Auf Michael Collins` Grab liegen immer Blumen und Liebeskarten

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Auf Michael Collins` Grab liegen immer Blumen und Liebeskarten
Jugend schreibt
SEITE 30 · M O N TAG , 2 2 . J U N I 2 0 1 5 · N R . 1 4 1
F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
Auf Michael Collins’ Grab liegen
immer Blumen und Liebeskarten
G
lasnevin Cemetery ist kein gewöhnlicher Friedhof. Seit seiner Öffnung 1832 musste er
sich gegen manche Feinde wehren. Tritt man durch die schwarzen, düsteren Gittertore in den Dubliner Friedhof
ein, sieht man einen Rundturm: das
O’Connell-Denkmal, das mit einer Höhe
von 51 Metern den Friedhof überragt.
Der irische Politiker Daniel O’Connell
setzte sich nicht nur für die Unabhängigkeit Irlands ein, sondern ist auch der Begründer von Glasnevin Cemetery. Er ermöglichte es, dass erstmals Katholiken
nach ihrem Glauben und ihren Sitten beerdigt werden konnten. Glasnevin sollte
ein Friedhof „für jede und keine Religion“ sein. Das ist er bis heute.
Um den Turm herum sieht man unzählige Gräber, Grabsteine mit keltischen
Kreuzformen und mit Kleeblättern. Mit
teilweise fast drei Meter Größe wirken
manche Grabsteine monumental. Ein
paar Besucher huschen vorbei. Obwohl
es ein Platz des Todes und oft großen
Leids ist, herrscht eine friedliche Atmosphäre. Still ist es. Nur in der Ferne
brummt ein Rasenmäher. Ab und zu hört
man einen Vogel singen.
Es ist verständlich, warum der Glasnevin-Friedhof, dem James Joyce ein Kapitel in seinem Roman Ulysses gewidmet
hat, als Wahrzeichen Irlands gilt. Hier im
Norden Dublins liegen 1,5 Millionen Menschen unter der Erde, und das auf nur 120
Hektar Land. Eine unglaubliche Zahl,
wenn man bedenkt, dass heute nur eine
Million Menschen in Dublin leben. Die
dort Begrabenen trugen dazu bei, das heutige Irland zu gestalten. Es sind Politiker
wie Daniel O’Connell, Charles Parnell,
Eamon de Valera und Michael Collins, die
für die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien gekämpft haben. Oder die Unabhängigkeitskämpferin, Gräfin Markievicz, die zu jahrelanger Gefängnisstrafe in
Kilmainham Goal verurteilt wurde. Aber
auch Schriftsteller wie Brendan Behan,
Künstler wie Luke Kelly, der Sänger bei
den Dubliners war, und einfache Menschen, die gekämpft, gewählt, geglaubt
und geliebt haben, liegen hier begraben.
Ann-Marie Smith ist seit fünf Jahren
die Managerin des Museums. Das futuristische Gebäude befindet sich am Haupteingang des Friedhofs. Die 38-jährige
Frau hat kinnlange, blonde Haare, blaue,
wache Augen und ein rundes, freundliches Gesicht. Ihr dunkles Lachen ist ansteckend. Die irische Geschichte, die in Glasnevin Cemetery zu finden ist, begeistert
die Frau in dem modernen schwarzen Hosenanzug. An der Trinity-Universität Dublin studierte sie Geschichte. Vorher arbeitete sie in Kilmainham Goal, dem berühmten irischen Gefängnis und im Gaelic Athletic Association Museum. Noch
immer unterstützt sie die gälischen Ballsportarten und hat eine Jahreskarte für
Croke Park, das Nord-Dubliner Stadion.
Smith scheint die Geschichte fast jeden
Grabes zu kennen. Ihr Lieblingsgrab ist
das von Anne Devlin.
Devlin war die Haushälterin des 1803
hingerichteten Rebellenführers Robert
Emmet. Sie wurde in das KilmainhamGoal-Gefängnis gebracht und in Dunkelhaft gehalten und gefoltert, weil sie sich
weigerte, Emmet zu verraten. Halb erblindet, wurde sie 1806 aus dem Gefängnis
Geschichten
von der Insel
Wo Freiheitskämpfer
begraben liegen: Dublins
berühmtester Friedhof.
