Jahr der Stille Psalm 46,1+ 62,2

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Jahr der Stille Psalm 46,1+ 62,2
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Predigt am 12.9.2010 zum Jahr der Stille (Psalm 46,1 + 62,1)
in Altdorf von Pfarrer Bernd Rexer
Im Jahr der Stille
haben wir letzten Sonntag
schon eine ansprechende Predigt von Vikar Schubert gehört.
Ich möchte in der Reihe fortfahren
und heute über Stille mit ihnen nachdenken.
Zwei Bibelverse möchte ich voranstellen:
Psalm 46,1: Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin.
Psalm 62,2: Meine Seele ist stille zu Gott , der mir hilft.
Dreifach möchte ich meine Gedanken zur Stille entfalten.
1. Stille ist ein knappes Gut geworden.
2. Die unheimliche und die heilsame Stille
3. Was können wir tun, um wieder aus der Stille zu leben?
Liebe Gemeinde,
1. Stille ist ein knappes Gut geworden.
Das Wort ‚Stille’
kommt zwar im Sprachgebrauch sehr oft vor.
Wir trinken ‚Stilles Wasser’,
wir gehen aufs ‚Stille Örtchen’,
wir machen ‚Stille Zeit’.
Wir singen ‚Stille Nacht’,
Mütter stillen die Babies,
und Konkurrenten unterschreiben Stillhalteabkommen.
Die Sprache wimmelt vom Begriff ‚Stille’.
Aber werden wir wirklich still?
Kommen wir wirklich zur Ruhe?
Schon beim Gottesdienstbeginn haben wir Mühe,
zur Ruhe zu kommen.
Manche kommen knapp zum Gottesdienst.
Andere haben vielleicht noch die Kinder zur Kinderkirche gebracht,
und brauchen eine Weile
bis sie dann wirklich hier sind.
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Denn das wollen wir doch: Stille werden.
Gott erwarten, tief Luft holen.
Alltägliches ablegen, uns freuen auf Lieder,
auf die Gemeinschaft.
Auf den Gott, der gerne zu uns reden will.
Also: ‚Herr, jetzt bin ich da
– ich freue mich auf dich.
Ich suche dich, ich brauche dich…
- ich danke dir, dass du auch da bist…’.
Liebe Gemeinde,
das „Ruhig-werden“ ist ja gar nicht leicht.
Es muss eingeübt werden,
damit wir nicht von Termin zu Termin hetzen.
Seltsam!
Wir kämpfen mit Lärmschutzwänden
und anderen Methoden gegen Lärm.
Und doch ist es so,
dass in uns selbst die Geräuschkulisse ist.
Es lärmt in uns.
Wenn Sie nach einer langen Autobahnfahrt eine Pause machen,
fahren auf den Parkstreifen
und wollen sich ausruhen, da wird es schwierig.
Neben dem Außenlärm
fliegen noch so viele Eindrücke am inneren Auge vorbei,
dass wir kaum Ruhe finden.
Der Lärm der Welt
hat sich in uns festgesetzt
und braucht Zeit, bis er verfliegt.
Und der Alltags- und Familienlärm
von heute früh geht eben auch mit,
wenn wir hier sitzen.
Darum brauchen wir erstmal Stille,
damit unsere Innengeräusche sich beruhigen.
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Aber die Geräusche
und eigenen Gedanken tauchen schnell wieder auf.
Z.B. bei der Stille im Eingangsgebet,
wo wir still für uns beten wollen?!
Was geht ihnen da durch den Kopf?
Neben den Sorgen, den verpassten Dingen,
vielleicht auch, dass Sie etwas vergessen hatten?
Dass Sie sich nicht mehr richtig kämmen konnten?
Dass der und der – wo ist er denn,
er wollte doch kommen – nicht da ist….
Wie Flöhe hopsen die Gedanken durch unser Hirn.
Wir schaffen es kaum, sie zu zügeln…
Wir sind permanent von Ruhestörern umgeben,
die uns Stille und Ruhe rauben.
Teilweise sind wir daran selber schuld:
Denn wir öffnen leichtfertig die Türen.
Damit Werbeschriften, Nachrichten, Infos,
Schnäppchenangebote bei uns reinflattern…
Wir nehmen durch Zeitung, Magazine,
Fernsehen und Internet mehr Information auf,
als wir verdauen können
und uns gut tut.
Denn tief in uns steckt die Angst,
dass wir etwas verpassen,
wenn wir nicht alles mitnehmen…
Jugendliche werden nervös,
wenn sie auf der Freizeit keinen Handy-Empfang mehr haben.
Wir lassen uns
durch einen musikalischen Geräuschteppich
zuhause oder bei Autofahrten beruhigen.
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Und Einkaufen geht gar nicht mehr ohne Musik.
Beschallung allüberall
Die moderne Beschleunigungsgesellschaft
zwingt uns immer schneller zu leben.
Der Preis dafür ist Oberflächlichkeit und Ruhelosigkeit.
Daher brauchen wir „Ent-schleunigung“, Ihr Lieben.
Langsamer, mal innehalten.
