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TRENDS & THEMEN FILMLIZENZIERUNG Erst zahlen, dann vorführen Ob im Wartebereich am Empfang, als Zeitvertreib für Kunden, bei Mitarbeiterveranstaltungen oder im Schnellrestaurant – überall zeigen Unternehmen heute Filme, um ihre Gäste ansprechend zu unterhalten. Dass dabei Lizenzgebühren anfallen, ist längst nicht allen bekannt. W er Kinder hat, kennt die Situation: Man will einkaufen und die Jüngsten quengeln. Wer Schuhe sucht, hat es besonders schwer, denn die findet man nicht im Vorbeigehen, das braucht Zeit. Deichmann hat sich für gestresste Eltern eine clevere Lösung ausgedacht. Die Schuhhandelskette hat in ihren Filialen spezielle Kinderecken mit Spielzeug und Fernsehern eingerichtet. Dort laufen populäre Disneyfilme wie „Alle lieben Donald“ oder „Peter Pans Rückkehr“. Sind die Kinder beschäftigt, investieren Eltern viel mehr Zeit beim Einkauf, und das steigert den Umsatz – für Deichmann also ein klarer Wettbewerbsvorteil. Allerdings ist das Abspielen dieser Filme lizenzpflichtig. Daher bezahlt das Essener Unternehmen eine Jahresgebühr an die Motion Picture Licensing Company (MPLC), die im Bereich der 52 Ausgabe 5/2013 Nicht-Theater-Filmvorführungen mehr als 400 Rechteinhaber vertritt. Deichmann ist damit ein Vorreiter, denn nicht alle wissen, dass hier Urheberrechte betroffen sind. „Ich schätze das Bewusstsein der Firmen, für Filmrechte Geld zu bezahlen, bislang als nicht sehr hoch ein, da besteht noch erheblicher Aufklärungsbedarf“, meint Nils Mayer, Projektmanager bei der Radio P.O.S. GmbH. Der Kieler Dienstleister ist für das Medienprogramm in den rund 1.250 Deichmann-Filialen hierzulande zuständig. Dazu gehört die Hintergrund-Musik, die Filme und der gesamte Bereich Copyright Clearance, also die Klärung der Urheberrechte im Einzelfall. Egal, ob im Wartebereich am Empfang, bei Kundenveranstaltungen, als Zeitvertreib für VIP-Gäste oder beim Bustransfer zum Flughafen – überall werden heute Filme gezeigt, um unternehmensjurist Menschen die Zeit zu vertreiben oder sie in eine bestimmte Stimmung zu versetzen. Ob Zeitvertreib für VIP-Gäste oder beim Bustransfer zum Flughafen – Videos haben sich im Mix der Unternehmensmedien inzwischen fest etabliert. Bewegtbilder vermitteln Gefühle besonders intensiv. Sie sind multisensorisch, Augen und Ohren werden simultan angesprochen. Das macht ihren besonderen Reiz aus. „Aber: Filme sind eine urheberrechtlich geschützte Leistung“, betont Rechtsanwalt Stefan Haupt von der Kanzlei Haupt-Rechtsanwälte in Berlin, der die MPLC in allen Fragen des Urheberrechts berät. Die Kernfrage, die sich Unternehmer, die Filme zeigen, stellen müssen: Liegt eine urheberrechtlich relevante Nutzung vor oder nicht? Denn der Urheber hat ausschließliche Rechte an seinem Werk, er entscheidet, wann und zu welchen Bedingungen es genutzt wird. Für jede Nutzung ist eine Vergütung zu zahlen. Diese wurde durch den EuGH mehrfach bestätigt. Man muss nur die grundsätzliche Frage stellen: Ist die Nutzung öffentlich oder privat? Dazwischen gibt es nichts. „Wenn eine Werknutzung in einem Unternehmen, einer Behörde oder einer Schule stattfindet, dann ist sie nicht privat, sondern verbunden mit einem gewerblichen Zweck des Unternehmens. Somit ist laut Paragraf 52, Absatz 3 ein entsprechender Rechteerwerb notwendig“, erklärt Medienrechtler Haupt. Und hier kommt unter Umständen die MPLC ins Spiel. Die Gesellschaft ist im Bereich des Rechtezugangs bei Filmen in derzeit über 23 Ländern aktiv. MPLC repräsentiert mehr als 400 Produzenten, darunter die großen Hollywood-Filmstudios Warner Brothers, Paramount Pictures, 20th Century Fox, Universal, Sony Pictures, Walt Disney, Columbia Pictures und Metro Goldwyn Mayer, viele lokale Verleiher und Filmproduktionsunternehmen sowie zahlreiche kleinere, unabhängige Produzenten. „Wer also in irgendeinem