Der Postbank-Bonus

Transcription

Der Postbank-Bonus
Der Postbank-Bonus
– eine Rekonstruktion –
Anhand der folgenden als Story verpackten Rekonstruktion der Ereignisse
rund um das Lehman-Engagement der Deutschen Postbank wird deutlich,
wie Verluste versteckt, Boni getarnt und insgesamt über 11 Millionen
Euro zum Schaden der Postbank-Mitarbeiter verschwendet wurden.
„Nichts davon ist wahr!“, sagt die Postbank (2011).
Doch lesen Sie selbst…
Das Reden:
Wolfgang Klein (Vorstand der Postbank AG) am 07.12.08: "Meine
Vergütung hängt stark vom Unternehmenserfolg ab, und wenn wir keinen
Gewinn machen, bekomme ich dafür auch keinen Bonus."1
Frank
Appel
(Vorstand
der
Deutschen
Post
AG)
am
21.02.09,
verantwortlich für die illegale Bonusvergabe: „Läuft das Geschäft gut,
sollte er (Anm. der Vorstand) gut verdienen. Läuft das Geschäft schlecht,
dann sollten Vorstände keine variablen Vergütungsanteile erhalten.“2
Frank Appel (Vorstand der Deutschen Post AG) am 14.09.08: Ängste
vor einem Abbau von Arbeitsplätzen sind völlig „unbegründet“.3
& das Tun:
2007
erhält
der
Postbank-Vorstand
6
Millionen
Euro
bei
einem
Jahresgewinn von 856 Millionen Euro.
2008 erhält der Postbank-Vorstand ganze 11 Millionen Euro trotz eines
Verlusts von über 821 Millionen Euro.4
2009 baut die Postbank jede zehnte Stelle ab.5
1/13
Im Jahr 2007 werden Verluste in Höhe von 150 Millionen Euro versteckt. Denn es soll
nicht so aussehen, als wäre die Postbank von der Finanzmarktkrise betroffen. Das
Verstecken kostet die Postbank später nicht nur mehr als 550 Millionen Euro, sondern
beinahe auch die Insolvenz des 100jährigen Traditionsunternehmens.
Inmitten der existentiellen Krise wird dem Vorstand ein Bonus für „ganz
außergewöhnliche“ Leistungen in absurder Höhe zugesprochen. Die Leistung lasse sich
mit einer „Verunsicherung“ der Manager erklären, so die Postbank später. Weitere
Auskünfte hierzu verweigert das DAX-Unternehmen…
I
Der Lehman-Deal
Ende 2007, die Ermittlung des Postbank-Jahresergebnisses ist in vollem Gange, da stört
sich der Vorstand an Verlusten, die im Rahmen der Finanzmarktkrise bei seiner
amerikanischen Tochter entstanden sind. Schließlich könnten diese den Eindruck
erwecken, auch die Postbank sei von der Finanzmarktkrise betroffen.
So behilft sich die Postbank mit einem Trick. Denn findige Bilanzmathematiker wissen:
Verluste verschwinden wie von Geisterhand, wenn sich nur ein Bürge dafür findet. Die
Postbank geht mit der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Inc. den
folgenden Deal ein: Lehman stellt sich als Bürge für die erlittenen Verluste zur Verfügung
und erhält im Gegenzug einen hohen Kredit ohne Sicherheiten zu einem äußerst
niedrigen Zinssatz. Ein Insider sagt: „Die Kosten, die der Postbank durch den Deal
entstehen, sind genauso hoch, als hätte das Institut die verbrieften Kredite sofort
abgeschrieben“.6
Für Lehman ein lohnendes und risikoloses Geschäft, erhält das Institut doch zinsgünstige
Kredite, die im Zuge der aufkeimenden Finanzkrise dringendst benötigt werden und auf
andere Weise wohl gar nicht mehr zu bekommen sind. Auch der Postbank-Vorstand freut
sich, muss er doch nicht wegen der Verluste Rede und Antwort stehen. Und ganz
nebenbei steigt auch der eigene Leistungsbonus.
Nur für die 100jährige Bank kein gutes Geschäft. Dem Institut werden mehr als eine
halbe Milliarde Euro entzogen, die an eine amerikanische Investmentbank verliehen
werden. Und das nur, um nicht über erlittene Verluste aufklären zu müssen. Andere
nennenswerte Vorteile lassen sich nicht erkennen. Die Verluste sind nicht verschwunden,
sondern nur an einer anderen Stelle in der Bilanz versteckt und werden Jahr für Jahr mit
den zukünftigen Gewinnen verrechnet. Anscheinend nur dafür geht der Vorstand ein
reales Risiko von über einer halben Milliarde Euro ein und riskiert den Fortbestand der
ganzen Bank.
