Phänomen Hochbegabung

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Phänomen Hochbegabung
WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT
Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen
nach RPO I vom 30.06.1981
Fördermöglichkeiten hochbegabter Kinder –
eine Analyse mit Konsequenzen
für die Erziehungsarbeit
vorgelegt von Kerstin Fiehn
eingereicht bei der Pädagogischen Hochschule Heidelberg am 30.07.02
Referent:
Prof. Dr. A. Klaus
Korreferent: Akad. Rat Dr. H. Wehr
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .......................................................................................... 1
2
Phänomen Hochbegabung............................................................... 3
3
4
2.1
Abgrenzung des Begriffes............................................................................ 3
2.2
Formen intellektueller Hochbegabung....................................................... 12
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder ......................... 18
3.1
Merkmale Hochbegabter............................................................................ 18
3.2
Hochbegabung als Problem ....................................................................... 23
3.3
Risikogruppen ............................................................................................ 28
Schulische Fördermöglichkeiten................................................... 34
4.1
Notwendigkeit und grundlegende Überlegungen....................................... 34
4.2
Akzeleration ............................................................................................... 37
4.2.1
Formen von Akzeleration................................................................... 37
4.2.2
Überspringen von Klassen und fachbezogene Akzeleration.............. 40
4.2.3
Frühe Einschulung und jahrgangsübergreifende Eingangsklassen .... 45
4.2.4
Sonderklassen mit verkürzter Schulzeit am Gymnasium .................. 49
4.3
Enrichment ................................................................................................. 51
4.3.1
Formen von Enrichment..................................................................... 51
4.3.2
Arbeitsgemeinschaften und Kinder- und Jugendakademien.............. 54
4.3.3
Wettbewerbe ...................................................................................... 60
4.3.4
Seminare und Schülerakademien ....................................................... 65
4.4
5
Separation................................................................................................... 67
4.4.1
Theoretische Grundlage ..................................................................... 67
4.4.2
Sonderklassen..................................................................................... 71
4.4.3
Sonderschulen .................................................................................... 77
4.5
Unkonventionelle Fördermöglichkeiten..................................................... 79
4.6
Vorläufiges Resümee ................................................................................. 81
Außerschulische Fördermöglichkeiten ........................................ 86
5.1
Familiärer Kontext ..................................................................................... 86
5.2
Hochbegabtenverbände .............................................................................. 92
6
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit.................................... 103
7
Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick................. 109
8
Literaturverzeichnis..................................................................... 112
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Normalverteilung der Intelligenzquotienten (HOLLING & KANNING
1999, 23) .............................................................................................................. 4
Abbildung 2: Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli (HOLLING &
KANNING 1999, 9)............................................................................................. 9
Abbildung 3: Allgemeines Bedingungsgefüge für außergewöhnliche Leistungen
(STAPF 1999, 21) .............................................................................................. 10
Abbildung 4: Prozentsatz zurückgestellter und vorzeitig eingeschulter Kinder in
Baden-Württemberg in den Schuljahren 1968/69 bis 2000/01 (MINISTERIUM
FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 80)................................... 46
Tabelle 1: Häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede bei Hochbegabten in Bezug auf
schulische Interessen, Werte und Ziele, berufliche Interessen und Orientierung
sowie Freizeitaktivitäten und Hobbys (ROST & HOBERG 1998, 187) ........... 31
Tabelle 2: Statistik der Arbeitsgemeinschaften zur Förderung besonders befähigter
Schüler für die Schuljahre 1999/2000 bis 2001/2002 (www.begabten-ag.bkunz.de/statistik.htm) ......................................................................................... 55
Tabelle 3: Zeitraster für eine Schulwoche an der Jugenddorf-Christophorusschule
Braunschweig (HELLERT 2000, 146) .............................................................. 73
Einleitung
1
1 Einleitung
Intelligenz ist in der Öffentlichkeit momentan ein beliebtes Thema. Neben der
Sendung „Wer wird Millionär“ hat RTL auch „Extra – Das IQ-Spezial“, ein
Intelligenztest für Publikum und Prominente, ausgestrahlt. Der Bevölkerung wird
jedoch nur die positive Seite von Intelligenz gezeigt: Hohe Intelligenz kann zu
Höchstleistungen und Erfolg führen. Hochbegabte Kinder empfinden ihre hohe
Intelligenz jedoch oftmals als soziale Behinderung und stellen somit auch für ihre
Familie eine Belastung dar. Deshalb sollten hochbegabte Kinder ebenso wie
körperlich oder geistig behinderte Kinder für ihr eigenes Wohlergehen gefördert
werden.
Trotz vieler – berechtigter oder unberechtigter – Kritik an dem Umgang mit
hochbegabten Kindern an staatlichen Schulen habe ich während meiner Schulzeit am
Gymnasium positive Erfahrungen gemacht. Innerhalb von drei Jahren haben zwei
Schüler und eine Schülerin eine Klasse übersprungen und wurden gleichzeitig durch
Arbeitsgemeinschaften und Wettbewerbe gefördert. Alle drei Schüler und
Schülerinnen legten zudem ein gutes Abitur ab. Es ist anzunehmen, dass sie eine
ihrer Begabung entsprechende Förderung erhalten haben.
Im Folgenden werde ich mich mit den Fragen auseinandersetzen: Welche
Fördermöglichkeiten gibt es ? Welches sind die geeignetsten?
Dazu werde ich im zweiten Kapitel das Phänomen der kognitiven Hochbegabung
näher erläutern und den Begriff Hochbegabung von anderen Begriffen wie Leistung
und Talent abgrenzen. Im Weiteren werde ich zeigen, dass die Gruppe hochbegabter
Kinder keineswegs homogen ist, sondern dass es verschiedene Formen intellektueller
Hochbegabung gibt. Um eine genauere Vorstellung von hochbegabten Kindern zu
bekommen, werde ich deren Merkmale anhand der Phänomenologie von Dabrowski
schildern. Nun stellt sich die Frage: Warum sollte man hochbegabte Kinder fördern?
Aus den Merkmalen hochbegabter Kinder folgen Probleme, wie das Gefühl der
Andersartigkeit und die schwierige Beziehung zu Gleichaltrigen, die ich im dritten
Kapitel darstellen werde. Besonderer Förderung bedürfen auch Risikogruppen, wie
Mädchen oder Hochbegabte mit Teilleistungsstörungen. Im vierten Kapitel werde ich
dann auf die schulischen Fördermöglichkeiten eingehen, die ich in Akzeleration,
Enrichment, Separation und unkonventionelle Fördermöglichkeiten für Hochbegabte
unterteile. Zu jedem dieser theoretischen Konstrukte gibt es verschiedene
Einleitung
2
Umsetzungen, die ich darstellen werde, um deren Vor- und Nachteile aufzuzeigen.
Anschließend werde ich die Fördermöglichkeiten zusammenfassend diskutieren. Um
auch den ganzheitlichen Aspekt der Förderung zu betrachten, gehe ich im fünften
Kapitel auf die außerschulischen Fördermöglichkeiten ein. Die wichtigste Rolle
spielen dabei die Eltern, die letztendlich über jegliche Art der Förderung ihrer
hochbegabten Kinder entscheiden. Näher eingehen werde ich auch auf die
Hochbegabtenverbände, die den Eltern Unterstützung und den Kindern Aktivitäten
anbieten. Aus den theoretischen Konzepten und der momentanen Situation an
Schulen ergeben sich abschließend konkrete Forderungen an die Schulen, die
Bildungspolitik und die Eltern.
Phänomen Hochbegabung
3
2 Phänomen Hochbegabung
2.1 Abgrenzung des Begriffes
In der Diskussion um Hochbegabung trifft man auf eine Vielzahl verschiedener
Begriffe und Definitionen. In diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden,
diese Begriffe voneinander abzugrenzen und der folgenden Diskussion um die
Fördermöglichkeiten hochbegabter Kinder eine Definition von Hochbegabung
zugrunde zu legen.
Neben der Bezeichnung hochbegabte Kinder wird in der Literatur auch von
hochintelligenten, besonders befähigten und talentierten Kindern gesprochen oder
aber hochbegabt wird getrennt geschrieben als hoch begabt. Die Vielzahl
verschiedener Begriffe für ein Phänomen und die damit verbundene sprachliche
Unsicherheit rührt nach HAHL (1999, 9) daher, dass diese Begriffe nicht nur
deskriptiv sind, sondern auch Bewertungen enthalten. Meiner Ansicht nach spiegeln
die Begriffe auch das dahinter liegende Verständnis von Hochbegabung wieder.
In Baden-Württemberg wird nach einer dort geltenden Sprachregelung von
„besonders befähigten Schülern“ gesprochen, wobei das dortige Kultusministerium
damit das Problem der Definition von Hochbegabung zu umgehen scheint (nach
HAHL 1999, 9). Andere Gründe sprechen für die Schreibung von hoch begabt statt
hochbegabt und die damit verbundene geringere Betonung von hoch. SchlichteHiersemenzel (BMBF 2001a, Anhang) ist eine Vertreterin der Getrenntschreibung,
weil sie aus ihrer Sicht Vorbehalte mildert und Interesse an Differenzierung
hervorruft. Allerdings dürfte man dann auch nicht von Hochbegabung, sondern nur
von hoher Begabung sprechen. Die Existenz des Phänomens Hochbegabung würde
somit verschleiert werden. Deshalb werde ich die Zusammenschreibung verwenden,
auch wenn die neue Rechtschreibung für eine Getrenntschreibung spricht. Im
Alltagsgebrauch mögen völlig andere Bezeichnungen sinnvoller sein, um der
Etikettierung eines hochbegabten Kindes entgegenzuwirken.
Ein weiterer Begriff, der häufig synonym für hochbegabt verwendet wird, ist
„talentiert“. Es gibt jedoch auch Autoren, die zwischen begabt und talentiert
differenzieren. „Talentiert“ sind in ihrem Verständnis Menschen, die in einem
bestimmten Bereich, z.B. der Mathematik besonders befähigt sind, wohingegen
„begabt“ Menschen sind, die eine allgemeine Befähigung haben, die sich in vielen
Gebieten zeigt. Manche Autoren verwenden „talentiert“ eingeschränkt für nicht
Phänomen Hochbegabung
4
intellektuelle außergewöhnliche Fähigkeiten, die sich unter anderem in den
Bereichen Kunst, Musik und Sport zeigen (vergleiche CROPLEY, McLEOD &
DEHN 1988, 18). Ich schließe mich dieser Meinung an und verwende Talent im
Sinne einer Begabung, die sich nur in einem beliebigen Bereich zeigt.
Im Folgenden stellt sich nun die Frage, was in der Literatur unter dem Begriff
„hochbegabt“ verstanden wird. Die Fülle von Definitionen lässt sich in verschiedene
Klassen einteilen. Eine Klasse bilden die IQ-Definitionen, nach denen Menschen, die
oberhalb eines bestimmten Grenzwertes der Intelligenz liegen, als hochbegabt gelten.
Der Intelligenzquotient (IQ) geht auf William Stern zurück, der eine Maßzahl für
Intelligenz entwickelte, um Kinder unterschiedlichen Alters vergleichen zu können.
Spätere Forscher haben Sterns Maßzahl noch mit 100 multipliziert, um
Kommazahlen zu vermeiden, so dass sich folgende Formel ergibt: IQ =
Intelligenzalter/Lebensalter * 100. Bei einem IQ von 100 stimmen Lebensalter und
Intelligenzalter überein, was dem durchschnittlichen IQ entspricht. Problematisch an
dieser Maßzahl ist, dass das Intelligenzalter im Gegensatz zum Lebensalter ab einem
gewissen Zeitpunkt konstant bleibt. Unter IQ wird heute deshalb der AbweichungsIQ von Wechsler verstanden. Dieser Wert gibt das Ausmaß der positiven oder
negativen Abweichung der entsprechenden Person vom Mittelwert der Altersgruppe
an. Testergebnisse werden neben IQ-Punkten auch als Prozentrang angegeben. Ein
IQ von 100 entspricht beispielsweise einem Prozentrang von 50. Dies bedeutet, dass
die betreffende Person besser oder genauso gut abgeschnitten hat wie 50% ihrer
Altersgruppe (vergleiche HOLLING & KANNING 1999, 25f).
Das Merkmal Intelligenz ist in der Bevölkerung normalverteilt und lässt sich in Form
einer Normalverteilungskurve darstellen.
Abbildung 1: Normalverteilung der Intelligenzquotienten (HOLLING & KANNING 1999, 23)
Phänomen Hochbegabung
5
Die horizontale Achse zeigt die IQ-Punkte und die vertikale Achse die Anzahl der
Individuen mit entsprechendem IQ. Die abgeteilten Flächen unter der Kurve
verdeutlichen die prozentuale Häufigkeit, mit der die jeweiligen Wertebereiche
auftreten. Anhand der Kurve kann man erkennen, dass die meisten Menschen,
nämlich 68% der Bevölkerung, einen IQ zwischen 85 und 115 erreichen. Dieser
Bereich wird deshalb auch als Normalbereich der Intelligenz bezeichnet. Etwa 95%
der Bevölkerung haben einen IQ zwischen 70 und 130. Gleichermaßen selten sind
extrem niedrige oder hohe Intelligenz. (HOLLING & KANNING 1999, 24)
Der Grenzwert, ab dem Forscher von Hochbegabung sprechen ist verschieden. Lewis
Terman spricht ab einem IQ von 140 von Hochbegabung, Detlef Rost hingegen legt
den Grenzwert in seiner Marburger Studie bei einem IQ von 125, beziehungsweise
einem Prozentrang von 95 fest. Üblich ist es, ab einem IQ von 130, entsprechend
einem Prozentrang von 98 von Hochbegabung zu sprechen. Da es Menschen gibt, die
einen geschätzten IQ von 180 oder sogar 200 haben, was eine beträchtliche Differenz
zu einem IQ von 130 darstellt, wird oft auch noch zwischen hochbegabten und
höchstbegabten Menschen unterschieden. Als höchstbegabt gelten meistens
Menschen mit einem IQ, der 145 oder 150 übersteigt (siehe JOST 1999, 9ff).
Entsprechend der Definition von Hochbegabung als einem IQ größer 130 sind
ungefähr 2% der Bevölkerung hochbegabt. Es gibt nach FEGER & PRADO (1998,
31) auch Forscher, die umgekehrt Hochbegabung anhand des Prozentsatzes
definieren und zum Beispiel die obersten zwei Prozent in einem Intelligenztest als
hochbegabt bezeichnen. Der IQ-Definition nach kann man von etwa 300.000
hochbegabten Kindern und Jugendlichen in Deutschland ausgehen. Rein statistisch
bedeutet das, dass in jedem Jahrgang einer 2-zügigen Grundschule ein hochbegabtes
Kind zu finden ist. (JOST 1999, 10)
Wenn man Hochbegabung mit Intelligenz gleichsetzt und als IQ-Ausprägung von
mindestens 130 definiert, muss man noch klären, was Intelligenz ist. Zur Klärung des
Begriffes Intelligenz auf die Messung von Intelligenztests zu verweisen, würde einen
definitorischen Zirkel nach sich ziehen und den Begriff Hochbegabung nicht
ausreichend definieren (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 34). An dieser Stelle
sei eine Definition von Intelligenz von Guthke genannt (aus FEGER & PRADO
1998, 32): „ Intelligenz ist der Oberbegriff für die hierarchisch strukturierte
Gesamtheit jener allgemeinen geistigen Fähigkeiten (Faktoren, Dimensionen), die
das Niveau und die Qualität der Denkprozesse einer Persönlichkeit bestimmen und
Phänomen Hochbegabung
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mit deren Hilfe die für das Handeln wesentlichen Eigenschaften einer
Problemsituation in ihren Zusammenhängen erkannt und die Situation gemäß dieser
Einsicht entsprechend bestimmten Zielstellungen verändert werden kann.“ Diese
Definition verdeutlicht, dass ein Modell von Intelligenz sich aus verschiedenen
Faktoren oder Komponenten zusammensetzt und diese in einem bestimmten
Verhältnis untereinander stehen. Darauf werde ich noch genauer in dem folgenden
Kapitel 2.2 eingehen.
Neben den Autoren, die Begabung mit Intelligenz gleichsetzen, gibt es auch
Forscher, die eine reine Definition nach dem IQ ablehnen und Hochbegabung über
Kreativität definieren. Ihrer Meinung nach sind originelle und produktive Leistungen
kennzeichnend für Hochbegabung (HOLLING & KANNING 1999, 6). Allgemein
spielt Kreativität in allen neueren Begabungskonzepten eine wesentliche Rolle. Das
eingeengte Konzept von Hochbegabung als quantitativ hoch ausgeprägte
Intelligenzfähigkeit ist somit erweitert worden. Hochbegabte werden nicht mehr als
hocheffektive Wissensaneigner und –verwerter gesehen, sondern als Wissensproduzenten (URBAN 1999, 108).
Es besteht in der Forschung jedoch keine Einigung über eine eindeutige Definition
von Kreativität (nach CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 80). Uneinigkeit besteht
schon darüber, ob unter Kreativität eine spezifisch kognitive Fähigkeit, ein
Persönlichkeitszug oder ein erlernbares Muster von Strategien verstanden werden
soll. Kreativität wird häufig mit divergentem Denken in Verbindung gebracht als
Gegensatz zu konvergentem Denken, das mit Intelligenz gleichgesetzt wird.
Konvergentes Denken geht davon aus, dass es zu jedem Problem eine einzige
richtige Antwort gibt, welche vorher in Form eines Lösungsmusters oder
–algorithmus bekannt ist. Individuelle Gedankengänge, die zu neuartigen und somit
unerwarteten Lösungen führen, werden als divergentes Denken bezeichnet. Diese
Lösungen sind nicht als falsch oder richtig einzuordnen. Sie sind dem Problem mehr
oder weniger angemessen (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 92ff). Feger (in
HOLLING & KANNING 1999, 8) fügt zur Erklärung von divergentem Denken noch
die Begriffe Flexibilität und Originalität hinzu. „Flexibilität meint das Ausmaß der
inhaltlichen Differenzierung der gefundenen Ideen und Originalität die Seltenheit
einer Idee.“ Eine andere Definition von kreativem Denken geben Torrance und Hall,
indem sie vier Merkmale aufführen. Dazu zählt erstens, „Ideen in einen bestimmten
Kontext einfügen zu können“, zweitens „sich Beliebiges im Geiste vergegenwärtigen
Phänomen Hochbegabung
7
zu können“, drittens „das eigene Denken durch Anwendung von Phantasie
bereichern zu können“ und viertens „das Denken durch eine humorvolle Einstellung
würzen zu können“ (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 92ff).
Nach CROPLEY (1981, 75) ist Kreativität neben den Denkfertigkeiten auch von
Persönlichkeitsmerkmalen abhängig. Von vielen Psychologen wird Risikobereitschaft für die Haupteigenschaft hochkreativer Menschen gehalten. Denn das
Abweichen vom allgemein Akzeptierten birgt die Gefahr, Fehler zu begehen oder
sich lächerlich zu machen. Auch die Fähigkeit, „mit Gedanken zu spielen“ ist eines
der besten Unterscheidungsmerkmale zwischen Kreativen und Nicht-Kreativen.
Folgende Auflistung von Neff (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 96ff) zeigt
wesentliche Merkmale kreativer Menschen, die von der Forschergemeinschaft
allgemein anerkannt sind:
1. geistige Flexibilität;
2. Sensibilität in Form eines feinen Empfindungsvermögens;
3. Toleranz sich selbst und anderen gegenüber;
4. Sinn für die Übernahme von Verantwortung;
5. Einfühlungsvermögen;
6. geistige Autonomie;
7. positive Selbsteinschätzung;
8. Bedürfnis nach sozialem Kontakt;
9. Interesse an der eigenen Entwicklung.
Zu ergänzen ist außerdem, dass kreative Menschen neuen oder ungewöhnlichen
Erfahrungen Offenheit entgegenbringen und Ambiguitätstoleranz besitzen.
URBAN (1999, 121) hat ein Komponentenmodell der Kreativität entworfen, das
neben kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen weitere Komponenten
enthält, wie die Komponenten „Motive“ und „spezifische Wissensbasis und
spezifische Fertigkeiten“. Außerdem enthält das Modell die Komponente
„Allgemeine Wissens- und Denkfähigkeits-Basis“, die für kreatives Handeln
notwendig ist. Das Modell zeigt folglich die Komponenten, die als funktionelles
System zusammenarbeiten müssen, damit kreatives Handeln entsteht. Kreativität
wird also als Endprodukt, in Form einer erbrachten Leistung, angesehen und kann in
dieser Definition nicht eine Komponente von Hochbegabung neben Intelligenz sein.
Eine noch umfassendere Sicht von Kreativität hat LANDAU (1999, 131f). Sie sieht
in der Kreativität den vereinenden Faktor aller Aspekte von Hochbegabung. Durch
Phänomen Hochbegabung
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die Kreativität werden neben dem „ungewöhnlichen Talent“ emotionale und soziale
Komponenten in die Begabung integriert. Kreativität wird hier verstanden als der
holistische Zugang zur Begabung, der für jeden erlernbar zu sein scheint. Somit stellt
Kreativität hier kein Persönlichkeitsmerkmal dar.
Von Interesse ist nun die Wechselbeziehung zwischen Kreativität und Intelligenz.
Cropley hat in einer Studie herausgefunden, dass das Ausmaß an Kreativität und
Intelligenz die Rangordnung der Schüler in der erbrachten Leistung bestimmte: Am
besten schnitten Schüler mit hoher Intelligenz und Kreativität ab, gefolgt von
Schülern mit hoher Intelligenz und niedriger Kreativität. An dritter Stelle lagen die
weniger intelligenten Schüler mit hoher Kreativität, und die Schlussgruppe bildeten
die Schüler mit niedriger Intelligenz und Kreativität. Kreativität kann also niedrigere
Intelligenz „kompensieren“ und die Leistung verbessern, auch wenn ein bestimmtes
IQ-Niveau nötig ist, um die Leistungstests erfolgreich bearbeiten zu können
(CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 84).
Da ein deutlicher Zusammenhang zwischen Kreativität und Intelligenz besteht, es
außerdem, wie bereits genannt, Schwierigkeiten bei der Definition gibt und zudem
Probleme bei der Abgrenzung kreativer Leistungen auftauchen, stehen einige
Autoren dem Begriff Kreativität kritisch gegenüber. Nach Meinung von STAPF
(1999, 18) ist Kreativität in Begabungen schon enthalten. Divergente oder kreative
Denkfähigkeiten zum Beispiel gehören mit zum Konstrukt der Intelligenz.
Ein Modell zur Begabung, das Intelligenz und Kreativität vereint, ist das 3-RingeModell von Renzulli. Ich möchte es der folgenden Diskussion zugrunde legen, da es
nach HOLLING & KANNING (1999, 19) das erste Modell war, das weite
Verbreitung gefunden hat und von anderen Forschern modifiziert wurde. In diesem
Modell wird „Begabung als Schnittmenge dreier Personenmerkmale“ aufgefasst, die
ich im Folgenden näher erläutern werde (nach HOLLING & KANNING 1999, 8):
Phänomen Hochbegabung
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Abbildung 2: Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli (HOLLING & KANNING 1999, 9)
•
Überdurchschnittliche Fähigkeiten: Dazu zählt Renzulli sowohl allgemeine
kognitive Fähigkeiten als auch spezielle Fähigkeiten in bestimmten
Wissensgebieten.
•
Kreativität:
Darunter
versteht
Renzulli
eine
bestimmte
Form
des
Lösungsverhaltens für Aufgaben, nämlich originelles, produktives, flexibles
und individuell-selbständiges Vorgehen.
•
Aufgabenverpflichtung: Hiermit ist die Fähigkeit einer Person gemeint, sich
intensiv und über längere Zeit einer Aufgabe zuzuwenden. Dieses Merkmal
ist nicht mit Motivation gleichzusetzen, da es neben einer motivationalen
Komponente auch eine kognitive und emotionale Komponente beinhaltet.
„Um
ein
Ziel
zu
erreichen,
muß
man
sich
gedanklich
damit
auseinandersetzen, sich gefühlsmäßig von diesem Ziel angezogen fühlen und
es mit Einsatz und Willensstärke verfolgen.“
Das letzte Merkmal in Renzullis Modell hat zu viel Kritik geführt. Beim Fehlen von
Motivation und der damit verbundenen Aufgabenverpflichtung, dürften Personen mit
überdurchschnittlichen Fähigkeiten nicht mehr als hochbegabt bezeichnet werden.
Dies ist nach FEGER & PRADO (1998, 36) insofern problematisch, da die
Aufgabenzuwendung gelegentlich sehr stark nachlassen, jedoch nach vorübergehendem Fehlen wieder einsetzen kann. Ein und dieselbe Person wäre also je nach
Vorhandensein von Aufgabenzuwendung mal hochbegabt und mal nicht.
Eine Gruppe, die das Modell ausschließt, sind Schüler, die ihre herausragenden
Fähigkeiten in Intelligenztests zeigen, in der Schule jedoch nur schwache Leistungen
erbringen. Diese werden als Underachiever bezeichnet. Will man diese Gruppe, die
Phänomen Hochbegabung
10
meiner Meinung nach gerade Förderung benötigt, berücksichtigen, so darf man nicht
wie in diesem Modell Begabung mit Leistung gleichsetzen. Dies wäre auch im
Interesse Renzullis, dessen Anliegen es war, die große Gruppe von zu unrecht nicht
als hochbegabt Identifizierten zu entdecken und fördern (HOLLING & KANNING
1999, 9).
Stapf und Stapf (STAPF 1999, 20f) haben ein Modell entwickelt, das zwischen
Begabung und Leistung unterscheidet. Dargestellt ist ein Bedingungsgefüge für das
Auftreten außergewöhnlicher Leistungen. Kognitive wie auch nicht kognitive
Fähigkeiten werden als Dispositionen angenommen, die eine notwendige, aber nicht
hinreichende
Bedingung
für
herausragende
Leistungen
darstellen.
Das
Zustandekommen von Leistungen hängt von dem Einfluss vermittelnder Faktoren ab.
Diese können sich förderlich oder hemmend auf die Persönlichkeitsentwicklung
auswirken und herausragende Leistungen dementsprechend fördern oder verhindern.
Demnach beeinflussen die vermittelnden Faktoren nur die Leistung und nicht die
Begabung, die in diesem Modell als Disposition angesehen wird.
Abbildung 3: Allgemeines Bedingungsgefüge für außergewöhnliche Leistungen (STAPF 1999,
21)
Phänomen Hochbegabung
11
Das Modell von Stapf zeigt die extreme Gegenposition zur Sichtweise von
Hochbegabung als Leistung, nämlich Hochbegabung als Disposition. Diese
Extrempositionen spiegeln die Anlage-Umwelt-Debatte wieder, die auch für die
Förderung von Bedeutung ist. Ist Hochbegabung vererbt und muss nur reifen, oder
kommt der Mensch als „tabula rasa“ auf die Welt und wird durch seine Umwelt
hochbegabt? Im ersten Fall wäre eine Förderung überflüssig.
Aus der ökologischen Perspektive von OERTER (1992, 23ff) steht zwar das
Individuum in einer Interaktion mit der Umwelt, trotzdem brauchen Hochbegabte aus
seiner Sicht keine kostspielige Förderung. Der Grund liegt darin, dass nach der
Theorie der Genotyp-Umwelt-Interaktion Hochbegabte aktiver als Normalbegabte in
der aktiven Selektion und Umgestaltung der Umwelt sind. Das bedeutet, sie suchen
sich selbst die passende Umwelt, in der sich ihr Genotyp, also ihre Hochbegabung,
weiterentwickeln kann. Man muss ihnen nur den Zugang zu diesen Umwelten
ermöglichen.
Weinert stellt folgende Behauptung auf (GRUBER & MANDL 1992, 60): „Im
Hinblick auf Intelligenzleistungen ist der Mensch begabt; geht es aber um die
Aneignung der geistigen Produkte unserer Kultur durch den einzelnen, so wird der
Mensch begabt.“ In eine ähnliche Richtung geht Cattells Unterscheidung zwischen
fluider und kristalliner Intelligenz (FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998,
46). Die fluide Intelligenz beruht auf der vererbten Funktionstüchtigkeit der
hirnphysiologischen Prozesse und ist somit unabhängig vom individuellen
Lernschicksal, wohingegen die kristalline Intelligenz durch die Umwelt bedingt ist
und im Wesentlichen auf Lernerfahrungen des Individuums beruht. Diese Theorie
wiederum würde für eine Förderung der kristallinen Intelligenz sprechen. Wie diese
konkret aussehen sollte, sei dahingestellt.
Nach Meinung von HOLLING & KANNING (1999, 20) ist die Anlage-UmweltDiskussion für die Pädagogik nicht von entscheidender Bedeutung, denn „eine
adäquate Förderung der Person ist von großer Wichtigkeit, sei es nun, um hohe
Begabungen überhaupt erst entstehen zu lassen oder um vorhandene hohe
Begabungen zur Entfaltung zu bringen.“
Ich schließe mich der Meinung von Heller an, die sowohl die Bedeutung der Anlage
als auch der Umwelt betont: Begabung ist „eine relativ unspezifische individuelle
Anlagepotenz, die in ihrer Entwicklung von Anfang an interagiert, also in
Phänomen Hochbegabung
12
Wechselwirkung tritt mit der sozialen Lernumwelt, d.h. mit konkreten Erziehungsund Sozialisationseinflüssen.“ (in JOST 1999, 11)
2.2 Formen intellektueller Hochbegabung
Nachdem der Versuch unternommen wurde, das Phänomen Hochbegabung zu
definieren, stellt sich nun die Frage, ob Hochbegabung ein einheitliches Phänomen
ist oder ob es unterschiedliche Formen oder Ausprägungen von Hochbegabung gibt.
Dazu werde ich zuerst noch einmal auf den Intelligenzbegriff anhand verschiedener
Intelligenztheorien eingehen.
In den klassischen Intelligenzmodellen wird angenommen, dass sich Intelligenz, wie
bereits erwähnt, aus Faktoren zusammensetzt. Diese werden mittels der
Faktorenanalyse ermittelt. Das ist ein statistisches Verfahren, das miteinander
zusammenhängende, individuell unterschiedliche Einzelleistungen zu Faktoren
gruppiert, denen dann möglichst aussagekräftige Bezeichnungen gegeben werden
(nach HOLLING & KANNING 1999, 26). Ein Teil der Forscher befürwortet einen
generellen Intelligenzfaktor, wie ihn Spearman postulierte, während andere Forscher,
zu denen auch Thurstone zählte, bis zu 120 unabhängige Einzelfaktoren annehmen.
Die Intelligenzkonzepte von Spearman und Thurstone werde ich im Folgenden als
Beispiel für die gegensätzlichen Vorstellungen darstellen.
Spearman nimmt in seiner „Zwei-Faktoren-Theorie der Intelligenz“ von 1904 einen
„general factor“, abgekürzt g-Faktor, für die allgemeine Intelligenz an und zusätzlich
„special factors“, abgekürzt s-Faktoren. Die Annahme eines g-Faktors begründet er
mit der Feststellung, dass bei einer großen Gruppe von Personen die Korrelation
zwischen zwei unterschiedlichen Tests zur Messung geistiger Fähigkeiten nahezu
immer positiv war. Daraus folgert er, dass die verschiedenen Tests keine
unabhängigen Merkmale von Intelligenz messen, sondern ihnen ein gemeinsamer
Faktor, der g-Faktor, zugrunde liegt. In bestimmten Bereichen werden zusätzlich die
s-Faktoren wirksam. Nach Spearman können diese s-Faktoren untereinander
korreliert sein und Gruppenfaktoren wie zum Beispiel Sprachverständnis oder
Raumvorstellung bilden. (nach FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998, 42f;
vergleiche auch HOLLING & KANNING 1999, 26)
Mit der Zwei-Faktoren-Theorie lässt sich nach HOLLING & KANNING (1999, 26)
erklären, dass manche Menschen aufgrund ihres hoch ausgeprägten g-Faktors
Phänomen Hochbegabung
13
generell bessere Leistungen erbringen können als andere. Spezifische Begabungen
lassen sich zudem als starke Ausprägung bestimmter s-Faktoren deuten.
Thurstone kommt durch die von ihm untersuchten Stichproben zu gegenteiliger
Auffassung von Spearman. Die grundlegende Varianz in den von ihm erhobenen
Daten lässt sich nicht mit dem g-Faktor erklären. Deshalb nimmt er statt eines gFaktors mehrere verschiedene, voneinander unabhängige Faktoren an. An einer
Testskala können mehrere dieser Faktoren beteiligt sein, es sollte jedoch das Gewicht
eindeutig auf einem Faktor liegen. In seinem „Konzept mehrerer gemeinsamer
Faktoren“ von 1938 postuliert Thurstone folgende sieben Primärfaktoren:
1. verbales Verständnis, Erfassen von Wortbedeutungen;
2. Wortflüssigkeit, Leichtigkeit der Wortfindung;
3. schlussfolgerndes Denken und die Fähigkeit, Regeln aufzufinden;
4. räumliches Vorstellungsvermögen;
5. Merkfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis;
6. Rechenfähigkeit;
7. Wahrnehmungs- und Auffassungsgeschwindigkeit.
Diese Faktoren sind von anderen Forschern bestätigt worden. Gleichzeitig sind
jedoch von weiteren Forschern noch wesentlich größere Zahlen von Einzelfaktoren
bestimmt worden. Die Annahme, dass sich Intelligenz aus dem Zusammenwirken
mehrerer, voneinander unabhängiger Faktoren ergibt, hat für die Praxis den Vorteil,
dass sie eine differenziertere Beschreibung der Leistungsfähigkeit einzelner Personen
ermöglicht. (nach FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998, 44f)
Weite Akzeptanz hat eine neuere Theorie von Gardner gefunden: Die Rahmentheorie
der vielfachen Intelligenzen. Diese werde ich im Folgenden nach GARDNER (1991)
darstellen. In seiner Theorie wendet er sich gegen ein Verständnis von Intelligenz als
allgemeine Kapazität, die man mit Intelligenztests in Form von Interviews oder
schriftlichen Tests messen kann. Stattdessen bestimmt er ursprünglich sechs relativ
unabhängige Intelligenzen, die er mittlerweile nach MÜLLER (2000, 17) auf zehn
erweitert hat. Im Gegensatz zu Spearman und Thurstone ist Gardner bei der
Bestimmung der einzelnen Intelligenzen nicht nach einem rein statistischen
Verfahren vorgegangen. Stattdessen hat er viele Kriterien gesammelt, von denen
möglichst viele auf eine wahrscheinliche Intelligenz zutreffen mussten. Seine
Vorgehensweise bezeichnet er als „subjektive Faktorenanalyse“ (S. 66f), weil er
seine Auswahl wissenschaftlich begründet hat. Zu seinen bedeutendsten Kriterien für
Phänomen Hochbegabung
14
die Bestimmung einer Intelligenz gehören Menschen, bei denen durch eine
Hirnläsion entsprechende Fähigkeiten zerstört oder isoliert sind, gefolgt von
Menschen, die ein höchst ungleichmäßiges Profil von Begabungen und Mängeln
aufweisen, wie Wunderkinder und Idiots savants. Neben weiteren Kriterien bezieht
er trotz seiner Kritik auch Ergebnisse aus Intelligenztests und psychologischen
Experimenten mit ein. Nach seiner Beurteilung ergibt sich folgende Liste von
Intelligenzen:
1. Linguistische Intelligenz
2. Musikalische Intelligenz
3. Logisch-mathematische Intelligenz
4. Räumliche Intelligenz
5. Körperlich-kinästhetische Intelligenz
6. Die personalen Intelligenzen
Dazu merkt Gardner an: „Die genaue Beschaffenheit und „Abmessungen“ sowie die
genaue Anzahl der einzelnen intellektuellen Rahmen sind noch nicht befriedigend
abgesteckt.“ (S.21). So wundert es nicht, dass diese Liste erweitert wurde. Nach
MÜLLER (2000, 17) teilen sich die personalen Intelligenzen in die inter- und
intrapersonale Intelligenz. Hinzu kommen außerdem die existenzielle, naturalistische
und spirituelle Intelligenz. Nach HELLER (2000, 41) sind die existentielle und die
spirituelle Intelligenz laut Gardner nur „Intelligenzkandidaten“, da bisher die
empirische Fundierung fehlt. Die naturalistische Intelligenz, das heißt die Fähigkeit
zur Mustererkennung in der Lebensumwelt, hingegen gehört schon zu den
Intelligenzen.
Auffällig an Gardners Theorie der vielfachen Intelligenzen ist, dass er unter
Intelligenz nicht nur die kognitiven Fähigkeiten zusammenfasst, sondern auch
Fähigkeiten, die oft als Sondertalent bezeichnet werden. Das rührt daher, dass er die
Unterscheidung
zwischen
Intelligenz
und
Sondertalent
ablehnt,
um
die
Gleichwertigkeit verschiedener Fähigkeiten des Menschen zu betonen. Einige
Autoren, wie MÜLLER (2000, 17), setzen deshalb Gardners Intelligenzen mit
Begabungsbereichen gleich.
In meiner Arbeit zu Hochbegabung werde ich mich auf den kognitiven Bereich,
entsprechend die intellektuelle Hochbegabung beschränken. Das bedeutet nicht, dass
ich die anderen Begabungsbereiche deshalb abwerte. Der Grund liegt vielmehr darin,
dass sportlich oder musisch talentierte Kinder ein etabliertes Fördersystem vorfinden,
Phänomen Hochbegabung
15
wohingegen für die intellektuell hochbegabten Kinder wenig getan wird und sie
darüber hinaus oft auf Probleme in der Schule stoßen (vergleiche auch BMBF 2001b,
14).