Ein Kapitel in Ulysses ist ihm
gewidmet. Und für Ann-Marie Smith
ist es eine Ehre, dort zu arbeiten:
Begegnungen auf Dublins
Glasnevin Cemetery.
Sonntags in die eiskalte
See: Die Schwimmer von
Hawk’s Cliff.
entlassen, bekam zwei Kinder und starb
1851 als 70-jährige, verarmte Frau. Sie
wurde in einem Armengrab bestattet. Ein
guter Freund von ihr, Dr. Richard Madden, der während dieser Zeit in Amerika
war, sorgte später dafür, dass sie ein würdevolles Grab bekam. Sie liegt in der
Nähe des Republican Spot, des Platzes,
wo die Freiheitskämpfer beerdigt sind.
Auf dem Grabstein wird sie als „faithful
servant“ von Robert Emmet bezeichnet,
die in „obscurity and poverty“ lebte.
„Es ist eine Ehre, in Glasnevin Cemetery zu arbeiten“, sagt Smith mit ihrer
leicht rauhen Stimme. Sie sitzt an einem
Tisch in der Mitte des hellen Museumsrestaurants. Es riecht nach gekochtem
Fleisch, Gemüse und Kartoffelpüree.
Das Restaurant ist voll. 30 Leute unterhalten sich lautstark in verschiedenen irischen, englischen und amerikanischen
Dialekten. 80 Prozent der Besucher kommen aus Irland. Die übrigen sind aus
Großbritannien, Nord- und Südamerika
und anderen europäischen Ländern. Seitdem der Film „One Million Dubliners“
über Glasnevin 2014 im Kino lief, sind
die Besucherzahlen enorm gestiegen.
Zweimal am Tag finden Führungen statt.
Man erfährt dabei einiges über die irische Geschichte und über die besonderen Friedhofsbäume: Eichen, rote Mam-
Illustration Andrea Koopmann
mutbäume und Eiben. Den Kelten galten
sie als Bäume des ewigen Lebens, weil
die Tiere die Blätter nicht anrührten. Um
den Toten die ewige Ruhe zu gewähren,
wurden diese Bäume auf Friedhöfen gepflanzt. Später fand man heraus, dass die
Tiere die Blätter nicht fraßen, weil die Eiben giftig sind.
Glasnevin Cemetery hat viele Eiben.
Sie gelten als Glücksbringer. So wie auch
die steinernen Kleeblätter, Harfen und
Engel, die die Gräber zieren. Die etwa 15
Meter hohen Außenmauern mit den
Wachtürmen dienten aber auch dazu,
Grabräuber fernzuhalten. Diese waren
eine große Gefahr, da frische Leichen gerne für die Anatomie gestohlen wurden.
Angehörige bezahlten sogar Kindern
Geld, damit diese zwei Wochen lang die
Gräber Tag und Nacht bewachten. Dann
war die Leiche für die Anatomie unbrauchbar. Nur so konnten die Toten ihre
letzte Ruhe bekommen. Das kann auch
Falko Behsen bestätigen. Der fast 1,90 Meter große Deutsche aus der Nähe von Kiel
arbeitet seit 2004 als Totengräber auf dem
Friedhof. Wie geht er damit um, täglich
Menschen zu begraben? Behsen sieht das
recht pragmatisch: „Es ist ein Job, man
darf ihn nicht zu sehr an sich heranlassen.“ Traurig sei es schon oft, besonders
wenn er Gräber für Kinder ausschaufeln
muss. Bis zu sieben Stunden kann es dauern, bis ein Grab ausgehoben ist. Wie will
er einmal begraben werden? „Ach“, sagt
er und schaut in die Ferne, „ich bin für die
billigste Lösung, die Einäscherung. Vielleicht habe ich auch einfach zu viel Verwesung gesehen“, bekennt er lachend. Aber
er schätzt seine Arbeit: „Glasnevin ist ein
so historischer Ort! Als ich herkam, wusste ich nichts über die irische Geschichte.
