Gesundheitsbezogene Lebensqualität in Abhängigkeit von sozialen
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Gesundheitsbezogene Lebensqualität in Abhängigkeit von sozialen
studien sport- und präventivmedizin sportmed präventivmed (2010) 40/3: 35-40 DOI 10.1007/s12534-010-0121-z © Springer-Verlag 2010 Printed in Austria Gesundheitsbezogene Lebensqualität in Abhängigkeit von sozialen Faktoren bei Personen mit neuromuskulären Erkrankungen M. Fröhlich1, A. Pieter2, M. Klein1, E. Emrich1 1 2 Sportwissenschaftliches Institut, Universität des Saarlandes, Saarbrücken Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Saarbrücken Eingegangen am 10. April 2010, angenommen am 20. August 2010 Quality of life in patients with neuromuscular diseases as a function of social factors Summary: The construct „quality of life“ represents physical health, psychological state, social relationships, and personal convictions. The questionnaire EUROHIS-QOL 8 Item Index queries the general, cross-domain life quality in people with neuromuscular diseases (e. g. muscular dystrophy and atrophy, ALS) and its results were compared to those of healthy people. In addition, it surveyed social factors, such as school leaving certificate and profession. A total of 178 persons participated in the written survey (96 persons diagnosed with neuromuscular diseases [EG] and 82 without neuromuscular or chronic diseases [CG]). The distribution of gender among EG and CG was identical. EG was significantly older than CG. Considering the factors group (neuromuscular disease vs. no neuromuscular or chronic diseases) and education (no technical college or university entrance qualification vs. technical college or university entrance qualification) as well as the age co-variable, the total index (sum of 4 subscales) shows a significantly major effect (F = 36.80; df = 1,167; p < 0.05; η2 = 0.18) between EG (26.95 ± 6.02) and CG (31.68 ± 4.25). The four subscales differ considerably between healthy and ill persons. Contrary to the findings of Robbins et al. [1], people with neuromuscular diseases differ from healthy people in terms of their perception of quality of life. They feel restricted respect with their energy for daily life and routines, as well as in terms of the quality of their social relationships. Therefore, it is safe to state that the perceived quality of life corresponds to the state of health and is only partially influenced by education. Korrespondenz: PD Dr. Michael Fröhlich, Universität des Saarlandes, Sportwissenschaftliches Institut Universität Campus Gebäude B8.1, 66123 Saarbrücken E-mail: [email protected] sport- und präventivmedizin Keywords: Quality of life, neuromuscular diseases, social factors, survey Zusammenfassung: Das Konstrukt Lebensqualität bildet die körperliche Gesundheit, den psychischen Zustand, die sozialen Beziehungen sowie die persönlichen Überzeugungen ab. Mit dem Fragebogen EUROHIS-QOL 8 Item Index wurde die allgemeine bereichsübergreifende Lebensqualität bei Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen (u. a. Muskeldystrophie, -atrophie, ALS) ermittelt und mit Gesunden verglichen. Zusätzlich wurden soziale Faktoren wie Schulabschluss und berufliche Tätigkeit erhoben. An der schriftlichen Befragung nahmen insgesamt 178 Personen teil (96 Personen mit diagnostizierten neuromuskulären Erkrankungen [EG] und 82 ohne neuromuskuläre oder chronische Erkrankungen [KG]). Die Geschlechterverteilung zwischen EG und KG war identisch. Die EG war signifikant älter als die KG. Der Gesamtindex (Summe der 4 Subskalen) zeigte mit den Faktoren Gruppe (neuromuskuläre Erkrankung vs. keine neuromuskuläre bzw. chronische Erkrankung) und Schulbildung (ohne Fachhochschul- bzw. Hochschulreife vs. mit Fachhochschul- bzw. Hochschulschulreife) sowie der Covariablen Alter einen signifikanten Haupteffekt (F = 36.80; df = 1,167; p < 0.05; η2 = 0.18) zwischen EG (26.95 ± 6.02) und KG (31.68 ± 4.25). Die vier Subskalen unterschieden sich jeweils signifikant zwischen den Erkrankten und Nicht-Erkrankten. Entgegen der Befunde von Robbins et al. [1] zeigt sich, dass sich Menschen, die an neuromuskulären Erkrankungen leiden, hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Lebensqualität von Gesunden unterscheiden. Hinsichtlich ihrer Energie zum täglichen Leben und der Leistung bei Alltagsverrichtungen sowie in der Qualität ihrer sozialen Beziehungen fühlen sie sich eingeschränkt. Somit kann man konstatieren, dass die wahrgenommene Lebensqualität mit dem Gesundheitszustand korrespondiert und nur partiell von der Schulbildung beeinflusst ist. Schlüsselwörter: Lebensqualität, neuromuskuläre Erkrankungen, soziale Einflüsse, Befragung © Springer-Verlag 3/2010 35 studien Einleitung und theoretischer Hintergrund 4. Ausgestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Interaktionen sowie diesbezügliche Einschränkungen. Gesundheitsbezogene Lebensqualität – Begriffliche Dimension Gesundheitsbezogene Lebensqualität als mehrdimensionales Konstrukt entzieht sich bis dato einer trennscharfen Definition. Damit zusammenhängend variiert die Extension des Begriffs je nach Kriterien der Definition erheblich [2]. Hinzu kommt die Schwierigkeit, brauchbare Kriterien für ein empirisches Relativ zu finden, das geeignet ist, den Begriff der gesundheitsbezogenen Lebensqualität klar abzubilden. Grundsätzlich stellt sich dabei die Frage, inwieweit zu einer Begriffsexplikation Kriterien herangezogen werden, mit deren Hilfe man einerseits den allgemeinen Gesundheitszustand reflektieren und unabhängig von bestehenden Erkrankungen beschreiben kann oder andererseits eher krankheitsspezifische Kriterien zu Grunde gelegt werden sollen. Bei letzterem wäre Gesundheit sinngemäß dasjenige Ausmaß an Krankheit, das es dem Individuum erlaubt, Handlungen zu vollziehen, die es bevorzugter weise vollziehen will. Trotz der geschilderten Problematik scheint eine Annäherung an das Konstrukt aus unterschiedlichen Perspektiven durchaus möglich. So wird beispielsweise im Rahmen einer von der WHO vorgelegten Begriffsbestimmung unter Lebensqualität – Quality of Life – ein multidimensionales Konstrukt verstanden, das die subjektive (Selbst-)Wahrnehmung einer Person hinsichtlich ihrer Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertesystemen widerspiegelt [3, 4]. Quality of Life ist “an individual’s perception of his/her position in life in the context of the culture and value systems in which he/she lives, and in relation to his/her goals, expectations, standards and concerns. It is a broad-ranging concept, incorporating in a complex way the person’s physical health, psychological state, level of independence, social relationships, and their relationship to salient features of their environment”. Das Konstrukt schließt darüber hinaus auch die Ziele, Erwartungen, Maßstäbe und Anliegen der Person mit ein, wobei diese Betrachtung in mannigfaltiger Weise beeinflusst wird. So zum Beispiel durch die körperliche Gesundheit einer Person, den psychischen Zustand, die sozialen Beziehungen sowie die persönlichen Überzeugungen [4]. Eng verbunden mit dem Begriff der Lebensqualität bzw. oftmals synonym verwendet, sind die Konstrukte Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden [2]. In den so genannten Gesundheitswissenschaften wird gesundheitsbezogene Lebensqualität im Zusammenhang mit dem Befinden und dem Handlungsvermögen von Personen, die