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TECHNIK
Trinkwasseraufbereitung beim DRK:
Vom Rohwasser zum Reinwasser
F. Brinkmann
Das Thema Trinkwasseraufbereitung hat anlässlich der Flutkatastrophe
in Südasien und den damit zusammenhängenden Folgen eine Aktualität
gewonnen, die keiner der Teilnehmer geahnt hatte, als die Fachdienstbereitschaft (FDB) des DRK-Landesverbandes Niedersachsen e.V. in Hannover
im August 2004 eine dreitägige Übung in der Trinkwasseraufbereitung (TWA)
durchführte. Ort war ein Übungsgelände der Britischen Armee direkt an der
Weser bei Hameln. Die TWA-Anlage der Hilfszugabteilung Niedersachsen, die
im Zentrum des vorliegenen Beitrags steht, ging am 31. Dezember 2004 von
Hannover aus in den Einsatz nach Südasien und befindet sich zurzeit in Sri
Lanka.
Anschwemmfi lteranlage eines Herstellers aus
Celle und einem Anhänger mit Behältern und
Material für die chemische Wasservorbehandlung. Insgesamt können dafür vier Faltbehälter
mit je 8.000 l Kapazität aufgestellt werden. In
diesen Behältern erfolgt durch schrittweise Zugabe von Chemikalien eine Vorbehandlung des
Rohwassers (Tab. 1).
Vorbehandlung des Rohwassers
Eine etwas andere Rotkreuzgemeinschaft
Für die ehrenamtlichen Katastrophenschutzkräfte der DRK-Fachdienstbereitschaft in Hannover besteht wenig Gelegenheit, praktische
Erfahrung mit dem Material der Trinkwasseraufbereitung zu sammeln. Der Grund dafür
liegt in dem relativ großen Aufwand, der beim
Betrieb der Anlage und der anschließenden
Nachbereitung (Reinigung, Trocknung aller
Teile) anfällt, und bei den entstehenden Kosten
für die verwendeten Chemikalien.
Abb. 1: Meckenheim-Merl,
Zentrallager des DRK: Die
TWA aus Hannover wird
übergeben. Von hier aus
werden die Hilfslieferungen
zusammengestellt und über
den Flughafen Köln-Bonn
abgewickelt
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IM EINSATZ
Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung werden
vom DRK im Rahmen des Hilfszuges vorgehalten. Die Fachdienstbereitschaft stellt in der
Hilfszugabteilung Niedersachsen die Fachkräfte für den Betrieb der TWA-Anlage. Die Anlage
hatte ihren Standort im Katastrophenschutzzentrum des Landesverbandes in Hannover. Sie
besteht aus einem Zugfahrzeug (Allrad) mit der
Durch die Zugabe von gelöstem HTH-Chlor
beim Füllen der einzelnen Behälter und einer
anschließenden Ruhezeit wird eine alkalische
Oxidation durchgeführt. Nach einer Überprüfung des pH-Wertes wird dieser ggf. mit
Kalkhydrat auf den gewünschten Neutralwert
von 7,0 eingestellt. Im Anschluss an diesen
Arbeitsschritt wird durch die Zugabe von gelöstem Eisen-III-Chlorid eine saure Oxidation
eingeleitet. Nach einer Ruhezeit wird durch
Zugabe von Aktivkohle eine Adsorption (Entchlorung) eingeleitet. Es setzt eine Flockung der
Schwebstoffe im Rohwasser ein, die zu einer
Sedimentation führt. Nach einer angemessenen
Ruhezeit kann mit dem Filtern des Rohwassers
begonnen werden.
Die Filtereinheit besteht aus zwei Domen, in
denen sich Edelstahlkerzen (Stützkörper) befi nden. An diese wird mit Hilfe einer Pumpe
und einem gleichmäßigen Rohwasserstrom ein
Spezialfi ltermaterial aufgetragen. Durch eine
entsprechende Ventilstellung wird diese Anschwemmung so lange im Kreislauf gepumpt,
bis das Anschwemmmaterial sich gleichmäßig
an den Kerzen festgesetzt hat. Ohne den Wasserstrom abreißen zu lassen, wird dann auf
Filterbetrieb umgeschaltet. Die noch im Wasser
verbliebenen Schwebstoffe werden entfernt.
