1 Gertrud Motzer Bezirkskrankenhaus Günzburg

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1 Gertrud Motzer Bezirkskrankenhaus Günzburg
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Gertrud Motzer
Bezirkskrankenhaus Günzburg
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Die Mutter-Kind-Therapie ist integriert auf der Station 42 am Bezirkskrankenhaus in
Günzburg.
Die Station 42 ist eine offen geführte Aufnahmestation für Männer und Frauen
unterschiedlichen Alters.
Sie verfügt über 28 Betten, die auf zwei Stockwerke verteilt sind.
Es stehen 3 Einzel-, 8 Zwei-,und 3 Einbettzimmer zur Verfügung, die mit Nasszelle,
Dusche und Toilette ausgestattet sind.
Im Rahmen der gemeinsamen Mutter-Kind-Behandlung stehen zwei Zimmer ständig
für diese Behandlungsform zur Verfügung.
Die Mütter bewohnen die Zimmer mit ihrem Kind alleine, nur in absoluten
Ausnahmesituationen (Notfallaufnahme) sind zwei Mütter in einem Zimmer.
Die "Kinderzimmer" sind mit einem Kinderbett, Wickelkommode, Kinderbadewanne,
Windeleimer und Babyphone ausgestattet.
Ess- und Aufenthaltsraum, Küche und Stationsbad stehen allen Patienten zur
Verfügung.
Im Erdgeschoss ist ein Garten angeschlossen, im Sommer steht da auch schon mal
ein Planschbecken.
Vor 3 Jahren wurde diese Therapieform auf der Station installiert und seit dem haben
wir ca. 30 Mütter mit ihren Kindern behandelt.
Bis heute musste keine Mutter mehr stationär aufgenommen werden.
Angefangen haben wir mit einem Therapiebett, mittlerweile sind es drei und die
Nachfrage ist sehr groß.
Krankheitsbilder die bei uns behandelt werden
depressive Syndrome
affektive Psychosen
Persönlichkeitsstörungen
Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol-, Medikamente)
Konflikt- Belastungssituationen
Belastungen während oder nach körperlichen Erkrankungen
postpartalen psychischen Störungen(Wochenbettdepressionen oder- psychosen)
Es besteht die Möglichkeit der teilstationären Behandlung (Tag-, Nachtklinik)
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Die Besonderheit der Station 42 ist, dass
Privatstation von Prof. Dr. Becker
Aufnahmestation BKH Günzburg
Mutter-Kind-Therapie
Aufnahmekriterien für Mutter- Kind-Behandlung
Vorgespräch mit Oberarzt oder einem Mitglied vom Team
Die Mütter sollten in der Lage sein, ihr Kind überwiegend selbst zu versorgen
Aufnahme zunächst auch ohne Kind möglich- nach ausreichender Stabilisierung der
Mutter Mitaufnahme des Kindes
Alter vom Kind von Geburt bis max. 2 Jahre
Für die Behandlung der Mütter werden die Kosten von der Kasse übernommen.
Das Kind hat einen Gaststatus, deshalb müssen die Mütter für Babynahrung,
Windeln, Pflegeartikel, Kleidung selber aufkommen.(bei Kinder, die schon vom
"Tisch" essen, besteht die Möglichkeit ein Begleitessen speziell für Kinder in der
Küche zu bestellen)
Die Kinder müssen gesund sein, die Krankenkassenkarte und das U-Heft dabei
haben.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Rechtlich liegt die Verantwortung für das Kind bei der Mutter.
Das Behandlungsteam muss jedoch individuell entscheiden, ob die psychisch kranke
Mutter diese Verantwortung übernehmen kann, welche Unterstützung sie braucht
und ob diese Unterstützung auf der Station vom Pflegeteam geleistet werden kann.
Das Pflegeteam muss daher zusätzlich zur Beobachtung der Mutter auch die
Interaktionen mit dem Baby und die Reaktionen des Babys beobachten und
dokumentieren.