unter gesundheitlichen Einschränkungen leiden oder chronisch krank sind, gesehen [5]. Demnach handelt es sich bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität um ein latentes Konstrukt über dessen Messvorschriften zwecks empirischer Erschließung bis dato noch kein Konsens besteht. Nach Schumacher et al. [6] spielen hierbei primär vier Dimensionen eine determinierende Rolle: 1. krankheitsbedingte körperliche Beschwerden, 2. psychische Verfassung (u. a. allgemeines Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und emotionale Befindlichkeit), 3. krankheitsbedingte funktionale Einschränkungen im alltäglichen Leben (Beruf, Haushalt, Freizeit etc.), 36 3/2010 Die gesundheitsbezogene Lebensqualität kann somit als das Ergebnis einer Vielzahl individueller komplexer Bewertungsund Beurteilungsprozesse angesehen werden, die wiederum auf einer Vielzahl von Dimensionen stattfinden bzw. zu analysieren sind [2]. Dies sind im Einzelnen: ■ ■ das emotionale Wohlbefinden ( emotional well-being): hierzu gehören Sicherheit, ein stabiles und vorhersagbares Umfeld sowie positives Feedback durch Andere, ■ ■ zwischenmenschliche Beziehungen (interpersonal relations): hierunter fällt das sich in einer Gemeinschaft aufgenommen fühlen und eine geregelte Beschäftigung, ■ ■ persönliche Entwicklung (personal development): darunter werden die (Aus-) Bildung sowie zielgerichtete Aktivitäten von Personen erfasst, ■ ■ körperliches Wohlbefinden (physical well-being): diese Dimension umfasst Gesundheitsfürsorge, Mobilität, Wohlgefühl und gesunde Ernährung, ■ ■ Selbstbestimmung (self-determination): Wahlmöglichkeiten, persönliche Kontrolle, Entscheidungen und persönliche Zielsetzung sind in dieser Dimension von vorrangiger Bedeutung, ■ ■ soziale Einbezogenheit (social inclusion): hierunter werden eine ungezwungene Unterstützung, ein integrierendes Umfeld und Partizipation am gesellschaftlichen Leben gefasst, ■ ■ Rechte (rights): u. a. Recht auf Privatsphäre und Besitz, eine rechtliche Prozessordnung und eine barrierefreie Umgebung. Nach Bullinger und Pöppel [7] bezieht sich die Lebensqualität auf die emotionalen, funktionalen, sozialen und psychischen Aspekte menschlicher Existenz. Sie ist jedoch nicht direkt von außen beobachtbar, sondern erschließt sich vielmehr mittelbar aus diversen Komponenten. Diese Komponenten umfassen demnach im Wesentlichen das physische Befinden des Patienten, seine Funktions- und Leistungsfähigkeit in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Beruf, Haushalt, im Umgang mit Kollegen etc.), die Anzahl und Güte der Beziehungen zu anderen Menschen (z. B. Ehepartner, Familie, Freunde, Kollegen etc.) sowie die körperliche Verfassung des Patienten (z. B. Gesundheitszustand, Beschwerden etc.) [2]. Die Lebensqualität wird dabei zunehmend stärker vom Patienten selbst als Bewertungskriterium berücksichtigt, insbesondere bei langfristigen, chronischen Erkrankungen, u. a. gründet dies aus einem verstärkten Bewusstsein der Selbstbestimmung (enhancement), der Ermächtigung (empowerment) sowie der selbsttätigen Handlungskompetenz. Die Beachtung dessen hat eine nicht unwesentliche Bedeutung für die Würde des Patienten im Rahmen einer medizinischen Betreuung, insbesondere bei Langzeitbehandlung und -versorgung. Sowohl auch deshalb, weil die Einschätzung von durch Krankheit und Behandlung sowie durch Behinderung und Versorgung beeinträchtigter Lebensqualität infolge Kriteriums- und Beurteilungsvarianz unsicher und variabel ist, wird die Lebensqualität vermutlich vom Patienten selbst am zutreffendsten eingeschätzt [8]. © Springer-Verlag sport- und präventivmedizin studien Unter dem Krankheitsbild der neuromuskulären Erkrankungen werden primär