2/13
Und schon ein paar Monate später ist der Finanzmarkt in Aufruhr. Die amerikanischen
Investmentbanken, darunter natürlich auch Lehmann, an welche die Postbank kurz zuvor
noch einen Kredit in Höhe von über einer halben Milliarde Euro veranlasste, stehen
angeblich kurz vor der Pleite. Bear Stearns lässt sich nur noch mittels eines Notverkaufs
retten.7 Die Bundesbank ist auch in Sorge und schreibt alle deutschen Bankvorstände
an.8
9
Es seien alle Engagements in amerikanischen Investmentbanken kritisch zu
überprüfen. Und die von der Postbank kürzlich erworbenen Lehman-Anleihen verlieren
drastisch an Wert.10 Auf diese Art werden aus kleinen riesige Verluste.
Spätestens jetzt musste dem Postbank-Vorstand klar sein, dass der Lehman-Deal, der
eigentlich nur dazu diente ein paar Verluste zu kaschieren, für die Postbank ein reales
Risiko darstellt und das über 100jährige Institut in seiner Existenz gefährdet.
Der Deutschen Post (als Mehrheitsaktionärin) jedenfalls scheint das Risiko bekannt
gewesen zu sein, denn sie beschließt ganz offiziell den Verkauf ihrer Anteile. Sie will die
schnellstmögliche Trennung.11 Aus diesem Grund verspricht Post-Chef Appel in seiner
Funktion als Postbank-Aufsichtsratsvorsitzender dem Postbank-Vorstand Prämien in
Millionenhöhe, wenn es zu einem erfolgreichen Verkauf der Postbank kommt.12
Lehman-Deal = Risiko ohne Chance
Lehman stellt sich als Bürge für die entstandenen Verluste in Höhe von etwa 150 Millionen Euro aus den
Zweckgesellschaften Links, Stanfield Victoria und K2 zur Verfügung. Im Gegenzug erhält Lehman
zinsverbilligte Kredite von über eine halben Milliarde Euro und eine Prämie. Für die Postbank AG entstand
hieraus ein Risiko von über einer halben Milliarde Euro. Aus der Tabelle folgt, dass der Lehman-Deal ohne
ökonomische Ratio ablief.
Ökonomische
Ratio
Mit Lehman-Deal
Ohne Lehman-Deal
Kosten
150 Millionen Euro Verlust +
Prämienzahlung + Eigenkapital-Bindung
150 Millionen Euro Verlust
Risiken
Verlust EUR 7 Mio. Restwerte + Prämie +
Verlust EUR 550 Mio. (Kreditausfall)
Verlust EUR 7 Mio. Restwerte
Chancen
Erholung der Zweckgesellschaften
Erholung der Zweckgesellschaften
Frank Appel wird später behaupten im Mai 2008 sei von der Krise noch keine Rede
gewesen, was nachweislich nicht stimmt.13
14
Die Postbank wird später behaupten, dass
die Prämien sogar unabhängig von einem erfolgten Verkauf ausgeschüttet werden sollten
und im Zusammenhang mit einem Erwerb einer Beteiligung an der Gesellschaft stünden.
Im Halbjahresbericht 2008 feiert sich die Postbank noch einmal als Hort der Stabilität
selbst. Man lobt sich.15 Kein Wort über das ausfallgefährdete Lehman-Engagement und
das millionenschwere Damoklesschwert.
3/13
II
Geplatzter Postbank-Verkauf
Und im September 2008 wird groß gefeiert. Die Postbank sei an die Deutsche Bank
verkauft worden, heißt es. Selbst die Presse fällt darauf rein. Denn tatsächlich kann von
einem Verkauf keine Rede sein. Wer genauer hinschaut merkt sehr schnell, dass die
Postbank zwar an die Deutsche Bank gekettet wurde, diese sich aber alle Optionen offen
lässt. „Eine Option ist eine Option ist eine Option“ erklärt Ackermann auf der
Pressekonferenz verschmitzt. Tatsächlich erwirbt die Deutsche Bank nur eine Minderheit
und darüber hinausgehende verbindliche Zugeständnisse fehlen.
