Phänomen Hochbegabung
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Phänomen Hochbegabung
WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen nach RPO I vom 30.06.1981 Fördermöglichkeiten hochbegabter Kinder – eine Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit vorgelegt von Kerstin Fiehn eingereicht bei der Pädagogischen Hochschule Heidelberg am 30.07.02 Referent: Prof. Dr. A. Klaus Korreferent: Akad. Rat Dr. H. Wehr Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .......................................................................................... 1 2 Phänomen Hochbegabung............................................................... 3 3 4 2.1 Abgrenzung des Begriffes............................................................................ 3 2.2 Formen intellektueller Hochbegabung....................................................... 12 Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder ......................... 18 3.1 Merkmale Hochbegabter............................................................................ 18 3.2 Hochbegabung als Problem ....................................................................... 23 3.3 Risikogruppen ............................................................................................ 28 Schulische Fördermöglichkeiten................................................... 34 4.1 Notwendigkeit und grundlegende Überlegungen....................................... 34 4.2 Akzeleration ............................................................................................... 37 4.2.1 Formen von Akzeleration................................................................... 37 4.2.2 Überspringen von Klassen und fachbezogene Akzeleration.............. 40 4.2.3 Frühe Einschulung und jahrgangsübergreifende Eingangsklassen .... 45 4.2.4 Sonderklassen mit verkürzter Schulzeit am Gymnasium .................. 49 4.3 Enrichment ................................................................................................. 51 4.3.1 Formen von Enrichment..................................................................... 51 4.3.2 Arbeitsgemeinschaften und Kinder- und Jugendakademien.............. 54 4.3.3 Wettbewerbe ...................................................................................... 60 4.3.4 Seminare und Schülerakademien ....................................................... 65 4.4 5 Separation................................................................................................... 67 4.4.1 Theoretische Grundlage ..................................................................... 67 4.4.2 Sonderklassen..................................................................................... 71 4.4.3 Sonderschulen .................................................................................... 77 4.5 Unkonventionelle Fördermöglichkeiten..................................................... 79 4.6 Vorläufiges Resümee ................................................................................. 81 Außerschulische Fördermöglichkeiten ........................................ 86 5.1 Familiärer Kontext ..................................................................................... 86 5.2 Hochbegabtenverbände .............................................................................. 92 6 Konsequenzen für die Erziehungsarbeit.................................... 103 7 Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick................. 109 8 Literaturverzeichnis..................................................................... 112 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Normalverteilung der Intelligenzquotienten (HOLLING & KANNING 1999, 23) .............................................................................................................. 4 Abbildung 2: Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli (HOLLING & KANNING 1999, 9)............................................................................................. 9 Abbildung 3: Allgemeines Bedingungsgefüge für außergewöhnliche Leistungen (STAPF 1999, 21) .............................................................................................. 10 Abbildung 4: Prozentsatz zurückgestellter und vorzeitig eingeschulter Kinder in Baden-Württemberg in den Schuljahren 1968/69 bis 2000/01 (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 80)................................... 46 Tabelle 1: Häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede bei Hochbegabten in Bezug auf schulische Interessen, Werte und Ziele, berufliche Interessen und Orientierung sowie Freizeitaktivitäten und Hobbys (ROST & HOBERG 1998, 187) ........... 31 Tabelle 2: Statistik der Arbeitsgemeinschaften zur Förderung besonders befähigter Schüler für die Schuljahre 1999/2000 bis 2001/2002 (www.begabten-ag.bkunz.de/statistik.htm) ......................................................................................... 55 Tabelle 3: Zeitraster für eine Schulwoche an der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig (HELLERT 2000, 146) .............................................................. 73 Einleitung 1 1 Einleitung Intelligenz ist in der Öffentlichkeit momentan ein beliebtes Thema. Neben der Sendung „Wer wird Millionär“ hat RTL auch „Extra – Das IQ-Spezial“, ein Intelligenztest für Publikum und Prominente, ausgestrahlt. Der Bevölkerung wird jedoch nur die positive Seite von Intelligenz gezeigt: Hohe Intelligenz kann zu Höchstleistungen und Erfolg führen. Hochbegabte Kinder empfinden ihre hohe Intelligenz jedoch oftmals als soziale Behinderung und stellen somit auch für ihre Familie eine Belastung dar. Deshalb sollten hochbegabte Kinder ebenso wie körperlich oder geistig behinderte Kinder für ihr eigenes Wohlergehen gefördert werden. Trotz vieler – berechtigter oder unberechtigter – Kritik an dem Umgang mit hochbegabten Kindern an staatlichen Schulen habe ich während meiner Schulzeit am Gymnasium positive Erfahrungen gemacht. Innerhalb von drei Jahren haben zwei Schüler und eine Schülerin eine Klasse übersprungen und wurden gleichzeitig durch Arbeitsgemeinschaften und Wettbewerbe gefördert. Alle drei Schüler und Schülerinnen legten zudem ein gutes Abitur ab. Es ist anzunehmen, dass sie eine ihrer Begabung entsprechende Förderung erhalten haben. Im Folgenden werde ich mich mit den Fragen auseinandersetzen: Welche Fördermöglichkeiten gibt es ? Welches sind die geeignetsten? Dazu werde ich im zweiten Kapitel das Phänomen der kognitiven Hochbegabung näher erläutern und den Begriff Hochbegabung von anderen Begriffen wie Leistung und Talent abgrenzen. Im Weiteren werde ich zeigen, dass die Gruppe hochbegabter Kinder keineswegs homogen ist, sondern dass es verschiedene Formen intellektueller Hochbegabung gibt. Um eine genauere Vorstellung von hochbegabten Kindern zu bekommen, werde ich deren Merkmale anhand der Phänomenologie von Dabrowski schildern. Nun stellt sich die Frage: Warum sollte man hochbegabte Kinder fördern? Aus den Merkmalen hochbegabter Kinder folgen Probleme, wie das Gefühl der Andersartigkeit und die schwierige Beziehung zu Gleichaltrigen, die ich im dritten Kapitel darstellen werde. Besonderer Förderung bedürfen auch Risikogruppen, wie Mädchen oder Hochbegabte mit Teilleistungsstörungen. Im vierten Kapitel werde ich dann auf die schulischen Fördermöglichkeiten eingehen, die ich in Akzeleration, Enrichment, Separation und unkonventionelle Fördermöglichkeiten für Hochbegabte unterteile. Zu jedem dieser theoretischen Konstrukte gibt es verschiedene Einleitung 2 Umsetzungen, die ich darstellen werde, um deren Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Anschließend werde ich die Fördermöglichkeiten zusammenfassend diskutieren. Um auch den ganzheitlichen Aspekt der Förderung zu betrachten, gehe ich im fünften Kapitel auf die außerschulischen Fördermöglichkeiten ein. Die wichtigste Rolle spielen dabei die Eltern, die letztendlich über jegliche Art der Förderung ihrer hochbegabten Kinder entscheiden. Näher eingehen werde ich auch auf die Hochbegabtenverbände, die den Eltern Unterstützung und den Kindern Aktivitäten anbieten. Aus den theoretischen Konzepten und der momentanen Situation an Schulen ergeben sich abschließend konkrete Forderungen an die Schulen, die Bildungspolitik und die Eltern. Phänomen Hochbegabung 3 2 Phänomen Hochbegabung 2.1 Abgrenzung des Begriffes In der Diskussion um Hochbegabung trifft man auf eine Vielzahl verschiedener Begriffe und Definitionen. In diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden, diese Begriffe voneinander abzugrenzen und der folgenden Diskussion um die Fördermöglichkeiten hochbegabter Kinder eine Definition von Hochbegabung zugrunde zu legen. Neben der Bezeichnung hochbegabte Kinder wird in der Literatur auch von hochintelligenten, besonders befähigten und talentierten Kindern gesprochen oder aber hochbegabt wird getrennt geschrieben als hoch begabt. Die Vielzahl verschiedener Begriffe für ein Phänomen und die damit verbundene sprachliche Unsicherheit rührt nach HAHL (1999, 9) daher, dass diese Begriffe nicht nur deskriptiv sind, sondern auch Bewertungen enthalten. Meiner Ansicht nach spiegeln die Begriffe auch das dahinter liegende Verständnis von Hochbegabung wieder. In Baden-Württemberg wird nach einer dort geltenden Sprachregelung von „besonders befähigten Schülern“ gesprochen, wobei das dortige Kultusministerium damit das Problem der Definition von Hochbegabung zu umgehen scheint (nach HAHL 1999, 9). Andere Gründe sprechen für die Schreibung von hoch begabt statt hochbegabt und die damit verbundene geringere Betonung von hoch. SchlichteHiersemenzel (BMBF 2001a, Anhang) ist eine Vertreterin der Getrenntschreibung, weil sie aus ihrer Sicht Vorbehalte mildert und Interesse an Differenzierung hervorruft. Allerdings dürfte man dann auch nicht von Hochbegabung, sondern nur von hoher Begabung sprechen. Die Existenz des Phänomens Hochbegabung würde somit verschleiert werden. Deshalb werde ich die Zusammenschreibung verwenden, auch wenn die neue Rechtschreibung für eine Getrenntschreibung spricht. Im Alltagsgebrauch mögen völlig andere Bezeichnungen sinnvoller sein, um der Etikettierung eines hochbegabten Kindes entgegenzuwirken. Ein weiterer Begriff, der häufig synonym für hochbegabt verwendet wird, ist „talentiert“. Es gibt jedoch auch Autoren, die zwischen begabt und talentiert differenzieren. „Talentiert“ sind in ihrem Verständnis Menschen, die in einem bestimmten Bereich, z.B. der Mathematik besonders befähigt sind, wohingegen „begabt“ Menschen sind, die eine allgemeine Befähigung haben, die sich in vielen Gebieten zeigt. Manche Autoren verwenden „talentiert“ eingeschränkt für nicht Phänomen Hochbegabung 4 intellektuelle außergewöhnliche Fähigkeiten, die sich unter anderem in den Bereichen Kunst, Musik und Sport zeigen (vergleiche CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 18). Ich schließe mich dieser Meinung an und verwende Talent im Sinne einer Begabung, die sich nur in einem beliebigen Bereich zeigt. Im Folgenden stellt sich nun die Frage, was in der Literatur unter dem Begriff „hochbegabt“ verstanden wird. Die Fülle von Definitionen lässt sich in verschiedene Klassen einteilen. Eine Klasse bilden die IQ-Definitionen, nach denen Menschen, die oberhalb eines bestimmten Grenzwertes der Intelligenz liegen, als hochbegabt gelten. Der Intelligenzquotient (IQ) geht auf William Stern zurück, der eine Maßzahl für Intelligenz entwickelte, um Kinder unterschiedlichen Alters vergleichen zu können. Spätere Forscher haben Sterns Maßzahl noch mit 100 multipliziert, um Kommazahlen zu vermeiden, so dass sich folgende Formel ergibt: IQ = Intelligenzalter/Lebensalter * 100. Bei einem IQ von 100 stimmen Lebensalter und Intelligenzalter überein, was dem durchschnittlichen IQ entspricht. Problematisch an dieser Maßzahl ist, dass das Intelligenzalter im Gegensatz zum Lebensalter ab einem gewissen Zeitpunkt konstant bleibt. Unter IQ wird heute deshalb der AbweichungsIQ von Wechsler verstanden. Dieser Wert gibt das Ausmaß der positiven oder negativen Abweichung der entsprechenden Person vom Mittelwert der Altersgruppe an. Testergebnisse werden neben IQ-Punkten auch als Prozentrang angegeben. Ein IQ von 100 entspricht beispielsweise einem Prozentrang von 50. Dies bedeutet, dass die betreffende Person besser oder genauso gut abgeschnitten hat wie 50% ihrer Altersgruppe (vergleiche HOLLING & KANNING 1999, 25f). Das Merkmal Intelligenz ist in der Bevölkerung normalverteilt und lässt sich in Form einer Normalverteilungskurve darstellen. Abbildung 1: Normalverteilung der Intelligenzquotienten (HOLLING & KANNING 1999, 23) Phänomen Hochbegabung 5 Die horizontale Achse zeigt die IQ-Punkte und die vertikale Achse die Anzahl der Individuen mit entsprechendem IQ. Die abgeteilten Flächen unter der Kurve verdeutlichen die prozentuale Häufigkeit, mit der die jeweiligen Wertebereiche auftreten. Anhand der Kurve kann man erkennen, dass die meisten Menschen, nämlich 68% der Bevölkerung, einen IQ zwischen 85 und 115 erreichen. Dieser Bereich wird deshalb auch als Normalbereich der Intelligenz bezeichnet. Etwa 95% der Bevölkerung haben einen IQ zwischen 70 und 130. Gleichermaßen selten sind extrem niedrige oder hohe Intelligenz. (HOLLING & KANNING 1999, 24) Der Grenzwert, ab dem Forscher von Hochbegabung sprechen ist verschieden. Lewis Terman spricht ab einem IQ von 140 von Hochbegabung, Detlef Rost hingegen legt den Grenzwert in seiner Marburger Studie bei einem IQ von 125, beziehungsweise einem Prozentrang von 95 fest. Üblich ist es, ab einem IQ von 130, entsprechend einem Prozentrang von 98 von Hochbegabung zu sprechen. Da es Menschen gibt, die einen geschätzten IQ von 180 oder sogar 200 haben, was eine beträchtliche Differenz zu einem IQ von 130 darstellt, wird oft auch noch zwischen hochbegabten und höchstbegabten Menschen unterschieden. Als höchstbegabt gelten meistens Menschen mit einem IQ, der 145 oder 150 übersteigt (siehe JOST 1999, 9ff). Entsprechend der Definition von Hochbegabung als einem IQ größer 130 sind ungefähr 2% der Bevölkerung hochbegabt. Es gibt nach FEGER & PRADO (1998, 31) auch Forscher, die umgekehrt Hochbegabung anhand des Prozentsatzes definieren und zum Beispiel die obersten zwei Prozent in einem Intelligenztest als hochbegabt bezeichnen. Der IQ-Definition nach kann man von etwa 300.000 hochbegabten Kindern und Jugendlichen in Deutschland ausgehen. Rein statistisch bedeutet das, dass in jedem Jahrgang einer 2-zügigen Grundschule ein hochbegabtes Kind zu finden ist. (JOST 1999, 10) Wenn man Hochbegabung mit Intelligenz gleichsetzt und als IQ-Ausprägung von mindestens 130 definiert, muss man noch klären, was Intelligenz ist. Zur Klärung des Begriffes Intelligenz auf die Messung von Intelligenztests zu verweisen, würde einen definitorischen Zirkel nach sich ziehen und den Begriff Hochbegabung nicht ausreichend definieren (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 34). An dieser Stelle sei eine Definition von Intelligenz von Guthke genannt (aus FEGER & PRADO 1998, 32): „ Intelligenz ist der Oberbegriff für die hierarchisch strukturierte Gesamtheit jener allgemeinen geistigen Fähigkeiten (Faktoren, Dimensionen), die das Niveau und die Qualität der Denkprozesse einer Persönlichkeit bestimmen und Phänomen Hochbegabung 6 mit deren Hilfe die für das Handeln wesentlichen Eigenschaften einer Problemsituation in ihren Zusammenhängen erkannt und die Situation gemäß dieser Einsicht entsprechend bestimmten Zielstellungen verändert werden kann.“ Diese Definition verdeutlicht, dass ein Modell von Intelligenz sich aus verschiedenen Faktoren oder Komponenten zusammensetzt und diese in einem bestimmten Verhältnis untereinander stehen. Darauf werde ich noch genauer in dem folgenden Kapitel 2.2 eingehen. Neben den Autoren, die Begabung mit Intelligenz gleichsetzen, gibt es auch Forscher, die eine reine Definition nach dem IQ ablehnen und Hochbegabung über Kreativität definieren. Ihrer Meinung nach sind originelle und produktive Leistungen kennzeichnend für Hochbegabung (HOLLING & KANNING 1999, 6). Allgemein spielt Kreativität in allen neueren Begabungskonzepten eine wesentliche Rolle. Das eingeengte Konzept von Hochbegabung als quantitativ hoch ausgeprägte Intelligenzfähigkeit ist somit erweitert worden. Hochbegabte werden nicht mehr als hocheffektive Wissensaneigner und –verwerter gesehen, sondern als Wissensproduzenten (URBAN 1999, 108). Es besteht in der Forschung jedoch keine Einigung über eine eindeutige Definition von Kreativität (nach CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 80). Uneinigkeit besteht schon darüber, ob unter Kreativität eine spezifisch kognitive Fähigkeit, ein Persönlichkeitszug oder ein erlernbares Muster von Strategien verstanden werden soll. Kreativität wird häufig mit divergentem Denken in Verbindung gebracht als Gegensatz zu konvergentem Denken, das mit Intelligenz gleichgesetzt wird. Konvergentes Denken geht davon aus, dass es zu jedem Problem eine einzige richtige Antwort gibt, welche vorher in Form eines Lösungsmusters oder –algorithmus bekannt ist. Individuelle Gedankengänge, die zu neuartigen und somit unerwarteten Lösungen führen, werden als divergentes Denken bezeichnet. Diese Lösungen sind nicht als falsch oder richtig einzuordnen. Sie sind dem Problem mehr oder weniger angemessen (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 92ff). Feger (in HOLLING & KANNING 1999, 8) fügt zur Erklärung von divergentem Denken noch die Begriffe Flexibilität und Originalität hinzu. „Flexibilität meint das Ausmaß der inhaltlichen Differenzierung der gefundenen Ideen und Originalität die Seltenheit einer Idee.