degenerative Muskelerkrankungen subsumiert, welche entweder in den motorischen Verhornungszellen des Hirnstamms und des Rückenmarks sowie in den peripheren Nerven, in den Strukturen der motorischen Endplatten der quergestreiften Muskeln oder in den Muskelfasern lokalisiert werden können. Bis dato werden mehr als 800 verschiedene Formen von Muskelerkrankungen differenziert und klassifiziert. Das Spektrum reicht dabei, legt man zur klinischen und genetischen Klassifikation die international anerkannten Merkmale zur Einteilung neuromuskulärer Erkrankungen zu Grunde, von neurogenen bis hin zu myopathischen Erkrankungen. Es handelt sich in der Regel um genetisch bedingte und ursächlich noch nicht vollständig geklärte Prozesse, die zu einer Schwäche der Muskulatur (Lähmung) führen [10, 11]. Die Funktionseinbußen durch Schmerzen oder Immobilität sind häufig so einschneidend, dass die individuelle Lebensqualität in hohem Maße von der Art und Weise der persönlichen Krankheitsverarbeitung und individueller Copingstrategien, aber auch von den Reaktionen des sozialen Umfelds abhängt. So sind beispielsweise bei der Aufrechterhaltung notwendiger Lebensstiländerungen, wie der Teilnahme an spezifischen Bewegungsprogrammen [11], selbstregulative Mechanismen und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld – Familie, Freunde, Gleichgesinnte etc. – entscheidende Faktoren für die Aufrechterhaltung bzw. Stärkung dieser Änderungen. Weiterhin spielen beim Verlauf neuromuskulärer Erkrankungen der Einfluss personaler und sozialer Ressourcen für die Krankheitsentwicklung und die Auswirkungen der Krankheit eine besondere Rolle [12]. Bereich, der vergleichbar mit gesunden Kontrollpersonen ist. Ähnliche Ergebnisse hinsichtlich des Umstandes, dass sich viele chronisch Kranke „eigentlich“ ganz gesund fühlen, berichtet Raspe [14]. Er postuliert, dass Kranke offenbar unterscheiden zwischen der Wahrnehmung und Beschreibung von Beschwerden und einer Bewertung ihrer Gesamtsituation. Selbst wenn somatische Krankheitsmanifestationen und Beschwerden bereits zu Störungen seelischer und sozialer Gleichgewichte geführt haben, zeigt sich, dass bei diesen Personen nicht jede Störung zwangsläufig mit Unzufriedenheit und negativen Bewertungen verbunden ist. Kranksein beeinträchtigt in der Regel die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Körpers. Das körperliche Funktionsvermögen stellt somit eine wichtige, jedoch nicht alleinige, Komponente der Lebensqualität dar. Lebensqualitätsindikatoren bilden Kriteriumsvariablen, die sich in Abhängigkeit von den Krankheitsmerkmalen und der jeweiligen Therapie kurz- und mittelfristig ändern können [9]. Diehl et al. [15] konnten beispielsweise im Rahmen ihrer Untersuchungen mit Tumorpatienten zeigen, dass durch die Erkrankung bei einer Vielzahl der Patienten bisher nicht bewusste Variations- und Reifungsmöglichkeiten der Person zu Tage traten. Sie erkannten neue Sinn- und Wertvorstellungen, insbesondere in den Beziehungen zu anderen Menschen, den Erwartungen an das Leben und den neugewonnen Fähigkeiten, Prioritäten zu setzen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, kurzum, das Risiko einer möglicherweise drastisch verkürzten Lebenszeit verschiebt lebensbezogene Präferenzen. Weiterhin ist seit langem bekannt, dass die soziale Lage bzw. Sozialmerkmale mit der subjektiven Einschätzung von Gesundheits- und Krankheitsaspekten assoziiert sind [16]. Lulé et al. [13] fanden bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) eine Konfundierung von Schulbildung und depressiver Symptomatik dahingehend, dass je höher der Schulabschluss, desto geringer der Depressionswert war. Aufbauend darauf, war es Gegenstand der vorliegenden