Nach außen hin heißt es: es sei ein langfristiger und strategischer Partner gefunden
worden, der die Postbank „inhaltlich“ weiterbringe. Tatsächlich handelt es sich aber um
nicht mehr als eine Minderheitsbeteiligung und Ackermann selbst sagte Tage zuvor noch:
in diesem Fall habe „man keine strategischen Möglichkeiten der Einflussnahme.“16 Der
Change-of-control bleibt aus und es ist nicht sicher, ob es überhaupt zu einer
vollständigen Übernahme durch die Deutsche Bank später noch kommt. Denn schließlich
hat sich die Deutsche Bank zu nichts verpflichtet.17 (Anm.: Tatsächlich kam es keine drei
Monate später zu einer Nachverhandlung des Vertrages zu Gunsten der Deutschen Bank
und eine Übernahme fand in 2010 statt.)
III
Frank Appel vergibt illegalen Bonus
Doch die Deutsche Post ist wohl mehr als froh das Risiko – zumindest zum Teil – heimlich
an die Deutsche Bank weitergereicht zu haben. Was für ein Triumph: die alte Post führt
die Deutsche Bank vor – und wie! Deshalb wohl die große Freude über die eigentlich
belanglose Transaktion. Und deshalb wohl kommt es auch zur illegalen Vergabe des
Postbank-Bonus.
Denn Postchef Frank Appel zeigt sich mehr als großzügig. Präsidial wird ein Bonus in
Höhe von über 11 Millionen Euro an den Vorstand gewährt. Und der Bonus hat es
tatsächlich in sich:
Stetige Steigerung der Bonuszahlungen unabhängig vom Ergebnis:
BONUS 2006
BONUS 2007
BONUS 2008
=
=
=
€ 6.082.200
€ 6.059.200
€ 11.515.000
(bei € 695 Mio. Gewinn)
(bei € 856 Mio. Gewinn)
(bei € -821 Mio. Verlust)
Rechtlich geht das aber nicht so einfach, denn schließlich verteilt Appel nicht sein eigenes
Geld, sondern das ihm anvertraute Vermögen der Gesellschaft. Der Bundesgerichtshof
urteilte hierzu: eine Sonderzahlung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und
dem
Unternehmen
keinen
Anerkennungsprämie),
stellt
Gesellschaftsvermögens dar.
zukunftsbezogenen
eine
Nutzen
treupflichtwidrige
bringt
Schädigung
(kompensationslose
des
anvertrauten
18
4/13
IV
Die Verschleierung
Die Begründung des Bonus stellt sich als nicht einfach heraus. Hätte eine Übernahme der
Postbank stattgefunden, hätte man eine Halteprämie an den Vorstand ausschütten
können. Aber ohne eine solche Übernahme ist das nicht möglich.
Es muss also Leistungsprämie ausgeschüttet werden. Nur für welche Leistung? Was
konnte der Postbank-Vorstand tatsächlich zum Vorteil der Postbank tun, in dem Geschäft
zwischen der Deutschen Bank und der Deutschen Post? Wohl nicht viel.
Aus diesem Grund wird wohl verschleiert. Öffentlich heißt es, es fand ein Verkauf der
Bank statt und es wurde eine Halteprämie ausgeschüttet, da die Vorstände verunsichert
waren und ansonsten die Bank verlassen hätten.
Michael Sommer, immerhin DGB-Vorsitzender (Deutscher Gewerkschaftsbund), erklärt
ganz unschuldig: “ich habe gegen den Beschluss zur Zahlung der sogenannten
Halteprämie
an
die
Vorstände
der
Postbank
gestimmt".
Auch
Frank
Appel,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG, rechtfertigt sich: “Die Sonderzahlungen
hatten einen einzigen Zweck: die Vorstände mitten in den Verkaufsverhandlungen bei der
Bank zu halten".14 Und die Postbank bezeichnet die Prämien vorsichtig „als eine Art
Halteprämie. Denn einige Manager seien verunsichert gewesen…“.
Erst ein halbes Jahr später, mit Vorlage des Geschäftsberichts, wird klar werden, dass es
entgegen den öffentlichen Beteuerungen überhaupt keine Halteprämie gab, sondern eine
Leistung
belohnt
wurde.
Im
Geschäftsbericht
heißt
es:
eine
„Leistungszusage
(Sonderbonus) an die Vorstände im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an
der Gesellschaft“.4
Ist es also nicht merkwürdig, dass Appel öffentlich den Bonus als Halteprämie
bezeichnet, bankintern aber eine Leistungszusage ausspricht – und das obwohl es sich
aus rechtlicher Sicht um völlig unterschiedliche Vergütungssysteme handelt? Öffentlich
stellt der Gewerkschaftsvorsitzende die Prämien als Halteprämien dar, obwohl eine ganz
außergewöhnliche Leistung des Vorstands belohnt wurde.
Welcher Deal lief da zwischen Gewerkschaft und Aufsichtsrat ab? Und aus welchem
Grund?