Jetzt weiß ich mehr als manche Iren.“
Das mit Abstand beliebteste Grab ist
das von Michael Collins. Er war Revolutionsführer während des Konflikts zwischen Irland und England von 1916 bis
1922. Für viele Iren ist er noch heute ein
Held. Sein Bild und das von John F. Kennedy hingen früher in fast jedem irischen
Haus, weil sie als katholische Vorzeigeiren galten. Seit den 80er Jahren sind die
Iren ihren Nationalhelden gegenüber kritischer geworden. Allerdings schätzte man
Collins nicht nur für seine politischen
Leistungen: Viele Frauen fanden ihn gutaussehend. Und er starb jung im Alter
von 31 Jahren.
Auf seinem Grab sieht man immer Blumen und Liebeskarten liegen. Ann-Marie
Smith erzählt von einer Frau, die sechsmal im Jahr von Frankreich nach Dublin
fliegt, um Blumen auf Collins’ Grab zu legen. „Sie ist in ihn verliebt, obwohl er
schon lange tot war, als sie geboren wurde.“ Die Dubliner nennen sie „The Mysterious French Lady“. Amerikaner senden
Blumenkränze, vor allem seit dem Hollywoodfilm „Michael Collins“.
Auch Ann-Marie Smith findet es
manchmal traurig, auf einem Friedhof zu
arbeiten. Aber die toten Menschen stören
sie nicht. „Ehrlich gesagt, fürchte ich
mich mehr vor den Lebenden als vor den
Toten“, erklärt sie etwas trotzig, als sie
eine Haarsträhne hinters Ohr steckt.
Manchmal denken Leute, dass ihre Arbeit
deprimierend sei, und Smith muss ihnen
erklären, dass sie tatsächlich gern auf einem Friedhof arbeitet. Die Arbeit hat ihr
eine neue Sicht auf den Tod gegeben; sie
hat keine Angst mehr vor ihm. Sie glaubt
an das Leben nach dem Tod und freut
sich, dass sie ihre verstorbenen Lieben
wiedersehen wird. Die Frage, ob sie in
Glasnevin begraben werden sein will, hat
sie noch nicht entschieden. Es ist eine
Ehre, in Glasnevin Cemetery begraben
zu sein, aber ihre Eltern liegen in Cavan.
Am liebsten wäre es ihr, wenn ihre Asche
über das Spielfeld von Croke Park, dem
Ort, wo sie viel Zeit verbringt, gestreut
würde.
I
ZEITUNG IN DER SC HULE
Verantwortlich: Dr. Ursula Kals
Pädagogische Betreuung:
IZOP-Institut zur Objektivierung
von Lern- und Prüfungsverfahren, Aachen
Ansprechpartner:
Norbert Delhey
An dem Projekt
„Jugend schreibt“ nehmen teil:
Aachen, Inda-Gymnasium ! Albstadt, WaltherGroz-Schule ! Aschaffenburg, Karl-Theodor-v.Dalberg-Gymnasium ! Bad Bederkesa, Niedersächs. Internatsgymnasium ! Bad Bergzabern,
Gymnasium im Alfred-Grosser-Schulzentrum !
Bad Kreuznach, Lina-Hilger-Gymnasium ! Bad
Nauheim, Ernst-Ludwig-Schule - Gym. d. Wetteraukreises ! Bad Pyrmont, Humboldt-Gymnasium ! Berlin, Eckener-Gymnasium ! Französisches Gymnasium ! Hans-Litten-Schule ! Brühl,
Max-Ernst-Gymnasium ! Cottbus, Pücklergymnasium ! Dortmund, Konrad-Klepping-Berufskolleg (Wirtschaftsgym.) ! Dublin, Irland, St. Kilian's
Deutsche Schule Dublin ! Durmersheim, Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium ! Ehingen/Do-
Ingenieur, fügt hinzu: „Ich mache es, um
meine Seele sauberzuwaschen, es befreit
mich von meinen Sünden.“ Seine Stimme
überschlägt sich dabei vor Enthusiasmus.
