des Ev. Johanneswerks nachhaltig zu unterstützen, ist eine Zustiftung zu tätigen. Der Betrag fließt in das Stiftungsvermögen, stärkt den Zweck insgesamt und sorgt mit dafür, dass die zur Verfügung stehenden Zinsen wachsen. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Zustiftung für eine bestimmte Zielgruppe oder einen Zweck zu leisten. Zustiftungen werden ebenfalls als Steuer mindernd anerkannt. Eine besondere Regelung hat der Gesetzgeber für Begünstigte festgelegt, die ererbtes oder als Geschenk erhaltenes Vermögen in eine Stiftung fließen lassen. Noch zwei Jahre, nachdem die Steuerpflicht entstanden ist, können sie die rückwirkende Befreiung von der Erbschaft- oder Schenkungssteuer erhalten. Langfristig etwas bewegen Spenden oder stiften? Das ist eine Sache der persönlichen Überzeugung. Wer die Stiftung mitLeidenschaft fördert, engagiert sich generell für bedürftige Menschen. Das Einsparen von Steuern ist dabei die kleine Belohnung, die der Staat bereit hält. [ER] Unser Werk Bei der Aktion „Armut zum Fest“ ist das Motto Programm. Jeder noch so kleine Betrag fließt auf ein Konto, von dem Einzelförderungen bestritten werden. Über die Mitarbeitenden in den ambulanten diakonischen Diensten und den Sozialdiensten der Johanneswerk-Einrichtungen wird der Kontakt zu denen geknüpft, die Unterstützung benötigen. 17 Robert Jungk Preis für grenzüberbrückendes Wohn- und Pflegehaus Europaprojekt mit Zukunftspreis ausgezeichnet FOTO: FRANK ELSCHNER Wurden in Düsseldorf für ihre Arbeit ausgezeichnet: (v.l.) Annette Koenen (Leiterin Diakoniestation Bocholt), Andreas Jakob Theisen (Projektkoordinator), Pastor Helmut Dessecker (Projektleiter) und Anja Zimmermann (Leiterin Stabsbereich Europa) Seit einem Jahr betreibt das Ev. Johanneswerk das erste grenzüberscheitende Wohn- und Pflegehaus in Europa. Das Bültenhaus steht im Grenzgebiet zwischen der deutschen Stadt Bocholt und der niederländischen Gemeinde Aalten. Das zukunftsweisende Projekt wurde jetzt in Düsseldorf mit dem Robert Jungk Preis ausgezeichnet. DÜSSELDORF. „Diese Projekte zeigen neue Wege abseits des Üblichen auf“, lobte Dr. Marion Gierden-Jülich, Staatssekretärin im Generationenministerium Nordrhein-Westfalen, die Preisträger. „Sie zeigen, wie wir den demografischen Wandel für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft nutzen können: Mit Mut, mit Kreativität und vor allem mit Offenheit“, sagte Gierden-Jülich vor rund 400 Gästen im Düsseldorfer Ständehaus. Der Robert Jungk Preis zeichnet als wichtigster landesweiter Zukunftspreis herausragende Projekte, Initiativen und Firmen aus, die mit bürgerschaftlichem Engagement kreative und zukunftsweisende Konzepte zur Gestaltung des demografischen Wandels entwickelt haben. Auslober des Preises sind das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, das Städte-Netzwerk NRW und die Robert Jungk Stiftung Salzburg 18 Unser Werk Projekt erhält zusätzlich Sonderpreis Unter der Leitfrage „Wie wollen wir leben?“ hatten sich in diesem Jahr mit 274 Einsendungen so viele Projektinitiatoren wie nie zuvor auf den mit insgesamt 23.000 Euro dotierten Preis beworben. Insgesamt 29 Projekte wurden für ihre vorbildliches Engagement in Stadtteil und Quartier ausgezeichnet. Das Projekt des Ev. Johanneswerkes erhielt gleich zwei Preise. Neben dem Robert Jungk Zukunftspreis 2009 konnten die Verantwortlichen darüber hinaus den Sonderpreis für Engagement in Europa entgegennehmen. Anja Zimmermann, Leiterin Stabsbereich Europa im Johanneswerk, und Pastor Helmut Dessecker, Leiter des Europaprojekts, freuten sich über die Würdigung einer nicht immer einfach umzusetzenden Idee. Symbol für grenzüberschreitendes Handeln Das Europaprojekt kann als Symbol für europäisches Handeln über Landesgrenzen hinaus stehen: Im deutschen Suderwick steht das Bültenhaus des Johanneswerks, das in zwölf Wohneinheiten des betreuten Wohnens und in einer Wohngemeinschaft für ältere Menschen Pflege- und Versorgungsdienste anbietet. Die Besonderheit ist, dass das Bültenhaus mit dem niederländischen Appartement-Komplex des Careaz Dr. Jenny Woonzorgcentrums über eine Brücke verbunden ist. In diesem Herzstück der Einrichtung befindet sich das Wohnzimmer einer binationalen Wohngemeinschaft sowie ein Begegnungszentrum der Kulturen. Das Gemeinschaftsprojekt ermöglicht insbesondere Suderwicker Bürgern, eine wohnortnahe Versorgung im Alter in Anspruch zu nehmen. [AK] FOTO: FRANK ELSCHNER Das Haus am Ginsterweg ist einer der Kooperationspartner, die das neue Demenzcafé auf die Beine stellen. Ab Sommer sollen hier Betroffene und Angehörige Unterstützung finden Finanzielle Unterstützung kommt aus dem Konjunkturpaket Castrop-Rauxel bekommt erstes Demenzcafé Wohin mit