“ Eine andere Definition von kreativem Denken geben Torrance und Hall, indem sie vier Merkmale aufführen. Dazu zählt erstens, „Ideen in einen bestimmten Kontext einfügen zu können“, zweitens „sich Beliebiges im Geiste vergegenwärtigen Phänomen Hochbegabung 7 zu können“, drittens „das eigene Denken durch Anwendung von Phantasie bereichern zu können“ und viertens „das Denken durch eine humorvolle Einstellung würzen zu können“ (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 92ff). Nach CROPLEY (1981, 75) ist Kreativität neben den Denkfertigkeiten auch von Persönlichkeitsmerkmalen abhängig. Von vielen Psychologen wird Risikobereitschaft für die Haupteigenschaft hochkreativer Menschen gehalten. Denn das Abweichen vom allgemein Akzeptierten birgt die Gefahr, Fehler zu begehen oder sich lächerlich zu machen. Auch die Fähigkeit, „mit Gedanken zu spielen“ ist eines der besten Unterscheidungsmerkmale zwischen Kreativen und Nicht-Kreativen. Folgende Auflistung von Neff (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 96ff) zeigt wesentliche Merkmale kreativer Menschen, die von der Forschergemeinschaft allgemein anerkannt sind: 1. geistige Flexibilität; 2. Sensibilität in Form eines feinen Empfindungsvermögens; 3. Toleranz sich selbst und anderen gegenüber; 4. Sinn für die Übernahme von Verantwortung; 5. Einfühlungsvermögen; 6. geistige Autonomie; 7. positive Selbsteinschätzung; 8. Bedürfnis nach sozialem Kontakt; 9. Interesse an der eigenen Entwicklung. Zu ergänzen ist außerdem, dass kreative Menschen neuen oder ungewöhnlichen Erfahrungen Offenheit entgegenbringen und Ambiguitätstoleranz besitzen. URBAN (1999, 121) hat ein Komponentenmodell der Kreativität entworfen, das neben kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen weitere Komponenten enthält, wie die Komponenten „Motive“ und „spezifische Wissensbasis und spezifische Fertigkeiten“. Außerdem enthält das Modell die Komponente „Allgemeine Wissens- und Denkfähigkeits-Basis“, die für kreatives Handeln notwendig ist. Das Modell zeigt folglich die Komponenten, die als funktionelles System zusammenarbeiten müssen, damit kreatives Handeln entsteht. Kreativität wird also als Endprodukt, in Form einer erbrachten Leistung, angesehen und kann in dieser Definition nicht eine Komponente von Hochbegabung neben Intelligenz sein. Eine noch umfassendere Sicht von Kreativität hat LANDAU (1999, 131f). Sie sieht in der Kreativität den vereinenden Faktor aller Aspekte von Hochbegabung. Durch Phänomen Hochbegabung 8 die Kreativität werden neben dem „ungewöhnlichen Talent“ emotionale und soziale Komponenten in die Begabung integriert. Kreativität wird hier verstanden als der holistische Zugang zur Begabung, der für jeden erlernbar zu sein scheint. Somit stellt Kreativität hier kein Persönlichkeitsmerkmal dar. Von Interesse ist nun die Wechselbeziehung zwischen Kreativität und Intelligenz. Cropley hat in einer Studie herausgefunden, dass das Ausmaß an Kreativität und Intelligenz die Rangordnung der Schüler in der erbrachten Leistung bestimmte: Am besten schnitten Schüler mit hoher Intelligenz und Kreativität ab, gefolgt von Schülern mit hoher Intelligenz und niedriger Kreativität. An dritter Stelle lagen die weniger intelligenten Schüler mit hoher Kreativität, und die Schlussgruppe bildeten die Schüler mit niedriger Intelligenz und Kreativität. Kreativität kann also niedrigere Intelligenz „kompensieren“ und die Leistung verbessern, auch wenn ein bestimmtes IQ-Niveau nötig ist, um die Leistungstests erfolgreich bearbeiten zu können (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 84). Da ein deutlicher Zusammenhang zwischen Kreativität und Intelligenz besteht, es außerdem, wie bereits genannt, Schwierigkeiten bei der Definition gibt und zudem Probleme bei der Abgrenzung kreativer Leistungen auftauchen, stehen einige Autoren dem Begriff Kreativität kritisch gegenüber. Nach Meinung von STAPF (1999, 18) ist Kreativität in Begabungen schon enthalten. Divergente oder kreative Denkfähigkeiten zum Beispiel gehören mit zum Konstrukt der Intelligenz. Ein Modell zur Begabung, das Intelligenz und Kreativität vereint, ist das 3-RingeModell von Renzulli. Ich möchte es der folgenden Diskussion zugrunde legen, da es nach HOLLING & KANNING (1999, 19) das erste Modell war, das weite Verbreitung gefunden hat und von anderen Forschern modifiziert wurde. In diesem Modell wird „Begabung als Schnittmenge dreier Personenmerkmale“ aufgefasst, die ich im Folgenden näher erläutern werde (nach HOLLING & KANNING 1999, 8): Phänomen Hochbegabung 9 Abbildung 2: Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli (HOLLING & KANNING 1999, 9) • Überdurchschnittliche Fähigkeiten: Dazu zählt Renzulli sowohl allgemeine kognitive Fähigkeiten als auch spezielle Fähigkeiten in bestimmten Wissensgebieten. • Kreativität: Darunter versteht Renzulli eine bestimmte Form des Lösungsverhaltens für Aufgaben, nämlich originelles, produktives, flexibles und individuell-selbständiges Vorgehen. • Aufgabenverpflichtung: Hiermit ist die Fähigkeit einer Person gemeint, sich intensiv und über längere Zeit einer Aufgabe zuzuwenden. Dieses Merkmal ist nicht mit Motivation gleichzusetzen, da es neben einer motivationalen Komponente auch eine kognitive und emotionale Komponente beinhaltet. „Um ein Ziel zu erreichen, muß man sich gedanklich damit auseinandersetzen, sich gefühlsmäßig von diesem Ziel angezogen fühlen und es mit Einsatz und Willensstärke verfolgen.“ Das letzte Merkmal in Renzullis Modell hat zu viel Kritik geführt. Beim Fehlen von Motivation und der damit verbundenen Aufgabenverpflichtung, dürften Personen mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten nicht mehr als hochbegabt bezeichnet werden. Dies ist nach FEGER & PRADO (1998, 36) insofern problematisch, da die Aufgabenzuwendung gelegentlich sehr stark nachlassen, jedoch nach vorübergehendem Fehlen wieder einsetzen kann. Ein und dieselbe Person wäre also je nach Vorhandensein von Aufgabenzuwendung mal hochbegabt und mal nicht. Eine Gruppe, die das Modell ausschließt, sind Schüler, die ihre herausragenden Fähigkeiten in Intelligenztests zeigen, in der Schule jedoch nur schwache Leistungen erbringen. Diese werden als Underachiever bezeichnet. Will man diese Gruppe, die Phänomen Hochbegabung 10 meiner Meinung nach gerade Förderung benötigt, berücksichtigen, so darf man nicht wie in diesem Modell Begabung mit Leistung gleichsetzen. Dies wäre auch im Interesse Renzullis, dessen Anliegen es war, die große Gruppe von zu unrecht nicht als hochbegabt Identifizierten zu entdecken und fördern (HOLLING & KANNING 1999, 9). Stapf und Stapf (STAPF 1999, 20f) haben ein Modell entwickelt, das zwischen Begabung und Leistung unterscheidet. Dargestellt ist ein Bedingungsgefüge für das Auftreten außergewöhnlicher Leistungen. Kognitive wie auch nicht kognitive Fähigkeiten werden als Dispositionen angenommen, die eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für herausragende Leistungen darstellen. Das Zustandekommen von Leistungen hängt von dem Einfluss vermittelnder Faktoren ab. Diese können sich förderlich oder hemmend auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken und herausragende Leistungen dementsprechend fördern oder verhindern. Demnach beeinflussen die vermittelnden Faktoren nur die Leistung und nicht die Begabung, die in diesem Modell als Disposition angesehen wird. Abbildung 3: Allgemeines Bedingungsgefüge für außergewöhnliche Leistungen (STAPF 1999, 21) Phänomen Hochbegabung 11 Das Modell von Stapf zeigt die extreme Gegenposition zur Sichtweise von Hochbegabung als Leistung, nämlich Hochbegabung als Disposition. Diese Extrempositionen spiegeln die Anlage-Umwelt-Debatte wieder, die auch für die Förderung von Bedeutung ist. Ist Hochbegabung vererbt und muss nur reifen, oder kommt der Mensch als „tabula rasa“ auf die Welt und wird durch seine Umwelt hochbegabt? Im ersten Fall wäre eine Förderung überflüssig. Aus der ökologischen Perspektive von OERTER (1992, 23ff) steht zwar das Individuum in einer Interaktion mit der Umwelt, trotzdem brauchen Hochbegabte aus seiner Sicht keine kostspielige Förderung. Der Grund liegt darin, dass nach der Theorie der Genotyp-Umwelt-Interaktion Hochbegabte aktiver als Normalbegabte in der aktiven Selektion und Umgestaltung der Umwelt sind. Das bedeutet, sie suchen sich selbst die passende Umwelt, in der sich ihr Genotyp, also ihre Hochbegabung, weiterentwickeln kann. Man muss ihnen nur den Zugang zu diesen Umwelten ermöglichen. Weinert stellt folgende Behauptung auf (GRUBER & MANDL 1992, 60): „Im Hinblick auf Intelligenzleistungen ist der Mensch begabt; geht es aber um die Aneignung der geistigen Produkte unserer Kultur durch den einzelnen, so wird der Mensch begabt.“ In eine ähnliche Richtung geht Cattells Unterscheidung zwischen fluider und kristalliner Intelligenz (FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998, 46). Die fluide Intelligenz beruht auf der vererbten Funktionstüchtigkeit der hirnphysiologischen Prozesse und ist somit unabhängig vom individuellen Lernschicksal, wohingegen die kristalline Intelligenz durch die Umwelt bedingt ist und im Wesentlichen auf Lernerfahrungen des Individuums beruht. Diese Theorie wiederum würde für eine Förderung der kristallinen Intelligenz sprechen. Wie diese konkret aussehen sollte, sei dahingestellt. Nach Meinung von HOLLING & KANNING (1999, 20) ist die Anlage-UmweltDiskussion für die Pädagogik nicht von entscheidender Bedeutung, denn „eine adäquate Förderung der Person ist von großer Wichtigkeit, sei es nun, um hohe Begabungen überhaupt erst entstehen zu lassen oder um vorhandene hohe Begabungen zur Entfaltung zu bringen.“ Ich schließe mich der Meinung von Heller an, die sowohl die Bedeutung der Anlage als auch der Umwelt betont: Begabung ist „eine relativ unspezifische individuelle Anlagepotenz, die in ihrer Entwicklung von Anfang an interagiert, also in Phänomen Hochbegabung 12 Wechselwirkung tritt mit der sozialen Lernumwelt, d.h. mit konkreten Erziehungsund Sozialisationseinflüssen.“ (in JOST 1999, 11) 2.2 Formen intellektueller Hochbegabung Nachdem der Versuch unternommen wurde, das Phänomen Hochbegabung zu definieren, stellt sich nun die Frage, ob Hochbegabung ein einheitliches Phänomen ist oder ob es unterschiedliche Formen oder Ausprägungen von Hochbegabung gibt. Dazu werde ich zuerst noch einmal auf den Intelligenzbegriff anhand verschiedener Intelligenztheorien eingehen. In den klassischen Intelligenzmodellen wird angenommen, dass sich Intelligenz, wie bereits erwähnt, aus Faktoren zusammensetzt. Diese werden mittels der Faktorenanalyse ermittelt. Das ist ein statistisches Verfahren, das miteinander zusammenhängende, individuell unterschiedliche Einzelleistungen zu Faktoren gruppiert, denen dann möglichst aussagekräftige Bezeichnungen gegeben werden (nach HOLLING & KANNING 1999, 26). Ein Teil der Forscher befürwortet einen generellen Intelligenzfaktor, wie ihn Spearman postulierte, während andere Forscher, zu denen auch Thurstone zählte, bis zu 120 unabhängige Einzelfaktoren annehmen. Die Intelligenzkonzepte von Spearman und Thurstone werde ich im Folgenden als Beispiel für die gegensätzlichen Vorstellungen darstellen. Spearman nimmt in seiner „Zwei-Faktoren-Theorie der Intelligenz“ von 1904 einen „general factor“, abgekürzt g-Faktor, für die allgemeine Intelligenz an und zusätzlich „special factors“, abgekürzt s-Faktoren. Die Annahme eines g-Faktors begründet er mit der Feststellung, dass bei einer großen Gruppe von Personen die Korrelation zwischen zwei unterschiedlichen Tests zur Messung geistiger Fähigkeiten nahezu immer positiv war. Daraus folgert er, dass die verschiedenen Tests keine unabhängigen Merkmale von Intelligenz messen, sondern ihnen ein gemeinsamer Faktor, der g-Faktor, zugrunde liegt. In bestimmten Bereichen werden zusätzlich die s-Faktoren wirksam. Nach Spearman können diese s-Faktoren untereinander korreliert sein und Gruppenfaktoren wie zum Beispiel Sprachverständnis oder Raumvorstellung bilden. (nach FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998, 42f; vergleiche auch HOLLING & KANNING 1999, 26) Mit der Zwei-Faktoren-Theorie lässt sich nach HOLLING & KANNING (1999, 26) erklären, dass manche Menschen aufgrund ihres hoch ausgeprägten g-Faktors Phänomen Hochbegabung 13 generell bessere Leistungen erbringen können als andere. Spezifische Begabungen lassen sich zudem als starke Ausprägung bestimmter s-Faktoren deuten. Thurstone kommt durch die von ihm untersuchten Stichproben zu gegenteiliger Auffassung von Spearman. Die grundlegende Varianz in den von ihm erhobenen Daten lässt sich nicht mit dem g-Faktor erklären. Deshalb nimmt er statt eines gFaktors mehrere verschiedene, voneinander unabhängige Faktoren an. An einer Testskala können mehrere dieser Faktoren beteiligt sein, es sollte jedoch das Gewicht eindeutig auf einem Faktor liegen. In seinem „Konzept mehrerer gemeinsamer Faktoren“ von 1938 postuliert Thurstone folgende sieben Primärfaktoren: 1. verbales Verständnis, Erfassen von Wortbedeutungen; 2. Wortflüssigkeit, Leichtigkeit der Wortfindung; 3. schlussfolgerndes Denken und die Fähigkeit, Regeln aufzufinden; 4. räumliches Vorstellungsvermögen; 5. Merkfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis; 6. Rechenfähigkeit; 7. Wahrnehmungs- und Auffassungsgeschwindigkeit. Diese Faktoren sind von anderen Forschern bestätigt worden. Gleichzeitig sind jedoch von weiteren Forschern noch wesentlich größere Zahlen von Einzelfaktoren bestimmt worden. Die Annahme, dass sich Intelligenz aus dem Zusammenwirken mehrerer, voneinander unabhängiger Faktoren ergibt, hat für die Praxis den Vorteil, dass sie eine differenziertere Beschreibung der Leistungsfähigkeit einzelner Personen ermöglicht. (nach FUNKE & VATERRODT-PLÜNNECKE 1998, 44f) Weite Akzeptanz hat eine neuere Theorie von Gardner gefunden: Die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenzen. Diese werde ich im Folgenden nach GARDNER (1991) darstellen. In seiner Theorie wendet er sich gegen ein Verständnis von Intelligenz als allgemeine Kapazität, die man mit Intelligenztests in Form von Interviews oder schriftlichen Tests messen kann. Stattdessen bestimmt er ursprünglich sechs relativ unabhängige Intelligenzen, die er mittlerweile nach MÜLLER (2000, 17) auf zehn erweitert hat. Im Gegensatz zu Spearman und Thurstone ist Gardner bei der Bestimmung der einzelnen Intelligenzen nicht nach einem rein statistischen Verfahren vorgegangen. Stattdessen hat er viele Kriterien gesammelt, von denen möglichst viele auf eine wahrscheinliche Intelligenz zutreffen mussten. Seine Vorgehensweise bezeichnet er als „subjektive Faktorenanalyse“ (S. 66f), weil er seine Auswahl wissenschaftlich begründet hat. Zu seinen bedeutendsten Kriterien für Phänomen Hochbegabung 14 die Bestimmung einer Intelligenz gehören Menschen, bei denen durch eine Hirnläsion entsprechende Fähigkeiten zerstört oder isoliert sind, gefolgt von Menschen, die ein höchst ungleichmäßiges Profil von Begabungen und Mängeln aufweisen, wie Wunderkinder und Idiots savants. Neben weiteren Kriterien bezieht er trotz seiner Kritik auch Ergebnisse aus Intelligenztests und psychologischen Experimenten mit ein. Nach seiner Beurteilung ergibt sich folgende Liste von Intelligenzen: 1. Linguistische Intelligenz 2. Musikalische Intelligenz 3. Logisch-mathematische Intelligenz 4. Räumliche Intelligenz 5. Körperlich-kinästhetische Intelligenz 6. Die personalen Intelligenzen Dazu merkt Gardner an: „Die genaue Beschaffenheit und „Abmessungen“ sowie die genaue Anzahl der einzelnen intellektuellen Rahmen sind noch nicht befriedigend abgesteckt.“ (S.21). So wundert es nicht, dass diese Liste erweitert wurde. Nach MÜLLER (2000, 17) teilen sich die personalen Intelligenzen in die inter- und intrapersonale Intelligenz. Hinzu kommen außerdem die existenzielle, naturalistische und spirituelle Intelligenz. Nach HELLER (2000, 41) sind die existentielle und die spirituelle Intelligenz laut Gardner nur „Intelligenzkandidaten“, da bisher die empirische Fundierung fehlt. Die naturalistische Intelligenz, das heißt die Fähigkeit zur Mustererkennung in der Lebensumwelt, hingegen gehört schon zu den Intelligenzen. Auffällig an Gardners Theorie der vielfachen Intelligenzen ist, dass er unter Intelligenz nicht nur die kognitiven Fähigkeiten zusammenfasst, sondern auch Fähigkeiten, die oft als Sondertalent bezeichnet werden. Das rührt daher, dass er die Unterscheidung zwischen Intelligenz und Sondertalent ablehnt, um die Gleichwertigkeit verschiedener Fähigkeiten des Menschen zu betonen. Einige Autoren, wie MÜLLER (2000, 17), setzen deshalb Gardners Intelligenzen mit Begabungsbereichen gleich. In meiner Arbeit zu Hochbegabung werde ich mich auf den kognitiven Bereich, entsprechend die intellektuelle Hochbegabung beschränken. Das bedeutet nicht, dass ich die anderen Begabungsbereiche deshalb abwerte. Der Grund liegt vielmehr darin, dass sportlich oder musisch talentierte Kinder ein etabliertes Fördersystem vorfinden, Phänomen Hochbegabung 15 wohingegen für die intellektuell hochbegabten Kinder wenig getan wird und sie darüber hinaus oft auf Probleme in der Schule stoßen (vergleiche auch BMBF 2001b, 14). Zum intellektuellen Begabungsbereich gehören drei Intelligenzen Gardners: die linguistische Intelligenz, die logisch-mathematische Intelligenz und die räumliche Intelligenz. Alle diese Intelligenzen setzen sich aus verschiedenen Aspekten zusammen und sind für bestimmte Leistungen, beziehungsweise in bestimmten Berufen von Bedeutung. So gehören zur linguistischen Intelligenz die Aspekte Phonetik, Syntax, Semantik und pragmatische Funktion. Eine Gruppe, die nach Gardner ihre linguistische Intelligenz extrem entwickelt hat, sind die Lyriker mit ihrer Sensibilität für Sprache und insbesondere die Semantik. Der rhetorische Aspekt von Sprache ist hingegen für Politiker von Bedeutung. In unserer Kultur, in der Sprachverwendung für jeden Menschen relevant ist, wird jedoch mehr Gewicht auf das geschriebene Wort gelegt. Von gleicher Bedeutung wie die linguistische Intelligenz ist in unserer Kultur die logisch-mathematische Intelligenz. Diese ist durch Abstraktion gekennzeichnet, da sich die geschaffenen Muster nicht auf Gegenstände beziehen, sondern nur Gedankengebilde sind. Neben einer kleinen Gruppe von Mathematikern, die über diese spezielle Fähigkeit verfügen, ist die logisch-mathematische Intelligenz auch für die Wissenschaftler von Bedeutung. Sie dient in den Natur-, wie auch den Sozial- und Verhaltenswissenschaften und der Kognitionswissenschaft als Werkzeug zur Erschaffung von Modellen und Theorien. Zum intellektuellen Begabungsbereich zählt als letzte Intelligenz noch die räumliche Intelligenz. Dies mag nicht sofort offensichtlich sein, doch zählte bereits Thurstone, wie weiter oben erwähnt, räumliches Vorstellungsvermögen zu seinen Primärfaktoren. Die räumliche Intelligenz umfasst eine Anzahl von Kapazitäten: die Fähigkeit, die Identität eines Elements zu erkennen; die Fähigkeit, ein Element in ein anderes zu transformieren oder eine solche Transformation zu erkennen; die Fähigkeit, eine mentale Vorstellung zu erzeugen und „im Kopf“ zu verändern; die Fähigkeit, graphische Entsprechungen räumlicher Information zu erzeugen und so weiter. Somit ist die räumliche Intelligenz nicht nur für die bildenden Künste von Bedeutung, sondern auch intellektuelle Voraussetzung für Naturwissenschaftler und Ingenieure. Räumliches Wissen dient dort als Werkzeug, Denkhilfe und Methode zur Gewinnung von Informationen wie auch zur Formulierung und Lösung von Problemen. (nach GARDNER 1991, 79ff) Phänomen Hochbegabung 16 An dem Beruf des Naturwissenschaftlers lässt sich erkennen, dass das Zusammenspiel von zwei Intelligenzen, der logisch-mathematischen und der räumlichen Intelligenz, von Bedeutung ist. Obwohl nach GARDNER (1991, 12) die Isolierung von Intelligenzen eine wirklichkeitsgetreuere Sicht der Struktur der menschlichen Kognition darstellt, ist ein erwachsener Mensch in der Realität durch eine Mischung aus Intelligenzen gekennzeichnet. Nun stellt sich wieder unsere Frage vom Beginn des Kapitels: Sind intellektuell hochbegabte Menschen universell hochbegabt, das würde bedeuten sie besitzen alle drei Intelligenzen in extremem Maße? Oder sind die drei Intelligenzen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden? WINNER (1998, 41) bezweifelt nicht, dass viele intellektuell begabte Kinder universell begabt sind. Aus ihren Untersuchungen geht jedoch hervor, dass diese Ausgewogenheit nicht die Regel ist: „Tatsächlich ist ein Ungleichgewicht zwischen mathematischer und sprachlicher Fähigkeit vielleicht eher die Regel als die Ausnahme.