Überlegt man sich, welche Leistungen hier überhaupt belohnt werden konnten, wird der
Grund ersichtlich. Es gab keine Leistungen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die
Postbank selbst keine Auskunft geben möchte, um welche Leistungen jedes einzelnen
Postbank-Vorstands (auch zukünftigen) handelte. Zu anderer Gelegenheit aber sagt die
Postbank ganz deutlich: „die Postbank war bei dem Verkauf des Aktienpaketes an die
Deutsche Bank nicht Vertragspartei.“19
5/13
Illegale Prämien in Millionenhöhe
Eine Halteprämie wurde wohl im Mai versprochen, konnte rechtlich aber nicht gewährt werden, nachdem im
September überraschend die Postbank-Übernahme scheiterte. Rechtlich darf nachträglich keine
Leistungszusage versprochen werden – zudem es wohl auch keine Leistung hier geben kann.
Die Postbank argumentiert hier wohl mit der Absicht zur Zusammenarbeit im Vertrieb. Ein guter Grund für
die Ausschüttung von über 11 Millionen Euro…
Vielleicht deshalb, weil eigentlich eine Halteprämie ausgeschüttet werden sollte, kommt
es in der Folge zu Widersprüchen: Der Postbank-Vorstandsvorsitzende Dr. Klein erklärt in
einem Interview mit dem Spiegel, dass dem Postbank-Vorstand der Bonus bei einem
erfolgreichen Verkauf versprochen worden sei.12 Kurz darauf widerspricht aber die
Postbank: die Gewährung der Prämie sei nicht an das Gelingen des Verkaufs geknüpft
worden.20 Offenbar ist die Verwirrung groß und niemand weiß, für was eigentlich Prämien
gezahlt wurden, denn später bestreitet der ehemalige Vorstandsvorsitzende ab überhaupt
einen Bonus erhalten zu haben und noch am 19.02.09 behauptet er in vollem Ernst: „für
den Postbank-Vorstand wird es keinen Bonus geben.“
21
Eine Leistungszusage ohne Leistung
Das ist passiert:
..und so wurde verschleiert:
April 08: Die Post will die Postbank verkaufen.
Der Postbank-Vorstand will einen Bonus
bei einem Verkauf.
Es findet kein Verkauf statt! Für
eine Prämie fehlt die rechtliche
Grundlage.
Man tut so, als hätte der Verkauf quasi
doch statt gefunden.
Frank Appel vergibt einen
Leistungsbonus, obwohl keine
Leistung erbracht wurde.
Damit niemand die fehlende Leistung
hinterfragt, wird öffentlich von
„Halteprämien“ gesprochen.
Trotz angeblicher „Halteprämien“ verlassen
4 der 10 Vorstände die Bank – nach Erhalt
der Prämien. Ein Vorstand bekommt für
sein Gehen noch einmal fast 3 Millionen
Euro.
Erst im März 09 taucht der Bonus als
„Leistungszusage“ im Geschäftsbericht
auf. Zuvor hatte der Postbank-Vorstand
sogar behauptet, er würde keinen Bonus
erhalten.
Ohne Leistung fehlt die rechtliche Grundlage für die Ausschüttung. Der Bonus ist illegal.
6/13
Die Postbank behauptet die Prämien seien schon im Mai 2008 zugesprochen worden.
Und: die Prämien seien auch an zukünftige Vorstandsmitglieder versprochen worden. So
wild geht es bei der Postbank zu.
Man verspricht Prämien für die Verunsicherung auch an zukünftige Vorstandsmitglieder.
Denn die Verunsicherung tritt erst mit dem Vorstandsberuf ein. So wird Horst Küpker am
01.07.08 Vorstandsmitglied, also rund zwei Monate nach angeblicher Zusage, und muss
sich natürlich auch gleich „halten“ lassen. Küpker erhält deshalb über 1,3 Millionen Euro
mehr und damit pro Arbeitstag ganze 24.000 Euro.
V
Das Lehman-Problem
Aber nicht genug, es kommt noch schlimmer. Am 15.09.08 geht Lehman Brothers
pleite. Der Worst Case, den die Postbanker im Jahr zuvor nicht vorhersehen, ja nicht
einmal erahnen hatten können, ist kaum 10 Monate später eingetreten. Jedem
Existenzgründer würde man ein unverantwortliches Handeln vorwerfen, nicht aber dem
Postbank-Vorstand, der sich mit Risiken auskennen sollte.