Untersuchung zu eruieren, inwieweit sich Personen mit verschiedenen neuromuskulären Erkrankungen bzgl. der Einschätzung der bereichsübergreifenden Lebensqualität von Nicht-Erkrankten unterscheiden und inwiefern soziale Faktoren wie Alter, Geschlecht und Schulbildung einen Einfluss ausüben. Zufriedenheitsparadoxon Methode Seit langem ist bekannt, dass Personen mit chronischen, beeinträchtigenden und fortschreitenden Erkrankungen gegenüber einer gesunden Personengruppe ohne entsprechende Beeinträchtigungen vergleichbare, partiell sogar bessere Einschätzungen der subjektiven Lebensqualität vornehmen. Dieses Phänomen firmiert unter dem Begriff des „Zufriedenheitsbzw. Wohlbefindensparadoxon“ und definiert die Tatsache, dass schwierige Lebensumstände nicht notwendigerweise in schlechteren Bewertungen des subjektiven Wohlbefindens bzw. der Lebenszufriedenheit resultieren müssen [2]. So konnten Robbins et al. [1] u. a. zeigen, dass die Einschätzung der Lebensqualität von Patienten mit ALS nicht primär vom physischen Gesundheitszustand abhängig ist. In der Studie von Lulé et al. [13] lag die mittlere subjektive Lebensqualität bei ALS-Patienten bei 66–72 % und damit ebenfalls in einem Stichprobe Lebensqualität wird in der Regel jedoch noch immer über das Arzturteil erhoben und selten über das Urteil der Betroffenen selbst. Zahlreiche Studien zeigen aber, dass zwischen diesen beiden Urteilen signifikante Diskrepanzen bestehen können. Bei der Erfassung der Lebensqualität sollte daher das Postulat des Subjektbezugs der Lebensqualitätsmessung mit berücksichtigt werden [9]. Weiterhin sollten Indikatoren personaler und sozialer Ressourcen ebenfalls mit in die Messung einbezogen werden [9]. Lebensqualität bei neuromuskulären Erkrankungen sport- und präventivmedizin Im Rahmen der Studie wurden die Daten von 178 Personen erhoben. Die Experimentalgruppe setzte sich aus 96 Personen zusammen. Es handelte sich hierbei um 37 Männer und 59 Frauen mit einem mittleren Alter von 50.02 Jahren (SD = 13.22 Jahre), welche primär an Muskeldystrophie (22.9 %), Muskelatrophie (9.3 %) sowie ALS (6.2 %) erkrankt waren. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 82 Personen zusammen, die weder an neuromuskulären noch an sonstigen chronischen Erkrankungen litten. Es handelte sich hierbei um 37 Männer und 45 Frauen mit einem mittleren Alter von 38.67 Jahren (SD = 11.05). Die Geschlechterverteilung unterschied sich nicht signifikant (χ2 = 0.79; df = 1; p = 0.38; Cramérs V = 0.07). Die neuromuskulär Erkrankten waren in der Stichprobe signifikant äl- © Springer-Verlag 3/2010 37 studien Tabelle 1 Items des EUROHIS-QOL 8 Item Index Item Subskala Wie würden Sie Ihre Lebensqualität beschreiben? Psychologisch Endogen Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Gesundheitszustand? Psychologisch Endogen Haben Sie genug Energie für das tägliche Leben? Physiologisch Endogen Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung bei Alltagsverrichtungen? Physiologisch Endogen Wie zufrieden sind Sie mit sich selbst? Sozial Endogen Wie zufrieden sind Sie mit Ihren persönlichen Beziehungen? Sozial Endogen Haben Sie genügend Geld zum Leben? Umwelt Exogen Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Lebensverhältnissen? Umwelt Exogen Erhebungsinstrument Das Konstrukt Lebensqualität wurde mit dem Fragebogen EUROHIS-QOL 8 Item Index erhoben [17]. Es handelt sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung der allgemeinen und bereichsübergreifenden Lebensqualität, bei dem sowohl die psychologische, die physische, die soziale sowie die umweltbezogene Facette der Lebensqualität durch jeweils 2 Items abgebildet werden (Tabelle 1). Die Items des EUROHIS-QOL wurden