“ Daraus folgert sie, dass mathematische Wunderkinder nicht gleichzeitig zu literarischen Höchstleistungen neigen ebenso wie literarische Wunderkinder selten glänzende Rechenkünstler sind. Ein extremes Ungleichgewicht herrscht bei hochbegabten Kindern, die zugleich lernbehindert sind. Dieses Phänomen ist nicht ungewöhnlich, da ein Zusammenhang zwischen visuell-räumlichen Fähigkeiten und sprachbezogenen Lernstörungen bewiesen werden konnte (WINNER 1998, 157). Auf diese Gruppe hochbegabter Kinder mit Lernbehinderungen werde ich im Kapitel Risikogruppen noch genauer eingehen. Die Ansicht, dass sich hochbegabte Kinder in ihrem Fähigkeitsprofil unterscheiden, ist heute weit verbreitet. Nach ELBING (2000, 13) ist Begabung ein „individuell vorliegendes Merkmalsprofil bestimmter Leistungsvoraussetzungen. Personen unterscheiden sich hinsichtlich dieses Dispositions- bzw. Entwicklungsprofils.“ Beispiele für individuelle Fähigkeitsprofile, die mittels des Hamburg-WechslerIntelligenztests für Kinder (HAWIK-R) erfasst wurden, führt STEDTNITZ (1999, 138ff) an. Dieser Intelligenztest basiert nach HOLLING & KANNING (1999, 32f) auf dem Zwei-Faktoren-Modell von Spearman, nach Meinung von ROEDELL, JACKSON & ROBINSON (1989, 5f) hingegen basiert die Unterscheidung von Wechsler in Handlungs- und Verbalintelligenz auf dem Konzept der Gruppenfaktoren. Der Test zeigt jedenfalls Ungleichgewichte in der Begabung von Kindern, egal ob man diese auf die unterschiedlich ausgeprägten spezifischen Fähigkeiten oder die Intelligenzfaktoren zurückführt. In diesem Zusammenhang Phänomen Hochbegabung 17 scheint das zugrundeliegende Konzept von Intelligenz also nicht mehr von großer Bedeutung zu sein. Hinsichtlich der Förderung von hochbegabten Kindern hat das zugrundeliegende Konzept allerdings Folgen für die Art der Programme. Geht man von einem generellen Intelligenzfaktor aus, so wird man Kinder, die aufgrund verschiedener Fähigkeiten ausgewählt wurden, in gemeinsamen Förderprogrammen unterrichten und dabei nur wenig Rücksicht auf die individuellen Unterschiede der Kinder nehmen. Eine multifaktorielle Auffassung von Intelligenz hingegen spricht dafür, Fördermaßnahmen sehr genau auf unterschiedliche Talente abzustimmen. In diesem Fall würde man nicht vermuten, dass hochbegabte Kinder für verschiedene Fördermaßnahmen in Frage kommen (nach ROEDELL, JACKSON & ROBINSON 1989, 4). Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 18 3 Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 3.1 Merkmale Hochbegabter Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass es schwierig ist, Hochbegabung zu definieren. Zudem sind Definitionen theoretische Konstrukte, die uns keine Vorstellung von dem Wesen eines hochbegabten Kindes vermitteln und mögliche daraus resultierende Probleme aufzeigen. Deshalb werde ich in diesem Kapitel Eigenschaften und Fähigkeiten hochbegabter Kinder näher beschreiben, um anschließend auf die Probleme hochbegabter Kinder einzugehen. Besondere Schwierigkeiten erfahren Risikogruppen, auf die ich im Unterkapitel 3.3 genauer eingehen werde. In der Praxis gibt es zahlreiche Checklisten für Eltern und Lehrer, die häufig vorkommende Eigenschaften hochbegabter Kinder auflisten. Zu beachten ist, dass auf ein hochbegabtes Kind nicht jede aufgelistete Eigenschaft zutreffen muss und umgekehrt ein Kind, auf das viele Eigenschaften zutreffen, nicht automatisch hochbegabt ist. Diese Listen können nur Hinweise geben, jedoch keine Beweise für Hochbegabung (vergleiche HEINBOKEL 1988, 33f). Da die meisten Listen nicht wissenschaftlich überprüft sind, haben Checklisten allgemein viel Kritik erfahren. STAPF (1999, 20) warnt in diesem Zusammenhang davor, eine „hoch begabte Persönlichkeit“ zu postulieren. Bei der Beschreibung von typischen Verhaltensweisen ist außerdem zu bedenken, dass diese abhängig von der jeweiligen Situation sind. Ein hochbegabtes Kind kann sich bei Langeweile unaufmerksam, lustlos oder sogar störend verhalten, ist jedoch in einer stärker fordernden Umgebung wahrscheinlich aufmerksam, wissbegierig und engagiert (ROEDELL, JACKSON & ROBINSON 1989, 13). Vor diesem Hintergrund ist nun die Checkliste des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu sehen (BMBF 2001b, 21f). Diese Liste ist in drei Abschnitte unterteilt: 1. Merkmale des Lernens und Denkens, 2. Arbeitshaltung und Interessen, 3. Merkmale des sozialen Verhaltens. 1. Merkmale des Lernens und Denkens - Hochbegabte haben in einzelnen Bereichen ein sehr hohes Detailwissen. - Ihr Wortschatz ist für ihr Alter ungewöhnlich. - Ihre Sprache ist ausdrucksvoll, ausgearbeitet und flüssig. Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 19 - Sie können sich Fakten schnell merken. - Sie durchschauen sehr genau Ursache-Wirkung-Beziehungen. - Sie suchen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. - Sie erkennen bei schwierigen Aufgaben zugrundeliegende Prinzipien. - Sie können leicht gültige Verallgemeinerungen herstellen. - Sie können außergewöhnlich gut beobachten. - Sie lesen sehr viel von sich aus und bevorzugen Bücher, die über ihre Altersstufe deutlich hinausgehen. - Sie geben in ihren Ausführungen zu erkennen, dass sie kritisch, unabhängig und wertend denken. 2. Arbeitshaltung und Interessen - Motivierte Hochbegabte gehen in bestimmten Problemen völlig auf. - Sie sind bemüht, Aufgaben stets vollständig zu lösen. - Sie sind bei Routineaufgaben leicht gelangweilt. - Sie streben nach Perfektion. - Sie sind selbstkritisch. - Sie geben sich mit ihrem Arbeitstempo oder –ergebnis nicht schnell zufrieden. - Sie arbeiten gern unabhängig, um hinreichend Zeit für das Durchdenken eines Problems zu haben. - Sie setzen sich hohe Leistungsziele und lösen (selbst-) gestellte Aufgaben mit einem Minimum an Anleitung und Hilfe durch Erwachsene. - Sie interessieren sich für viele „Erwachsenenthemen“ wie Religion, Philosophie, Politik, Umweltfragen, Sexualität, Gerechtigkeit in der Welt... 3. Merkmale des sozialen Verhaltens - Hochbegabte beschäftigen sich viel mit Begriffen wie Recht-Unrecht sowie Gut-Böse und sind bereit, sich gegen „Autoritäten“ zu engagieren. - Sie gehen nicht um jeden Preis mit der Mehrheit. - Sie sind individualistisch. - Sie akzeptieren keine Meinung von Autoritäten, ohne sie kritisch zu prüfen. Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder - 20 Sie können gut Verantwortung übernehmen und erweisen sich in Planung und Organisation als zuverlässig. - Sie suchen sich ihre Freunde bevorzugt unter Gleichbefähigten, häufig Älteren. - Sie neigen schnell dazu, über Situationen zu bestimmen. - Sie können sich in andere einfühlen und sind daher für politische und soziale Probleme aufgeschlossen. Die Merkmale des Lernens und des Denkens scheinen einsichtig und auf intellektuelle Begabung zurückführbar. Einige Punkte könnte man unter ‚suchen nach und erkennen von Ordnung’ zusammenfassen. Bei den Merkmalen, die unter dem Punkt Arbeitshaltung und Interessen zusammengefasst sind, stellt sich das Problem, dass die Motivation nachlassen kann, was bereits in Kapitel 2.1 bei den Modellen thematisiert wurde. Zu ergänzen ist noch, dass hochbegabte Kinder extrem viel fragen und nach Webb (in MÖNKS 1999, 254) auch „unverschämte“ Fragen stellen. MÜLLER (2000, 62) spricht von großem Wissensdurst und hartnäckigen Fragen. Die Merkmale des sozialen Verhaltens scheinen nicht so einsichtig wie die Merkmale des Lernens und Denkens. Dennoch sind gerade auch nicht kognitive Persönlichkeitsmerkmale Hochbegabter von Interesse. In vielen Beschreibungen hochbegabter Kinder liest man, dass diese sensibel und äußerst lebhaft sind. Dieser Aktivitätsdrang zeugt von einem hohen Maß an Energie (vergleiche WINNER 1998, 206; MÖNKS 1999, 255). Dabrowski (in WEBB, MECKSTROTH & TOLAN 1998, 22ff) geht davon aus, dass für die Entwicklung von Hochbegabung eine hohe Sensibilität der Sinne Voraussetzung ist, die sich dann in dem Verhalten Hochbegabter zeigt. So bezieht er die Sensibilität nicht nur auf die kognitiven Eigenschaften, sondern systematisch auch auf andere Bereiche. In seinem Konzept nennt er die Sensibiliät der Sinne „overexcitabilities“ und unterscheidet fünf verschiedene Arten: psychomotorische, sensorische, intellektuelle, imaginäre und emotionale overexcitabilities. Die intellektuellen overexcitabilities werde ich nicht noch einmal aufführen, da sie mit der obigen Merkmalsliste bereits abgehandelt wurden. So verbleiben folgende vier nicht kognitive Kategorien: • „Psychomotorische overexcitabilities“: In diese Kategorie fällt der oben erwähnte Aktivitätsdrang. Hochbegabte Kinder werden aus diesem Grund oft für hyperaktiv gehalten. Der Unterschied zu hyperaktiven Kindern besteht jedoch darin, dass hochbegabte Kinder bei Interesse zu fokussierter Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 21 Aufmerksamkeit und Konzentration in der Lage sind. Psychomotorische overexcitabilities äußern sich zum Beispiel in einem reduzierten Schlafbedürfnis, in schnellem Sprechen, in einer Vorliebe für schnelle Sportarten und in Handlungsdruck. HEINBOKEL (1988, 34) führt dazu als Beispiel einen vierjährigen Jungen auf, der jede Nacht nur vier Stunden schläft. Psychomotorische overexcitabilities können sich zudem zeigen in Form von deutlicher Begeisterungsfähigkeit, Schauspielern, zwanghaftem Reden und Plaudern, impulsiven Handlungen, nervösen Angewohnheiten, Arbeitssucht oder zwanghaftem Organisieren und Konkurrieren. • „Sensorische overexcitabilities“: Hierzu zählt der oft diskutierte Zusammenhang zwischen Hochbegabung und Allergien oder Asthma (vergleiche WINNER 1998, 152f). Nach Dabrowski können sich sensorische overexcitabilities in der Unverträglichkeit bestimmter Textilien und Nahrungsmittel, Gerüche oder Geräusche ausdrücken. Kinder mit dieser Sensibilität sind genussfähig und zeigen häufig eine ausgeprägte Wertschätzung für schöne Objekte, Schreibstile oder Wörter. Negativ kann sich diese Eigenschaft als Ausdruck von emotionalen Spannungen in Form von Überessen, einem zügellosen Sexualleben, Großeinkäufen oder dem starken Bedürfnis danach, im Mittelpunkt zu stehen, äußern. • „Imaginäre overexcitabilites“: Diese Kategorie ist eng mit Kreativität verbunden. Kinder mit dieser Eigenschaft weisen einen ausgeprägten Sinn für Humor auf, der oft ans Bizarre grenzt. Oftmals erfinden sie auch Objekte als Gesellschaft oder Freundesersatz für sich. Aufgrund ihrer Fähigkeit zu detaillierter Visualisierung sind ihre Träume komplex und sie können Schwierigkeiten haben, ihre gedachten Bilder konkret in Worten auszudrücken. Ihre ausgeprägte Vorstellungskraft kann sich negativ in Alpträumen zeigen und zu Angst vor Unbekanntem führen, da vieles vorstellbar, aber emotional noch nicht verarbeitbar ist. Es kann auch zu einer Vermischung von Realität, Fiktion und Illusion kommen. • „Emotionale overexcitabilities“: Diese Kategorie wird gemeinhin unter Sensibilität verstanden. Kinder mit dieser Fähigkeit können extrem positive wie auch negative Gefühle erleben. Aufgrund ihrer Empathie identifizieren sie sich oft mit den Gefühlen anderer. Hierzu zählt auch ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn für andere und eine Abneigung gegen physische Gewalt Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 22 und Auseinandersetzung (MÜLLER 2000, 62). Die hohe Sensibilität kann zu emotionalen Anspannungen führen, die sich in intensiven Hemmungen und Schamgefühlen ausdrücken. Körperlich kann sich das in einem nervösen Reizmagen, Herzschlagveränderungen oder Erröten zeigen. Zu beachten ist, wie auch bei den vorangegangenen Merkmalslisten, dass die fünf overexcitabilities nicht in gleicher Stärke und Zusammensetzung bei jedem Hochbegabten zu finden sind. Interessant an dem Konzept ist die Ganzheitlichkeit, die unter Umständen bei einer Förderung beachtet werden sollte. Neben den erwähnten Persönlichkeitsmerkmalen ist nach HEINBOKEL (1988, 35) für Hochbegabte kennzeichnend, dass sie im Baby- und Kleinkindalter Entwicklungsstadien früher und schneller durchlaufen oder sogar Entwicklungsstadien überspringen. Letzteres zeigt sich unter anderem im Lernen ohne wesentliche Übungsphasen, was für ein Kind in der Schule zum Problem werden kann. Ein ebenso typisches Merkmal für hochbegabte Kinder ist frühes Lesenlernen. Oftmals ohne fremde Hilfe bringen sich die Kinder zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr das Lesen bei. Wie die Beispiele von HEINBOKEL (1988, 36) zeigen, verstecken die Kinder oft ihre Fähigkeit zu lesen, die dann nur durch Zufall erkannt wird. Nach JOST (1999, 31) beherrschen viele hochbegabte Kinder vor der Einschulung auch schon den Zahlenraum bis hundert oder sogar weit darüber hinaus. Sie können zudem dann bereits im Kopf addieren und subtrahieren. Einige Wissenschaftler sind der Auffassung, dass Hochbegabte nicht nur viele Dinge einfach früher können als andere, sondern dass sie über andere Denkstrukturen verfügen (JOST 1999, 32). Trotz der Kritik, die Merkmalslisten Hochbegabter erfahren haben, haben sie doch weit verbreiteten Mythen über hochbegabte Kinder positiv entgegengewirkt. ROEDELL, JACKSON & ROBINSON (1989, 17f) stellen dar, dass intellektuelle Hochbegabung nicht von einem umgänglichen Temperament begleitet sein muss. Hochbegabte Kinder können durchaus schüchtern oder abweisend sein. Solche Kinder werden jedoch von Lehrern immer noch unterschätzt. Ein weiterer Mythos ist die enge Verbindung von Genie und Wahnsinn. Eine systematische Beziehung ist nicht bewiesen. Unbestritten ist die Tatsache, dass Hochbegabte psychische Auffälligkeiten zeigen können. Diese haben ihre Ursache jedoch nicht in der Hochbegabung, sondern rühren vielmehr von dem inadäquaten Umgang der Umwelt mit den Begabungen des Kindes her (HOLLING & KANNING 1999, 59f). Die Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 23 Probleme des hochbegabten Kindes in der Interaktion mit seiner Umwelt werde ich im folgenden Unterkapitel thematisieren. 