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S Recht sprechen! S Zukunft gestalten! Teil eines Arbeitsgerichts sind immer auch gewerkschaftliche ehrenamtliche Richter. Das Jahrestreffen fand in diesem Jahr im CokoWerk in Bad Salzuflen statt. Seite 2 Industrie 4.0 wird die Massenproduktion neu gestalten. Dies bietet für die Beschäftigten Chancen und Risiken. Ein Besuch in der Fabrik der Zukunft. Seite 3 Zeitung der IG Metall für die Beschäftigten in der lippischen Kunststoffindustrie Nr.26 Dez. 2014 / Jan. 2015 8 vorwort Tarifforderungen in der Metall- und Elektroindustrie sind durch Beschäftigtenbefragungen entstanden Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mehr Zeit für Bildung und im Alter seit Juli 2014 gibt es die sogenannte »Mütterrente«. Mit dem Begriff ist eine bessere Anerkennung von Erziehungszeiten für Kinder gemeint, die vor 1992 geboren wurden. Für sie wurde bislang ein Jahr Kindererziehungszeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt, wohingegen ab 1992 geborene Kinder mit drei Jahren Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden. Diese Ungleichbehandlung soll nun als Zeichen der Anerkennung der Erziehungsleistung etwas abgemildert werden. Für die Rente wird nun ein zusätzliches Jahr als Kindererziehungszeit bei Müttern von vor 1992 geborenen Kindern angerechnet. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sieht im Rentenpaket ein Signal, dass auch diejenigen vom Wohlstand profitieren, die ihn geschaffen haben. Das ist allerdings wörtlich zu nehmen: Wer nicht genug geschafft hat oder aber im Niedriglohnsektor beschäftigt war, hat eben nicht »genug geschafft«. Die vielen Mütter, die sich treu dem deutschen Familienbild jahrzehntelang brav um Kinder und Küche gekümmert haben, haben nichts von der »Mütterrente«. Sie bekommen nur eine kleine Rente, sind auf einen wohlhabenderen Lebenspartner und ansonsten auf Grundsicherung angewiesen. Die »Anerkennung für Erziehungsleistungen« bekommen sie nämlich nicht, sie wird auf die Grundsicherung angerechnet. Es bleibt, wie es ist: Frauen sind nach wie vor nicht gleichgestellt, es sei denn, sie verzichten auf Kinder. Ansonsten haben sie weiterhin die Wahl zwischen Armut im Alter als Anerkennung für ihre Familienarbeit oder einer andauernden Doppelbelastung als in Vollzeit berufstätige Mutter bei weiterhin verringerter Karrierechance. Liebe Frauen, da hilft nur eins: nehmt die Männer mehr in die Pflicht! mehr Geld fordert die IG Metall für die Metallund Elektroindustrie. Doch nicht nur das, die Beschäftigten der IG Metall wollen auch eine neue Altersteilzeit und eine Bildungszeit. Der Staat fördert seit 2010 keine Altersteilzeit mehr, seitdem sind tarifliche Lösungen gefragt. Altersteilzeit bedeutet praktisch, entweder eine festgelegte Zeit, meistens mehrere Jahre, in Teilzeit zu arbeiten oder die Zeit in zwei gleichlange Phasen zu unterteilen. In der ersten, sogenannten Arbeitsphase bleibt die wöchentliche Arbeitszeit ungekürzt. In der zweiten Phase, der Freistellungsphase, wird der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Unterm Strich steht, früher weniger stark belastet zu werden und den Arbeitsplatz für junge Kolleginnen und Kollegen frei zu machen. Die Rente mit 63 hat die IG Metall wesentlich miterstritten, ein verbesserter Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente – vor allem für Beschäftigte in den unteren Entgeltgruppen und für die besonders belasteten Beschäftigten ist der zweite Schritt, der nun folgen soll. Zumal die abschlagsfreie Rente mit 63 nicht für alle gilt und ab dem Jahrgang 1964 und jünger nicht mehr gilt. Die Forderungen nach einer besseren Altersteilzeit und einer Bildungszeit kommen aus dem Bauch der IG Metall. Bereits 2013 führte die IG Metall umfangreiche Beschäftigtenbefragungen durch. Über 514.000 Beschäftigte antworteten. Sichere und faire Arbeit, ein handlungsfähiger Sozialstaat und gerechte Bildung sind für die Beschäftigten laut Befragungsergebnissen wichtig. Um bis zur Rente gesund und leistungsfähig zu bleiben, halten 91 von 100 Befragten berufliche Weiterentwicklung im Betrieb für »wichtig« und »sehr wichtig«. Sehr groß ist auch das Interesse an einem früheren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Den Tarifvertrag zur Altersteilzeit würden über 90 Prozent der Beschäftigten gerne nutzen können. Obwohl viele der Meinung sind, dass ihre gesetzliche Rente nicht ausreichen wird, um davon gut leben zu können. 