Nastascha, die einzige Frau im Club, ist
derselben Meinung: „Es ist wie eine Kommunion mit den Elementen.“
Aber ist es denn nicht gefährlich, sich
in fünf Grad kaltem Wasser länger aufzuhalten? „Halb so schlimm“, meint Frazer.
„Klar gibt es Gefahren. Man muss achtgeben, sich nicht zu unterkühlen. Im Juni
kommen manchmal Quallen an die Küste. Seehunde sind auch ein Problem, besonders wenn sie Junge haben. Wenn
nau, Magdalena-Neff-Schule ! Eppelheim, Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium ! Eschwege, Oberstufengymnasium ! Frankfurt am Main, Ziehenschule ! Freiburg, Max-Weber-Schule (Wirtschaftsgym.)
Friesoythe,
Albertus-Ma!
gnus-Gymnasium ! Fulda, Freiherr-vom-SteinSchule ! Marienschule (Gym. für Mädchen) !
Germersheim, Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium ! Gernsheim, Gymnasium Gernsheim ! Gießen, Landgraf-Ludwigs-Gymnasium ! Gifhorn,
Humboldt-Gymnasium ! Görlitz, Augustum-Annen-Gymnasium ! Göttingen, Felix-Klein-Gymnasium ! Grimmen, Gymnasium Grimmen ! Gronau, Werner-von-Siemens-Gymnasium ! Gummersbach, Kaufmännisches Berufskolleg Oberberg ! Hamburg, Goethe-Gymnasium ! IrenaSendler-Stadtteilschule ! Oberstufe Foorthkamp
! Hannover, Goetheschule ! Kaiser-Wilhelm- u.
Ratsgym. ! Lutherschule ! Haßfurt, Regiomontanus-Gymnasium ! Heidenheim an der Brenz,
Kaufm. Schule ! Herxheim, Pamina-Gymnasium
! Holzminden, Campe-Gymnasium ! Ingolstadt,
Katharinen-Gymnasium ! Kaiserslautern, H.-Heine-Gymn. (Sportgymnasium) ! Staatl. Gymnasium am Rittersberg ! Kassel, Friedrichsgymnasium ! Kiel, Ernst-Barlach-Gymnasium ! Kieler Gelehrtenschule ! Köln, Erzbischöfl. IrmgardisGym. ! Krefeld, Robert-Jungk-Gesamtschule !
Landau, Eduard-Spranger-Gymnasium ! Leverkusen, Werner-Heisenberg-Gymnasium ! Lilienthal, Gymnasium Lilienthal ! Limbach-Oberfrohna, Albert-Schweitzer-Gymnasium ! Ludwigs-
man zwischen eine Robbe und seine Mutter kommt, greift die Mutter an.“ Frazer
zeigt seine schwarze Armbanduhr mit
dem auffälligen Zifferblatt. „Wenn ich
zehn Minuten lang im Wasser bleiben
möchte, drehe ich hier. Die Uhr zeigt mir
an, wann es Zeit ist, rauszukommen.
Dann muss ich schnell raus. Ich habe
mich nur einmal unterkühlt.“ Der Plastikring klickt, als Frazer ihn demonstrativ
dreht. „Man muss eine Taucherbrille tragen, um die Quallen zu sehen. Wenn man
Seehunde sieht, ist es immer besser, nicht
ins Wasser zu gehen. Es sei denn, man hat
eine Tetanusspritze dabei“, lacht Frazer.
burg, Goethe-Gymnasium ! Lüneburg, Gymnasium Oedeme ! Maintal, Albert-Einstein-Schule !
Marburg, Freie Waldorfschule Marburg ! Gymnasium Philippinum ! Markkleeberg, Rudolf-Hildebrand-Schule ! Mayen, Megina-Gymnasium !
Minden, Ratsgymnasium ! München, AsamGymnasium ! Elsa-Brändström-Gymnasium !
Städt. Adolf-Weber-Gymnasium ! Münster, Schillergymnasium ! Münsterschwarzach, EgbertGymnasium ! Niebüll, Berufliche Schule Nordfriesland ! Nieder-Olm, Gymnasium Nieder-Olm
! Nordhausen, Staatl. Gymnasium Wilhelm v.