Fragen und Problemen, wenn ein Familienmitglied an Demenz erkrankt ist. In Castrop-Rauxel hat das Haus am Ginsterwerg, eine Alteneinrichtung des Ev. Johanneswerks, in Zusammenarbeit mit dem Pflegenetz Rosenberger und der Stadt jetzt die Grundsteine für ein Demenzcafé im Familienzentrum „Mikado“ gelegt. Bereits im Dezember unterzeichneten die Sozialpartner eine Kooperationsvereinbarung. CASTROP-RAUXEL. Sponsoren gesucht Das Demenzcafé wird die erste Einrichtung dieser Art in Castrop-Rauxel sein. Brunhilde Umek und Katharina Schulte-Loose von Seiten des Johanneswerks, Martina Bölling- Rosenberger und Inge Strunk vom Pflegenetzwerk Rosenberger sowie Brigitte Elling aus dem Bereich Soziales der Stadt Castrop-Rauxel werden eine Lenkungsgruppe bilden, die gemeinsam Konzepte entwickelt und für den Aufbau und Betrieb des Cafés verantwortlich ist. Die Stadt hat die finanziellen Mittel für die baulichen Maßnahmen bereitgestellt. Hinzu kommen 500.000 Euro aus dem Konjunkturpaket II, womit die Räumlichkeiten in dem Familienzentrum umgestaltet werden. So steht bereits ein spezielles Beleuchtungssystem, das auf die veränderte Wahrnehmung der demenziell erkrankten Besucher ausgerichtet ist und beispielsweise auf Tages- oder Abendstimmung eingestellt werden kann. Noch fehlt Geld für das Mobiliar, die Stadt ist jedoch auf der Suche nach Sponsoren oder Spendern. [JB] Unser Werk Im Sommer soll der Treffpunkt für Betroffene und Angehörige im Stadtteil Schwerin eingeweiht werden und dann genügend Platz für Fachvorträge, Gespräche und Schulungen bieten. Um das Thema Demenz mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken und Berührungsbarrieren zu überwinden, ist absichtlich der Standort im Familienzentrum gewählt worden – ein Treffpunkt für Jung und Alt. Geplant seien darüber hinaus die Einrichtung eines Krisentelefons sowie eines Begleitservices, berichtet Brunhilde Umek, Leiterin des Hauses am Ginsterweg. 19 Johanneswerk-Vorstand kritisiert Transparenzberichte für Altenheime FOTO: WERNER KRÜPER Pflege nicht nur auf dem Papier messen Wie gut oder schlecht ist eine Alteneinrichtung? Anhand von Schulnoten sollen jetzt Interessierte die Einrichtungen einschätzen und vergleichen können. Im Internet sind bereits die ersten dieser so genannten Transparenzberichte einsehbar. Die Qualitätsprüfungen werden vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) im Auftrag des Gesetzgebers durchgeführt. „Das Angebot geht in die richtige Richtung“, sagt Dr. Bodo de Vries, Johanneswerk-Vorstandsmitglied. „Das Verfahren muss jedoch dringend überarbeitet werden“, kritisiert der 45-Jährige. 20 Unser Werk Das neue Pflegeweiterentwicklungsgesetz sieht vor, dass bis Ende 2010 alle Alteneinrichtungen in Deutschland geprüft werden. Ab dem kommenden Jahr sollen die Qualitätsprüfungen dann jährlich stattfinden. Die Ergebnisse – Gesamtnoten und Einzelkriterien – werden im Internet sowie als Aushang in den geprüften Einrichtungen veröffentlicht . Der MDK kommt zu den meist zweitägigen Prüfungen grundsätzlich unangemeldet in die Häuser. Das Johanneswerk gehört mit 31 Alteneinrichtungen bundesweit zu den großen Anbietern in diesem Bereich. In einem Hintergrundgespräch redeten die Fachleute des Johanneswerks mit Journalisten über die Grundlagen des neuen Gesetzes und die Kritik von Seiten des diakonischen Trägers. Statistische Methode fragwürdig Die Mitarbeiter des MDK prüfen bis zu 230 Fragestellungen, von denen 82 Prüffragen in fünf unterschiedlichen Bereichen veröffentlicht werden: Pflege und medizinische Versorgung; Umgang mit demenzkranken Bewohnern; soziale Betreuung und Alltagsgestaltung; Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene; Befragung der Bewohner. Insgesamt werden vier Einzelnoten errechnet, in die eine unterschiedliche Anzahl von Kriterien einfließt. Daraus entsteht eine Gesamtnote. Die Befragung der Bewohner wird getrennt behandelt. „In unseren Einrichtungen legen wir großen Wert darauf, so viel Zeit wie möglich mit den Bewohnern zu verbringen“, betont de Vries. „In den Prüfungen wird dagegen mehr Gewicht auf die schriftliche Dokumentation der Abläufe gelegt. Das heißt, dass ein regelmäßig stattfindender Singkreis nicht bewertet wird, wenn dieser nicht schriftlich dokumentiert ist. Wenn aber in einem Konzept erwähnt wird, dass es schön wäre, einen Singkreis zu veranstalten, dann fließt das positiv in die Bewertung ein.