8 fett-ecke Reiche werden immer reicher Selbst große Medien brachten Ende Oktober die Ergebnisse einer Studie des IMK, des Forschungsinstituts der Hans-Böckler-Stiftung. Demnach ist die Ungleichheit in Deutschland viel größer als bisher gedacht. Die reichsten zehn Prozent besitzen im Schnitt rund 1,4 Millionen Euro pro Person. Das ist 80-mal so viel wie der Durchschnittsverdiener in einem Jahr netto verdient. 2002 lag dieses Verhältnis noch bei 50. Reiche sind extrem reich, und werden offenbar immer reicher. Der extreme Reichtum hat Folgen: Er führt dazu, dass es auf der anderen Seite mehr Haushalte gibt, die wenig Einkommen haben. Die können nicht viel kaufen. Und so investiert die Wirtschaft auch weniger in Maschinen und Gebäude, weil die Nachfrage im Inland weniger stark steigt. Reiche konsumieren zwar auch, spekulieren mit dem, was sie zuviel haben, aber gerne an der Börse. Unterm Strich zeigt die Studie: Die ungleiche Verteilung von Geld führt zu Armut, bei 5,5 % Die IG Metall fragte sich anschließend, welche tarifpolitischen Konsequenzen daraus entstehen und entwickelte Forderungen. Bereits im Februar stieg die Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie in die Diskussion ein. »Wie die Tarifforderungen entwickelt worden sind, ist ein gutes Beispiel für die gelebte Mitbestimmung innerhalb der IG Metall«, sagt Erich Koch, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Detmold. Kann sich die IG Metall durchsetzen, gibt es mehr Chancen, sich weiterzubilden. Die Nachfrage nach einer »Bildungszeit« ist hoch, vor allem weil die beruflichen Anforderungen immer weiter steigen. Auch wollen Beschäftigte durch Weiterbildungen ihre berufliche Perspektive verbessern. Praktisch fehlen bisher aber Zeit und Geld und verbindliche Regelungen für alle. Ein Tarifvertrag, der eine Bildungszeit beinhaltet, die dann auch in den Betrieben angewendet wird, wäre ein großer Schritt nach vorne. Forderungen in der lippischen Kunststoffindustrie noch offen Auch die Tarifverhandlungen in der lippischen Kunststoffindustrie rücken näher: Im Februar 2015 wird die Tarifkommission der IG Metall ihre Forderungen beschließen. Am 5. März 2015 findet die erste Verhandlung mit den Arbeitgebern statt. »Wir bekommen natürlich genau mit, was in der Metall- und Elektrobranche abgeschlossen wird«, sagt Svend Newger, zuständiger Sekretär der IG Metall Detmold, »Forderungen haben wir noch nicht beschlossen. Aber sicher werden wir in der Tarifkommission auch besprechen, ob eine bessere Regelung zur Altersteilzeit und eine Bildungszeit auch Forderungen für die lippische Kunststoffbranche sein können«. vielen Menschen, die für wenig Lohn arbeiten oder nur Grundsicherung bekommen. Auch der Staat, vor allem die Kommunen, bräuchten mehr Geld, bekommen von den Reichen aber nur wenig. Brisant: Die Forscher sehen in der wachsenden Ungleichheit auch eine Ursache für die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009. Wirklich zutreffende Statistiken zu erheben, ist schwer. Reiche geben ihr Vermögen nicht freiwillig an, gezahlte Steuern sind nur Silke Bäcker-Hanke, IGM Detmold, Redaktionsteam Nachdruck bedingt aussagekräftig. Die Autoren der Studie fordern: Die Vermögenssteuer muss wieder eingeführt werden. Und auch die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, bisher unabhängig vom