Zum intellektuellen Begabungsbereich gehören drei Intelligenzen Gardners: die
linguistische Intelligenz, die logisch-mathematische Intelligenz und die räumliche
Intelligenz. Alle diese Intelligenzen setzen sich aus verschiedenen Aspekten
zusammen und sind für bestimmte Leistungen, beziehungsweise in bestimmten
Berufen von Bedeutung. So gehören zur linguistischen Intelligenz die Aspekte
Phonetik, Syntax, Semantik und pragmatische Funktion. Eine Gruppe, die nach
Gardner ihre linguistische Intelligenz extrem entwickelt hat, sind die Lyriker mit
ihrer Sensibilität für Sprache und insbesondere die Semantik. Der rhetorische Aspekt
von Sprache ist hingegen für Politiker von Bedeutung. In unserer Kultur, in der
Sprachverwendung für jeden Menschen relevant ist, wird jedoch mehr Gewicht auf
das geschriebene Wort gelegt. Von gleicher Bedeutung wie die linguistische
Intelligenz ist in unserer Kultur die logisch-mathematische Intelligenz. Diese ist
durch Abstraktion gekennzeichnet, da sich die geschaffenen Muster nicht auf
Gegenstände beziehen, sondern nur Gedankengebilde sind. Neben einer kleinen
Gruppe von Mathematikern, die über diese spezielle Fähigkeit verfügen, ist die
logisch-mathematische Intelligenz auch für die Wissenschaftler von Bedeutung. Sie
dient in den Natur-, wie auch den Sozial- und Verhaltenswissenschaften und der
Kognitionswissenschaft als Werkzeug zur Erschaffung von Modellen und Theorien.
Zum intellektuellen Begabungsbereich zählt als letzte Intelligenz noch die räumliche
Intelligenz. Dies mag nicht sofort offensichtlich sein, doch zählte bereits Thurstone,
wie weiter oben erwähnt, räumliches Vorstellungsvermögen zu seinen Primärfaktoren. Die räumliche Intelligenz umfasst eine Anzahl von Kapazitäten: die
Fähigkeit, die Identität eines Elements zu erkennen; die Fähigkeit, ein Element in ein
anderes zu transformieren oder eine solche Transformation zu erkennen; die
Fähigkeit, eine mentale Vorstellung zu erzeugen und „im Kopf“ zu verändern; die
Fähigkeit, graphische Entsprechungen räumlicher Information zu erzeugen und so
weiter. Somit ist die räumliche Intelligenz nicht nur für die bildenden Künste von
Bedeutung, sondern auch intellektuelle Voraussetzung für Naturwissenschaftler und
Ingenieure. Räumliches Wissen dient dort als Werkzeug, Denkhilfe und Methode zur
Gewinnung von Informationen wie auch zur Formulierung und Lösung von
Problemen. (nach GARDNER 1991, 79ff)
Phänomen Hochbegabung
16
An dem Beruf des Naturwissenschaftlers lässt sich erkennen, dass das
Zusammenspiel von zwei Intelligenzen, der logisch-mathematischen und der
räumlichen Intelligenz, von Bedeutung ist. Obwohl nach GARDNER (1991, 12) die
Isolierung von Intelligenzen eine wirklichkeitsgetreuere Sicht der Struktur der
menschlichen Kognition darstellt, ist ein erwachsener Mensch in der Realität durch
eine Mischung aus Intelligenzen gekennzeichnet. Nun stellt sich wieder unsere Frage
vom Beginn des Kapitels: Sind intellektuell hochbegabte Menschen universell
hochbegabt, das würde bedeuten sie besitzen alle drei Intelligenzen in extremem
Maße? Oder sind die drei Intelligenzen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden?
WINNER (1998, 41) bezweifelt nicht, dass viele intellektuell begabte Kinder
universell begabt sind. Aus ihren Untersuchungen geht jedoch hervor, dass diese
Ausgewogenheit nicht die Regel ist: „Tatsächlich ist ein Ungleichgewicht zwischen
mathematischer und sprachlicher Fähigkeit vielleicht eher die Regel als die
Ausnahme.“ Daraus folgert sie, dass mathematische Wunderkinder nicht gleichzeitig
zu literarischen Höchstleistungen neigen ebenso wie literarische Wunderkinder
selten glänzende Rechenkünstler sind. Ein extremes Ungleichgewicht herrscht bei
hochbegabten Kindern, die zugleich lernbehindert sind. Dieses Phänomen ist nicht
ungewöhnlich, da ein Zusammenhang zwischen visuell-räumlichen Fähigkeiten und
sprachbezogenen Lernstörungen bewiesen werden konnte (WINNER 1998, 157).
Auf diese Gruppe hochbegabter Kinder mit Lernbehinderungen werde ich im Kapitel
Risikogruppen noch genauer eingehen.
Die Ansicht, dass sich hochbegabte Kinder in ihrem Fähigkeitsprofil unterscheiden,
ist heute weit verbreitet. Nach ELBING (2000, 13) ist Begabung ein „individuell
vorliegendes Merkmalsprofil bestimmter Leistungsvoraussetzungen. Personen
unterscheiden sich hinsichtlich dieses Dispositions- bzw. Entwicklungsprofils.“
Beispiele für individuelle Fähigkeitsprofile, die mittels des Hamburg-WechslerIntelligenztests für Kinder (HAWIK-R) erfasst wurden, führt STEDTNITZ (1999,
138ff) an. Dieser Intelligenztest basiert nach HOLLING & KANNING (1999, 32f)
auf dem Zwei-Faktoren-Modell von Spearman, nach Meinung von ROEDELL,
JACKSON & ROBINSON (1989, 5f) hingegen basiert die Unterscheidung von
Wechsler
in
Handlungs-
und
Verbalintelligenz
auf
dem
Konzept
der
Gruppenfaktoren. Der Test zeigt jedenfalls Ungleichgewichte in der Begabung von
Kindern, egal ob man diese auf die unterschiedlich ausgeprägten spezifischen
Fähigkeiten oder die Intelligenzfaktoren zurückführt. In diesem Zusammenhang
Phänomen Hochbegabung
17
scheint das zugrundeliegende Konzept von Intelligenz also nicht mehr von großer
Bedeutung zu sein.
Hinsichtlich der Förderung von hochbegabten Kindern hat das zugrundeliegende
Konzept allerdings Folgen für die Art der Programme. Geht man von einem
generellen Intelligenzfaktor aus, so wird man Kinder, die aufgrund verschiedener
Fähigkeiten ausgewählt wurden, in gemeinsamen Förderprogrammen unterrichten
und dabei nur wenig Rücksicht auf die individuellen Unterschiede der Kinder
nehmen. Eine multifaktorielle Auffassung von Intelligenz hingegen spricht dafür,
Fördermaßnahmen sehr genau auf unterschiedliche Talente abzustimmen. In diesem
Fall würde man nicht vermuten, dass hochbegabte Kinder für verschiedene
Fördermaßnahmen in Frage kommen (nach ROEDELL, JACKSON & ROBINSON
1989, 4).
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
18
3 Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
3.1 Merkmale Hochbegabter
Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass es schwierig ist, Hochbegabung zu
definieren. Zudem sind Definitionen theoretische Konstrukte, die uns keine
Vorstellung von dem Wesen eines hochbegabten Kindes vermitteln und mögliche
daraus resultierende Probleme aufzeigen. Deshalb werde ich in diesem Kapitel
Eigenschaften und Fähigkeiten hochbegabter Kinder näher beschreiben, um
anschließend auf die Probleme hochbegabter Kinder einzugehen. Besondere
Schwierigkeiten erfahren Risikogruppen, auf die ich im Unterkapitel 3.3 genauer
eingehen werde.
In der Praxis gibt es zahlreiche Checklisten für Eltern und Lehrer, die häufig
vorkommende Eigenschaften hochbegabter Kinder auflisten. Zu beachten ist, dass
auf ein hochbegabtes Kind nicht jede aufgelistete Eigenschaft zutreffen muss und
umgekehrt ein Kind, auf das viele Eigenschaften zutreffen, nicht automatisch
hochbegabt ist. Diese Listen können nur Hinweise geben, jedoch keine Beweise für
Hochbegabung (vergleiche HEINBOKEL 1988, 33f). Da die meisten Listen nicht
wissenschaftlich überprüft sind, haben Checklisten allgemein viel Kritik erfahren.
STAPF (1999, 20) warnt in diesem Zusammenhang davor, eine „hoch begabte
Persönlichkeit“
zu
postulieren.
Bei
der
Beschreibung
von
typischen
Verhaltensweisen ist außerdem zu bedenken, dass diese abhängig von der jeweiligen
Situation sind. Ein hochbegabtes Kind kann sich bei Langeweile unaufmerksam,
lustlos oder sogar störend verhalten, ist jedoch in einer stärker fordernden Umgebung
wahrscheinlich aufmerksam, wissbegierig und engagiert (ROEDELL, JACKSON &
ROBINSON 1989, 13).
Vor diesem Hintergrund ist nun die Checkliste des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung zu sehen (BMBF 2001b, 21f). Diese Liste ist in drei Abschnitte
unterteilt: 1. Merkmale des Lernens und Denkens, 2. Arbeitshaltung und Interessen,
3. Merkmale des sozialen Verhaltens.
1. Merkmale des Lernens und Denkens
-
Hochbegabte haben in einzelnen Bereichen ein sehr hohes
Detailwissen.
-
Ihr Wortschatz ist für ihr Alter ungewöhnlich.
-
Ihre Sprache ist ausdrucksvoll, ausgearbeitet und flüssig.
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
19
-
Sie können sich Fakten schnell merken.
-
Sie durchschauen sehr genau Ursache-Wirkung-Beziehungen.
-
Sie suchen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
-
Sie erkennen bei schwierigen Aufgaben zugrundeliegende Prinzipien.
-
Sie können leicht gültige Verallgemeinerungen herstellen.
-
Sie können außergewöhnlich gut beobachten.
-
Sie lesen sehr viel von sich aus und bevorzugen Bücher, die über ihre
Altersstufe deutlich hinausgehen.
-
Sie geben in ihren Ausführungen zu erkennen, dass sie kritisch,
unabhängig und wertend denken.
2. Arbeitshaltung und Interessen
-
Motivierte Hochbegabte gehen in bestimmten Problemen völlig auf.
-
Sie sind bemüht, Aufgaben stets vollständig zu lösen.
-
Sie sind bei Routineaufgaben leicht gelangweilt.
-
Sie streben nach Perfektion.
-
Sie sind selbstkritisch.
-
Sie geben sich mit ihrem Arbeitstempo oder –ergebnis nicht schnell
zufrieden.
-
Sie arbeiten gern unabhängig, um hinreichend Zeit für das
Durchdenken eines Problems zu haben.
-
Sie setzen sich hohe Leistungsziele und lösen (selbst-) gestellte
Aufgaben mit einem Minimum an Anleitung und Hilfe durch
Erwachsene.
-
Sie interessieren sich für viele „Erwachsenenthemen“ wie Religion,
Philosophie, Politik, Umweltfragen, Sexualität, Gerechtigkeit in der
Welt...
3. Merkmale des sozialen Verhaltens
-
Hochbegabte beschäftigen sich viel mit Begriffen wie Recht-Unrecht
sowie Gut-Böse und sind bereit, sich gegen „Autoritäten“ zu
engagieren.
-
Sie gehen nicht um jeden Preis mit der Mehrheit.
-
Sie sind individualistisch.
-
Sie akzeptieren keine Meinung von Autoritäten, ohne sie kritisch zu
prüfen.
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
-
20
Sie können gut Verantwortung übernehmen und erweisen sich in
Planung und Organisation als zuverlässig.
-
Sie suchen sich ihre Freunde bevorzugt unter Gleichbefähigten, häufig
Älteren.
-
Sie neigen schnell dazu, über Situationen zu bestimmen.
-
Sie können sich in andere einfühlen und sind daher für politische und
soziale Probleme aufgeschlossen.
Die Merkmale des Lernens und des Denkens scheinen einsichtig und auf
intellektuelle Begabung zurückführbar. Einige Punkte könnte man unter ‚suchen
nach und erkennen von Ordnung’ zusammenfassen. Bei den Merkmalen, die unter
dem Punkt Arbeitshaltung und Interessen zusammengefasst sind, stellt sich das
Problem, dass die Motivation nachlassen kann, was bereits in Kapitel 2.1 bei den
Modellen thematisiert wurde. Zu ergänzen ist noch, dass hochbegabte Kinder extrem
viel fragen und nach Webb (in MÖNKS 1999, 254) auch „unverschämte“ Fragen
stellen. MÜLLER (2000, 62) spricht von großem Wissensdurst und hartnäckigen
Fragen. Die Merkmale des sozialen Verhaltens scheinen nicht so einsichtig wie die
Merkmale des Lernens und Denkens. Dennoch sind gerade auch nicht kognitive
Persönlichkeitsmerkmale Hochbegabter von Interesse.
In vielen Beschreibungen hochbegabter Kinder liest man, dass diese sensibel und
äußerst lebhaft sind. Dieser Aktivitätsdrang zeugt von einem hohen Maß an Energie
(vergleiche WINNER 1998, 206; MÖNKS 1999, 255). Dabrowski (in WEBB,
MECKSTROTH & TOLAN 1998, 22ff) geht davon aus, dass für die Entwicklung
von Hochbegabung eine hohe Sensibilität der Sinne Voraussetzung ist, die sich dann
in dem Verhalten Hochbegabter zeigt. So bezieht er die Sensibilität nicht nur auf die
kognitiven Eigenschaften, sondern systematisch auch auf andere Bereiche. In seinem
Konzept nennt er die Sensibiliät der Sinne „overexcitabilities“ und unterscheidet fünf
verschiedene Arten: psychomotorische, sensorische, intellektuelle, imaginäre und
emotionale overexcitabilities. Die intellektuellen overexcitabilities werde ich nicht
noch einmal aufführen, da sie mit der obigen Merkmalsliste bereits abgehandelt
wurden. So verbleiben folgende vier nicht kognitive Kategorien:
•
„Psychomotorische overexcitabilities“: In diese Kategorie fällt der oben
erwähnte Aktivitätsdrang. Hochbegabte Kinder werden aus diesem Grund oft
für hyperaktiv gehalten. Der Unterschied zu hyperaktiven Kindern besteht
jedoch darin, dass hochbegabte Kinder bei Interesse zu fokussierter
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
21
Aufmerksamkeit und Konzentration in der Lage sind. Psychomotorische
overexcitabilities
äußern
sich
zum
Beispiel
in
einem
reduzierten
Schlafbedürfnis, in schnellem Sprechen, in einer Vorliebe für schnelle
Sportarten und in Handlungsdruck. HEINBOKEL (1988, 34) führt dazu als
Beispiel einen vierjährigen Jungen auf, der jede Nacht nur vier Stunden
schläft. Psychomotorische overexcitabilities können sich zudem zeigen in
Form von deutlicher Begeisterungsfähigkeit, Schauspielern, zwanghaftem
Reden und Plaudern, impulsiven Handlungen, nervösen Angewohnheiten,
Arbeitssucht oder zwanghaftem Organisieren und Konkurrieren.
•
„Sensorische
overexcitabilities“:
Hierzu
zählt
der
oft
diskutierte
Zusammenhang zwischen Hochbegabung und Allergien oder Asthma
(vergleiche WINNER 1998, 152f). Nach Dabrowski können sich sensorische
overexcitabilities in der Unverträglichkeit bestimmter Textilien und
Nahrungsmittel, Gerüche oder Geräusche ausdrücken. Kinder mit dieser
Sensibilität
sind
genussfähig
und
zeigen
häufig
eine
ausgeprägte
Wertschätzung für schöne Objekte, Schreibstile oder Wörter. Negativ kann
sich diese Eigenschaft als Ausdruck von emotionalen Spannungen in Form
von Überessen, einem zügellosen Sexualleben, Großeinkäufen oder dem
starken Bedürfnis danach, im Mittelpunkt zu stehen, äußern.
•
„Imaginäre overexcitabilites“: Diese Kategorie ist eng mit Kreativität
verbunden. Kinder mit dieser Eigenschaft weisen einen ausgeprägten Sinn für
Humor auf, der oft ans Bizarre grenzt. Oftmals erfinden sie auch Objekte als
Gesellschaft oder Freundesersatz für sich. Aufgrund ihrer Fähigkeit zu
detaillierter Visualisierung sind ihre Träume komplex und sie können
Schwierigkeiten
haben,
ihre
gedachten
Bilder
konkret
in
Worten
auszudrücken. Ihre ausgeprägte Vorstellungskraft kann sich negativ in
Alpträumen zeigen und zu Angst vor Unbekanntem führen, da vieles
vorstellbar, aber emotional noch nicht verarbeitbar ist. Es kann auch zu einer
Vermischung von Realität, Fiktion und Illusion kommen.
•
„Emotionale overexcitabilities“: Diese Kategorie wird gemeinhin unter
Sensibilität verstanden. Kinder mit dieser Fähigkeit können extrem positive
wie auch negative Gefühle erleben. Aufgrund ihrer Empathie identifizieren
sie sich oft mit den Gefühlen anderer. Hierzu zählt auch ein ausgeprägter
Gerechtigkeitssinn für andere und eine Abneigung gegen physische Gewalt
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
22
und Auseinandersetzung (MÜLLER 2000, 62). Die hohe Sensibilität kann zu
emotionalen Anspannungen führen, die sich in intensiven Hemmungen und
Schamgefühlen ausdrücken. Körperlich kann sich das in einem nervösen
Reizmagen, Herzschlagveränderungen oder Erröten zeigen.
Zu beachten ist, wie auch bei den vorangegangenen Merkmalslisten, dass die fünf
overexcitabilities nicht in gleicher Stärke und Zusammensetzung bei jedem
Hochbegabten zu finden sind. Interessant an dem Konzept ist die Ganzheitlichkeit,
die unter Umständen bei einer Förderung beachtet werden sollte.
Neben den erwähnten Persönlichkeitsmerkmalen ist nach HEINBOKEL (1988, 35)
für Hochbegabte kennzeichnend, dass sie im Baby- und Kleinkindalter
Entwicklungsstadien
früher
und
schneller
durchlaufen
oder
sogar
Entwicklungsstadien überspringen. Letzteres zeigt sich unter anderem im Lernen
ohne wesentliche Übungsphasen, was für ein Kind in der Schule zum Problem
werden kann. Ein ebenso typisches Merkmal für hochbegabte Kinder ist frühes
Lesenlernen. Oftmals ohne fremde Hilfe bringen sich die Kinder zwischen dem
zweiten und fünften Lebensjahr das Lesen bei. Wie die Beispiele von HEINBOKEL
(1988, 36) zeigen, verstecken die Kinder oft ihre Fähigkeit zu lesen, die dann nur
durch Zufall erkannt wird. Nach JOST (1999, 31) beherrschen viele hochbegabte
Kinder vor der Einschulung auch schon den Zahlenraum bis hundert oder sogar weit
darüber hinaus. Sie können zudem dann bereits im Kopf addieren und subtrahieren.
Einige Wissenschaftler sind der Auffassung, dass Hochbegabte nicht nur viele Dinge
einfach früher können als andere, sondern dass sie über andere Denkstrukturen
verfügen (JOST 1999, 32).
Trotz der Kritik, die Merkmalslisten Hochbegabter erfahren haben, haben sie doch
weit verbreiteten Mythen über hochbegabte Kinder positiv entgegengewirkt.
ROEDELL, JACKSON & ROBINSON (1989, 17f) stellen dar, dass intellektuelle
Hochbegabung nicht von einem umgänglichen Temperament begleitet sein muss.
Hochbegabte Kinder können durchaus schüchtern oder abweisend sein. Solche
Kinder werden jedoch von Lehrern immer noch unterschätzt. Ein weiterer Mythos ist
die enge Verbindung von Genie und Wahnsinn. Eine systematische Beziehung ist
nicht bewiesen. Unbestritten ist die Tatsache, dass Hochbegabte psychische
Auffälligkeiten zeigen können. Diese haben ihre Ursache jedoch nicht in der
Hochbegabung, sondern rühren vielmehr von dem inadäquaten Umgang der Umwelt
mit den Begabungen des Kindes her (HOLLING & KANNING 1999, 59f). Die
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
23
Probleme des hochbegabten Kindes in der Interaktion mit seiner Umwelt werde ich
im folgenden Unterkapitel thematisieren.
3.2 Hochbegabung als Problem
Bevor ich zu den Problemen des hochbegabten Kindes mit seiner Umwelt komme,
werde ich noch auf ein Problem eingehen, dass sich aus der Entwicklung
hochbegabter Kinder ergeben kann. Im Entwicklungsverlauf hochbegabter Kinder
kann es zu einer Diskrepanz zwischen der intellektuellen und der biologischen,
beziehungsweise
sozial-emotionalen
Entwicklung
kommen.
Nach
den
Untersuchungsergebnissen, die HEINBOKEL (1988, 43f) anführt, ist die sozialemotionale Entwicklung häufig zwar ebenfalls akzeleriert, jedoch nicht in dem
gleichen Ausmaß wie die intellektuelle Entwicklung. Die sozial-emotionale
Entwicklung kann sogar hinter dem biologischen Alter eines Kindes zurückbleiben.
Ein extremes Beispiel ist ein sechsjähriges Kind, das in Mathematik den Stoff eines
zwölfjährigen bewältigen kann, jedoch emotional auf dem Stand eines vierjährigen
ist. FEGER & PRADO (1998, 72) hingegen merken kritisch an, dass die weit
verbreitete Hypothese von Asynchronien zwischen kognitiver und sozial-emotionaler
Entwicklung empirisch nicht belegt ist. Nach ROEDELL, JACKSON & ROBINSON
(1989, 15) findet sich diese Asynchronie wahrscheinlich höchstens bei extrem
hochbegabten Kindern. So gibt es hochbegabte Vorschulkinder, die die für ihr Alter
typische
körperliche
Unbeholfenheit,
verbunden
mit
einem
Mangel
an
Koordinationsfähigkeit aufweisen. Ein anderes Beispiel sind Drei- oder Vierjährige
mit einem geistigen Entwicklungsstand von sieben oder acht Jahren, die wie ihre
Altersgenossen Hilfe beim Waschen und Anziehen benötigen, bei Frustrationen
unbeherrscht reagieren, weder ihre Bedürfnisse und Gefühle mitteilen, noch sich
Gruppen anschließen können und zudem noch nicht gelernt haben zu teilen oder zu
warten, bis sie an der Reihe sind.
Diese Asynchronie kann bei den Kindern zu Frustrationen führen, da sie sich ihren
Wünschen und Intentionen gemäß Dinge vornehmen, die sie aufgrund ihrer
geringeren nicht kognitiven Fähigkeiten nur unbefriedigend realisieren können.
Folgendes Beispiel von HOLLENBACH (1999, 29) zeigt, wie die körperlichen
Fähigkeiten eines sechsjährigen Jungen nicht seinem perfektionistischen Anspruch
genügen können. Da er es nicht schafft, die Worte ‚Herzlichen Glückwunsch’ seinen
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
24
Vorstellungen gemäß auf die Geburtstagskarte zu schreiben, wird Helge wütend und
weigert sich, zum Geburtstag zu gehen. Nur mit viel Mühe und Geduld ist er
schließlich doch dazu zu bewegen, zum Geburtstag seines besten Freundes zu gehen.
Doch nicht nur für die Kinder ist eine intellektuell-soziale Inkongruenz ein Problem,
auch die Mitmenschen reagieren irritiert, wenn die sozialen Fähigkeiten nicht dem
hohen geistigen Entwicklungsstand entsprechen.
Generell liegt das Problem hochbegabter Kinder in ihrer Andersartigkeit im
Vergleich
zu
Gleichaltrigen.
Dennoch
muss
dieses
Anderssein
nicht
notwendigerweise problematische Sozialbezüge oder einen Leidensweg nach sich
ziehen (vergleiche MÖNKS 1999, 255; FEGER & PRADO 1998, 101f). Auch
Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 10ff) teilt die Auffassung, dass es bei
hochbegabten Kindern nicht zwangsläufig zu Störungen kommen muss. Dennoch
entsteht ihrer Meinung nach zwischen einem hochbegabten Kind und seiner sozialen
Umgebung oft ein Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht das hochbegabte Kind
mit seinen altersunüblichen Eigenschaften, die von den Erwartungen, Haltungen und
der Handlungsflexibilität der Umwelt auf der anderen Seite erheblich abweichen.
Diese Diskrepanz zwischen beiden Seiten erfordert von dem Kind wie auch den
Menschen seiner Umwelt größere Anstrengungen, um sich einander anzupassen.
Bleibt eine zu große Abweichung zwischen Kind und Umwelt, so kann das Kind in
einen Konflikt zwischen seinem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und nach Entfaltung
geraten. Dem Bedürfnis nach Entfaltung zu folgen bedeutet, die eigenen
Möglichkeiten an der Außenwelt zu erproben und sich und die Welt zu gestalten auf
dem Weg zu Individualität und Autonomie. Dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu
folgen heißt, sich in Übereinstimmung mit anderen Menschen zu bringen,
Gemeinsamkeit mit anderen als Gruppe zu erleben und eigenes Verhalten darauf zu
richten, von anderen verstanden und emotional akzeptiert zu sein. Das Unterdrücken
der Hochbegabung, um dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu folgen, kostet jedoch
viel Kraft, die dann für die sonstige Lebensbewältigung fehlt. Die Kinder entwickeln
dann entsprechende Symptome, die auf ihre innere Not hinweisen. SchlichteHiersemenzel (BMBF 2001a, 14ff) schildert Fallbeispiele, in denen Kinder
depressive Verstimmungen bekamen, aggressiv wurden und psychosomatische
Symptome wie Kopf- und Magenschmerzen zeigten. Anzeichen von Depression sind
auf alle Fälle ernst zu nehmen, auch wenn nicht nachgewiesen ist, dass Kinder mit
höherem IQ einer höheren Gefährdung ausgesetzt sind, Selbstmord zu begehen
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
25
(vergleiche MÜLER 2000, 99f). Ein Warnzeichen ist das Aufritzen von Armen, das
gerade bei hochbegabten Mädchen öfter vorkommt. Dieses Verhalten ist nicht als
Suizidversuch anzusehen, sondern eher als eine Art Antidepressivum, um sich selbst
wieder wahrnehmen zu können (HOLLENBACH 1999, 119). In der Literatur
existiert darüber hinaus auch der erschreckende Fall einer hochbegabten Schülerin,
die im Schulsystem ihre Begabung nicht entfalten konnte. Sie nahm sich das Leben,
nachdem sich bei ihr eine Psychose entwickelt hatte (HOLLENBACH 1999, 173ff).
Diese extremen Fallbeispiele sind keineswegs die Regel, auch wenn es bei
hochbegabten Kindern zu Problemen mit der Umwelt, insbesondere den
Gleichaltrigen und der Schule, kommen kann. Bei der Beziehung zu Gleichaltrigen
ist wahrscheinlich das Ausmaß der Hochbegabung von Bedeutung. Mäßig
hochbegabte Kinder sind eher beliebt, während höchstbegabte eher unpopulär sind
und dementsprechend auch Zurückweisung und Isolierung ausgesetzt sind. Für
höchstbegabte Kinder ist es folglich wichtig, Kontakt zu Kindern des gleichen
Fähigkeitsniveaus zu bekommen, damit sie ihre sozialen Interaktionsfähigkeiten
entwickeln können (vergleiche ROEDELL; JACKSON & ROBINSON 1989, 20;
WINNER 1998, 207). Allerdings sollten hochbegabte Kinder auch allein sein können
und das Recht dazu haben, denn Einsamkeit ist eine notwendige Voraussetzung zur
Talententwicklung (WINNER 1998, 205; MÜLLER 2000, 97ff). Problematisch wird
es, wenn hochbegabte Schüler zu Mobbing-Opfern werden. Mobbing wird nach
Leymann anhand folgender Kriterien definiert: „Die Opfer werden häufig und
regelmäßig über einen längeren Zeitraum systematisch und mit Absicht von einem
oder mehreren überlegenen Mitschülern und Mitschülerinnen direkt oder indirekt mit
dem Ziel der Ausgrenzung angegriffen und sie empfinden dies auch als
Diskriminierung.“ Um Opfer zu werden reicht es, anders zu sein als der Rest der
Gruppe, in diesem Fall der Schulklasse. Mobbing ist also weniger von der
Persönlichkeit des Opfers als von der Atmosphäre in der Klasse abhängig (JOST
1999, 61f). Mobbing gehört mit zu den Problemen, die im Spannungsfeld
hochbegabtes Kind – Schule entstehen.
In den Beratungsstellen hat sich gezeigt, dass psychiatrische Aspekte der
Hochbegabung eine seltene Ausnahme darstellen. Das größte Problem bei den
Hochbegabten liegt vielmehr in einer (manchmal extremen) Diskrepanz zwischen
Begabung und Leistung (FEGER & PRADO 1998, 95). Nach KELLER (1990, 54)
stehen an erster Stelle der Beratungsanlässe Lern- und Leistungsstörungen (50%),
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
26
gefolgt von Entscheidungsproblemen (30%) an zweiter und Verhaltensstörungen
(20%) an letzter Stelle. Die größten Probleme entstehen nach FEGER & PRADO
(1998, 95) in der Regel aus einer langjährigen Unterforderung. Unterforderung gilt
nach Hecht (in BMBF 2001a, 29) zudem als einer der stärksten Stressoren mit
negativen Auswirkungen auf emotionale Stabilität und Persönlichkeitsentwicklung.
Negative Folgen kann ebenso eine Überforderung eines hochbegabten Kindes nach
sich ziehen. Darunter sind nicht generell Leistungsanforderungen zu verstehen,
sondern nur Forderungen, die das Leistungsvermögen und den Leistungswillen des
Kindes übersteigen (HEINBOKEL 1988, 64f). In der Literatur finden sich jedoch
hauptsächlich Fallbeispiele für die Unterforderung hochbegabter Kinder.
FEGER & PRADO (1998, 85f) sprechen in Zusammenhang mit Unterforderung in
der Schule von dem Konzept der „Spirale der Enttäuschungen“ und nennen drei
konstituierende Elemente:
1. Erlebte Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllung (Hoffnung und
Realität): Erwartungen Hochbegabter, Neues zu lernen, sich mit anderen
austauschen zu können, korrespondieren selten mit den Angeboten der
Umwelt. Sie erleben, dass das, was sie sich erhoffen, der Realität kaum
entspricht.
2. Erfahrene
Diskrepanz
zwischen
Lernfähigkeit
und
erzwungener
Lerngeschwindigkeit: In alltäglichen Lernsituationen erfahren Hochbegabte,
dass der Anpassung an das Lerntempo der Bezugsgruppe eine höhere
Bedeutung beigemessen wird; eine erzwungene Rücksichtnahme auf
langsamere Lerner ist meistens die Folge.
3. Erzwungene
Diskrepanz
zwischen
Anstrengungsbereitschaft
und
Anforderung: Inhaltliche Anforderungen des Lehrstoffs erzwingen geradezu
eine „Durchschnittspädagogik“ (Gleiche Chance für alle!); individuelle
Bereitschaft, sich mit einem Wissensgebiet vertieft zu beschäftigen, wird
kaum berücksichtigt.
Die Diskrepanz zwischen Fähigkeiten und bereitgestellten Anforderungen wiederholt
sich immer wieder und die resultierende Enttäuschung steigert sich in einer Spirale.
Ein wissbegieriges Kind wird zum Beispiel im Kindergarten auf die Einschulung
vertröstet. Von der Schule ist das Kind jedoch schnell enttäuscht, da es dort erst
lernen muss, seine Wünsche zurückzustellen, um mit der Klasse auszukommen. In
der Grundschule wird es dann möglicherweise auf das Gymnasium vertröstet und so
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
27
weiter. Die Möglichkeit einer wirklichen Herausforderung, in der das hochbegabte
Kind seine Fähigkeiten ausleben darf, wird immer wieder verschoben.
Ältere Schüler eignen sich dadurch, dass sie ohne Aufwand gut bis sehr gute
Leistungen in der Schule erzielen, oft ein relativ unrealistisches Selbstkonzept der
eigenen
Fähigkeiten
an.
Da
sie
elementare
Lerntechniken
wie
Üben,
Konzentrationsfähigkeit, disziplinierte Arbeitshaltung kaum gelernt haben, kann es
zu
einem
späteren
Zeitpunkt
der
schulischen
Laufbahn
zu
erheblichen
Schwierigkeiten kommen. Hochbegabte Kinder brauchen zwar weniger Übungen,
der Weg von der Begabung zur Leistung setzt jedoch auch jahrelanges Üben voraus
(FEGER & PRADO 1998, 88 und 96). Vor allem in den Fremdsprachen kann es
sonst zu Lern- und Leistungskrisen kommen (KELLER 1990, 55).
Neben der Unterforderung mit all ihren Folgen kann es darüber hinaus zu Problemen
mit Lehrern kommen, wenn diese mangelndes Verständnis aufbringen und keine
Bereitschaft zeigen, auf das Kind einzugehen (FEGER & PRADO 1998, 107).
Folgende Auflistung von Whitmore (1979) (in HEINBOKEL 1988, 70) stellt
Situationen von Lehrerverhalten dar, das hochbegabte Kinder als belastend
empfunden haben:
-
Mangel an echtem Respekt für jedes einzelne Kind;
-
Ein Klima, das den Wettbewerb untereinander förderte;
-
Mangelnde Flexibilität: alle tun das Gleiche auf die gleiche Art und Weise im
gleichen Zeitraum;
-
Betonung der äußeren Bewertung von Leistung;
-
Kritik an den Kindern; der Respekt für das Individuum schien von Zensuren,
das heißt von den Leistungen abzuhängen;
-
Die Kontrolle über den Unterricht lag allein beim Lehrer;
-
Ein rigider Lehrplan; auf die Interessen der Kinder wurde nicht eingegangen;
Schon allein aus der Tatsache, dass hochbegabte Schüler Schule als belastend
empfinden und aufgrund der Schulpflicht ein Schulbesuch eigentlich nicht zu
umgehen ist – eine Genehmigung des Kultusministeriums für Privatunterricht wird
äußerst selten erteilt (FEGER & PRADO 1998, 107) – ist die Schule gefordert,
hochbegabte Kinder zu fördern. Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 30) plädiert
aus Gründen der Chancengleichheit für eine vermehrte Förderung in der öffentlichen
Schule vor Ort. Schule hat aus ihrer Sicht eine zentrale Bedeutung für Zugehörigkeit
und Integration.
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
28
3.3 Risikogruppen
Bevor ich detailliert die möglichen Fördermaßnahmen darstellen und diskutieren
werde, möchte ich bestimmten Gruppen Hochbegabter noch Beachtung schenken.
Diesen Gruppen, sogenannte Risikogruppen, ist gemeinsam, dass sie eine geringere
Chance haben, als hochbegabt identifiziert zu werden und somit auch mit einem
größeren Risiko behaftet sind, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln (JOST 1999,
41). Wahrscheinlicher als Verhaltensauffälligkeiten ist jedoch, wie aus dem
vorangegangenen Unterkapitel hervorgegangen ist, Minderleistung. Hochbegabte
Kinder aus Risikogruppen werden leicht zu Underachievern. Auch wenn FEGER &
PRADO (1998, 140) dafür plädieren, Hochbegabte nicht nach einem Merkmal in
Risikogruppen zusammenzufassen, sondern von den Risikofaktoren und deren
Zusammenwirken auszugehen, werde ich der Übersicht halber dennoch auf
bestimmte Gruppen eingehen. Dazu zählen zum einen Hochbegabte mit
Behinderungen und zum anderen mit Teilleistungsschwächen, sozial Schwache und
ethnische Minderheiten, sowie die große Gruppe der hochbegabten Mädchen. Bei der
letzten Gruppe werde ich auch allgemein Geschlechtsunterschiede aufzeigen.
Abschließend werde ich noch einmal gesondert auf die Underachiever eingehen.
Behinderung und Hochbegabung erscheinen auf den ersten Blick als zwei nicht
miteinander vereinbare Merkmale. Körper- und Sinneseinschränkungen, die
entweder durch Erbkrankheiten, Geburtsfolgen oder Unfälle entstanden sind,
schließen jedoch eine gleichzeitige intellektuelle Hochbegabung nicht aus. Unter den
Betroffenen ist daher mit einem gleich hohen Anteil an Begabten zu rechnen wie in
der Gesamtbevölkerung. Zugleich können Hochbegabte mit Behinderungen aufgrund
dieser Kombination weit größeren intrapersonalen Konflikten unterliegen als
Hochbegabte ohne Behinderungen. Dadurch kann sich die Identifizierung erheblich
erschweren. In unserem Schulsystem finden Hochbegabte mit Behinderungen
dennoch wenig Beachtung (FELS 1999, 196ff). Obwohl mir der Förderungsbedarf
dieser Gruppe bewusst ist, kann ich im Rahmen meiner Arbeit nicht gesondert darauf
eingehen, da dies auch noch sonderpädagogische Aspekte berühren würde.
Nicht in den sonderpädagogischen Bereich fallen hingegen Hochbegabte mit
Teilleistungsschwächen. Diese Kombination ist alles andere als ungewöhnlich, da ein
Zusammenhang zwischen visuell-räumlichen und sprachbezogenen Lernstörungen
nachgewiesen werden konnte (WINNER 1998, 157). In diesem Kontext wird auch
von „besonders intelligenten Legasthenikern“ gesprochen. Ein Bedingungsfaktor für
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
29
die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) kann ein asynchroner Entwicklungsprozess
sein. So bewirkt eine hohe intellektuelle Denkgeschwindigkeit bei gleichzeitig
herabgesetzten motorischen Umsetzungsfähigkeiten Synchronisationsschwierigkeiten. Allgemein gesprochen: Der Kopf ist schneller als die Hand. Wenn diese
internalen Asynchronien auf mangelndes Verständnis und unzureichende Förderung
durch die Umwelt stoßen, dann können beim Kind Schwierigkeiten für das
Selbstkonzept und die Leistungsmotivation entstehen. Da die Schule auch wenig
Rücksicht auf den verbal orientierten Lernstil dieser Kinder nimmt, können sich
beim Kind zudem Probleme bezüglich des Lern- und Arbeitsverhaltens entwickeln,
die wiederum LRS begünstigen können (JOST 1999, 46f). Genauso wie
durchschnittlich Begabte mit Lernbehinderungen brauchen diese Kinder spezielle
Fördermaßnahmen (WINNER 1998, 50). Neben den sprachbezogenen Lernstörungen
zählt auch das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) zu den Teilleistungsschwächen. ADS kommt auch bei hochbegabten Kindern vor. Zu bedenken ist
allerdings auch, dass viele hochbegabte Kinder aufgrund ihres Aktivitätsdrangs
fälschlicherweise für hyperaktiv gehalten werden (siehe 3.1).