Nun hat die Postbank gleich zwei Probleme mehr: nach dem Ausfall des Bürgen treiben
nicht nur die „verschwundenen“ Verluste wieder an der Oberfläche, sondern auch die
Kredite an Lehman sind nichts mehr wert. Zurück bleibt ein riesiges Loch in der Bilanz.
Bilanzwerte im Wert von bis zum 30fachen des an Lehman geliehenen Betrages stehen
plötzlich ohne Besicherung da. Die Eigenkapitalquote sinkt dramatisch und eine Insolvenz
des 100jährigen Instituts ist nicht ausgeschlossen. Und das nur aufgrund der eigentlich
kleinen Verluste aus 2007.
Die Meldung von der Insolvenz von Lehman schlägt in der Bankenwelt ein wie eine
Bombe. Betroffen sind weltweit über 200 Institute, die dies auch unmittelbar mitteilen.22
Die britischen Behörden fordern alle Institute zur Veröffentlichung ihres LehmanEngagements auf, um Insiderhandel und weiteren Schaden für die Allgemeinheit zu
vermeiden.23
Nur die Postbank verhält sich ruhig. Währendem draußen die Welt untergeht, bleibt die
Postbank still. Am 24.09.08 hält der Finanzvorstand Heß eine Konferenz mit dem Titel
„robust development in challenging markets“ und erklärt, dass die Postbank gut für die
aktuellen und auch zukünftigen Herausforderungen gerüstet sei. Das Investment Portfolio
habe sich sogar als relativ stabil in der Krise erwiesen.24
Stimmt natürlich nicht. Aber der Aufsichtsrat kann am 26.09.08 zusammenkommen und
ganz beruhigt den Leistungsbonus an den Postbank-Vorstand bewilligen.
7/13
Ein Bonus trotz riesiger Verluste
Tatsächlich:
So wurde verschleiert:
15.Sep 08: Zusammenbruch von Lehman Brothers
Der Postbank entstehen riesige Verluste.
Das Institut benötigt dringend Kapital.
Die Postbank hält die Verluste geheim.
Ein internes Dokument belegt: der
Postbank entstehen Verluste in einer
bedrohlichen Größenordnung.
Der Postbank-Vorstand verkündet am
24.09.08: „robust development
in challenging markets“.
Frank Appel vergibt trotz der
Liquiditätsschwierigkeiten einen Bonus
von über 11 Millionen Euro.
Um ja nur keinen Verdacht aufkommen
zu lassen, wird behauptet der Bonus sei
schon im Mai zugesprochen worden.
Erst über 40 Tage später wird über
die Verluste informiert.
Frank Appel sagt, als die Entscheidung
fiel war von der Krise noch keine Rede.
Nov 09: Der Abbau von über 2000 Mitarbeiter wird angekündigt.
VI
Kontrollvakuum fördert Selbstbedienungsmentalität
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der hochriskante Lehman-Deal wohl nicht
dem Zweck diente die Postbank krisenfest zu machen. Und da früh klar ist, dass die
Ergebnisse für 2008 keinen Bonus zulassen werden, muss eben der Minderheitserwerb
als Begründung für den Leistungsbonus herhalten. Und da man nicht weiß, ob die Bank
überhaupt noch in einem Jahr existiert, soll doch bitte der Bonus gleich sicherheitshalber
in doppelter Höhe ausgeschüttet werden, denn die Verunsicherung ist doch schon sehr
groß. Wen stören da rechtliche Bedenken, denn wer wird sich schon darüber
beschweren?25
Der Lehman-Deal wurde verheimlicht und das Risiko nur aufgrund der Geheimhaltung
nicht abgesichert. Augen zu und durch. Dumm nur, dass Lehman dann auch noch vor der
Bonuszahlung zusammenbricht. Aber auch das ist nicht weiter schlimm: man muss nur
so tun, als hätte man es nicht gemerkt. Man meldet einfach die Verluste 40 Tage später
trotz gesetzlicher Pflicht. Schon kann man sich erst den Bonus auszahlen lassen und
dann später den Verlust öffentlich mitteilen.
8/13
Wenn sich das alles also tatsächlich so zugetragen hat, wie hier dargestellt ist – und
davon ist zum bisherigen Kenntnisstand auszugehen –, dann wurden an den PostbankVorstand illegale Prämien in Höhe von über 11 Millionen Euro ganz ohne Leistung
ausgeschüttet. Nicht aus einem Versehen heraus, sondern in vollem Bewusstsein der
Unrechtmäßigkeit.
Wenn die obige Rekonstruktion stimmt – und es spricht derzeit kein vernünftiges
Argument dagegen – dann steht Post-Chef Frank Appel im Zentrum der illegalen
Boni-Vergabe und der Postbank-Vorstand überging wissentlich gesetzliche Pflichten nur
aus
dem
persönlichen
Interesse
heraus
seinen
Bonus
zu
bekommen.