Bereich Kino-Filme zeigt, sollte sich frühzeitig bei der MPLC informieren“, empfiehlt Haupt. Gegebenenfalls kann dann eine entsprechende Schirmlizenz beantragt werden. Ist die MPLC nicht zuständig, könnte dies der Verband der Filmverleiher e.V. (VdF) sein, der die Interessen der Verleihfirmen in der Bundesrepublik Deutschland vertritt. Auch für firmeninterne Veranstaltungen müssen Lizenzen erworben werden. Organisatoren von Konferenzen, Schulungen, Firmenfeiern und Mitarbeiter-Events wissen, dass Filme besonders ausdrucksstark sind. Multimediale Präsentationen erhöhen die Aufmerksamkeit der Teilnehmer, sie begeistern und unterhalten. Auch hier werden Gebühren fällig. „Die Schulung ist nur für Mitarbeiter – dieses Argument dient nur als Vorwand, die Veranstaltung als nicht öffentlich zu deklarieren und damit keine Vergütung zahlen zu müssen. Und das ist rechtswidrig und gleichzeitig unsinnig“, erklärt Haupt. Fest steht: Filmrechte sind hierzulande ein wachsender Markt: MPLC, deren Deutschlandzentrale sich im südhessischen Weiterstadt befindet, hat mittlerweile 4.000 Kunden aus ver- TRENDS & THEMEN schiedenen Branchen. Dazu gehören der Gesundheitssektor (Universitätsklinikum Münster, Deutsches Rotes Kreuz), Busreisenanbieter (Touring, Eurolines), Restaurantketten (Kentucky Fried Chicken), Luxushotels (Esplanade, Marriott, Steigenberger), Möbelhäuser (Ikea, Segmüller) und internationale Konzerne wie Adidas und SAP. Seit kurzem ziert auch das Logo von s.Oliver die Referenzliste der MPLC. Der Bekleidungshersteller aus dem unterfränkischen Rottendorf bei Würzburg unterhält weltweit circa 200 eigene Geschäfte und 350 Stores mit Partnern. In vielen Läden wird neben Damenjeans und Herrenanzügen auch Kinderbekleidung angeboten – vom Juniorshirt über Kapuzenpullis bis hin zum Sonnencappy. Diese Kinderecken sind speziell eingerichtet. Ähnlich wie Deichmann zeigt s.Oliver hier Hollywoodfilme, um etwas Besonderes zu bieten und die Teenies gut zu unterhalten. Da der Vertrieb diese Läden gestaltet, war den Verantwortlichen anfangs nicht bewusst, dass für diese öffentliche Filmvorführung Lizenzgebühren fällig sind. Nachdem die MPLC darauf aufmerksam wurde und s.Oliver angesprochen hatte, setzte man sich an einen Tisch. s.Oliver holte die Rechtsabteilung mit ins Boot und handelte einen Vertrag aus. Schirmlizenz deckt alle Filme ab Inzwischen verfügt das Unternehmen über eine entsprechende Schirmlizenz, die alle Filme abdeckt, ein Jahr läuft und sich automatisch verlängert. „Gerade in unserer Berufsgruppe ist Compliance ja das Modewort schlechthin, also versteht es sich von selbst, sich auch in diesem Bereich gesetzeskonform und sauber zu verhalten“, sagt Ulrich Panzner, verantwortlicher Unternehmensjurist bei s.Oliver. Die Rechtmäßigkeit des Unternehmenshandelns sei schließlich für eine positive Außendarstellung elementar, so der Jurist weiter. Das Beispiel zeigt: Firmenjuristen müssen sich heute bestens im Medienrecht auskennen, sich immer wieder aufs Neue auf den aktuellen Stand bringen, sonst wird es gefährlich. Inzwischen ist s.Oliver in ständigem Kontakt mit den Stores. Es wird genau geprüft, welche Filme sie zeigen, und ob diese auch vom bestehenden Lizenzvertrag mit der MPLC abgedeckt sind. Schließlich hat s.Oliver nicht alle Rechte gekauft, es gibt ja weitere Filmwerke kleiner, unabhängiger Studios aus Berlin oder Hamburg. Panzner geht daher auf Nummer sicher: „Ist ein Film nicht mit abgedeckt, dann können wir ihn nicht zeigen.