Vor der Abgabe fl ießt das gewonnene Wasser
noch durch eine Chlordosiereinrichtung, die es
ermöglicht, den geforderten Chlorüberschuss
genau einzuhalten. Nach einer Ruhezeit in
einem Reinwasserbehälter kann das Wasser
ausgegeben werden, sofern die Freigabe der
Gesundheitsbehörde erfolgt ist.
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Abb. 3: ph-Wert-Bestimmung mittels Messstreifen
- das mit Eisen-III-Chlorid
versetzte Rohwasser braucht
eine gewisse Reaktionszeit,
bevor der nächste Behandlungsschritt erfolgen kann
Abb. 4
Abb. 4: Flockung und Sedimentation
Abb. 5
Abb. 5: Nach dem gesamten
Vorbehandlungsprozess ist
das Wasser bereits klar, alle
Schwebstoffe haben sich am
Behälterboden abgesetzt
Messen ist nicht gleich Messen
„Der Schwerpunkt bei der diesjährigen Übung,
die wir nun schon im dritten Jahr in Folge an der
Weser durchführen, lag auf der Vorbehandlung“,
erklärt Dieter Dettmer, Leiter der Fachdienstbereitschaft und erfahrene Fachkraft in der
Trinkwasseraufbereitung. Am Hauptübungstag
wurden die Behälter immer wieder mit Weserwasser neu gefüllt und verschiedene Chemiezugaben und Einwirkzeiten ausprobiert. Die
Helfer konnten so praktische Erfahrung in dem
Vorbehandlungsprozess und der Wasseranalyse
gewinnen. „Wichtig ist die genaue Messung
von Chlorgehalt und pH-Wert. Wir haben verschiedene Meßmethoden ausprobiert“, erläutert
Dettmer, der bereits seit gut 40 Jahren beim
DRK aktiv ist und auf eine ganze Reihe von
Auslandseinsätzen zurückblicken kann.
Nutzen der Anlage
Durch die mehrstufige Bearbeitung entsteht
Reinwasser, d.h. Trinkwasser in höchster Qualität. Fast alle ABC-Verunreinigungen von Oberfl ächenwasser lassen sich – mit entsprechendem
Aufwand – durch die Anlage entfernen. Nicht
geeignet ist die Anlage hingegen für Meerwasser, denn die Anlage kann das Wasser nicht
entsalzen. Die Filterkapazität beträgt 6.000
Liter je Stunde. Die Stärke der TWA-Gruppe
im Hilfszug Niedersachsen beträgt 0/1/3/4.
Zusätzlich steht ein 3.600-Liter-Aufsetztank
(Normcontainer) für einen Lkw zur Verfügung.
Transport und Wasserverteilung obliegen in der
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Hilfszugabteilung der Transportgruppe. Durch
die einsatztaktische Trennung von Filteranlage
und Vorbehandlungsteil kann die Anlage auch
ohne Vorbehandlung eingesetzt werden (nur
das Zugfahrzeug wird genutzt), um nicht sehr
stark verschmutztes Wasser vor der Ausgabe
bzw. Weiterverarbeitung zu reinigen.