3.2 Hochbegabung als Problem Bevor ich zu den Problemen des hochbegabten Kindes mit seiner Umwelt komme, werde ich noch auf ein Problem eingehen, dass sich aus der Entwicklung hochbegabter Kinder ergeben kann. Im Entwicklungsverlauf hochbegabter Kinder kann es zu einer Diskrepanz zwischen der intellektuellen und der biologischen, beziehungsweise sozial-emotionalen Entwicklung kommen. Nach den Untersuchungsergebnissen, die HEINBOKEL (1988, 43f) anführt, ist die sozialemotionale Entwicklung häufig zwar ebenfalls akzeleriert, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie die intellektuelle Entwicklung. Die sozial-emotionale Entwicklung kann sogar hinter dem biologischen Alter eines Kindes zurückbleiben. Ein extremes Beispiel ist ein sechsjähriges Kind, das in Mathematik den Stoff eines zwölfjährigen bewältigen kann, jedoch emotional auf dem Stand eines vierjährigen ist. FEGER & PRADO (1998, 72) hingegen merken kritisch an, dass die weit verbreitete Hypothese von Asynchronien zwischen kognitiver und sozial-emotionaler Entwicklung empirisch nicht belegt ist. Nach ROEDELL, JACKSON & ROBINSON (1989, 15) findet sich diese Asynchronie wahrscheinlich höchstens bei extrem hochbegabten Kindern. So gibt es hochbegabte Vorschulkinder, die die für ihr Alter typische körperliche Unbeholfenheit, verbunden mit einem Mangel an Koordinationsfähigkeit aufweisen. Ein anderes Beispiel sind Drei- oder Vierjährige mit einem geistigen Entwicklungsstand von sieben oder acht Jahren, die wie ihre Altersgenossen Hilfe beim Waschen und Anziehen benötigen, bei Frustrationen unbeherrscht reagieren, weder ihre Bedürfnisse und Gefühle mitteilen, noch sich Gruppen anschließen können und zudem noch nicht gelernt haben zu teilen oder zu warten, bis sie an der Reihe sind. Diese Asynchronie kann bei den Kindern zu Frustrationen führen, da sie sich ihren Wünschen und Intentionen gemäß Dinge vornehmen, die sie aufgrund ihrer geringeren nicht kognitiven Fähigkeiten nur unbefriedigend realisieren können. Folgendes Beispiel von HOLLENBACH (1999, 29) zeigt, wie die körperlichen Fähigkeiten eines sechsjährigen Jungen nicht seinem perfektionistischen Anspruch genügen können. Da er es nicht schafft, die Worte ‚Herzlichen Glückwunsch’ seinen Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 24 Vorstellungen gemäß auf die Geburtstagskarte zu schreiben, wird Helge wütend und weigert sich, zum Geburtstag zu gehen. Nur mit viel Mühe und Geduld ist er schließlich doch dazu zu bewegen, zum Geburtstag seines besten Freundes zu gehen. Doch nicht nur für die Kinder ist eine intellektuell-soziale Inkongruenz ein Problem, auch die Mitmenschen reagieren irritiert, wenn die sozialen Fähigkeiten nicht dem hohen geistigen Entwicklungsstand entsprechen. Generell liegt das Problem hochbegabter Kinder in ihrer Andersartigkeit im Vergleich zu Gleichaltrigen. Dennoch muss dieses Anderssein nicht notwendigerweise problematische Sozialbezüge oder einen Leidensweg nach sich ziehen (vergleiche MÖNKS 1999, 255; FEGER & PRADO 1998, 101f). Auch Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 10ff) teilt die Auffassung, dass es bei hochbegabten Kindern nicht zwangsläufig zu Störungen kommen muss. Dennoch entsteht ihrer Meinung nach zwischen einem hochbegabten Kind und seiner sozialen Umgebung oft ein Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht das hochbegabte Kind mit seinen altersunüblichen Eigenschaften, die von den Erwartungen, Haltungen und der Handlungsflexibilität der Umwelt auf der anderen Seite erheblich abweichen. Diese Diskrepanz zwischen beiden Seiten erfordert von dem Kind wie auch den Menschen seiner Umwelt größere Anstrengungen, um sich einander anzupassen. Bleibt eine zu große Abweichung zwischen Kind und Umwelt, so kann das Kind in einen Konflikt zwischen seinem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und nach Entfaltung geraten. Dem Bedürfnis nach Entfaltung zu folgen bedeutet, die eigenen Möglichkeiten an der Außenwelt zu erproben und sich und die Welt zu gestalten auf dem Weg zu Individualität und Autonomie. Dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu folgen heißt, sich in Übereinstimmung mit anderen Menschen zu bringen, Gemeinsamkeit mit anderen als Gruppe zu erleben und eigenes Verhalten darauf zu richten, von anderen verstanden und emotional akzeptiert zu sein. Das Unterdrücken der Hochbegabung, um dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu folgen, kostet jedoch viel Kraft, die dann für die sonstige Lebensbewältigung fehlt. Die Kinder entwickeln dann entsprechende Symptome, die auf ihre innere Not hinweisen. SchlichteHiersemenzel (BMBF 2001a, 14ff) schildert Fallbeispiele, in denen Kinder depressive Verstimmungen bekamen, aggressiv wurden und psychosomatische Symptome wie Kopf- und Magenschmerzen zeigten. Anzeichen von Depression sind auf alle Fälle ernst zu nehmen, auch wenn nicht nachgewiesen ist, dass Kinder mit höherem IQ einer höheren Gefährdung ausgesetzt sind, Selbstmord zu begehen Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 25 (vergleiche MÜLER 2000, 99f). Ein Warnzeichen ist das Aufritzen von Armen, das gerade bei hochbegabten Mädchen öfter vorkommt. Dieses Verhalten ist nicht als Suizidversuch anzusehen, sondern eher als eine Art Antidepressivum, um sich selbst wieder wahrnehmen zu können (HOLLENBACH 1999, 119). In der Literatur existiert darüber hinaus auch der erschreckende Fall einer hochbegabten Schülerin, die im Schulsystem ihre Begabung nicht entfalten konnte. Sie nahm sich das Leben, nachdem sich bei ihr eine Psychose entwickelt hatte (HOLLENBACH 1999, 173ff). Diese extremen Fallbeispiele sind keineswegs die Regel, auch wenn es bei hochbegabten Kindern zu Problemen mit der Umwelt, insbesondere den Gleichaltrigen und der Schule, kommen kann. Bei der Beziehung zu Gleichaltrigen ist wahrscheinlich das Ausmaß der Hochbegabung von Bedeutung. Mäßig hochbegabte Kinder sind eher beliebt, während höchstbegabte eher unpopulär sind und dementsprechend auch Zurückweisung und Isolierung ausgesetzt sind. Für höchstbegabte Kinder ist es folglich wichtig, Kontakt zu Kindern des gleichen Fähigkeitsniveaus zu bekommen, damit sie ihre sozialen Interaktionsfähigkeiten entwickeln können (vergleiche ROEDELL; JACKSON & ROBINSON 1989, 20; WINNER 1998, 207). Allerdings sollten hochbegabte Kinder auch allein sein können und das Recht dazu haben, denn Einsamkeit ist eine notwendige Voraussetzung zur Talententwicklung (WINNER 1998, 205; MÜLLER 2000, 97ff). Problematisch wird es, wenn hochbegabte Schüler zu Mobbing-Opfern werden. Mobbing wird nach Leymann anhand folgender Kriterien definiert: „Die Opfer werden häufig und regelmäßig über einen längeren Zeitraum systematisch und mit Absicht von einem oder mehreren überlegenen Mitschülern und Mitschülerinnen direkt oder indirekt mit dem Ziel der Ausgrenzung angegriffen und sie empfinden dies auch als Diskriminierung.“ Um Opfer zu werden reicht es, anders zu sein als der Rest der Gruppe, in diesem Fall der Schulklasse. Mobbing ist also weniger von der Persönlichkeit des Opfers als von der Atmosphäre in der Klasse abhängig (JOST 1999, 61f). Mobbing gehört mit zu den Problemen, die im Spannungsfeld hochbegabtes Kind – Schule entstehen. In den Beratungsstellen hat sich gezeigt, dass psychiatrische Aspekte der Hochbegabung eine seltene Ausnahme darstellen. Das größte Problem bei den Hochbegabten liegt vielmehr in einer (manchmal extremen) Diskrepanz zwischen Begabung und Leistung (FEGER & PRADO 1998, 95). Nach KELLER (1990, 54) stehen an erster Stelle der Beratungsanlässe Lern- und Leistungsstörungen (50%), Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 26 gefolgt von Entscheidungsproblemen (30%) an zweiter und Verhaltensstörungen (20%) an letzter Stelle. Die größten Probleme entstehen nach FEGER & PRADO (1998, 95) in der Regel aus einer langjährigen Unterforderung. Unterforderung gilt nach Hecht (in BMBF 2001a, 29) zudem als einer der stärksten Stressoren mit negativen Auswirkungen auf emotionale Stabilität und Persönlichkeitsentwicklung. Negative Folgen kann ebenso eine Überforderung eines hochbegabten Kindes nach sich ziehen. Darunter sind nicht generell Leistungsanforderungen zu verstehen, sondern nur Forderungen, die das Leistungsvermögen und den Leistungswillen des Kindes übersteigen (HEINBOKEL 1988, 64f). In der Literatur finden sich jedoch hauptsächlich Fallbeispiele für die Unterforderung hochbegabter Kinder. FEGER & PRADO (1998, 85f) sprechen in Zusammenhang mit Unterforderung in der Schule von dem Konzept der „Spirale der Enttäuschungen“ und nennen drei konstituierende Elemente: 1. Erlebte Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllung (Hoffnung und Realität): Erwartungen Hochbegabter, Neues zu lernen, sich mit anderen austauschen zu können, korrespondieren selten mit den Angeboten der Umwelt. Sie erleben, dass das, was sie sich erhoffen, der Realität kaum entspricht. 2. Erfahrene Diskrepanz zwischen Lernfähigkeit und erzwungener Lerngeschwindigkeit: In alltäglichen Lernsituationen erfahren Hochbegabte, dass der Anpassung an das Lerntempo der Bezugsgruppe eine höhere Bedeutung beigemessen wird; eine erzwungene Rücksichtnahme auf langsamere Lerner ist meistens die Folge. 3. Erzwungene Diskrepanz zwischen Anstrengungsbereitschaft und Anforderung: Inhaltliche Anforderungen des Lehrstoffs erzwingen geradezu eine „Durchschnittspädagogik“ (Gleiche Chance für alle!); individuelle Bereitschaft, sich mit einem Wissensgebiet vertieft zu beschäftigen, wird kaum berücksichtigt. Die Diskrepanz zwischen Fähigkeiten und bereitgestellten Anforderungen wiederholt sich immer wieder und die resultierende Enttäuschung steigert sich in einer Spirale. Ein wissbegieriges Kind wird zum Beispiel im Kindergarten auf die Einschulung vertröstet. Von der Schule ist das Kind jedoch schnell enttäuscht, da es dort erst lernen muss, seine Wünsche zurückzustellen, um mit der Klasse auszukommen. In der Grundschule wird es dann möglicherweise auf das Gymnasium vertröstet und so Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 27 weiter. Die Möglichkeit einer wirklichen Herausforderung, in der das hochbegabte Kind seine Fähigkeiten ausleben darf, wird immer wieder verschoben. Ältere Schüler eignen sich dadurch, dass sie ohne Aufwand gut bis sehr gute Leistungen in der Schule erzielen, oft ein relativ unrealistisches Selbstkonzept der eigenen Fähigkeiten an. Da sie elementare Lerntechniken wie Üben, Konzentrationsfähigkeit, disziplinierte Arbeitshaltung kaum gelernt haben, kann es zu einem späteren Zeitpunkt der schulischen Laufbahn zu erheblichen Schwierigkeiten kommen. Hochbegabte Kinder brauchen zwar weniger Übungen, der Weg von der Begabung zur Leistung setzt jedoch auch jahrelanges Üben voraus (FEGER & PRADO 1998, 88 und 96). Vor allem in den Fremdsprachen kann es sonst zu Lern- und Leistungskrisen kommen (KELLER 1990, 55). Neben der Unterforderung mit all ihren Folgen kann es darüber hinaus zu Problemen mit Lehrern kommen, wenn diese mangelndes Verständnis aufbringen und keine Bereitschaft zeigen, auf das Kind einzugehen (FEGER & PRADO 1998, 107). Folgende Auflistung von Whitmore (1979) (in HEINBOKEL 1988, 70) stellt Situationen von Lehrerverhalten dar, das hochbegabte Kinder als belastend empfunden haben: - Mangel an echtem Respekt für jedes einzelne Kind; - Ein Klima, das den Wettbewerb untereinander förderte; - Mangelnde Flexibilität: alle tun das Gleiche auf die gleiche Art und Weise im gleichen Zeitraum; - Betonung der äußeren Bewertung von Leistung; - Kritik an den Kindern; der Respekt für das Individuum schien von Zensuren, das heißt von den Leistungen abzuhängen; - Die Kontrolle über den Unterricht lag allein beim Lehrer; - Ein rigider Lehrplan; auf die Interessen der Kinder wurde nicht eingegangen; Schon allein aus der Tatsache, dass hochbegabte Schüler Schule als belastend empfinden und aufgrund der Schulpflicht ein Schulbesuch eigentlich nicht zu umgehen ist – eine Genehmigung des Kultusministeriums für Privatunterricht wird äußerst selten erteilt (FEGER & PRADO 1998, 107) – ist die Schule gefordert, hochbegabte Kinder zu fördern. Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 30) plädiert aus Gründen der Chancengleichheit für eine vermehrte Förderung in der öffentlichen Schule vor Ort. Schule hat aus ihrer Sicht eine zentrale Bedeutung für Zugehörigkeit und Integration. Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 28 3.3 Risikogruppen Bevor ich detailliert die möglichen Fördermaßnahmen darstellen und diskutieren werde, möchte ich bestimmten Gruppen Hochbegabter noch Beachtung schenken. Diesen Gruppen, sogenannte Risikogruppen, ist gemeinsam, dass sie eine geringere Chance haben, als hochbegabt identifiziert zu werden und somit auch mit einem größeren Risiko behaftet sind, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln (JOST 1999, 41). Wahrscheinlicher als Verhaltensauffälligkeiten ist jedoch, wie aus dem vorangegangenen Unterkapitel hervorgegangen ist, Minderleistung. Hochbegabte Kinder aus Risikogruppen werden leicht zu Underachievern. Auch wenn FEGER & PRADO (1998, 140) dafür plädieren, Hochbegabte nicht nach einem Merkmal in Risikogruppen zusammenzufassen, sondern von den Risikofaktoren und deren Zusammenwirken auszugehen, werde ich der Übersicht halber dennoch auf bestimmte Gruppen eingehen. Dazu zählen zum einen Hochbegabte mit Behinderungen und zum anderen mit Teilleistungsschwächen, sozial Schwache und ethnische Minderheiten, sowie die große Gruppe der hochbegabten Mädchen. Bei der letzten Gruppe werde ich auch allgemein Geschlechtsunterschiede aufzeigen. Abschließend werde ich noch einmal gesondert auf die Underachiever eingehen. Behinderung und Hochbegabung erscheinen auf den ersten Blick als zwei nicht miteinander vereinbare Merkmale. Körper- und Sinneseinschränkungen, die entweder durch Erbkrankheiten, Geburtsfolgen oder Unfälle entstanden sind, schließen jedoch eine gleichzeitige intellektuelle Hochbegabung nicht aus. Unter den Betroffenen ist daher mit einem gleich hohen Anteil an Begabten zu rechnen wie in der Gesamtbevölkerung. Zugleich können Hochbegabte mit Behinderungen aufgrund dieser Kombination weit größeren intrapersonalen Konflikten unterliegen als Hochbegabte ohne Behinderungen. Dadurch kann sich die Identifizierung erheblich erschweren. In unserem Schulsystem finden Hochbegabte mit Behinderungen dennoch wenig Beachtung (FELS 1999, 196ff). Obwohl mir der Förderungsbedarf dieser Gruppe bewusst ist, kann ich im Rahmen meiner Arbeit nicht gesondert darauf eingehen, da dies auch noch sonderpädagogische Aspekte berühren würde. Nicht in den sonderpädagogischen Bereich fallen hingegen Hochbegabte mit Teilleistungsschwächen. Diese Kombination ist alles andere als ungewöhnlich, da ein Zusammenhang zwischen visuell-räumlichen und sprachbezogenen Lernstörungen nachgewiesen werden konnte (WINNER 1998, 157). In diesem Kontext wird auch von „besonders intelligenten Legasthenikern“ gesprochen. Ein Bedingungsfaktor für Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 29 die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) kann ein asynchroner Entwicklungsprozess sein. So bewirkt eine hohe intellektuelle Denkgeschwindigkeit bei gleichzeitig herabgesetzten motorischen Umsetzungsfähigkeiten Synchronisationsschwierigkeiten. Allgemein gesprochen: Der Kopf ist schneller als die Hand. Wenn diese internalen Asynchronien auf mangelndes Verständnis und unzureichende Förderung durch die Umwelt stoßen, dann können beim Kind Schwierigkeiten für das Selbstkonzept und die Leistungsmotivation entstehen. Da die Schule auch wenig Rücksicht auf den verbal orientierten Lernstil dieser Kinder nimmt, können sich beim Kind zudem Probleme bezüglich des Lern- und Arbeitsverhaltens entwickeln, die wiederum LRS begünstigen können (JOST 1999, 46f). Genauso wie durchschnittlich Begabte mit Lernbehinderungen brauchen diese Kinder spezielle Fördermaßnahmen (WINNER 1998, 50). Neben den sprachbezogenen Lernstörungen zählt auch das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) zu den Teilleistungsschwächen. ADS kommt auch bei hochbegabten Kindern vor. Zu bedenken ist allerdings auch, dass viele hochbegabte Kinder aufgrund ihres Aktivitätsdrangs fälschlicherweise für hyperaktiv gehalten werden (siehe 3.1). Eine Gruppe, die aufgrund ihrer Umwelt eine wesentlich geringere Chance hat, ihr Begabungspotential zu entwickeln, bilden sozial Schwache und ethnische Minderheiten. Das Milieu der Mittelschichtfamilie vermittelt Sozialisationskriterien, die für die Konkretisierung eines Begabungspotentials erforderlich sind. Kinder von geringerer sozialer Herkunft hingegen sind im Nachteil. Zum einen haben ihre Eltern nicht die finanziellen Möglichkeiten für den Erwerb spezieller Lernmittel, wie Bücher oder Musikinstrumente, und können auch kein Schulgeld aufbringen oder Einzelfördermaßnahmen finanzieren. Zum anderen haben die Eltern ungünstige Erfahrungen mit der Institution Schule gemacht und haben mangelndes Interesse oder auch nicht die Fähigkeit zu abstrakter verbaler Kommunikation. Im Sozialisationsprozess übernehmen Kinder jedoch zunächst von ihren Eltern Wertvorstellungen, unterschiedliche Einstellungen, Fertigkeiten. Gewohnheiten, Somit besteht für Verhaltensweisen diese Kinder und eine Chancenungleichheit. Sie sind zudem mehr als Kinder aus Mittelschichtfamilien von Institutionen im Bereich der Begabtenförderung abhängig. Bei ethnischen Minderheiten treten darüber hinaus Probleme auf, wenn die Eltern die konventionellen Normen der dominanten gesellschaftlichen Gruppierungen ablehnen. Ein weiteres Problem, das hinzukommt, ist die Sprache. Wenn in dem Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 30 Elternhaus eine andere Sprache als in der Schule gesprochen wird, dann führt der ständige Wechsel zwischen den zwei Sprachen eher zur „Halbsprachigkeit“ als zur Zweisprachigkeit. Die Folge ist dann eine verminderte Kompetenz in beiden Sprachen. Es kann auch die Situation entstehen, dass ein Kind die in der Schule und den Förderprogrammen dominante Sprache ablehnt, das heißt sie möglichst wenig benutzt, und eventuell darüber hinaus auch die verbindlichen Schulnormen ablehnt (CROPLEY, McLEOD & DEHN 1988, 141ff). Eine große Risikogruppe bilden mit etwa der Hälfte aller hochbegabten Kinder die Mädchen. Intellektuelle Begabung ist also bei Geburt auf beide Geschlechter ungefähr gleich verteilt, mit zunehmendem Alter „verschwindet“ jedoch bei einigen Mädchen die Hochbegabung wie auch mit zunehmendem Alter weniger Mädchen als hochbegabt erkannt werden. Die Ursachen dafür liegen nicht in erster Linie in biologischen Begabungsunterschieden, sondern in Persönlichkeitsmerkmalen und der Sozialisation. Im Folgenden werde ich die Faktoren, die dazu führen, dass Mädchen ihr Begabungspotential weniger gut als Jungen verwirklichen können, im Wesentlichen anhand von BMBF (2001b, 61ff) und HOLLING & KANNING (1999, 57ff) darstellen. Erstens haben Mädchen häufig ein geringeres Selbstvertauen in ihre Leistungsfähigkeit als Jungen. Im Gegensatz zu Jungen schreiben Mädchen ihre guten Schulnoten allein ihrem Fleiß und ihrer Anstrengung und nicht ihrer Begabung zu. Besonders gering ist das Selbstvertrauen der Mädchen in den „typisch männlichen“ Domänen wie Naturwissenschaften, Technik und Mathematik. Mädchen, die sich für diese Bereiche interessieren, kommen spätestens in der Pubertät mit dem immer noch vorherrschenden Rollenbild in Konflikt. Hinzu kommt nach HEINBOKEL (1988, 121f) die Angst vor Erfolg. Insbesondere bei Frauen, die an sich begabt und leistungsorientiert sind, führt diese Motiv dazu, Erfolg zu vermeiden. Eine Untersuchung mit amerikanischen Studentinnen 1972 kam zu dem Schluss, dass außergewöhnliche Leistungen von einer Frau in einem überwiegend männlich geprägten Studienfach eindeutig mit einem Verlust an Weiblichkeit, sozialer Ablehnung, persönlicher oder gesellschaftlicher Zerstörung oder einer Kombination all dieser Punkte gesehen werden. Dies entspricht dem dominanten Stereotyp, dass Wettbewerbsbereitschaft, Unabhängigkeit, Kompetenz, intellektuelle Leistungsstärke