Eine Gruppe, die aufgrund ihrer Umwelt eine wesentlich geringere Chance hat, ihr
Begabungspotential zu entwickeln, bilden sozial Schwache und ethnische
Minderheiten. Das Milieu der Mittelschichtfamilie vermittelt Sozialisationskriterien,
die für die Konkretisierung eines Begabungspotentials erforderlich sind. Kinder von
geringerer sozialer Herkunft hingegen sind im Nachteil. Zum einen haben ihre Eltern
nicht die finanziellen Möglichkeiten für den Erwerb spezieller Lernmittel, wie
Bücher oder Musikinstrumente, und können auch kein Schulgeld aufbringen oder
Einzelfördermaßnahmen finanzieren. Zum anderen haben die Eltern ungünstige
Erfahrungen mit der Institution Schule gemacht und haben mangelndes Interesse
oder auch nicht die Fähigkeit zu abstrakter verbaler Kommunikation. Im
Sozialisationsprozess übernehmen Kinder jedoch zunächst von ihren Eltern
Wertvorstellungen,
unterschiedliche
Einstellungen,
Fertigkeiten.
Gewohnheiten,
Somit
besteht
für
Verhaltensweisen
diese
Kinder
und
eine
Chancenungleichheit. Sie sind zudem mehr als Kinder aus Mittelschichtfamilien von
Institutionen im Bereich der Begabtenförderung abhängig. Bei ethnischen
Minderheiten treten darüber hinaus Probleme auf, wenn die Eltern die
konventionellen
Normen
der
dominanten
gesellschaftlichen
Gruppierungen
ablehnen. Ein weiteres Problem, das hinzukommt, ist die Sprache. Wenn in dem
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
30
Elternhaus eine andere Sprache als in der Schule gesprochen wird, dann führt der
ständige Wechsel zwischen den zwei Sprachen eher zur „Halbsprachigkeit“ als zur
Zweisprachigkeit. Die Folge ist dann eine verminderte Kompetenz in beiden
Sprachen. Es kann auch die Situation entstehen, dass ein Kind die in der Schule und
den Förderprogrammen dominante Sprache ablehnt, das heißt sie möglichst wenig
benutzt, und eventuell darüber hinaus auch die verbindlichen Schulnormen ablehnt
(CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 141ff).
Eine große Risikogruppe bilden mit etwa der Hälfte aller hochbegabten Kinder die
Mädchen. Intellektuelle Begabung ist also bei Geburt auf beide Geschlechter
ungefähr gleich verteilt, mit zunehmendem Alter „verschwindet“ jedoch bei einigen
Mädchen die Hochbegabung wie auch mit zunehmendem Alter weniger Mädchen als
hochbegabt erkannt werden. Die Ursachen dafür liegen nicht in erster Linie in
biologischen Begabungsunterschieden, sondern in Persönlichkeitsmerkmalen und der
Sozialisation. Im Folgenden werde ich die Faktoren, die dazu führen, dass Mädchen
ihr Begabungspotential weniger gut als Jungen verwirklichen können, im
Wesentlichen anhand von BMBF (2001b, 61ff) und HOLLING & KANNING (1999,
57ff) darstellen.
Erstens
haben
Mädchen
häufig
ein
geringeres
Selbstvertauen
in
ihre
Leistungsfähigkeit als Jungen. Im Gegensatz zu Jungen schreiben Mädchen ihre
guten Schulnoten allein ihrem Fleiß und ihrer Anstrengung und nicht ihrer Begabung
zu. Besonders gering ist das Selbstvertrauen der Mädchen in den „typisch
männlichen“ Domänen wie Naturwissenschaften, Technik und Mathematik.
Mädchen, die sich für diese Bereiche interessieren, kommen spätestens in der
Pubertät mit dem immer noch vorherrschenden Rollenbild in Konflikt. Hinzu kommt
nach HEINBOKEL (1988, 121f) die Angst vor Erfolg. Insbesondere bei Frauen, die
an sich begabt und leistungsorientiert sind, führt diese Motiv dazu, Erfolg zu
vermeiden. Eine Untersuchung mit amerikanischen Studentinnen 1972 kam zu dem
Schluss, dass außergewöhnliche Leistungen von einer Frau in einem überwiegend
männlich geprägten Studienfach eindeutig mit einem Verlust an Weiblichkeit,
sozialer Ablehnung, persönlicher oder gesellschaftlicher Zerstörung oder einer
Kombination all dieser Punkte gesehen werden. Dies entspricht dem dominanten
Stereotyp, dass Wettbewerbsbereitschaft, Unabhängigkeit, Kompetenz, intellektuelle
Leistungsstärke und die Fähigkeit zu führen positiv mit psychischer Gesundheit und
Maskulinität korrelieren und im Widerspruch zu Femininität stehen. Dieser Konflikt
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
31
existiert auch schon bei Schülerinnen, was aus Berichten einzelner Mädchen, die
Klassenbeste in einer gemischten Klasse waren, hervorgeht.
Zweitens unterscheidet sich das Interessenspektrum von Jungen und Mädchen.
Während sich Jungen früh auf ein Spezialgebiet festlegen und zielstrebig in diesem
Bereich arbeiten, haben Mädchen oft viele verschiedene Interessen und Talente, die
sie gleichzeitig verfolgen. Das mag auch daher rühren, dass die weiblichen
Jugendlichen sich inzwischen auch traditionell maskulin orientierten Interessen
zuwenden, wohingegen feminine Gegenstandsbereiche nach wie vor für Jungen
weniger attraktiv zu sein scheinen. Dies gilt jedoch nicht nur für hochbegabte
Jugendliche, sondern für Jugendliche generell. Wie eine Untersuchung von ROST &
HOBERG (1998, 194ff) zeigt, werden die Interessen von Jugendlichen wesentlich
mehr von Geschlechtsunterschieden als von Begabungs- und Leistungsunterschieden
bestimmt.
Diese
Geschlechtsunterschiede
zeichnen
sich
schon
mit
dem
unterschiedlichen Spielzeugbesitz und dessen unterschiedlicher Nutzung ab.
Folgende Tabelle von Rost veranschaulicht häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede
bei Hochbegabten.
Mädchen und Frauen
Jungen und Männer
Schulische
Muttersprache, Kunst, Literatur,
Naturwissenschaften, Sport,
Interessen
Fremdsprachen, Theater,
Mathematik, Geschichte
Biologie
Werte und Ziele
Soziales, Ästhetisches,
Theoretisches, Ökonomisches,
Familiäres, Kulturelles,
Politisches, Berufliches
Lebensfreude
Berufliche
Hauswirtschaft, Kunst,
Wirtschaft,
Interessen und
Geisteswissenschaften,
Naturwissenschaften, Technik,
Orientierung
Biologie, Medizin, Sekretariats-
Militärwesen
arbeit, Sozial-/Pflegeberufe
Freizeitaktivitäten
Lesen, Schreiben, Kunst,
Sport, Handwerk, Technik,
und Hobbys
Kunsthandwerk, Tanzen,
wissenschaftliche Hobbys,
häusliche und familiäre
mathematikbezogene Aktivi-
Angelegenheiten, Schauspielen
täten, Computer, Elektronik
Tabelle 1: Häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede bei Hochbegabten in Bezug auf schulische
Interessen, Werte und Ziele, berufliche Interessen und Orientierung sowie Freizeitaktivitäten
und Hobbys (ROST & HOBERG 1998, 187)
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
32
Die Vielseitigkeit von hochbegabten Mädchen kann dazu beitragen, dass sie in
einzelnen Fächern später nicht in gleichem Maße wie Jungen Spitzenleistungen
erbringen. Das kann auch mit die Tatsache erklären, dass die Beteiligung von
Mädchen im Bundeswettbewerb Mathematik unter 25 % liegt. In den mathematischnaturwissenschaftlichen Fächern scheinen die Mädchen jedoch besonderer Förderung
zu bedürfen.
Drittens scheinen viele Eltern immer noch stärker an der intellektuellen Förderung
ihrer Söhne als ihrer Töchter interessiert zu sein und halten eine Hochbegabung bei
einem Jungen wahrscheinlicher als bei einem Mädchen. Dadurch bleibt die
Hochbegabung vieler Mädchen einfach unbemerkt. Nach JOST (1999, 41) berichten
alle Autoren mit Beratungserfahrung darüber, dass ihnen deutlich weniger Mädchen
(ca. 25 – 29 % ) als Jungen vorgestellt werden. BILLHARDT (1996, 105) vertritt die
Ansicht, dass gerade die Väter eine wesentliche Rolle bei der Nichterkennung von
hochbegabten Mädchen spielen. Als Familienoberhaupt fühlt sich der Mann
automatisch intelligenter als seine Familienangehörigen und die Töchter fügen sich
oft seiner Führungsrolle. Mütter hingegen schätzen intelligente Söhne.
Viertens führt auch das Anpassungsbedürfnis hochbegabter Mädchen dazu, dass ihre
Begabungen unerkannt bleiben. Da sie auf keinen Fall anders sein wollen als die
anderen Kinder, passen sie sich deshalb häufig den Leistungen und Interessen der
Mitschülerinnen an. Auf Unterforderung reagieren sie eher mit depressiver
Verstimmung
und
Bauchschmerzen.
psychosomatischen
Jungen
hingegen
Beschwerden
neigen
eher
dazu,
wie
offen
Kopfgegen
und
die
Unterforderung zu rebellieren. Nach JOST (1999, 41) erregen sie Aufmerksamkeit,
indem sie den Unterricht aktiv stören, den Klassenclown spielen oder aggressiv
reagieren.
Neben diesen Faktoren ist bei der Förderung hochbegabter Mädchen zu bedenken,
dass durch den allgemeinen Entwicklungsvorsprung und die schnellere Reifeentwicklung von Mädchen Maßnahmen der Akzeleration besonders angezeigt sind.
Dafür spricht auch das Ergebnis aus der Münchner Hochbegabtenstudie (in JOST
1999, 43), dass mit ansteigendem Lebensalter, beziehungsweise fortdauernder
Beschulung eine zunehmende Verschlechterung hinsichtlich der Begabungsvariablen
der Mädchen gegenüber den Jungen eintritt. Die Mädchen fallen von der 7. bis zur
11. Jahrgangsstufe gegenüber den gleichaltrigen Jungen zurück.
Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder
33
Die dargestellten Risikogruppen sollten bei den Überlegungen zu Fördermaßnahmen
Beachtung finden, denn den Hochbegabten dieser Personengruppen ist gemeinsam,
dass sie zu Underachievern werden können. Als Underachiever werden Kinder und
Jugendliche bezeichnet, „die trotz einer nachweislich sehr hohen Intelligenz in der
Schule keine überdurchschnittlichen oder sogar unterdurchschnittliche Leistungen
erbringen“. Hanses und Rost plädieren dafür, die Definition von Underachiever
enger zu fassen, da Schulleistungen niemals zu 100 Prozent auf die Intelligenzleistung zurückzuführen sind. Underachiever sind dementsprechend nur Schüler,
deren Intelligenzleistung weit überdurchschnittlich ausfällt, deren schulische
Leistungen jedoch unterhalb des mittleren Leistungsniveaus der Mitschüler liegen (in
HOLLING & KANNING 1999, 63).
Zum Underachiever können nicht nur hochbegabte Kinder der Risikogruppen
werden, sondern jedes hochbegabte Kind, das Probleme, wie in Unterkapitel 3.2
beschrieben, erfährt. Begünstigend wirken bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, zum
Beispiel Ängstlichkeit oder ein geringes akademisches Selbstkonzept, wie sie auch
schon bei Mädchen beschrieben worden sind (siehe auch JOST 1999, 45). Um das zu
verhindern ist eine adäquate Förderung nötig.
Schulische Fördermöglichkeiten
34
4 Schulische Fördermöglichkeiten
4.1 Notwendigkeit und grundlegende Überlegungen
Die Notwendigkeit der Förderung hochbegabter Kinder ist durch die in Unterkapitel
3.2 beschriebenen Probleme hinreichend begründet. Besonders nötig scheint sie in
der Grundschule zu sein, da dort nach FEGER (2000, 33) mit 53 % die meisten
Probleme auftreten und oftmals die Spirale der Enttäuschungen einsetzt. Am
zweithäufigsten, mit 27 %, treten Probleme mit der Schule bei der Altersgruppe der
11 – 15-jährigen auf.
Daneben hat Begabtenförderung gerade aus politischer Sicht auch eine
gesellschaftliche Funktion. SCHAVAN (1999, 6) formuliert diese Funktion
folgendermaßen: „Die Zukunft unserer Gesellschaft wird von den Leistungen
abhängen, die die Besten aus dieser nachwachsenden Generation erringen werden.
[...] Ich halte es für einen unverzichtbaren Auftrag unserer Schulen, aktiv bei der
Bildung von Leistungs- und Verantwortungseliten mitzuwirken.“ Dennoch sieht auch
Schavan in der Elitenbildung keine hinreichende Begründung für Begabtenförderung. Im Mittelpunkt müssen vielmehr die hochbegabten Kinder und
Jugendlichen selbst stehen. Begabtenförderung wird deshalb oft als Biografieförderung und in Zusammenhang mit der Persönlichkeit der Hochbegabten gesehen.
JOST (1999, 71) bezeichnet als Ziel der Begabtenförderung, „Hochbegabte zu
kompetenten und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten zu erziehen, die bereit
sind, ihre besonderen Fähigkeiten zum Nutzen der Allgemeinheit einzusetzen.“ Das
Recht auf eine adäquate Begabtenförderung ist zudem für Baden-Württemberg im
Artikel 11 der Landesverfassung festgelegt: „Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht
auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung und
Erziehung entsprechende Ausbildung.“ (in WIRTZ 1999, 7).
Bei den grundlegenden Überlegungen zur Begabtenförderung stellt sich als erstes die
Frage nach der Organisationsform der Förderung. Meinungsverschiedenheit besteht
insbesondere darüber, inwieweit hochbegabte Schüler in eine Regelschule und
Regelklasse integriert werden sollen oder ob sie besser in separaten Gruppen
unterrichtet werden sollen. Integration geschieht durch interne Differenzierung, zum
Beispiel Bildung verschiedener Arbeitsgruppen im Unterricht. Das gegenteilige
Förderprinzip ist externe Differenzierung, das im Extremfall die Bildung von
Spezialklassen für Hochbegabte bedeutet. Formen der internen, beziehungsweise
Schulische Fördermöglichkeiten
35
inneren Differenzierung finden im Gegensatz zur externen Differenzierung im
Klassenverband statt. (nach HELLER & HANY 1996, 494)
Eine häufig genannte Form der inneren Differenzierung ist die Individualisierung.
FEGER & PRADO (1998, 112f) unterscheiden jedoch zwischen innerer
Differenzierung und Individualisierung. Unter Individualisierung verstehen sie, die
Gestaltung des Unterrichts für einen Schüler unter Berücksichtigung seiner
Persönlichkeitsmerkmale.
Bei
diesem
Unterschieden
den
Schülern
zwischen
Ansatz
in
geht
Bezug
man
auf
von
erheblichen
unterrichtsrelevante
Persönlichkeitsmerkmale aus. Innere Differenzierung hingegen richtet sich nach
Schülertypen, die aufgrund verschiedener Merkmale oder Merkmalskombinationen
klassifiziert werden.
Individualisierung in obigem Sinne ist ein Idealfall. Die Möglichkeiten eines
Lehrers, für jedes Kind eigene Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen
vorzubereiten sind sehr begrenzt (vergleiche BMBF 2001b, 49). Weinert (in JOST
1999, 77) hält individualisierten Unterricht gar „in der schulischen Realität für
unpraktikabel“. Gründe dafür sind unter anderem zu große Klassen, fehlendes
Unterrichtsmaterial und viele verhaltensauffällige Schüler. Allenfalls in der
Grundschule erscheint Individualisierung noch praktikabel. Zum einen hat der Lehrer
dort alle verfügbaren Materialien in einem Raum, zum anderen gibt es für den
Grundschulbereich auch schon eine Vielzahl von vorgefertigten Materialien
(vergleiche BMBF 2001b, 49; JOST 1999, 77f).
Eine andere Form der inneren Differenzierung beruht auf der weitgehend
selbstständigen Planung und Gestaltung des Lernprozesses durch die Schüler (nach
BMBF 2001b, 49f). Dazu gehören Methoden wie die Wochenplan-Arbeit, freie
Arbeit, Projektarbeit, offener Unterricht oder entdeckendes Lernen. Hochbegabte
können mit diesen Methoden auf ihrem Niveau arbeiten, sofern die Aufgaben
komplex sind und die Anforderungen nicht begrenzt werden. Jedoch ist fraglich, ob
diese Methoden für schwächere Schüler geeignet sind, da sie Lernwillen und
Lernfähigkeit voraussetzen. Nach HELLER & HANY (1996, 500) ist für jüngere und
ängstlichere oder auch weniger intelligente Schüler im Allgemeinen eine stärker
strukturierte Unterrichtsform effektiver. Dennoch sind die Unterrichtsmethoden zur
inneren Differenzierung in manchen Grundschulen erfolgreich erprobt worden. Aus
den weiterführenden Schulen hingegen liegen keine fundierten Erfahrungen vor
(BMBF 2001b, 50).
Schulische Fördermöglichkeiten
36
Auch am Gymnasium ist mittlerweile jedoch Differenzierung nötig. Die einstige
Begabtenschule der 50er Jahre, die 10 bis 12 Prozent eines Jahrgangs aufnahm und
etwa 6 Prozent mit dem Abitur entließ, ist eher zur Regelschule geworden.
Mittlerweile wechseln im Bundesdurchschnitt 40 Prozent eines Schülerjahrgangs auf
das Gymnasium und etwa ein Drittel macht Abitur. Insbesondere in den Großstädten
liegen die Prozentsätze sogar weit höher. Dadurch hat sich das Spektrum der
Leistungsfähigkeit in den Klassen erheblich vergrößert (BMBF 2001b, 59). Es stellt
sich allerdings die Frage, ob innere Differenzierung ausreichend ist.
Nach Meinung von Hartmut von Hentig (in HEINBOKEL 1996, 204) wird innere
Differenzierung für eine Art Magie gehalten, „eine theoretisch einleuchtende, jede
praktische Lehrkunst übersteigende Forderung“. Ebenso kritisch äußert sich Klafki
(in HEINBOKEL 1996, 205): Vielleicht ist es doch eine „grandiose Überforderung
der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler“, wenn versucht wird, es
allen Kindern in altershomogenen Klassen gleichzeitig recht zu machen. Empirische
Untersuchungsbefunde, vorgelegt von DREWELOW (1992a, 181), dämpfen auch
eher die Erwartungen hinsichtlich der begabungsfördernden Wirkung von innerer
Differenzierung. Aus diesem Grund werde ich mich im Folgenden näher mit der
externen, beziehungsweise äußeren Differenzierung befassen.
Fördermaßnahmen der äußeren Differenzierung werden in der Regel eingeteilt in:
Enrichment (Zusatzmaßnahmen), Akzeleration (beschleunigter Fortschritt) und
Grouping (Bilden von leistungshomogenen oder begabungshomogenen Gruppen)
(FEGER & PRADO 1998, 114). Akzeleration und Enrichment, welche auf
unterschiedlichen Prinzipien basieren, werden dabei oft als Gegenspieler gesehen,
obwohl es auch Mischformen gibt (vergleiche BMBF 2001b, 46). Im folgenden
Unterkapitel 4.2 werde ich mich mit dem Prinzip und den Formen der Akzeleration
auseinandersetzen und entsprechendes Vorgehen dann im darauffolgenden
Unterkapitel 4.3 für Enrichment anwenden. Anschließend werde ich mich im
Unterkapitel 4.4 mit der extremen Form der äußeren Differenzierung befassen. Statt
des oben genannten Begriffes ‚Grouping’ werde ich jedoch den Begriff Separation
verwenden. Möglichkeiten außerhalb dieser Begabungskonzepte werden im anschließenden Unterkapitel 4.5 erörtert. Bei der Darstellung von Schulrecht und
Beispielen werde ich im Wesentlichen von Baden-Württemberg ausgehen, da ich in
diesem Bundesland meine Praktika absolviert habe wie auch selbst zur Schule
gegangen bin.
Schulische Fördermöglichkeiten
37
4.2 Akzeleration
4.2.1 Formen von Akzeleration
Akzeleration, übersetzt Beschleunigung, bedeutet nach HELLER & HANY (1996,
492) „die Erhöhung des Darbietungstempos des regulären Curriculums in
unmittelbarer Anpassung an das beschleunigte Lerntempo begabter Schüler, die
zwangsläufig zu einer Reduktion der Verweildauer des Individuums im Schul- und
Ausbildungssystem (um ein Jahr oder mehr) führt“. Diesem Fördermodell liegen
wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde, wonach sich hochbegabte Schüler durch
ein hohes Lerntempo auszeichnen. Die Ursache dafür liegt in der hohen
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, welche eine wesentliche Komponente
der Intelligenz darstellt. Hochbegabte Schüler werden hier dementsprechend als
„schnelle Lerner“ und nicht als „breit interessierte Schüler“ aufgefasst (HANY 2000,
81; HELLER & HANY 1996, 492). Diese Auffassung untermauern auch Merkmale
hochbegabter Kinder. So wurde bei der Schilderung dieser erwähnt, dass
Entwicklungsschritte schneller durchlaufen oder sogar übersprungen werden können
(siehe 3.1).
Das Förderprinzip der schulischen Akzeleration wird zudem durch die Annahme von
sensiblen Phasen gestützt. Nach dem Neurobiologen SINGER (1999, 60ff) gibt es
„Zeitfenster“, in denen das Gehirn die Grundlagen für alles weitere Lernen erwerben
kann. Das Kind wird durch Fragen die für seine Entwicklung bedeutenden
Informationen fordern. Werden ihm jedoch die richtigen Antworten vorenthalten,
dann führt dies zur Verkümmerung von angelegten Möglichkeiten. Das heißt, die
Zeitfenster schließen sich und das Kind kann seine Begabungen nicht ausschöpfen.
Da die Entwicklung des Gehirns von der Geburt bis zur Pubertät rasant verläuft und
mit 17, 18 Jahren spätestens abgeschlossen ist, plädiert Singer in der Bildung für das
Motto: „Je früher, desto besser.“
HANY (2000, 81) merkt kritisch an, dass das Akzelerationsmodell von einer
funktionalen Sichtweise von Schule ausgeht. Die Schule hat ihren Auftrag erfüllt,
wenn sie ein gewisses Maß an Wissen und Fähigkeiten vermittelt hat. Ihre
Zielsetzung besteht darin, „junge Menschen für das Berufsleben und ihren Beitrag
zur gesellschaftlichen Produktivität vorzubereiten“, wodurch es keinen Sinn macht,
junge Menschen „ohne Grund“ länger als nötig in der Schule festzuhalten.
Schulische Fördermöglichkeiten
Allerdings
bleibt
zur
Theorie
38
anzumerken,
dass
die
Praxis
der
Hochbegabtenförderung der Elaboration ihrer theoretischen Grundlegung deutlich
voraus ist. Die theoretische Analyse der Fördermöglichkeiten ist jedoch auch nur
begrenzt notwendig, da das „know how“ für die Praxis bedeutsamer ist als das
„know why“.
Im letzten Jahrhundert haben die USA in Bezug auf schulische Akzeleration eine
Vorreiterrolle gespielt, so dass es dort die meisten Untersuchungen gab, als
HEINBOKEL (1996, 9) sich in den 90er Jahren mit einer Form der Akzeleration
eingehender beschäftigte. Aus diesem Grund werde ich, bevor ich auf die Situation
in Deutschland zu sprechen komme, noch das intensiv untersuchte Programm von
Julian C. Stanley, einem der bekanntesten und vehementesten Verfechter der
Akzeleration vorstellen.
Sein Akzelerationsprogramm, „The Study of Mathematically Precocious Youth“
(SMPY), läuft seit 1971. Es basiert auf der Annahme, dass hohe Leistungen in
Mathematik eher von intellektuellen Fähigkeiten als von Lebenserfahrung abhängen.
Jährlich werden Jugendliche im Alter zwischen 12 und 14 Jahren eingeladen, den
Scholastic Aptitude Test (SAT) zu bearbeiten, dessen Aufgaben üblicherweise von
fünf Jahre älteren Schülern gelöst werden. Gefördert werden anschließend Schüler,
die im Test ihr extrem gutes mathematisches Denken unter Beweis gestellt haben
und zugleich auch gute Schulleistungen erbringen. Entweder die jeweiligen Schulen
bieten diesen Kindern dann „Schnellkurse“ an, in denen der Mathematikstoff
mehrerer Jahre innerhalb eines Jahres absolviert wird, oder die Kinder können
„Advanced Placement“-Kurse des SMPY in Anspruch nehmen, die zum Teil als
Sommerkurse in den Schulferien stattfinden. Der Unterricht geht dabei auf die
individuellen Vorkenntnisse der Schüler ein. Von Bedeutung ist, dass die Schulen
den Kindern die frühzeitig erworbenen Zertifikate anerkennen und somit den
späteren regulären Besuch der entsprechenden Kurse erlassen, so dass die jungen
Leute dann früher ein Universitätsstudium aufnehmen können (HELLER & HANY
1996, 495f; HEINBOKEL 1996, 12). Dieses Förderkonzept ist sowohl auf andere
Bereiche der Begabung übertragen wie auch in anderen Ländern nachgeahmt
worden. In Deutschland ist es von einer Gruppe Hamburger Wissenschaftler, unter
anderem Wiezcerkowski und Wagner, angewandt worden. Die Talentsuche im
Rahmen dieses Projektes gestaltet sich entsprechend des SMPY. Das folgende
Förderprogramm zählt jedoch eigentlich zum Enrichment-Ansatz und nicht zur
Schulische Fördermöglichkeiten
39
Akzeleration, da in den Kursen kein Schulstoff vorweggenommen wird (vergleiche
STÜVEN 2000, 209ff).
Im Folgenden werde ich die Formen von Akzeleration in der Bundesrepublik
Deutschland nach HEINBOKEL (1996, 21f) darstellen.
1. Frühe Einschulung: Außerhalb Baden-Württembergs können nur die Schüler,
die maximal ein halbes Jahr nach dem Stichtag am 30.6 eines Jahres 6 Jahre
alt
werden,
eingeschult
werden.
Anzumerken
ist,
dass
sich
die
Kultusministerkonferenz 1997 für eine Lockerung dieser Regelung
ausgesprochen hat (BMBF 2001b, 47).
2. Überspringen von Klassen: Abgesehen von einzelnen Klassen je nach
Bundesland, können Klassen in der Grundschule, Sekundarstufe I und die 11.
Klasse übersprungen werden.
3. Fachbezogene Akzeleration: Nur in einem oder mehreren Fächern nimmt der
Schüler am Unterricht einer höheren Klasse teil.
4. Akzeleration in jahrgangsübergreifenden Klassen: Jahrgangsübergreifende
Klassen lassen das schnellere Durchlaufen problemlos zu.
5. Akzeleration in Sonderklassen mit Überspringen: In der Sekundarstufe I wird
eine Klasse zusammengestellt, die den Stoff in der Mittelstufe so verkürzt
behandelt, dass sie ein Jahr eher in die Sekundarstufe II eintritt.
6. Akzeleration in Sonderklassen (ohne Überspringen): Der vorgesehene Stoff
wird verkürzt durchgenommen, um Zeit für individuell gewählte Themen zu
gewinnen.
7. Individuelle
Stundenpläne:
Der
Schüler
erhält
einen
individuellen
Stundenplan, so dass er an Stunden des eigenen Jahrgangs wie auch am
Unterricht höherer Klassen teilnimmt.
8. Arbeitsgemeinschaften: Diese können auf einem höheren Niveau und
akzeleriert angeboten werden.
9. Betreuung durch Mentoren: Ein Mentor hilft dem Schüler, in einem
Themenbereich auf seinem Niveau seinem Tempo entsprechend zu arbeiten.
10. Außerschulische Angebote: Der Schüler nimmt neben der Schule oder in den
Ferien an einem Kurs teil, der Informationen auf einem höheren Niveau
anbietet.
11. Fernunterricht: Neben der Schule, nicht als Ersatz, können Schüler
Fernunterricht nehmen.
Schulische Fördermöglichkeiten
40
12. Gaststatus an der Universität: Der Schüler kann als Gasthörer an einzelnen
Vorlesungen und Übungen der Universität teilnehmen und unter Umständen
auch Scheine für ein späteres Studium erwerben.
Einige der aufgezählten Formen von Akzeleration entsprechen nicht der obigen
Definition von HELLER und HANY (1996, 492), wonach Akzeleration mit einer
kürzeren Verweildauer im Schul- und Ausbildungssystem einhergeht. Dazu zählen
Arbeitsgemeinschaften, wie auch außerschulische Angebote, die deshalb dem
Enrichment-Ansatz zuzuordnen sind. Sonderklassen ohne Überspringen stellen eine
Mischung aus Akzeleration und Enrichment dar. Fernunterricht wie auch der
Gaststatus an einer Universität ermöglichen unter Umständen den Erwerb von
Zertifikaten oder Scheinen für ein späteres Studium und somit eine Verkürzung der
Ausbildungszeit, sie führen jedoch nicht zu einen schnellern Durchlaufen des
Schulsystems, so dass sie eher den unkonventionellen Fördermöglichkeiten
zuzurechnen sind.
Im Folgenden werde ich die Umsetzung der wichtigsten Formen von Akzeleration in
Baden-Württemberg aufzeigen. Zunächst werde ich auf das Überspringen von
Klassen, einschließlich der fachbezogenen Akzeleration eingehen. In Zusammenhang
mit
der
frühen
Einschulung
werde
ich
dann
die
Akzeleration
in
jahrgangsübergreifenden Klassen besprechen. Zuletzt wird das achtjährige
Gymnasium als Umsetzung der Akzeleration in Sonderklassen mit Überspringen
dargestellt.
4.2.2 Überspringen von Klassen und fachbezogene Akzeleration
In allen Bundesländern ist es erlaubt, zweimal zu springen: einmal während der
Grundschulzeit und einmal in der Sekundarstufe I, beziehungsweise der 11. Klasse.
Das Überspringen in der Sekundarstufe I bezieht sich dabei üblicherweise auf ein
Gymnasium oder eine Gesamtschule, in Baden-Württemberg ist es dennoch auch an
Haupt- und Realschulen erlaubt. Üblicher ist in diesem Fall jedoch eine
Querversetzung an die nächst höhere Schulform.
Von der generellen Möglichkeit des Überspringens sind je nach Bundesland einige
Klassenstufen ausgenommen. Ausnahmen und unterschiedliche Regelungen bestehen
für die erste und letzte Klasse der Grundschule, zum Teil auch für die 5. und 6.
Schulische Fördermöglichkeiten
41
Klasse und vor allem die 10. Klasse der Sekundarstufe I. Die Vorschriften sind
darüber hinaus nicht immer eindeutig, sondern oftmals offen und unklar formuliert.
Das Überspringen des kompletten ersten Schuljahres war mindestens bis 1996 in
keinem Bundesland erlaubt und ist in der Mehrzahl der Länder immer noch nicht
zulässig.
Am 1.Januar
1999
trat
in
Baden-Württemberg
eine
geänderte
Versetzungsordnung für die Grundschule in Kraft, die das Springen erleichtern soll
(nach ENGEMANN 1999, 48). Danach können bis zu zwei Klassen in der
Grundschule übersprungen werden. Zudem sind sowohl das Überspringen der Klasse
1 durch eine direkte Einschulung in Klasse 2, wie auch das Überspringen der Klasse
4 möglich. Im letzteren Fall wird dann eine Grundschulempfehlung zum Übertritt in
die weiterführende Schule in Klasse 3 erteilt. In der Sekundarstufe ist das
Überspringen des 10. Schuljahres kontrovers, da mit dem 10. Schuljahr die mittlere
Reife und somit die Berechtigung zum Besuch der Sekundarstufe II erworben wird.
Von Baden-Württemberg sind allerdings keine Ausnahmeregelungen fürs Springen
bekannt. Die Klassen 12 und 13 hingegen sind in allen Bundesländern vom Springen
ausgenommen. Unterschiedliche Regelungen zwischen den Bundesländern gibt es
auch in Hinblick auf den Zeitpunkt des Überspringens im Schuljahr. In einigen
Bundesländern ist das Springen nur zum Ende eines Schuljahres möglich, in anderen
hingegen nicht an bestimmte Zeitpunkte im Schuljahr gebunden. (HEINBOKEL
1996, 23ff)
Die Entscheidung über das Springen ist im Gegensatz zum Wiederholen in hohem
Maße von den Eltern abhängig. Entweder die Erziehungsberechtigten stellen den
Antrag selbst, oder aber sie müssen zumindest dem Vorschlag der Klassenkonferenz
zustimmen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine Genehmigung des Antrags.
Die Entscheidung über eine Genehmigung liegt allein bei den zuständigen Gremien.
In Baden-Württemberg ist das die Klassenkonferenz, an der zusätzlich die Lehrer der
aufnehmenden Klassen mit beratender Stimme teilnehmen. (HEINBOKEL 1996, 27)
Aktuelle Zahlen zu Springern liegen leider nicht vor, so dass auf die Erhebungen von
Heinbokel in Niedersachsen und weitere Zahlen aus dem Saarland und Bayern aus
den 80er Jahren zurückgegriffen werden muss. Geht man davon aus, dass eine
Schule Erfahrungen mit dem Überspringen hat, wenn es in den letzten zehn Jahren
mehr als zweimal stattgefunden hat, dann hatten zu Beginn der 90er Jahre von den
öffentlichen Schulen in Niedersachsen nur etwa 0,4 % der Grundschulen, 1 % der
Gymnasien und keine Gesamtschule Erfahrungen. Das Springen fand in
Schulische Fördermöglichkeiten
42
Niedersachsen zu 90 % an den Grundschulen statt, fast 80 % insgesamt sogar bis
zum Ende der zweiten Klasse. Auch die Erhebungen aus Bayern und dem Saarland
bestätigen mit 71 % und 64 %, dass das Springen überwiegend an Grundschulen
stattfand. Bei diesen Ergebnissen ist jedoch zu berücksichtigen, dass zu dieser Zeit in
allen Bundesländern die Tendenz bestand, Kinder so spät wie möglich einzuschulen
und man der frühen Einschulung gegenüber abgeneigt war. Das Springen in den
ersten beiden Schuljahren stellte somit häufig eine Korrektur der zu späten
Einschulung dar. In der Sekundarstufe I und II war das Springen eine extreme
Seltenheit. Ein Programm Anfang der 90er Jahre in Nordrhein-Westfalen, das das
Überspringen der 11. Klasse fördern wollte, wurde fast nicht angenommen. Statt
dessen zogen die Schüler es vor, das Jahr an einer Schule im Ausland zu verbringen.
Für die 90er Jahre wird dennoch vermutet, dass das Springen erheblich zugenommen
hat und es bereits Schulen gibt, die selbstverständlich mit diesem Thema umgehen
(HEINBOKEL 2000, 154ff). Dazu zählt nach eigener Erfahrung auch die in der
Einleitung genannte Schule, an der innerhalb von vier Jahren eine Schülerin und
zwei Schüler eine Klasse übersprungen haben.
Die Literatur des 20. Jahrhunderts zeigt eine Ablehnung aller Maßnahmen, die
einzelne Kinder im Schulalltag gemeinsam mit älteren Kindern lernen lassen, sowohl
von Pädagogen, Wissenschaftlern wie auch Eltern. Weltweit wird (fast) jede Form
von Enrichment (fast) jeder Form von Akzeleration vorgezogen. Dies mag damit
zusammenhängen, dass sich die Auswirkungen des Springens auf den emotionalsozialen Bereich wesentlich schwieriger feststellen lassen als die Folgen im
intellektuellen Bereich.
Zum intellektuellen Bereich geht aus allen Untersuchungen hervor, dass das
Aufholen des Stoffes unproblematisch war. In der Grundschule war der Zeitaufwand
nicht der Rede wert, im Gymnasium musste schon etwas mehr Zeit aufgewendet
werden, was von den Schülern in der Regel jedoch nicht als besonders schwierig
oder belastend empfunden wurde. Nach dem Springen gehörten die Schüler
leistungsmäßig wieder überwiegend in die Spitzengruppe der aufnehmenden Klasse.
Nach einigen Untersuchungen, unter anderem von Reitmajer in Bayern, sanken die
Noten im Durchschnitt jedoch um eine halbe ab. Die Ursachen dafür sind allerdings
nicht klar. Aus Sicht der Eltern sind Noten jedoch nicht der ausschlaggebende Grund
für eine positive Beurteilung des Springens, wichtiger sind vielmehr eine größere
Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und das gestiegene Selbstwertgefühl der Kinder.
Schulische Fördermöglichkeiten
43
Dies sind alles positive Auswirkungen auf der emotional-sozialen Ebene, ebenso wie
das Verschwinden von psychosomatischen Symptomen. Dennoch gab es nach dem
Springen einige Kinder, die emotionale Probleme hatten. In der Untersuchung von
Heinbokel zeigten 9,4 % der Springerinnen und 12,1 % der Springer an der
Grundschule emotionale Probleme. Am Gymnasium traten bei einem von 14
Mädchen und zwei von 18 Jungen nach dem Springen Probleme im emotionalen
Bereich auf. Die Ursache dieser Probleme muss nicht das Springen gewesen sein, der
Grund kann auch außerhalb der Schule gelegen haben. Zudem hätten ohne das
Springen andere Probleme zu bewältigen sein können.