Gewinn pauschal berechnet, muss weg und ersetzt werden durch einen persönlichen Einkommenssteuersatz, der je nach Gewinn steigt. Reichtum stärker besteuern ist notwendig. Zumindest ein Teil des vielen Geldes kann an anderer Stelle will besser und sinnvoller eingesetzt werden. nachdruck 2 »Wir lernen gerade laufen« Deva-Kunststofftechnik in Lemgo wächst seit Jahren rasant. Vor zwei Jahren ist aus dem Familienunternehmen Teil einer Holding geworden. Die Beschäftigen wollen nun mitbestimmen. In diesem Jahr wurde erstmals ein Betriebsrat gewählt R asantes Wachstum kennzeichnet die Deva-Kunststofftechnik GmbH in Lemgo. Gemeinsam mit den Hauptkunden in der Luft- und Raumfahrtindustrie hat das mittelständische Unternehmen spätestens seit Beginn dieses Jahrtausends kräftig abgehoben. »Wer mit einem Airbus 320 fliegt, schaut durch unsere Kunststoff-Fensterrahmen«, erzählt Bodo Schormann, Betriebsratsvorsitzender des Unternehmens im Lemgoer Industriegebiet Hengstfeld. Sein Kollege Dirk Schmeling kennt noch den alten Standort in Bad Salzuflen. Das Unternehmen wurde 1979 vom Vater der späteren Geschäftsführerin Petra Windmann mitgegründet. Sie und ihr Ehemann Horst Windmann führten das Unternehmen weiter. »Als wir im Jahr 2000 aus Bad Salzuflen weggingen, waren wir 17 Beschäftigte«, erinnert sich Dirk Schmeling, der in einer leitenden Funktion in der Technik arbeitet. Die Fläche am alten Standort in Bad Salzufler Ortsteil Holzhausen reichte nicht mehr aus, also wurde im Lemgoer Industriegebiet neu gebaut. Bis heute wurde das Werk immer wieder erweitert, vier Anbauten entstanden. Aktuell arbeiten dort 88 Beschäftigte, zwei Auszubildende und immer wieder zwischen 10 und 15 Leiharbeitnehmern. Das Unternehmen ist gut aufgestellt, das Wachstum enorm. »Wir haben einige Vorteile, etwa das einige Bauteile für die Luftfahrt nur bei uns gefertigt werden. Und bei uns entstehen neben reinen Spritzgussteilen auch kleine Baugruppen«, sagt Bodo Schormann, »so kann sich der Kunde sicher sein, dass die Qualität immer gleich bleibt«. Gefertigt wird vor Ort, zum Teil mit speziell ausgerüsteten Spritzguss-Maschinen zwischen 25 und 650 Tonnen. Heraus kommen jede Menge Kunststoffteile von klein bis groß, etwa auch für die Versorgungskanäle innerhalb der Flugzeugaufbauten. Zum Standort gehört auch ein modern ausgerüsteter Werkzeugbau. Der Betriebsrat ist noch ganz neu. Bei den Wahlen im Juni diesen Jahres wählten die Beschäftigten erstmals eine eigene Vertretung. »Zuvor wurde alles mit der Familie Windmann in direkter Kommunikation geregelt, die ja auch die Geschäftsführer waren«. Doch 2013 haben sich die Eigentumsverhältnisse verändert. Die Familie Windmann ist zwar noch bis 2016 in der Geschäftsführung, hat aber an die E.I.S. Holding verkauft. Das Unternehmen, hinter dessen Abkürzung sich »Equipment, Interior und Services«, also etwa »Ausrüstung, Innenausstattung und Dienstleistungen« verbirgt, hat inzwischen auch zwei Geschäftsführer im Unternehmen und wird den Kurs künftig alleine bestimmen. Unter dem Dach der E.I.S-Gruppe befindet sich auch die E.I.S. Aircraft GmbH mit eigenen Standorten in Deutschland. Mit dem Verkauf kam die Unsicherheit bei den Beschäftigten auf. Statt einer Familie führt nun eine eher abstrakte Holding die Geschicke. Es ist nicht einmal so, dass es Verschlechterungen gibt, im Gegenteil könnte sogar nochmals angebaut werden. Zugleich stehen erste Umstrukturierungen im Raum. Sorgen um die eigene Zukunft machen sich breit. »Wir wollen nun mitgestalten und mit der Geschäftsführung an Lösungen arbeiten, die das Unternehmen und uns Beschäftigte voranbringen«, sagt Bodo Schormann. Also setzten sich im vergangenen Jahr einige Kolleginnen und Kollegen zusammen, überlegten was zu tun ist, erkundigten sich. Die IG Metall Detmold kam vorbei und beriet. Zur ersten Wahl eines Betriebsrats überhaupt in der über 30-jährigen Firmengeschichte kandidierten