Sonst rauscht das Leben nur so an uns vorbei.
Wie oft eilst du,
um Zeit zu sparen.
Und wie oft brauchst du die gesparte Zeit,
um dich von der Hetze des Lebens wieder zu erholen?
Ruhe und Stille
haben etwas mit Entdeckungen zu tun.
Gott liebt es, sich in der Stille zu zeigen.
Darum heißt es in Psalm 46,1:
„Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!“
Vielleicht fällt uns deshalb geistliches Leben so schwer,
weil uns die Stille fehlt.
Denn der Lärm deckt zu,er hält in Unruhe.
Stille dagegen eröffnet uns einen neuen Blick.
Auf die Welt, auf Gott, auf uns selbst.
Darum ist die Stille so wertvoll.
Ich las einen Satz, der mir sehr gefiel:
„Die Stille ist wie ein Sieb,
mit dem wir das Wertvolle
vom Wertlosen trennen können“.
2. Die unheimliche und die heilsame Stille
Nun gibt es eine eigentümliche Tatsache.
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„Stille ist etwas Gutes
– aber wir kommen so selten dazu …
Eigentlich sind wir dafür
– aber insgeheim laufen wir davor weg.“
Vielleicht haben wir Angst vor einer negativen Stille?
Betretene, peinliche Stille.
Lähmende Stille, Totenstille?
So etwas gibt’s ja auch, und viele haben es erlebt:
Da werden die Noten vor der Klasse gesagt.
„Gerade noch eine vier,
na..“ – bohrt der Lehrer –
„..hast du dazu etwas zu sagen?“
– Peinliche Stille.
Oder zwei Freundinnen treffen sich, sagt die eine zur anderen:
„Bevor du es von anderen hörst,
ich wollte dir nur sagen: wir trennen uns!“
- Traurige, betretene Stille.
Es gibt eine Stille, die mit Angst,
Schwere und Scham aufgeladen ist.
Sie ist bedrückend –
und man erwartet besorgt,
was in den nächsten Augenblicken passieren wird.
Vor ca.11 Jahren,
am 11. August 1999 war für wenige Minuten
eine totale Sonnenfinsternis in unserem Land.
Es war ein seltsames, etwas bedrückendes Erlebnis.
Innerhalb kurzer Zeit,
schneller als am Abend, wurde es dunkel.
Als ob die Nacht hereinbrechen würde.
Auffallend war,
dass die Vögel ihr Gezwitscher und ihren Gesang einstellten.
Mitten am Tag war über der Natur eine unheimliche Stille.
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Doch die Stille im geistlichen Sinne,
liebe Gemeinde,
ist mehr als die Abwesenheit von Lärm.
Mehr als das Fehlen von Worten,
sie ist gefüllt und heilsam.
In der Stille entdecken wir oft,
dass Gott zu uns redet und uns hilft.
„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft!“,
so sagt es der Psalmist in Psalm 62,2.
Wir leiden meist nicht
unter zu viel Stress und Belastung.
Sondern vor allem daran,
die Zeiten der Ruhe nicht wirklich zu nutzen.
Und wenn jemand über zuviel Stress und Belastung klagt,
dann sollte man fragen,
wo seine Ruhezeiten in der Woche geblieben sind.
Deshalb haben wir sie doch von Gott geschenkt bekommen:
Sonntag, Ruhetag, Gottesdienst.
Hier können wir wieder auftanken, Kräfte sammeln.
Die Ausrichtung aufs Wesentliche und auf Gott
hat da seinen Platz.
In der Begegnung mit Gott
wird unser Seelenhunger gestillt.
Im Schöpfungsbericht
ist dieser 7.Tag, der Sabbat,
besonders hervorgehoben.
Ein Geschenk Gottes für uns,
das wir so dringend brauchen,um zur Ruhe zu finden.
Über die Sabbatruhe
werde ich im Gottesdienst in zwei Wochen
eine Predigt halten.
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3. Was können wir tun, um wieder aus der Stille zu leben?
3 kurze Tipps:
1) Habe ich Belastung und Ruhe,
Arbeitsanfang und -ende einigermaßen definiert?
„Gib der Seele einen Sonntag
und dem Sonntag eine Seele“ (Peter Rosegger)
2) Ich möchte Orte und Rituale der Ruhe einrichten
Was hilft mir, konkret zur Ruhe zu kommen?
Und das dann auch praktizieren.
3) Jesus ins Boot holen.
Jesus hat die Ruhe weg.
Das sehen wir bei der Sturmstillung.
Der Sturm peitscht, das Schiff geht fast unter, die Jünger sind in Panik.
Doch durch Jesus kehrt Ruhe ein.
So auch bei uns.
Jesus spricht das Machtwort
gegen die aufgewühlten Gedanken in den Stürmen des Lebens.
Auch wenn ich selbst nicht
Herr der Unruhe werde.
Ich habe doch einen Mitstreiter,
dessen Macht nicht zu klein ist,
um dem aufgewühlten Meer meines Lebens zu gebieten.
Mit Jesus im Boot,
lässt sich die Ruhe finden,
die wir so dringend brauchen.
Amen.