Humboldt ! Nürnberg, Johannes-Scharrer-Gymnasium ! Oberkochen, Ernst-Abbe-Gymnasium
! Plauen, Lessing-Gymnasium ! Plettenberg, Albert-Schweitzer-Gymnasium ! Radolfzell, Mettnau-Schule ! Remscheid, Leibniz-Gymnasium !
Reutlingen, Theodor-Heuss-Schule ! Rodewisch,
Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium ! Saarbrücken, Ludwigsgymnasium ! Schleswig, Lornsenschule ! Schweinfurt, Bayernkolleg Schweinfurt ! Stuttgart, Eberhard-Ludwig-Gymnasium !
Ev. Mörike-Gymnasium ! Teheran/Iran, Österreichisches Kulturforum Teheran ! Trier, BBS EHS
Trier ! Max-Planck-Gymnasium ! Uelzen, BBS I
Uelzen ! Ulm, Gymnasium St. Hildegard ! Unterschleißheim, Carl-Orff-Gymnasium ! Urdorf/
Schweiz, Kantonsschule Limmattal ! Werl, Marien-Gymnasium ! Wetzikon, Kantonsschule Zürcher Oberland ! Wildau, Gymnasium Villa Elisabeth ! Worms, Gauß-Gymnasium ! Rudi-Stephan-Gymnasium
Die einstige „Miss Ireland“
Nuala Holloway unterrichtet
M
Wie viele Iren war Frazer jung, als er
schwimmen lernte. Natürlich lernte er
das Schwimmen im Meer. Die Idee, in ein
Schwimmbad zu gehen, kommt ihm widersinnig vor. Viele hören mit dem
Schwimmen im Meer auf, wenn sie älter
werden. Nicht so Frazer und seine Freunde. „Das ist der Mann, der mich immer zurückbringt“, sagt Kieran, ebenfalls Ingenieur, und deutet auf Frazer. „Normalerweise sind wir hier fast allein. Da müssen
wir gegenseitig auf uns aufpassen. Heute
sind viele Leute hier, aber das ist eine Ausnahme. Es ist wegen der Sonne.“ Die vielen Leute, das sind ungefähr 15. Mehr als
die Hälfte davon sind Männer um die 60.
Was sie alle gemein haben, ist die gleiche
rosafarbene Gesichtsfarbe; ein Resultat
der Sonne und des kalten Wassers.
Wie begann der Club? Die Antwort
sprudelt aus Frazer heraus: „Ich wohne in
Blackrock und gehe Radfahren. Ich fuhr
immer mit meinem Rad zu Forty Foot,
aber es war mir nicht weit genug weg. So
kam ich hier zu Hawk’s Cliff an Vico’s
Road. Ich merkte, dass es hier viel wärmer ist als in Forty Foot. Ich sagte Lads!
Lasst uns hier schwimmen, es ist schöner.
Das war 2010. Seither sind wir hiergeblieben.“ Der Enthusiasmus ist ansteckend.
Das erlebte auch Peter, der damals Botschaftsrat für Politik und Wirtschaft und
Stellvertreter des Botschafters in Dublin
war. Nie hätte er sich träumen lassen, jeden Sonntag im eiskalten Wasser zu
schwimmen. Peter ist mittlerweile Referatsleiter in der außenpolitischen Abteilung des Bundespräsidialamts in Berlin.