aus den Fragebogen WHOQOL-100 [3, 18] generiert. Der Indexwert berechnet sich aus der Addition der 8 ItemSkalenwerte. Je höher dieser Wert ausfällt, umso besser wird die Lebensqualität subjektiv eingeschätzt [17]. Der Index enthält keine Items mit divergierender Polung. Das Antwortformat ist für alle Items mittels einer fünfstufigen Likert-Skala (von trifft „überhaupt nicht“ bis zu trifft „vollständig“ zu) formuliert. Bei der Beantwortung der Items sollen sich die Probanden auf ihre Lebensqualität in den letzten beiden Wochen beziehen. Im Rahmen der internationalen EUROHIS-Pilotstudie 2000 zur Testkonstruktion als auch in der EUROHIS-Pilotstudie 2001 zur Testvalidierung weist der Index gute psychometrische Eigenschaften auf [19]. Statistik Neben den allgemeinen deskriptiven Verfahren wie Mittelwerte und Standardabweichungen wurde die inferenzstatistische Prüfung in Abhängigkeit vom Skalenniveau mit den entsprechenden Tests für Unterschiedsprüfungen durchgeführt. Die Varianzaufklärung wurde über η bzw. partielles η2 vorgenommen. Zur internen Konsistenzprüfung der Items wurde Cronbach´s α berechnet. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0.05 festgelegt. Die Berechnung erfolgte mit SPSS 16.0. 3/2010 Ergebnisse Die interne Validität des EUROHIS-QOL lag für die vorliegende Stichprobe bei Cronbach´s α = 0.85 (N = 173). Der Gesamtindex (Summe der 4 Subskalen) als Wert für die allgemeine, bereichsübergreifende Lebensqualität zeigte im allgemeinen linearen Modell mit den Faktoren Gruppe (neuromuskuläre Erkrankung vs. keine neuromuskuläre bzw. chronische Erkrankung) und Schulbildung (ohne Fachhochschulbzw. Hochschulreife vs. mit Fachhochschul- bzw. Hochschulschulreife) sowie der Covariablen Alter einen signifikanten Hauptunterschied (F = 36.80; df = 1,167; p < 0.05; η2 = 0.18) zwischen EG (26.95 ± 6.02) und KG (31.68 ± 4.25). Die Interaktion von Gruppe mal Schulbildung verfehlte das Signifikanzniveau knapp (F = 3.16; df = 1,167; p = 0.08; η2 = 0.02). Die Abbildung 1 zeigt das zugehörige Interaktionsdiagramm. Betrachtet man die Befunde der Subskalen, so zeigen sich jeweils signifikante Haupteffekte in der psychologischen Facette (endogen) zwischen EG: M = 5.82 (SD = 1.68) und KG: M = 7.72 (SD = 1.42), der physiologischen Facette (endogen) zwischen EG: M = 6.21 (SD = 2.06) und KG: M = 7.87 (SD = 1.37), der sozialen Facette (endogen) zwischen EG: M = 7.18 (SD = Gesamtindex Lebenszufiedenheit ter (F = 37.84; df = 1, 176; p < 0.05; η = 0.42). Die Schulbildung (vierfach gestuft: „ohne Abschluss“, „Hauptschule“, „mittlere Reife“ und höher oder gleich „Fachhochschulreife“) zeigte einen signifikanten Unterschied, dahingehend, dass die Teilnehmer der Kontrollgruppe über einen höheren Bildungsabschluss verfügten (χ2 = 14.81; df = 3; p < 0.05; Cramérs V = 0.29). Zu weiteren Auswertungsschritten (vergleichbare Zellenbesetzungen) wurde die Schulbildung in „ohne Fachhochschulbzw. Hochschulreife“ und in „mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife“ kategorisiert. 38 Faktor 32 30 � Neuromuskulär Erkrankte � Kontrollgruppe 28 26 ohne Fachschul- bzw. Hochschulreife Fachschul- bzw. Hochschulreife Abb. 1: Interaktionsdiagramm der bereichsübergreifenden Lebensqualität (Gesamtindex in Abhängigkeit vom Schulabschluss) © Springer-Verlag sport- und präventivmedizin studien Index physiologische Facette 8,5 8 7,5 � Neuromuskulär Erkrankte � Kontrollgruppe 7 6,5 6 5,5 ohne Fachschul- bzw. Hochschulreife Fachschul- bzw. Hochschulreife Abb. 2: Interaktionsdiagramm der physiologischen Facette (endogen) (Indexwert in Abhängigkeit vom Schulabschluss) 1.84) und KG: M = 7.99 (SD = 1.26) sowie in der Facette Umwelt (exogen) zwischen EG: M = 7.51 (SD = 2.12) und KG: M = 7.91 (SD = 1.76) (alle p < 0.05). Innerhalb der physiologischen Subskala mit den zwei Items „Haben Sie genug Energie für das tägliche Leben?