“ De Vries warnte vor den Auswirkungen dieses Systems. Es könne dazu führen, dass die Mitarbeiter in deutschen Alteneinrichtungen demnächst mehr Zeit mit Dokumentationen und weniger mit den Bewohnern verbringen würden. Die Transparenzkriterien sind unterteilt in einrichtungs- und bewohnerbezogene Prüffragen. Dabei gibt es einrichtungsbezogene Ja/Nein-Fragen, bewohnerbezogen werden Mittelwerte errechnet. „Alle Prüfbereiche sind mit einer unterschiedlichen Anzahl von Kriterien hinterlegt, was in vielen Fällen zu statistischen Verzerrungen führt“, kritisiert Dr. Gero Techtmann, Referent für Qualitätssteuerung im Geschäftsbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. „Zudem werden viele Kriterien nur anhand von sehr wenigen Bewohnern überprüft“, so Techtmann. „Trifft beispielweise die Frage nach dem korrekten Anlegen von Kompressionsstrümpfen nur auf eine Person der Stichprobe zu, gilt das Ergebnis als repräsentativ für alle Bewohner der Einrichtung“. Er wies auch darauf hin, dass bei zu vielen bewohnerbezogenen Fragen nur die Pflegedokumentation konsultiert werde, nicht jedoch die Menschen. De Vries kritisiert, dass auch die Qualität der Betreuung von demenzkranken Bewohnern nur anhand der Dokumentation gemessen werde. Um die Zufriedenheit dieser Menschen, die durchschnittlich 70 Prozent aller Bewohner ausmachen, überprüfen zu können, müssten Angehörige befragt oder die Betroffenen, die sich nicht selbst äußern könnten, beobachtet werden. „Die Lebens- und Ergebnisqualität in den Alteneinrichtungen soll geprüft werden. Aber wie kann das gehen, wenn die Fragen sich zum größten Teil um medizinische Versorgung drehen und niemand danach fragt, wie viel Zeit das Pflegepersonal mit den Bewohnern verbringt“, wundert sich de Vries, „oder ob überhaupt genügend Personal vorhanden ist.“ Obwohl die Johanneswerk-Einrichtungen bisher in den Prüfungen gut abgeschnitten haben – vor allem bei der Befragung der Bewohner gab es ausschließlich sehr gute Noten – setzt sich de Vries dafür ein, dass die Qualitätsprüfungen gründlich überarbeitet werden. Verschiedene Wohlfahrtsund Pflegeverbände haben bereits Klage eingereicht. Ziel ist es, so de Vries, die wissenschaftlich sehr problematische Methode auf den Prüfstand zu stellen, die Prüfungsbereiche weiterzuentwickeln sowie die Themen Demenz und Beziehung mehr in den Fokus zu rücken. Damit in Zukunft nicht mehr geprüft werde, ob es der Pflegedokumentation gut gehe, sondern ob die Bewohner sich wohlfühlten. [AK] Unser Werk Viel Zeit für die Bewohner ist wichtig. Im Transparenzbericht zählt jedoch nicht, ob ein Singkreis für demente Menschen stattfindet, sondern ob er gut dokumentiert ist Thema Demenz besser überprüfen 21 Strategieprozess bezieht alle Mitarbeitenden ein Die Klinik des Jahres 2015 im Blick 22 Unser Werk Startschuss war ein Workshop, zu dem sich 33 Mitarbeitende der Klinik Wittgenstein, der Rhein-Klinik und der Hellweg-Klinik trafen, um Zielrichtung und Visionen für die Kliniken zu entwickeln. Sie diskutierten über mögliche Stärken und Schwächen der Einrichtungen sowie Risiken und Chancen, die kommende Veränderungen mit sich bringen. Vorausgegangen war dem Workshop die SWOT-Analyse des Deutschen Krankenhausinstitutes (Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken). Nach der Präsentation der Analyse ging es in die zweite Phase des Workshops, die von Prof. Dr. Eckard König vom Wissenschaftlichen Institut für Beratung und Kommunikation (Paderborn) moderiert wurde. Die Bearbeitung der Ergebnisse erfolgt zurzeit durch ein Projektteam aus allen Professionen, Orten und Generationen; die Projektleitung haben Lars Bienek (Stabsbereich Zentrales Klinikmanagement) und Prof. König. Was bringt die Zukunft für die stationäre Psychotherapie, Psychosomatik und Psychiatrie? Wie verändern sich die Bedingungen und wie können sich die Kliniken rechtzeitig darauf vorbereiten? Wie sehen die Angebote des Jahres 2015 aus? Diese Fragen soll der Strategieprozess der Kliniken des Ev. Johanneswerks beantworten. Innerhalb eines Jahres, bis August 2010, sollen die Ergebnisse und somit die künftige Ausrichtung der Kliniken vorliegen. Neue Behandlungsbedarfe identifizieren Das Projekt „Strategie Kliniken 2015“ hat folgende Schwerpunkte: Vision und Strategie, Ertragskraft steigern, Führungs- und Managementstrukturen anpassen, Prozessorganisation verbessern, neue Behandlungsbedarfe identifizieren und bewerten, Innovationsund Wachstumsformen erkennen und umsetzen, diakonisches Profil schär fen sowie Personalentwicklung. Auf diese Schwerpunkte werden sich die strategischen Ziele der nächsten Jahre beziehen. Führungskräfte und Mitarbeitende der Kliniken haben einen gesundheitspolitischen Statusbericht erhalten, der einen Überblick zur derzeitigen Lage gibt, in der sich die Kliniken befinden. Daraufhin können alle ihre Anmerkungen, Anregungen und Ideen einbringen, bevor aus dem Entwurf dann eine endgültige Vision 2015 erstellt wird. [GABRIELE RAHRBACH-REINHOLD, MARKETINGBEAUFTRAGTE REGION WITTGEN STEIN/LARS BIENEK, PROJEKTLEITER] NTZ Duisburg hat erste Patienten aufgenommen Gleich am ersten Werktag des neuen Jahres kamen die Patienten: Das Niederrhein Therapiezentrum (NTZ) Duisburg hat damit seine Arbeit aufgenommen. FOTO: ANETTE KLEIN DUISBURG. Der Neubau an der Dahlingstraße hat 100 Plätze für Männer, die im Zusammenhang mit ihrer Drogensucht und -abhängigkeit straffällig geworden sind und für die die Therapie Teil des Strafvollzugs ist. Anders als bei älteren Einrichtungen der Forensik sorgt eine Umzäunung aus Spezialkunststoff für Transparenz. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass der Zaun ohne Hilfsmittel unüberwindbar ist und innerhalb des NTZ ein hoher Sicherheitsstandard besteht. [ER] FOTO: ULLA EMIG (v.l.) Pastor Dr. Ingo Habenicht, Dr. Berhard Wittmann und Andrea Piccenini demonstrieren das Sicherheitssystem Dr. Thomas Redecker leitet die Hellweg-Kliniken Dr. Thomas Redecker in Kuratorium berufen OERLINGHAUSEN/HAMM. Dr. Thomas Redecker wurde in das Wissenschaftliche Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen berufen. Der 53-Jährige ist Ärztlicher Direktor der Hellweg-Kliniken des Ev. Johanneswerks, Fachkrankenhäuser für die Behandlung von Suchterkrankungen wie Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. Das Kuratorium mit Sitz in Hamm berät die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen im wissenschaftlichen Kontext von Erforschung, Prävention, Therapie und Rehabilitation von Suchtgefahren, Suchtschäden und Suchtmitteln. Das Kuratorium setzt sich zusammen aus fachlich ausgewiesenen Wissenschaftlern sowie weiteren unabhängigen einfluss- und kenntnisreichen Personen. Dr. Redecker ist Psychiater, Psychotherapeut und Diplom-Psychologe. Er leitet die Hellweg-Klinik in Oerlinghausen seit 1992 und unter seiner Regie wurden die Tageskliniken in Lage und Bielefeld gegründet. Redecker hat am Aufbau verschiedener regionaler Beratungsverbünde mitgewirkt. [AK] Unser Werk Nachdem der neue Komplex im Südwesten von Duisburg fertig gestellt war, folgte im September die Schlüsselübergabe an die Trägervertreter des Ev. Johanneswerks und der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sowie an die NTZ-Geschäftsführung. Andrea Piccenini und Dr. Bernhard Wittmann nutzten die folgenden Monate, um die insgesamt 150 Mitarbeitenden fit zu machen für den Betriebsbeginn. 23 Junger Künstler sorgt für heitere Stimmung Leuchtturm-Graffiti ehrt Förderer der Tagesklinik Die Tagesklinik in der exquisit restaurierten alten Villa im Park der Rhein-Klinik wird von den Mitarbeitern wegen ihres schönen Ambientes sehr geliebt. Nach Vollendung der Umbauarbeiten mangelte es jedoch noch an Bildern. Die Mitarbeitenden wollten bei der Gestaltung gerne die Förderer und Unterstützer der Tagesklinik ehren. Bärbel Balensiefen aus dem PflegeTeam, die die Idee hatte, fand, dass Verwaltungsleiter Wilhelm Strohmeier ein gerüttelt Maß an Belohnung für seinen Einsatz für die Restaurierung und Einrichtung der Tagesklinik zukomme. Schließlich hatte er unermüdlich die Arbeiten überwacht und gelenkt. Dr. Roland Vandieken, Chefarzt der Tagesklinik, kam auf die Idee, Bärbel Balensiefens Sohn Johannes mit dem “Hauptwerk” zu beauftragen. Johannes Witten – der vor mehreren Jahren während seiner Schulzeit ein Praktikum in der Rhein-Klinik, einem Krankenhaus für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, absolvierte – ist begabter Maler. Diese Kunst hat er von seinem Vater gelernt. Er hat sich schon früh dem Graffiti zugewandt, ein Begriff, der von vielen missverstanden wird als dilettantische Sprayerei an Hauswänden oder anderen öffentlichen Flächen. Doch zwischen dem lästigen Geschmier und der Graffiti-Kunst liegen Welten. 24 Unser Werk Witten malt oder sprayt mit Farbe und seine Bilder erinnern an die Murals, die in vielen amerikanischen Städten auf Wunsch der Kommunen oder Hausbesitzer die Wände verschönern. Natürlich gab es in seiner “Frühzeit” öfter Ärger – weil Graffiti in diesem unserem etwas grau gestimmten Land, egal wie kunstreich sie sind, von vielen als störend empfunden werden. Sprayer bewegen sich immer an der Grenze der Legalität, wenn sie nicht im Auftrag eines “Wandbesitzers” handeln. Schon mit 15 Jahren durfte Witten an einem Riesenprojekt mitarbeiten. Eine größere Firma in Neuwied ließ eine Fassade farbig gestalten. Es folgten Aufträge von Kindergärten, Firmen, Jugendzentren etc. Inzwischen hat der 24-Jährige – der “hauptberuflich” in Köln Maschinenbau studiert – eine FOTOS: BÄRBEL BALENSIEFEN BAD HONNEF. Vernissage im Treppenhaus: (v.l.) Oberarzt Alexander Völker, Roland Vandieken, Hausmeister Wolfgang Schmidt, Wilhelm Strohmeier und Johannes Witten eigene Technik entwickelt: Er kombiniert Schabloneneinsatz mit freihändiger Malerei. Diese Technik erfordert hohes künstlerisches Geschick. Zu besichtigen an dem fantastischen Leuchtturmbild im Treppenhaus der Tagesklinik. Dankeschön für Wilhelm Strohmeier Das Motiv des Leuchtturms wurde zu Ehren von Wilhelm Strohmeier gewählt, der ein Leuchtturmfan ist. “Dieser Leuchtturm”, so Bärbel Balensiefen, “soll ein Denkmal für Herrn Strohmeier sein!” Zur Fertigstellung gab es deshalb eine Vernissage, bei der nicht nur das Kunstwerk, sondern auch der Künstler die verdiente Ehrung durch die vielen Gäste erhielt. Vielleicht ändert ja dieses Bild ein wenig die allgemeine Zurückhaltung gegen “Kunst an der Wand”! Künstlerisch bemalte Wände im öffentlichen Raum oder auch – wie bei uns – in Gebäuden können heiter stimmen und machen wach im grauen Einerlei unserer Gebrauchsarchitektur. [MONIKA MIRGELER, ZENTRALE RHEIN-KLINIK] FOTO: GABRIELE RAHRBACH Bereichsleiterin Gabi Miss (r.) freut sich, dass Luise Rath Schnuffel besonders ins Herz geschlossen hat Ausgesetztes Kaninchen wird zum kleinen Star in Alteneinrichtung Demenzstation hat einen schnuffeligen Mitbewohner „Schnuffel“ wird in seinem geräumigen Käfig mit sauberem Streu und knackigen Möhren gut versorgt und fühlt sich pudelwohl. Regelmäßig kommt eine Dame oder ein Herr vorbei, um sich zu vergewissern, dass „Schnuffel“ wirklich alles hat. „Muss der noch was zu fressen haben?“, fragt auch Luise Rath. Die Bewohnerin kennt sich aus mit Kaninchen. Zu Hause hat sie früher auch immer welche gehabt, in ihrem Garten. „Aber abends hab’ ich sie immer reingetan.“ Sie genießt es, ab und an das weiche Fell des Tieres zu streicheln und schaut häufig nach „Schnuffel“. „Ich spreche auch mit ihm“, lacht Luise Rath, dafür steht extra ein Stuhl neben dem Käfig. Das braun-weiße Tier mit flauschigem Fell und Schlappohren war in einem Karton auf der Berliner-Straße in Bad Berleburg ausgesetzt, von einer Dame gefunden und bei dem Polizeibeamten Heiko Pratsch abgegeben worden. Doch wohin mit dem süßen Vierbeiner? Seine Tochter Julia hatte die rettende Idee, das Zwerg-Kaninchen den alten Menschen im Haus am Sähling zu schenken. Verantwortungsgefühl ist wichtig Julia hatte während ihres Konfirmandenunterrichts die Bewohner der Alteneinrichtung besucht und mit ihnen gelesen oder Gesellschaftsspiele gespielt. Der Teenager übernahm gleich auch die Patenschaft für das Tier und versprach, Heu und Möhren vorbeizubringen. „Schnuffel“, „Moppel“ oder „Möpschen“ – der Name variiert je nach Ansprechpartner – bringt eine Menge zusätzlichen Schwung in den „Rosengarten“. Jeder will das Kaninchen streicheln oder füttern. Die positive Wirkung des Mümmelmanns kann Bereichsleiterin Gabi Miss bei den meisten der 23 älteren Menschen auf der Demenzstation jetzt schon feststellen: „Die Bewohner sind interessierter. Der gleichmäßige Tagesablauf, den Menschen mit Demenz natürlich brauchen, wird durch etwas Lebendiges unterbrochen. Das merken wir immer, wenn Tiere oder kleine Kinder im Haus sind – das ist jedes Mal ein Highlight.“ Gabi Miss und das Pflegepersonal passen jedoch gut auf, dass „Schnuffel“ nicht überfüttert wird: „Wenn keiner da ist, machen wir den Käfig auf und holen überschüssiges Futter wieder raus. Aber den Moment, das Verantwortungsgefühl, lassen wir den Bewohnern schon.“ Den Morgen verbringt der haarige Hausgenosse im warmen Wohnzimmer der Demenz-Station, nachmittags geht es dann in den Aufenthaltsraum der 23 Bewohner, damit ihn möglichst viele sehen. Für den Sommer plant das Haus den Bau eines Kaninchenstalls und eines Pferchs im Garten, damit „Schnuffel“ Wiesenluft schnuppern kann, so Gabi Miss. Sie freut sich über den Zuwachs, gibt aber zu bedenken, dass weitere Tiere nicht in die Einrichtung aufgenommen werden können. Luise Rath macht sich darüber keine Gedanken. Bevor sie sich zur Mittagsruhe legt, hat sie schon einen Plan für den Nachmittag: „Nachher, wenn ich Kaffee getrunken hab’, Häschen, dann kriegste ein Stückchen Kuchen!“, flüstert sie „Schnuffel“ ins Ohr und zwinkert. [GABRIELE RAHRBACH, REGIONALE MARKETINGBEAUFTRAGTE] Unser Werk Brotkrusten sind neuerdings auf der Demenzstation „Rosengarten“ des Hauses am Sähling besonders beliebt. Doch nicht die Bewohner der Alteneinrichtung in Bad Berleburg haben eine neue Leibspeise, sondern „Schnuffel“, das Findel-Kaninchen der Station. BAD BERLEBURG. 