und die Fähigkeit zu führen positiv mit psychischer Gesundheit und Maskulinität korrelieren und im Widerspruch zu Femininität stehen. Dieser Konflikt Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 31 existiert auch schon bei Schülerinnen, was aus Berichten einzelner Mädchen, die Klassenbeste in einer gemischten Klasse waren, hervorgeht. Zweitens unterscheidet sich das Interessenspektrum von Jungen und Mädchen. Während sich Jungen früh auf ein Spezialgebiet festlegen und zielstrebig in diesem Bereich arbeiten, haben Mädchen oft viele verschiedene Interessen und Talente, die sie gleichzeitig verfolgen. Das mag auch daher rühren, dass die weiblichen Jugendlichen sich inzwischen auch traditionell maskulin orientierten Interessen zuwenden, wohingegen feminine Gegenstandsbereiche nach wie vor für Jungen weniger attraktiv zu sein scheinen. Dies gilt jedoch nicht nur für hochbegabte Jugendliche, sondern für Jugendliche generell. Wie eine Untersuchung von ROST & HOBERG (1998, 194ff) zeigt, werden die Interessen von Jugendlichen wesentlich mehr von Geschlechtsunterschieden als von Begabungs- und Leistungsunterschieden bestimmt. Diese Geschlechtsunterschiede zeichnen sich schon mit dem unterschiedlichen Spielzeugbesitz und dessen unterschiedlicher Nutzung ab. Folgende Tabelle von Rost veranschaulicht häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede bei Hochbegabten. Mädchen und Frauen Jungen und Männer Schulische Muttersprache, Kunst, Literatur, Naturwissenschaften, Sport, Interessen Fremdsprachen, Theater, Mathematik, Geschichte Biologie Werte und Ziele Soziales, Ästhetisches, Theoretisches, Ökonomisches, Familiäres, Kulturelles, Politisches, Berufliches Lebensfreude Berufliche Hauswirtschaft, Kunst, Wirtschaft, Interessen und Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Technik, Orientierung Biologie, Medizin, Sekretariats- Militärwesen arbeit, Sozial-/Pflegeberufe Freizeitaktivitäten Lesen, Schreiben, Kunst, Sport, Handwerk, Technik, und Hobbys Kunsthandwerk, Tanzen, wissenschaftliche Hobbys, häusliche und familiäre mathematikbezogene Aktivi- Angelegenheiten, Schauspielen täten, Computer, Elektronik Tabelle 1: Häufig erwähnte Geschlechtsunterschiede bei Hochbegabten in Bezug auf schulische Interessen, Werte und Ziele, berufliche Interessen und Orientierung sowie Freizeitaktivitäten und Hobbys (ROST & HOBERG 1998, 187) Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 32 Die Vielseitigkeit von hochbegabten Mädchen kann dazu beitragen, dass sie in einzelnen Fächern später nicht in gleichem Maße wie Jungen Spitzenleistungen erbringen. Das kann auch mit die Tatsache erklären, dass die Beteiligung von Mädchen im Bundeswettbewerb Mathematik unter 25 % liegt. In den mathematischnaturwissenschaftlichen Fächern scheinen die Mädchen jedoch besonderer Förderung zu bedürfen. Drittens scheinen viele Eltern immer noch stärker an der intellektuellen Förderung ihrer Söhne als ihrer Töchter interessiert zu sein und halten eine Hochbegabung bei einem Jungen wahrscheinlicher als bei einem Mädchen. Dadurch bleibt die Hochbegabung vieler Mädchen einfach unbemerkt. Nach JOST (1999, 41) berichten alle Autoren mit Beratungserfahrung darüber, dass ihnen deutlich weniger Mädchen (ca. 25 – 29 % ) als Jungen vorgestellt werden. BILLHARDT (1996, 105) vertritt die Ansicht, dass gerade die Väter eine wesentliche Rolle bei der Nichterkennung von hochbegabten Mädchen spielen. Als Familienoberhaupt fühlt sich der Mann automatisch intelligenter als seine Familienangehörigen und die Töchter fügen sich oft seiner Führungsrolle. Mütter hingegen schätzen intelligente Söhne. Viertens führt auch das Anpassungsbedürfnis hochbegabter Mädchen dazu, dass ihre Begabungen unerkannt bleiben. Da sie auf keinen Fall anders sein wollen als die anderen Kinder, passen sie sich deshalb häufig den Leistungen und Interessen der Mitschülerinnen an. Auf Unterforderung reagieren sie eher mit depressiver Verstimmung und Bauchschmerzen. psychosomatischen Jungen hingegen Beschwerden neigen eher dazu, wie offen Kopfgegen und die Unterforderung zu rebellieren. Nach JOST (1999, 41) erregen sie Aufmerksamkeit, indem sie den Unterricht aktiv stören, den Klassenclown spielen oder aggressiv reagieren. Neben diesen Faktoren ist bei der Förderung hochbegabter Mädchen zu bedenken, dass durch den allgemeinen Entwicklungsvorsprung und die schnellere Reifeentwicklung von Mädchen Maßnahmen der Akzeleration besonders angezeigt sind. Dafür spricht auch das Ergebnis aus der Münchner Hochbegabtenstudie (in JOST 1999, 43), dass mit ansteigendem Lebensalter, beziehungsweise fortdauernder Beschulung eine zunehmende Verschlechterung hinsichtlich der Begabungsvariablen der Mädchen gegenüber den Jungen eintritt. Die Mädchen fallen von der 7. bis zur 11. Jahrgangsstufe gegenüber den gleichaltrigen Jungen zurück. Merkmale und Probleme hochbegabter Kinder 33 Die dargestellten Risikogruppen sollten bei den Überlegungen zu Fördermaßnahmen Beachtung finden, denn den Hochbegabten dieser Personengruppen ist gemeinsam, dass sie zu Underachievern werden können. Als Underachiever werden Kinder und Jugendliche bezeichnet, „die trotz einer nachweislich sehr hohen Intelligenz in der Schule keine überdurchschnittlichen oder sogar unterdurchschnittliche Leistungen erbringen“. Hanses und Rost plädieren dafür, die Definition von Underachiever enger zu fassen, da Schulleistungen niemals zu 100 Prozent auf die Intelligenzleistung zurückzuführen sind. Underachiever sind dementsprechend nur Schüler, deren Intelligenzleistung weit überdurchschnittlich ausfällt, deren schulische Leistungen jedoch unterhalb des mittleren Leistungsniveaus der Mitschüler liegen (in HOLLING & KANNING 1999, 63). Zum Underachiever können nicht nur hochbegabte Kinder der Risikogruppen werden, sondern jedes hochbegabte Kind, das Probleme, wie in Unterkapitel 3.2 beschrieben, erfährt. Begünstigend wirken bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, zum Beispiel Ängstlichkeit oder ein geringes akademisches Selbstkonzept, wie sie auch schon bei Mädchen beschrieben worden sind (siehe auch JOST 1999, 45). Um das zu verhindern ist eine adäquate Förderung nötig. Schulische Fördermöglichkeiten 34 4 Schulische Fördermöglichkeiten 4.1 Notwendigkeit und grundlegende Überlegungen Die Notwendigkeit der Förderung hochbegabter Kinder ist durch die in Unterkapitel 3.2 beschriebenen Probleme hinreichend begründet. Besonders nötig scheint sie in der Grundschule zu sein, da dort nach FEGER (2000, 33) mit 53 % die meisten Probleme auftreten und oftmals die Spirale der Enttäuschungen einsetzt. Am zweithäufigsten, mit 27 %, treten Probleme mit der Schule bei der Altersgruppe der 11 – 15-jährigen auf. Daneben hat Begabtenförderung gerade aus politischer Sicht auch eine gesellschaftliche Funktion. SCHAVAN (1999, 6) formuliert diese Funktion folgendermaßen: „Die Zukunft unserer Gesellschaft wird von den Leistungen abhängen, die die Besten aus dieser nachwachsenden Generation erringen werden. [...] Ich halte es für einen unverzichtbaren Auftrag unserer Schulen, aktiv bei der Bildung von Leistungs- und Verantwortungseliten mitzuwirken.“ Dennoch sieht auch Schavan in der Elitenbildung keine hinreichende Begründung für Begabtenförderung. Im Mittelpunkt müssen vielmehr die hochbegabten Kinder und Jugendlichen selbst stehen. Begabtenförderung wird deshalb oft als Biografieförderung und in Zusammenhang mit der Persönlichkeit der Hochbegabten gesehen. JOST (1999, 71) bezeichnet als Ziel der Begabtenförderung, „Hochbegabte zu kompetenten und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten zu erziehen, die bereit sind, ihre besonderen Fähigkeiten zum Nutzen der Allgemeinheit einzusetzen.“ Das Recht auf eine adäquate Begabtenförderung ist zudem für Baden-Württemberg im Artikel 11 der Landesverfassung festgelegt: „Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung und Erziehung entsprechende Ausbildung.“ (in WIRTZ 1999, 7). Bei den grundlegenden Überlegungen zur Begabtenförderung stellt sich als erstes die Frage nach der Organisationsform der Förderung. Meinungsverschiedenheit besteht insbesondere darüber, inwieweit hochbegabte Schüler in eine Regelschule und Regelklasse integriert werden sollen oder ob sie besser in separaten Gruppen unterrichtet werden sollen. Integration geschieht durch interne Differenzierung, zum Beispiel Bildung verschiedener Arbeitsgruppen im Unterricht. Das gegenteilige Förderprinzip ist externe Differenzierung, das im Extremfall die Bildung von Spezialklassen für Hochbegabte bedeutet. Formen der internen, beziehungsweise Schulische Fördermöglichkeiten 35 inneren Differenzierung finden im Gegensatz zur externen Differenzierung im Klassenverband statt. (nach HELLER & HANY 1996, 494) Eine häufig genannte Form der inneren Differenzierung ist die Individualisierung. FEGER & PRADO (1998, 112f) unterscheiden jedoch zwischen innerer Differenzierung und Individualisierung. Unter Individualisierung verstehen sie, die Gestaltung des Unterrichts für einen Schüler unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeitsmerkmale. Bei diesem Unterschieden den Schülern zwischen Ansatz in geht Bezug man auf von erheblichen unterrichtsrelevante Persönlichkeitsmerkmale aus. Innere Differenzierung hingegen richtet sich nach Schülertypen, die aufgrund verschiedener Merkmale oder Merkmalskombinationen klassifiziert werden. Individualisierung in obigem Sinne ist ein Idealfall. Die Möglichkeiten eines Lehrers, für jedes Kind eigene Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen vorzubereiten sind sehr begrenzt (vergleiche BMBF 2001b, 49). Weinert (in JOST 1999, 77) hält individualisierten Unterricht gar „in der schulischen Realität für unpraktikabel“. Gründe dafür sind unter anderem zu große Klassen, fehlendes Unterrichtsmaterial und viele verhaltensauffällige Schüler. Allenfalls in der Grundschule erscheint Individualisierung noch praktikabel. Zum einen hat der Lehrer dort alle verfügbaren Materialien in einem Raum, zum anderen gibt es für den Grundschulbereich auch schon eine Vielzahl von vorgefertigten Materialien (vergleiche BMBF 2001b, 49; JOST 1999, 77f). Eine andere Form der inneren Differenzierung beruht auf der weitgehend selbstständigen Planung und Gestaltung des Lernprozesses durch die Schüler (nach BMBF 2001b, 49f). Dazu gehören Methoden wie die Wochenplan-Arbeit, freie Arbeit, Projektarbeit, offener Unterricht oder entdeckendes Lernen. Hochbegabte können mit diesen Methoden auf ihrem Niveau arbeiten, sofern die Aufgaben komplex sind und die Anforderungen nicht begrenzt werden. Jedoch ist fraglich, ob diese Methoden für schwächere Schüler geeignet sind, da sie Lernwillen und Lernfähigkeit voraussetzen. Nach HELLER & HANY (1996, 500) ist für jüngere und ängstlichere oder auch weniger intelligente Schüler im Allgemeinen eine stärker strukturierte Unterrichtsform effektiver. Dennoch sind die Unterrichtsmethoden zur inneren Differenzierung in manchen Grundschulen erfolgreich erprobt worden. Aus den weiterführenden Schulen hingegen liegen keine fundierten Erfahrungen vor (BMBF 2001b, 50). Schulische Fördermöglichkeiten 36 Auch am Gymnasium ist mittlerweile jedoch Differenzierung nötig. Die einstige Begabtenschule der 50er Jahre, die 10 bis 12 Prozent eines Jahrgangs aufnahm und etwa 6 Prozent mit dem Abitur entließ, ist eher zur Regelschule geworden. Mittlerweile wechseln im Bundesdurchschnitt 40 Prozent eines Schülerjahrgangs auf das Gymnasium und etwa ein Drittel macht Abitur. Insbesondere in den Großstädten liegen die Prozentsätze sogar weit höher. Dadurch hat sich das Spektrum der Leistungsfähigkeit in den Klassen erheblich vergrößert (BMBF 2001b, 59). Es stellt sich allerdings die Frage, ob innere Differenzierung ausreichend ist. Nach Meinung von Hartmut von Hentig (in HEINBOKEL 1996, 204) wird innere Differenzierung für eine Art Magie gehalten, „eine theoretisch einleuchtende, jede praktische Lehrkunst übersteigende Forderung“. Ebenso kritisch äußert sich Klafki (in HEINBOKEL 1996, 205): Vielleicht ist es doch eine „grandiose Überforderung der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler“, wenn versucht wird, es allen Kindern in altershomogenen Klassen gleichzeitig recht zu machen. Empirische Untersuchungsbefunde, vorgelegt von DREWELOW (1992a, 181), dämpfen auch eher die Erwartungen hinsichtlich der begabungsfördernden Wirkung von innerer Differenzierung. Aus diesem Grund werde ich mich im Folgenden näher mit der externen, beziehungsweise äußeren Differenzierung befassen. Fördermaßnahmen der äußeren Differenzierung werden in der Regel eingeteilt in: Enrichment (Zusatzmaßnahmen), Akzeleration (beschleunigter Fortschritt) und Grouping (Bilden von leistungshomogenen oder begabungshomogenen Gruppen) (FEGER & PRADO 1998, 114). Akzeleration und Enrichment, welche auf unterschiedlichen Prinzipien basieren, werden dabei oft als Gegenspieler gesehen, obwohl es auch Mischformen gibt (vergleiche BMBF 2001b, 46). Im folgenden Unterkapitel 4.2 werde ich mich mit dem Prinzip und den Formen der Akzeleration auseinandersetzen und entsprechendes Vorgehen dann im darauffolgenden Unterkapitel 4.3 für Enrichment anwenden. Anschließend werde ich mich im Unterkapitel 4.4 mit der extremen Form der äußeren Differenzierung befassen. Statt des oben genannten Begriffes ‚Grouping’ werde ich jedoch den Begriff Separation verwenden. Möglichkeiten außerhalb dieser Begabungskonzepte werden im anschließenden Unterkapitel 4.5 erörtert. Bei der Darstellung von Schulrecht und Beispielen werde ich im Wesentlichen von Baden-Württemberg ausgehen, da ich in diesem Bundesland meine Praktika absolviert habe wie auch selbst zur Schule gegangen bin. Schulische Fördermöglichkeiten 37 4.2 Akzeleration 4.2.1 Formen von Akzeleration Akzeleration, übersetzt Beschleunigung, bedeutet nach HELLER & HANY (1996, 492) „die Erhöhung des Darbietungstempos des regulären Curriculums in unmittelbarer Anpassung an das beschleunigte Lerntempo begabter Schüler, die zwangsläufig zu einer Reduktion der Verweildauer des Individuums im Schul- und Ausbildungssystem (um ein Jahr oder mehr) führt“. Diesem Fördermodell liegen wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde, wonach sich hochbegabte Schüler durch ein hohes Lerntempo auszeichnen. Die Ursache dafür liegt in der hohen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, welche eine wesentliche Komponente der Intelligenz darstellt. Hochbegabte Schüler werden hier dementsprechend als „schnelle Lerner“ und nicht als „breit interessierte Schüler“ aufgefasst (HANY 2000, 81; HELLER & HANY 1996, 492). Diese Auffassung untermauern auch Merkmale hochbegabter Kinder. So wurde bei der Schilderung dieser erwähnt, dass Entwicklungsschritte schneller durchlaufen oder sogar übersprungen werden können (siehe 3.1). Das Förderprinzip der schulischen Akzeleration wird zudem durch die Annahme von sensiblen Phasen gestützt. Nach dem Neurobiologen SINGER (1999, 60ff) gibt es „Zeitfenster“, in denen das Gehirn die Grundlagen für alles weitere Lernen erwerben kann. Das Kind wird durch Fragen die für seine Entwicklung bedeutenden Informationen fordern. Werden ihm jedoch die richtigen Antworten vorenthalten, dann führt dies zur Verkümmerung von angelegten Möglichkeiten. Das heißt, die Zeitfenster schließen sich und das Kind kann seine Begabungen nicht ausschöpfen. Da die Entwicklung des Gehirns von der Geburt bis zur Pubertät rasant verläuft und mit 17, 18 Jahren spätestens abgeschlossen ist, plädiert Singer in der Bildung für das Motto: „Je früher, desto besser.“ HANY (2000, 81) merkt kritisch an, dass das Akzelerationsmodell von einer funktionalen Sichtweise von Schule ausgeht. Die Schule hat ihren Auftrag erfüllt, wenn sie ein gewisses Maß an Wissen und Fähigkeiten vermittelt hat. Ihre Zielsetzung besteht darin, „junge Menschen für das Berufsleben und ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Produktivität vorzubereiten“, wodurch es keinen Sinn macht, junge Menschen „ohne Grund“ länger als nötig in der Schule festzuhalten. Schulische Fördermöglichkeiten Allerdings bleibt zur Theorie 38 anzumerken, dass die Praxis der Hochbegabtenförderung der Elaboration ihrer theoretischen Grundlegung deutlich voraus ist. Die theoretische Analyse der Fördermöglichkeiten ist jedoch auch nur begrenzt notwendig, da das „know how“ für die Praxis bedeutsamer ist als das „know why“. Im letzten Jahrhundert haben die USA in Bezug auf schulische Akzeleration eine Vorreiterrolle gespielt, so dass es dort die meisten Untersuchungen gab, als HEINBOKEL (1996, 9) sich in den 90er Jahren mit einer Form der Akzeleration eingehender beschäftigte. Aus diesem Grund werde ich, bevor ich auf die Situation in Deutschland zu sprechen komme, noch das intensiv untersuchte Programm von Julian C. Stanley, einem der bekanntesten und vehementesten Verfechter der Akzeleration vorstellen. Sein Akzelerationsprogramm, „The Study of Mathematically Precocious Youth“ (SMPY), läuft seit 1971. Es basiert auf der Annahme, dass hohe Leistungen in Mathematik eher von intellektuellen Fähigkeiten als von Lebenserfahrung abhängen. Jährlich werden Jugendliche im Alter zwischen 12 und 14 Jahren eingeladen, den Scholastic Aptitude Test (SAT) zu bearbeiten, dessen Aufgaben üblicherweise von fünf Jahre älteren Schülern gelöst werden. Gefördert werden anschließend Schüler, die im Test ihr extrem gutes mathematisches Denken unter Beweis gestellt haben und zugleich auch gute Schulleistungen erbringen. Entweder die jeweiligen Schulen bieten diesen Kindern dann „Schnellkurse“ an, in denen der Mathematikstoff mehrerer Jahre innerhalb eines Jahres absolviert wird, oder die Kinder können „Advanced Placement“-Kurse des SMPY in Anspruch nehmen, die zum Teil als Sommerkurse in den Schulferien stattfinden. Der Unterricht geht dabei auf die individuellen Vorkenntnisse der Schüler ein. Von Bedeutung ist, dass die Schulen den Kindern die frühzeitig erworbenen Zertifikate anerkennen und somit den späteren regulären Besuch der entsprechenden Kurse erlassen, so dass die jungen Leute dann früher ein Universitätsstudium aufnehmen können (HELLER & HANY 1996, 495f; HEINBOKEL 1996, 12). Dieses Förderkonzept ist sowohl auf andere Bereiche der Begabung übertragen wie auch in anderen Ländern nachgeahmt worden. In Deutschland ist es von einer Gruppe Hamburger Wissenschaftler, unter anderem Wiezcerkowski und Wagner, angewandt worden. Die Talentsuche im Rahmen dieses Projektes gestaltet sich entsprechend des SMPY. Das folgende Förderprogramm zählt jedoch eigentlich zum Enrichment-Ansatz und nicht zur Schulische Fördermöglichkeiten 39 Akzeleration, da in den Kursen kein Schulstoff vorweggenommen wird (vergleiche STÜVEN 2000, 209ff). Im Folgenden werde ich die Formen von Akzeleration in der Bundesrepublik Deutschland nach HEINBOKEL (1996, 21f) darstellen. 