Erasmusbericht – Montpellier Sommersemester 2012

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Erasmusbericht – Montpellier Sommersemester 2012
Erasmusbericht – Montpellier Sommersemester 2012
Vorbereitung
Erst im September 2011 entschied ich spontan, obwohl ich mich bereits im 7. Semester
meines Studiums Sonderschulpädagogik an der PH-Heidelberg befand, noch ein
Auslandssemester machen zu wollen. Obwohl ich keine Sprachen studiere, wollte ich
dennoch im Rahmen meines Studiums eine Fremdsprache lernen und flüssig sprechen
können. Da ich bereits durch die Schule Grundlagen der Sprache Französisch hatte und ich
mich für die französische Kultur interessiere, entschied ich mich nach Frankreich zu gehen.
Zunächst war ich enttäuscht, dass man an der einzigen Partnerhochschule der PH-Heidelberg
in Frankreich, der Universität in Montpellier, nicht Sonderpädagogik oder ein vergleichbares
Fach studieren kann. Nachdem ich dann jedoch die Homepage der Universität durchforstet
hatte, stieß ich auf den Studiengang „Art du spectacle – théâtre“. Ich studiere an der PHHeidelberg als Erweiterungsstudiengang Theaterpädagogik und entschied mich deshalb für
ein Semester mit meinem Studium Sonderschulpädago-gik aus zu setzen und mich dafür nur
auf den Theaterstudiengang zu konzentrieren.
An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg haben Studenten mit dem Unterrichtsfach
Französisch ein Vorrecht auf einen Platz im Erasmusprogramm in Montpellier. Ich hatte das
Glück, dass sich für das Sommersemester 2012 keine Französisch-Studenten auf einen Platz
bewarben.
Bereits einige Monate vor der Abfahrt nach Montpellier musste ich ein sogenanntes
Transcript of Records, eine Auflistung aller bisher im Studium belegten Kurse, und ein
Learning Agreement erstellen. Auf dem Learning Agreement trifft man mit Hilfe des
Vorlesungsverzeichnisses der Gast-Universität eine erste Auswahl von Kursen. Letztlich hat
dieses Formular aber nur wenig Relevanz, da die Kurse bei Ankunft noch beliebig gewechselt
werden können.
Ankunft/ Wohnen
In den ersten Januartagen erreichte ich Montpellier mit dem Zug. Mittlerweile gibt es eine
Durchgehende TGV-Linie von Straßburg in die südfranzösische Stadt. Die Fahrtzeit beträgt
gerade einmal 5 ½ Stunden. Die Anreise mit dem Zug bietet sich an, da es hier keinerlei
Gepäckbegrenzungen gibt.
Will man nur mit wenig Gepäck anreisen, gibt es aber auch sehr billige Flüge von Frankfurt/
Hahn direkt nach Montpellier (Mediteranée) mit der Fluggesellschaft Ryanair.
Ich wohnte in Montpellier im Studentenwohnheim Voie Domitienne und hatte ein Zimmer
„mit Komfort“ angemietet. Dabei handelte es sich um ein sehr kleines aber frisch renoviertes
und sauberes Einzelzimmer mit Nasszelle (Toilette, Dusche, Waschbecken). Auch ein
Kühlschrank befand sich im Zimmer. Die Küche wurde von allen Bewohnern des
Stockwerkes (ca. 20 Personen) gemeinsam genutzt und war sehr spärlich, gerademal mit drei
Herdplatten und drei Spühlbecken, ausgestattet. Weder ein Backofen, noch ein Esstisch oder
Geschirr, Töpfe usw. standen zur Verfügung. Auch Aufenthaltsräume sind in den
Wohnheimen kaum zu finden. Allerdings bietet ein Basketball- und Volleyballplatz sowie ein
kleiner Park um die Wohnheimsgebäude, gerade im Sommer, einige Freizeitmöglichkeiten.
Im Wohnheim Voie Domitienne leben sowohl ausländische als auch französische Studenten
und man kann schnell andere Studenten kennenlernen. Außerdem ist der Preis ein schlagendes
Argument für das Wohnen im Wohnheim. Während man in einer Wohngemeinschaft in der
Innenstadt selten ein Zimmer unter 350 Euro findet, lag der Preis für das Wohnheimszimmer
gerade einmal bei 230 Euro monatlich.
Wenn man in Frankreich studiert, hat man ,sogar als ausländischer Student, Anspruch auf die
finanzielle Unterstützung durch die „Caisse d'allocations familiales (CAF)“. Um das
Wohngeld zu bekommen, muss man sich im Voraus allerdings auf einen langen und
ermüdenden Briefverkehr einstellen. Die CAF fordert nach und nach die Vorlage einiger
Dokumente, um die man sich bereits im Vorhinein oder in den ersten Tagen nach der Ankunft
kümmern sollte. Beispielsweise sollte man sich um die Erstellung einer Geburtsurkunde in
Deutschland kümmern und in Frankreich ein Bankkonto eröffnen.