dann gleich auch 21 Beschäftigte. An der Wahl beteiligten sich über 90 Prozent. Sehr gute Zahlen. Dies macht deutlich, wie wichtig und ernst die Belegschaft den neuen Betriebsrat nimmt. Die Wahl war zugleich eine gemeinsame »Ja«-Stimme für einen Betriebsrat. Der besteht nun aus sieben Personen, drei Kollegen aus der Produktion und vier aus dem Angestelltenbereich, die aber sehr verwoben sind mit der Fertigung. Für die Betriebsratsarbeit freigestellt ist niemand, dafür besteht derzeit noch kein Anlass. Alle Betriebsratsmitglieder sind parallel zu ihrem Job aktiv. Die vergangenen Monate hat der Betriebsrat auch dafür genutzt, um sich in IG Metall-Seminaren fortzubilden und zu schulen. »Wir lernen gerade laufen«, sagt Bodo Schormann. Für Gehanfänger gelingt das Laufen schon ganz gut. Im November fand erstmals ein »Monatsgespräch« zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat statt. Der Betriebsrat hatte dies eingefordert. Um mitbestimmen zu können, brauchen die Interessenvertreter Informationen aus erster Hand. Probleme gibt es noch genug: Der Betriebsrat hat noch kein eigenes Büro. Er nutzt Besprechungsräume für seine Zusammenkünfte und für die Beratung der Kollegen. Kommt ein weiterer Anbau, will der Betriebsrat dort unbedingt einen eigenen Raum. Die Baustellen werden nun nach und nach angegangen Die größte Baustelle ist ein fehlender Tarifvertrag. Deva-Kunststofftechnik ist zwar im Arbeitgeberverband, aber ohne Tarifbindung. An den anderen Standorten der Gruppe gibt es zwar überall Betriebsräte, aber ebenfalls noch keine Tarifverträge. Am besten wäre der Beitritt zum Flächentarif, gelingt dies nicht, müsste ein Anerkennungstarifvertrag erstritten werden. »Wir sehen bei uns im Betrieb eine große Lohnungerechtigkeit«, sagt Dirk Schmeling, »qualifizierte Kollegen machen ebenso qualifizierte Arbeit, erhalten aber viel zu wenig Entgelt. Das muss sich ändern und das Lohngefüge gerechter werden«. Auch Überstunden-, Zeitkonten- und Urlaubsregelungen und viele Regelungen zu Eingaben die aus der Belegschaft kommen gilt es finden. Der Weg ist noch weit, aber machbar, auch weil die IG Metall den Betriebsrat und seine Mitglieder im Unternehmen stark unterstützt. Was mit der Geschäftsführung beschlossen wird, soll dann in einen Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen eingehen, um die Entlohnung fairer und die Arbeitsplätze zukunftsfester zu machen. Vorbild Arbeitsrecht in Deutschland Bei Coko haben sich die haupt- und ehrenamtlichen Arbeitsrichter des Arbeitsgerichts Detmold getroffen. Der Blick geht nicht nur nach Lippe sondern auch nach China Einmal im Jahr treffen sich alle haupt- und ehrenamtlichen Arbeitsrichter des Arbeitsgerichts Detmold. In der Regel findet dieses Treffen in einem lippischen Betrieb statt, in diesem Jahr im Coko-Werk in Bad Salzuflen. Das hat einen Grund: Gleich zwei CokoMitarbeiter sind ehrenamtlich beim Arbeitsgericht tätig, Andreas Kleinelanghorst für die Arbeitgeber und Martin Brummermann für die Arbeitnehmer. Die Ehrenamtlichen werden von Verbänden und Behörden entsendet, beispielsweise von der Handwerkskammer, dem Arbeitgeberverband, dem Kreis Lippe und dem DGB. Somit sind auch einige IG Metaller dabei. Sie werden von ihrer Gewerkschaft dem DGB vorgeschlagen, das Landesarbeitsgericht beruft sie, auch eine Vereidigung findet statt. Eine Kammer ist immer paritätisch besetzt. Das bedeutet, dass zu einem Berufsrichter immer ein Vertreter der Arbeitnehmer und einer der Arbeitgeber hinzu kommt und somit die Kammer aus drei Personen besteht. Wenn ein Urteil gefällt wird, so muss dieses immer mehrheitlich von der Kammer beschlossen und gemeinsam unterzeichnet werden. Das Arbeitsgericht ist zuständig für Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Viele Beschäftigte sind so schon zu ihrem Recht gekommen. Martin Brummermann ist nun gut fünf Jahre dabei. Er ist gerne ehrenamtlicher