1. Frühe Einschulung: Außerhalb Baden-Württembergs können nur die Schüler, die maximal ein halbes Jahr nach dem Stichtag am 30.6 eines Jahres 6 Jahre alt werden, eingeschult werden. Anzumerken ist, dass sich die Kultusministerkonferenz 1997 für eine Lockerung dieser Regelung ausgesprochen hat (BMBF 2001b, 47). 2. Überspringen von Klassen: Abgesehen von einzelnen Klassen je nach Bundesland, können Klassen in der Grundschule, Sekundarstufe I und die 11. Klasse übersprungen werden. 3. Fachbezogene Akzeleration: Nur in einem oder mehreren Fächern nimmt der Schüler am Unterricht einer höheren Klasse teil. 4. Akzeleration in jahrgangsübergreifenden Klassen: Jahrgangsübergreifende Klassen lassen das schnellere Durchlaufen problemlos zu. 5. Akzeleration in Sonderklassen mit Überspringen: In der Sekundarstufe I wird eine Klasse zusammengestellt, die den Stoff in der Mittelstufe so verkürzt behandelt, dass sie ein Jahr eher in die Sekundarstufe II eintritt. 6. Akzeleration in Sonderklassen (ohne Überspringen): Der vorgesehene Stoff wird verkürzt durchgenommen, um Zeit für individuell gewählte Themen zu gewinnen. 7. Individuelle Stundenpläne: Der Schüler erhält einen individuellen Stundenplan, so dass er an Stunden des eigenen Jahrgangs wie auch am Unterricht höherer Klassen teilnimmt. 8. Arbeitsgemeinschaften: Diese können auf einem höheren Niveau und akzeleriert angeboten werden. 9. Betreuung durch Mentoren: Ein Mentor hilft dem Schüler, in einem Themenbereich auf seinem Niveau seinem Tempo entsprechend zu arbeiten. 10. Außerschulische Angebote: Der Schüler nimmt neben der Schule oder in den Ferien an einem Kurs teil, der Informationen auf einem höheren Niveau anbietet. 11. Fernunterricht: Neben der Schule, nicht als Ersatz, können Schüler Fernunterricht nehmen. Schulische Fördermöglichkeiten 40 12. Gaststatus an der Universität: Der Schüler kann als Gasthörer an einzelnen Vorlesungen und Übungen der Universität teilnehmen und unter Umständen auch Scheine für ein späteres Studium erwerben. Einige der aufgezählten Formen von Akzeleration entsprechen nicht der obigen Definition von HELLER und HANY (1996, 492), wonach Akzeleration mit einer kürzeren Verweildauer im Schul- und Ausbildungssystem einhergeht. Dazu zählen Arbeitsgemeinschaften, wie auch außerschulische Angebote, die deshalb dem Enrichment-Ansatz zuzuordnen sind. Sonderklassen ohne Überspringen stellen eine Mischung aus Akzeleration und Enrichment dar. Fernunterricht wie auch der Gaststatus an einer Universität ermöglichen unter Umständen den Erwerb von Zertifikaten oder Scheinen für ein späteres Studium und somit eine Verkürzung der Ausbildungszeit, sie führen jedoch nicht zu einen schnellern Durchlaufen des Schulsystems, so dass sie eher den unkonventionellen Fördermöglichkeiten zuzurechnen sind. Im Folgenden werde ich die Umsetzung der wichtigsten Formen von Akzeleration in Baden-Württemberg aufzeigen. Zunächst werde ich auf das Überspringen von Klassen, einschließlich der fachbezogenen Akzeleration eingehen. In Zusammenhang mit der frühen Einschulung werde ich dann die Akzeleration in jahrgangsübergreifenden Klassen besprechen. Zuletzt wird das achtjährige Gymnasium als Umsetzung der Akzeleration in Sonderklassen mit Überspringen dargestellt. 4.2.2 Überspringen von Klassen und fachbezogene Akzeleration In allen Bundesländern ist es erlaubt, zweimal zu springen: einmal während der Grundschulzeit und einmal in der Sekundarstufe I, beziehungsweise der 11. Klasse. Das Überspringen in der Sekundarstufe I bezieht sich dabei üblicherweise auf ein Gymnasium oder eine Gesamtschule, in Baden-Württemberg ist es dennoch auch an Haupt- und Realschulen erlaubt. Üblicher ist in diesem Fall jedoch eine Querversetzung an die nächst höhere Schulform. Von der generellen Möglichkeit des Überspringens sind je nach Bundesland einige Klassenstufen ausgenommen. Ausnahmen und unterschiedliche Regelungen bestehen für die erste und letzte Klasse der Grundschule, zum Teil auch für die 5. und 6. Schulische Fördermöglichkeiten 41 Klasse und vor allem die 10. Klasse der Sekundarstufe I. Die Vorschriften sind darüber hinaus nicht immer eindeutig, sondern oftmals offen und unklar formuliert. Das Überspringen des kompletten ersten Schuljahres war mindestens bis 1996 in keinem Bundesland erlaubt und ist in der Mehrzahl der Länder immer noch nicht zulässig. Am 1.Januar 1999 trat in Baden-Württemberg eine geänderte Versetzungsordnung für die Grundschule in Kraft, die das Springen erleichtern soll (nach ENGEMANN 1999, 48). Danach können bis zu zwei Klassen in der Grundschule übersprungen werden. Zudem sind sowohl das Überspringen der Klasse 1 durch eine direkte Einschulung in Klasse 2, wie auch das Überspringen der Klasse 4 möglich. Im letzteren Fall wird dann eine Grundschulempfehlung zum Übertritt in die weiterführende Schule in Klasse 3 erteilt. In der Sekundarstufe ist das Überspringen des 10. Schuljahres kontrovers, da mit dem 10. Schuljahr die mittlere Reife und somit die Berechtigung zum Besuch der Sekundarstufe II erworben wird. Von Baden-Württemberg sind allerdings keine Ausnahmeregelungen fürs Springen bekannt. Die Klassen 12 und 13 hingegen sind in allen Bundesländern vom Springen ausgenommen. Unterschiedliche Regelungen zwischen den Bundesländern gibt es auch in Hinblick auf den Zeitpunkt des Überspringens im Schuljahr. In einigen Bundesländern ist das Springen nur zum Ende eines Schuljahres möglich, in anderen hingegen nicht an bestimmte Zeitpunkte im Schuljahr gebunden. (HEINBOKEL 1996, 23ff) Die Entscheidung über das Springen ist im Gegensatz zum Wiederholen in hohem Maße von den Eltern abhängig. Entweder die Erziehungsberechtigten stellen den Antrag selbst, oder aber sie müssen zumindest dem Vorschlag der Klassenkonferenz zustimmen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine Genehmigung des Antrags. Die Entscheidung über eine Genehmigung liegt allein bei den zuständigen Gremien. In Baden-Württemberg ist das die Klassenkonferenz, an der zusätzlich die Lehrer der aufnehmenden Klassen mit beratender Stimme teilnehmen. (HEINBOKEL 1996, 27) Aktuelle Zahlen zu Springern liegen leider nicht vor, so dass auf die Erhebungen von Heinbokel in Niedersachsen und weitere Zahlen aus dem Saarland und Bayern aus den 80er Jahren zurückgegriffen werden muss. Geht man davon aus, dass eine Schule Erfahrungen mit dem Überspringen hat, wenn es in den letzten zehn Jahren mehr als zweimal stattgefunden hat, dann hatten zu Beginn der 90er Jahre von den öffentlichen Schulen in Niedersachsen nur etwa 0,4 % der Grundschulen, 1 % der Gymnasien und keine Gesamtschule Erfahrungen. Das Springen fand in Schulische Fördermöglichkeiten 42 Niedersachsen zu 90 % an den Grundschulen statt, fast 80 % insgesamt sogar bis zum Ende der zweiten Klasse. Auch die Erhebungen aus Bayern und dem Saarland bestätigen mit 71 % und 64 %, dass das Springen überwiegend an Grundschulen stattfand. Bei diesen Ergebnissen ist jedoch zu berücksichtigen, dass zu dieser Zeit in allen Bundesländern die Tendenz bestand, Kinder so spät wie möglich einzuschulen und man der frühen Einschulung gegenüber abgeneigt war. Das Springen in den ersten beiden Schuljahren stellte somit häufig eine Korrektur der zu späten Einschulung dar. In der Sekundarstufe I und II war das Springen eine extreme Seltenheit. Ein Programm Anfang der 90er Jahre in Nordrhein-Westfalen, das das Überspringen der 11. Klasse fördern wollte, wurde fast nicht angenommen. Statt dessen zogen die Schüler es vor, das Jahr an einer Schule im Ausland zu verbringen. Für die 90er Jahre wird dennoch vermutet, dass das Springen erheblich zugenommen hat und es bereits Schulen gibt, die selbstverständlich mit diesem Thema umgehen (HEINBOKEL 2000, 154ff). Dazu zählt nach eigener Erfahrung auch die in der Einleitung genannte Schule, an der innerhalb von vier Jahren eine Schülerin und zwei Schüler eine Klasse übersprungen haben. Die Literatur des 20. Jahrhunderts zeigt eine Ablehnung aller Maßnahmen, die einzelne Kinder im Schulalltag gemeinsam mit älteren Kindern lernen lassen, sowohl von Pädagogen, Wissenschaftlern wie auch Eltern. Weltweit wird (fast) jede Form von Enrichment (fast) jeder Form von Akzeleration vorgezogen. Dies mag damit zusammenhängen, dass sich die Auswirkungen des Springens auf den emotionalsozialen Bereich wesentlich schwieriger feststellen lassen als die Folgen im intellektuellen Bereich. Zum intellektuellen Bereich geht aus allen Untersuchungen hervor, dass das Aufholen des Stoffes unproblematisch war. In der Grundschule war der Zeitaufwand nicht der Rede wert, im Gymnasium musste schon etwas mehr Zeit aufgewendet werden, was von den Schülern in der Regel jedoch nicht als besonders schwierig oder belastend empfunden wurde. Nach dem Springen gehörten die Schüler leistungsmäßig wieder überwiegend in die Spitzengruppe der aufnehmenden Klasse. Nach einigen Untersuchungen, unter anderem von Reitmajer in Bayern, sanken die Noten im Durchschnitt jedoch um eine halbe ab. Die Ursachen dafür sind allerdings nicht klar. Aus Sicht der Eltern sind Noten jedoch nicht der ausschlaggebende Grund für eine positive Beurteilung des Springens, wichtiger sind vielmehr eine größere Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und das gestiegene Selbstwertgefühl der Kinder. Schulische Fördermöglichkeiten 43 Dies sind alles positive Auswirkungen auf der emotional-sozialen Ebene, ebenso wie das Verschwinden von psychosomatischen Symptomen. Dennoch gab es nach dem Springen einige Kinder, die emotionale Probleme hatten. In der Untersuchung von Heinbokel zeigten 9,4 % der Springerinnen und 12,1 % der Springer an der Grundschule emotionale Probleme. Am Gymnasium traten bei einem von 14 Mädchen und zwei von 18 Jungen nach dem Springen Probleme im emotionalen Bereich auf. Die Ursache dieser Probleme muss nicht das Springen gewesen sein, der Grund kann auch außerhalb der Schule gelegen haben. Zudem hätten ohne das Springen andere Probleme zu bewältigen sein können. Skepsis bei einer Entscheidung für das Springen besteht oft hinsichtlich der „emotional-sozialen Reife“ von Schülern. Dabei wird oft auffälliges Benehmen, das von der Unzufriedenheit mit unangemessenen Lernbedingungen und auch den sozialen Bedingungen herrührt, mit Unreife oder Verhaltensstörungen verwechselt. Auch emotionale Stabilität muss nicht unbedingt Voraussetzung für das Springen sein, sondern kann ein Ziel dieser Maßnahme sein. Das Kind wird in eine intellektuell und auch emotional insgesamt „passendere“ Gruppe integriert. Eine gute soziale Einbindung in eine Klasse ist ebenfalls nicht von Vorteil für das Springen, sondern wird eher als Hinderungsgrund angesehen. Die guten sozialen Beziehungen zur Klasse sind einer der Gründe, warum sich Schüler selbst gegen ein Springen entscheiden. Ein weiterer ist, dass sie ihre intensiven außerschulischen Aktivitäten nicht einschränken wollen. In der Sekundarstufe kommt zudem hinzu, dass sich einige hochbegabte Schüler an ihren geringen Lernaufwand gewöhnt haben. Außerdem würde das Springen ein Risiko hinsichtlich der Noten darstellen, die für ein Studium von Numerus-clausus-Fächern von Bedeutung sind. Voraussetzung für das Springen ist, dass es die Schüler selbst wollen. Die Eltern und die Schule sollten dem Springen gegenüber zwar positiv eingestellt sein, die letzte Entscheidung sollten jedoch auch bereits in der Grundschule die Kinder treffen. Geeignet sind Mädchen ebenso wie Jungen, die von ihren intellektuellen Voraussetzungen her im oberen Bereich der aufnehmenden Klasse liegen. Unterdurchschnittliche Leistungen in einzelnen Bereichen können durch Unterstützung aufgefangen werden. Zudem sollten sie Durchhaltevermögen und eine hohe Motivation besitzen, wie auch keine ernsthaften emotionalen und sozialen Probleme zeigen. Probleme in diesen Bereichen, die durch langanhaltende Schulische Fördermöglichkeiten 44 Unterforderung oder den Mangel an entwicklungsgleichen Freunden entstanden sind, können jedoch durch Akzeleration auch behoben werden. Abzuraten ist von einem Springen, wenn kein begabungsfreundliches Klima besteht. Darunter ist generell die Akzeptanz von Hochbegabten durch die Umwelt zu verstehen. Dazu gehört vor allem auch die emotionale und intellektuelle Unterstützung durch die aufnehmenden Lehrer. Nach MÜLLER (2000, 69f) sollten diese in der Grundschule Verständnis für die mangelnde Schreiberfahrung der Kinder aufbringen und motorische Entwicklungsunterschiede im Sportunterricht berücksichtigen. Die Eltern können zu einem guten Klima beitragen, indem sie ihren Kindern erlauben, an allen Aktivitäten der älteren Mitschüler teilzunehmen. Ein generell günstiger Zeitpunkt für das Springen ist nicht zu empfehlen. Gesprungen werden sollte vielmehr dann, wenn sich eine Unterforderung deutlich zeigt, denn eine Verschiebung des Zeitpunktes fördert die Schulmüdigkeit. Somit ist es allgemein günstiger, in der Grundschule als im Gymnasium zu springen. Relativ ungünstig fürs Überspringen sind Schuljahre, in denen eine neue Fremdsprache beginnt, und die zweite Hälfte der Schuljahre, in denen nach dem Springen ein Schulwechsel folgt. Zu empfehlen ist darüber hinaus eine Probezeit, während der die Schüler jederzeit in ihre alte Klasse zurück können. Generell lässt sich sagen, dass Überspringen eine pädagogisch sinnvolle Maßnahme darstellt. Es kann zur Verbesserung der Motivation und damit auch der Leistungen beitragen. Generell negative Effekte in Bezug auf die soziale und emotionale Entwicklung hingegen wurden nicht bestätigt. Die Betroffenen selbst berichteten eher von Vor- als Nachteilen. Selbst Schüler, die in der Grundschule sprangen und später im Gymnasium aus unterschiedlichen Gründen eine Klasse wiederholen mussten, bereuten die Entscheidung nicht und führten alle das Wiederholen nicht auf intellektuelle Überforderung zurück. (HEINBOKEL 1996, 13ff; vergleiche auch HEINBOKEL 1999, 25ff) Für Schüler, die überdurchschnittliche Fähigkeiten nur in einem Fach zeigen, kommt ein Überspringen nicht in Frage. Hier ist statt dessen fachbezogene Akzeleration möglich, das bedeutet der Schüler nimmt in seinem favorisierten Fach oder auch mehreren am Unterricht der höheren Klasse teil. Der Schüler kann so auf dem Niveau seiner Begabung arbeiten, ohne den Kontakt zu den Klassenkameraden zu verlieren (BMBF 2001b, 48f). Nach JOST (1999, 89) ist diese Fördermaßnahme allerdings mit einem großen organisatorischen Aufwand für die Schule verbunden. Schulische Fördermöglichkeiten 45 Die Stunden des betreffenden Fachs müssen parallel gelegt werden und dies auch für die folgenden Jahre, da die Maßnahme nicht ersatzlos rückgängig gemacht werden kann. Ein geringerer Mehraufwand bedeutet wahrscheinlich, die Kurse der Oberstufe niedrigeren Jahrgangsstufen zugänglich zu machen. In sozialer Hinsicht stellt sich jedoch die Frage, wie gut ein Schüler in seine eigene Jahrgangsstufe und die höhere Klasse integriert ist. Bleibt er oder sie nicht ein Außenseiter in der höheren Klasse und geht dieser Teilunterricht vielleicht sogar auf Kosten der Integration in der eigenen Jahrgangsstufe? 4.2.3 Frühe Einschulung und jahrgangsübergreifende Eingangsklassen Baden-Württemberg ist der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom Oktober 1997, die Stichtagsregelung zu lockern, gefolgt und hat das Schulgesetz in Bezug auf die Einschulung zum Dezember 1997 geändert. Schulpflicht gilt nach wie vor für alle Kinder, die bis zum 30. Juni das 6. Lebensjahr vollenden. Durch die Stichtagsflexibilisierung existiert seit dem Schuljahr 1998/99 jedoch ein Zeitkorridor für schulfähige Kinder, die zwischen dem 1. Juli und 30. September sechs Jahre alt werden. Diese Kinder können in der Schule angemeldet werden und werden dadurch schulpflichtig. Die Grundschule kann die Aufnahme nur ablehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Zurückstellung vorliegen. Für Kinder, die ab dem 1. Oktober ihr 6. Lebensjahr vollenden, ist mit der Schulgesetzänderung die Antragstellung für eine vorzeitige Einschulung erleichtert worden. Danach ist weder eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt noch ein pädagogisch-psychologisches Gutachten zwingend erforderlich. Über den Antrag zur vorzeitigen Einschulung entscheidet die Schulleitung, die gegebenenfalls einen Schuleignungstest anordnen kann. Eine Altersbegrenzung für die vorzeitige Einschulung gibt es in BadenWürttemberg bereits seit 30 Jahren nicht mehr. (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 82; ENGEMANN 1999, 48) Baden-Württemberg ist damit eines von vier Bundesländern, die kein Mindestalter für eine Einschulung voraussetzen. Daneben gibt es in Baden-Württemberg, wie nur in wenigen anderen Bundesländern, eine „flexible Eingangsstufe“, in der die ersten beiden Schuljahre je nach Fähigkeiten in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen werden können (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 46). Im Schuljahr Schulische Fördermöglichkeiten 46 2000/2001 wurde die flexible Eingangsstufe nur an einigen Schulen in BadenWürttemberg innerhalb des Projektes „Schulanfang auf neuen Wegen“ angeboten. Erst im Laufe dieses Schuljahres, dem 5. Jahr des Projektes, sollte über die Verbindlichkeit von Teilen des Projektes entschieden werden (ENGEMANN 2001, 89). Das Projekt wie auch die Änderung des Schulgesetzes haben zu einer Senkung der Zurückstellungsquoten und Erhöhung des Prozentsatzes der vorzeitig eingeschulten Kinder geführt. Abbildung 4: Prozentsatz zurückgestellter und vorzeitig eingeschulter Kinder in BadenWürttemberg in den Schuljahren 1968/69 bis 2000/01 (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 80) Mit Beginn des Projektes 1996/97 ist der Prozentsatz vorzeitig eingeschulter Kinder deutlich gestiegen von 1,6 % 1995/96 auf 2,1 % 1996/97 und 1997/98 noch einmal auf 3,3 %. Mit der Stichtagsflexibilisierung zum Schuljahr 1998/99 kam es dann zu einem sprunghaften Anstieg auf 6,1 %. Allerdings sind in den 6,1 % auch die 5,5 % der sogenannten „Korridorkinder“ inbegriffen, die zwischen dem 1.7. und 30.9. geboren sind. Dementsprechend beläuft sich der Prozentsatz der Schüler, deren Eltern einen Antrag auf vorzeitige Einschulung gestellt haben nur auf 0,6 %. