Nord- und Ostsee: Gezeiten, Strömungen, Wasserschichtung

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Nord- und Ostsee: Gezeiten, Strömungen, Wasserschichtung
Nord- und Ostsee: Gezeiten, Strömungen, Wasserschichtung
Ekkehard Mittelstaedt
Nordseeküste bei Ebbe
Das Wasser des Meeres ist in ständiger
Bewegung. Ursache ist in erster Linie
die Energie der Sonne. Sie ist verantwortlich für
• die Erwärmung und Abkühlung des
Meeres
• die atmosphärische Zirkulation – den
Wind – und damit
• die Meeresströmungen, die von der
Erddrehung und der Meer-/Landverteilung beeinflusst werden. Daneben
sorgen die Anziehungskräfte von
Mond und Sonne für die Gezeiten.
schen Bucht ca. 3,5 m. Die Linien gleicher Hochwasserzeit laufen an zwei
Stellen in einem Punkt zusammen .
Im Mittelpunkt dieser Drehwelle (Amphidromie) ist der Tidenhub minimal.
Die Gezeitenwelle wandert entgegen
dem Uhrzeigersinn durch die Nordsee.
So tritt z.B. 7 Stunden nach dem
Durchgang des Monds durch den Nullmeridian bei der holländischen Insel
Terschelling Hochwasser ein. Fünf
Stunden später hat das Hochwasser die
Nordspitze von Sylt erreicht, nach weiteren 24 Minuten tritt es entlang der
Phasenlinie 0 h auf; d.h. auf dieser Linie herrscht zur gleichen Zeit Hochwasser wie auf dem Nullmeridian.
Außer den Gezeiten haben Stürme
über der Nordsee einen großen Einfluss
auf die Wasserstände entlang der Küsten. In der Deutschen Bucht sind es
Gezeiten und Gezeitenströme
Die Nordsee ist ein Gezeitenmeer, dessen Gezeiten überwiegend auf die des
Atlantischen Ozeans und nur zu einem
kleinen Teil auf die unmittelbare Einwirkung von Mond und Sonne zurückzuführen sind. Hoch- und Niedrigwasser
wiederholen sich periodisch im halbtägigen Rhythmus alle 12 Stunden 24 Minuten.
Der Gezeitenhub nimmt mit Küstennähe zu. Er beträgt in der inneren Deut-
Temperatur und Salzgehalt des Meerwassers im August (Monatsmittel)
Längsprofile
m NN
3° ö.L.
4°
5°
6°
7°
-20
34
34,5
33
°
16
16°
Deutsche
Bucht
18°
8°
32
0
14°
12°
14
4°
°
-40
55°
6°
8°
Profillinie
12
°
54°n.Br.
besonders Stürme aus West bis Nordwest, die gefürchtete Sturmfluten erzeugen, die mit erheblichen Schäden verbunden sein können ( Beitrag Müller,
S. 78).
Gezeiten (Tiden) und Gezeitenströme
(Tideströme) sind zwei verschiedene Erscheinungen desselben Vorgangs. Maximale Geschwindigkeiten des Tidestroms
im offenen Seegebiet betragen etwa
0,5 m/s. In unmittelbarer Küstennähe,
insbesondere in Flussästuaren, wachsen sie auf 1-1,5 m/s an. Damit ist der
Tidestrom in der südlichen und südöstlichen Nordsee im Allgemeinen deutlich stärker als die windbedingte Strömung (0,03-0,3 m/s).
In der Ostsee sind die Gezeiten unbedeutend. Schon an der nordöstlichen
Küste der Nordsee sind die Gezeiten gering und schwächen sich beim Durchgang durch die engen Meeresstraßen der
Beltsee und des Öresunds in die Ostsee
noch weiter ab.
Mittlere Nordsee-Zirkulation
-60
300
200
0 km
100
m NN
0
Großer
Belt
Fehmarn
Belt
Darßer
Schwelle
17°
17°
Arkona
See
Bornholm
Gatt
Westliche
Ostsee
15
16°
20
-20
13°
10°
10°
10
30
10°ö.L.
55°
14°
12°
Pr
-40
of
14°
lin
ie
il-
100
200
300 km
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
118
Salzgehalt*
> 34,5
34 - 34,5
33 - 34
32 - 33
< 32
> 30
25 - 30
20 - 25
15 - 20
10 - 15
< 10
54°n.Br.