Arbeitsrichter. Einige Male im Jahr ist er einen ganzen Tag beim Gericht in der Detmolder Innenstadt, dann stehen gleich mehrere Verfahren an. Den Tag stellt ihn der Arbeitgeber frei. Beim diesjährigen Treffen im Coko Werk wurden die etwa 25 anwesenden haupt- und ehrenamtlichen Richter zunächst durchs Werk geführt – und zeigten sich sehr beeindruckt von der Produktion dort. Ein Besuch in einem Unternehmen dient dazu, sich auszutauschen, aber auch die Kenntnisse über die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen in lippischen Betrieben zu erweitern. In der Regel findet auch ein Referat über die aktuelle Rechtssprechung statt. In diesem Jahr jedoch berichtete Corinna Bösing, Direktorin des Arbeitsgerichts Detmold, über eine hochinteressante Chinareise von Justizvertretern aus NRW im September diesen Jahres. Denn was kaum jemand weiß: Das Arbeitsrecht in China wandelt sich, in Teilen wird sogar ein Recht angewendet, dass dem Arbeitsrecht in Deutschland entstammt. Vor allem für die vormals oft rechtlosen Arbei- Geehrt! Am 16. Oktober 2014 ehrte die IG Metall Detmold 269 Kolleginnen und Kollegen, die 40, 50 oder 60 Jahre Mitglied der Gewerkschaft sind. Erich Koch, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Detmold, dankte den Jubilarinnen und Jubilaren für ihren langjährigen Einsatz. Der Nachmittag im Hörster Krug begann mit einem kleinen Bühnenprogramm, unter anderem mit dem Zauberer Donatus Weinert aus Remscheid. Nach der Ehrung ging es mit dem gemütlichen Teil weiter, bei Kaffee, Kuchen und Gesprächen zwischen Kolleginnen und Kollegen, die sich teilweise schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. terinnen und Arbeiter verbessert sich die Situation erheblich, und zwar in großen Sprüngen. In China sprechen allerdings nicht Volljuristen und Ehrenamtliche Recht, sondern vom Staat benannte Beamte. Und: Die Arbeitsgerichte sind baulich an die Amtsgerichte angekoppelt, eine räumliche Trennung, wie in Deutschland üblich, gibt es nicht. Martin Brummermann fand die Ausführungen »sehr interessant. Offenbar entwickelt sich ein unabhängiges Recht, dass angelehnt an unser Recht auch einfachen Arbeitern oder Wanderarbeitern Rechte gibt, etwa gegen ausstehende Löhne oder Kündigung vorzugehen«. Der Nachmittag klang mit interessanten Gesprächen gemütlich aus. Alle Teilnehmer bedankten sich anschließend für einen sehr aufschlussreichen Nachmittag im Coko Werk. nachdruck Gemischte Lage in der Branche 8 recht praktisch Betriebsräte berichten von einer mäßigen Auftragslage in den meisten lippischen Kunststoffunternehmen. Bei Coko gibt es seitens der Geschäftsführung Pläne, umzustrukturieren Einschlafen kein Kündigungsgrund Bei Oskar Lehmann in Blomberg Donop ist die Auftragslage in der Produktion gut, aber im Werkzeugbau mäßig. Zu den 160 Beschäftigten kommen 20 Auszubildende. Der Betriebsrat berichtet, dass niemand von den jüngeren Kollegen zur JAV-Wahl angetreten ist und so die Auszubildenden ohne eigene Vertretung sind. Gute Nachrichten hingegen bei Honasco: Der Jahresabschluss wird wahrscheinlich positiv ausfallen. Das Weihnachtsgeld wird, wie im Tarifvertrag festgelegt, gezahlt. Zu den 137 Beschäftigten kommen 14 Auszubildende. Die jungen Beschäftigten haben mit Ergün Özcan einen neuen Jugend- und Auszubildenden-Vertreter gewählt. Der Betriebsrat von Gerdes im Extertal berichtet von einer guten Auftragslage, Überstunden fallen an, gearbeitet wird von montags bis samstags. Zu den 209 Beschäftigten kommen 21 Azubis und 28 Leiharbeitnehmer. Bei Coko in Bad Salzuflen ist die Autragslage mittelmäßig, gearbeitet wird von sonntags 22 Uhr bis samstags 14 Uhr, allerdings nur in wenigen Bereichen. Der Betriebsrat berichtet davon, dass die Geschäftsführung plane, den Betrieb umzustrukturieren. Dafür ist ein externes Beratungsunternehmen beauftragt worden. Der Betriebsrat ist über den Prozess informiert, kann aber