25 FOTO: WERNER KRÜPER Ziel von Kirsten Erciyas und den anderen Mitarbeitenden der Schulstation ist es, Schülern wie Christoph den Weg in eine Regel- oder Förderschule zu ebnen Grünauer Einrichtung wird zehn Jahre alt Schulstation ermöglicht Lernen in schwierigen Situationen Die heilpädagogisch/therapeutische Einrichtung GrünauHeidequell ist eine Jugendhilfeeinrichtung, die sich schwerpunktmäßig der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen widmet, die in ihrer Vorgeschichte Opfer von Missbrauch und Gewalt waren. Mögliche Folgen sind massive psychische Auffälligkeiten in verschiedensten Ausprägungen, zum Beispiel unsicheres Bindungsverhalten, Traumatisierungen oder Grenzverletzungen. Die Kinder benötigen aufgrund ihrer Vorgeschichten einen sicheren, verlässlichen und somit heilenden Entwicklungsraum sowie einen erhöhten Betreuungsaufwand. BAD SALZUFLEN. 26 Unser Werk Einige dieser Kinder sind zumindest vorübergehend nicht in der Lage, eine öffentliche Schule zu besuchen. Doch die Kinder in der Johanneswerk-Einrichtung Grünau sollen auch Zugang zu schulischer Bildung haben. Deshalb wurde in unmittelbarer Nachbarschaft im Jahr 2000 in einem alten Speicherhaus auf dem Hof Nacke eine interne Schulklasse mit zunächst sechs Plätzen eingerichtet. Das Projekt Schulstation hatte Erfolg und der Bedarf stieg nach und nach an. Eine Rolle spielte dabei die Einrichtung neuer TherapieIntensivgruppen in Grünau. Seit dem Jahr 2007 ist die Schulstation Grünau mit 24 Plätzen eine Außenstelle der Regenbogenschule des Kreises Lippe. Es besteht seitdem eine Kooperationsvereinbarung zwischen den heilpädagogisch/therapeutischen Einrichtungen Grünau-Heidequell, dem Kreis Lippe und der Bezirksregierung Detmold. Die Regenbogenschule entsendet Lehrpersonal, Grünau stellt die Räumlichkeiten und päd- agogischen Mitarbeiter zur Verfügung, die den Unterricht begleiten. In der Schulstation werden Kinder und Jugendliche in einem überschaubaren Rahmen mit individuell veränderbaren Bedingungen gefördert. Die Schüler und Schülerinnen haben zum Beispiel Schulängste, leiden unter schweren Depressionen, verhalten sich besonders aggressiv oder sind in einer akuten Krisensituation. In der Schulstation bekommen sie durch intensive Betreuung und Förderung die Möglichkeit, für eine Übergangszeit zur Ruhe zu kommen, sich wieder in den Alltag einzufinden und Lernerfolge zu erzielen. Eine wichtige Zielsetzung der Schulstation ist der Weg zurück an die Regel- oder Förderschule. Am 11. Februar dieses Jahres konnte die Schulstation Grünau ihr zehnjähriges Bestehen feiern. [BÄRBEL THAU, GESCHICHTSSCHREIBUNG, CKERT, GRÜNAU] UND ANGELIKA WEHMANN-HA- Johanneswerk ist Projektpartner am Ceciliengymnasium Schüler starten sozial kompetent in den Beruf Dass die Elftklässler für zwei Wochen in eine soziale Einrichtung gehen, hat sich am so genannten Ceci bereits etabliert. Doch 2008 hatte sich das Gymnasium erfolgreich bei der Stiftung Partner für Schule NRW um eine Förderung zur vertieften Berufsorientierung beworben. Unter anderem unterstützt durch das Johanneswerk startete nach den Osterferien die AG Sozialpraktikum. Neun Schüler haben unter Leitung von Johanneswerk-Bildungsreferentin Christine Schulze-Kruschke ihr freiwilliges Sozialpraktikum vor- und nachbereitet. FOTO: RUTH BEUTHE Haben an der AG teilgenommen: (hinten v.l.) Maria Schächtel, Joti Baggri, Michael Andreyev, Katarina Ditte, Jennifer Stollarz, (vorne v.l.) Julia Wiethüchter, Hannah Schmidt und Naomi Neubauer „Ich halte es für wichtig, auch soziale Kompetenzen zu vermitteln,“ sagt Schulleiterin Dorothea Bratvogel bei der Abschlussveranstaltung. Die AG sei ein „ungeheurer Vorteil“. Schulze-Kruschke wollte in der AG auch die Persönlichkeit der jungen Menschen stärken. „Die Gesellschaft redet im Moment viel über Geld und wenig über Soziales. Wir wollten die Bedeutung des Sozialen in einer modernen Gesellschaft hervorheben.“ Dabei half auch die Agentur für Arbeit Bielefeld, die den Schülern berufliche Perspektiven im sozialen Bereich veranschaulichte. Soziale Sensibilität verbessern, Empathie entwickeln, Verschiedenartigkeiten akzeptieren lernen und die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen entdecken – all das waren Inhalte der AG. Dass die AG ein Erfolg war, zeigen überraschende persönliche Erkenntnisse: Ein Schüler entschied sich nach dem Praktikum dazu, Erzieher zu werden. Eine Mitschülerin entdeckte den Berufswunsch Hebamme. Auch die 18-jährige Maria Schächtel zieht ein positives Fazit: „Durch die AG haben wir viel über uns selbst, aber auch über andere erfahren.