0
Isotherme
13°
10
°
25
Temperatur
16°
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Relief, Boden und Wasser
* Salze in Gramm pro
Kilogramm Seewasser
Die mittleren unperiodischen Strömungen in der Nordsee werden hauptsächlich vom Einstrom salzreicher atlantischer Wassermassen im Süden und Norden durch den Ärmelkanal sowie durch
die mittleren Winde über See bestimmt.
Die großräumige Wasserzirkulation
entlang der Küsten ist entgegengesetzt
zum Uhrzeigersinn gerichtet . Entsprechend überwiegen in der Deutschen
Bucht die Strömungen in östliche und
nördliche Richtung. Je nach den vor-
herrschenden Winden kann die Strömungsrichtung von der dargestellten
mittleren Situation abweichen. Dabei
unterscheidet sich die Strömung in der
unteren Wasserschicht zeitweise fundamental von derjenigen an der Meeresoberfläche, je nachdem ob die aktuelle
Windrichtung auflandig oder ablandig
ist. In diesen Fällen wird in der Tiefe
eine Gegenströmung als Ausgleich für
die oberflächennahe Strömung erzwungen.
Mittlere Zirkulation in der
westlichen Ostsee
Infolge der weitgehenden Aussüßung
und der damit verknüpften starken halinen Schichtung gleicht die Ostsee einem großen Fjord mit einer Folge von
Tiefenbecken. In der Oberflächenschicht strömt das Ostseewasser aufgrund des festländischen Süßwasserzuflusses und ergiebiger Niederschläge
nach Westen zur Nordsee hin. In der
Unterschicht dringt als Ausgleich dichteres salz- und sauerstoffreiches Nordseewasser durch den Großen und Kleinen Belt sowie den Öresund in die Ostsee ein . Dieser Prozess wird erheblich
durch die jeweiligen Windverhältnisse
modifiziert und hängt auch vom aktuellen Füllungsgrad der Ostsee ab. Nach
einer niederschlagsarmen HochdruckGroßwetterlage über Nordosteuropa
und einem damit verbundenem langzeitigen Ausstrom des salzarmen Ostseewassers in das Kattegat dringt als Ausgleich in der Tiefe dichteres salzreiches
Deutsche Bucht und südliche Nordsee
Gezeiten
4°
Hochwasser und Monddurchgang
6°
8°
56°
DK
4°
6°
2h
56°
3h
Mittlerer Springtidenhub
8°
1h
DK
4h
Esbjerg
12
h
5h
11
h
West-Terschelling
h
10
54°
Norderney
Borkum
Wilhelmshaven
Emden
8h
Helgoland
7h
Bucht
54°
Büsum
Bucht
Büsum
Helgoland
Norderney
Borkum
Wilhelmshaven
Emden
Cuxhaven Ha.
West-Terschelling
Bremerhaven
Husum
Deutsche
9h
Deutsche
6h
Husum
3m
Bremen
Cuxhaven Ha.
Bremerhaven
Bremen
5h
1m
3h
1m
0,5 m
NL
Linien gleichen mittleren
Springtidenhubs
NL
1h
Hoek van Holland
52°
Vlissingen
1h
0,5 h
Linien gleichen mittleren Hochwasserunterschieds gegen den Durchgang
des Mondes durch den Nullmeridian
Hoek van Holland
52°
D
3m
Die Gewässer der Nord- und Ostsee
sind bezüglich der beiden Schlüsselparameter Temperatur und Salzgehalt in
charakteristischer Weise vertikal geschichtet. Grundsätzlich ist die Wasserschichtung der Schelfmeere, zu denen
Nord- und Ostsee gehören, ein Produkt
aus:
• den Wassermassen des angrenzenden
Nordatlantiks und
• des festländischen Abflusses
• dem regionalen Klima und Wetter
über See sowie
• den Wasserbewegungen und den Vermischungen im Meer, die sich aus
den o.g. Einflüssen ergeben
2m
Temperatur- und Salzgehaltsschichtung
Im Sommer werden im Allgemeinen die
höchsten Wassertemperaturen unmittelbar an der Küste erreicht; in einiger
Entfernung sind die Temperaturen in
den tieferen Wasserschichten 2-4 °C
kühler als in der Oberflächenschicht.