Und
die
Öffentlichkeit wurde ganz gezielt mit Falschinformationen hinters Licht geführt.
Die Havarie vor Augen wird der Bonus verdoppelt
2007
Durch die Finanzmarktkrise entstehen
Verluste in Millionenhöhe.
2008
Geplatzter Postbank-Verkauf.
Pleite von Lehman Brothers. Es
entstehen unmittelbar riesige Verluste.
Verluste werden geheim gehalten.
Verluste werden mittels riskantem
Lehman-Deal versteckt.
Illegaler Bonus wird zugesprochen.
Bonusvergabe wird verschleiert.
6 Millionen Euro Bonus an den
Vorstand.
11 Millionen Euro Bonus an den
Vorstand.
Dass dies so lange unbemerkt bleibt, offenbart das Problem der fehlenden gegenseitigen
Kontrolle, welches bereits an anderer Stelle thematisiert wurde: „Nein, bei Verfehlungen
dieser Art kann nur der Aufsichtsrat gegen den Vorstand klagen oder der Vorstand gegen
den Aufsichtsrat.“26
Wenn indes wie in diesem Fall der Aufsichtsrat Appel und der Postbank-Vorstand Klein
gegenseitig voneinander profitieren und zudem die Arbeiterseite (DGB) mit eingebunden
wird, mangelt es an wirksamer Kontrolle. In einem solchen Kontrollvakuum kann sich
eine Selbstbedienungsmentalität ausbreiten (siehe die VW-Korruptionsaffäre), die nicht
nur für die Postbank AG und andere Aktiengesellschaften, sondern für die gesamte
wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands schädlich ist.
Die Vorstände wechseln, der Schaden bleibt. Denn was auf der einen Seite verschwendet
wird, muss auf der anderen Seite ganz brutal eingespart werden. Zu diesem Zweck legte
der Vorstand am 25.11.09 ein „Strategieprogramm“ auf, welches darin besteht über
9/13
2.000 Arbeitsplätze abzubauen.27 Die ganze „Strategie“ beschränkt sich also zunächst
darauf das Unternehmen erfolgreich auszusaugen, um dann, wenn gespart werden muss,
Arbeitsplätze abzubauen.
Man mag der Meinung sein 11 Millionen Euro wären doch im Verhältnis zu den riesigen
Verlusten der Finanzmarktkrise gar nichts. Doch man sollte den schädlichen Einfluss der
Bonusvergabe nicht unterschätzen.
Der Ruf nach mehr Regulierung ist hingegen irreführend. Mit mehr Regulierung und
strengeren Gesetzen wird wenig erreicht. Denn was nützt eine noch strengere
Regulierung, wenn Geschäfte nach wie vor außerhalb der Bilanz geführt werden dürfen?
Was nützen mehr Regeln, wenn Gesetze ganz offensichtlich gebrochen werden und eine
Strafverfolgung nicht erfolgt?
11 Millionen Euro waren Antrieb dafür Geschäfte einzugehen, die jeder Sorgfaltspflicht
und jeder kaufmännischen Logik widersprachen. 11 Millionen Euro waren Antrieb dafür
Verluste in Höhe von über einer halben Milliarde Euro aufzutürmen. Aber Konsequenzen
werden daraus nicht gezogen.
Wenn Vorstände damit rechnen müssen selbst strafrechtlich belangt zu werden, dann
werden sie auch wieder damit aufhören Banken und Unternehmen, die sie eigentlich
führen sollten, leichtsinnig und häufig auch größenwahnsinnig an die Wand zu fahren und
in den Abgrund zu ziehen. Wegen 11 Millionen Euro geht kein DAX-Vorstand das Risiko
ein wegen Untreue belangt zu werden, es sei denn er kann von vorne herein sicher sein,
dass sein Handeln ohne Konsequenzen bleibt.
Nicht ein Mehr an Regulierung, sondern ein Nicht-Zulassen der Intransparenz (Geschäfte
außerhalb der Bilanz, Zweckgesellschaften, fehlende Transparenz den Aktionären
gegenüber) und die Angst vor tatsächlichen (strafrechtlichen) Konsequenzen hätte die
Finanzmarktkrise wirksam verhindert. Doch obwohl im vorliegenden Fall niemand sagen
kann, welche Leistung der Postbank-Vorstand für seinen Leistungs-Bonus erbracht haben
soll, passiert nichts. 11 Millionen Euro werden ohne Leistung ausgeschüttet und die
staatsanwaltlichen Ermittlungen werden mit der lächerlichen Begründung eingestellt,
dass, auch wenn es sich bei dem Geschäft um ein Geschäft zwischen Dritten handele
(also eine Leistung gar nicht erbracht werden konnte), schließlich eine gewisse
Anreizwirkung von den Prämien ausgehen könne.