Multiprofessionelles Team
Gesundheitspfleger und -schwestern (zwei mit Fachausbildung zur Psychiatrie) in
Voll- und Teilzeit
Assistenzarzt, Oberarzt, Psychologin
Sozialarbeiterin
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Je eine Kunst- und Musiktherapeutin
Physiotherapeutin
Ergotherapeuten
Extern haben wir einen Kinderarzt am Ort, der eng mit unserem Team
zusammenarbeitet und eine Hebamme, die regelmäßig konsiliarisch auf Station
kommt.
Im 14- tägigem Abstand findet die Mu-Ki Besprechung statt, Teamübergabe täglich
KUKI, Fips, Jugendamt, Landratsamt werden auch immer wieder zur Behandlung
dazu gezogen.
Behandlungsangebote
psychotherapeutische Verfahren (Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie)
Pharmakotherapie
Beratung und sozialpädagogische Unterstützung
Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation ,Aromapflege)
Entwicklungspsychologische Beratung
Kunst- und Musiktherapie gemeinsam mit Kind
Elternkurs nach "Starke Eltern- starke Kinder" in Kooperation mit dem
Kinderschutzbund Günzburg
pflegerische Versorgung und Unterstützung des Kindes ggf. Anleitung
Nutzen der Angebote des lokalen Netzwerkes (Rückbildungsgymnastik,)
Behandlungsziele
umfassende Behandlung der zugrunde liegenden psychischen Erkrankung der
Mutter
Verbesserung der Mutter- Kind Interaktion
Stärkung der familiären Kompetenzen
Hilfe beim Aufbau eines stabilen familiären Netzwerks
Verweildauer
von wenigen Wochen bis mehrere Monate
Stationsregeln
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für die Versorgung sind die Mütter zuständig
die Teilnahme an Gruppentherapien ist möglich: die Pflege übernimmt während
dieser Zeit die Versorgung des Kindes
das Kind sollte versorgt sein (frisch gewickelt und eine Flasche mit Nahrung sollte
bereit stehen)
Generell ist die Versorgung durch die Pflege vorher mit dem Personal abzusprechen.
Mitpatienten ist es nicht gestattet, Babys zu versorgen oder zu beaufsichtigen
(Versicherungstechnisch nicht möglich)
Für die Reinigung der Wäsche, Babyflaschen usw. ist jede Mutter selbst zuständig.
Es ist nicht gestattet, Aufgaben an Mitpatienten zu übertagen.
Formalitäten
Die Mütter müssen ein Formular unterschreiben, in dem steht, dass die Mutter
während des Aufenthalts ihr Kind eigenverantwortlich versorgt
Die Versorgung beinhaltet die Übernahme der Aufsichtspflicht und die Versorgung
des Kindes mit den Grundbedürfnissen
Die Mitarbeiter des BKH Günzburg dürfen das Kind während bestimmten
Therapiezeiten etc. versorgen.
Die Mitarbeiter des BKH Günzburg dürfen das Kind in Notfallsituationen (akute
Suizidalität, Erregungszustände, sichtbare und langanhaltende Überforderung) , die
mit der Gefährdung des Kindes verbunden sind, vorübergehend in Obhut nehmen.
Dieses Formular geht in die Verwaltung und das Kind wird versicherungstechnisch
gemeldet.
Besonderheit
Erziehungsfähigkeitsgutachten
Die Mütter kommen übers Jugendamt und es wird die Erziehungsfähigkeit in Frage
gestellt.
vorbestehende Erkrankung wie z.B. Persönlichkeitsstörung meistens Boderline
schon mehrere Kinder geboren und diese befinden sich schon in Pflegefamilien
schwierige Partnerbeziehung
Alkohol. und Drogenmissbrauch
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sind beim Jugendamt meistens schon bekannt durch diverse Vorfälle mit älteren
Kindern
Das Team steht im ständigen Kontakt mit dem zuständigen Jugendamt und dessen
Ansprechpartner.