Der Salzgehalt der Deutschen Bucht ist
dagegen praktisch ungeschichtet. Er verringert sich mit Annäherung an die Küste aufgrund von Süßwasserzuflüssen .
Im Februar, wenn die Wassertemperatur der Nordsee nahezu ihr Minimum
erreicht, ist die Salzgehaltsverteilung in
der Tiefe mit den Verhältnissen im
Sommer vergleichbar. Die Temperaturschichtung hat sich dagegen aufgelöst.
Von der Wasseroberfläche bis zum Meeresboden sind die Temperaturen in diesem Monat konstant.
In der westlichen Ostsee existiert dagegen, abgesehen von den flachen küstennahen Seegebieten, ganzjährig eine
Temperatur- und Salzgehaltsschichtung
. Sie verursacht eine ausgeprägte
Zweiteilung der Wassersäule in eine
warme, salzarme Ober- und eine kühle,
salzreiche Unterschicht. Nach Osten
hin wird der vertikale Salzgehaltsgradient infolge fortschreitender Vermi-
0h
N O R D S E E
1m
Nordseewasser ein. Wegen der räumlichen Enge der westlichen Ostsee erzeugt der Wind dort zusätzlich örtliche
Strömungen durch Absenken der Wasserstände an den Lee-Küsten und eine
Erhöhung der Wasserstände (Windstau)
an den Luv-Küsten. In den engen Meeresstrassen können lokal maximale
Strömungsgeschwindigkeiten von 12 m/s auftreten.
N O R D S E E
Esbjerg
D
Vlissingen
B
B
im Text
beschriebenes Beispiel
Autor: E. Mittelstaedt
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
50
100 km
Schnitts kaum verändert, der Temperaturunterschied zwischen Wasseroberfläche und Meeresboden ist aber relativ
zum Sommer geringer und beträgt nur
2-3 °C. Das Tiefenwasser ist in dieser
Jahreszeit wärmer (3-4 °C) als das Oberflächenwasser (ca. 2 °C).
schung des in der Tiefe eindringenden
Nordseewassers mit dem darüber ausströmenden Ostseewasser schwächer.
Östlich der Darßer Schwelle sinkt das
salzreiche und damit schwerere Wasser
der Unterschicht in die Tiefe der Arkonasee.
Im Februar ist die vertikale Salzgehaltverteilung entlang desselben
0
Maßstab ca. 1: 7800000
Deutsche Bucht und westliche Ostsee
Tiefenverteilung und mittlere Zirkulation
9°
6°
12°
15°
SCHWEDEN
Öre-
20
50
UK
50
KOPENHAGEN
DK
Malmö
20
S
Be
lt
20
NL
hm
DK
ar
n
20
Kiel
Deutsche
54°
Fe
Bucht
Be
S
Arko
S
T
DK
nasee
30
20
D
O
E
50
E
E
30
30
Odense
sund
E
K
elt
r B
S
R
ße
D
A
ro
R
M
er
O
E
in
N
30
N
Kle
30
55°
Ä
G
20
D
lt
D
PL
Rostock
Lübeck
HAMBURG
Meerestiefen
0m
20 m
30 m
50 m
Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee
Oberflächenströmung im Hauptbereich
Oberflächenströmung in den Nebenbereichen
Tiefenströmung, Einstrom salzreicher
Wassermassen aus der Nordsee
es
er
Bremen
Grenzen
Staatsgrenze
Grenze des Küstenmeeres
seewärtige Grenze des Festlandsockels und
der ausschließlichen Wirtschaftszone des
jeweiligen Landes
0
25
50
75
100 km
Maßstab ca. 1: 3000000
er
D E U T S C H L A N D
OL
Oldenburg
Od
NIEDERLANDE
Elb
e
Groningen
W
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
Schwerin
P
30
Bremerhaven
EN
20
Autor: E.Mittelstaedt
Städte nach der Einwohnerzahl
HAMBURG
Bremen
Groningen
über 1000000
über 250000 bis 1000000
über 100000 bis 250000
Nord- und Ostsee: Gezeiten, Strömungen, Wasserschichtung
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