Eine solche Argumentation führt den Sinn einer Leistungszusage ad absurdum. Eine
solche Argumentation erklärt für Recht, wenn das nächste Mal nicht 11 Millionen Euro,
sondern 111 Millionen Euro ohne Leistung ausgeschüttet werden.
10/13
•
Frank Appel geht mit seinen Mitarbeitern nicht so präsidial und großzügig um wie
mit dem Vorstand: am 04.10.09 stellte er seinen Beschäftigten Boni in Aussicht –
allerdings mit Bedingungen: auf eine bereits vereinbarte Lohnerhöhung müsste
verzichtet und die Wochenarbeitszeit unentgeltlich ausgedehnt werden. Und: die
wirtschaftliche Situation im Briefbereich müsste sich besser entwickeln. (Manager
Magazin vom 03.10.09: „Post-Chef lockt mit Bonuszahlungen“).
•
Der Autor sichert zu, dass obige Rekonstruktion entsprechend den derzeitigen
Erkenntnissen wiedergegeben wurde. Fehler können aufgrund der fehlenden
Mitwirkung
der
Deutschen
Postbank
AG
nicht
ausgeschlossen
werden.
Fabian Klink, Leipzig, 03.01.2012, [email protected]
Stimmen:
- „Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass sich die ‚Bleibeprämien’
rechtlich nicht begründen lassen.“ Inhaber einer Professur für
Wirtschaftsrecht
-
VIP (Vereinigung Institutionelle Privatanleger) eV: „… und auch dies: Ihre
Argumente liegen wirklich auf der Hand.“
-
DWS (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.): „wir haben
bei der DSW eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der Fragen der
Organhaftung bei Banken diskutiert werden soll. Konkret wird auch das
Thema Postbank behandelt werden.“
-
Wirtschaftsjournalistin (Schwerpunkt Banken): Ich glaube auch, dass da was
faul ist.
-
In einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung vom 07.01.11 schreibt Steffen
Könau: „Ein Lehrstück, geschrieben von einem, der weder Finanzanalyst
noch Börsenjournalist ist.“
-
Die Postbank AG: "Das ist Quatsch", sagt Postbank-Sprecher Hartmut
Schlegel, "einfach blühender Unsinn. Nichts davon ist wahr!"
Quellen:
1
WELT ONLINE, 07.12.2008, „An ein normales Leben war dieses Jahr nicht zu
denken“
2
Sueddeutsche.de, 21.02.09, „Ich habe gedacht, es geht schneller“
3
Manager Magazin, 14.09.08, „Appel weist Stellenabbau zurück“
4
Postbank-Geschäftsbericht 2008, „Service ist …“
-
S. 50: „Für die Vorstandsmitglieder kann der Präsidialausschuss des
Aufsichtsrats bei außergewöhnlichen Leistungen einen angemessenen
Sonderbonus (besondere Erfolgstantieme) beschließen.“
5
Der Tagesspiegel, 25.11.09, „Postbank baut jede zehnte Stelle ab“
6
Wirtschaftswoche, 17.11.2008, „Der Schönfärber“
11/13
-
„Die Kosten, die der Postbank durch den Deal entstehen, sind genauso hoch,
als hätte das Institut die verbrieften Kredite sofort abgeschrieben“, sagt ein
Insider. Der einzige Vorteil des Deals habe darin bestanden, dass die Verluste
über einen langen Zeitraum gestreckt werden konnten.
7
FAZ.NET, 16.03.2008, „JP Morgan übernimmt Bear Stearns zum Spottpreis“
8
E-Mail der Deutschen Bundesbank vom 30.09.09
-
9
„Die deutsche Aufsicht – BaFin und Bundesbank – hat sich seit Ausbruch der
Finanzkrise in mehreren Erhebungen insbesondere bei den großen deutschen
Banken einen Überblick über die Höhe von Engagements verschafft.“
SPIEGEL ONLINE, 18.08.2009, „Finanzaufsicht hatte Hinweise auf LehmanRisiko“
-
"Mit der Pleite einer US-Investmentbank musste gerechnet werden und wurde
zumindest auf Seiten der Bundesbank auch gerechnet."