“ und „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung bei Alltagsverrichtungen?“ zeigte sich eine signifikante Interaktion von Gruppe und Schulbildung (F = 8.00; df = 1,171; p < 0.05; η2 = 0.05) (siehe Abbildung 2). Diskussion und Schlussfolgerung Interessenskonflikt Es besteht kein Interessenskonflikt. Literatur Der Begriff der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist als theoretisches Konstrukt so komplex und mannigfaltig, dass eine a priori erschöpfende Beschreibung und Analyse derzeit nicht möglich scheint [4]. Weiterhin wird die subjektiv, gesundheitsbezogene Lebensqualitätseinschätzung nicht nur durch den funktionalen Gesundheitszustand (Physis) bestimmt, sondern auch die Lebenssituation, die Lebensgestaltung und die Wahrnehmung sozialer Ressourcen spielen eine wichtige Rolle [4]. Betrachtet man die bereichsübergreifende Einschätzung der Lebensqualität, operationalisiert über den EUROHIS-QOL, so kann man zwischen neuromuskulär Erkrankten und Nicht-Erkrankten einen signifikanten Unterschied dahingehend feststellen, dass Nicht-Erkrankte über höhere Lebenszufriedenheitswerte berichten [20]. Dieser Unterschied zeigt sich ebenfalls in den vier Dimensionen des Fragebogens. Da das Alter einen entsprechenden Einfluss auf die subjektive Lebensqualitätseinschätzung haben kann und entsprechende Altersdifferenzen zwischen den beiden Gruppen gefunden wurden, wurde das Alter als intervenierende Variable in die Vergleichsperspektive aufgenommen. Darüber hinaus sollte durch die Prüfung, inwieweit der schulische Bildungsabschluss einen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat, der Einfluss einer möglichen Moderatorvariablen analysiert werden. Dabei konnte kein signifikanter Hauptunterschied der Schulbildung auf die Einschätzung der Lebenszufriedenheit ausgemacht werden, wobei diejenigen Personen, welche unter einer neuromuskulären Erkrankung litten und einen höheren Schulabschluss hatten, entsprechend höhere sport- und präventivmedizin Werte für die bereichsübergreifende Lebenszufriedenheit angaben. Im Gegensatz zu den Befunden von Robbins et al. [1], Lulé et al. [13] und Raspe [14] liegt die subjektive Einschätzung der bereichsübergreifenden Lebensqualität bei den hier beschriebenen neuromuskulär Erkrankten unter derjenigen einer Vergleichsstichprobe. Darüber, inwieweit die körperliche Beeinträchtigung der neuromuskulär Erkrankten auf physiologischer Ebene bereits auf soziale und umweltbezogene Partizipation Einfluss genommen hat, kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Daten über den individuellen Krankheitsverlauf sowie die tatsächlichen körperlichen Beeinträchtigungen könnten hierfür einen wichtigen Erklärungswert liefern. Wenn dem so ist, so könnten entsprechende Bewegungsbzw. sporttherapeutische Interventionen, die neben der physischen Dimension [11], explizit die physio-psycho-soziale Facette [21, 22] betonen, einen wichtigen Beitrag zur Lebenszufriedenheit bei chronisch progredienten Erkrankungen leisten. Neben dem Erhalt der Mobilität, der Selbständigkeit sowie der therapeutischen Behandlung von Komplikationen wie Kontrakturen, Arthrosen, Kompressionsneuropathien [11], haben psychologische und sozial unterstützende Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit [23]. Inwieweit diese Faktoren sogar überkompensatorisch als wirksam eingeschätzt werden, muss zukünftigen Studien überlassen werden. Hierzu wären empirische Settings zu evaluieren. [1] Robbins RA, Simmons Z, Bremer BA, et al. 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