“ [RUTH BEUTHE] Impressum Rahrbach, Peter Schwering, Hilla Südhaus, Christian Weische Unser Werk Zeitschrift für Freunde und Förderer des Ev. Johanneswerks e.V. Postfach 10 15 53; 33515 Bielefeld Herausgeber: Karsten Gebhardt (v.i.S.d.P.) Redaktion Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Ev. Johanneswerks Elke Wemhöner [ER] (Leiterin) Anne Kunzmann [AK] (Redaktionsleitung) Claudia Herrmann [CH] (Stiftung mitLeidenschaft) Julia Bindzus [JB] (Volontärin) Grafik und Satz: Wienold deSign Druck: art+image gmbH, Minden Versand: Lettershop Integra, Lüdenscheid Beratender Redaktionskreis: Burkhardt Bensiek, Ditha Menzel, Wolfgang Müller, Pastor Günter Niemeyer, Marion Plaß, Gabriele Rahrbach-Reinhold, Dr. Karin Schreiber-Willnow, Bärbel Thau, Heike von Loh, Gabriele Walczak, Siegfried Wolff, Anja Zimmermann Unser Werk steht allen Lesern für Beiträge und Meinungsäußerungen offen. Anonyme Beiträge können nicht veröffentlicht werden. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei den meisten geschlechtsspezifischen Bezeichnungen die männliche Form gewählt. Schildescher Straße 101-103, 33611 Bielefeld www.johanneswerk.de Telefon 0521/801-2563; Telefax 0521/801-2569 Das Ev. Johanneswerk ist einer der großen diakonischen Träger Europas E-Mail [email protected] mit Sitz in Bielefeld. Rund 6.000 Mitarbeitende sind in mehr als 70 Einrich- Bestellung und Abmeldung bitte unter dieser Adresse. tungen tätig. Die diakonischen Angebote richten sich an alte, kranke und Herstellung behinderte Menschen, Kinder und Jugendliche und schließen die offene di- Fotos: Bärbel Balensiefen, Ruth Beuthe, Pia Blümig, Frank Elschner, Ulla akonische Arbeit im Kirchenkreis Bielefeld ein. Gegründet wurde das Werk Emig, Anette Klein, Werner Krüper, Christine Lutz, Veit Mette, Gabriele 1951. Der Vorsitzende des Vorstands ist Karsten Gebhardt. Redaktionsanschrift: Ev. Johanneswerk e.V., Unser Werk BIELEFELD. Das Sozialpraktikum ist am Bielefelder Ceciliengymnasium keine neue Einrichtung. Dennoch war die Abschlussveranstaltung der AG Sozialpraktikum eine ganz Besondere: Knapp ein Jahr hat das Ev. Johanneswerk Schüler der Klasse elf bei einem vom Land geförderten Projekt angeleitet und begleitet. 27 Zwei Frauen feiern nach über 50 Jahren Wiedersehen im Haus am Sähling Heimattreffen am Frühstückstisch Ida Scholz und Gertrud Ziegert trennen nur wenige Zentimeter voneinander: Gemeinsam schwingen sie bei der Sitzgymnastik im Haus am Sähling bunte Bänder zu fröhlicher Musik. Die Damen teilen mehr als nur diese Bewegungsübungen miteinander. Genau genommen haben sie sogar eine gemeinsame Geschichte. Und die beginnt in Giehren, Niederschlesien, einem Ort im Isergebirge, der sich heute Gierczyn nennt. Die beiden heute 98- und 87-Jährigen waren damals Nachbarinnen. BAD BERLEBURG. Mehr als ein loser Kontakt entstand zwischen ihnen aber nicht. Der 2. Weltkrieg führte beide mit ihren Familien aus Giehren hinaus. Sie mussten flüchten und verloren sich aus den Augen – bis vor kurzem. Als Gertrud Ziegert, seit einiger Zeit Bewohnerin im Haus am Sähling, eine neue Sitznachbarin beim Frühstück bekam, war ihr gleich klar: „Diese Frau kenne ich. Ich hab’ sie gleich erkannt – sie mich aber nicht. Und da haben wir das erste Mal zusammen gefrühstückt – und Mittag gegessen und Abendbrot.“ Nachbarinnen, ohne es zu wissen Aber auch Ida Scholz wusste rasch wieder, dass sie eine Bekannte aus ihrem Heimatort gefunden hatte: „Das Gesicht hat sich verändert, ja“, gibt sie zu. Aber ansonsten hatten beide sofort wieder Anknüpfungspunkte zum gemeinsamen Gespräch: Schulzeit, Schule und gemeinsame Bekannte. „Was früher war, wird alles auf den Tisch gelegt“, so Ida Scholz. Ev. Gemeindedienst mit neuer Diakoniestation Palliativpflege Zeit für die Betreuung schwerkranker Patienten Zuhause versorgt werden: Das ist der Wunsch vieler Menschen, die aufgrund schwerer und unheilbarer Erkrankungen auf sehr spezialisierte Pflege und Begleitung angewiesen sind. Möglich wird das dank der individuellen und umfassenden Betreuung durch die Mitarbeitenden der neuen Diakoniestation Palliativpflege des Ev. Gemeindedienstes im Johanneswerk. FOTO: PIA BLÜMIG BIELEFELD. 28 Unser Werk Sicherheit und Geborgenheit dank professioneller Hilfe in den eigenen vier Wänden Die Fachkräfte der Bielefelder Diakoniestation sind für die Palliativpflege ausgebildet. Sie helfen den schwerkranken Menschen, so beschwerdefrei, selbstbestimmt und aktiv wie möglich die verbleibende Lebenszeit in Gesellschaft vertrauter Angehöriger und Freunde zu verbringen. Sie kümmern sich um die Linderung von Schmerzen und an- Geburtstage FOTO: GABRIELE RAHRBACH Diakonisches Werk Wittgenstein gGmbH, Bad Berleburg: Elke Mueller [21.5.1960] 50 J. proService GmbH, Bielefeld: Hans-Norbert Friedrich [13.4.1960] 50 J.; Gerda Jachmann [24.4.1950] 60 J.; Ulrich Schwarze [18.5.1950] 60 J. Region Bad Honnef: Rhein-Klinik, Bad Honnef: Brigitte Wiemer [5.5.1960] 50 J. Das Kuriose an der Geschichte: Beide wohnen seit Jahrzehnten nur wenige Straßen voneinander entfernt mit ihren Familien in Bad Berleburg – ohne sich jemals bewusst zu begegnen. Für diesen Zufall sorgte jetzt die Unterbringung in