Skepsis bei einer Entscheidung für das Springen besteht oft hinsichtlich der
„emotional-sozialen Reife“ von Schülern. Dabei wird oft auffälliges Benehmen, das
von der Unzufriedenheit mit unangemessenen Lernbedingungen und auch den
sozialen Bedingungen herrührt, mit Unreife oder Verhaltensstörungen verwechselt.
Auch emotionale Stabilität muss nicht unbedingt Voraussetzung für das Springen
sein, sondern kann ein Ziel dieser Maßnahme sein. Das Kind wird in eine
intellektuell und auch emotional insgesamt „passendere“ Gruppe integriert. Eine gute
soziale Einbindung in eine Klasse ist ebenfalls nicht von Vorteil für das Springen,
sondern wird eher als Hinderungsgrund angesehen.
Die guten sozialen Beziehungen zur Klasse sind einer der Gründe, warum sich
Schüler selbst gegen ein Springen entscheiden. Ein weiterer ist, dass sie ihre
intensiven außerschulischen Aktivitäten nicht einschränken wollen. In der
Sekundarstufe kommt zudem hinzu, dass sich einige hochbegabte Schüler an ihren
geringen Lernaufwand gewöhnt haben. Außerdem würde das Springen ein Risiko
hinsichtlich der Noten darstellen, die für ein Studium von Numerus-clausus-Fächern
von Bedeutung sind.
Voraussetzung für das Springen ist, dass es die Schüler selbst wollen. Die Eltern und
die Schule sollten dem Springen gegenüber zwar positiv eingestellt sein, die letzte
Entscheidung sollten jedoch auch bereits in der Grundschule die Kinder treffen.
Geeignet sind Mädchen ebenso wie Jungen, die von ihren intellektuellen
Voraussetzungen her im oberen Bereich der aufnehmenden Klasse liegen.
Unterdurchschnittliche
Leistungen
in
einzelnen
Bereichen
können
durch
Unterstützung aufgefangen werden. Zudem sollten sie Durchhaltevermögen und eine
hohe Motivation besitzen, wie auch keine ernsthaften emotionalen und sozialen
Probleme zeigen. Probleme in diesen Bereichen, die durch langanhaltende
Schulische Fördermöglichkeiten
44
Unterforderung oder den Mangel an entwicklungsgleichen Freunden entstanden sind,
können jedoch durch Akzeleration auch behoben werden. Abzuraten ist von einem
Springen, wenn kein begabungsfreundliches Klima besteht. Darunter ist generell die
Akzeptanz von Hochbegabten durch die Umwelt zu verstehen. Dazu gehört vor
allem auch die emotionale und intellektuelle Unterstützung durch die aufnehmenden
Lehrer. Nach MÜLLER (2000, 69f) sollten diese in der Grundschule Verständnis für
die
mangelnde
Schreiberfahrung
der
Kinder
aufbringen
und
motorische
Entwicklungsunterschiede im Sportunterricht berücksichtigen. Die Eltern können zu
einem guten Klima beitragen, indem sie ihren Kindern erlauben, an allen Aktivitäten
der älteren Mitschüler teilzunehmen.
Ein generell günstiger Zeitpunkt für das Springen ist nicht zu empfehlen.
Gesprungen werden sollte vielmehr dann, wenn sich eine Unterforderung deutlich
zeigt, denn eine Verschiebung des Zeitpunktes fördert die Schulmüdigkeit. Somit ist
es allgemein günstiger, in der Grundschule als im Gymnasium zu springen. Relativ
ungünstig fürs Überspringen sind Schuljahre, in denen eine neue Fremdsprache
beginnt, und die zweite Hälfte der Schuljahre, in denen nach dem Springen ein
Schulwechsel folgt. Zu empfehlen ist darüber hinaus eine Probezeit, während der die
Schüler jederzeit in ihre alte Klasse zurück können.
Generell lässt sich sagen, dass Überspringen eine pädagogisch sinnvolle Maßnahme
darstellt. Es kann zur Verbesserung der Motivation und damit auch der Leistungen
beitragen. Generell negative Effekte in Bezug auf die soziale und emotionale
Entwicklung hingegen wurden nicht bestätigt. Die Betroffenen selbst berichteten
eher von Vor- als Nachteilen. Selbst Schüler, die in der Grundschule sprangen und
später im Gymnasium aus unterschiedlichen Gründen eine Klasse wiederholen
mussten, bereuten die Entscheidung nicht und führten alle das Wiederholen nicht auf
intellektuelle Überforderung zurück. (HEINBOKEL 1996, 13ff; vergleiche auch
HEINBOKEL 1999, 25ff)
Für Schüler, die überdurchschnittliche Fähigkeiten nur in einem Fach zeigen, kommt
ein Überspringen nicht in Frage. Hier ist statt dessen fachbezogene Akzeleration
möglich, das bedeutet der Schüler nimmt in seinem favorisierten Fach oder auch
mehreren am Unterricht der höheren Klasse teil. Der Schüler kann so auf dem
Niveau seiner Begabung arbeiten, ohne den Kontakt zu den Klassenkameraden zu
verlieren (BMBF 2001b, 48f). Nach JOST (1999, 89) ist diese Fördermaßnahme
allerdings mit einem großen organisatorischen Aufwand für die Schule verbunden.
Schulische Fördermöglichkeiten
45
Die Stunden des betreffenden Fachs müssen parallel gelegt werden und dies auch für
die folgenden Jahre, da die Maßnahme nicht ersatzlos rückgängig gemacht werden
kann. Ein geringerer Mehraufwand bedeutet wahrscheinlich, die Kurse der Oberstufe
niedrigeren Jahrgangsstufen zugänglich zu machen. In sozialer Hinsicht stellt sich
jedoch die Frage, wie gut ein Schüler in seine eigene Jahrgangsstufe und die höhere
Klasse integriert ist. Bleibt er oder sie nicht ein Außenseiter in der höheren Klasse
und geht dieser Teilunterricht vielleicht sogar auf Kosten der Integration in der
eigenen Jahrgangsstufe?
4.2.3 Frühe Einschulung und jahrgangsübergreifende
Eingangsklassen
Baden-Württemberg ist der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom Oktober
1997, die Stichtagsregelung zu lockern, gefolgt und hat das Schulgesetz in Bezug auf
die Einschulung zum Dezember 1997 geändert. Schulpflicht gilt nach wie vor für alle
Kinder, die bis zum 30. Juni das 6. Lebensjahr vollenden. Durch die
Stichtagsflexibilisierung existiert seit dem Schuljahr 1998/99 jedoch ein Zeitkorridor
für schulfähige Kinder, die zwischen dem 1. Juli und 30. September sechs Jahre alt
werden. Diese Kinder können in der Schule angemeldet werden und werden dadurch
schulpflichtig. Die Grundschule kann die Aufnahme nur ablehnen, wenn die
Voraussetzungen für eine Zurückstellung vorliegen. Für Kinder, die ab dem 1.
Oktober ihr 6. Lebensjahr vollenden, ist mit der Schulgesetzänderung die
Antragstellung für eine vorzeitige Einschulung erleichtert worden. Danach ist weder
eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt noch ein pädagogisch-psychologisches
Gutachten zwingend erforderlich. Über den Antrag zur vorzeitigen Einschulung
entscheidet die Schulleitung, die gegebenenfalls einen Schuleignungstest anordnen
kann. Eine Altersbegrenzung für die vorzeitige Einschulung gibt es in BadenWürttemberg bereits seit 30 Jahren nicht mehr. (MINISTERIUM FÜR KULTUS,
JUGEND UND SPORT BW 2001, 82; ENGEMANN 1999, 48)
Baden-Württemberg ist damit eines von vier Bundesländern, die kein Mindestalter
für eine Einschulung voraussetzen. Daneben gibt es in Baden-Württemberg, wie nur
in wenigen anderen Bundesländern, eine „flexible Eingangsstufe“, in der die ersten
beiden Schuljahre je nach Fähigkeiten in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen
werden können (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 46). Im Schuljahr
Schulische Fördermöglichkeiten
46
2000/2001 wurde die flexible Eingangsstufe nur an einigen Schulen in BadenWürttemberg innerhalb des Projektes „Schulanfang auf neuen Wegen“ angeboten.
Erst im Laufe dieses Schuljahres, dem 5. Jahr des Projektes, sollte über die
Verbindlichkeit von Teilen des Projektes entschieden werden (ENGEMANN 2001,
89).
Das Projekt wie auch die Änderung des Schulgesetzes haben zu einer Senkung der
Zurückstellungsquoten und Erhöhung des Prozentsatzes der vorzeitig eingeschulten
Kinder geführt.
Abbildung 4: Prozentsatz zurückgestellter und vorzeitig eingeschulter Kinder in BadenWürttemberg in den Schuljahren 1968/69 bis 2000/01 (MINISTERIUM FÜR KULTUS,
JUGEND UND SPORT BW 2001, 80)
Mit Beginn des Projektes 1996/97 ist der Prozentsatz vorzeitig eingeschulter Kinder
deutlich gestiegen von 1,6 % 1995/96 auf 2,1 % 1996/97 und 1997/98 noch einmal
auf 3,3 %. Mit der Stichtagsflexibilisierung zum Schuljahr 1998/99 kam es dann zu
einem sprunghaften Anstieg auf 6,1 %. Allerdings sind in den 6,1 % auch die 5,5 %
der sogenannten „Korridorkinder“ inbegriffen, die zwischen dem 1.7. und 30.9.
geboren sind. Dementsprechend beläuft sich der Prozentsatz der Schüler, deren
Eltern einen Antrag auf vorzeitige Einschulung gestellt haben nur auf 0,6 %. Nach
Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg waren von den 6.987 früh
eingeschulten Kindern der Grundschule 6.254 Korridorkinder und 733 vorzeitig
eingeschult. Bemerkenswert ist auch ein Unterschied zwischen den Geschlechtern:
5,4 % der Jungen (2.893), aber 7,8 % der Mädchen (4.094) wurden 1998/99 früh
Schulische Fördermöglichkeiten
47
eingeschult. Dieser Unterschied lässt sich über Jahre hinweg feststellen. So beträgt
der Anteil der Mädchen an den Früheinschulungen derzeit 58,6 %. (MINISTERIUM
FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 81ff)
Evaluationsstudien zu vorzeitiger Einschulung belegen, wie auch beim Überspringen
von Klassen, dass diese Maßnahme bei sorgfältig ausgewählten Kindern nicht zu
emotionalen, sozialen oder Leistungsproblemen führt. Bei motivierten und besonders
begabten Kindern kann im Gegenteil das Ablehnen von vorzeitiger Einschulung zu
emotionalen und Verhaltensproblemen führen. Studien bestätigen insgesamt deutlich
mehr positive als negative Konsequenzen. Für den Erfolg der Maßnahme ist unter
anderem die Einstellung der aufnehmenden Lehrkraft entscheidend. (HOLLING,
VOCK & PRECKEL 2001, 46f)
Einer der Gründe, der für eine vorzeitige Einschulung spricht, ist, dass die Kinder
bereits im Kindergartenalter lesen können. Das muss nicht unbedingt ein Zeichen für
Hochbegabung sein; sehr frühes Lesen, das heißt in extremen Fällen mit zwei Jahren
beginnend, ist jedoch eines der eindeutigsten Anzeichen für eine hohe Begabung
(nach HEINBOKEL 1996, 81). Es stellt sich dennoch die Frage nach der
Schulfähigkeit und wie Schulfähigkeit zu definieren ist. Erziehungswissenschaft und
Psychologie betrachten Schulfähigkeit als ein multifaktorielles Gebilde bestehend
aus folgenden Faktoren: Körperlichkeit (relevant hinsichtlich der Belastbarkeit),
Sozialfähigkeit (Bildbarkeit in der Gruppe), Intellekt (Lernfähigkeit allgemeiner
Art), sachstruktureller Entwicklungsstand (bereichsspezifische Voraussetzungen),
Persönlichkeit (Ich-Bewusstsein; Ich-Stärke; Selbstbewusstsein) und metakognitiven
Fähigkeiten (Selbststeuerung, Planung, Kontrolle...). Strebt einer dieser Faktoren
gegen null, so ist die Schulfähigkeit insgesamt in Frage gestellt. Schulfähigkeit ist
darüber hinaus von den Anforderungen der Schule abhängig (MINISTERIUM FÜR
KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 58). Generell ist eine vorzeitige
Einschulung sinnvoll, wenn ein Kind intellektuell hochbegabt ist, seine körperliche
und sozial-emotionale Entwicklung ebenfalls beschleunigt oder jedenfalls nicht
verzögert ist und sowohl das Kind, die Eltern und die Schule mit der Maßnahme
einverstanden sind (BMBF 2001b, 47). Bei Mädchen kommt hinzu, dass sie von
Geburt an durchschnittlich physisch und psychisch reifer sind als Jungen und sich
dieser
Reifevorsprung
(HEINBOKEL 1996, 80).
bis
zum
Einsetzen
der
Pubertät
noch
vergrößert
Schulische Fördermöglichkeiten
48
Eine weitere Maßnahme, die die vorzeitige Einschulung unterstützen und ein
schnelleres Durchlaufen der Eingangsstufe ermöglichen soll, stellen die Modelle A1
und A2 des Projektes „Schulanfang auf neuen Wegen“ dar. Im Modell A1 werden
die Klassen 1 und 2 zu einer jahrgangsgemischten Gruppe zusammengefasst. Die
Kinder können dort je nach Lernzeitbedarf unterschiedlich lange verweilen, von
einem bis zu drei Jahren. Im Modell A2 werden in der jahrgangsgemischten
Eingangsstufe zudem zwei Einschulungstermine pro Schuljahr angeboten: einer
regulär und ein zweiter im Frühjahr. Damit kann der Einschulungszeitpunkt noch
genauer an die Entwicklungsvoraussetzungen des Kindes angepasst werden.
Grundlage des Projektes ist, die Schuleingangsstufe noch stärker am Kind zu
orientieren. Das bedeutet, alle Kinder von lernschwach bis hochbegabt sollen
gefördert werden, ebenso wie individuelle Lernvoraussetzungen und –fortschritte
und
Lebenslagen
Veränderungen
sind
Unterrichtsformen
stärker
berücksichtigt
dafür
die
nötig.
Arbeit
In
in
werden
sollen.
besonderer
Weise
jahrgangsgemischten
Unterrichtliche
prägen
offene
Lerngruppen.
(MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 3)
Die veränderte Unterrichtsstruktur erfordert von den Lehrkräften allerdings eine zeitund materialaufwändigere Unterrichtsvorbereitung, wie sie bereits bei der Diskussion
der inneren Differenzierung in Abschnitt 4.1 kritisiert wurde. Dennoch zeigen
zunehmend
mehr
Lehrkräfte
Interesse
an
der
jahrgangsübergreifenden
Eingangsstufe. Im Gegenzug werden mehr und feste Trennstunden gefordert und
Zusatzstunden für eine zweite Lehrkraft. Positive Auswirkungen haben die Modelle
A1 und A2 auf das Sozial-, wie auch das Lern- und Leistungsverhalten. Die sozialen
Lernprozesse werden beschleunigt und gestützt, zudem können die Kinder eine
höhere Eigenverantwortlichkeit und Hilfsbereitschaft entwickeln. Beim Modell A2
wird jedoch auch auf die Gefahr des Einzelkämpfertums hingewiesen. Hinsichtlich
des Lern- und Leistungsverhaltens der Kinder wird das selbständigere Arbeiten der
Kinder hervorgehoben. Lese- und Schreiblernprozesse sind beschleunigt. Außerdem
wird die Lernmotivation durch Helfersysteme und Patenschaften erhöht.(S. 39f)
Für hochbegabte Kinder erscheint von Vorteil, dass die Integration von Kindern mit
besonderem Förderbedarf durch jahrgangsgemischte Klassen positiv unterstützt wird.
Die Modellklassen bieten darüber hinaus den Vorteil, dass sich die Kinder in
Teilbereichen schon mit dem Stoff der zweiten Jahrgangsstufe beschäftigen können.
Sie werden dadurch nicht in ihrem Lerntempo gebremst und können sich ihre
Schulische Fördermöglichkeiten
49
Lernfreude bewahren. Ein Durchlaufen der Eingangsstufe innerhalb eines Jahres ist
außerdem nicht mit einem Wechsel des Klassenverbandes verbunden. Wie viele
Schüler von dieser Möglichkeit Gebrauch machten ist nicht bekannt. (S. 8ff)
Beim Modell A2 wurde der zweite Einschulungstermin hauptsächlich von solchen
Eltern gewählt, die erwarteten, dass ihr Kind mit einer Verweildauer von eineinhalb
Jahren in das dritte Schuljahr wechseln wird. Folgende Zahlen (MINISTERIUM
FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 96), abzüglich der Schulen mit
dreijähriger Eingangsstufe, zeigen die Verweildauer der Schüler in der zweijährigen
Eingangsstufe. Von allen im Frühjahr 1998 in Baden-Württemberg eingeschulten
Kindern, abzüglich eines Wegzugs, blieben 8 Schüler 1,5 Jahre, 11 Schüler 2,5 Jahre
und 2 Schüler sogar 3,5 Jahre in der Eingangsstufe. Bei den Einschulungen im
Frühjahr 1999 hingegen überwiegt eine Verweildauer von 1,5 Jahren: 1 Schüler blieb
0,5 Jahre, 21 Schüler 1,5 Jahre und 16 Schüler 2,5 Jahre.
4.2.4 Sonderklassen mit verkürzter Schulzeit am Gymnasium
Sogenannte D-Zug-Klassen, in denen die Mittelstufe und zum Teil auch die
Unterstufe in kürzerer Zeit durchlaufen wird, gibt es derzeit unter verschiedenen
Bezeichnungen in drei Bundesländern. In Rheinland-Pfalz werden an 12 Gymnasien
BEGYS-Klassen (Begabtenförderung am Gymnasium mit Verkürzung der Schulzeit)
angeboten, in Berlin gibt es an 13 Gymnasien Schnellläuferklassen und in BadenWürttemberg existieren G8-Zweige an 63 Gymnasien. (HOLLING, VOCK &
PRECKEL 2001, 50)
Allen D-Zug-Klassen ist gemeinsam, dass spätestens mit Beginn der Oberstufe die
Schüler dieser Sonderklassen wieder gemeinsam mit den anderen Schülern der
Schule unterrichtet werden. In der Zwischenzeit haben sie allerdings ein Jahr gespart,
so dass sie ihr Abitur nach 12 Schuljahren ablegen. Der Inhalt der Lehrpläne ist für
sie gleich geblieben, das heißt sie haben den Stoff des Gymnasiums nur in acht statt
neun Jahren durchlaufen (JOST 1999, 100f). Beim achtjährigen Gymnasium in
Baden-Württemberg wird die Verkürzung der Schulzeit dadurch erreicht, dass die 6.
Klasse des neunjährigen Zuges entfällt und die Inhalte des Bildungsplans
entsprechend neu gewichtet und verteilt werden (KINKELIN 1999, 42).
Die begleitende Studie zum achtjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg
(HELLER & RINDERMANN 1999, 89ff) zeigt Unterschiede in den kognitiven und
Schulische Fördermöglichkeiten
50
nicht kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen zwischen Schülern des acht- und
neunjährigen Gymnasiums. Beim kognitiven Fähigkeitstest schneiden die Schüler
des G8-Zweigs deutlich besser ab als die Schüler des Regelgymnasiums. Zwar ist
schon in der 5. Klasse ein Unterschied zu verzeichnen, dieser nimmt jedoch mit
zunehmender Beschulungsdauer zu. Aus Sicht der Lehrer zeichnen sich die G8Schüler durch höhere Ausprägungen in für Schulleistungen günstigen kognitiven und
nicht kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen aus, wie Auffassungsgeschwindigkeit,
Merkfähigkeit, Interesse am Fach und Motiviertheit. Dadurch können Lernziele
schneller erreicht werden. Zugleich haben die G8-Schüler auch einen besseren
Notenschnitt. Darüber hinaus hat der Besuch des achtjährigen Gymnasiums
durchweg positive Effekte auf die Selbstkonzeptentwicklung. Die Schüler des
achtjährigen Gymnasium sind weniger ängstlich, zudem erfolgszuversichtlicher,
haben daneben ein (tendenziell) besseres Selbstwertgefühl und verfügen über ein
günstigeres Attributionsmuster als die Schüler im neunjährigen Gymnasium.
Insgesamt kann die Persönlichkeitsentwicklung der G8- wie auch der G9Schülergruppen als günstig bewertet werden. Eine Ausnahme bilden jedoch Schüler
des G9, die aufgrund ihrer Begabung eigentlich für das G8 geeignet sind. Zu ihrer
negativeren Persönlichkeitsentwicklung können Stigmatisierungsprozesse beigetragen haben.
Das Auswahlverfahren ist deshalb von Bedeutung und sollte aus Lehrersicht
verbessert werden. Ebenso sollte die Durchlässigkeit zwischen acht- und
neunjährigem Gymnasium verbessert werden. Kritisch wird von den Lehrern das
Klassenklima der G8-Klassen beurteilt, was Untersuchungen zu den D-Zug-Klassen
in Rheinland-Pfalz jedoch nicht bestätigen. Die Kritik der Eltern richtet sich
insbesondere an die Öffentlichkeit, die mit belastenden Elitevorwürfen reagiert.
Kritisiert werden könnte außerdem, dass hauptsächlich mit den gleichen
Unterrichtsmethoden wie im Regelgymnasium gearbeitet wird und nondirektive
Unterrichtsmethoden selten angewandt werden.
Nach der begleitenden Studie zum G8 sind schätzungsweise 20 % aller
Gymnasiasten für die Sonderklasse geeignet. Die Erfolgschancen für den Übertritt
ins G8 verringern sich jedoch mit zunehmender Verweildauer auf dem neunjährigen
Gymnasium. Andere Autoren (siehe HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 50)
nehmen sogar an, dass 20-25 % der Schüler eines Gymnasialjahrgangs für die DZug-Klassen geeignet sind. Auf jeden Fall ist der Anteil der Schüler, die D-Zug-
Schulische Fördermöglichkeiten
51
Klassen besuchen können, größer als der für spezielle Hochbegabtenprogramme.
JOST (1999, 101) merkt kritisch an, dass D-Zug-Klassen für angepasste,
leistungsfähige und –willige Schüler geeignet sind. Aus ihrer Sicht werden Schüler,
die Unterstützung und Hilfe am dringendsten benötigen, nicht erfasst und
Höchstbegabte nicht genügend herausgefordert.
4.3 Enrichment
4.3.1 Formen von Enrichment
Mit Enrichment, übersetzt Anreicherung, sind nach HELLER & HANY (1996, 492)
„alle Arten der Ergänzung, Erweiterung und Vertiefung des regulären Curriculums
durch neue Sachthemen, Lern- und Denkprozesse sowie Lernformen gemeint, die
begabten Schülern nach oder neben der Bearbeitung des regulären Curriculums
angeboten werden und die nicht zu einem beschleunigten Durchlaufen der regulären
Schullaufbahn führen“. Dieses Fördermodell basiert auf der Annahme, dass die hohe
Kapazität des Arbeitsgedächtnisses das zentrale Merkmal begabter Schüler darstellt.
Durch die hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses sind die hochbegabten Schüler
breit interessiert und haben ein breites und tiefes Vorwissen. Dieser Annahme soll
durch Zusatzangebote Rechnung getragen werden. Entsprechend ist die Aufgabe der
Schule, Bildungs- und Wissensangebote bereitzustellen, die die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen anregen und unterstützen (nach HANY 2000, 81).
Der Enrichmentansatz geht zudem nicht davon aus, dass Lerninteressen längerfristig
stabil bleiben. Ein Vertreter dieses Ansatzes ist J. Renzulli, dessen Drei-RingeModell (siehe Kapitel 2.1, Abbildung 2) die Flüchtigkeit der Konstellation Begabung
verdeutlicht. Es müssen verschiedene Umstände zusammenkommen, damit ein
Individuum in der Lage ist, auf einem Gebiet besondere Leistungen zu vollbringen.
Der Enrichmentansatz versucht diese verschiedenen Umstände positiv zu
beeinflussen, um dann bei einem glücklichen Zusammentreffen von Begabung,
Kreativität und fachlichem Interesse gezielte Förderaktivitäten einzuleiten. Die
Flüchtigkeit
der
Konstellation
Begabung
bedingt
nach
Renzulli,
dass
Fördermaßnahmen kurzfristig eingeleitet und kurzfristig wieder eingestellt werden
können (in HANY & HELLER 1992, 76f).
Bei den Fördermaßnahmen kann zwischen vertikalem und horizontalem Enrichment
unterschieden werden. Lerninhalte, die Themen oder Fächer des Lehrplans
Schulische Fördermöglichkeiten
52
verbreitern oder vertiefen fallen unter vertikales Enrichment. Horizontales
Enrichment umfasst Lerninhalte, die im normalen Unterrichtspensum überhaupt
nicht vorgesehen sind (nach HOLLING & KANNING 1999, 71).
Ein international verbreitetes Enrichmentmodell, das starke Beachtung gefunden hat,
ist das „Revolving Door Model“ von Joseph Renzulli aus den USA. Der Name, zu
Deutsch Drehtürmodell, bezieht sich auf den Wechsel zwischen allgemeiner Grundund individueller Projektförderung. Da das Programm aus drei Fördermaßnahmen
besteht, wird es auch als „Enrichment Triad Model“ bezeichnet. Grundlegend an dem
Programm ist die gesamte Veränderung des Unterrichtsangebots der Schule. Dazu
soll die Schule einen „Talent Pool“ aus den 15-20% ihrer Schüler bilden, die als
besonders intelligent, kreativ, leistungsfähig und so weiter erscheinen. Bei diesen
Schülern werden die Interessen und bevorzugten Lernstile analysiert und
dementsprechend individuelle Möglichkeiten erarbeitet, um den Unterricht zu
straffen. Die eingesparte Zeit steht dann für die drei Fördermaßnahmen des
Programms zu Verfügung. Die erste Maßnahme bezieht sich auf Wissensinhalte. Den
Schülern sollen zum Beispiel durch Vorträge, Filme und Exkursionen Einblicke in
neue Wissensgebiete ermöglicht werden und dadurch Interessen angeregt werden.
Die zweite Fördermaßnahme bezieht sich auf Denkprozesse. In Form von
Kleingruppenseminaren werden den Schülern Fertigkeiten des unabhängigen
Denkens, des selbstgesteuerten Lernens und des wissenschaftlichen Arbeitens
vermittelt. Diese beiden Maßnahmen bilden die Grundförderung, das bedeutet sie
stehen allen Mitgliedern des Talent Pools regelmäßig zur Verfügung. Die dritte und
anspruchsvollste Maßnahme wird nur kurzfristig angeboten. Voraussetzung ist, dass
ein Lehrer bei einem Schüler das Erwachen eines besonderen Interesses auf hohem
intellektuellen Niveau beobachtet. Die für die Fördermaßnahmen insgesamt
verantwortliche Lehrkraft ermittelt dann durch ein Gespräch mit dem Schüler,
inwieweit eine produktive Idee vorliegt und ob anzunehmen ist, dass der Schüler
diese aus eigener Kraft verwirklichen kann. Wenn diese Voraussetzungen zutreffen,
erhält der Schüler intensive Betreuung, um an seinem Projekt arbeiten zu können.
Ziel des Projektes ist es, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes ein Produkt zu
schaffen. Wenn die produktive Phase nachlässt, das heißt Interesse, Ideen oder
Produktivität erlahmen, enden die Fördermaßnahmen der dritten Phase und der
Schüler nimmt wieder an den beiden Maßnahmen der Grundförderung teil.(HELLER
& HANY 1996, 497f)
Schulische Fördermöglichkeiten
53
In Deutschland gibt es auch eine Fülle von Enrichmentprogrammen ganz
unterschiedlicher Art. Dazu zählen sowohl einmalig stattfindende Wochenendseminare wie fortlaufende Kurse. Die Maßnahmen, die in Deutschland am weitesten
verbreitet sind, werde ich im Folgenden nach HOLLING, VOCK & PRECKEL
(2001, 52f) aufführen.
1. Wettbewerbe,
wie
die
vom
Bund
geförderten
Schüler-
und
Jugendwettbewerbe sowie eigene Landeswettbewerbe, finden in allen
Ländern statt. In einigen Bundesländern besteht zudem eine Regionalisierung
der Bundeswettbewerbe.
2. Kooperationen
zwischen
Schulen
und
Universitäten
oder
Forschungseinrichtungen führen 50-70 % aller Länder durch.
3. Angebote für besonders begabte Schülerinnen und Schüler an Universitäten,
wie zum Beispiel Kurse oder Studientage, finden in ebenso vielen Ländern
statt.
4. Für Kooperationen zwischen Schulen und Wirtschaftsunternehmen gilt das
Gleiche.
5. Außerschulische Kursangebote und Arbeits- und Schülergemeinschaften
bieten dagegen nur 25-50 % der Länder an.
6. Bei Schülerakademien und Ferienseminaren sieht es genauso aus.
Neben diesen Enrichmentmaßnahmen bieten einzelne Länder noch weitere
Maßnahmen an, die an dieser Stelle im Einzelnen nicht aufgeführt werden können.
Im Weiteren werde ich speziell auf die Programme in Baden-Württemberg eingehen.
Im Gegensatz zu anderen Autoren werde ich Maßnahmen, die außerhalb des
Unterrichts und eventuell sogar außerhalb der Schule stattfinden, aber von Schulen
oder
dem
Kultusministerium
mitorganisiert
sind,
zu
den
schulischen
Fördermöglichkeiten zählen. Als erste Enrichmentmaßnahme werde ich die
Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler darstellen, da sie die
Grundlage des gesamten Förderprogramms in Baden-Württemberg bilden.
Schulübergreifende Arbeitsgemeinschaften bieten die Kinder- und Jugendakademien
an, auf die ich im gleichen Unterkapitel (4.3.3) eingehen werde. Das folgende
Unterkapitel 4.3.4 bezieht sich dann auf Wettbewerbe als Fördermaßnahme.
Abschließend werde ich in Unterkapitel 4.3.5 Seminare und Schülerakademien
beschreiben. Enrichmentmaßnahmen in Kooperation mit Universitäten werde ich
nicht gesondert behandeln, da sie in der Regel auf den Fördermaßnahmen
Schulische Fördermöglichkeiten
54
Arbeitsgemeinschaft, Wettbewerb und Seminar basieren. An dieser Stelle sei die
Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut erwähnt, die es Schülern ermöglicht, unter
Anleitung an den Großrechnern des Instituts zu arbeiten (siehe KINKELIN 1999,
41). Weitere Fördermaßnahmen in Kooperation mit Universitäten werde ich in den
jeweiligen Unterkapiteln anreißen.
4.3.2 Arbeitsgemeinschaften und Kinder- und Jugendakademien
Seit Beginn des Schuljahres 1984/85 wird an den weiterführenden allgemein
bildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg das Programm
„Förderung besonders befähigter Schülerinnen und Schüler“ durchgeführt. Die
Grundlage dieses Förderprogramms bilden „Arbeitsgemeinschaften für besonders
befähigte Schüler“. Dort werden in der Regel in einer wöchentlichen Doppelstunde
Themen
aus
dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen, aus
dem
sprachlichen oder aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich bearbeitet. Die
behandelten Themenbereiche sollten dabei möglichst nicht im Lehrplan der
jeweiligen
Schulart
vorgesehen
sein.
Häufig
werden
die
wöchentlichen
Arbeitsgemeinschaften noch durch Exkursionen, Praktika oder Wochenendseminare
ergänzt. (KINKELIN 1999, 39f; www.begabten-ag.b-kunz.de)
Zur Zeit nehmen ungefähr 4340 Schüler an 420 Arbeitsgemeinschaften teil. Die
Mehrzahl der Arbeitsgemeinschaften findet an 130 Gymnasien gefolgt von 111
Realschulen statt. Die beruflichen Schulen sind mit 22, die Hauptschulen mit 35
Schulen vertreten (www.begabtenfoerderung-in-bw.de). Genauere Zahlen über die
Anzahl
der
beteiligten
Arbeitsgemeinschaften
in
Schulen
den
und
letzten
Oberschulamtsbereich Karlsruhe vor.
Schüler
drei
sowie
Schuljahren
die
Anzahl
liegen
für
der
den
Schulische Fördermöglichkeiten
1999/2000
55
Anzahl Anzahl Anzahl der
(2000/2001)
der
der
AGs
Anzahl der
Anzahl der
AGs
AGs
der AGs
der
Naturwis-
Diverses
AGs
{2001/2002} Schulen Schüler Sprachen/ Mathematik/
Gymnasien
Geschichte
Informatik
senschaften
Anzahl Anzahl
gesamt
36
647
7
21
14
15
57
(40)
(697)
(11)
(24)
(15)
(15)
(65)
{47}
{669}
{12}
{26}
{16}
{13}
{67}
Berufliche
4
68
1
2
4
0
7
Gymnasien
(4)
(57)
(1)
(3)
(3)
(0)
(7)
{3}
{53}
{0}
{2}
{2}
{2}
{6}
37
577
13
17
12
11
53
(35)
(541)
(13)
(17)
(10)
(14)
(54)
{37}
{509}
{14}
{21}
{11}
{12}
{58}
Haupt-
6
75
1
5
1
2
9
schulen
(6)
(86)
(1)
(3)
(2)
(4)
(10)
{9}
{120}
{2}
{5}
{2}
{4}
{13}
83
1374
22
45
31
28
126
(85)
(1381)
(26)
(47)
(30)
(33)
(136)
{96}
{1351}
{28}
{54}
{31}
{31}
{144}
Realschulen
Summe
Tabelle 2: Statistik der Arbeitsgemeinschaften zur Förderung besonders befähigter Schüler für
die Schuljahre 1999/2000 bis 2001/2002 (www.begabten-ag.b-kunz.de/statistik.htm)
Die Statistik des Oberschulamtsbereichs Karlsruhe bestätigt, dass die meisten
Arbeitsgemeinschaften an Gymnasien gefolgt von Realschulen stattfinden.
Interessant sind darüber hinaus die Daten zur Anzahl der Arbeitsgemeinschaften
aufgeschlüsselt nach Themenbereichen. So werden mit Abstand die meisten
Arbeitsgemeinschaften in jeder Schulart zum Themenbereich Mathematik/Informatik
angeboten. Insgesamt die wenigsten Angebote gibt es zum Themenbereich
Sprachen/Geschichte, wobei die Anzahl der Angebote an den Realschulen die der
Gymnasien
übertrifft.
Anzumerken
ist,
dass
gemäß
den
Durchführungs-
bestimmungen (in www.begabten-ag.b-kunz.de) pro Schule höchstens zwei
Arbeitsgemeinschaften angeboten werden können, die verschiedene Arbeitsbereiche
abdecken sollen.
Schulische Fördermöglichkeiten
56
Die geisteswissenschaftlichen Kurse schnitten in den begleitenden Untersuchungen
zu den Arbeitsgemeinschaften (im Folgenden nach HANY & HELLER 1992)
schlechter ab als die anderen Kurse. Insbesondere für besonders befähigte Schüler
sind geisteswissenschaftliche Kurse weniger geeignet, da dort die Zusammenhänge
Intelligenz und Kurserfolg, Erkenntnisstreben und positive Lernveränderungen sowie
Erkenntnisstreben und persönliches Wachstum nicht gelten. Gut durchschnittliche
Schüler hingegen schneiden in den geisteswissenschaftlichen Kursen besser ab als
die
begabteren
motivierten
Schüler.
Zudem
engagieren
sich
in
den
geisteswissenschaftlichen Kursen vor allem die Schüler mit relativ geringerer
Intelligenz und geringeren Vorkenntnissen.
Insgesamt schneiden die Arbeitsgemeinschaften in der begleitenden Untersuchung
jedoch ausgesprochen gut ab. Aus Sicht der Teilnehmer zeichnen sich die
Arbeitsgemeinschaften durch hohe Attraktivität aus und werden sowohl leistungs- als
auch freizeitorientiert erlebt. Sie werden als „Zwischending“ zwischen Unterricht
und Freizeittätigkeit eingestuft. So stellt auch der durchschnittlich hohe Zeitaufwand
von 4 Stunden und 20 Minuten pro Schulwoche eigentlich keine Einschränkung dar,
da er bei einem großen Teil der Schüler aus dem Reservoir des „Faulenzens“ gedeckt
zu werden scheint.
Zudem werden die Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler günstiger
bewertet als andere Arbeitsgemeinschaften. Diese Arbeitsgemeinschaften scheinen
vielfach ein positives Schlüsselerlebnis darzustellen, dass die gesamte Einstellung
zur Schule günstig beeinflusst. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die
fachlichen und menschlichen Qualitäten des Leiters der Arbeitsgemeinschaft.
Insbesondere intelligentere Schüler benötigen die vertraute Beziehung zum
Kursleiter. Aus diesem Grund sollten sich Schüler und Kursleiter vor Beginn der
Arbeitsgemeinschaft kennen lernen. Zudem erweisen sich kleine Gruppen von
Teilnehmern als günstig, das bedeutet eine Zahl von acht bis zehn Teilnehmern sollte
nicht überschritten werden. Größere Kurse erinnern zu stark an den Regelunterricht.
Besser aufgenommen werden von Schülern Kurse mit Teilnehmern aus
verschiedenen Klassenstufen.
Für
den
Erfolg
der
Arbeitsgemeinschaft
ist
darüber
hinaus
weitgehend
selbstständiges Arbeiten der Schüler grundlegend. Nach eigener Aussage arbeiten die
Teilnehmer um so intensiver, je häufiger sie selbstständig arbeiten dürfen,
eigenständige Beiträge von ihnen gefordert und Methoden wissenschaftlichen
Schulische Fördermöglichkeiten
57
Arbeitens vermittelt werden. Selbstständiges Arbeiten führt außerdem zu positiven
Veränderungen hinsichtlich des Lernstils und des persönlichen Wachstums.