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg waren von den 6.987 früh eingeschulten Kindern der Grundschule 6.254 Korridorkinder und 733 vorzeitig eingeschult. Bemerkenswert ist auch ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: 5,4 % der Jungen (2.893), aber 7,8 % der Mädchen (4.094) wurden 1998/99 früh Schulische Fördermöglichkeiten 47 eingeschult. Dieser Unterschied lässt sich über Jahre hinweg feststellen. So beträgt der Anteil der Mädchen an den Früheinschulungen derzeit 58,6 %. (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 81ff) Evaluationsstudien zu vorzeitiger Einschulung belegen, wie auch beim Überspringen von Klassen, dass diese Maßnahme bei sorgfältig ausgewählten Kindern nicht zu emotionalen, sozialen oder Leistungsproblemen führt. Bei motivierten und besonders begabten Kindern kann im Gegenteil das Ablehnen von vorzeitiger Einschulung zu emotionalen und Verhaltensproblemen führen. Studien bestätigen insgesamt deutlich mehr positive als negative Konsequenzen. Für den Erfolg der Maßnahme ist unter anderem die Einstellung der aufnehmenden Lehrkraft entscheidend. (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 46f) Einer der Gründe, der für eine vorzeitige Einschulung spricht, ist, dass die Kinder bereits im Kindergartenalter lesen können. Das muss nicht unbedingt ein Zeichen für Hochbegabung sein; sehr frühes Lesen, das heißt in extremen Fällen mit zwei Jahren beginnend, ist jedoch eines der eindeutigsten Anzeichen für eine hohe Begabung (nach HEINBOKEL 1996, 81). Es stellt sich dennoch die Frage nach der Schulfähigkeit und wie Schulfähigkeit zu definieren ist. Erziehungswissenschaft und Psychologie betrachten Schulfähigkeit als ein multifaktorielles Gebilde bestehend aus folgenden Faktoren: Körperlichkeit (relevant hinsichtlich der Belastbarkeit), Sozialfähigkeit (Bildbarkeit in der Gruppe), Intellekt (Lernfähigkeit allgemeiner Art), sachstruktureller Entwicklungsstand (bereichsspezifische Voraussetzungen), Persönlichkeit (Ich-Bewusstsein; Ich-Stärke; Selbstbewusstsein) und metakognitiven Fähigkeiten (Selbststeuerung, Planung, Kontrolle...). Strebt einer dieser Faktoren gegen null, so ist die Schulfähigkeit insgesamt in Frage gestellt. Schulfähigkeit ist darüber hinaus von den Anforderungen der Schule abhängig (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 58). Generell ist eine vorzeitige Einschulung sinnvoll, wenn ein Kind intellektuell hochbegabt ist, seine körperliche und sozial-emotionale Entwicklung ebenfalls beschleunigt oder jedenfalls nicht verzögert ist und sowohl das Kind, die Eltern und die Schule mit der Maßnahme einverstanden sind (BMBF 2001b, 47). Bei Mädchen kommt hinzu, dass sie von Geburt an durchschnittlich physisch und psychisch reifer sind als Jungen und sich dieser Reifevorsprung (HEINBOKEL 1996, 80). bis zum Einsetzen der Pubertät noch vergrößert Schulische Fördermöglichkeiten 48 Eine weitere Maßnahme, die die vorzeitige Einschulung unterstützen und ein schnelleres Durchlaufen der Eingangsstufe ermöglichen soll, stellen die Modelle A1 und A2 des Projektes „Schulanfang auf neuen Wegen“ dar. Im Modell A1 werden die Klassen 1 und 2 zu einer jahrgangsgemischten Gruppe zusammengefasst. Die Kinder können dort je nach Lernzeitbedarf unterschiedlich lange verweilen, von einem bis zu drei Jahren. Im Modell A2 werden in der jahrgangsgemischten Eingangsstufe zudem zwei Einschulungstermine pro Schuljahr angeboten: einer regulär und ein zweiter im Frühjahr. Damit kann der Einschulungszeitpunkt noch genauer an die Entwicklungsvoraussetzungen des Kindes angepasst werden. Grundlage des Projektes ist, die Schuleingangsstufe noch stärker am Kind zu orientieren. Das bedeutet, alle Kinder von lernschwach bis hochbegabt sollen gefördert werden, ebenso wie individuelle Lernvoraussetzungen und –fortschritte und Lebenslagen Veränderungen sind Unterrichtsformen stärker berücksichtigt dafür die nötig. Arbeit In in werden sollen. besonderer Weise jahrgangsgemischten Unterrichtliche prägen offene Lerngruppen. (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 3) Die veränderte Unterrichtsstruktur erfordert von den Lehrkräften allerdings eine zeitund materialaufwändigere Unterrichtsvorbereitung, wie sie bereits bei der Diskussion der inneren Differenzierung in Abschnitt 4.1 kritisiert wurde. Dennoch zeigen zunehmend mehr Lehrkräfte Interesse an der jahrgangsübergreifenden Eingangsstufe. Im Gegenzug werden mehr und feste Trennstunden gefordert und Zusatzstunden für eine zweite Lehrkraft. Positive Auswirkungen haben die Modelle A1 und A2 auf das Sozial-, wie auch das Lern- und Leistungsverhalten. Die sozialen Lernprozesse werden beschleunigt und gestützt, zudem können die Kinder eine höhere Eigenverantwortlichkeit und Hilfsbereitschaft entwickeln. Beim Modell A2 wird jedoch auch auf die Gefahr des Einzelkämpfertums hingewiesen. Hinsichtlich des Lern- und Leistungsverhaltens der Kinder wird das selbständigere Arbeiten der Kinder hervorgehoben. Lese- und Schreiblernprozesse sind beschleunigt. Außerdem wird die Lernmotivation durch Helfersysteme und Patenschaften erhöht.(S. 39f) Für hochbegabte Kinder erscheint von Vorteil, dass die Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf durch jahrgangsgemischte Klassen positiv unterstützt wird. Die Modellklassen bieten darüber hinaus den Vorteil, dass sich die Kinder in Teilbereichen schon mit dem Stoff der zweiten Jahrgangsstufe beschäftigen können. Sie werden dadurch nicht in ihrem Lerntempo gebremst und können sich ihre Schulische Fördermöglichkeiten 49 Lernfreude bewahren. Ein Durchlaufen der Eingangsstufe innerhalb eines Jahres ist außerdem nicht mit einem Wechsel des Klassenverbandes verbunden. Wie viele Schüler von dieser Möglichkeit Gebrauch machten ist nicht bekannt. (S. 8ff) Beim Modell A2 wurde der zweite Einschulungstermin hauptsächlich von solchen Eltern gewählt, die erwarteten, dass ihr Kind mit einer Verweildauer von eineinhalb Jahren in das dritte Schuljahr wechseln wird. Folgende Zahlen (MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2001, 96), abzüglich der Schulen mit dreijähriger Eingangsstufe, zeigen die Verweildauer der Schüler in der zweijährigen Eingangsstufe. Von allen im Frühjahr 1998 in Baden-Württemberg eingeschulten Kindern, abzüglich eines Wegzugs, blieben 8 Schüler 1,5 Jahre, 11 Schüler 2,5 Jahre und 2 Schüler sogar 3,5 Jahre in der Eingangsstufe. Bei den Einschulungen im Frühjahr 1999 hingegen überwiegt eine Verweildauer von 1,5 Jahren: 1 Schüler blieb 0,5 Jahre, 21 Schüler 1,5 Jahre und 16 Schüler 2,5 Jahre. 4.2.4 Sonderklassen mit verkürzter Schulzeit am Gymnasium Sogenannte D-Zug-Klassen, in denen die Mittelstufe und zum Teil auch die Unterstufe in kürzerer Zeit durchlaufen wird, gibt es derzeit unter verschiedenen Bezeichnungen in drei Bundesländern. In Rheinland-Pfalz werden an 12 Gymnasien BEGYS-Klassen (Begabtenförderung am Gymnasium mit Verkürzung der Schulzeit) angeboten, in Berlin gibt es an 13 Gymnasien Schnellläuferklassen und in BadenWürttemberg existieren G8-Zweige an 63 Gymnasien. (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 50) Allen D-Zug-Klassen ist gemeinsam, dass spätestens mit Beginn der Oberstufe die Schüler dieser Sonderklassen wieder gemeinsam mit den anderen Schülern der Schule unterrichtet werden. In der Zwischenzeit haben sie allerdings ein Jahr gespart, so dass sie ihr Abitur nach 12 Schuljahren ablegen. Der Inhalt der Lehrpläne ist für sie gleich geblieben, das heißt sie haben den Stoff des Gymnasiums nur in acht statt neun Jahren durchlaufen (JOST 1999, 100f). Beim achtjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg wird die Verkürzung der Schulzeit dadurch erreicht, dass die 6. Klasse des neunjährigen Zuges entfällt und die Inhalte des Bildungsplans entsprechend neu gewichtet und verteilt werden (KINKELIN 1999, 42). Die begleitende Studie zum achtjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg (HELLER & RINDERMANN 1999, 89ff) zeigt Unterschiede in den kognitiven und Schulische Fördermöglichkeiten 50 nicht kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen zwischen Schülern des acht- und neunjährigen Gymnasiums. Beim kognitiven Fähigkeitstest schneiden die Schüler des G8-Zweigs deutlich besser ab als die Schüler des Regelgymnasiums. Zwar ist schon in der 5. Klasse ein Unterschied zu verzeichnen, dieser nimmt jedoch mit zunehmender Beschulungsdauer zu. Aus Sicht der Lehrer zeichnen sich die G8Schüler durch höhere Ausprägungen in für Schulleistungen günstigen kognitiven und nicht kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen aus, wie Auffassungsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, Interesse am Fach und Motiviertheit. Dadurch können Lernziele schneller erreicht werden. Zugleich haben die G8-Schüler auch einen besseren Notenschnitt. Darüber hinaus hat der Besuch des achtjährigen Gymnasiums durchweg positive Effekte auf die Selbstkonzeptentwicklung. Die Schüler des achtjährigen Gymnasium sind weniger ängstlich, zudem erfolgszuversichtlicher, haben daneben ein (tendenziell) besseres Selbstwertgefühl und verfügen über ein günstigeres Attributionsmuster als die Schüler im neunjährigen Gymnasium. Insgesamt kann die Persönlichkeitsentwicklung der G8- wie auch der G9Schülergruppen als günstig bewertet werden. Eine Ausnahme bilden jedoch Schüler des G9, die aufgrund ihrer Begabung eigentlich für das G8 geeignet sind. Zu ihrer negativeren Persönlichkeitsentwicklung können Stigmatisierungsprozesse beigetragen haben. Das Auswahlverfahren ist deshalb von Bedeutung und sollte aus Lehrersicht verbessert werden. Ebenso sollte die Durchlässigkeit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium verbessert werden. Kritisch wird von den Lehrern das Klassenklima der G8-Klassen beurteilt, was Untersuchungen zu den D-Zug-Klassen in Rheinland-Pfalz jedoch nicht bestätigen. Die Kritik der Eltern richtet sich insbesondere an die Öffentlichkeit, die mit belastenden Elitevorwürfen reagiert. Kritisiert werden könnte außerdem, dass hauptsächlich mit den gleichen Unterrichtsmethoden wie im Regelgymnasium gearbeitet wird und nondirektive Unterrichtsmethoden selten angewandt werden. Nach der begleitenden Studie zum G8 sind schätzungsweise 20 % aller Gymnasiasten für die Sonderklasse geeignet. Die Erfolgschancen für den Übertritt ins G8 verringern sich jedoch mit zunehmender Verweildauer auf dem neunjährigen Gymnasium. Andere Autoren (siehe HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 50) nehmen sogar an, dass 20-25 % der Schüler eines Gymnasialjahrgangs für die DZug-Klassen geeignet sind. Auf jeden Fall ist der Anteil der Schüler, die D-Zug- Schulische Fördermöglichkeiten 51 Klassen besuchen können, größer als der für spezielle Hochbegabtenprogramme. JOST (1999, 101) merkt kritisch an, dass D-Zug-Klassen für angepasste, leistungsfähige und –willige Schüler geeignet sind. Aus ihrer Sicht werden Schüler, die Unterstützung und Hilfe am dringendsten benötigen, nicht erfasst und Höchstbegabte nicht genügend herausgefordert. 4.3 Enrichment 4.3.1 Formen von Enrichment Mit Enrichment, übersetzt Anreicherung, sind nach HELLER & HANY (1996, 492) „alle Arten der Ergänzung, Erweiterung und Vertiefung des regulären Curriculums durch neue Sachthemen, Lern- und Denkprozesse sowie Lernformen gemeint, die begabten Schülern nach oder neben der Bearbeitung des regulären Curriculums angeboten werden und die nicht zu einem beschleunigten Durchlaufen der regulären Schullaufbahn führen“. Dieses Fördermodell basiert auf der Annahme, dass die hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses das zentrale Merkmal begabter Schüler darstellt. Durch die hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses sind die hochbegabten Schüler breit interessiert und haben ein breites und tiefes Vorwissen. Dieser Annahme soll durch Zusatzangebote Rechnung getragen werden. Entsprechend ist die Aufgabe der Schule, Bildungs- und Wissensangebote bereitzustellen, die die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen anregen und unterstützen (nach HANY 2000, 81). Der Enrichmentansatz geht zudem nicht davon aus, dass Lerninteressen längerfristig stabil bleiben. Ein Vertreter dieses Ansatzes ist J. Renzulli, dessen Drei-RingeModell (siehe Kapitel 2.1, Abbildung 2) die Flüchtigkeit der Konstellation Begabung verdeutlicht. Es müssen verschiedene Umstände zusammenkommen, damit ein Individuum in der Lage ist, auf einem Gebiet besondere Leistungen zu vollbringen. Der Enrichmentansatz versucht diese verschiedenen Umstände positiv zu beeinflussen, um dann bei einem glücklichen Zusammentreffen von Begabung, Kreativität und fachlichem Interesse gezielte Förderaktivitäten einzuleiten. Die Flüchtigkeit der Konstellation Begabung bedingt nach Renzulli, dass Fördermaßnahmen kurzfristig eingeleitet und kurzfristig wieder eingestellt werden können (in HANY & HELLER 1992, 76f). Bei den Fördermaßnahmen kann zwischen vertikalem und horizontalem Enrichment unterschieden werden. Lerninhalte, die Themen oder Fächer des Lehrplans Schulische Fördermöglichkeiten 52 verbreitern oder vertiefen fallen unter vertikales Enrichment. Horizontales Enrichment umfasst Lerninhalte, die im normalen Unterrichtspensum überhaupt nicht vorgesehen sind (nach HOLLING & KANNING 1999, 71). Ein international verbreitetes Enrichmentmodell, das starke Beachtung gefunden hat, ist das „Revolving Door Model“ von Joseph Renzulli aus den USA. Der Name, zu Deutsch Drehtürmodell, bezieht sich auf den Wechsel zwischen allgemeiner Grundund individueller Projektförderung. Da das Programm aus drei Fördermaßnahmen besteht, wird es auch als „Enrichment Triad Model“ bezeichnet. Grundlegend an dem Programm ist die gesamte Veränderung des Unterrichtsangebots der Schule. Dazu soll die Schule einen „Talent Pool“ aus den 15-20% ihrer Schüler bilden, die als besonders intelligent, kreativ, leistungsfähig und so weiter erscheinen. Bei diesen Schülern werden die Interessen und bevorzugten Lernstile analysiert und dementsprechend individuelle Möglichkeiten erarbeitet, um den Unterricht zu straffen. Die eingesparte Zeit steht dann für die drei Fördermaßnahmen des Programms zu Verfügung. Die erste Maßnahme bezieht sich auf Wissensinhalte. Den Schülern sollen zum Beispiel durch Vorträge, Filme und Exkursionen Einblicke in neue Wissensgebiete ermöglicht werden und dadurch Interessen angeregt werden. Die zweite Fördermaßnahme bezieht sich auf Denkprozesse. In Form von Kleingruppenseminaren werden den Schülern Fertigkeiten des unabhängigen Denkens, des selbstgesteuerten Lernens und des wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt. Diese beiden Maßnahmen bilden die Grundförderung, das bedeutet sie stehen allen Mitgliedern des Talent Pools regelmäßig zur Verfügung. Die dritte und anspruchsvollste Maßnahme wird nur kurzfristig angeboten. Voraussetzung ist, dass ein Lehrer bei einem Schüler das Erwachen eines besonderen Interesses auf hohem intellektuellen Niveau beobachtet. Die für die Fördermaßnahmen insgesamt verantwortliche Lehrkraft ermittelt dann durch ein Gespräch mit dem Schüler, inwieweit eine produktive Idee vorliegt und ob anzunehmen ist, dass der Schüler diese aus eigener Kraft verwirklichen kann. Wenn diese Voraussetzungen zutreffen, erhält der Schüler intensive Betreuung, um an seinem Projekt arbeiten zu können. Ziel des Projektes ist es, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes ein Produkt zu schaffen. Wenn die produktive Phase nachlässt, das heißt Interesse, Ideen oder Produktivität erlahmen, enden die Fördermaßnahmen der dritten Phase und der Schüler nimmt wieder an den beiden Maßnahmen der Grundförderung teil.(HELLER & HANY 1996, 497f) Schulische Fördermöglichkeiten 53 In Deutschland gibt es auch eine Fülle von Enrichmentprogrammen ganz unterschiedlicher Art. Dazu zählen sowohl einmalig stattfindende Wochenendseminare wie fortlaufende Kurse. Die Maßnahmen, die in Deutschland am weitesten verbreitet sind, werde ich im Folgenden nach HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 52f) aufführen. 1. Wettbewerbe, wie die vom Bund geförderten Schüler- und Jugendwettbewerbe sowie eigene Landeswettbewerbe, finden in allen Ländern statt. In einigen Bundesländern besteht zudem eine Regionalisierung der Bundeswettbewerbe. 2. Kooperationen zwischen Schulen und Universitäten oder Forschungseinrichtungen führen 50-70 % aller Länder durch. 3. Angebote für besonders begabte Schülerinnen und Schüler an Universitäten, wie zum Beispiel Kurse oder Studientage, finden in ebenso vielen Ländern statt. 4. Für Kooperationen zwischen Schulen und Wirtschaftsunternehmen gilt das Gleiche. 