Es wird gemeinsam über die Ausgangsregelung mit dem Kind entschieden.
Steht eine akute Gefährdung im Raum, dürfen die Mütter das Klinikgelände nicht
verlassen....bei Zuwiderhandlung kann sogar eine Fahndung eingeleitet werden.
Gutachtensauftrag kommt nach Prüfung aller Instanzen vom zuständigen
Familienrichter und der Oberarzt wird mit dem Gutachten beauftragt.
Unsere Aufgabe ist es, die Interaktionen zwischen den Müttern und den Kindern zu
beobachten, wie ist die Versorgung ,die Tagesstrukturierung, Gestaltung der
räumlichen Umgebung, die Zuwendung, die Betreuung, wie reagiert das Kind auf die
Mutter und umgekehrt
Diese Frauen sind besonders misstrauisch dem Team gegenüber, da sie befürchten,
dass ihnen das Kind genommen wird.
Es dauert oft sehr lange, bis sie Vertrauen gefunden haben und mitarbeiten und
bemerken, dass wir gar nichts Böses vorhaben.
Es finden sog. "runde Tische" statt, die auf Station durchgeführt werden.
Daran nehmen Mitarbeiter vom Jugendamt, evtl. Familienrichter, Oberarzt,
Sozialarbeiterin, Psychologin und ein zuständiger Mitarbeiter aus dem Team teil.
Da wird das weitere Vorgehen besprochen wie z.B. Mutter- Kind Heim
Für das Pflegeteam bedeutet dies eine besonders hohe Anforderung an
Beobachtung und Dokumentation des Verhaltens einer Mutter im Umgang mit ihrem
Kind.
Nachbetreuung
Es besteht die Möglichkeit nach der Entlassung die weitere ambulante Behandlung in
unserer Institutsambulanz zu machen oder die Mütter werden in das home treatment
vermittelt (engmaschigere ärztliche und pflegerische Betreuung)
Auch unser Oberarzt stellt sich zur ambulanten Nachbetreuung zur Verfügung.
Pflege:
Angefangen haben wir eigentlich ohne Erfahrung.
Es hat zwar eine Hospitation im psychiatrischen Zentrum Nordbaden mit Sitz in
Wiesloch gegeben, aber das half nur bedingt weiter, weil die ganz andere
Aufnahmekriterien hatten und auch Kinder bis max. 7 Jahren aufnehmen.
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Da wir einige Mütter in ein Mutter- Kind Heim verlegt haben und auch das Team
diese Unterbringungsform kennen muss, habe ich mir so eine Einrichtung
angeschaut.
Mittlerweile arbeiten wir mit diesem Heim gut zusammen und haben schon drei
Mütter dort untergebracht.
Wir haben uns im Team beraten was wir brauchen und uns eine Grundausstattung
angeschafft.
Nach und nach hatten wir die Ausstattung zusammen.
Auch haben wir viele Utensilien geschenkt bekommen wie zum Beispiel einen
Reservekinderwagen, Kinderbekleidung, Spielzeug, Plüschtiere usw.
In verschiedenen Drogeriemärkten haben wir angefragt nach Gratisproben von
Pfegemitteln, Babybad usw. Diese zeigten sich großzügig und lassen uns immer
wieder was zukommen.
Im Dienstleistungszentrum dürfen wir auch immer mal wieder Windeln, Babyflaschen,
Sauger und dergleichen bestellen.
Inzwischen haben wir eine ordentliche Reserve zusammen, die füllt einen ganzen
Schrank.
Der stellv. Verwaltungsleiter steht voll hinter dieser Therapieform und hat uns seine
Hilfe zugesagt und diese auch eingehalten. Manchmal kommt er auch auf Station
und bringt den Kindern Plüschtiere.