Auf längere Sicht führen die Arbeitsgemeinschaften zu positiven Effekten im
Persönlichkeitsbereich,
zum
Beispiel
zu
höherer
Selbstständigkeit
und
Selbstsicherheit. Sie haben jedoch wenig Einfluss auf die Ausbildungs- und
Berufslaufbahn. Aus Sicht der Lehrer und Bildungspolitiker besteht das Förderziel
nicht nur darin, eine angenehme Lernatmosphäre zu schaffen, sondern in einem
vertieften Wissenszuwachs, der Festigung der Interessen und darüber hinaus
vielleicht sogar in der Wegbereitung für den späteren Studienerfolg oder die
Berufslaufbahn.
Die Arbeitsgemeinschaft trägt auch nicht zu einer besonderen Förderung der
Problemlösekompetenz bei. Ein geringer Stellenwert wird zudem der Kreativität
zugeschrieben. Sie trägt anscheinend wenig zum Kurserfolg bei. Schüler werden für
die Arbeitsgemeinschaften auch nicht nach ihrem kreativen Leistungspotential
ausgewählt. Die Kursleiter legen bei ihren Teilnehmern in erster Linie Wert auf
Interesse. Bei der Frage der Eignung von Schülern werden sehr selten Anzeichen von
Unterforderung im Regelunterricht berücksichtigt. Einerseits werden somit Schüler
gefördert, die im Schulfach der Arbeitsgemeinschaft leistungsstark sind. Andererseits
können aufgrund des Freiwilligkeits- und Interessencharakters des Modells der
Arbeitsgemeinschaften durchschnittliche Schüler nicht abgewiesen werden. Aus der
Sicht der Begleitforschung ist ersteres auch ein kleiner Schwachpunkt (S. 73):
„Gefördert werden vor allem Schüler, die bereits in der Lage sind, sich eigenständig
fortzubilden. Begabte Schüler, die mangels häuslicher Unterstützung oder wegen
überforderter Lehrkräfte bislang wenig Anregung erhalten haben, sind deshalb für
das AG-Modell meist noch nicht „reif“ genug.“
Auffällig ist auch, dass Mädchen das Förderangebot wesentlich seltener annehmen
als Jungen. Das Verhältnis Mädchen zu Jungen liegt irgendwo zwischen 1:2 und 2:3,
was jedoch auch mit den angebotenen Kursthemen zusammenhängt, die vorwiegend
aus dem Bereich Mathematik und Naturwissenschaften sind. Allerdings ergibt sich
der Eindruck, dass Mädchen weniger von den Kursen profitieren als Jungen. In
dieser Hinsicht könnte man das Fördermodell noch verbessern. BEERMAN,
HELLER & MENACHER (1992, 97ff) berichten in Zusammenhang mit diesen
Arbeitsgemeinschaften von einem 1989/90 gestarteten Pilotprojekt „Mehr Mädchen
in Naturwissenschaften“. Danach wurden in den Fächern Chemie, Physik und
Schulische Fördermöglichkeiten
Informatik
58
Arbeitsgemeinschaften
nur
für
Mädchen
angeboten,
um
die
Zurückhaltung der Mädchen bei der Wahl naturwissenschaftlicher Fächer abzubauen.
Die separaten Arbeitsgemeinschaften schufen den Mädchen Freiräume, um ihren
eigenen Zugang zu neuen Technologien zu finden, und führten zu mehr
Selbstvertrauen. Von Bedeutung war dabei die Vorbildfunktion von Lehrerinnen.
Zwei weitere Aspekte der Kursgestaltung könnten noch verbessert werden: erstens
die Möglichkeiten zu selbstständiger Arbeit der Teilnehmer und zweitens die
Möglichkeiten kreativer Entfaltung und innovativen Problemlösens. Trotz dieser
kritischen Anmerkungen kann das Modell der Arbeitsgemeinschaften als ein
erfolgreicher Schritt der Begabtenförderung bezeichnet werden, wie auch das
abschließende Zitat (S. 79) zeigt: „Das in den AGs von vielen Teilnehmern erstmalig
praktizierte
selbständige,
selbstbestimmte
Arbeiten
in
der
akzeptierenden
Atmosphäre einer Kleingruppe, unter der Anleitung durch eine kompetente Lehrkraft
und in der Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Themen scheint für zahlreiche
Schüler
ein
ausgesprochen
positives
Schlüsselerlebnis
in
der
gesamten
Schullaufbahn darzustellen.“
Aus pädagogischen Gründen sollen unter anderem in den Klassen 5 und 6 keine
Arbeitsgemeinschaften
angeboten
werden
(www.begabten-ag.b-kunz.de).
Die
Grundschulen nehmen zwar nicht am Programm „Förderung besonders befähigter
Schülerinnen und Schüler“ teil, sie können im Rahmen ihres Stundendeputats
trotzdem anspruchsvolle Arbeitsgemeinschaften oder Förderkurse anbieten. Zu den
realisierbaren Varianten zählen: Arbeitsgemeinschaften über einen bestimmten
Zeitrahmen, epochale Angebote innerhalb der Stütz- und Förderkurse sowie
schulartübergreifende Arbeitsgemeinschaften. Bei der letzten Variante kooperiert
zum Beispiel Gymnasium Klasse 5 mit Grundschule Klasse 4. (MÜLLERROSIGKEIT 2001, 284f)
Die angebotenen Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler werden
zum
Teil
als
schulübergreifende
Arbeitsgemeinschaften
in
Kinder-
und
Jugendakademien gebündelt (nach www.begabtenfoerderung-in-bw.de). Zur Zeit
gibt es fünf Kinder- und Jugendakademien: das Freiburg-Seminar mit ungefähr 100
Teilnehmern, das Hochrhein-Seminar (etwa 80 Teilnehmer), das Bodensee-HegauSeminar (etwa 60 Teilnehmer), die Jugendakademie Mannheim – Rhein-NeckarDreieck (etwa 90 Teilnehmer) und die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart mit
ungefähr 250 Teilnehmern.
Schulische Fördermöglichkeiten
59
Konzeptionell orientieren sich die Jugendakademien überwiegend am FreiburgSeminar, der ältesten Einrichtung. Daneben unterscheiden sich die Jugendakademien
hinsichtlich der Themenbereiche der Arbeitsgemeinschaften. So bieten das FreiburgSeminar (siehe auch www.freiburg-seminar.de) wie auch das Hochrhein-Seminar nur
Arbeitsgemeinschaften
zu
Themen
aus
dem
Bereich
Mathematik
und
Naturwissenschaften an. Dafür führen diese Einrichtungen im Gegensatz zur
Jugendakademie Mannheim – Rhein-Neckar-Dreieck auch Arbeitsgemeinschaften
für die Mittelstufe durch. Zu dem Programm der Jugendakademien gehören neben
den Arbeitsgemeinschaften als wichtiges Element Vorträge von Gästen. Der Aufbau
einer Jugendakademie sei im Folgenden am Beispiel der Jugendakademie Mannheim
– Rhein-Neckar-Dreieck (www.jugendakademie-mannheim.de) dargestellt.
Das dortige Programm teilt sich in einen Pflichtteil und ein freiwilliges Programm.
Zum verpflichtenden Teil gehören der Besuch einer Arbeitsgemeinschaft, die aus
zehn Angeboten an Schulen in und vier an Schulen außerhalb Mannheims gewählt
werden kann, und der Besuch von sechs Abendvorträgen, die in der Universität
Mannheim stattfinden. Darüber hinaus müssen die Schüler an einem der acht
angebotenen Wochenendseminare teilnehmen. Das freiwillige Programm besteht
unter anderem aus Betriebsbesichtigungen, Exkursionen und der Vermittlung von
Praktika.
Die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart unterscheidet sich deutlich von den
anderen Einrichtungen, weil sie die erste derartige Institution ist, die Angebote im
Grundschulbereich führt. Ihr Programm ist halbjährlich; für Grundschulkinder gibt es
als Einstieg auch zeitlich kürzere Angebote. Zudem werden Arbeitsgemeinschaften
an Gymnasien angeboten, die für Grundschüler geöffnet sind. Die Nachfrage
insgesamt
übersteigt
dabei
deutlich
die
Anzahl
der
250
Teilnehmer.
(www.begabtenfoerderung-in-bw.de)
Daneben werden weitere Arbeitsgemeinschaften von anderen Organisationen in
Zusammenarbeit beziehungsweise mit Unterstützung des Ministeriums durchgeführt.
Für Schüler der Oberstufe aus dem Raum Stuttgart bietet das Kepler-Seminar, das
von
der
Stiftung
für
Bildung
und
Behindertenförderung
getragen
wird,
Arbeitsgemeinschaften im naturwissenschaftlich-technischen Bereich an. Neben den
derzeit sieben Arbeitsgemeinschaften, die größtenteils Samstags stattfinden, besteht
auch
ein
Programm
mit
Vorträgen,
(www.stiftung-sbb.de/kepler.html).
Ein
Institutsbesuchen
ähnliches
und
Programm
mit
Ferienkursen
Vorträgen,
Schulische Fördermöglichkeiten
60
Wochenendseminaren und neun Arbeitsgemeinschaften bietet das Heidelberger LifeScience Lab an, das sich allerdings noch in einer zweijährigen Projektphase befindet
(http://life-science-lab.xmachina.de).
4.3.3 Wettbewerbe
In Form von Arbeitsgemeinschaften können sich Schüler auch auf Wettbewerbe
vorbereiten. Dies ist aufgrund eines Erlasses der Kultusministerkonferenz, soweit es
die Unterrichtsversorgung zulässt, möglich. In einigen Bundesländern besteht ein
nahezu flächendeckendes Angebot an Vorbereitungszirkeln, wohingegen andere
Bundesländer überhaupt keine angemessenen Möglichkeiten bieten. Die Teilnahme
an bundesweiten Wettbewerben ist dennoch in allen Bundesländern möglich (nach
JOST 1999, 113).
Es gibt mittlerweile eine Fülle von Wettbewerben auf verschiedenen Ebenen, die
sich in den Themenbereichen, der Altersgruppe der Teilnehmer und der Form des
Wettbewerbs unterscheiden. Dargestellt werden im Folgenden nur Wettbewerbe, die
Formen
der
intellektuellen
Begabung
ansprechen.
Zu
den
von
der
Kultusministerkonferenz empfohlenen bundesweiten Schülerwettbewerben zählen
(nach HERTEL 2000, 178):
-
Bundeswettbewerb Mathematik und Bundeswettbewerb Informatik
-
Schüler experimentieren/Jugend forscht
-
Auswahlwettbewerbe zu Internationalen Olympiaden: Mathe-Olympiade,
Physik-Olympiade, Chemie-Olympiade und Biologie-Olympiade
-
Europäischer Wettbewerb
-
Schülerwettbewerb zur politischen Bildung
-
Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten
-
Bundeswettbewerb Fremdsprachen
-
Bundesolympiade für russische Sprache und Landeskunde für Schüler
-
Vorlesewettbewerb des deutschen Buchhandels
Daneben gibt es weitere wichtige bundesweite Wettbewerbe (nach WAGNER 1999,
292):
-
Mathematik-Olympiade
-
BundesUmweltWettbewerb
Schulische Fördermöglichkeiten
-
61
Das lesende Klassenzimmer
Auf Länderebene bietet Baden-Württemberg zusätzlich folgende Wettbewerbe an
(www.begabtenfoerderung-in-bw.de):
-
Landeswettbewerb Mathematik
-
Landeswettbewerb Deutsche Sprache und Literatur
-
Wettbewerb Chemie im Alltag: das Experiment
-
NANU – Der naturwissenschaftliche Wettbewerb an Realschulen
-
Problem des Monats – Ein Mathematikwettbewerb für die Unterstufe
Ein Wettbewerb in Kooperation mit Universitäten ist der Tag der Mathematik. Er
findet jedes Jahr im März an verschiedenen Universitäten des Landes BadenWürttemberg und Hessen für Schüler der gymnasialen Klassenstufe 12 statt. In drei
einstündigen Klausuren im Team oder alleine sind jeweils drei bis vier
Mathematikaufgaben zu lösen. Darüber hinaus findet für die Teilnehmer eine
Vorlesung statt, die einen ersten Brückenschlag zwischen Schule und Studium
darstellt. Die Beteiligung am Wettbewerb liegt bei 800 bis 1000 Schülern jährlich.
Prozentual nehmen mehr Mädchen als an anderen Mathematikwettbewerben teil. Das
beste teilnehmende Mädchen erhält zudem einen Preis (KALMBACH 1999, 279).
Darüber hinaus gibt es noch weitere Wettbewerbe, wie den Mathematikwettstreit
„Känguru“, der ein multiple-choice-Wettbewerb ist. Zum Teil sind diese aufgeführt
unter www.schulweb.de/wettbe.html oder in BMBF (2001b, 72ff). Auf Landes- und
Regionalebene schreiben zudem auch private Institutionen wie Stiftungen, Firmen
oder Vereine Wettbewerbe aus (HERTEL 2000, 178).
Betrachtet man das Angebot an Wettbewerben hinsichtlich der Altersgruppe, so sind
die meisten Wettbewerbe für höhere Jahrgangsstufen konzipiert. Von den
bundesweiten Wettbewerben stehen (nach WAGNER 1999, 292) den Grundschülern
folgende Angebote offen: Schüler experimentieren, Europäischer Wettbewerb,
Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten und
das lesende Klassenzimmer. Sehr wenige Wettbewerbe bieten jedoch Themen oder
Aufgaben speziell für Grundschüler an. Ein Beispiel ist der Mathematikwettstreit
„Känguru“, der für Grundschüler der Klassen 3 und 4 separate Aufgaben stellt
(BMBF 2001b, 79).
Für die Schüler der Unterstufe gibt es ebenfalls nur wenig geeignete Wettbewerbe.
Der Wettbewerb für diese Altersklasse, der die Schüler am deutlichsten fördert, ist
nach HERTEL (2000, 176) Schüler experimentieren. „Hier haben wir einen
Schulische Fördermöglichkeiten
62
Wettbewerb, an dem Schüler mit einer gezielten, fachgerechten und zeitlich
begrenzten Anleitung über einen längeren Zeitraum selbstständig arbeiten, lernen
und eigene Antworten auf Fragestellungen finden können, einzeln und im kleinen
Team.“ Schüler experimentieren ist der Juniorwettbewerb zu Jugend forscht für
Schüler unter 16 Jahren (BMBF 2001b, 73). POHL (2001, 152f) fordert mehr
„Einstiegswettbewerbe“ dieser Art, um Schülern, speziell Mädchen, einen leichteren
Zugang zu Wettbewerben zu schaffen. Wettbewerbe, die sich vom Niveau her an
ältere
Schüler
richten,
wirken
für
jüngere
Schüler
eher
abschreckend.
Einstiegswettbewerbe dienen zudem der Breitenförderung. Im Bereich Mathematik
bietet Baden-Württemberg seit September 2001 mit dem Problem des Monats einen
„Einstiegswettbewerb“ für die Unterstufe an. Eine kontinuierliche Förderung ergibt
sich über den Landeswettbewerb für die Mittelstufe bis hin zum Bundeswettbewerb
Mathematik für die Oberstufe (www.begabtenfoerderung-in-bw.de).
Wettbewerbe unterscheiden sich darüber hinaus hinsichtlich der Form. Auf der einen
Seite
gibt
es
aufgabenorientierte
Wettbewerbe,
wie
zum
Beispiel
den
Bundeswettbewerb Mathematik oder Informatik, und auf der anderen Seite
projektorientierte
Wettbewerbe,
wie
Jugend
forscht.
Aufgabenorientierte
Wettbewerbe haben den Vorteil, dass mit den vorgegebenen Aufgaben auch das
Niveau
von
vornherein
festgelegt
ist.
Bundessieger
aufgabenorientierter
Wettbewerbe wie dem Bundeswettbewerb Mathematik oder Informatik werden
wahrscheinlich aus diesem Grund ohne weiteres Auswahlverfahren in die
Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen. Bei projektorientierten
Wettbewerben ist die Bewertung der Einzelleistung schwieriger. Insbesondere bei
Gruppenprojekten kann nur das Projekt bewertet werden (POHL 2001, 149f).
HERTEL (2000, 173ff) spricht sich dennoch für projektorientierte Wettbewerbe aus,
da die projektorientierte Form mit ein hohes Förderpotenzial bedingt. Den Wert des
Wettbewerbs macht die auf selbstständiges Forschen und Erforschen gerichtete
Arbeitsweise aus. Von der offenen Arbeitsweise der Projektarbeit profitieren
besonders leistungsstarke Schüler, da sie differenzierteres Arbeiten erlaubt. Projekte
in Partner- oder Gruppenarbeit ermöglichen zudem das Herangehen an komplexere
und damit sowohl interessantere als auch schwierigere Aufgabenstellungen.
Außerdem werden dabei wichtige soziale Kompetenzen gefördert. Nach POHL
(2001, 151) besteht die Herausforderung bei projektorientierten Wettbewerben in der
Möglichkeit, eigene, in der Schule vielleicht für abwegig gehaltene Ideen
Schulische Fördermöglichkeiten
63
umzusetzen und zur Diskussion zu stellen. Bei aufgabenorientierten Wettbewerben
liegt die Herausforderung in der Andersartigkeit der Aufgabenstellung oder der
Aufgabenthemen, die weniger schematische, sondern eher eigenständige und
kreative Herangehensweisen erfordern. Aufgabenorientierte Wettbewerbe mit
Klausuren fördern nach HERTEL (2000, 181) jedoch weniger durch die
Aufgabenstellungen in den Klausuren als vielmehr durch die Vorbereitung auf den
Wettbewerb und das Bewusstsein der Wettbewerbsteilnahme.
Um begabte Schüler zu fördern muss ein Wettbewerb bestimmte Bedingungen
erfüllen (nach HERTEL 2000, 179f):
-
die Interessen der Schüler berücksichtigen
-
dem Schüler ermöglichen, sich im Rahmen seiner persönlichen Neigungen
und Begabungen verstärkt zu engagieren
-
in seinen Anforderungen dem vorhandenen Leistungsstand und der Begabung
des Schülers entsprechen
-
möglichst die Bewältigung der Aufgaben auf verschiedenen Niveaustufen
gemäß den individuellen Voraussetzungen ermöglichen
-
im Schwierigkeitsgrad über das hinausgehen, was der Schüler alltäglich
leistet
-
vorhandene Kenntnisse und Erkenntnisse erweitern und vertiefen
-
zu verstärkten Anstrengungen herausfordern
-
Schüler lernen lassen, sich in fairer Konkurrenz mit anderen zu messen
-
Leistungsbereitschaft verstärken und dazu ermutigen, Leistung zu zeigen
-
Teamarbeit auf hohem Niveau fördern
-
durch Zusammenarbeit oder den Vergleich mit anderen soziale Erfahrungen
sammeln lassen
-
Schülern
ermöglichen,
bis
an
die
Grenzen
ihrer
eigenen
Leistungsmöglichkeiten vorzustoßen
-
dazu anregen, über den schulischen Unterricht hinaus selbst aktiv zu werden
und sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen
-
dazu auffordern, Problembewusstsein zu entwickeln und in aktives Handeln
umzusetzen
-
Kreativität entfalten lassen
-
eine längere Auseinandersetzung mit dem Thema erforderlich machen
Schulische Fördermöglichkeiten
-
64
den Einsatz kompetenter Betreuer ermöglichen, die die selbstständige Arbeit
des Schülers sichern und voranbringen
-
Schüler darin üben, ihre Leistungen vor anderen zu präsentieren
-
Fleiß und Erfolge angemessen zu honorieren (weniger in Relation zu den
bereitgestellten Preisgeldern als in Relation zu den gezeigten Leistungen)
-
dazu anregen, sich auch nach Beendigung des Wettbewerbs weiter mit über
den Unterricht hinausgehenden Fragestellungen zu befassen
-
von vornherein auf Mehrfachteilnahme angelegt sein
-
zu ergänzenden Wettbewerbsangeboten hinführen (zum Beispiel Schüler
experimentieren/Jugend forscht)
-
den Weg zu weiter gehenden Fördermaßnahmen eröffnen (zum Beispiel zu
Seminaren)
-
den Schülern helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen.
Eine wichtige Funktion kommt auch den Lehrern zu. Die Lehrer sind diejenigen, die
Informationen an die Schüler weitergeben, die geeignete Schüler ansprechen und zur
Teilnahme ermutigen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Schüler von sich aus
selten zu Wettbewerben finden. Vor allem bei jüngeren Schülern erfolgt die
Anregung fast immer über Lehrkräfte. Lehrer kennen jedoch meistens das Angebot
an Wettbewerben nicht oder setzen Wettbewerbe mit Konkurrenzkampf gleich
(WAGNER 1999, 293; HERTEL 2000, 176).
Eine begabungs- und leistungsfördernde Wirkung entfalten Wettbewerbe besonders
dann, wenn sie in die schulische Arbeit einbezogen werden, sei es dass Lehrer
Aufgabenstellungen im Unterricht verwenden oder eine Wettbewerbsteilnahme als
Projekt anlegen, sei es dass Schüler in Arbeitsgemeinschaften auf Wettbewerbe
vorbereitet werden (WAGNER 1999, 291ff). Hertel (in HOLLING, VOCK &
PRECKEL 2001, 56) zeigt ebenfalls, dass Wettbewerbe insbesondere dann eine
begabungsfördernde Maßnahme darstellen, wenn sie durch zusätzliche pädagogische
Angebote wie Schülerzirkel oder Arbeitsgemeinschaften vor- und nachbereitet,
beziehungsweise begleitet werden. Daraus lässt sich schließen, dass längerfristig
ausgelegte Enrichment-Angebote erfolgsträchtiger sind. Wettbewerben kommt nach
WAGNER (1999, 289) eher die Funktion von „Talentweckern“ zu: „Um Talente im
Schulalter zu wecken, anzuregen und herauszufordern, eignen sich Wettbewerbe
besonders gut.“
Schulische Fördermöglichkeiten
65
4.3.4 Seminare und Schülerakademien
Im Anschluss an Wettbewerbe werden für die Preisträger oftmals Seminare
angeboten. Nach KINKELIN (1999, 40) sollen die Seminare zur Teilnahme an
Wettbewerben anregen und erfolgreiche Teilnehmer „belohnen“. In BadenWürttemberg gibt es entsprechend regelmäßige Seminare
-
für Preisträger des Landes- bzw. Bundeswettbewerbs Mathematik;
-
für Preisträger des Bundeswettbewerbs Informatik;
-
zur Vorbereitung von Teilnehmern an den Internationalen Physik- und
Chemie-Olympiaden;
-
für Preisträger des Landeswettbewerbs Deutsche Sprache und Literatur;
-
für Teilnehmer des Wettbewerbs der Stiftung „Humanismus Heute“.
Bei den Seminaren zum Landeswettbewerb Mathematik (www.landeswettbewerbmathematik.de) wird hervorgehoben, dass das charakteristische Merkmal der
Seminarwochen nicht im mathematischen Inhalt, sondern in der Arbeitsweise liegt.
Begünstigt durch einen großzügigen Zeitrahmen und losgelöst vom 45-Minutentakt
wird versucht, die Schüler schöpferisch tätig werden zu lassen.
Eine weitere Form der Anschlussförderung für Wettbewerbspreisträger, aber auch
für andere besonders befähigte und motivierte Jugendliche aus ganz Deutschland
stellt die Deutsche SchülerAkademie dar, die von dem Verein Bildung und
Begabung e.V. organisiert wird (im Folgenden nach WAGNER 1999, 294ff). Sie
richtet sich an Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 12. In den Sommerferien 1998
wurden sechs Akademien mit insgesamt 546 Teilnehmern in verschiedenen
Internaten veranstaltet.
Die Teilnehmer einer Akademie leben und arbeiten zweieinhalb Wochen zusammen.
Jeder Schüler arbeitet in einem Kurs seiner Wahl. Pro Akademie werden sechs Kurse
für jeweils bis zu 15 Teilnehmer angeboten. Betreut werden die Kurse von je zwei
Kursleitern, die Wissenschaftler, Lehrer oder andere Experten sind. Sie führen die
Schüler in bestimmte Themengebiete ein, unterrichten sie und leiten sie zu
eigenständigem Arbeiten an. Die Teilnehmer schlüpfen auch in die Rolle des
Lehrenden, um Teilnehmern anderer Kurse über ihre Arbeit zu berichten. Zudem
muss jede Kursgruppe schriftliche Berichte über den Fortlauf und die Ergebnisse
ihrer Arbeit anfertigen. Dadurch lernen die Teilnehmer nach wissenschaftlichen
Standards zu schreiben.
Schulische Fördermöglichkeiten
66
Besonderen Wert wird in den Akademien auf den interdisziplinären Informationsund Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern der verschiedenen Kurse gelegt.
Deshalb gibt es neben dem Kursprogramm, das insgesamt etwa 45 Stunden umfasst,
zahlreiche kursübergreifende Aktivitäten, für die etwa genauso viel Zeit eingeplant
wird. Dazu zählen unter anderem Theater, Musik, Exkursionen, Chor, Sport und
Gastvorträge. Diesen Aktivitäten kommt zudem eine soziale Bedeutung zu.
Rückblickend gehört für die Teilnehmer der Schülerakademien das Erlebnis einer
Gemeinschaft mit ähnlich interessierten und begeisterungsfähigen jungen Menschen
zu den wichtigsten und wertvollsten Erfahrungen. Durch die Akademie entstehen
Kontakte und Freundschaften, die durch Nachtreffen und auch über den „Klub der
Ehemaligen“ vielfach bis ins Studium hinein aufrechterhalten werden. Die positive
Bewertung der Akademie verstärkt sich nach den Begleituntersuchungen durch
Neber et al. (in WAGNER 1999, 297) mit der Zeit noch. Vor allem motivationale
und
soziale
Persönlichkeitsmerkmale
Kooperationsbereitschaft
und
wie
Interessen,
Kontaktfähigkeit
werden
Selbstsicherheit,
durch
die
Akademieteilnahme positiv beeinflusst. Zudem wird bei fast der Hälfte der
Teilnehmer die Auffassung von der eigenen Begabung verändert. Meistens wird sie
danach höher eingeschätzt, bei manchen aber auch schwächer als zuvor.
In Hinblick auf das spätere Studium hat die Akademieteilnahme den Übergang von
der Schule zum Studium erleichtert und eine Entscheidungshilfe für die Wahl des
Studienfaches gegeben. So bietet sie Schülern die Möglichkeit, vor Studienbeginn in
Fächer, die in der Schule allgemein nicht angeboten werden – wie beispielsweise die
Philosophie, hineinzuschnuppern (WAGNER 1994, 320). Aus Sicht des Studiums
war in den Akademien in erster Linie das geübte selbstständige Arbeiten in den
Kursen von Bedeutung. Weiterhin wichtig waren die Kontakte zu den Kursleitern
und die Zusammenarbeit mit anderen Kursteilnehmern. Die Autoren der
Begleituntersuchung ziehen folgendes Fazit (in WAGNER 1999, 298): „Die
Schülerakademie
(hat)
primär
eine
allgemein
entwicklungs-
und
handlungsförderliche Funktion. Sie trägt deutlich positiv zur psychischen
Entwicklung der Teilnehmer bei und fördert somit Voraussetzungen zur Bewältigung
hoher Studien- und Leistungsanforderungen.“
Den Übergang zum Studium soll auch der Intensivkurs Mathematik erleichtern.
Dieser 12- bis 14-tägige Kurs in den Sommerferien, der vom Verein zur Förderung
mathematisch begabter Jugendlicher veranstaltet wird, richtet sich an interessierte
Schulische Fördermöglichkeiten
67
und mathematisch talentierte Teilnehmer des Wettbewerbs Tag der Mathematik
(siehe dazu auch 4.3.3). Durch das Zusammentreffen mit Tutoren, Dozenten und
Universitätsprofessoren der Mathematik und den universitären Unterrichts- und
Arbeitsstil erhalten die Schüler einen Eindruck davon, wie das Mathematikstudium
aussehen könnte. Der Ablauf des Kurses besteht aus Universitätsvorlesungen, von
Tutoren betreuten Übungen und Arbeit am Computer. Bei Letzterem lernen die
Schüler mit LaTeX schreiben und müssen schriftlich ein Referat erarbeiten, das sie in
den letzten Kurstagen dann mündlich präsentieren. Ein Anliegen der Autorin des
Programms ist neben einer zahlenmäßigen Gleichberechtigung weiblicher und
männlicher Lehrkräfte eine gute prozentuale Beteiligung von Mädchen am
Intensivkurs. Mehr als 30 Prozent Mädchen nehmen dennoch meistens nicht an
einem solchen Kurs teil (KALMBACH 1999, 279).
4.4 Separation
4.4.1 Theoretische Grundlage
Die konsequenteste Variante der äußeren Differenzierung stellen spezielle Klassen
und Schulen für intellektuell Hochbegabte dar. Gestützt werden diese von mir unter
dem
Begriff
Separation
zusammengefassten
Maßnahmen
durch
das
Differenzierungskonzept, welches im Gegensatz zum Integrationskonzept steht. Das
Integrationskonzept geht nach DREWELOW (1992b, 30f) von dem Prinzip aus, dass
sich Erziehung und Entwicklung in heterogen zusammengesetzten Gruppen
vollziehen muss. Begründet wird das Konzept zum einen mit der Individualität, der
Einmaligkeit des einzelnen Menschen, die eine Normierung verbietet und zum
anderen mit der Soziabilität, der Einsicht in das soziale Wesen des Menschen, womit
sich jegliche Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, der Gesellschaft verbietet. Die
Ungleichheit der Schüler wird dabei nicht als Hemmnis, sondern als Bereicherung
gesehen. Ebenso wird eine Unterscheidung zwischen „integrierbaren“ und
„nichtintegrierbaren“ Schülern abgelehnt und statt dessen gefordert, dass alle
Schulen und Schulklassen das Kriterium „integrierfähig“ erfüllen. Im Gegensatz zu
diesem
ganzheitlichen
Konzept
liegt
dem
Differenzierungskonzept
das
Leistungsprinzip in der Gesellschaft und in der Schule zugrunde. Als Kriterium für
den Effekt schulischer Bildung und Erziehung wird die gesellschaftliche Produktion
angesehen mit dem Ziel der gesellschaftlichen Verwertung von Begabungen. Dieses
Schulische Fördermöglichkeiten
68
Konzept der Begabungsförderung setzt erstens voraus, dass Schüler mit
unterschiedlichen Schulleistungen eine differenzierte Förderung erhalten müssen,
und zweitens, dass die Förderung in leistungshomogenen Schülergruppen zu
besseren Ergebnissen führt. Dieses Konzept hat sich in Form des gegliederten
Schulwesens und den Sonderschulen für Behinderte in Deutschland durchgesetzt.
Alle Formen der äußeren Differenzierung zur Förderung Hochbegabter sind nach
JOST (1999, 96f) jedoch heftig umstritten. Befürchtet werden eine Isolation der
betroffenen Schüler, eine Einschränkung ihrer sozialen Fähigkeiten und das
Entwickeln eines Elitebewusstseins.
In Zusammenhang mit dem Konzept der Separation muss auch die Frage nach der
Rolle der Sonderpädagogik gesehen werden. Im angloamerikanischen Sprachraum
beispielsweise wird der Begriff „Special Education“ weiter gefasst als der deutsche
Begriff „Sonderpädagogik“. Er schließt alle Kinder mit besonderen Bedürfnissen und
somit auch die hochbegabten Kinder mit ein. In der deutschsprachigen
Sonderpädagogik gibt es ebenfalls Ansätze, die in diese Richtung gehen. Bach
beispielsweise nennt vier Bereiche, die sonderpädagogisches Handeln begründen und
notwendig
machen:
Gefährdungen,
Störungen,
Behinderungen
und
Sozialrückständigkeiten. Übertragen auf die Situation hochbegabter Kinder liegen
die Gefährdungen in einer Unterforderung und einer asynchronen Entwicklung. Als
mögliche Störungen resultieren Underachievement und Verhaltensstörungen. Wenn
sich diese Störungen verfestigen, kann es zu Lernbehinderungen, wie auch
psychischen Erkrankungen und Behinderungen, zum Beispiel Depressionen,
kommen.
Unter
Sozialrückständigkeiten
Rahmenbedingungen,
die
einen
fallen
Menschen
alle
an
gesellschaftlichen
einer
harmonischen
Persönlichkeitsentwicklung hindern. In dem konkreten Fall der hochbegabten Kinder
sind
hier
ein
mangelhaftes
Schulsystem,
mangelnde
außerschulische
Fördermöglichkeiten und mangelndes Wissen von Fachleuten zu nennen. Diesen
letzten Punkt spiegelt auch der Ansatz von Kornmann zur Begründung einer
Sonderpädagogik,
Fachrichtung
Hochbegabtenpädagogik
wieder.
Kornmann
bezeichnet einen Menschen auch dann als „behindert“, „wenn die realen
Lebensbedingungen
dem
jeweiligen
Individuum
keine
angemessenen
Entwicklungsimpulse und Lernmöglichkeiten bieten“. Auf die Gefahr der
Entwicklung einer Behinderung für das hochbegabte Kind weist der Ansatz von
Hoyningen-Süess hin. Aufgabe der Sonderpädagogik ist in ihrem Verständnis „in
Schulische Fördermöglichkeiten
69
erster Linie die theoretische und praktische Realisierung der Erziehung des
Menschen mit besonderen Bedürfnissen“. Dabei unterscheidet sie drei Funktionen
von Erziehung: erkennen und fördern der Entwicklungsfähigkeit des Menschen, die
Einführung in das gesellschaftliche Leben und die Entwicklung von Eigenständigkeit
und Verantwortung. Wert wird insbesondere auf die Gesamtpersönlichkeit des
Kindes gelegt, das heißt eine einseitige Förderung intellektueller Fähigkeiten
hochbegabter Kinder wird abgelehnt. (HERMANN 1999, 43ff)
Dennoch spricht die Bedeutung der Sonderpädagogik für die Hochbegabtenpädagogik nicht zwingend für eine Separation hochbegabter Schüler, auch wenn man
die
Besonderheiten
dieser
Kinder
anerkennt.
Alle
Fachrichtungen
der
Sonderpädagogik sind sich einig, dass die Besonderheiten der jeweiligen Kinder
nicht zwangsläufig zu einer besonderen Beschulung dieser Kinder in Sonderschulen
führen müssen. Die Sonderpädagogik hat entsprechend bereits zahlreiche Modelle
zur integrativen Förderung behinderter Kinder in Regelschulen entwickelt, die auf
hochbegabte Kinder übertragbar sind (HERMANN 1999, 46f). Wenn allerdings eine
integrative Förderung aus organisatorischen Gründen nicht funktioniert, so müssen
nach WEINSCHENK (1981, 94f) Sonderklassen beziehungsweise Schulen für Eliten
eingerichtet werden. Diese sind aus seiner Sicht genauso notwendig wie die in der
Praxis üblichen Schulen für weniger schwerbehinderte Kinder und Jugendliche,
wozu
schwerhörige,
sehbehinderte,
lern-
und/oder
verhaltens-
und/oder
sprachgestörte sowie leichter körperbehinderte Schüler zählen. HOYNINGENSUESS (1998, 172ff) bezeichnet die Gründung von Sonderklassen für hochbegabte
Kinder als einen Kniefall vor der Realität, wonach integrative Fördermaßnahmen nur
unzureichend in der Praxis umgesetzt werden und die Bedürfnisse der hochbegabten
Kinder demnach nicht abgedeckt werden.
Neben dieser Sichtweise von Separation als ein „notwendiges Übel“ gibt es auch
Gründe, die für leistungshomogene Gruppen sprechen. In leistungshomogenen
Gruppen kann man den Lernbedürfnissen begabter wie auch weniger begabter
Schüler besser nachgehen, was sich daran zeigt, dass sich die Schüler in
fähigkeitshomogenen
Gruppen
mehr
mit
aufgabenrelevanten
Tätigkeiten
beschäftigen (HELLER & HANY 1996, 493). Außerdem bedeutet der von den
Fürsprechern der Integration viel gelobte individualisierende Unterricht in
heterogenen Klassen für Hochbegabte meistens, alleine lernen zu müssen, da
niemand da ist, der ihre Fähigkeiten und Interessen teilt. Schüler, die auf diese Weise
Schulische Fördermöglichkeiten
70
ständig aus der Klassengemeinschaft ausgegliedert werden, lernen gerade nicht, sich
auf die Bedürfnisse anderer einzustellen. Ein weiteres Argument bildet die Annahme,
dass Hochbegabte nicht nur schneller lernen und denken, sondern auch auf einem
anderen Niveau, dann brauchen sie folglich auch einen anderen Unterricht. Ebenso
dafür
spricht
das
wissenschaftliche
Untersuchungsergebnis,
wonach
das
Unterrichtsniveau und die Unterrichtsqualität nicht nur von den didaktischen
Fähigkeiten des Lehrers abhängen, sondern durch die Schüler wesentlich
mitbestimmt werden. In leistungshomogenen Klassen könnte man die Schüler zudem
durch besonders gut ausgebildete und fähige Lehrkräfte mit anspruchsvollen
Kenntnissen und Fertigkeiten versorgen. Die Konfrontation mit Gleichaltrigen, die
ihnen überlegen sind, fördert bei Hochbegabten die realistische Einschätzung ihrer
eigenen Leistungsfähigkeit. Für die verbleibenden Schüler ergibt sich der Vorteil,
dass der Lehrer Inhalte und Unterrichtsverfahren besser auf ihre Lernbedürfnisse
einstellen kann und sie zudem nicht mehr ständig frustriert werden. Außerdem
erfordert die Förderform keinen besonderen organisatorischen Aufwand und
prinzipiell keinen Mehrbedarf an Lehrerstunden. Wenn, wie zum Beispiel bei DZug-Klassen, ein Schuljahr eingespart wird, so können durch separate Klassen sogar
Kosten reduziert werden. (JOST 1999, 98f)
Im Folgenden werde ich zuerst auf Sonderklassen und im anschließenden Kapitel auf
Sonderschulen als Maßnahmen von Separation eingehen. HOLLING, VOCK &
PRECKEL (2001, 58f) fassen den Begriff Separation weiter und zählen dazu
Maßnahmen, in denen besonders befähigte Schüler in fähigkeitshomogenen Gruppen
innerhalb oder außerhalb des Klassenverbandes oder in neu gebildeten, speziellen
Klassen unterrichtet werden. Da Maßnahmen innerhalb des Klassenverbandes nicht
zu äußerer Differenzierung zählen, werde ich hier nicht näher auf diese eingehen.