Vorgehalten werden die Anlagen des DRKHilfszuges vor allem für den Auslandseinsatz, um vor Ort in einem Krisengebiet die
Trinkwasserversorgung sicherzustellen – wie
jetzt für die Katastrophengebiete in Südasien
geschehen. „Der Einsatz in Deutschland ist
aufgrund der guten Infrastruktur und Trinkwassernotvorsorge derzeit unwahrscheinlich“,
Tab. 1: Dosier- und Zeitplan für die Rohwasservorbehandlung
Verfahrensschritt Zusatzstoff
Oxidation, alkalisch HTH-Chlor (C8)
Formel
Ca(OCl) 2
Zusatzmenge Reaktionszeit
100 g/m3
Füllzeit + 20 min
pH-Messung
Kalkhydrat
Ca(OH) 2
50 g/m3
Oxidation, sauer
Eisenchlorid
sublimiert
Aktivkohle
FeCl3
100 g/m3
pH-Wert über
7,0 einstellen
20 min
200 g/m3
in 2 Schritten
20 min
5 min
Kalkhydrat
Ca(OH) 2
ca. 50 g/m3
pH-Wert auf 7,0
einstellen
ca. 30 min
Entchlorung
Adsorption
Flockung
Sedimentation
Die Angaben für Zusatzmenge und Reaktionszeit entsprechen den empfohlenen Werten des
Anlagenherstellers. Sie können je nach Beschaffenheit des Rohwassers variiert werden.
IM EINSATZ
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TECHNIK
Abb. 2: Vorbehandeltes Rohwasser im 8.000-l-Behälter
Abb. 3
Abb. 2
TECHNIK
so der Fachdienstleiter; selbst bei der Hochwasserlage 2002 an der Elbe sei der Einsatz
der TWA nicht erforderlich gewesen, obwohl
der Hilfszug im Einsatz war und vor Ort bereit stand. Die Anlage kann international als
ERU (Emergency Response Unit) „Specialised
Water“ (Reinwasser) eingesetzt und an andere
ERU-Module (Gesundheitsstation, Feldhospital) angebunden werden, da das erzeugte
Reinwasser auch im medizinischen Bereich
eingesetzt werden kann.
Frank Brinkmann
DRK Landesverband Niedersachsen e.V.
Fachdienstbereitschaft
Buchholzer Straße 76
D-30629 Hannover
[email protected]
Weitere Informationen:
www.fdb-drk.de
Die Zahl der Anlagen bei den Hilfszugabteilungen ist in den letzten 20 Jahren stark geschrumpft. In den Auslandseinsatz gebrachte
Anlagen werden i.d.R. nicht zurückgeführt,
sondern der jeweiligen nationalen Rotkreuzoder Rothalbmondgesellschaft übergeben. Der
niedersächsische Hilfszug verfügte zum Zeitpunkt der Übung im August 2004 nur noch über
eine dieser Großanlagen. Dazu kommen noch
drei Kleinfi lteranlagen für den Eigenbedarf der
Einsatzkräfte (Kapazität 250 l/h) und eine kleinere landesverbandseigene Mobilanlage (Kapazität 2.000 l/h).
Nachdem am 31. Dezember dem DRK-Bundesverband im Zentrallager MeckenheimMerl die TWA-Anlage der Hilfszugabteilung
Niedersachsen zur Verfügung gestellt wurde –
ebenso übrigens wie die Anlage der DRK-Hilfszugabteilung Rheinland-Pfalz aus Sprendlingen
– verfügt die niedersächsische Fachdienstbe-
Abb. 6: Wasser in verschiedenen Aufbereitungsstadien: in
der Mitte unbehandeltes Wasser, rechts nach der Vorbehandlung, links nach der Filtration
reitschaft derzeit über keine Großanlage mehr.
Eine Ersatzbeschaffung für die Trinkwasseraufbereitung wird vom DRK-Generalsekretariat eingeleitet.