zur Zeit noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen es auf die knapp 500 Arbeitsplätze geben wird. Dem Betriebsrat ist zugesichert worden, bei allen Entscheidungen mit im Boot zu sein. »Es bleibt zu hoffen, dass uns auch die Möglichkeit gegeben wird, eigene Vorschläge zum Wohle des Betriebes und der Beschäftigten machen zu dürfen«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Martin Brummermann. Bei Essmann mit Standorten in Bad Salzuflen und Detmold ist die Auftragslage mäßig. Aktuell arbeiten 360 Beschäftigte in dem Unternehmen. Der Betriebsrat arbeitet an einer Änderung der gekündigten Betriebsvereinbarung zur Gleitzeit der Angestellten. Jeder und jede kennt es: Müdigkeit bei der Arbeit. Sie gilt es zu überwinden, schon um sich selbst und andere nicht zu gefährden. Bei der Bahn hatte eine Beschäftigte die Füße hochgelegt und schlief in dem Abteil ein. Dies geschah jedoch nicht einfach so: Ihr ging es schon den ganzen Tag nicht gut, sie wollte sich aber nicht krankmelden und sprach mit ihrer Vorgesetzten. Die stimmte zu, dass sich die Beschäftigte zurückzog. Weil sie jedoch niemand weckte, schlief die Frau die ganze siebenstündige Fahrt durch. Ein paar Wochen später die Überraschung: Die Arbeitnehmerin erhielt ihre Kündigung von der Deutschen Bahn. Der Grund: Das Schlafen sei Arbeitsverweigerung gewesen. Das wollte sich die 31-Jährige nicht gefallen lassen und zog vors Arbeitsgericht. Dort gaben die Richter der Frau recht, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Das Gericht wollte auch wissen, warum eigentlich niemand nach der Kollegin geschaut hat. Bilden die neue JAV (v.l.n.r.): Patricia Krüger, Tim Meier, Artjom Kindsvater und Alexander Schmidt JAV-Wahlen bei Essmann Wie in den meisten anderen Betrieben in der Kunststoffbranche auch, fanden bei Essmann Wahlen zur Jugendund Auszubildendenvertretung statt. Sechs Kandidaten hatten sich aufstellen lassen, vier aus dem kaufmännischen und zwei aus dem gewerblichen Bereich, darunter leider nur eine Frau. 58 gültige Stimmen wurden abgegeben, die meisten fielen auf Tim Meier. Der Azubi Fachkraft für Lagerlogistik wurde mit 17 Stimmen zum JAVVorsitzenden gewählt. Alexander Schmidt, Azubi Industriekaufmann, wurde mit 10 Stimmen zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Beisitzer wurde Artjom Kindsvater. Als Ersatzmitglieder gewählt wurden Patricia Krüger, Pascal Bierbaum und Michael Hammermeister. Die Zukunft der Arbeit Die Produktion ändert sich ständig. Industrie 4.0 steht vor der Tür. Unklar ist, was das für die Beschäftigten bedeutet. Mitgestaltung und Weiterbildung sind gefragt Smarties sind bunt und lecker, und gerade bei Kindern beliebt. Auch die Smart-Factory in Lemgo wirkt teilweise so, als sei sie ein Ort für Kinder. So bauen die Besucher aus Lego-Bausteinen Spielzeugfiguren. Allerdings handelt es sich bei den Besuchern in der Regel um Erwachsene, und die sind auch nicht aus Spaß da. Neugierde wäre das richtigere Wort. Denn in der »SmartFactoryOWL« arbeiten Wissenschaftler an der Fabrik der Zukunft. Die Legosteine liegen in kleinen Kästchen, das besondere ist, dass sie nicht einfach so herausgenommen werden sondern eine Datenbrille genau anzeigt, welche Steine passen, wo entnommen werden müssen und wo einzusetzen sind. Die Datenbrille besteht aus einem winzigen Computer, in der Sichtfläche werden Informationen angezeigt. Die IG Metall besuchte die SmartFactoryOWL, eine Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft und der Hochschule OWL. Es ging darum zu sehen, was da auf die Beschäftigten zukommt. Die Fortschritte in der Produktion werden unter dem Schlagwort »Industrie 4.0« zusammengefasst. Dabei handelt es sich um ein Internet der Dinge, bei dem Maschinen, Stoffe und auch die Produkte intelligenter miteinander verknüpft werden. Die Massenproduktion soll individueller werden, für den Kunden kommen spezielle Produkte