Auch hier ist es von Vorteil im Wohnheim zu wohnen. Da der „Vermieter“ eine staatlich
SEinrichtung ist, ist das Beantragen sehr viel unkomplizierter als in einer privaten Wohnung
und man kann schon im zweiten Monat auf die Unterstützung hoffen. Ich erlangte bereits ab
Februar das Unterstützungsgeld in Höhe von 90 Euro, womit sich meine Miete auf gerade
einmal 140 Euro monatlich senkte.
Neben einem Pflichttermin beim Erasmusamt der Universität werden einem von Seiten der
Universität leider kaum Hilfen zum Einstieg in das Studentenleben in Montpellier geboten.
Dennoch half mir die ausgesprochene Offenheit der südfranzösischen (Theater-)Studenten,
dass ich mich sehr schnell in der neuen Stadt wohlfühlte.
Université Montpellier III Paul Valery
Wenn man für ein Semester nach Montpellier gehen will, bietet sich eigentlich eher das
Wintersemester an. Das akademische Jahr beginnt in Frankreich Anfang September und Ende
Dezember endet das erste Semester. Nach einer kurzen Weihnachtspause wird dann schon
wieder Anfang Januar das neue Semester begonnen, das Ende Mai beendet ist. Folglich
stimmen die Vorlesungszeiten nicht mit denen in Deutschland überein. Wenn man, wie ich,
im Sommersemester den Erasmusaufenthalt plant, muss man damit rechnen sowohl das
Winter- als auch das Sommersemester in Deutschland zur Hälfte zu verpassen.
Montpellier ist eine ausgesprochene Studentenstadt. Knapp ein Drittel der Bevölkerung in
Montpellier hat den Studentenstatus. Die Universität ist in drei Teile geteilt. An der Université
Montpellier I studiert man die klassischen Fächer, wie beispielsweise Jura und Medizin. Die
Gebäude und Vorlesungsräume befinden sich hauptsächlich in der Innenstadt. Die eher
naturwissenschaftlichen, technischen Fachrichtngen werden hingegen an der Université
Montpellier II studiert. Der Campus dieser Universität befindet sich im Norden der Stadt.
Unweit hiervon befindet sich auch der Campus der Université Montpellier III, die den
Beinamen „Paul Valery“ trägt und die meine Gastuniversität war. Die fachliche Ausrichtung
dieser Universität wird unter den Begriffen „Arts, Lettres, Langues, Sciences humaines et
sociales“ zusammen gefasst. Auch Französisch studiert man also an dieser Universität. Neben
den Universitäten gibt es noch weitere Hochschulen in Montpellier. Neben der IUFM, der
Hochschule für das Lehramt, gibt es auch noch öffentliche und private Hochschulen.
Der Campus der Paul Valery ist erst in der zweiten Hälfte
und viele Gebäude sind zweckmäßig gebaut. Dennoch
Gebäuden ein reges Studentenleben. In der Bibliothek gibt
dem Campus befinden sich zwei Cafeterien und die
Mittagspausen einladen. Studentische Kulturveranstaltungen
und im hochschuleigenen Theater statt und auf den Wiesen
Kunststudenten zu einem bunten Gesamtbild bei.
des 20. Jahrhunderts entstanden
herrscht zwischen den grauen
es zahlreiche Arbeitsplätze, auf
Mensa, die zu ausgedehnten
finden im „Salle Jean-Moulin“
um die „Fac“ tragen zahlreiche
Studiengang „Art du spectacle-théâtre“
Die Universität Montpellier III Paul Valery lässt den Erasmusstudenten freie Wahl bei der
Auswahl der Vorlesungen und Seminare. Auch wenn es offiziell zwischen der PH Heidelberg
und der Universität in Montpellier nur einen Austausch im Fach Französisch gibt, kann man
dennoch in annähernd allen Fächern und sowohl im Licence- als auch im Masterstudiengang
Kurse belegen.
Wie oben bereits erwähnt, entschied ich mich für den Studiengang „Art du spectacle-théâtre“.
Studenten, die Theaterpädagogik in Heidelberg studieren und ein ähnliches Auslandssemester
planen, sollten sich aber bewusst sein, dass dieser Studiengang eher als deutsches Pendant
„angewandte Theaterwissenschaften“ und nicht „Theaterpädagogik“ hat. Dennoch wurde mir
das Auslandssemester als Praktikum für das Fach „Theaterpädagogik“ in Heidelberg
anerkannt.