Einsatz der Anlage in Südasien
Die TWA-Anlage der Hilfszugabteilung Niedersachsen, die zusammen mit zwei Ersatzstromerzeugern, einem Lkw und anderem Material ins
DRK-Zentrallager überführt wurde, ergänzte
am letzten Tag des Jahres die beiden identischen
Anlagen, die bereits seit dem 29. Dezember in
der Katastrophenregion im Einsatz waren. Die
Aufbereitungsanlage ist Bestandteil des Feldhospitals (ERU Referral Hospital), das in mehreren Hilfsflügen vom 14. bis 18. Januar nach
Colombo in Sri Lanka gebracht wurde. Von dort
wurde es auf dem Landweg in den Nordosten
Tab. 2: Technische Daten/Material
ABC-Trinkwasserbereiter zur Aufbereitung von Oberfl ächenwasser mit Vorbehandlungsteil nach dem
Terratom ® -Verfahren, Reinwasserteil und Chlordosierung
Hersteller:
Filterkapazität:
verwendete Chemikalien
(Vorbehandlung):
Filteranlage:
Filterhilfsmittel:
Standort der Anlage:
1. Wasserfilter:
2. Vorbehandlung:
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IM EINSATZ
ELGA Berkefeld GmbH, Celle
6.000 Liter pro Stunde
Eisen-III-Chlorid – FeCl 3
HTH-Chlor Granulat (C8) – Ca(OCl) 2
Kalkhydrat – Ca(OH) 2
Aktivkohle
Anschwemmfilter mit Edelstahl-Filterkerzen
Berkesil ®
DRK Landesverband Niedersachsen, Zentrum für Hilfsaktionen,
Hannover-Misburg
VW Transporter (Allrad), luftverlastbar, Filteranlage, Reinwasserpumpe,
Rohwasserpumpe, Reinwasserbehälter 8.000 Liter, faltbar,
Chlordosierungsanlage, Filtermaterial, Schläuche, Armaturen und Zubehör,
Wasserabgabeverteiler, Werkzeug, Material zur Wasserprüfung
(ph-Wert, Chlorgehalt etc.), Schutzausrüstung, Erste-Hilfe-Material
Westfalia Anhänger, luftverlastbar, 4 Rohwasserbehälter 8.000 Liter,
faltbar, Schläuche, Armaturen und Zubehör, Rohwasserpumpe,
Grundbedarf Chemikalien
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TECHNIK
des Landes gebracht. Das Feldhospital stellt dort
die medizinische Versorgung von etwa 200.000
Menschen in den nahe beieinander liegenden
Orten Mullaitivu und Puthukkudiyiruppu sicher. Helfer der niedersächsischen Fachdienstbereitschaft sind gegenwärtig dort nicht vor
Ort, kommen aber evtl. noch im Rahmen von
Personalablösungen zum Einsatz.
TWA: Wie wird es weitergehen?
International setzen viele Organisationen zunehmend auf die Herstellung von so genanntem
Massenwasser (Mass Water), das nicht die hohe
Qualität des Reinwassers (Specialized Water)
hat, aber dafür schnell in großen Mengen und
wesentlich kostengünstiger vor Ort hergestellt
werden kann. Eine andere Aufbereitungsart ist
die Umkehrosmose, bei der das Wasser durch
einen biomechanischen Prozess durch eine
halbdurchlässige Membran (Wand) in Reinund Abwasser getrennt wird.
Schwierig ist es darüber hinaus, neue ehrenamtliche Helfer zu gewinnen, die bereit sind, sich
einer qualifi zierten Ausbildung zu unterziehen
und dann ggf. auch für den Auslandseinsatz
zur Verfügung zu stehen. Die Fachdienstbereitschaft, die im vergangenen Jahr ihr 45-jähriges
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Bestehen feiert, ist eine technisch orientierte
Einheit, die neben der Trinkwasseraufbereitung vor allem in der Elektroversorgung und
im Bereich Information und Kommunikation
(IUK) aktiv ist. Diese Seite des Roten Kreuzes
ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.
Zudem ist die Fachdienstbereitschaft als Gemeinschaft direkt dem Landesverband Niedersachsen in Hannover zugeordnet und hat daher
weniger örtlichen Bezug als die Rotkreuzgemeinschaften der Orts- und Kreisverbände. Sie
arbeitet landesweit, aber meist im Hintergrund,
wie etwa bei Großveranstaltungen.
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Abb. 7: Für die Überlebenden
der verheerenden Naturkatastrophe war und ist die
Versorgung mit frischen
Trinkwasser überlebenswichtig – nur so können
Erkrankungen und Seuchen
vermieden werden; hier
das Schema einer Wasseraufbereitungsanlage mit
der täglich bis zu 15.000
Menschen versorgt werden
können (Grafik: DRK)
IM EINSATZ
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