Zum Abschied hat er vom Club silberne
Manschettenknöpfe mit VSC-Gravur bekommen. Und eine Bildcollage von den
Schwimmsonntagen mit der Überschrift:
„And Angela thought, Peter was working!“
Cillian Purser, Nick Carswell
Camille Lindlahr
St. Kilian's Deutsche Schule, Dublin
St. Kilian's Deutsche Schule, Dublin
Emma Prehn, St. Kilian's Deutsche Schule, Dublin
Vicos Swimmers Club trotzt das ganze Jahr den kühlen Temperaturen an Irlands Südwestküste / Jeden Sonntag in die Fluten
cken trägt. „Ich bin kein Nacktschwimmer, aber es gibt einige, die hier unbekleidet schwimmen. Hauptsächlich Männer“,
sagt Frazer. Außer den sechs Mitgliedern
des Vico Swimmers Club gibt es noch vier
andere, die hier jeden Sonntag baden. So
zum Beispiel Rapunzel, wie sie von den
Swimmers genannt wird. Rapunzel hat
ihr polanges Haar stets zu einem Dutt geflochten. Sie schwimmt immer nackt. Im
Sommer begleitet sie ihr Hund. Die Männer schwimmen jeden Sonntag. Warum
tut man sich so etwas an? „Ich glaube,
dass das Warum nicht beantwortet werden muss“, sinniert Éanna. Michael, der
Eine schöne
Lehrerin
it einem einladenden Lächeln
zeigt Nuala Holloway auf einen
der alten Holzstühle in ihrem
Klassenzimmer in Dublin. Die Frau in den
Fünfzigern ist Irischlehrerin, Künstlerin,
Radiosprecherin, ehemaliges Model und
einstige „Miss Ireland“. An den Wänden
hängen bunte Rechtschreib- und Grammatikposter, Reproduktionen der Gemälde,
die sie gemalt hat, und zwei von ihr gemalte Acrylbilder. Das eine zeigt Mohnblumen auf einer Wiese, das andere einen
Teich in einem Park. Nuala fährt sich
durch ihre vollen, hellbraunen, glatt gestylten Haare. „Das Modeln war nie etwas,
das ich machen wollte.“ Eines Abends,
während sie in Cork Kunst studierte und
auf dem Weg zu ihrem Apartment war,
hielt sie jemand an und fragte, ob sie daran interessiert sei, professionell Fotos von
sich machen zu lassen. Sie lehnte zunächst
ab. „Man sollte Fremden nicht zu schnell
nachgeben.“ Sie erfuhr, dass der Fotograf
für den „Cork Examiner“ arbeitete. Er riet
ihr, sich bei der lokalen Modelagentur einzuschreiben. Sie folgte seinem Rat. „Ich
dachte, ich könnte nebenbei lernen, wie
man vernünftig läuft“, lacht sie und richtet ihren weißen Strickpulli. Die Agentur
machte Fashion-Shows, manchmal Fotoshootings für Werbungen oder Zeitschriften. Dort fing ihre Karriere an. Nuala
blieb aber nicht lange.
Die Leiterin der Agentur brachte sie auf
die Idee, an Wettbewerben teilzunehmen.
„Es gab viele Wettbewerbe: für die schönsten Augen oder das schönste Lächeln.“ Einer der Wettbewerbe, die sie gewann, war
„Miss Wassersport“. Sie zog daraufhin in
die Dubliner Innenstadt. Nuala war dabei,
als eine der Boat-Shows von Schauspieler
Peter Gilmore eröffnet wurde. Die Zeitungen druckten Bilder von Gilmore und ihr
im Bikini. Das irische Auswahlkomitee
sah die Bilder und überredete sie, in den
späten 70er Jahren, nach Okinawa in Japan zu reisen, um Irland bei den „Miss Internationals“ zu repräsentieren. „Es war
faszinierend, in Japan anzukommen. Überall waren Fotografen, und alles war so anders.“ Auf dieser Reise freundet sie sich
mit „Miss Great Britain“ an. Die Medien
sind nicht begeistert. Internationale Journalisten stellen unangenehme Fragen über
die Freundschaft. Damals war die Beziehung zwischen England und Irland angespannt wegen der Kämpfe in Nordirland.
Viele Menschen kamen dabei ums Leben.
Die Medien fragen sie, ob es denn nicht absurd sei, dass „Miss Ireland“ und „Miss
Great Britain“ in dieser Situation befreundet sind. „Man muss bei solchen Fragen
der Medien geschickt sein und nicht zu viel
preisgeben“, verrät Nuala. „Die anderen
Models waren zwar schön, aber nicht alle
waren Intelligenzbestien“, gibt sie zögernd
zu. Für Nuala war Bildung schon immer
wichtiger als Schönsein. Daher fühlte sie
sich nie richtig wohl in diesem Geschäft.