10
FAZ.NET, 19.03.08, „Ist Lehman Brothers ausreichend liquide?“
11
WELT ONLINE, 05.06.2008, „Postbank-Verkauf läuft zäher als erwartet“
12
SPIEGEL
ONLINE,
Millionenprämie“
13
sicherte
sich
Insofern sei dem Vorstand eine Sonderprämie für den Fall zugestanden worden,
dass die Postbank doch noch zu einem lukrativen Preis an einen Investor veräußert
werden könne.
-
Die Millionenprämie und der konkrete Termin seien bereits im Mai vereinbart
worden, teilte das Unternehmen mit.
-
Auch mit dem überraschenden Gewinneinbruch des Unternehmens in Höhe von
rund 450 Millionen Euro bestehe keinerlei Zusammenhang.
Manager Magazin, 18.08.2009, „Rechnete Bankenaufsicht bereits im Frühjahr
mit Lehman-Pleite?“
"Erstmals im März und dann noch einmal im August 2008 hat die Bundesbank in
enger Abstimmung mit der Bafin die Risikopositionen deutscher Geschäftsbanken
gegenüber US-Investmentbanken abgefragt. Man wollte sich einen Überblick
darüber verschaffen, wie deutsche Banken in den USA engagiert sind."
FAZ.NET, 12.03.2009, „Arbeitnehmervertreter stimmten gegen Boni“
-
15
„Postbank-Vorstand
-
-
14
01.11.2008,
Als die Entscheidung im Ausschuss am 8. Mai 2008 gefallen sei, sei von Krise noch
keine Rede gewesen, äußerte er (Anm.: Herr Dr. Appel) weiter.
Zwischenbericht der Postbank II 2008
-
„Dabei haben sich die negativen Wertschwankungen der ersten drei Monate im
zweiten Quartal jedoch erwartungsgemäß leicht vermindert. Dies bestätigt die
insgesamt gute Kreditqualität des Portfolios.“
-
„Wegen der sehr guten Qualität unserer hochliquiden Bestände…“
16
RP Online, 11.09.08, „Postbank ist eine Preisfrage“
17
Investor Relations Release der Postbank, 12.09.2008
18
BGH 3 StR 470/04 – Urteil vom 21.12.05 (LG Düsseldorf)
-
Bewilligt
der
Aufsichtsrat
einer
Aktiengesellschaft
für
eine
erbrachte
dienstvertraglich geschuldete Leistung einem Vorstandsmitglied nachträglich eine
zuvor im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung, die ausschließlich
belohnenden Charakter hat und dem Unternehmen keinen zukunftsbezogenen
12/13
Nutzen bringt (kompensationslose Anerkennungsprämie), liegt hierin
treupflichtwidrige Schädigung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens.
19
E-Mail der Deutschen Postbank AG vom 06.10.08
20
DIE WELT: 03.11.08, „Postbank-Boni werden vorerst nicht ausgezahlt“
eine
-
Die Prämie sei bereits im vergangenen Mai vereinbart worden. Schon damals sei
auch der konkrete Zahlungstermin im September festgelegt worden.
-
Anders als vom "Spiegel" berichtet, sei die Zuwendung nicht an das Gelingen eines
Verkaufs der Bank geknüpft worden, betonte der Sprecher.
21
SPIEGEL
ONLINE,
Erklärungsnot“
22
DOWJONES Newswires, 16.09.08, Daily List of Comp. Reporting Lehman Bros
Exposure
23
THE INDEPENDENT, 16.09.08, „Regulators order UK insititutions to declare
exposure to Lehman Brothers“
24
German Investment Conference 2008, 24.09.2008, „Robust development in
challenging markets“, Seite 9
25
10.03.2009,
„Millionenboni
bringen
Regierung
-
„Postbank well-set for current and future challenges…“
-
„Sustainable earnings and conservative risk profile..“
-
„Solid quality of loan book, proven risk management..“
-
„Cost of risk to remain significantly below loan growth“
-
„Investment Portfolio proved to be relatively stable in market turmoil..“
in
Wirtschaftswoche, 18.01.2010, Andreas Henry, „Wie nasse Hunde“
-
„Ein Blick in die Verzeichnisse offenbart, dass die Finanzbranche sich selbst bestens
im Griff hat. Warum soll eine Bank, ein Fondsverwalter oder ein Hedgefonds für
Begrenzungen von Gehältern stimmen, die das gesamte Vergütungsniveau in der
Finanzbranche unter Druck brächten?”
26
Manager Magazin, 03.03.09, „Höchstpersönlich haftbar“
27
Der Tagesspiegel, 25.11.09, „Postbank baut jede zehnte Stelle ab“
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