Ebenso werde ich an dieser Stelle nicht noch einmal auf D-Zug-Klassen eingehen,
sondern verweise auf Kapitel 4.2.4.
Schulische Fördermöglichkeiten
71
4.4.2 Sonderklassen
Mit die längsten und umfangreichsten Erfahrungen auf dem Gebiet der praktischen
Hochbegabtenförderung mit Spezialklassen in der Bundesrepublik Deutschland hat
die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig, die bereits mit dem Schuljahr
1981/82 mit der Hochbegabtenförderung begonnen hat (EICHHOLZ 1987, 50). Im
Folgenden werde ich deshalb näher auf das Konzept dieser Schule eingehen. Von
Baden-Württemberg sind zudem neben den D-Zug-Klassen des achtjährigen
Gymnasiums auch keine Sonderklassen ausschließlich für Hochbegabte bekannt.
Die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig gehört zum Christlichen
Jugenddorfwerk Deutschlands, einem Jugend-, Bildungs- und Sozialwerk, das jungen
und erwachsenen Menschen Ausbildung, Förderung und Unterstützung in ihrer
aktuellen Lebenssituation anbietet. Nach dem Motto „Keiner darf verloren gehen!“
orientiert es die Inhalte seiner Arbeit am christlichen Menschenbild. Bundesweit
unterhält das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands insgesamt 34 Ersatzschulen
fast aller Schularten und sieben Musikschulen. Ersatzschulen sind Schulen in freier
Trägerschaft, die einen vollwertigen Ersatz staatlicher Schulen darstellen und ihre
spezifischen Besonderheiten, wie zum Beispiel die Förderung Hochbegabter, haben.
Von den neun Gymnasien widmen sich die Jugenddorf-Christophorusschulen
Rostock,
Königswinter
und
Braunschweig
der
Hochbegabtenförderung
(www.cjd.de).
Die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig geht von der Annahme aus, dass
Schüler mit weit überdurchschnittlicher allgemeiner Intelligenz, nur durch additive
Angebote nicht ausreichend gefördert werden, sondern des Unterrichts in eigens
eingerichteten Förderklassen bedürfen, weil nur auf diese Weise die Umwelt adäquat
zu gestalten ist. Im Gegensatz zu Hochbegabtenschulen sollen diese Förderklassen
jedoch in eine Schulgemeinschaft eingebettet sein, deren Struktur viele
Begegnungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen
Fähigkeiten ermöglicht (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN
1994, 343). Dazu tragen das reichhaltige Angebot an Arbeitsgemeinschaften
(zwischen 70 und 80) wie auch die regelmäßig stattfindenden Jugenddorfabende bei
(HELLERT 2000, 145).
Der Förderzweig für Hochbegabte (Profil B) steht den Schülern ab Klasse 9 zur
Verfügung. In den Klassen 5-8 findet Hochbegabtenförderung in Form von
Schulische Fördermöglichkeiten
72
differenziertem Unterricht statt. Mit Klasse 7 haben die Schüler zudem die Wahl
zwischen dem Profil G, Schwerpunkt ist hier die ganzheitliche und vielfältige
Bildung, und dem Profil S, einem akzelerierten Durchgang der Sekundarstufe I in
drei Jahren. Für den Besuch der Profile G und S ist Hochbegabung jedoch keine
Voraussetzung. Der Förderzweig hingegen ist auf eine schmale Zielgruppe mit
extrem intellektueller Disposition angelegt, weshalb die Schüler im Rahmen von
Kontaktwochen auf ihre Eignung getestet werden. In diesen Wochen werden
unterschiedliche Testverfahren zur Bestimmung der Intelligenz, aber auch nicht
kognitiver Persönlichkeitsfaktoren, zum Beispiel der Motivation, durchgeführt.
Außerdem erhalten die Schüler einen speziellen Probeunterricht und werden während
der Woche von Sozialpädagogen in ihrer Freizeit begleitet. Abschließend spricht die
Konferenz der beteiligten Psychologen, Lehrer und Sozialpädagogen eine
Empfehlung zu Schullaufbahngestaltung aus. (HELLERT 2000, 143ff)
Das Profil des Förderzweigs enthält sowohl die Merkmale der Akzeleration als auch
des
Enrichments.
Der
Schwerpunkt
liegt
vor
allem
aber
erstens
im
fächerübergreifenden, das heißt lernfeldorientiertem Arbeiten und zweitens in
kontinuierlicher, intensiver Projektarbeit. Beim lernfeldorientiertem Arbeiten werden
die Schulfächer zu folgenden vier Lernfeldern zusammengefasst:
Lernfeld 1 (L1): Deutsch, Geschichte, Religion, Sozialkunde
Lernfeld 2 (L2): Erdkunde, Biologie, Chemie
Lernfeld 3 (L3): Mathematik, Physik
Lernfeld 4 (L4): Unterricht in der 1. und 2. Fremdsprache.
Verpflichtendes Unterrichtsfach ist zudem Theater, das eine herausragende Rolle für
das soziale und emotionale Lernen spielt (HELLERT 2000, 146). Musik und Kunst
werden jeweils halbjährlich unterrichtet. Verpflichtend ist auch die Teilnahme am
Sport, entweder als Unterricht oder als Arbeitsgemeinschaft, damit die Schüler einen
körperlichen Ausgleich zur hohen intellektuellen Anspannung haben. Als dritte
Fremdsprache wird Japanisch eingeführt. Informatik, das Neigungsfach vieler
Hochbegabter mit Bedeutung für den späteren Beruf, wird als Projekt angeboten
(AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 348ff). So ergibt
sich dann folgender Stundenplan:
Schulische Fördermöglichkeiten
73
Stunde
Montag
Dienstag
Mittwoch
1.
L3
L1
Franz./Lat. Theater
2.
L4
L1
Franz./Lat. Theater
L1
3.
L2
L3
L2
Englisch
4.
L2
L2
L1
5.
Englisch
Franz./Lat.
L1
6.
Donnerstag Freitag
Projekt
Projekt
Samstag
Japanisch
MITTAGSPAUSE
7.
Englisch
L1
L3
8.
Japanisch Kunst/Musik Sport
9.
Japanisch Kunst/Musik Sport
Projekt
Projekt
Tabelle 3: Zeitraster für eine Schulwoche an der Jugenddorf-Christophorusschule
Braunschweig (HELLERT 2000, 146)
In der Sekundarstufe II wird die Konzeption modifiziert. Es findet eine starke
Akzeleration statt, so dass das Schuljahr in zwei Dritteln der Zeit bewältigt werden
kann. An diese Basisphase schließt sich im letzten Drittel des Schuljahres eine
Vertiefungsphase
an.
Sie
ermöglicht
den
Schülern
die
Wahl
zwischen
unterschiedlichen vertiefenden Seminaren und Projekten wie auch ganz neuen
Gebieten. Beispiele für Vertiefungsangebote sind: Arabisch, Flugmechanik, die
Kommentare des Augustinus zum Johannesevangelium und formale Logik.
Unterrichtende sind neben den Lehrkräften auch Fachkräfte aus den Instituten der
wissenschaftlichen Einrichtungen Braunschweigs und Personen aus dem öffentlichen
Leben. Da die Notengebung mit der Basisphase abgeschlossen ist, erhalten die
Schüler für ihre Leistungen in der Vertiefungsphase ein gesondertes Zertifikat
(HELLERT 2000, 147; AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN
1994, 345f).
Das Abitur und somit auch die Basisphase richten sich nach den schulrechtlichen
Bestimmungen des Landes Niedersachsen. In der Klassenstufe 11 kommt zu dem
ohne Abwahl durchgeführten Fächerkanon noch Philosophie als verbindliches
Unterrichtsfach hinzu. Darüber hinaus ist die Aufgabe dieser Klassenstufe vor allem
die Unterweisung in Lern- und Arbeitstechniken. In der Kursstufe beträgt die
minimale Belegverpflichtung fünf Kurse auf Leistungskursniveau, darunter die
Fächer Deutsch, Mathematik, Geschichte und jeweils mindestens eine Fremdsprache
und ein naturwissenschaftliches Fach. Die durchschnittliche Belegzahl der
Schulische Fördermöglichkeiten
74
Leistungskurse beträgt allerdings sieben. Verpflichtend ist außerdem die Belegung
von Grundkursen in Gemeinschaftskunde, Religion, Sport und Philosophie, wie auch
Kunst oder Musik. In der Jahrgangsstufe 13 kann ein Leistungskurs und der
Grundkurs Philosophie abgewählt werden (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 345).
Neben dem breiten Angebot und dem höheren Lerntempo wird von Schülern der
Christophorusschule Braunschweig insbesondere positiv beurteilt, auf Gleichgesinnte
zu treffen. Die Schüler fühlen sich in eine Gemeinschaft integriert und als
Individuum gefördert (BRUSGUL 2001, 320; KNECHTEL 2001, 322; MEYER
2001, 324). Trotz der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten werden die Hochbegabten
von der Gesellschaft nicht isoliert, da mit dem Jugenddorfprogramm eine bewusste
Integration der Hochbegabten in die Gemeinschaft „normalbegabter“ Kinder
gefördert wird (EICHHOLZ & GARDYAN 1984, 73). Es ist jedoch fraglich,
inwieweit dies gelingt. Für den späteren Lebensweg scheint eine Integration in die
Gesellschaft von Bedeutung zu sein. So berichtet eine Mutter von ihrem Sohn, der
die Gemeinschaft mit den anderen Hochbegabten vermisst hat. Er hat mehrmals sein
Studium abgebrochen und jobbt jetzt am Fließband (HOLLENBACH 1999, 146).
Zudem berichten Schüler von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft am Gymnasium: auf
der einen Seite die B-Schüler des Förderzweigs und auf der anderen die A-Schüler.
Die beiden Schülergruppen haben ihre Vorurteile und Abneigungen gegenüber der
jeweils anderen Gruppe (HOLLENBACH 1999, 134). Das Nebeneinander des Aund B-Zweigs ermöglicht jedoch auch einen Wechsel der Schüler zwischen diesen
beiden Zweigen. Das bietet gerade den Schülern mit einer speziellen Hochbegabung,
die dem A-Zweig zugeteilt werden, eine Chance (LANGBEIN & FOCHLER 1997,
253).
Negativ beurteilt wird von Schülern der Christophorusschule Braunschweig der
erhebliche Zeitaufwand für die Schule und der damit verbundene Stress. So äußern
die Mädchen Julia BRUSGUL (2001, 321) und Juliane KNECHTEL (2001, 323) den
Wunsch nach mehr Freizeit und Zeit für sich. Auf der anderen Seite steht die
Erfahrung, dass Hochbegabte die intellektuelle Herausforderung brauchen, um sich
angemessen entwickeln zu können. Intellektuelle Herausforderung allein kann jedoch
auch nicht alle Probleme lösen. Problemfälle stellen Schüler dar, die ein extremes
Anstrengungsvermeidungsverhalten aufweisen. Als Ganztagesschule mit Internat
bietet die Christophorusschule Braunschweig seit dem Schuljahr 2000 diesen
Schulische Fördermöglichkeiten
75
Schülern eine therapeutische Wohngruppe verbunden mit der Möglichkeit des
Schulbesuchs im Förderzweig (HELLERT 2000, 150). Insgesamt richtet sich das
Angebot der Braunschweiger Schule sowieso eher an solche Schüler, die durch
unbefriedigende oder problematische Lern- und Umwelterfahrungen bereits
Störungen in ihrer individuellen Entwicklung aufweisen (AKADEMIE FÜR
LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 347). So trägt die Begleitung der
Schüler durch Schulpsychologen und Sozialpädagogen des Internats zur emotionalen
Stabilisierung bei. Dennoch besteht allgemein die Auffassung, dass junge Schüler so
lange wie möglich in einem intakten Elternhaus bleiben sollten. Damit erklärt sich
die anfängliche Skepsis gegenüber der Einrichtung eines Förderzweigs für Schüler
der Sekundarstufe I, da daran meistens eine Unterbringung im Internat gekoppelt ist
(EICHHOLZ 1987, 50f). Die Unterbringung im Internat ist darüber hinaus auch eine
finanzielle Frage. So kostete ein Internatsplatz 1999 2600 DM. Obwohl es Stipendien
gibt, schwerwiegende Erziehungsfälle durch Jugendämter bezuschusst werden und
ab der 10 Klasse BAFöG beantragt werden kann, kommen die Schüler in der Regel
mindestens aus der oberen Mittelschicht (HOLLENBACH 1999, 142).
Da sich die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig gerade an Schüler
wendet, die Störungen in ihrer individuellen Entwicklung aufweisen, scheint die
Aufnahme in den Förderzweig für manche Schüler und Eltern die letzte Hoffnung zu
sein. Das bedeutet, Schüler und Eltern haben sehr hohe und teilweise auch
überzogene Erwartungen an die Schule. Manche glauben, dass sich mit dem Besuch
des Förderzweigs automatisch alle Probleme auflösen. Wenn dann nicht die
Bereitschaft besteht, die wieder auftretenden manifesten Probleme zu bearbeiten,
dann kann auch die Christophorusschule diesen Schülern keine Alternative zur
Regelschule bieten (HELLERT 2000, 148f).
Im Rahmen eines schulischen Gesamtkonzeptes zur Hochbegabtenförderung betreibt
das
Christliche
Jugenddorfwerk
Deutschlands
auch
eine
Grundschule
in
Braunschweig. Grundschulen in freier Trägerschaft sind ausgesprochen selten, weil
der Gesetzgeber eigentlich nur Bekenntnisschulen erlaubt (www.cjd.de). Die
Hochbegabtenförderung erfolgt jedoch nicht in Sonderklassen, sondern nach einem
integrativen Konzept. Das bedeutet, Kinder unterschiedlichen Alters und
unterschiedlicher Begabung lernen miteinander. Individuelles Lernen wird durch die
Methode der Freiarbeit ermöglicht. Die Grundlage dafür bilden die in der
Montessori-Pädagogik entwickelten Prinzipien der Dualität von Freiheit und
Schulische Fördermöglichkeiten
76
Bindung. Kinder haben die Freiheit, über einen großen Zeitraum ihre Arbeit zu
wählen, aber sie haben die Verpflichtung, ihre getroffenen Entscheidungen auch
durchzuhalten. Weitere Fördermaßnahmen bilden der Fremdsprachenunterricht ab
Klasse 2 und die freiwilligen Werkstattangebote am Nachmittag. Das Schulkonzept
sieht eine Verknüpfung von intellektueller Herausforderung und praktischer
Tätigkeit vor. Ein Schultag gliedert sich folgendermaßen:
Ab 07.30 Uhr
Offener Anfang Freiarbeit
Ab 10.00 Uhr
Klassen-/Fachunterricht
Ab 12.00 Uhr
Fachunterricht Schwerpunkt: Musik, Kunst, Sport
Ab 13.00 Uhr
Ende des verpflichtenden Schulprogramms
Mittagessen, Ruhe- und Spielpause
Ab 14.30 - 16.00 Uhr Werkstattangebote
Ab 19.00 Uhr
Informations- und Fortbildungsangebote
Einmal pro Woche findet ein lebenspraktischer Tag statt. Dieser Tag wird als
Projekttag ohne Stundenplan durchgeführt. Die Bedeutung dieses Tages liegt im
fächerübergreifenden Lernen verbunden mit praktischer Tätigkeit. Ziel des gesamten
Grundschulkonzeptes ist es, eine befriedigende Lernerfahrung für alle Kinder zu
erreichen (HELLERT 2000, 143f).
Neben den inneren Differenzierungsmaßnahmen wendet der Schulversuch der
Grundschule an der Beuthener Straße in Hannover auch äußere Differenzierungsmaßnahmen an. Dort holen die Lehrer nach ihrem Ermessen Schüler für Zusatzangebote aus dem normalen Unterricht heraus. Die Zusatzangebote wie zum Beispiel
Theaterspielen oder Mikroskopieren sind jedoch nicht nur den Hochbegabten
zugänglich, so dass den Schülern wahrscheinlich nicht bewusst ist, wer hochbegabt
ist und wer nicht. Sprachliche Zusatzangebote sind hingegen den leistungsstarken
Schüler vorbehalten. Ermöglicht wird dieses Konzept auch durch eine zeitweise
zweite Lehrkraft (HOLLENBACH 1999, 81f).
Schulische Fördermöglichkeiten
77
4.4.3 Sonderschulen
Separate Grundschulen für Hochbegabte sind aufgrund des gemeinsamen
Erziehungs- und Bildungsauftrags der Grundschule ausgeschlossen. In den
Anmerkungen zum Schulgesetz Baden-Württemberg (HOLFELDER 1998, 47) heißt
es dazu: „Die Grundschule bildet als Primarstufe (§4 Abs. 2) den für alle
schulpflichtigen und schulfähigen Kinder gemeinsamen Unterbau des Schulwesens,
in der den verschiedenen sozialen Bevölkerungsgruppen eine gemeinsame
Bildungsidee vermittelt und gleiche Bildungschancen für alle Kinder hergestellt
werden.“ Somit läuft Hochbegabtenförderung in der Grundschule auf integrative
Konzepte hinaus.
Weiterführende Sonderschulen für Hochbegabte hingegen gibt es in Deutschland. Sie
sind jedoch ausgesprochen selten und noch sehr jung. Anfang der 90er Jahre, als es
hierzulande noch keine Hochbegabtenschulen gab, gingen einige hochbegabte
Kinder sogar nach Schottland zur neueröffneten Cadmuir International School, einer
Schule für Hochbegabte. Damals wurden dort im Gegensatz zur Christophorusschule
in Braunschweig auch sehr junge Schüler ab 10 Jahren aufgenommen (BMBF 2001c,
57). Die erste Hochbegabtenschule Deutschlands war Talenta in NordrheinWestfalen, eine Ganztagesschule mit angeschlossenem Internat. Sie wurde am 1.
August 2000 eröffnet. Aufnahmekriterium ist unter anderem ein Nachweis der
Hochbegabung, wobei das Talenta-Team die Bewerber auf ihre Eignung hin prüft.
Das Ziel der Schule ist die ganzheitliche Bildung und Erziehung Hochbegabter. So
spiegelt sich im Stundenplan wieder, dass neben den intellektuellen Begabungen
gleichrangig sportliche, musische und kreative, handwerkliche Anlagen gefördert
werden. Dazu trägt auch die Einheit von Schule und Internat, dem Talenta-Haus, bei.
Das Talenta-Haus ist auch der Ort des sozialen Lernens. Zur ganzheitlichen Bildung
und Erziehung trägt darüber hinaus auch das interdisziplinäre Team der Schule bei,
das
aus
Lehrern,
Sozialpädagogen
Erziehern,
besteht.
Daneben
Heilpädagogen,
stehen
für
Diplom-Pädagogen
begleitende
und
therapeutische
Maßnahmen ein Neurologe und Psychiater, ein Psychologischer Psychotherapeut,
eine Musiktherapeutin und eine Ergotherapeutin vor Ort zur Verfügung.
Die Grundlage für die Schule bilden die Nordrhein-Westfälischen Bildungspläne.
Schulisch werden die Hochbegabten zum einen durch den Unterricht in kleinen
Lerngruppen gefördert. In einer Klasse sind durchschnittlich nur 10 Schüler. Zum
Schulische Fördermöglichkeiten
78
anderen werden auch Maßnahmen der inneren und äußeren Differenzierung,
Akzeleration und Enrichment angewandt. Außerdem ist der Bereich Lern- und
Arbeitstechniken Bestandteil des Stundenplans. (www.talenta-schule.de)
Zum Schuljahr 2001/02 hat als weitere Hochbegabtenschule das Landesgymnasium
St. Afra in Sachsen mit der Aufnahme von jeweils 50 Schülern in die Klassenstufen
7 und 10 seinen Betrieb aufgenommen. Geplant ist eine Schule für 304 Schüler. Die
Schüler sollen dort beginnend mit der 7. Klasse zum Abitur in der Klasse 12 geführt
werden. Zur Schule gehört darüber hinaus ein Internat, in dem alle Schüler der
Schule wohnen. Im Gegensatz zu Talenta ist St. Afra keine private Schule, sondern
als Gymnasium mit Vertiefter Ausbildung, ein sogenanntes §4-Gymnasium,
Bestandteil des sächsischen Schulsystems.
Die Schule knüpft an die Tradition der 1543 gegründeten Fürstenschule St. Afra für
begabte Kinder an. Die neu gegründete Hochbegabtenschule richtet sich an
allgemein hochbegabte Kinder, die zuvor ein Auswahlverfahren aus Tests und
Gesprächen und einen einwöchigen Probeunterricht durchlaufen müssen, wobei nach
Aufnahme das erste Schulhalbjahr als zweite Probephase gilt. Bildungs- und
Erziehungsziel des Hochbegabtengymnasiums ist die Entwicklung von Generalisten,
die soziales Engagement mit Führungsqualitäten verbinden. Dazu wird zum einen
das Curriculum geändert, wobei das Abitur gemäß dem Sächsischen Zentralabitur
erfolgt. So wird in den nach Trimestern eingeteilten Schuljahren ein umfassenderes
Pensum durchgenommen. Es werden mindestens drei Fremdsprachen unterrichtet,
darunter eine alte. Darüber hinaus soll eine außereuropäische Sprache angeboten
werden. Pflicht ist zudem ein Auslandstrimester. Die Schultage einer Woche sind
zweigeteilt in 26 verpflichtende Unterrichtsstunden morgens, das fundamentum, und
nachmittags das additum, bei dem die Schüler Fächer wählen, in denen sie sich
vertiefen wollen, was ein Mehr an persönlichem Engagement des einzelnen Schülers
bedeutet. Jede Klassenstufe hat zusätzlich ihre eigenen Schwerpunkte. So beginnt
beispielsweise in der 7. Klasse das systematische Training von Lerntechniken und
die 10. Klasse widmet sich interkulturellen Problemstellungen. In der Oberstufe
müssen dann drei Leistungskurse gewählt werden. Neben der Förderung der
intellektuellen Begabung sollen die hochbegabten Schüler zum anderen zur
Verantwortung für die Gemeinschaft erzogen werden. Dazu müssen sie an
gemeinnützigen Projekten mitarbeiten – etwa bei der Feuerwehr oder in
Schulische Fördermöglichkeiten
79
Krankenhäusern. (http://marvin.sn.schule.de/~afragym/; FEGER & PRADO 1998,
157; JOST 1999, 104)
Eine weitere Schule für Hochbegabte ist in Planung. Träger des Projektes Schule für
Hochbegabte in Nordrhein-Westfalen ist die Matura GmbH zur schulischen
Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher. Diese Organisation wurde von
einer Gruppe engagierter Mitglieder des Vereins Mensa in Deutschland e.V. (MinD)
gegründet. (www.hochbegabtenschule.de)
4.5 Unkonventionelle Fördermöglichkeiten
Neben
den
bisher
dargestellten
Förderformen
gibt
es
alternative
Fördermöglichkeiten, die nicht den Konzepten Akzeleration, Enrichment und
Separation zuzuordnen sind. Dazu zählen unter anderem Freie Schulen,
Auslandsaufenthalte und die Befreiung vom Unterricht.
Für hochbegabte Schüler, die in den staatlichen Schulen nicht die nötige Förderung
und Unterstützung vorfinden, können Freie Schulen eine Alternative sein. Schulen in
freier Trägerschaft sind stets aufgrund von Kritik am staatlichen Schulsystem
gegründet worden und erfüllten gesellschaftliche Bedürfnisse, die durch die
staatlichen Schulen nicht befriedigt wurden (ARBEITSGEMEINSCHAFT FREIER
SCHULEN 1999, 10f). Neben den Hochbegabtenschulen in freier Trägerschaft,
können auch andere Freie Schulen aufgrund ihres Profils eine Alternative für
hochbegabte Schüler darstellen. Ein Verzeichnis der Freien Schulen bietet das
Handbuch Freie Schulen, das von der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen
herausgegeben wird.
So fördert beispielsweise das Maristengymnasium Fürstenzell, eine katholische
Schule in freier Trägerschaft, verstärkt Kreativität, Phantasie und Intuition. Über das
dortige Projekt „Jugend kreativ“ werden Schüler bei Erfindungen unterstützt, was
einigen Schülern bereits Patente einbrachte (FENZL 1994, 329ff). Alternative
pädagogische Ansätze bieten Freie Schulen, die sich auf die Reformpädagogik
gründen. In ihrer Sichtweise steht im Mittelpunkt das Kind, wozu unter anderem die
Individualisierung
im
Unterricht
beiträgt.
Einige
dieser
Schulen
haben
jahrgangsübergreifende Klassen, die hochbegabten Schülern Vorzüge bieten (siehe
auch 4.2.3). Zu den Freien Schulen mit reformpädagogischem Ansatz zählen die
deutschen Landerziehungsheime. Ein Beispiel für eine solche Internatsschule in
Schulische Fördermöglichkeiten
80
Baden-Württemberg ist die Schule Schloss Salem (www.SalemCollege.de). Diese
Schule vergibt darüber hinaus Leistungsstipendien für besonders begabte und
interessierte Schüler. Obwohl einige reformpädagogischen Ansätze in Konzepte der
Hochbegabtenförderung übernommen wurden, sind nicht generell alle Schulen mit
reformpädagogischen Ansätzen zu empfehlen. FEGER & PRADO (1998, 109ff)
warnen vor den Waldorfschulen, da die hochbegabten Schüler nach dem Eindruck
aus Beratungsstellen unter den Waldorfprinzipien, wie den sehr heterogenen Klassen
und den irrationalen Elementen der Antroposophie, besonders leiden.
Ebenso äußert STEDTNITZ (1999, 144f) Bedenken gegenüber Privatschulen, da
diese traditionell für Kinder mit leistungsmäßigen Schwierigkeiten in der Schule
konzipiert sind und fähigen Kindern daher kein optimales soziales Umfeld bieten.
Empfehlenswert sind aus ihrer Erfahrung hingegen internationale Schulen,
insbesondere für Grundschüler. In diesen fremdsprachigen Schulen besteht zum
einen die Herausforderung des Erlernens der Fremdsprache, zum anderen wirken
aber auch der Umgebungswechsel und die Auseinandersetzung mit der anderen
Kultur sehr motivierend. In Baden-Württemberg gibt es an entsprechenden Schulen
die Europäische Schule Karlsruhe (www.karlsruhe.de/Schulen/Europa) und die
International School of Stuttgart e.V. (www.agis-schools.org/schools/stuttgart.html).
Zur International School of Stuttgart gehört auch ein Kindergarten, so dass sie ein
durchgängiges Angebot für Kinder von 3-18 Jahren abdeckt.
Eine weitere Fördermöglichkeit für sprachbegabte Schüler sind Auslandaufenthalte.
Üblich sind Austauschprogramme für 16- und 17-Jährige. Sie stellen oftmals eine
Alternative zum Überspringen der 11. Klasse dar mit dem Vorteil, dass die Schüler
ihre Klassengemeinschaft nur für ein Jahr verlassen müssen (siehe 4.2.2). Auch für
jüngere Kinder sind mehrwöchige Auslandsaufenthalte jedoch möglich. In der
Literatur finden sich Darstellungen von 10-Jährigen, die Auslandsaufenthalte
absolviert haben. Von Bedeutung ist dann, dass die Eltern oder vielleicht Freunde der
Eltern die Gastfamilie kennen. Über die sprachliche Förderung hinaus, führt ein
mehrwöchiger Auslandsaufenthalt aufgrund der Anregung durch eine fremde Kultur
zu einem „Motivationskick“, der bis zu einem Jahr anhalten kann. Theoretisch
könnte ein Kind also einmal im Jahr einen Auslandsaufenthalt absolvieren und
danach wieder in die gleiche Klasse zurückgehen, wobei es den verpassten
Schulstoff aufholen muss. Diese Lösung kann eine gute Alternative zum Besuch
einer Privatschule sein (STEDTNITZ 1999, 144).
Schulische Fördermöglichkeiten
81
Bei einseitigen Begabungen, zum Beispiel im mathematischen Bereich, kommt als
weitere Fördermöglichkeit die Freistellung vom jeweiligen Unterrichtsfach in Frage
(STEDTNITZ 1999, 146). Die Kinder arbeiten dann am besten mit einem Mentor
zusammen. Der Einzelunterricht erlaubt den Schülern das Arbeiten nach eigener
Geschwindigkeit. Die Mentoren können darüber hinaus in sozialer Hinsicht eine sehr
wichtige Funktion haben als Austausch- und Ansprechpartner und jemand, der dem
Kind zu verstehen gibt, dass es so akzeptiert wird, wie es ist. MÜLLER (2000, 116)
empfiehlt Mentoren gerade für ältere Schüler, deren fachliches Niveau das der Eltern
und Fachlehrer übersteigt. Ein Mentor kann dann in diesem Fall die Ausbildung
neben der Schule übernehmen. Er kann aus dem eigenen Bekanntenkreis sein oder
beispielsweise über eine Anfrage an nahe gelegene Universitäten oder Firmen und
Forschungseinrichtungen gefunden werden. Ältere Schüler können statt der Arbeit
mit einem Mentor auch als Gasthörer Vorlesungen an der Universität besuchen oder
ein Fernstudium aufnehmen (STEDTNITZ 1999, 146ff). Momentan werden
allerdings die Leistungen, die Schüler bereits vor dem Abitur in universitären
Veranstaltungen erbringen, bei einem Studium an anderen Universitäten bundesweit
nicht notwendigerweise anerkannt. Im Interesse einiger Länder wird sich das in
Zukunft wahrscheinlich ändern (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 69).
4.6 Vorläufiges Resümee
Aus den Darstellungen über Akzeleration und Enrichment geht hervor, dass beides
pädagogisch sinnvolle Maßnahmen zur Hochbegabtenförderung sind. Die generelle
Ablehnung gegenüber Maßnahmen der Akzeleration ist unbegründet, da negative
Effekte in Bezug auf die soziale und emotionale Entwicklung in Untersuchungen
nicht bestätigt wurden. So hat der G8-Zweig im Gegenteil positive Effekte in Bezug
auf die Selbstkonzeptentwicklung. Auch das Springen bringt aus Sicht der
Betroffenen eher Vor- als Nachteile mit sich. Problematisch erscheint hingegen die
fachbezogene Akzeleration, zumal sie mit großem organisatorischem Aufwand für
die Schule verbunden ist. Nach einer Umfrage unter Eltern von 4.-Klässlern durch
ROST (1993, 211) stößt diese Maßnahme zudem auf eindeutige Ablehnung. In
diesem Fall sind in der Regel eher Alternativen, wie die Befreiung vom Unterricht
und die Arbeit mit einem Mentor vorzuziehen.
Schulische Fördermöglichkeiten
82
Es gibt jedoch auch Stimmen, die in dem Überspringen von Klassen keine wirkliche
Begabtenförderung sehen, sondern nur eine Notlösung (HOLLENBACH 1999,
184ff). Aus der Sicht von HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 49) sollte das
Springen nicht als hinreichende Fördermaßnahme verstanden werden, da viele
besonders begabte Schüler nach einer „Aufholphase“ von dem Tempo der Klasse
schnell wieder unterfordert sind. Hier sollten zusätzliche Förderangebote, die auch
das Zusammenkommen mit gleichaltrigen Gleichbefähigten ermöglichen, gesucht
werden. Darunter fallen Maßnahmen des Enrichment. Umgekehrt vertritt Stanley (in
HEINBOKEL 1988, 109) die Ansicht, dass, je besser ein Enrichment Projekt ist,
umso eher die Notwendigkeit entsteht, das Kind zu irgendeinem Zeitpunkt zu
akzelerieren, da man sonst die Langeweile nur ein wenig herauszögert und sie später
umso heftiger auftreten lässt. Akzeleration und Enrichment stellen somit keineswegs
sich ausschließende Fördermaßnahmen dar, sondern eine Kombination, wie sie
beispielsweise
in
den
Sonderklassen
der
Jugenddorf-Christophorusschule
Braunschweig praktiziert wird, erscheint sinnvoll, um die positiven Effekte jeder
Maßnahme zu nutzen.
Fördermaßnahmen erfordern jedoch auch Bedingungen. So ist für das Springen und
die vorzeitige Einschulung ein begabungsfreundliches Klima, wozu vor allem die
emotionale und intellektuelle Unterstützung durch die aufnehmenden Lehrer zählt,
Voraussetzung. Enrichmentangebote, wie zum Beispiel Wettbewerbe, scheinen das
auf den ersten Blick nicht zu fordern. Wettbewerbe entfalten jedoch ihre begabungsund leistungsfördernde Wirkung besonders dann, wenn sie in die schulische Arbeit
mit einbezogen werden, das heißt am besten wenn sie durch pädagogische Angebote
wie Arbeitsgemeinschaften begleitet werden. Somit ist die Unterstützung durch
Lehrkräfte für jedes Förderprogramm von immenser Bedeutung. Da längerfristige
Enrichmentangebote erfolgsträchtiger sind, ist es ausgesprochen positiv zu bewerten,
dass in Baden-Württemberg die Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte
Schüler die Grundlage des Förderprogramms bilden. Sinnvoll erscheint zudem die
Bündelung von schulübergreifenden Arbeitsgemeinschaften in Kinder- und
Jugendakademien. Dennoch stellen auch kurzfristigere Enrichmentmaßnahmen, wie
die Schülerakademie, eine gute Fördermöglichkeit dar. Hier ist insbesondere das
Erlebnis einer Gemeinschaft mit Gleichgesinnten von Bedeutung.
Problematisch erscheint immer noch die Lage der Mädchen, die zuvor als
Risikogruppe
eingestuft
wurden.
Sie
nehmen
beispielsweise
die
Schulische Fördermöglichkeiten
83
Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler in Baden-Württemberg
seltener an als Jungen. Im Rahmen des Pilotprojekts „Mehr Mädchen in
Naturwissenschaften“ wurden bereits separate Arbeitsgemeinschaften für Mädchen
in den Fächern Chemie, Physik und Informatik eingerichtet. Nach WINNER (1998,
231) ist eine Begabtenerziehung für Mädchen mit mathematischer oder
naturwissenschaftlicher Begabung notwendig, damit sie Mitschülerinnen kennen
lernen, mit denen sie sich identifizieren können. Anzumerken ist allerdings, dass sich
Mädchen im Allgemeinen weniger für Naturwissenschaften und Mathe, sondern eher
für Sprachen, Kunst, Literatur, Theater und Biologie interessieren. Die Themen der
Arbeitsgemeinschaften sind jedoch vorwiegend aus dem Bereich Mathematik und
Naturwissenschaften und die wenigen geisteswissenschaftlichen Angebote schnitten
schlechter ab. Gute Angebote aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich wären
jedoch gerade für Mädchen wünschenswert. Ansonsten sind für sprachlich begabte
Mädchen eventuell Alternativen, wie der Besuch einer internationalen Schule oder
bilingualer Klassen vorzuziehen. Im Gegensatz zu dem geringeren Anteil der
Mädchen
an
den
Arbeitsgemeinschaften,
beträgt
ihr
Anteil
bei
den
Früheinschulungen 58,6 %. Dieses Ergebnis spiegelt auch den Reifevorsprung der
Mädchen wieder. Daraus lässt sich folgern, dass Mädchen noch dringender als
Jungen der frühen Förderung in der Grundschule und der Unterstufe bedürfen.
Vor der Analyse der schulischen Fördermöglichkeiten stand die Feststellung, dass
die Förderung hochbegabter Kinder besonders notwendig in der Grundschule ist.
Dazu werden momentan mehr Fördermöglichkeiten der Akzeleration als des
Enrichment angeboten. Maßnahmen der Akzeleration sind in Baden-Württemberg
durch Gesetzesänderungen in Bezug auf das Überspringen von Klassen wie auch die
vorzeitige Einschulung erleichtert und durch die jahrgangsübergreifenden Klassen
des Projektes Schulanfang auf neuen Wegen unterstützt worden. Maßnahmen des
Enrichment für Grundschüler sind bisher hingegen noch nicht auf soviel Beachtung
gestoßen. Es gibt wenig geeignete Wettbewerbe für Grundschüler und auch zu
anspruchsvollen Arbeitsgemeinschaften in der Grundschule ist sehr wenig bekannt.
Offene Zusatzangebote, wie sie die Grundschule an der Beuthener Straße durchführt,
wären eine nachahmenswerte Möglichkeit. Die Kinder- und Jugendakademie
Stuttgart ist die erste derartige Institution, die Angebote im Grundschulbereich führt.
Die große Nachfrage nach Plätzen zeigt, dass ein Bedarf an derartigen Angeboten
besteht. HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 69) sind ebenfalls zu dem Ergebnis
Schulische Fördermöglichkeiten
84
gekommen, dass Enrichmentangebote im Grundschulbereich ausgebaut werden
sollten.
Ein Problem, das bei den Förderprogrammen für Hochbegabte generell besteht, ist,
hochbegabte Schüler zu erkennen. Wenn Underachiever nicht erkannt werden, dann
können sie auch nicht gefördert werden. Nach HOLLING, VOCK & PRECKEL
(2001, 69) ist dafür allerdings noch die genauere Erforschung der Ursachen von
Underachievement notwendig. Dann sollten Konzepte entwickelt werden, wie
besonders begabte Underachiever erkannt und gefördert werden können. Eine
weitere Problemgruppe bilden Höchstbegabte. Im Gegensatz zu Kindern mit leichter
Hochbegabung hat das Überspringen von ein oder zwei Klassen für Schüler, die
ihren Alterskameraden um fünf oder sechs Jahre voraus sind, wenig Wert. In diesem
Fall ist die Gruppierung nach Fähigkeiten der radikalen Akzeleration vorzuziehen
(WINNER 1998, 241f). Obwohl sich HEINBOKEL (1988, 109) wie auch FEGER &
PRADO (1998, 161) für integrative Konzepte aussprechen, ist ein gewisser
Prozentsatz an Hochbegabtenklassen aus ihrer Sicht notwendig, beziehungsweise gut
für manche hochbegabte Schüler.