Die Kinderapotheke haben wir mit Hilfe unserer Hebamme zusammengestellt:
Osanit, Kinderparacetamol, ben- uron Saft, Dentinox und vieles mehr gehört
mittlerweile zum Alltag genauso wir die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen und
Impfungen.
Im vergangenen Jahr haben wir noch eine Hospitation in Münsterlingen in der
Schweiz gemacht und dabei festgestellt, dass die auch nicht viel anders arbeiten als
wir.
In Deutschland gibt es nicht viele Kliniken, die diese Therapieform anbieten Rooming in ja aber keine Therapie bei Interaktionsstörungen der Mutter und dem
Kind.
Schwierigkeiten:
Keine abgestimmten Therapiezeiten der Ärzte und Psychologin mit der Pflege
Dem Team wäre es am liebsten, wenn diese Gespräche zu einem gleichen Zeitpunkt
in der Woche stattfinden würden →...bessere Planung der Beaufsichtigungszeit
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Für die Kinderbetreuung bekommen wir keine extra Zeit →..deshalb haben wir
angefangen, die Zeit zu dokumentieren (wird auch in der Pflegeakte) um so einen
Überblick zu haben, wieviel Zeit investiert wird.
Sind die Kinder noch klein und im Kinderwagen ist es nicht so schwierig, aber sind
sie größer brauchen sie mehr Beschäftigung und eine 1:1 Betreuung.
Anderweitige Aufgaben, Patientenkontakte oder Bürotätigkeiten bleiben da schon
mal liegen.
Für die Sicherheit der schon laufenden Kinder ist auch noch nicht ausreichend
gesorgt. Es fehlen noch die Schutzgitter, damit sie nicht unbeaufsichtigt in das
Obergeschoss und in den Keller kommen können.
Bis diese installiert sind, muss immer darauf geachtet werden, dass die
Eingangstüren geschlossen sind.
Die langen Gänge verleiten zum Rennen und Bobbycar fahren und so manch einem
vom Pflegepersonal ist schon der Angstschweiß runter gerannt, wenn die Kleinen in
einem Affenzahn den Gang entlang geschossen kommen.
Was natürlich oft nicht ausbleibt ist der Lärmpegel.
Entweder sind die Kinder zu laut oder die Mitpatienten →..das ist oft eine
Gradwanderung um wieder alle zu besänftigen.
Wir haben im Team auch Mütter, Väter und Omas, die mit guten Ratschlägen nicht
sparen.
Jede oder jeder hat einen guten Ratschlag parat, was bei wem und wann geholfen
hat.
Bis eine Mutter uns mal gesagt hat, wem sie denn jetzt gerecht werden soll, weil sie
so viele verschiedene Tipps und Ratschläge bekommen hat und nicht weiss welchen
sie befolgen soll, ohne jemanden zu verletzten.
Die Kinder werden mit dem Namen angeredet...Kosenamen sind den Eltern
vorbehalten.
Kindernotfälle: bisher haben wir nur einen gehabt und das war ein Krupp- Anfall.
Das Kind kam mit dem Rettungsdienst in die nächste Kinderklinik und am nächsten
Tag wieder auf Station zurück.
Unsere größte Angst ist der plötzliche Kindstod.
Zur Zeit sind wir dabei, nicht nur die jährliche Reanimationsfortbildung zu machen
sondern diese auch auf Kindernotfälle auszudehnen.
Obwohl die Mutter in der Klinik grundsätzlich für ihr Kind verantwortlich ist und die
alltägliche Versorgung selber leisten soll, stellt die Mutter- Kind Behandlung eine
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hohe fachliche Anforderung und eine beträchtliche Mehrbelastung für das
Pflegeteam dar.
Die Aufgaben im Rahmen der Mutter- Kind Behandlung müssen neben den anderen
Aufgaben der medizinisch- psychiatrischen Pflege auf der Station durchgeführt
werden.
Die Mutter- Kind Behandlung erfordert also auf seiten des Pflegepersonals ein hohes
Engagement und Motivation.
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