Irland war damals nicht besonders groß
im Modelgeschäft. Man riet deshalb, nach
London oder New York zu gehen, um
mehr zu verdienen. Aber sie wollte als heimatverbundene Irin ihr Land nicht verlassen. Sie wirkte in Werbefilmen mit. So
auch für den irischen Süßwarenfabrikanten Lemons. Die Werbung wurde in Kinos
und im Fernsehen gezeigt. „Ich fand es
toll, in ein altes viktorianisches Kleid zu
schlüpfen. Und ich wurde gut bezahlt.“ Sie
ergattert verschiedene kleine Rollen im
Theater. Dann spricht sie für den Film
„The First Great Train Robbery“ vor. In
dem Film geht es um Edward Pierce, einen
Meisterdieb. Nuala spielte eine Prostituierte, die mit Sean Connery ins Bett geht. Einer blies die Pfeife, ein Zeichen, dass die
Polizei kommt, woraufhin sie aus dem Zimmer rennen musste, gefolgt von Connery.
„Er war so lustig“, kichert sie.
Obwohl sie das Modeln aufregend findet und die Schauspielerei liebt, war ihr
Traumberuf stets Lehrerin oder etwas in
der Kunstbranche. Sie begann wieder am
University College Dublin zu studieren,
und zwar Irisch und Kunstgeschichte.
Gleichzeitig nahm sie einen Nebenjob bei
einer Radiostation an und las dort die
Nachrichten. Als bildende Künstlerin arbeitet sie nach wie vor. Eines ihrer Gemälde hängt sogar im Weißen Haus. Es zeigt
ein Schiff, auf dem im 19. Jahrhundert
Iren vor der Hungersnot nach Nordamerika flohen.
In der kalten Irischen See die Seele sauberwaschen
m Süden von Dublin gibt es eine Küste, die nach der Region in Italien „Sorrento“ getauft wurde. Zu Recht, denn
hier findet man oft Sonne, südliches Flair
und den Sugarloaf Berg von Wicklow im
Hintergrund. Der Berg erinnert an den
Vesuv bei Neapel in Süditalien. In der
Nähe von Dalkey, einem vornehmen Vorort von Dublin, haben die Rockstars
Bono, The Edge und Enja ihre Häuser.
Die Villen liegen an der Vico Road, die
sich um die Klippen der Sorrentoküste
windet. Bei Hawk’s Cliff treffen sich Leute, um im Irischen Meer zu baden. Es gibt
ein paar dieser Badeplätze in der Nähe
Dublins, die berühmt sind. Die bekanntesten sind Seapoint und Forty Foot. Hawk’s
Cliff jedoch kennt fast niemand. Frazer
McKimm ist einer der wenigen, die darum wissen. Mit seinem „Vico Swimmers
Club“ geht der Design-Ingenieur das ganze Jahr über jeden Sonntag schwimmen.
Irland liegt so nördlich wie Labrador in
Kanada, ist aber wesentlich wärmer wegen des Golfstroms, der an der Südwestküste vorbeikommt. Das Meer ist trotzdem kalt. Fünf Grad im Winter und 15 in
einem guten Sommer. „Im Sommer, wenn
es warm ist, können wir 40 Minuten im
Wasser bleiben, aber wenn es kälter wird,
können wir nur kurz im Wasser bleiben“,
sagt Frazer, der in ein Handtuch gewickelt auf den warmen Granitsteinen sitzt.
Frazer ist um die 50. Seine grauen Haare
hat er kurz rasiert. Vor der Sonne schützt
er sich mit einer lila Sonnenbrille.
Der Badeort Forty Foot war früher
Männern vorbehalten. Hawk’s Cliff war
für die Frauen, weil es abgelegen war.
Heute gehen mehr Männer als Frauen zu
Hawk’s Cliff. Wegen seiner Abgeschiedenheit, ist es ein Ort, wo man nackt schwimmen darf. Und das tun hier einige. Im
Sommer und im Winter. So zum Beispiel
David, der Rechtsanwalt, der nichts außer
schwarzen Neoprenhandschuhen und -so-
Schönsein genügt ihr
nicht: Gespräch mit der
einstigen „Miss Ireland“.