Das Konzept der Separation ist folglich nicht generell abzulehnen, zumal keine
negativen Effekte für die Schüler nachgewiesen werden konnten. Für Schüler, die
bereits Störungen in ihrer Entwicklung aufweisen, kann die Begleitung durch
Schulpsychologen oder Sozialpädagogen des Internats einer Hochbegabtenschule zur
emotionalen Stabilisierung beitragen. Für den späteren Lebensweg scheint allerdings
eine Integration in die Gesellschaft von Bedeutung zu sein. Somit wäre das Konzept
von Sonderklassen der Jugenddorf-Christophorusschule in Braunschweig, bei dem
durch das Jugenddorfprogramm gleichzeitig auch die Integration in die Gemeinschaft
„normalbegabter“
Kinder
gefördert
wird,
separaten
Hochbegabtenschulen
vorzuziehen. Die separate Hochbegabtenförderung muss dabei in ein Gesamtkonzept
eingebettet sein, das arrogantes und elitäres Bewusstsein verhindert, wie zum
Beispiel die Verpflichtung zum christlich motivierten sozialen Lernen der
Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig (EICHHOLZ 1987, 48f).
Gegen eine Separation spricht nach LANGENEDER (1997, 114), dass es kein
Verfahren gibt, Hochbegabung gültig zu testen, und somit auch kein gültiges
Ausleseinstrument. Separation der hochbegabten von den normalbegabten Schülern
führt in Grenzfällen zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten. WALDMANN &
WEINERT (1990, 185) fordern deshalb ein Maximum an Offenheit bei
Schulische Fördermöglichkeiten
85
Hochbegabtenprogrammen. Durch ein durchlässiges System von Sonderklassen und
normalen Klassen, wie es die Christophorusschule Braunschweig praktiziert, ist
jedoch ein hohes Maß an Offenheit gewährleistet. Eine generelle Separation
Hochbegabter wie auch den Ausbau von D-Zug-Klassen mit der Folge eines
viergliedrigen Schulsystems halte ich für bedenklich. Statt dessen sollte lieber, wie
auch WINNER (1998, 249) es fordert, das Unterrichtsniveau für alle Schüler
angehoben
werden,
zumal
alle
Schüler
durch
höhere
Erwartungen
nachgewiesenermaßen bessere Leistungen erbringen. Dadurch würden gleichzeitig
auch die Haupt- und Realschule wieder aufgewertet werden.
Insgesamt ergibt sich für Baden-Württemberg eine Vielfalt an sinnvollen
Maßnahmen zur Hochbegabtenförderung. Da nicht jede Maßnahme für jeden
Begabten geeignet ist, sollte das Schulsystem auch stets verschiedene Optionen
ermöglichen (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 71; WALDMANN &
WEINERT 1990, 185). Laut einer Umfrage über wünschenswerte Fördermaßnahmen
unter Eltern von 4.-Klässlern (ROST 1993, 203ff) ziehen diese Eltern jedoch
Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung Maßnahmen der inneren wie auch
der äußeren Differenzierung vor. Im anschließenden Kapitel werde ich näher auf die
Möglichkeiten und die Bedeutung der außerschulischen Maßnahmen eingehen.
Außerschulische Fördermöglichkeiten
86
5 Außerschulische Fördermöglichkeiten
5.1 Familiärer Kontext
Nach der Diskussion der schulischen Fördermöglichkeiten werde ich in diesem
Kapitel auf die Bedeutung der Familie für die Förderung hochbegabter Kinder
eingehen. Zum einen werde ich dabei der Frage nachgehen, welche Rolle die Eltern
generell bei der Entwicklung hochbegabter Kinder spielen, und zum anderen wie sie
ihre Kinder gezielt fördern können. Dabei werden Erwartungen an die Eltern wie
auch Grenzen elterlichen Handelns zur Sprache kommen.
Dass die Familie Einfluss auf die Entwicklung hochbegabter Kinder ausübt, ist
unbestritten. Fraglich ist hingegen noch das Ausmaß des Einflusses. So kommt in der
Behauptung von MÜLLER (2000, 112) den Eltern eine tragende Rolle zu: „Ohne die
Unterstützung durch die Eltern wird ein hoch Begabter seine Anlagen kaum entfalten
können.“ Das BMBF (2001b, 31) sieht die bedeutende Rolle der Familie in der
Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, wozu die geistige wie auch die soziale und
emotionale Entwicklung von Kindern zählt.
Die geistige Entwicklung ihrer Kinder können Eltern fördern, indem sie ihren
Kindern Anregungen bieten und auf ihre Interessen und Bedürfnisse eingehen.
Anregungen liefern in erster Linie Gespräche mit Erwachsenen, seien es Eltern,
Großeltern oder andere Erwachsene. Daneben bieten Medien, wie zum Beispiel
Bücher, Zeitungen, CDs und Kassetten, Anregungen, ebenso Reisen sowie Besuche
von Museen oder Theatervorstellungen. Bei Büchern empfiehlt es sich, zum einen
das Kind mit in eine Bücherei zu nehmen und zum anderen beim Aufbau einer
eigenen „Bibliothek“ zu unterstützen, wozu vor allem auch Nachschlagewerke
zählen. Dies kann durch Geschenke zum Geburtstag oder Weihnachten geschehen.
Neben Büchern liefern auch das Fernsehen und der Computer einschließlich des
Internets Anregungen und sind keinesfalls generell abzulehnen. Die Frage stellt sich
vielmehr nach dem richtigen Umgang mit Fernsehen und Computer. So sollten die
Eltern wissen, welche Sendungen ihr Kind im Fernsehen sieht und was es mit dem
Computer macht, da nicht alles kindgerecht ist. Aus dem gleichen Grund sollten
Eltern ihr Kind besser nur unter Aufsicht im Internet suchen lassen. Daneben braucht
ein Kind aber auch möglichst vielfältiges Spielzeug, wie zum Beispiel
Konstruktionsspielzeug, Gesellschaftsspiele, Puppen für Rollenspiele oder Papier
und Malsachen. Kleinkinder finden Babyspielzeug jedoch oft uninteressant und
Außerschulische Fördermöglichkeiten
87
interessieren sich eher für Haushaltsgegenstände. Man sollte Kindern daher die
Gelegenheit geben, ungefährliche Gegenstände zu untersuchen und ausgediente
Haushaltsgegenstände auseinander zu nehmen. Eltern sollten ihr Kind jedoch auch
nicht mit immer neuen Anregungen und Spielzeug überhäufen, sondern sich nach
den Bedürfnissen des Kindes richten. Ebenso sollten sich Eltern nach dem
Lerntempo des Kindes richten. Das Kind braucht auch genügend Zeit für
vergnügliche Spiele und Aktivitäten ohne ein bestimmtes Lernziel (BMBF 2001b
32ff). LANDAU (1990, 79) betont, dass Eltern zwar Anreize schaffen können, ihr
Kind aber nicht zum Handeln antreiben sollen. Nach MÜLLER (2000, 75f) sollten
Eltern ihrem Kind zudem gestatten, möglichst vielfältige Aktivitäten auszuprobieren,
da sich bleibende Interessen erst in den Jahren der Pubertät herausschälen.
Zu den Bedürfnissen hochbegabter Kinder gehört darüber hinaus die Beantwortung
ihrer unzähligen Fragen, um ihren Wissensdurst zu stillen. Das BMBF (2001b, 35)
empfiehlt den Erwachsenen, bei kleinen Kindern wenn möglich alle Fragen korrekt
und ausführlich zu beantworten. Auch bei älteren Kindern sollte man sich als
Elternteil um die Beantwortung der Fragen bemühen, damit das Kind erkennt, dass
man es ernst nimmt und sich wirklich um es kümmert. SASSENRATH (1990, 165f)
hingegen ist gegen eine sofortige und häufige Beantwortung der Fragen durch die
Eltern, zumal es für einen Erwachsenen schwierig ist, alle Fragen eines
hochbegabten Kindes inhaltlich hinreichend und korrekt zu beantworten. Sie
begründet ihre Ablehnung damit, dass das ständige Beantworten durch Erwachsene
einem Kind nicht hilft, eigene Lösungswege zu entdecken. Das heißt aber nicht, dass
Erwachsene die Fragen abblocken sollen. Sie sollen vielmehr ihrem Kind jene
Werkzeuge vermitteln, mit deren Hilfe sie Fakten, Erkenntnisse und Tatsachen selbst
entdecken können. Dies kann durch gezieltes Rückfragen geschehen, das die
Aufmerksamkeit auf den Denkprozess des Kindes lenkt. Mögliche Rückfragen sind:
„Wie kommst Du zu dieser Annahme?“, „Welche Überlegung führte Dich zu diesem
interessanten Ergebnis?“. Gensley (in SASSENRATH 1990, 175f) verdeutlicht die
Bedeutung des eigenständigen Benutzens von Informationsquellen für hochbegabte
Kinder: „Eltern können ihrem Kind nicht alles geben, wie ausgiebig ihre Ressourcen
auch sein mögen, aber sie können ihrem Kind die Chance geben, selbständig zu
lernen.“ LANDAU (1990, 81) sieht die Aufgabe der Eltern auch nicht darin, ihren
Kindern
Wissen
und
Information
zu
vermitteln.
Das
fällt
in
den
Zuständigkeitsbereich der Schule. Eltern sollten ihren Kindern, um im Leben
Außerschulische Fördermöglichkeiten
88
zurechtzukommen, eine kreative Grundeinstellung vermitteln. Diese kann die
allgemeine Grundlage für die nicht vorhersehbare Entwicklung des Kindes und seine
zukünftigen Aufgaben bilden. WINNER (1998, 181) zeigt auf, dass Eltern
erfolgreicher Kinder diese nicht in bestimmte Domänen gelenkt haben, sondern
ihnen auch durch ihr eigenes Vorbild vor allem die Freude am Lernen, an geistigen
Herausforderungen und an guten Leistungen vermittelt haben.
Nach den Befragungen von hochbegabten Kindern und Jugendlichen auf
Sommercamps durch SASSENRATH (1990, 41ff) erwarten diese von ihren Eltern
auch keine Wissensvermittlung oder inhaltliche Beratung ihrer eigenen Projekte.
Diese Rolle schreiben sie vielmehr ihren Lehrern zu, von denen sie sich eine
fachinhaltliche Beratung in Form von Tipps und Denkanregungen wünschen.
Dennoch kommt den Eltern aus Sicht der Befragten bei der Unterstützung ihrer
Projekte das höchste Gewicht zu. Zum einen erwarten die Kinder und Jugendlichen
von ihren Eltern forschungsförderliche Bedingungen wie ein eigenes Zimmer, die
Bereitstellung von Material und Zeit zum Arbeiten, wozu auch die Freistellung von
Mahlzeiten und Arbeiten im Haus zählt, und weitere „wohltuende Bedingungen“ wie
ein spannungsfreies Familienverhältnis. Zum anderen erwarten Hochbegabte ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen aktiver Unterstützung und „Nicht-Einmischung“.
Unter letzterem wird nicht ein Desinteresse der Eltern verstanden, sondern gefordert,
dass Eltern kindliche Eigenständigkeit gewähren und respektieren. Das erfordert von
Eltern Geduld, wenn Kinder während ihres entdeckenden Lernprozesses Fehler oder
Umwege machen. An Maßnahmen der aktiven Unterstützung wird vor allem
„psychologische Unterstützung“ erwartet, wie zum Beispiel Trost, Lob, Ermutigung
und konstruktive Kritik. Aussagen seitens der Eltern, wie „toll“, „schön“, „gut
gemacht“ genügen den Kindern dabei nicht. Sie wünschen sich eine differenziertere
Rückmeldung, in der ihre Leistung anerkannt wird und fachliche Kritik geäußert
wird.
Kinder erwarten von ihren Eltern dementsprechend vor allem auch psychologische
Unterstützung. Eine der wichtigsten Erkenntnisse für die soziale und emotionale
Entwicklung eines Kindes ist, dass das Kind das Gefühl und die Sicherheit braucht,
dass es, so wie es ist, geliebt wird (LANDAU 1990, 78). Dazu gehört auch, trotz der
Förderung der intellektuellen Fähigkeiten des Kindes, die Hochbegabung nicht zum
wichtigsten Bestandteil der kindlichen Persönlichkeit zu erhöhen (HOLLENBACH
1999, 168). Gefühle sind für hochbegabte Kinder genauso wichtig wie für alle
Außerschulische Fördermöglichkeiten
89
anderen Kinder, und sie müssen lernen, mit ihnen umzugehen (BMBF 2001b, 39).
Eltern sollten dabei bedenken, dass die sozial-emotionale Entwicklung häufig zwar
ebenfalls akzeleriert ist, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie die intellektuelle
Entwicklung (siehe 3.2). BUTLER-POR (1987, 10ff) nennt sechs verschiedene
soziale
und
emotionale
Faktoren
als
Voraussetzung
für
eine
gesunde
Persönlichkeitsentwicklung und damit auch als Voraussetzung, um Freude am
Lernen zu haben. Dazu zählen grundlegendes Vertrauen, Vertrauen in andere und
Selbstvertrauen, sowie Unabhängigkeit und Eigeninitiative neben Selbstbewusstsein.
Gleichzeitig zählt sie aber auch sechs verschiedene Faktoren der Motivation auf, die
erfüllt sein müssen, damit das Kind gute Leistungen in der Schule erbringt.
Folglich scheint die Kombination von geistiger Anregung und psychologischer
Unterstützung bedeutsam für die Förderung von Hochbegabung. Zu diesem Ergebnis
kam Cszikszentmihalyi (in WINNER 1998, 184f) aufgrund einer Langzeitstudie über
Teenager mit herausragenden Begabungen. Die Familien der untersuchten
Jugendlichen teilte er in vier verschiedene Gruppen ein: „differenzierte“,
„integrierte“, „komplexe“ und „einfache“ Familien. Differenzierte Familien boten
ihren Kindern sehr viele Anregungen, aber wenig emotionale Unterstützung.
Integrierte Familien hingegen boten emotionale Unterstützung, aber wenig Anreize.
Komplexe Familien boten sowohl Anregung als auch Unterstützung, während
einfache Familien weder das eine noch das andere zur Verfügung stellten. Im
Vergleich zu den anderen Gruppen berichteten die Jugendlichen aus komplexen
Familien von einem höheren Grad an Aufmerksamkeit und Zielstrebigkeit und waren
nach ihrer Selbsteinschätzung am zufriedensten. Nach Cszikszentmihalyi ist das
Untersuchungsergebnis damit zu erklären, dass die Integration der Familie positive
Gefühle und einen hohen Energielevel bewirkt, während die Differenzierung der
Familie die Bereitschaft erzeugt, sich großen Herausforderungen zu stellen.
Nach Meinung von MÜLLER (2000, 112f) ist eine enge Eltern-Kind-Beziehung eine
„unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der Jugendliche seine Begabungen
entfalten kann und einen erfolgreichen Start ins Erwachsenenleben schafft.“
Allerdings besteht nach HOLLENBACH (1999, 171) ebenso die Gefahr einer zu
engen Beziehung, die den Kindern die Chance nimmt, sich selbst zu entwickeln, für
sich selbst Verantwortung zu übernehmen und nicht jedes Problem an die Eltern zu
delegieren. Deshalb muss im Vorschulalter eine langsame und vorsichtige Ablösung
von der Mutter versucht werden, verbunden mit dem Aufbau von vertrauensvollen
Außerschulische Fördermöglichkeiten
90
Beziehungen zu anderen Kindern und Erwachsenen (BMBF 2001b, 39). Die sechs
sozialen und emotionalen Faktoren von BUTLER-POR (1987, 11ff) spiegeln diese
Gratwanderung in der Erziehung wieder. Einerseits sollen die Eltern die Bedürfnisse
der Kinder erfüllen, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Andererseits sollen sie die
Unabhängigkeit der Kinder fördern und ihnen die Initiative bei der Entdeckung der
Umgebung überlassen. Der Erziehungsstil von Eltern, die ihren Kindern Autonomie
gewähren, aber dennoch klare Maßstäbe setzen wird als autoritativ bezeichnet
(WINNER 1998, 183). Autoritative Eltern vermitteln klare moralische Werte,
respektieren aber die Unabhängigkeit ihrer Kinder und tolerieren anfängliche Fehler.
Von den Kindern wird erwartet, dass sie eigenständig Entscheidungen treffen und
sogar gewisse Risiken eingehen. Studien mit normal begabten Kindern belegen, dass
gemessen am Erfolg der Kinder, autoritative Eltern mehr erreichen als autoritäre oder
permissive Eltern.
In diesem Sinne fordert LANDAU (1990, 78) konkret, den Kindern schon frühzeitig
die Verantwortung in der Schule zu überlassen, um sie nicht zu Abhängigkeit und
Verantwortungslosigkeit zu erziehen. Kinder wollen ihre Sorgen mit den Eltern sehr
oft einfach nur teilen, das heißt sie wollen Mitgefühl und nicht immer Ratschläge
und Beschützung. Allein das Gefühl, den Eltern alles erzählen zu können, ohne
gleich zurechtgewiesen zu werden, gibt dem Kind Sicherheit und die Kraft,
Verantwortung für sein Handeln zu tragen.
Dennoch kann es bei der Erziehung hochbegabter Kinder gelegentlich vorkommen,
dass man sich als Elternteil überfordert fühlt, insbesondere wenn das Kind sehr vital
und aktiv ist, wenig schläft und einen als hauptsächliche Bezugsperson gerade im
Vorschulalter fast pausenlos beansprucht. Da bei hochbegabten Kindern die Gefahr
„aufgefressen“ zu werden besonders groß ist, sollte man als Elternteil nicht davor
zurückschrecken, seine eigenen Bedürfnisse unter anderem nach Ruhe, Lesen und
„Privatzeit“ deutlich auszudrücken. Das Kind hat sich an vereinbarte Ruhezeiten zu
halten. Es muss beispielsweise auch längere Zeit konzentriert allein spielen können.
Im Gegenzug kann man eine Privatzeit für das Kind festlegen. Das können täglich
zehn ungestörte Minuten mit einem Elternteil sein, während denen das Kind
entscheidet, was gemacht wird. Wichtig ist dabei vor allem die Regelmäßigkeit
(BMBF 2001b, 36ff). Darüber hinaus müssen die Eltern darauf achten, dass auch die
Geschwister hochbegabter Kinder zu ihrem Recht kommen. Jedes Kind hat
Außerschulische Fördermöglichkeiten
91
unterschiedliche Fähigkeiten, die alle gefördert werden sollten (MÜLLER 2000,
113f).
WINNER (1998, 175) berichtet jedoch auch von Familien, die außergewöhnlich
kindzentriert gelebt haben. Um ihren hochbegabten Kindern die beste Förderung zu
ermöglichen, haben Elternteile für ihr Kind den Beruf aufgegeben, sind Eltern
umgezogen oder haben zeitweise getrennt gelebt. All das kann von den Eltern jedoch
nicht verlangt werden und muss auch nicht unbedingt zur Zufriedenheit der Kinder
führen. Nach LANDAU (1990, 80) liegt eine große Gefahr darin, dass die
aufgegebenen Wünsche der Eltern auf das Kind projiziert werden und es dadurch
unter Druck gesetzt wird. Zudem haben Eltern, die ihr Kind zu Höchstleistungen
antreiben, aber selbst nicht hart arbeiten, erheblich weniger Einfluss auf den Erfolg
ihrer Kinder als andere Eltern, die hohe Ansprüche an ihre Kinder stellen, aber auch
selbst sehr viel leisten. Eltern müssen vorleben, was sie fordern (WINNER 1998,
179). Sie sind ein zentrales Rollenmodell für ihre Kinder. Aus diesem Grund ist es
für hochbegabte Kinder wichtig zu erleben, wie Eltern ihre Fähigkeiten einsetzen
und anwenden. Als Elternteil sollte man deshalb seine eigenen Interessen pflegen
und das Kind daran teilhaben lassen (BMBF 2001b, 39).
Neben den hohen Anforderungen, die hochbegabte Kinder an ihre Eltern stellen,
haben Eltern auch unter dem Druck von Unverständnis und Fehlzuschreibungen in
ihrem Umfeld zu leiden. Wenn Eltern klarer mit den Bedürfnissen ihres Kindes und
den Schwierigkeiten im Umfeld umgehen können, dann verleiht dies ihren Kindern
auch größere Sicherheit, problematische Bedingungen außerhalb der Familie, zum
Beispiel in der Schule, zu akzeptieren (BMBF 2001a, 35ff). Für Eltern ist es deshalb
wichtig, sich von der Meinung anderer zu lösen, denn sie kennen die Individualität
und damit die Bedürfnisse ihres Kindes und können sie mit am intensivsten fördern
(ELBING 2000, 75; LANDAU 1990, 79). Gleichzeitig müssen sie ihren
hochbegabten Kindern vermitteln, dass sie lernen müssen, sich in einer Welt zu
behaupten und einigermaßen zufrieden zurechtzufinden, die nicht oder nur
gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Das bedeutet, konstruktiv
mit Einschränkungen des Lernbedürfnisses umzugehen und nicht die Lösung der
Schwierigkeiten allein von Institutionen wie der Schule zu erwarten. So sollten
Eltern ihr Kind auf den Schulbeginn vorbereiten, indem sie ihm erklären, dass es
lernen muss mit seinem Anderssein umzugehen, während die Mitschüler lesen
lernen. Ärger des Kindes über die Schule sollte nicht bedingungslos übernommen
Außerschulische Fördermöglichkeiten
92
werden. Stattdessen sollte man von dem Kind fordern, sich selbst um die Erfüllung
seiner Bedürfnisse zu kümmern, wobei man dem Kind Unterstützung anbieten kann.
Beispielsweise kann ein Kind im Rollenspiel mit der Mutter üben, wie es die
Lehrerin bittet, etwas anderes tun zu dürfen, wenn es mit seiner Aufgabe schneller
fertig ist (ELBING 2000, 77ff). Wenn Eltern sich durch die hohen Anforderungen
ihres Kindes und das mit Unverständnis reagierende Umfeld überfordert fühlen, dann
können Hochbegabtenverbände und Beratungsstellen Unterstützung anbieten.
5.2 Hochbegabtenverbände
Außerhalb der Schule gibt es Hochbegabtenverbände und weitere Einrichtungen, die
sich für die Förderung hochbegabter Kinder einsetzen. Zum einen vertreten sie
Hochbegabte in der Öffentlichkeit, zum anderen unterstützen sie Eltern durch
Beratung und bieten den hochbegabten Kindern Förderangebote.
Eltern erkennen zwar sehr häufig besondere Begabungen ihrer Kinder, sind jedoch
oft unsicher, aus Angst zu ehrgeizig zu erscheinen oder die Kinder zu überschätzen.
Empfehlenswert kann daher eine Klärung der Vermutungen durch eine
fachpsychologische Untersuchung und Beratung - am besten vor der Einschulung sein.
Neben
der
Klärung
der
Begabung
können
Beratungseinrichtungen
Fördermöglichkeiten aufzeigen und Unsicherheiten der Eltern bezüglich der
Erziehung ihrer hochbegabten Kinder abbauen. Wie im letzten Kapitel dargestellt,
fühlen sich viele Eltern überfordert und sind sich unsicher darüber, ob sie ihr Kind
optimal fördern können. Außerdem kann eine Beratung auch dazu beitragen,
zwischen Schule und Elternhaus zu vermitteln (BMBF 2001b, 32). Der Ausschuss
„Bildungsplanung“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung schreibt in seiner Sitzung am 31. Mai 1990 dazu fest, dass die
Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher durch Beratung vorbereitet und
begleitet werden soll (HOLLING & KANNING 1999, 76).
Schulpsychologische Beratungsstellen können eine erste Anlaufstelle vor Ort sein,
haben allerdings nicht immer dafür hinreichend ausgebildete Psychologen.
Empfehlenswert sind daher spezielle Beratungsstellen für Hochbegabte. In BadenWürttemberg gibt es zwei derartige Einrichtungen. Die ältere Beratungsstelle
befindet sich am Psychologischen Institut der Universität Tübingen und wird von
Frau Dr. Aiga Stapf geleitet (HOLLENBACH 1999, 215). Seit kurzem gibt es als
Außerschulische Fördermöglichkeiten
93
weitere Einrichtung eine landesweite Test- und Beratungsstelle für hochbegabte
Kinder und Jugendliche an der Universität Ulm. Leiter dieser Beratungsstelle ist
Prof. Dr. Dr. Ziegler (www.uni-ulm.de/hochbegabung/).
Eine Beratung kann Eltern Alternativen im Erziehungsverhalten aufzeigen. Die
Möglichkeit, andere Verhaltensweisen auszuprobieren, kann darüber hinaus ein
Elterntrainingsprogramm bieten. SASSENRATH (1990, 222f) hat mit dem KölnerEltern-Mentoring ein Trainingsmodell für Eltern hochbegabter Kinder entwickelt, in
dem die Eltern als Mentoren ihrer Kinder lernen sollen, ein außerschulisches
Enrichment-Projekt durchzuführen. In diesem Kurs erarbeiten sich die Eltern in
Form von Rollenspielen und anderen Gruppenarbeitsmethoden folgende Inhalte:
Durchführen
kreativer
Informationsressourcen,
Problemlösetechniken,
aktives
Zuhören,
Einbeziehen
denkförderndes
verschiedenartiger
Fragen
unter
Berücksichtigung der Bloom’schen Lernzieltaxonomie und Einarbeiten in Gray’s
Helping Relationship Model des kanadischen „Mentorings“. Das heißt die Eltern
probieren unter anderem neue Verhaltensweisen aus und üben diese ein. Das
Programm zielt, wie gesagt, jedoch nicht nur darauf ab, das Erziehungsverhalten der
Eltern zu ändern, sondern die Eltern zu befähigen, ihren Kindern außerschulische
Fördermöglichkeiten in Form eines Projektes zu bieten. Somit erfahren auch die
hochbegabten Kinder durch dieses Programm direkte Förderung, zumal die
Ergebnisse ihrer Projekte im Rahmen des Kurses vorgestellt werden. Der Nachteil an
den elterninitiierten Enrichment-Projekten ist, dass jedes Kind für sich allein zu
Hause an einem Projekt arbeitet und dies nicht zu einem Kontakt mit
Gleichbefähigten verhilft. Allerdings könnten Eltern ihre Ausbildung zum Mentor
auch dazu nutzen, Enrichment-Kurse für hochbegabte Kinder zu organisieren, wie
sie auch die Hochbegabtenverbände anbieten.
Der älteste und mit über 4.000 Mitgliedern 1998 auch größte Hochbegabtenverband
Deutschlands ist die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V. (DGhK).
Dieser Verein wurde 1978 nach dem Vorbild der britischen Organisation National
Association for Gifted Children (NAGC) von betroffenen Eltern gegründet. Auslöser
war der Fall eines hochbegabten Schülers gewesen, der an den Anforderungen der
Realschule gescheitert war. Neben Eltern zählten zu den Gründungsmitgliedern auch
die Lehrerin Dr. Annette Heinbokel und der Entwicklungspsychologe Prof. Dr.
Wilhelm Wieczerkowski (HOLLING & KANNING 1999, 80; BMBF 2001c, 16f).
Außerschulische Fördermöglichkeiten
94
Die DGhK e.V. setzt sich für die Förderung hochbegabter Kinder ein, wobei der
Verein keine präzise Definition von Hochbegabung vorgibt. Als hochbegabt gelten
Kinder, die eine hohe Motivation bei selbstgesetzten Aufgaben und Originalität und
Kreativität bei deren Lösung zeigen. Allgemein bietet die DGhK e.V. folgende
Maßnahmen an (nach HOLLING & KANNING 1999, 82ff):
-
Telefonische Beratung für Eltern hochbegabter Kinder;
-
Beratung von Lehrern, Erziehern, wie auch Psychologen, Sozialpädagogen
und Kinderärzten;
-
Förderung von Elterngesprächskreisen, Informationstreffen mit Vorträgen
und Diskussionsforen im Internet;
-
Durchführung von Förderkursen für hochbegabte Kinder;
-
Vertretung der Interessen hochbegabter Kinder gegenüber Schulbehörden;
-
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit;
-
Herausgabe der Vereinszeitschrift „Labyrinth“;
-
Anregungen zu Arbeiten im Bereich der Hochbegabtenforschung.
Abgesehen von den bundesweiten Maßnahmen, wie zum Beispiel der Herausgabe
der Vereinszeitschrift und dem Angebot an Internetforen unter www.talentefoerdern.de und www.kubus.home.pages.de, werden jedoch nicht alle der
aufgelisteten Maßnahmen vor Ort angeboten, was mit der Struktur des Vereins
zusammenhängt (HOLLLING & KANNING 1999, 82f). Die DGhK e.V. ist ein
Bundesverein, zu dem 18 Regionalgruppen gehören, die die Arbeit vor Ort
durchführen, wie beispielsweise die Organisation von Veranstaltungen für
hochbegabte Kinder und die Beratung von Eltern und Lehrern. Bei den
Regionalgruppen
unterschieden.
wird
zwischen
Regionalvereine
Regionalvereinen
sind
selbstständige
und
Regionalverbänden
Vereine,
wohingegen
Regionalverbände in ihrer Region zwar weitgehend eigenständig arbeiten, aber
vereinsrechtlich durch den Vorstand des Bundesvereins vertreten werden
(www.dghk.de).
Für das Gebiet von Baden-Württemberg ist der Regionalverband BadenWürttemberg zuständig. Er bietet Ansprechpartner und speziell für Eltern von
Kindern im Vorschulalter eine Hotline zur Erstberatung. Die Elterngruppen des
Verbands befinden sich allerdings noch im Aufbau. Es besteht jedoch das Angebot
einer Kontaktbörse. Darüber hinaus veranstaltet der Verband Informationsabende
Außerschulische Fördermöglichkeiten
95
und ein Sommercamp für Hochbegabte im Alter von sieben bis vierzehn Jahren
(www.dghk-bw.de).
In den 90er Jahren kam es durch den Zuwachs an Mitgliedern in der DGhK e.V. und
dem gestiegenen Interesse am Thema Hochbegabung zu Abspaltungen von der
DGhK e.V. und zu Neugründungen von Elterninitiativen und Vereinen mit ähnlichen
Zielen. Den größten Einfluss unter den Neugründungen übte der bundesweit aktive
Verein Hochbegabtenförderung e.V. aus, der mittlerweile ungefähr 1.200 Mitglieder
umfasst. Gegründet wurde er Anfang 1994 von der ehemaligen ersten Vorsitzenden
der DGhK e.V., Jutta Billhardt, nachdem ihre Auffassungen zu einem geeigneten
Förderkonzept für Hochbegabte mit den Auffassungen des DGhK e.V. in Konflikt
gerieten. So war das Ziel der Gründung, nachgewiesenermaßen hochbegabte und
überdurchschnittlich
intelligente
Kinder
in
ihrer
Intelligenz-
und
Persönlichkeitsentwicklung optimal zu fördern. Als Aufnahmekriterium für die
Kinder gilt im Gegensatz zur DGhK e.V. ein IQ von mindestens 115. Damit soll zum
einen vermieden werden, dass überehrgeizige Eltern ihre Kinder überfordern, und
zum anderen, dass die Förderkurse genauso verlaufen wie eine Schulstunde.
Daneben unterscheidet sich Hochbegabtenförderung e.V. von der DGhK e.V. auch in
der Struktur. Bei der DGhK e.V. werden wichtige Vorhaben basisdemokratisch von
den Regionalverbänden mitentschieden, wohingegen Hochbegabtenförderung e.V.
ein zentral organisierter Verein ist (BMBF 2001c, 48ff; HOLLING & KANNING
1999, 84ff; BILLHARDT 1996, 203ff).
Entsprechend der Satzung strebt Hochbegabtenförderung e.V. folgende Zwecke an
(BILLHARDT 1996, 221):
-
Durchführung des Förderungskonzeptes durch differenzierte Kursangebote;
-
Betreuung der Eltern und Erziehungsberechtigten durch ausführliche und
persönliche Beratungsgespräche;
-
Intensive Informations- und Aufklärungsarbeit für Pädagogen aller
Schultypen sowie schulpsychologische Dienste;
-
Erzieher- und Lehrerfortbildung in Form von Seminaren, Hospitationen und
so weiter;
-
Umfassende und gezielte Aufklärung der Öffentlichkeit über das Thema
Hochbegabung;
-
Einrichtung von Feriencamps;
Außerschulische Fördermöglichkeiten
96
Der Aufgabenschwerpunkt des Vereins liegt dabei auf dem differenzierten
Kursangebot für hochbegabte und überdurchschnittlich intelligente Kinder. In
Bochum, dem Sitz des Vereins, werden unter anderem Kurse in den Bereichen
Informatik, Chinesisch, Recht, Englisch und Biologie sowie ein Mädchen- und ein
Jungenclub angeboten. In weiteren deutschen Städten wie Bremen, Flensburg und
München gibt es Kurse zu Italienisch, Philosophie oder Technik. Den Kernkurs des
Hochbegabtenvereins e.V. bildet jedoch eine eigene „Lehrfirma“ mit einem echten
Produkt, das in dieser Form noch nicht auf dem Markt war und das in
Behindertenwerkstätten hergestellt wird. Die drei Städte Bochum, Braunschweig und
Düsseldorf bieten die Firmenkurse an. Der Kurs in Braunschweig ist zuständig für
Herstellung und Vertrieb, die Bochumer Gruppe übernimmt die Werbung und die
Düsseldorfer Gruppe betreibt unter der Leitung von Prof. Dr. Clemens Heidack
„Management“ (BILLHARDT 1996, 225ff). Nach HOLLING & KANNING (1999,
87) nimmt die Lehrfirma mittlerweile Aufträge richtiger Firmen zur Entwicklung
von Webseiten an und verdient damit auch Geld.
Unabhängig vom Inhalt ist das Ziel aller Kurse das Erlernen von sozialen
Handlungsstrategien, wie zum Beispiel das Austragen von Konflikten durch
Diskussionen und Verhandlungen, das Aufbrechen der Isolation vieler Hochbegabter
und der Erwerb von Lernstrategien sowie eigenes Handeln und das Erkennen eigener
Stärken und Schwächen. Um diese Ziele zu erreichen, finden die Kurse vorwiegend
in Form von Projektunterricht statt. Geleitet werden sie von hochbegabten
Erwachsenen, die oftmals Mitglied im Verein Mensa (siehe unten) sind. Die
Kursleiter müssen dabei einem bestimmten Anforderungsprofil genügen, da nach
Meinung der Gründerin des Vereins der Unterricht hochbegabter Kinder und
Jugendlicher ganz besondere Anforderungen an die fachliche und persönliche
Qualifikation der Kursleiter stellt. Die Kursleiter erhalten für ihre Tätigkeit jedoch
auch ein Honorar. Um qualifizierte Hochbegabtenförderung zu leisten ist nach
Meinung des Vorstandes ein gut ausgebildeter Stamm von Mitarbeitern notwendig,
die auch bezahlt werden müssen. Finanziert wird das Konzept durch Spenden in
Form von Geld- und Sachmitteln aus der Wirtschaft, Verwaltung und Politik wie
auch von Privatpersonen (BILLHARDT 1996, 223ff). Zudem ist für die einzelnen
Kurse eine Gebühr von 78 € pro Monat, das heißt für zweimal viereinviertel Stunden
zu 45 Minuten, zu entrichten. Bei Kindern aus einkommensschwachen Familien
können Kurse auch durch das Jugendamt oder private Sponsoren finanziert werden.
Außerschulische Fördermöglichkeiten
97
In Baden-Württemberg werden zur Zeit allerdings noch keine Kurse von
Hochbegabtenförderung e.V. angeboten. Der Verein strebt jedoch ein flächendeckendes Angebot von Förderkursen in der Bundesrepublik an (www.hbf-ev.de).
Neben Hochbegabtenförderung e.V. sind in den 90er Jahren noch weitere Vereine
entstanden, die jedoch nur regional Einfluss haben. Dazu zählen der aus einer
Elterninitiative in Münster hervorgegangene Verein Esca Mentis, ebenso wie
Synapse e.V. mit Sitz in Kassel und Vulkan e.V. in Ostfriesland. In BadenWürttemberg kam es 1998 zur Abspaltung des Regionalverbandes von der DGhK
e.V. und der Gründung des Landesverbandes Hochbegabung (BMBF 2001c, 49). Der
Landesverband Hochbegabung bietet ähnlich wie der jetzige Regionalverband
Baden-Württemberg der DGhK e.V. ein Beratungstelefon, Elterngruppen und
Einzelveranstaltungen. Mit 15 regionalen Elterngruppen ermöglicht er jedoch ein
flächendeckenderes Netz. Die Regelmäßigkeit, mit der diese Elterngruppen
Elternabende oder andere Veranstaltungen anbieten, hängt dabei von den einzelnen
Gruppen ab. Der gesamte Verband organisiert zudem Einzelveranstaltungen, wie
Familienwochenenden und Aktivitäten für die hochbegabten Kinder und
Jugendlichen. Dazu zählen Seminare für Schüler, unter anderem zu dem Thema
Berufsfindung, wie auch ein Mathecamp für 50 Teilnehmer im Alter von acht bis
zwölf Jahren. Darüber hinaus ist der Verband in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv und
hat sich beispielsweise gegen die Errichtung eines privaten Internats für hochbegabte
Schüler in Baden-Württemberg eingesetzt (www.lvh-bw.de).
Bereits 1995 war in Stuttgart ein lokal tätiger Verein gegründet worden, die Initiative
zur Förderung hochbegabter Kinder e.V.. Laut der Präambel des Vereins steht im
Mittelpunkt „die Unterstützung von Talent und harmonischer Persönlichkeitsentwicklung hochbegabter Kinder.“ Der Verein verfolgt dabei folgende Aufgaben:
-
Gegenseitige Hilfe bei Problemen mit Erziehung, Schule und Umwelt.