Neben theoretischen Theatervorlesungen, die sich, wie die meisten Kurse an französischen
Universitäten, nicht gerade durch Methodenvielfalt und didaktische Kniffe sondern eher durch
trockene Theorie auszeichnen, konnte ich auch spannende praktische Theaterseminare
belegen. Außerdem war es mir möglich am Abschlussprojekt der Licence-Studierenden teil zu
nehmen. In monatelanger Arbeit bereiteten wir, die ca 50 Studierenden des Jahrgangs
gemeinsam mit 4 Dozenten, ein Theaterstück vor, das wir am Ende des Semesters im Theater
der Universität in vier gut besuchten Vorstellungen aufführen konnten.
Sprache
Wie erhofft, habe ich durch das Auslandssemester vor allem meine sprachlichen Fähigkeiten
verbessern können. Im Gegensatz zu anderer deutscher Studenten, die aufgrund weniger
praktischer Kurse und Seminare nur wenig Kontakt zu Franzosen hatten, konnte ich in den
Theaterkursen viele Muttersprachler kennen lernen.
Im Fach „Art du spectacle - théâtre“ sind ausländische Studenten eher Exoten, außerdem gibt
es kaum Studierende die eine Fremdsprache, wie Englisch oder Deutsch flüssig sprechen
können. So war ich von Beginn an darauf angewiesen Französisch zu sprechen. Das half mir
sehr beim Verbessern meiner Kompetenzen in der Sprache. Dennoch kann ich nur empfehlen,
sollte man bei Ankunft in Montpellier noch nicht fließend Französisch können, nicht zu viele
Kurse zu belegen, da Seminare und Vorlesungen auf einer Fremdsprache sehr ermüdend sind.
Über die Dauer von 6 Wochen wurde am „IEFE“, dem Institut für Französisch für Ausländer
an der Paul Valery, für Erasmusstudenten ein recht günstiger Sprachkurs (80 Euro
Eigenbeteiligung) angeboten. Je nach Sprachlehrer konnte man von diesen, zwei Mal
wöchentlich am Abend zwischen 18 und 20 Uhr stattfindenden Kursen, mehr oder weniger
profitieren.
Nützliches und Aktivitäten
Marché aux puces: Einmal wöchentlich am Sonntag morgen bis 13 Uhr findet im Stadtteil
Mosson ein großer Flohmarkt statt. Will man günstige gebrauchte Fahrräder oder
Haushaltsgegenstände kaufen, so sollte man den Markt unbedingt besuchen.
Maison de Heidelberg: Der Städtepartnerschaft zwischen Heidelberg und Montpellier ist es
zu verdanken, dass dieses deutsch-französische Kulturzentrum besteht. Die äußerst
freundlichen Mitarbeiter organisieren Kulturveranstaltungen und helfen einem bei Fragen
zuverlässig weiter. Besonders erwähnenswert ist der sogenannte „Stammtisch“, der alle zwei
Wochen stattfindet. Deutsche, Franzosen und Weltenbürger aller Altersklassen tragen hier bei
einem Glas Wein oder Bier zum Erhalt der deutsch-französischen Freundschaft und der
Völkerverständigung bei.
Pass Culture: Gerade einmal 10 Euro kostet der „Pass Culture“, den man, als Student in
Montpellier erlangen kann. Manchmal lohnt sich die Anschaffung der Ermäßigungskarte
bereits bei der ersten Veranstaltung. Neben billigen Kino- und Theater- und Museumskarten
bekommt man auch für viele Rock- und Popkonzerte in und um Montpellier satte Rabatte.
Der Pass Culture ist für das gesamte akademische Jahr gültig.
Carte 12-25: Die französische Bahn (SNCF) bietet bis zum Alter von 25 Jahren das Pendant
zur deutschen Bahncard sehr günstig, für nur 50 Euro, an. Man bekommt je nach Reise- und
Buchungszeit bis zu 60 % Rabatt.
Vélomagg: An zahlreichen Straßenecken findet man sogenannte Vélomagg-Stationen. Hier
können zu sehr günstigen Preisen Fahrräder stundenweise geliehen werden. Die Räder können
dann auch an einer anderen Station wieder abgestellt werden. Außerdem ist es für Studenten
möglich für nur 40 Euro Fahrräder ein ganzes Jahr auszuleihen. Wird das Fahrrad allerdings
gestohlen, dies passiert in Montpellier nicht gerade selten, muss man zusätzlich 180 Euro
bezahlen
Hérault Transport: Innerhalb des Departements Hérault reist man am günstigsten mit dem
Bus. Eine Fahrt kostet unabhängig von der Entfernung immer nur 1,50 Euro ein ZehnerTicket sogar nur 10 Euro.
Ich versichere diesen Bericht selbst und nach bestem Wissen verfasst zu haben.
Baden-Baden, den 19. Juli 2012
Johannes Twardon