zu Kosten der Massenproduktion heraus. Auch in der lippischen Kunststoffindustrie gibt es erste Ansätze. Phoenix Contact als heimisches Unternehmen, dass zwar nicht zur Kunststoffbranche gehört, aber viel mit Kunststoffen arbeitet, ist Teil des Netzwerks »It's OWL«, das an Zukunfts- lösungen arbeitet. »Die Technik, die wir in der Smart Factory in Lemgo sehen konnten, bietet Chancen und Risiken«, sagt Svend Newger, Sekretär der IG Metall Detmold. Klar ist, dass es durch die technische Entwicklung zu weiteren Rationalisierungen kommen wird. Dies darf aber nicht zu Beschäftigungsabbau führen sondern muss aus Sicht der IG Metall in sicheren und besseren Arbeitsplätzen münden. Keine leichte Aufgabe.»Wir wollen die Veränderungen mitgestalten, im Interesse der Mitglieder der IG Metall«, sagt Svend Newger. Noch ist nicht entschieden, ob neue digitale Techniken zu einem leichteren oder schwereren Arbeitsplatz führen. Auf jeden Fall wird die Komplexität zunehmen, neue Fähigkeiten in der Produktion sind gefragt. Da ist es besonders wichtig, dass Gewerkschaft und Betriebsräte mitbestimmen und die Beschäftigten sich weiterentwickeln und weiterbilden können. 3 (Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.11.2014 7 Ca 2114/14) Grenzen für Sonntagsarbeit Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil Ende November dieses Jahres der Ausweitung der Sonntagsarbeit Grenzen gesetzt. Arbeitgeber in der Dienstleistungsbranche, also etwa in Callcentern, hatten mit einem besonderen Bedürfnis der Bevölkerung argumentiert. Das sieht das Bundesarbeitsgericht in Leipzig allerdings nicht so. Die Klage richtete sich gegen eine Verordnung des Landes Hessen, das 2011 weitreichende Ausnahmen für den eigentlich arbeitsfreien Sonntag beschlossen hatte. Auch in Nordrhein-Westfalen könnten nun die gesetzlichen Regelungen zur Sonntagsarbeit überprüft werden. (Bundesarbeitsgericht, Az.: BVerwG 6 CN 1.13) Vorsicht Cartoon! nachdruck 4 »Menschen hinter jedem Arbeitsplatz sollen wieder wertgeschätzt werden« Mit Nikolaus Böttcher arbeitet seit September ein neuer politischer Sekretär bei der IG Metall Detmold. Im Interview spricht er über seinen Werdegang und über seine Ziele Was hat dich als Azubi überzeugt, Mitglied der IG Metall zu werden? Nikolaus Böttcher heißt seit September diesen Jahres der neue politische Sekretär der IG Metall Detmold. Er ist 31 Jahre, liiert und hat eine kleine Tochter. Mir war glücklicherweise die Funktion einer Gewerkschaft schon vor Beginn der Ausbildung bewusst, was ja leider nicht immer so gegeben ist. Der erste Kontakt zur IG Metall vor Ort kam dann in der obligatorischen Begrüßungsrunde zu Stande. Bewusst für eine Mitgliedschaft habe ich mich aber erst ein paar Wochen später entschieden. Ich denke die Hauptgründe waren mein Demo- Winterliches Walnussbrot kratieverständnis und das offensichtliche Machtungleichgewicht zwischen den Beschäftigten und den Arbeitgebern. Diese Erkenntnis lässt nur eine logische Konsequenz zu: die Mitgliedschaft in der IG Metall, denn nur gemeinsam sind wir stark! Was hast du bislang gemacht? Nach der Schulzeit hatte ich in meiner Heimat, Bad Salzuflen, keinen Ausbildungsplatz gefunden, sodass ich nach Lübeck ging und dort eine Ausbildung zum Mechatroniker absolvierte. Nach einiger Zeit merkte ich, insbesondere durch meine ehrenamtliche Arbeit im Betrieb und in der IG Metall Jugend, dass ich mich mehr in diesem Bereich engagieren möchte. Mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung konnte ich ein Studium in Hamburg beginnen und erreichte zunächst einen sogenannten Doppelbachelor in Sozialökonomie und Europäische Wirtschaft & Management. Ein Jahr davon verbrachte ich an der University of Abertay in Schottland. Mit einem Master in Politikwissenschaft rundete ich schließlich mein Profil ab. Während der ganzen Zeit blieb der Kontakt zur IG Metall bestehen und ich wusste, dass sich dort der Kreis schließen muss. Worum kümmerst du dich in der Verwaltungsstelle Detmold, was möchtest du voranbringen? Zunächst muss ich mich überall vorstellen, denn es ist ja wichtig, dass die Mitglieder wissen von wem sie vertreten werden und wer nun ihre Interessen mit voranbringt. Verstärkt arbeite ich jetzt in unserem Ju- Mehl, Hefe und Zucker in einer Rührschüssel mischen. 