“ Ähnliches gilt auch für abstrakte Malerei, Graffiti-Gestaltung und witzige Cartoons. Diesen verwandten und doch klar von den Filmen abgegrenzten Bereich vertritt die Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst in Bonn. Hier geht es um Kunstwerke und Fotos. Häufig geben Firmen ja nicht nur Kunden- und Mitarbeitermagazine heraus, sie betreiben auch einen weitverzweigten Webauftritt mit tausenden Seiten, die nicht nur informativen Text beinhalten, sondern auch Ausgabe 5/2013 53 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist Ulrich Panzner, Rechtsanwalt / Legal Department, s.Oliver Bernd Freier GmbH & Co. KG Dr. jur. Stefan Haupt, Kanzlei Haupt-Rechts anwälte anschaulich illustriert sein wollen. Hinzu kommen Apps, E-Paper-Angebote und Corporate Blogs. „Bevor ein Unternehmen hierfür fremdes Material nutzt, seien es Illustrationen, Designelemente, Fotos, Zeichnungen oder Kunstwerk muss es sicherstellen, dass es diese Werke nutzen darf, sei es dank einer Ausnahme im Urheberrechtsgesetz oder einer Genehmigung“, erklärt Anke Schierholz, Justiziarin der Organisation, die 1969 von Bildurhebern in Frankfurt am Main als Verein gegründet wurde. Sie nimmt treuhänderisch die Rechte und Ansprüche ihrer Mitglieder wahr, ohne eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Generell gilt: Unternehmen, die fremde Bilder nutzen wollen, sollten zunächst den Rechteinhaber ausfindig machen. Dabei hilft meist die Quelle. Im Zweifel ist auch die VG BildKunst den Unternehmen behilflich. Sie vertritt schließlich alle Künstler, die in Deutschland genutzt werden. Die Gesellschaft schließt mit den Nutzern Lizenzverträge ab, in denen sie auch die Konditionen bestimmt. „Am Ende überwachen wir auch den Eingang der vereinbarten Vergütung und verteilen das Geld an die Berechtigten“, so Urheberrechtsexpertin Schierholz. Die Rechte an Fotos erwirbt man dagegen von den Fotografen direkt oder von ihren Agenturen. Laut Schierholz sind diese Tantiemen für die Bildurheber oft ein überlebenswichtiges Zubrot zu den eher schmalen Printhonoraren. Erik Wegener Urheberrecht Für diese Medien müssen Unternehmen gesonderte Nutzungsrechte erwerben Musik • Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) Musikalische Werke sind urheberrechtlich geschützt. Für die öffentliche Aufführung von Musikstücken aus dem sogenannten Weltrepertoire der GEMA sind Lizenzgebühren zu zahlen. Diese werden nach einem komplexen Verteilerschlüssel an die 3.300 Mitglieder ausgeschüttet. Die GEMA nimmt auch im Online-Bereich die Rechte der Urheber wahr. Dabei lizenziert sie die verantwortlichen Inhalteanbieter wie iTunes, Musicload, AOL oder Connect. Für bestimmte Repertoire-Teile verwaltet die Tochterorganisation CELAS die Nutzungsrechte im Internet. www.gema.de Filme • Motion Picture Licensing Corporation (MPLC), Verband der Filmverleiher (VdF) Bei öffentlicher Vorführung werden Lizenzgebühren fällig. Bei der MPLC lassen sich neben Einzellizenzen auch Schirmlizenzen erwerben, die Werke von etwa 400 Produktionsstudios abdecken. Werden Filme für interne Zwecke gezeigt, etwa bei Mitarbeiterschulungen, so ist dies ebenfalls gebührenpflichtig. www.mplc-film.de Der Verband der Filmverleiher e.V. (VdF) vertritt die Interessen der Verleihfirmen in der Bundesrepublik Deutschland (eine aktuelle Mitgliederliste ist unter www.vdfkino.de abrufbar). Die Verleihfirmen besitzen an Spiel- und Dokumentarfilmen das alleinige und ausschließliche öffentliche Vorführungs- und Wiedergaberecht nach § 19, Absatz 4 Urhebergesetz (UrhG). Eine öffentliche Wiedergabe von Filmwerken ist stets nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Rechteinhabers, also des Verleihs, zulässig (§ 52, Absatz 3 UrhG). Fotos und Kunstwerke • Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst Wer Bilder, Illustrationen, Zeichnungen und Kunstwerke nutzen will, etwa für Kundenmagazine, Webseiten oder mobile Apps, muss den Urheber ausfindig machen und sich im Vorfeld bei der VG Bild-Kunst eine Genehmigung holen. Die Organisation vertritt alle Künstler und Fotografen, die in Deutschland genutzt werden. Die Gesellschaft schließt mit den Nutzern Lizenzverträge ab und legt die Konditionen der Nutzung fest. www.bildkunst.de 54 Ausgabe 5/2013