der Alteneinrichtung des Ev. Johanneswerks. Für Ida Scholz, die nur dann und wann ein paar Tage zur Kurzzeitpflege ins Haus am Sähling kommt, ist klar, dass sie wiederkommen und Gertrud Ziegert besuchen möchte. [GABRIELE RAHRBACH, REGIONALE MARKETINGBEAUFTRAGTE] deren Krankheitssymptomen, leisten umfassende Pflege und helfen den Patienten und deren Angehörigen in psychischen, sozialen und spirituellen Belangen. Sicherheit und Geborgenheit durch umfassende Fürsorge vermitteln: Damit dies gelingen kann, bringt das Team der Diakoniestation Palliativpflege ausreichend Zeit mit. Die Mitarbeitenden haben Zeit für Gespräche, Zuhören, die Ermittlung und Erfüllung von Wünschen, den Aufbau von Vertrauen und Zuwendung sowie die Begleitung und Beratung der Angehörigen. Der neue Pflegedienst hat seinen Sitz auf dem Johannesstiftsgelände und gehört zum Palliativnetz Bielefeld. Außerdem arbeiten die Pflegefachkräfte eng zusammen mit der Hospizarbeit des Ev. Johanneswerks und den evangelischen Kirchengemeinden. Der Palliativpflegedienst garantiert Versorgung rund um die Uhr und ist für die Patienten und Angehörigen jederzeit erreichbar. Informationen erhalten Interessierte unter der Telefonnummer: 0521/40 07 68 93 oder per E-Mail: [email protected] [AK] Region Behindertenhilfe-Wohnen: Goerdthof, Bochum: Claudia Latka [27.5.1960] 50 J.; Haus Auf`m Böntchen, Essen: Birgit Kuschkewitz [25.5.1960] 50 J.; Haus Regenbogen, Recklinghausen: Ingrid Bogda [28.6.1960] 50 J.; Ulrike Lischewski [6.5.1960] 50 J.; Margareta Rinas [14.4.1960] 50 J.; Johannes-Busch-Haus, Lüdenscheid: Nelli Hildermann [21.6.1950] 60 J.; Heike Sternemann [10.5.1960] 50 J.; Paul-Gerhardt-Haus, Herten: Ingeborg Drees [25.4.1960] 50 J.; Quartiersnahe Versorgung Märkischer Kreis, Lüdenscheid: Heike Minnerop [25.6.1960] 50 J.; Regionalbüro Behindertenhilfe-Wohnen, Bochum: Ronald Hampel [13.4.1960] 50 J.; Waldheimat, Kierspe: Christiane Fricke [21.5.1960] 50 J.; Heidi Hagemeister [13.6.1960] 50 J. Region Bielefeld: Diakoniestationen: Sigrid HartliebRixe [16.6.1950] 60 J.; Bärbel Kalnins [26.6.1960] 50 J.; Susanne Kley [30.5.1960] 50 J.; Ute Scheele [21.6.1960] 50 J.; Stefanie Willner [15.4.1960] 50 J.; Dorothee-SölleHaus: Raluca-Corina Baciu [26.5.1945] 65 J.; Ev. Gemeindedienst: Ingeborg Dykmann [24.4.1960] 50 J.; Brigitte Offerjost [9.6.1960] 50 J.; Jochen-Klepper-Haus: Monika Hoppe [23.6.1950] 60 J.; Christa Meyer [14.6.1950] 60 J.; Annegret Riedel [9.5.1960] 50 J.; Karl-Pawlowski-Haus: Petra Gehring [2.4.1960] 50 J.; Volker Muehlenweg [30.4.1960] 50 J.; Lutherstift: Anneliese Menchen [25.4.1945] 65 J.; Ilona Terkowski-Schepanski [2.4.1960] 50 J.; Marienstift: Valentina Luft [4.6.1960] 50 J.; Brigitte Wagner [20.4.1945] 65 J.; Perthes-Haus: Margit Kliesch [21.6.1960] 50 J.; Lessya Wolosezki [28.5.1960] 50 J.; Sonnenblume: Brigitte Wenzel-Fink [30.5.1950] 60 J. Region Gütersloh: Altenzentrum Eggeblick, Halle: Gajane Meiser [10.5.1960] 50 J.; Beate Stegmann [7.5.1960] 50 J.; Linda Woelfel [9.5.1960] 50 J.; Hermann-GeibelHaus, Gütersloh: Helga Gärtner [20.6.1945] 65 J.; JuUnser Werk (v.l.) Ida Scholz und Gertrud Ziegert trafen sich nach Jahrzehnten im Haus am Sähling wieder Region Behinder tenhilfe-Arbeit : Altenbochumer Werkstätten, Bochum: Ronald Buchmann [30.5.1960] 50 J.; Monika Hilgenstoehler [24.5.1950] 60 J.; Märkische Werkstätten, Lüdenscheid: Rudolf-Walter Lemmerz [27.6.1950] 60 J. 29 Pastor Pawlowski wird im Kulturhauptstadtjahr gewürdigt Rund 200.000 Menschen feierten Anfang des Jahres in Essen den Auftakt des Kulturhauptstadtjahres Ruhr 2010. Zahlreiche Präsentationen, Ausstellungen und Veranstaltungen zu den drei Leitthemen Mythos, Metropole und Europa werden noch bis Ende 2010 viele weitere Menschen erreichen. Ein kirchliches Projekt im Rahmen von Ruhr 2010 ist die Publikation „Protestantische Profile im Ruhrgebiet“. Über 500 evangelische Frauen und Männer, die mit dem Ruhrgebiet verbunden waren, werden darin in kurzen Portraits vorgestellt. Auch Pastor Karl Pawlowski (1898-1964), der Gründer des Ev. Johanneswerkes, ist darunter. Pawlowski wuchs in Bochum auf und war als Werkstudent dort im Bergbau tätig. Als Leiter des Johanneswerkes gründete er in den 1950er Jahren rund 20 Berglehrlingsheime im Ruhrgebiet. Viele dieser Häuser wurden später in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen umgewandelt. [BÄRBEL THAU, LEITERIN GESCHICHTSSCHREIBUNG] BASSE, MICHAEL U.A. (HG.), PROTESTANTISCHE PROFILE IM RUHRGEBIET. FÜNFHUNDERT LEBENSBILDER AUS FÜNF JAHRHUNDERTEN, VERLAG HARTMUT SPENNER, KAMEN 2009, ISBN 978-3-89991-092-6. Hat im Ruhrgebiet viel bewegt: Johanneswerkgründer Pastor Pawlowski (r.) erscheint auf dem Titel des Buches „Protestantische Profile“ U