250 ml lauwarmes Wasser mit den Knethaken des Handmixers unterrühren, bis ein gleichmäßiger Teigkloß entstanden ist. Zugedeckt an einem warmen Ort circa 30 Minuten gehen lassen. Walnüsse in einer beschichteten Pfanne kurz rösten. Honig und Rosmarin untermischen und erwärmen. Mit Salz und Pfeffer würzen und auf einen Teller geben. Milch lauwarm erhitzen, dann mit dem Öl unter den Teig rühren. Die Nuss-Honig-Mischung so lange unterkneten, bis sich alles verbunden hat und der Teigkloß glänzend und glatt ist. Teig zu einem länglichen Brotlaib formen und auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen. Zugedeckt an einem warmen Ort ca. 20 Minuten gehen lassen. Im vorgeheizten Backofen bei 220 °C (Umluft: 200 °C, Gas: Stufe 3-4) auf der mittleren Schiene ca. 40 Minuten backen. Fertig ist das leckere Brot! Guten Appetit! Die Beitrittserklärung können Sie bei Ihrem Betriebsrat, bei den Vertrauensleuten der IG Metall und in der Verwaltungsstelle der IG Metall in Detmold, Gutenbergstr. 2, 32756 Detmold, abgeben. ›Nachdruck‹ Zeitung der IG Metall für die Beschäftigten in der lippischen Kunststoffindustrie Redaktion: Silke Bäcker-Hanke, Martin Brummermann, Bernd Fleischer, Susanne Herrmann, Elmar Kleine-Grauthoff, Beate Linke-Niehage, Matthias Mürkens, Svend Newger, Dajana Nüsse-Klamann Cartoon S.4: Polo Fotos S2. unten Sonja Volmer, S3.oben Bernd Fleischer, S.3 unten Norbert Hüsson, alle weiteren IG Metall Redaktionsleitung, Layout und Satz: Manfred Horn Verantwortlich i.S.d.P.: Erich Koch, IG Metall Detmold, Gutenbergstr. 2, 32756 Detmold, fon 05231. 99 190, eMail [email protected] Druck: apm AG, Darmstadt Wir freuen uns über LeserInnenbriefe und Rückmeldungen. Vielleicht wissen Sie, weißt Du, von einem Thema, über das wir berichten sollten. Schreibe eine eMail mit dem Betreff ›nachdruck‹ an: [email protected] oder einen Brief an unsere Redaktionsadresse: IG Metall Detmold, Gutenbergstr. 2, 32 756 Detmold Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir wünschen? Also als erstes wünsche ich mir, dass die geleistete Arbeit und vor allem die Menschen hinter jedem Arbeitsplatz wieder wertgeschätzt werden, damit ein faires Miteinander möglich ist. Als zweites wünsche ich mir eine gelebte Demokratie hier vor Ort. Wir müssen zusammen aufstehen und unsere Stimme erheben. Ich wünsche mir, dass wir die vielleicht berechtigte Politikverdrossenheit abschütteln und erkennen das wir was bewegen können. Positive Veränderung kommt immer von unten. Zu guter Letzt wünsche ich uns allen ein frohes Weihnachtsfest und einen erholsamen Jahreswechsel, damit wir uns bewusst werden was wirklich wichtig ist. Die Redaktion und die IG Metall Detmold wünschen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2015. IG Metall – Eine starke Gemeinschaft. Jetzt Mitglied werden! Impressum gendbereich, hier gilt es den jungen Menschen zu ermöglichen Mitbestimmung aktiv zu gestalten, denn in der Jugend steckt viel Kraft, Kreativität und der Drang nach Veränderung. Des Weiteren möchte ich unsere Arbeit auch in Unternehmensbereichen voranbringen, in denen wir jetzt noch nicht so präsent sind. Egal ob an der Werkbank oder hinter dem Schreibtisch, die Menschen haben Wünsche, Probleme und Interessen, denen wir uns annehmen möchten, um gemeinsam eine faire und gerechte Arbeitswelt zu schaffen. Schlussendlich werde ich mittelfristig auch in die klassische Betriebsarbeit einsteigen, damit wir in Lippe breit aufgestellt sind und eine optimale Interessensvertretung gewährleisten.