-
Gruppenerlebnisse unter Gleichgesinnten, Meisterung schwieriger Themen
im Miteinander.
-
Konkrete Unterstützung der Eltern durch Weitergabe von Informationen über
private und staatliche Hilfsangebote.
Für die hochbegabten Kinder gibt der Verein unter anderem eine Zeitung heraus und
bietet auf seiner Homepage einen Kummerkasten über E-Mail an (BMBF 2001c, 49;
www.hbkinder.org).
Außerschulische Fördermöglichkeiten
Ebenfalls
aus
der
DGhK
e.V.
98
ist
die
William-Stern-Gesellschaft
für
Begabungsforschung und Begabtenförderung e.V. hervorgegangen. Sie wurde 1985
von dem ehemaligen zweiten Vorsitzenden und Mitbegründer der DGhK e.V.,
Wilhelm Wieczerkowski, gegründet (BMBF 2001c, 48). Die Aufgaben des Vereins,
der eng mit der Universität Hamburg kooperiert, erstrecken sich auf folgende
Bereiche:
-
Die Beratung von Eltern begabter und talentierter Kinder wie auch von
Lehrern und in der Erziehungsberatung tätigen Psychologen;
-
Anregungen zu Arbeiten im Bereich der Begabungsforschung durch ideelle
und materielle Unterstützung;
-
Erprobung von Förderungsmodellen mit wissenschaftlicher Evaluation;
-
Periodische Berichterstattung über Ereignisse der Begabungsforschung und
Begabtenförderung sowie Anregung und Unterstützung von einschlägigen
Publikationen;
-
Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit;
-
Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen.
Neu war der Versuch, durch eine Gesellschaft in freier Trägerschaft, die jedoch eng
mit der Universität kooperiert, Praxis und Forschung miteinander zu verbinden, das
heißt „die wissenschaftliche Bearbeitung psychologischer und pädagogischer
Fragestellungen im Rahmen praktischer Maßnahmen zur Diagnostik, Beratung und
Förderung von besonders begabten Kindern und Jugendlichen zu betreiben“. Die
Kooperation mit einer Hochschule bringt wegen der dort verfügbaren materiellen
und personellen Ressourcen für den Verein erhebliche Vorteile mit sich. Außerdem
steigert ein universitätsgestütztes Programm die Attraktivität für Schüler und deren
Eltern. An Kursprogrammen, die von Elternvereinigungen angeboten werden, wird
kritisiert, dass sie von vielen, oft zufälligen Einflüssen abhängig sind, wie zum
Beispiel der Zahl der teilnahmebereiten und interessierten Kinder einer bestimmten
Altersgruppe,
der
Verfügbarkeit
eines
qualifizierten
Kursleiters
oder
der
Verfügbarkeit von Fachräumen, speziellen Geräten, Material und ähnlichem. Zudem
sind die Kurse ganz überwiegend von begrenzter Dauer. Die William-SternGesellschaft hingegen ist Träger von regelmäßig stattfindenden Kursen, die die
systematische Erarbeitung eines Fachgebietes ermöglichen. Diese Kurse des
Projektes „Talentsuche Mathematik“ stellen die Übertragung des amerikanischen
Akzelerationsprogramms „Study of Mathematically Precocious Youth (SMPY)“
Außerschulische Fördermöglichkeiten
99
(siehe Kapitel 4.2.1) in ein auf deutsche Verhältnisse zurechtgeschnittenes
Enrichmentprogramm dar. Die Schüler arbeiten dabei in kleinen Gruppen an
wöchentlich wechselnden anspruchsvollen mathematischen Problemen, wobei kein
Schulstoff vorweg genommen wird, sondern andere Stoffbereiche, zum Beispiel
Kombinatorik oder Strategiespiele, behandelt werden. Der Kurs findet etwa 25-mal
pro Jahr jeweils samstags Vormittags von 9-12.30 Uhr in den Räumen der
Universität Hamburg statt. Hinzu kommt einmal jährlich ein einwöchiger
Ferienaufenthalt in einem Schullandheim, um die Kontakte zwischen den Schülern
weiter zu fördern. Entsprechend dem Kurs in Mathematik gibt es auch einen Kurs
zur Talentförderung im sprachlichen Bereich, speziell im literarischen Schreiben. In
dem Schreibkurs werden auch Literatur vorgestellt, Sprachspiele durchgeführt und
mitgebrachte eigene Texte diskutiert (WAGNER 1987, 67ff; siehe auch
www.rrz.uni-hamburg.de/psych-2/EP/begabung/wilstern.html).
Ein großer Verein zum Thema Hochbegabung, der nicht nur national tätig ist, ist
Mensa. 1946 wurde die Organisation in Oxford gegründet, 1979 kam der mit
ungefähr 2.200 Mitgliedern mittlerweile drittgrößte Regionalverband Mensa in
Deutschland (MinD) hinzu. Ziel der Vereinigung ist laut internationaler Satzung
„menschliche Intelligenz zum Nutzen der Menschheit festzustellen, zu pflegen und
Untersuchungen über Natur, Charakteristik und Nutzung der Intelligenz zu fördern“.
Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist ein Intelligenzquotient von mindestens
130. Der dazu notwendige Intelligenztest kann entweder in Form eines Einzeltests
bei einem Diplompsychologen oder in Form eines Gruppentests bei Mensa selbst
abgelegt werden. Der Verein erscheint als lockerer Zusammenschluss hochbegabter
Menschen. So steht in der internationalen Satzung, dass Mensa selbst keine Meinung
hat. Zudem gibt es keine fest organisierten Lokalverbände. Der Verein ist somit stark
davon abhängig, was die augenblicklichen Mitglieder aus ihm machen. Eine
verbreitete Maßnahme ist der Zusammenschluss von Mensa-Mitgliedern zu
Hobbygruppen, sogenannten „Special Interest Groups“ (SIGs). Eine Special Interest
Group kann zu jedem Interessensgebiet gegründet werden, das legal und verträglich
mit den Zielen und der Unabhängigkeit von Mensa ist, das bedeutet eine SIG darf
beispielsweise nicht als politische Initiative tätig werden und keine kommerziellen
Interessen verfolgen. Regionale SIGs, wie zum Beispiel SIG Mund Freud, bestehen
aus Treffen mit einem gemeinsamen Ritual, in diesem Fall einem gemeinsamen
Essen. Das Internet bietet darüber hinaus die Möglichkeit, sich weltweit zu SIGs
Außerschulische Fördermöglichkeiten
100
zusammenzuschließen. Diese internationalen SIGs sammeln meistens Informationen
über ihr Interessengebiet und veröffentlichen sie in einem Rundbrief, den alle SIGMitglieder erhalten. Beispiele für solche SIGs sind die AstroSIG – eine
Interessengruppe zum Thema Astronomie, die SIGread – eine Interessengruppe zum
Thema Literatur und die Gay & Lesbian SIG – eine Interessengruppe für
homosexuelle Mensa-Mitglieder. Mensa International organisiert zudem das
sogenannte SIGHT-Programm. Die Teilnahme an diesem Programm bietet MensaMitgliedern die Möglichkeit, in fremden Ländern als Gast kostenlos von anderen
Mensa-Mitgliedern aufgenommen zu werden, wenn sie im Gegenzug ausländische
Mitglieder aufnehmen, die nach Deutschland kommen. Außerdem setzt sich Mensa
für die Heilung von verletzten und kranken Kindern aus Krisengebieten ein
(HOLLING &KANNING 1999, 89ff).
Mitglieder
von
Mensa
in
Deutschland
e.V.
organisieren
überregionale
Veranstaltungen wie auch Treffen auf lokaler Ebene. So finden in einer Reihe von
Städten regelmäßig, das heißt alle zwei Wochen bis einmal vierteljährlich,
Stammtische für Mitglieder statt. In einigen Städten werden zusätzlich noch
regelmäßig spezielle Veranstaltungen wie Spieletreffen oder ein Kulturprogramm
angeboten. In Mannheim/Heidelberg gibt es beispielsweise einmal im Monat einen
Stammtisch, in Karlsruhe gibt es zusätzlich noch einen monatlichen Spieleabend und
in Stuttgart wird neben dem monatlichen Stammtisch ein Kulturprogramm
angeboten. An überregionalen Veranstaltungen gibt es beispielsweise das Young
Mensa Treffen für Kinder und Jugendliche bis ungefähr 16 Jahre. Das heißt an
Wochenenden beziehungsweise in den Schulferien werden mit Betreuern mehrtägige
Fahrten an wechselnde Orte unternommen (www.mensa.de, HOLLING &
KANNING 1999, 90).
Mensa war ursprünglich zwar ein Zusammenschluss hochbegabter Erwachsener, es
gibt mittlerweile jedoch auch Gruppen für Kinder und Jugendliche. Mensa Kids für
Kinder bis 12 Jahre bietet Museumsbesuche, Spielenachmittage und Workshops an.
Für Jugendliche von 13 bis 18 Jahren bietet Mensa in Deutschland e.V. jährlich
Camps mit verschiedenen Projekten, zum Beispiel der Erstellung einer Homepage,
und Freizeitaktivitäten an (www.mensa-kids.de). Mensa setzt sich somit auch für die
Förderung hochbegabter Kinder ein.
Neben den Hochbegabtenverbänden gibt es weitere Einrichtungen, die zwar keine
Beratung durchführen, aber außerschulische Fördermöglichkeiten anbieten. Ein
Außerschulische Fördermöglichkeiten
101
offenes Angebot, das heißt nicht auf Hochbegabte beschränkt, machen Vereine, wie
zum Beispiel Schachclubs, oder Volkshochschulen. Bei diesen offenen Angeboten
mag es von den einzelnen Kursen abhängen, wie gut oder wenig geeignet sie für
hochbegabte Kinder sind. Zu den Einrichtungen, die spezielle Förderangebote für
hochbegabte Kinder machen, zählt der Studienkreis, ursprünglich eine Organisation
für Nachhilfekurse. Seit 1993 besteht das Angebot für hochbegabte Kinder. In der
Anfangszeit wurde ein Intelligenztest für die Teilnahme an Kursen vorausgesetzt.
Diese
Regelung
ist
jedoch
mittlerweile
abgeschafft
worden,
um
auch
hochmotivierten Kindern und Kindern mit speziellen Begabungen die Teilnahme zu
ermöglichen. Im Gegensatz zu Hochbegabtenförderung e.V. müssen die Kursleiter
selbst keine Hochbegabten sein, sondern sollen neben einem soliden Fachwissen vor
allem über Phantasie und Flexibilität verfügen. Die Kurse sind fächerübergreifend
angelegt,
wobei
die
Kursinhalte
nicht
den
Schulstoff
vorwegnehmen
(HOLLENBACH 1999, 205f). Angeboten werden unter anderem folgende Themen:
-
Verschiedene Programmiersprachen
-
Weitere Projekte aus dem EDV-Bereich
-
„exotische“ Sprachen wie Japanisch, Chinesisch oder Hebräisch
-
spezielle Themen aus der Mathematik
-
ausgewählte philosophische Fragen
-
Naturerkundungen
-
Experimente aus der Welt der Chemie und Physik
-
Theater- und Kunstworkshops
Die Themenpalette wird ständig ergänzt. Der Projektunterricht läuft in kleinen
Gruppen – zwischen vier und neun Kinder – und findet an Nachmittagen oder
samstags statt. Eine Unterrichtseinheit dauert je nach Thema zwischen einer und drei
Stunden (www.studienkreis.de). Für die Kurse ist allerdings eine Gebühr zu
entrichten. Nach HOLLENBACH (1999, 206) kostete ein 90-minütiger Kurs
160 DM pro Monat, wobei ein wesentlicher Zweck dieser Kurse sei, dass die Kinder
neue
Freundschaften
www.studienkreis.de
schließen
zur
Zeit
können.
nur
neun
Hinzu
kommt,
dass
dieser
Einrichtungen
es
laut
gibt,
die
Hochbegabtenförderung anbieten, davon keine in Baden-Württemberg.
Eine weitere Form der Förderung besteht in universitären Sommercamps wie sie
Professor Karl-J. Kluge veranstaltet. Sie richten sich nicht ausschließlich an
hochbegabte
Kinder
und
Jugendliche,
sondern
auch
an
hochmotivierte
Außerschulische Fördermöglichkeiten
102
(HOLLENBACH 1999, 216). Da in dieser Arbeit die direkten Förderkonzepte
gegenüber der Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund standen, werde ich nicht näher
auf Stiftungen, wie die Karg-Stiftung, eingehen, die mit finanziellen Mitteln
Hochbegabtenverbände und Bildungseinrichtungen für Hochbegabte unterstützen
(REHMANN 1999, 71f). Ebenso war primäres Ziel dieser Arbeit die Analyse der
Fördermöglichkeiten während der Schulzeit, so dass Stiftungen, die Studenten
fördern, nicht mehr mit einbezogen wurden.
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
103
6 Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
Ausgangspunkt des Kapitels über außerschulische Fördermöglichkeiten war die
Feststellung, dass es zwar eine Reihe schulischer Fördermöglichkeiten gibt, laut
einer Umfrage unter Eltern von 4.-Klässlern diese jedoch Maßnahmen der
außerschulischen Anreicherung Maßnahmen der inneren wie auch der äußeren
Differenzierung vorziehen. Somit stellt sich die Frage, ob außerschulische
Enrichmentmaßnahmen, die von Eltern oder Verbänden organisiert werden
ausreichend sind oder ob die Schule adäquatere Fördermöglichkeiten anbieten kann.
Das Kapitel über schulische Fördermöglichkeiten hat bereits gezeigt, dass
Maßnahmen des Enrichment wie auch der Akzeleration sinnvoll sind und diese sich
gegenseitig ergänzen können. Letztere Maßnahme kann – soll sie ein schnelleres
Durchlaufen der Schule bewirken – nur von dieser durchgeführt werden.
Maßnahmen des Enrichment, wie Kurse oder Seminare, können hingegen auch von
außerschulischen Einrichtungen durchgeführt werden.
An Kursprogrammen, die von Elternvereinigungen angeboten werden, kritisiert
WAGNER (1987, 67ff), dass sie von vielen, oft zufälligen Einflüssen abhängen, wie
zum Beispiel der Zahl der teilnahmebereiten und interessierten Kinder einer
bestimmten Altersgruppe, der Verfügbarkeit eines qualifizierten Kursleiters oder der
Verfügbarkeit von Fachräumen, speziellen Geräten, Material und ähnlichem. Zudem
sind die Kurse ganz überwiegend von begrenzter Dauer. Diese Kritik richtet sich in
erster Linie an den ältesten Hochbegabtenverband Deutschlands, die DGhK e.V.,
dessen Angebot von den einzelnen Regionalgruppen abhängig ist. Auch in anderen
Elternvereinigungen ist das Angebot oft vom Zufall und insbesondere vom
Engagement der jeweils aktiven Mitglieder abhängig. Für die hochbegabten Kinder
und Jugendlichen werden eher Seminare als längerfristige Kurse organisiert.
Längerfristige Enrichmentangebote sind jedoch erfolgsträchtiger. Kurse von
Elternvereinigungen sind dennoch sinnvoll, um gleichaltrige Gleichbefähigte kennen
zu lernen.
Es gibt jedoch auch einige außerschulische Einrichtungen, die ein festes Angebot an
regelmäßig stattfindenden Kursen aufweisen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich
nicht ausschließlich über Mitgliedsbeiträge finanzieren, sondern mit weiteren
Einrichtungen zusammenarbeiten oder Kursgebühren verlangen. Der Studienkreis,
beispielsweise, finanziert sich als kommerzieller Träger über die Kursgebühren,
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
104
Hochbegabtenförderung e.V. verlangt Kursgebühren und arbeitet mit Sponsoren aus
Wirtschaft, Verwaltung und Politik wie auch Privatpersonen zusammen und das
Angebot der William-Stern-Gesellschaft basiert auf der Zusammenarbeit mit der
Universität Hamburg. Ein gutes Programm an Förderkursen lässt sich demzufolge
nicht ausschließlich über Mitgliedsbeiträge finanzieren. Es sollte dennoch ein
kostenfreies oder zumindest kostengünstiges Angebot an Förderkursen für
hochbegabte Kinder bestehen, und die Kurse sollten nicht ausschließlich in der Hand
kommerzieller Anbieter liegen. Ebenso wenig sollte eine zu große Abhängigkeit von
Wirtschaftsunternehmen entstehen. Eine Zusammenarbeit mit Universitäten erscheint
hingegen begrüßenswert, da die praktische Hochbegabtenförderung noch nicht durch
eine theoretische Grundlage gesichert ist und so gleichzeitig die Forschung
vorangetrieben werden könnte. Ebenso erscheint eine Zusammenarbeit mit
Pädagogischen Hochschulen möglich.
Zu bedenken ist noch, dass ein bundesweit flächendeckendes Netz an Kursen
gesichert sein sollte. Weder Hochbegabtenförderung e.V. noch der Studienkreis
machen allerdings Angebote für Baden-Württemberg, und die William-SternGesellschaft ist sowieso nur regional in Hamburg tätig. Es mag allerdings auch der
Fall sein, dass in Baden-Württemberg aufgrund der bestehenden Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler keine große Nachfrage nach
außerschulischen Kursen besteht. Die Arbeitsgemeinschaften stoßen auf viel positive
Resonanz und stellen ein nachahmenswertes Konzept für andere Bundesländer dar.
Schulen können zumindest landesweit leichter als außerschulische Organisationen
ein flächendeckendes Netz an Förderkursen bieten. Elternvereinigungen können ein
entsprechendes Angebot nicht leisten. Der Staat beziehungsweise die Bundesländer
sollten sich deshalb der Aufgabe annehmen, in den Schulen Maßnahmen der
Akzeleration wie auch des Enrichment zu fördern und diese Aufgabe nicht den
Eltern überlassen.
Die Wissensvermittlung ist nicht Aufgabe der Eltern, sondern fällt nach LANDAU
(1990, 81) in den Zuständigkeitsbereich der Schule. Nach SASSENRATH (1990,
41ff) erwarten die Kinder von ihren Eltern auch keine fachlichen Tipps und
Informationen. Die Aufgabe der Eltern bezieht sich in erster Linie auf die
psychologische Unterstützung. Das Wichtigste für ein Kind ist, ihm zu zeigen, dass
man es, so wie es ist, liebt. Das bedeutet, für ein Kind da zu sein und ihm Trost, Lob
und Ermutigung zu spenden wie auch konstruktive Kritik zu üben. Dadurch gewinnt
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
105
ein Kind an Vertrauen und Sicherheit. Dennoch sollten die Zuständigkeitsbereiche
nicht so strikt getrennt sein, dass Eltern ausschließlich für die emotionale
Entwicklung ihrer Kinder da sind und die Schule für die geistige Entwicklung.
Genauso wie es in der Schule auch affektive Lernziele gibt, sind die Eltern an der
geistigen Entwicklung ihrer Kinder beteiligt, zumal sie meistens besser als die Lehrer
die Bedürfnisse ihrer Kinder kennen. Optimal für die kindliche Entwicklung sind
somit komplexe Familien, die ihren Kindern sowohl psychologische Unterstützung
wie auch geistige Anregungen bieten. Geistige Anregungen erhalten Kinder in erster
Linie durch Gespräche mit Erwachsenen, aber auch durch Bücher, Computer und den
Zugang zu weiteren Medien. Als Informationsquelle können zudem Ausflüge und
Reisen dienen. Darüber hinaus stellen Spielzeug und ausgediente Haushaltsgegenstände geistige Anregungen dar.
Wichtig ist zudem, dass die Eltern trotz aktiver Unterstützung der Kinder deren
Eigenständigkeit respektieren. Diese Forderung erfüllt ein autoritativer Erziehungsstil, bei dem trotz Respekt vor der Autonomie des Kindes klare Maßstäbe gesetzt
werden. Um darüber hinaus die Selbstständigkeit der Kinder zu fördern, sollten
Eltern von ihren Kindern erwarten, dass diese eigenständig Entscheidungen treffen
und sogar gewisse Risiken eingehen. So sollte die Verantwortung für die Schule
frühzeitig den Kindern überlassen werden. Ebenso sollten die Kinder zum
eigenhändigen Gebrauch von Informationsquellen und selbstständigem Lernen
angeleitet werden.
In vielen Punkten unterscheidet sich die Erziehung hochbegabter Kinder nicht von
der Erziehung normalbegabter, die ebenso psychologische Unterstützung benötigen
und denen auch ein autoritativer Erziehungsstil entgegenkommt. Durch ihre Vitalität
und akzelerierte geistige Entwicklung stellen Hochbegabte jedoch besondere
Anforderungen an die Erziehung. Zum einen müssen Eltern sich klar abgrenzen, um
nicht überfordert zu werden. Zum anderen müssen sie auf altersunübliche
Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Kinder eingehen, was oftmals zu Unverständnis und Fehlzuschreibungen in ihrem Umfeld führt. In diesem Fall kann eine
Beratung wie auch der Austausch innerhalb einer Elterngruppe dazu beitragen, klarer
mit den Bedürfnissen des Kindes und den Schwierigkeiten im Umfeld umgehen zu
können. Bei einer Elterngruppe besteht eventuell die Gefahr, dass sie nicht so neutral
ist wie eine Beratungsstelle. Sie hilft den Eltern jedoch aus ihrer Isolation und somit,
sich von den gegenteiligen Meinungen ihres Umfeldes zu lösen. Durch die
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
106
Sicherheit, die die Eltern durch Beratung und Austausch mit anderen betroffenen
Eltern gewinnen, können sie besser mit den Schwierigkeiten in ihrem Umfeld
umgehen.
Hochbegabte Kinder sollen zwar so gut wie möglich gefördert werden, es ist jedoch
normal, dass in ihrem Umfeld Schwierigkeiten auftreten und die Bedingungen, auf
die sie treffen, im besten Fall nahezu ideal sind. Es wäre weltfremd, von idealen
Bedingungen auszugehen, zumal Hochbegabung nicht die einzige Schwierigkeit ist,
mit der die Schulen konfrontiert werden. Gewalt, das AufmerksamkeitsdefizitSyndrom wie auch die Lese-Rechtschreib-Schwäche gehören zum Schulalltag.
Hochbegabte müssen, wie ELBING (2000, 77ff) es fordert, deshalb auch lernen, sich
in einer Welt zu behaupten und einigermaßen zurechtzufinden, die nicht oder nur
gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Spezielle Hochbegabtenschulen mit nahezu idealen Förderbedingungen können diesen Lernschritt verhindern
und möglicherweise zu Problemen beim Übergang in das Berufsleben führen. Aus
diesem Grund sollten, meiner Meinung nach, hochbegabte Kinder so weit wie
möglich in Regelschulen integriert werden und wenn Separation nötig ist,
Sonderklassen den Vorzug vor Sonderschulen erhalten. Wie in der Schule können
auch im Elternhaus die Fördermöglichkeiten eingeschränkt sein. Eltern, die mehrere
Kinder haben, können und sollen ihre gesamte Aufmerksamkeit nicht ausschließlich
dem hochbegabten Kind schenken. Außerdem können auch die finanziellen Mittel
der Eltern begrenzt sein. Nach WINNER (1998, 173) kann sich die Begabung auch
in diesem Fall entfalten, solange die Eltern Bildung als einen hohen Wert betrachten.
Ausschlaggebend für die Förderung hochbegabter Kinder ist demzufolge vor allem
ein begabungsfreundliches Klima im Elternhaus, wie auch in der Schule.
Durch Untersuchungen kann nicht belegt werden, ob Familie oder Schule einen
größeren Einfluss auf die Förderung hochbegabter Kinder haben. Es gibt Eltern, die
ihre Kinder erziehen wie auch selbst unterrichten. In Deutschland ist das allerdings
nur in Ausnahmefällen zulässig. Es gibt aber Eltern, die ihre Kinder durch ein
vielfältiges außerschulisches Programm fördern. Ebenso gibt es Hochbegabtenschulen mit Internaten, die psychologische Unterstützung bieten. Optimal sind aus
meiner Sicht nicht diese Extremfälle, sondern die Zusammenarbeit von Elternhaus
und Schule. Voraussetzung dafür ist, dass die Eltern die Lehrer als Experten für die
Wissensvermittlung anerkennen, wie auch die Lehrer die Eltern als Experten für das
Kind respektieren. In der Realität bereitet die Zusammenarbeit dennoch oft
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
107
Probleme. Deshalb sollten zum einen die Themen Hochbegabung und Elternarbeit in
der Lehrerausbildung stärker thematisiert werden. Zum anderen sollte die
Möglichkeit bestehen, eine Beratungsstelle als Vermittlungsinstanz einzuschalten.
Wie bei HOLLENBACH (1999, 211) beschrieben, sieht die Beratungsstelle in Eltern
wie auch Lehrern Experten, zeigt jedoch auf, wie man miteinander kooperiert und
welche Fördermaßnahmen möglich sind. Sie sollte somit Ansprechpartner für Eltern
und für Lehrer sein. Die Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und
Beratungsstelle stellt den Idealfall dar. Dazu bedarf es in den Beratungsstellen
bezüglich Hochbegabung ausreichend ausgebildeter Psychologen. Das bedeutet
nicht, dass in den schulpsychologischen Beratungsstellen vor Ort überall Spezialisten
sitzen müssen, aber die dortigen Psychologen müssen zumindest hochbegabte Kinder
erkennen, um sie dann an spezielle Beratungsstellen weiterleiten zu können.
Im Kapitel 4.6 wurde bereits festgestellt, dass es eine Reihe schulischer
Fördermöglichkeiten gibt, die alle mehr oder weniger ihre Berechtigung haben.
Hinzu kommen noch einige außerschulische Angebote. Ein großes Spektrum an
Fördermaßnahmen ist sinnvoll, da nicht jede Maßnahme für jeden Begabten geeignet
ist. Grundsätzlich sollten die Maßnahmen möglichst offen sein. Kurse für
hochbegabte Kinder sollten auch hochmotivierten Kindern und Kindern mit
speziellen Begabungen zugänglich sein, wie zum Beispiel beim Studienkreis oder
den Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler. Dennoch fehlt es an
Förderprogrammen für bestimmte Gruppen hochbegabter Kinder und Jugendlicher.
So fehlen Angebote für jüngere Kinder. Im Grundschulbereich wurden zwar
Maßnahmen der Akzeleration erleichtert, Enrichmentangebote müssen jedoch noch
ausgebaut werden. Eventuell wäre hier an eine Zusammenarbeit der Grundschulen
mit der Unterstufe der Gymnasien zu denken. Angebote im Vorschulbereich
hingegen sind äußerst rar. Ein Ausbau ist wünschenswert, um die Eltern der Kinder
zu entlasten. Eine mögliche Umsetzung stellen Kinder- und Jugendakademien dar,
die Gruppen für Grundschulkinder anbieten und in manche Programme sogar
Vorschulkinder zulassen. Die frühzeitige Förderung ist insbesondere bei hochbegabten Mädchen notwendig. Darüber hinaus fehlt es an speziellen Enrichmentprogrammen für Mädchen. In diesen Kursen sollten nicht einfach nur Mädchen
separiert werden, sondern die Themen auch auf die Interessenschwerpunkte der
Mädchen zugeschnitten sein. Um Underachiever gezielt fördern zu können, ist zuerst
einmal die genauere Erforschung der Ursachen von Underachievement notwendig.
Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
108
Generell sollten Eltern und Lehrer ermutigt werden, auch unkonventionelle Wege der
Förderung einzuschlagen. Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 46) ermutigt die
Lehrer,
„sich
herausfordern
zu
lassen
zu
mehr
Kreativität
in
der
Unterrichtsgestaltung und dazu, die schulrechtlich gegebenen Möglichkeiten zu
nutzen, Wege auch einmal quer zum Üblichen zu beschreiten, um unüblich begabte
Kinder zu fördern.“ Ebenso sollten, meiner Meinung nach, Eltern nicht die gängigen
Förderkonzepte von der Schule erwarten, sondern im Zweifelsfall selbst aktiv
werden. Eltern und Lehrer sollten sich dabei bewusst sein, dass die Struktur einer
Fördermaßnahme nicht das einzig Entscheidende ist, sondern auch die Persönlichkeit
des Lehrers oder Mentors auf das Kind wirkt. Eltern wie auch Lehrer oder Mentoren
erfüllen eine Vorbildfunktion für das Kind, die Einfluss auf das Verhalten des Kindes
hat. Gerade hochbegabte Kinder brauchen eine vertraute Beziehung zu einem
Mentor. Das kann ein Elternteil, ein Lehrer oder ein anderer Erwachsener sein.
Abschließend ist zu bedenken, dass die Wahl der Fördermaßnahmen und die
Bewertung dieser von der Zielvorgabe abhängig ist. Erwarte ich von einem
Hochbegabten, dass er aufgrund der Fördermaßnahmen Höchstleistungen bringt und
bewerte die Fördermaßnahmen als erfolglos, wenn der- oder diejenige durch seine
Leistungen nicht bekannt wurde? Oder bewerte ich die Fördermaßnahme als
erfolgreich, wenn sich der oder die Hochbegabte in die Gesellschaft integriert und
Lebenstüchtigkeit beweist? Es ist meiner Ansicht nach vermessen, von einem
Hochbegabten aufgrund seiner Förderung bahnbrechende Entdeckungen oder
Erfindungen zu erwarten. Dazu gehören noch weitere Fähigkeiten und Umstände –
nicht zuletzt auch das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein.
Dennoch sollten von Hochbegabten auch Leistungen erwartet werden - nicht zuletzt
auch zum Nutzen der ganzen Gesellschaft. Im Mittelpunkt der Förderung steht
jedoch das Kind mit seinen Bedürfnissen und nicht politische Gesichtspunkte.
Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick
109
7 Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick
Am Anfang dieser Arbeit stand die Frage nach den vorhandenen und geeignetesten
Fördermöglichkeiten für hochbegabte Kinder. Dazu wurde als erstes der Versuch
einer definitorischen Klärung des Phänomens Hochbegabung unternommen.
Deutlich wurde dabei, dass in der Forschung weder Einverständnis über die
Definition noch über die Bezeichnung „hochbegabt“ besteht. Der Begriff
Hochbegabung wurde jedoch von den Begriffen Talent wie auch Leistung
abgegrenzt. Uneinigkeit besteht bei dem Phänomen Hochbegabung auch in Bezug
auf die Anlage-Umwelt-Debatte, was jedoch keinen Einfluss auf die Notwendigkeit
von Förderung hat. Im anschließenden Kapitel wurde deutlich, dass kognitive
Hochbegabung kein einheitliches Phänomen ist - unabhängig davon, ob man von
einem generellen Intelligenzfaktor oder einem multifaktoriellen Intelligenzmodell
ausgeht. Es gibt zwar universell hochbegabte Kinder, üblich sind jedoch
unterschiedliche
Fähigkeitsprofile,
wie
sie
auch
der
Hamburg-Wechsler-
Intelligenztest für Kinder ermittelt. Im intellektuellen Begabungsbereich können
nach Gardner die linguistische, die logisch-mathematische und die räumliche
Intelligenz unterschieden werden.
Da theoretische Konstrukte keine Vorstellung von dem Wesen eines hochbegabten
Kindes vermitteln und mögliche daraus resultierende Probleme aufzeigen, wurde im
folgenden Kapitel auf die Merkmale hochbegabter Kinder anhand von Checklisten
und der Phänomenologie von Dabrowski eingegangen. Obwohl es keine hochbegabte
Persönlichkeit gibt, gibt es doch einige Eigenschaften, die in der Literatur gehäuft
genannt werden. Dazu zählt der ausgeprägte Wissensdurst, der sich in extrem vielen
Fragen äußert wie auch der Aktivitätsdrang oder die Bevorzugung unabhängigen
Arbeitens. Zudem durchlaufen hochbegabte Kinder Entwicklungsstadien früher und
schneller oder überspringen sie sogar. Zum Problem kann für hochbegabte Kinder
die Asynchronie von kognitiver und emotional-sozialer Entwicklung werden. Im
Spannungsfeld zwischen dem hochbegabten Kind und seiner sozialen Umgebung
entstehen weitere Probleme. So kann das Unterdrücken der Hochbegabung, um dem
Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu folgen, zu Depressivität, Aggressivität und
psychosomatischen Symptomen führen. Das größte Problem machen jedoch Lernund Leistungsstörungen aus. Um größere Probleme zu vermeiden, sollte eine
langjährige Unterforderung in der Schule in Form einer Spirale der Enttäuschungen
Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick
vermieden
werden.
Besonderer
Beachtung
110
bei
der
Förderung
bedürfen
Risikogruppen, bei denen die Gefahr groß ist, zu Underachievern zu werden. Unter
anderem aufgrund ihres geringen Selbstvertrauens und ihrem starken Anpassungsbedürfnis bilden die Mädchen die größte der Risikogruppen.
Nachdem die Notwendigkeit der Förderung hochbegabter Kinder erörtert wurde und
innere Differenzierung als unzureichende Maßnahme wie auch unpraktikable
Forderung
eingeschätzt
wurde,
folgte
eine
Analyse
der
schulischen
Fördermöglichkeiten der äußeren Differenzierung. Unterteilt nach Akzeleration,
Enrichment, Separation und unkonventionellen Fördermöglichkeiten wurden die
theoretischen Konstrukte mit möglichen Förderformen und deren Umsetzung
ausgehend von Baden-Württemberg dargestellt. Dabei wurde deutlich, dass die
Praxis der Hochbegabtenförderung ihrer theoretischen Grundlegung weit voraus ist.
Insgesamt zeigte sich, dass es eine Reihe verschiedener Fördermöglichkeiten gibt
und die verschiedenen Konzepte Akzeleration, Enrichment und Separation alle ihre
Berechtigung haben, da nicht jede Maßnahme für jeden Begabten geeignet ist.
Underachiever im Allgemeinen und die Risikogruppe der Mädchen im Besonderen
erfahren
jedoch
noch
nicht
ausreichender
Förderung,
ebenso
sind
die
Enrichmentangebote im Grundschulbereich auszubauen.
Da Eltern im Allgemeinen jedoch Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung
den schulischen Fördermöglichkeiten vorziehen, wurden im anschließenden Kapitel
die außerschulischen Fördermöglichkeiten untersucht. Dabei wurde insbesondere auf
die Rolle des Elternhauses und der Hochbegabtenverbände eingegangen. Nach der
Analyse der schulischen wie auch der außerschulischen Fördermöglichkeiten kam
ich zu dem Schluss, dass die Enrichmentangebote der Hochbegabtenverbände und
das Angebot an geistigen Anregungen durch die Eltern keinen adäquaten Ersatz
schulischer Fördermöglichkeiten darstellen. Aufgabe der Eltern ist, auch wenn sie
geistige Anregungen bieten sollen, in erster Linie die psychologische Unterstützung.
Den Schulen kommt neben dem Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung in erster
Linie die Aufgabe der Wissensvermittlung zu. Optimal für die Förderung hochbegabter Kinder ist deshalb die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule
wie auch einer Beratungsstelle, die als Vermittlungsinstanz fungiert. Von Bedeutung
ist jedoch nicht nur die Struktur der Fördermaßnahmen, sondern auch die
Persönlichkeit der Lehrer und Eltern, die als Vorbild dienen. Sie sollten ermutigt
werden, auch unübliche Wege der Förderung zu gehen. Die hochbegabten Kinder
Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick
111
sollten so weit wie möglich integriert werden und auch lernen, sich in einer Welt
zurechtzufinden, die nur gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht.
Am Ende dieser Arbeit, in der eine Reihe von Fördermöglichkeiten aufgelistet
wurden, kann wider Erwarten keine einzelne Fördermaßnahme als besonders
geeignet hervorgehoben werden. Von den untersuchten Konzepten wurde auch
keines generell verworfen, sondern die Maßnahmen sind je nach Einzelfall mehr
oder minder geeignet. Die Analyse der Fördermaßnahmen unterstützt jedoch meine
Sichtweise aus der Einleitung, dass die drei Schülerinnen und Schüler aus meiner
Schulzeit mit einer Mischung aus Akzeleration und Enrichment eine gute schulische
Förderung erfahren haben. Natürlich wäre diese noch zu verbessern gewesen, zumal
zu diesem Zeitpunkt das Angebot der dortigen Jugendakademie Mannheim – RheinNeckar-Dreieck noch im Aufbau begriffen war.
Die Hochbegabtenförderung wird aber auch in Zukunft nicht auf dem mittlerweile
erreichten Stand an Angeboten verweilen. Möglicherweise hat die Pisa-Studie mit
ihren Diskussionen um eine frühere Einschulung mit dazu beigetragen, dass sich die
Politik den geforderten Enrichmentangeboten für Grundschüler annimmt. Hochbegabtenförderung ist dabei keine parteipolitische Frage mehr. In Mannheim soll
beispielsweise im Frühjahr 2003 eine Kinderakademie mit Arbeitsgemeinschaften
für Grundschüler eröffnet werden. Angestrebt wird dabei, ein geschlossenes Konzept
für die Begabtenförderung über die gesamte Schulzeit hinweg anzubieten. Dies wird
jedoch erst in 10 bis 15 Jahren erreicht sein (SPINDLER 2002a, 15). In der
Zwischenzeit wird es wieder in den Händen von Eltern und Lehrer liegen, unübliche
Wege zu beschreiten. Die schnelle Errichtung staatlicher Hochbegabtenschulen in
Rheinland-Pfalz (SCHILLING 2002, 5) ist jedoch auch mit Skepsis zu betrachten.
Meiner Ansicht nach sollten generell Maßnahmen der Separation nicht auf Kosten
integrativer Konzepte vorangetrieben werden.
Die Zukunft verspricht einen weiteren Ausbau des Fördersystems, wobei es immer
noch viele Stimmen gibt, die Angst haben, dass die Förderung Hochbegabter zu
Lasten anderer förderbedürftiger Schülergruppen geht (SPINDLER 2002b, 15).
Deshalb gilt es weiterhin, Gegner der Hochbegabtenförderung von der Sache zu
überzeugen.
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