5. Außerschulische Kursangebote und Arbeits- und Schülergemeinschaften bieten dagegen nur 25-50 % der Länder an. 6. Bei Schülerakademien und Ferienseminaren sieht es genauso aus. Neben diesen Enrichmentmaßnahmen bieten einzelne Länder noch weitere Maßnahmen an, die an dieser Stelle im Einzelnen nicht aufgeführt werden können. Im Weiteren werde ich speziell auf die Programme in Baden-Württemberg eingehen. Im Gegensatz zu anderen Autoren werde ich Maßnahmen, die außerhalb des Unterrichts und eventuell sogar außerhalb der Schule stattfinden, aber von Schulen oder dem Kultusministerium mitorganisiert sind, zu den schulischen Fördermöglichkeiten zählen. Als erste Enrichmentmaßnahme werde ich die Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler darstellen, da sie die Grundlage des gesamten Förderprogramms in Baden-Württemberg bilden. Schulübergreifende Arbeitsgemeinschaften bieten die Kinder- und Jugendakademien an, auf die ich im gleichen Unterkapitel (4.3.3) eingehen werde. Das folgende Unterkapitel 4.3.4 bezieht sich dann auf Wettbewerbe als Fördermaßnahme. Abschließend werde ich in Unterkapitel 4.3.5 Seminare und Schülerakademien beschreiben. Enrichmentmaßnahmen in Kooperation mit Universitäten werde ich nicht gesondert behandeln, da sie in der Regel auf den Fördermaßnahmen Schulische Fördermöglichkeiten 54 Arbeitsgemeinschaft, Wettbewerb und Seminar basieren. An dieser Stelle sei die Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut erwähnt, die es Schülern ermöglicht, unter Anleitung an den Großrechnern des Instituts zu arbeiten (siehe KINKELIN 1999, 41). Weitere Fördermaßnahmen in Kooperation mit Universitäten werde ich in den jeweiligen Unterkapiteln anreißen. 4.3.2 Arbeitsgemeinschaften und Kinder- und Jugendakademien Seit Beginn des Schuljahres 1984/85 wird an den weiterführenden allgemein bildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg das Programm „Förderung besonders befähigter Schülerinnen und Schüler“ durchgeführt. Die Grundlage dieses Förderprogramms bilden „Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler“. Dort werden in der Regel in einer wöchentlichen Doppelstunde Themen aus dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen, aus dem sprachlichen oder aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich bearbeitet. Die behandelten Themenbereiche sollten dabei möglichst nicht im Lehrplan der jeweiligen Schulart vorgesehen sein. Häufig werden die wöchentlichen Arbeitsgemeinschaften noch durch Exkursionen, Praktika oder Wochenendseminare ergänzt. (KINKELIN 1999, 39f; www.begabten-ag.b-kunz.de) Zur Zeit nehmen ungefähr 4340 Schüler an 420 Arbeitsgemeinschaften teil. Die Mehrzahl der Arbeitsgemeinschaften findet an 130 Gymnasien gefolgt von 111 Realschulen statt. Die beruflichen Schulen sind mit 22, die Hauptschulen mit 35 Schulen vertreten (www.begabtenfoerderung-in-bw.de). Genauere Zahlen über die Anzahl der beteiligten Arbeitsgemeinschaften in Schulen den und letzten Oberschulamtsbereich Karlsruhe vor. Schüler drei sowie Schuljahren die Anzahl liegen für der den Schulische Fördermöglichkeiten 1999/2000 55 Anzahl Anzahl Anzahl der (2000/2001) der der AGs Anzahl der Anzahl der AGs AGs der AGs der Naturwis- Diverses AGs {2001/2002} Schulen Schüler Sprachen/ Mathematik/ Gymnasien Geschichte Informatik senschaften Anzahl Anzahl gesamt 36 647 7 21 14 15 57 (40) (697) (11) (24) (15) (15) (65) {47} {669} {12} {26} {16} {13} {67} Berufliche 4 68 1 2 4 0 7 Gymnasien (4) (57) (1) (3) (3) (0) (7) {3} {53} {0} {2} {2} {2} {6} 37 577 13 17 12 11 53 (35) (541) (13) (17) (10) (14) (54) {37} {509} {14} {21} {11} {12} {58} Haupt- 6 75 1 5 1 2 9 schulen (6) (86) (1) (3) (2) (4) (10) {9} {120} {2} {5} {2} {4} {13} 83 1374 22 45 31 28 126 (85) (1381) (26) (47) (30) (33) (136) {96} {1351} {28} {54} {31} {31} {144} Realschulen Summe Tabelle 2: Statistik der Arbeitsgemeinschaften zur Förderung besonders befähigter Schüler für die Schuljahre 1999/2000 bis 2001/2002 (www.begabten-ag.b-kunz.de/statistik.htm) Die Statistik des Oberschulamtsbereichs Karlsruhe bestätigt, dass die meisten Arbeitsgemeinschaften an Gymnasien gefolgt von Realschulen stattfinden. Interessant sind darüber hinaus die Daten zur Anzahl der Arbeitsgemeinschaften aufgeschlüsselt nach Themenbereichen. So werden mit Abstand die meisten Arbeitsgemeinschaften in jeder Schulart zum Themenbereich Mathematik/Informatik angeboten. Insgesamt die wenigsten Angebote gibt es zum Themenbereich Sprachen/Geschichte, wobei die Anzahl der Angebote an den Realschulen die der Gymnasien übertrifft. Anzumerken ist, dass gemäß den Durchführungs- bestimmungen (in www.begabten-ag.b-kunz.de) pro Schule höchstens zwei Arbeitsgemeinschaften angeboten werden können, die verschiedene Arbeitsbereiche abdecken sollen. Schulische Fördermöglichkeiten 56 Die geisteswissenschaftlichen Kurse schnitten in den begleitenden Untersuchungen zu den Arbeitsgemeinschaften (im Folgenden nach HANY & HELLER 1992) schlechter ab als die anderen Kurse. Insbesondere für besonders befähigte Schüler sind geisteswissenschaftliche Kurse weniger geeignet, da dort die Zusammenhänge Intelligenz und Kurserfolg, Erkenntnisstreben und positive Lernveränderungen sowie Erkenntnisstreben und persönliches Wachstum nicht gelten. Gut durchschnittliche Schüler hingegen schneiden in den geisteswissenschaftlichen Kursen besser ab als die begabteren motivierten Schüler. Zudem engagieren sich in den geisteswissenschaftlichen Kursen vor allem die Schüler mit relativ geringerer Intelligenz und geringeren Vorkenntnissen. Insgesamt schneiden die Arbeitsgemeinschaften in der begleitenden Untersuchung jedoch ausgesprochen gut ab. Aus Sicht der Teilnehmer zeichnen sich die Arbeitsgemeinschaften durch hohe Attraktivität aus und werden sowohl leistungs- als auch freizeitorientiert erlebt. Sie werden als „Zwischending“ zwischen Unterricht und Freizeittätigkeit eingestuft. So stellt auch der durchschnittlich hohe Zeitaufwand von 4 Stunden und 20 Minuten pro Schulwoche eigentlich keine Einschränkung dar, da er bei einem großen Teil der Schüler aus dem Reservoir des „Faulenzens“ gedeckt zu werden scheint. Zudem werden die Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler günstiger bewertet als andere Arbeitsgemeinschaften. Diese Arbeitsgemeinschaften scheinen vielfach ein positives Schlüsselerlebnis darzustellen, dass die gesamte Einstellung zur Schule günstig beeinflusst. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die fachlichen und menschlichen Qualitäten des Leiters der Arbeitsgemeinschaft. Insbesondere intelligentere Schüler benötigen die vertraute Beziehung zum Kursleiter. Aus diesem Grund sollten sich Schüler und Kursleiter vor Beginn der Arbeitsgemeinschaft kennen lernen. Zudem erweisen sich kleine Gruppen von Teilnehmern als günstig, das bedeutet eine Zahl von acht bis zehn Teilnehmern sollte nicht überschritten werden. Größere Kurse erinnern zu stark an den Regelunterricht. Besser aufgenommen werden von Schülern Kurse mit Teilnehmern aus verschiedenen Klassenstufen. Für den Erfolg der Arbeitsgemeinschaft ist darüber hinaus weitgehend selbstständiges Arbeiten der Schüler grundlegend. Nach eigener Aussage arbeiten die Teilnehmer um so intensiver, je häufiger sie selbstständig arbeiten dürfen, eigenständige Beiträge von ihnen gefordert und Methoden wissenschaftlichen Schulische Fördermöglichkeiten 57 Arbeitens vermittelt werden. Selbstständiges Arbeiten führt außerdem zu positiven Veränderungen hinsichtlich des Lernstils und des persönlichen Wachstums. Auf längere Sicht führen die Arbeitsgemeinschaften zu positiven Effekten im Persönlichkeitsbereich, zum Beispiel zu höherer Selbstständigkeit und Selbstsicherheit. Sie haben jedoch wenig Einfluss auf die Ausbildungs- und Berufslaufbahn. Aus Sicht der Lehrer und Bildungspolitiker besteht das Förderziel nicht nur darin, eine angenehme Lernatmosphäre zu schaffen, sondern in einem vertieften Wissenszuwachs, der Festigung der Interessen und darüber hinaus vielleicht sogar in der Wegbereitung für den späteren Studienerfolg oder die Berufslaufbahn. Die Arbeitsgemeinschaft trägt auch nicht zu einer besonderen Förderung der Problemlösekompetenz bei. Ein geringer Stellenwert wird zudem der Kreativität zugeschrieben. Sie trägt anscheinend wenig zum Kurserfolg bei. Schüler werden für die Arbeitsgemeinschaften auch nicht nach ihrem kreativen Leistungspotential ausgewählt. Die Kursleiter legen bei ihren Teilnehmern in erster Linie Wert auf Interesse. Bei der Frage der Eignung von Schülern werden sehr selten Anzeichen von Unterforderung im Regelunterricht berücksichtigt. Einerseits werden somit Schüler gefördert, die im Schulfach der Arbeitsgemeinschaft leistungsstark sind. Andererseits können aufgrund des Freiwilligkeits- und Interessencharakters des Modells der Arbeitsgemeinschaften durchschnittliche Schüler nicht abgewiesen werden. Aus der Sicht der Begleitforschung ist ersteres auch ein kleiner Schwachpunkt (S. 73): „Gefördert werden vor allem Schüler, die bereits in der Lage sind, sich eigenständig fortzubilden. Begabte Schüler, die mangels häuslicher Unterstützung oder wegen überforderter Lehrkräfte bislang wenig Anregung erhalten haben, sind deshalb für das AG-Modell meist noch nicht „reif“ genug.“ Auffällig ist auch, dass Mädchen das Förderangebot wesentlich seltener annehmen als Jungen. Das Verhältnis Mädchen zu Jungen liegt irgendwo zwischen 1:2 und 2:3, was jedoch auch mit den angebotenen Kursthemen zusammenhängt, die vorwiegend aus dem Bereich Mathematik und Naturwissenschaften sind. Allerdings ergibt sich der Eindruck, dass Mädchen weniger von den Kursen profitieren als Jungen. In dieser Hinsicht könnte man das Fördermodell noch verbessern. BEERMAN, HELLER & MENACHER (1992, 97ff) berichten in Zusammenhang mit diesen Arbeitsgemeinschaften von einem 1989/90 gestarteten Pilotprojekt „Mehr Mädchen in Naturwissenschaften“. Danach wurden in den Fächern Chemie, Physik und Schulische Fördermöglichkeiten Informatik 58 Arbeitsgemeinschaften nur für Mädchen angeboten, um die Zurückhaltung der Mädchen bei der Wahl naturwissenschaftlicher Fächer abzubauen. Die separaten Arbeitsgemeinschaften schufen den Mädchen Freiräume, um ihren eigenen Zugang zu neuen Technologien zu finden, und führten zu mehr Selbstvertrauen. Von Bedeutung war dabei die Vorbildfunktion von Lehrerinnen. Zwei weitere Aspekte der Kursgestaltung könnten noch verbessert werden: erstens die Möglichkeiten zu selbstständiger Arbeit der Teilnehmer und zweitens die Möglichkeiten kreativer Entfaltung und innovativen Problemlösens. Trotz dieser kritischen Anmerkungen kann das Modell der Arbeitsgemeinschaften als ein erfolgreicher Schritt der Begabtenförderung bezeichnet werden, wie auch das abschließende Zitat (S. 79) zeigt: „Das in den AGs von vielen Teilnehmern erstmalig praktizierte selbständige, selbstbestimmte Arbeiten in der akzeptierenden Atmosphäre einer Kleingruppe, unter der Anleitung durch eine kompetente Lehrkraft und in der Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Themen scheint für zahlreiche Schüler ein ausgesprochen positives Schlüsselerlebnis in der gesamten Schullaufbahn darzustellen.“ Aus pädagogischen Gründen sollen unter anderem in den Klassen 5 und 6 keine Arbeitsgemeinschaften angeboten werden (www.begabten-ag.b-kunz.de). Die Grundschulen nehmen zwar nicht am Programm „Förderung besonders befähigter Schülerinnen und Schüler“ teil, sie können im Rahmen ihres Stundendeputats trotzdem anspruchsvolle Arbeitsgemeinschaften oder Förderkurse anbieten. Zu den realisierbaren Varianten zählen: Arbeitsgemeinschaften über einen bestimmten Zeitrahmen, epochale Angebote innerhalb der Stütz- und Förderkurse sowie schulartübergreifende Arbeitsgemeinschaften. Bei der letzten Variante kooperiert zum Beispiel Gymnasium Klasse 5 mit Grundschule Klasse 4. (MÜLLERROSIGKEIT 2001, 284f) Die angebotenen Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler werden zum Teil als schulübergreifende Arbeitsgemeinschaften in Kinder- und Jugendakademien gebündelt (nach www.begabtenfoerderung-in-bw.de). Zur Zeit gibt es fünf Kinder- und Jugendakademien: das Freiburg-Seminar mit ungefähr 100 Teilnehmern, das Hochrhein-Seminar (etwa 80 Teilnehmer), das Bodensee-HegauSeminar (etwa 60 Teilnehmer), die Jugendakademie Mannheim – Rhein-NeckarDreieck (etwa 90 Teilnehmer) und die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart mit ungefähr 250 Teilnehmern. Schulische Fördermöglichkeiten 59 Konzeptionell orientieren sich die Jugendakademien überwiegend am FreiburgSeminar, der ältesten Einrichtung. Daneben unterscheiden sich die Jugendakademien hinsichtlich der Themenbereiche der Arbeitsgemeinschaften. So bieten das FreiburgSeminar (siehe auch www.freiburg-seminar.de) wie auch das Hochrhein-Seminar nur Arbeitsgemeinschaften zu Themen aus dem Bereich Mathematik und Naturwissenschaften an. Dafür führen diese Einrichtungen im Gegensatz zur Jugendakademie Mannheim – Rhein-Neckar-Dreieck auch Arbeitsgemeinschaften für die Mittelstufe durch. Zu dem Programm der Jugendakademien gehören neben den Arbeitsgemeinschaften als wichtiges Element Vorträge von Gästen. Der Aufbau einer Jugendakademie sei im Folgenden am Beispiel der Jugendakademie Mannheim – Rhein-Neckar-Dreieck (www.jugendakademie-mannheim.de) dargestellt. Das dortige Programm teilt sich in einen Pflichtteil und ein freiwilliges Programm. Zum verpflichtenden Teil gehören der Besuch einer Arbeitsgemeinschaft, die aus zehn Angeboten an Schulen in und vier an Schulen außerhalb Mannheims gewählt werden kann, und der Besuch von sechs Abendvorträgen, die in der Universität Mannheim stattfinden. Darüber hinaus müssen die Schüler an einem der acht angebotenen Wochenendseminare teilnehmen. Das freiwillige Programm besteht unter anderem aus Betriebsbesichtigungen, Exkursionen und der Vermittlung von Praktika. Die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart unterscheidet sich deutlich von den anderen Einrichtungen, weil sie die erste derartige Institution ist, die Angebote im Grundschulbereich führt. Ihr Programm ist halbjährlich; für Grundschulkinder gibt es als Einstieg auch zeitlich kürzere Angebote. Zudem werden Arbeitsgemeinschaften an Gymnasien angeboten, die für Grundschüler geöffnet sind. Die Nachfrage insgesamt übersteigt dabei deutlich die Anzahl der 250 Teilnehmer. (www.begabtenfoerderung-in-bw.de) Daneben werden weitere Arbeitsgemeinschaften von anderen Organisationen in Zusammenarbeit beziehungsweise mit Unterstützung des Ministeriums durchgeführt. Für Schüler der Oberstufe aus dem Raum Stuttgart bietet das Kepler-Seminar, das von der Stiftung für Bildung und Behindertenförderung getragen wird, Arbeitsgemeinschaften im naturwissenschaftlich-technischen Bereich an. Neben den derzeit sieben Arbeitsgemeinschaften, die größtenteils Samstags stattfinden, besteht auch ein Programm mit Vorträgen, (www.stiftung-sbb.de/kepler.html). Ein Institutsbesuchen ähnliches und Programm mit Ferienkursen Vorträgen, Schulische Fördermöglichkeiten 60 Wochenendseminaren und neun Arbeitsgemeinschaften bietet das Heidelberger LifeScience Lab an, das sich allerdings noch in einer zweijährigen Projektphase befindet (http://life-science-lab.xmachina.de). 4.3.3 Wettbewerbe In Form von Arbeitsgemeinschaften können sich Schüler auch auf Wettbewerbe vorbereiten. Dies ist aufgrund eines Erlasses der Kultusministerkonferenz, soweit es die Unterrichtsversorgung zulässt, möglich. In einigen Bundesländern besteht ein nahezu flächendeckendes Angebot an Vorbereitungszirkeln, wohingegen andere Bundesländer überhaupt keine angemessenen Möglichkeiten bieten. Die Teilnahme an bundesweiten Wettbewerben ist dennoch in allen Bundesländern möglich (nach JOST 1999, 113). Es gibt mittlerweile eine Fülle von Wettbewerben auf verschiedenen Ebenen, die sich in den Themenbereichen, der Altersgruppe der Teilnehmer und der Form des Wettbewerbs unterscheiden. Dargestellt werden im Folgenden nur Wettbewerbe, die Formen der intellektuellen Begabung ansprechen. Zu den von der Kultusministerkonferenz empfohlenen bundesweiten Schülerwettbewerben zählen (nach HERTEL 2000, 178): - Bundeswettbewerb Mathematik und Bundeswettbewerb Informatik - Schüler experimentieren/Jugend forscht - Auswahlwettbewerbe zu Internationalen Olympiaden: Mathe-Olympiade, Physik-Olympiade, Chemie-Olympiade und Biologie-Olympiade - Europäischer Wettbewerb - Schülerwettbewerb zur politischen Bildung - Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten - Bundeswettbewerb Fremdsprachen - Bundesolympiade für russische Sprache und Landeskunde für Schüler - Vorlesewettbewerb des deutschen Buchhandels Daneben gibt es weitere wichtige bundesweite Wettbewerbe (nach WAGNER 1999, 292): - Mathematik-Olympiade - BundesUmweltWettbewerb Schulische Fördermöglichkeiten - 61 Das lesende Klassenzimmer Auf Länderebene bietet Baden-Württemberg zusätzlich folgende Wettbewerbe an (www.begabtenfoerderung-in-bw.de): - Landeswettbewerb Mathematik - Landeswettbewerb Deutsche Sprache und Literatur - Wettbewerb Chemie im Alltag: das Experiment - NANU – Der naturwissenschaftliche Wettbewerb an Realschulen - Problem des Monats – Ein Mathematikwettbewerb für die Unterstufe Ein Wettbewerb in Kooperation mit Universitäten ist der Tag der Mathematik. Er findet jedes Jahr im März an verschiedenen Universitäten des Landes BadenWürttemberg und Hessen für Schüler der gymnasialen Klassenstufe 12 statt. In drei einstündigen Klausuren im Team oder alleine sind jeweils drei bis vier Mathematikaufgaben zu lösen. Darüber hinaus findet für die Teilnehmer eine Vorlesung statt, die einen ersten Brückenschlag zwischen Schule und Studium darstellt. Die Beteiligung am Wettbewerb liegt bei 800 bis 1000 Schülern jährlich. Prozentual nehmen mehr Mädchen als an anderen Mathematikwettbewerben teil. Das beste teilnehmende Mädchen erhält zudem einen Preis (KALMBACH 1999, 279). Darüber hinaus gibt es noch weitere Wettbewerbe, wie den Mathematikwettstreit „Känguru“, der ein multiple-choice-Wettbewerb ist. Zum Teil sind diese aufgeführt unter www.schulweb.de/wettbe.html oder in BMBF (2001b, 72ff). Auf Landes- und Regionalebene schreiben zudem auch private Institutionen wie Stiftungen, Firmen oder Vereine Wettbewerbe aus (HERTEL 2000, 178). Betrachtet man das Angebot an Wettbewerben hinsichtlich der Altersgruppe, so sind die meisten Wettbewerbe für höhere Jahrgangsstufen konzipiert. Von den bundesweiten Wettbewerben stehen (nach WAGNER 1999, 292) den Grundschülern folgende Angebote offen: Schüler experimentieren, Europäischer Wettbewerb, Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten und das lesende Klassenzimmer. Sehr wenige Wettbewerbe bieten jedoch Themen oder Aufgaben speziell für Grundschüler an. Ein Beispiel ist der Mathematikwettstreit „Känguru“, der für Grundschüler der Klassen 3 und 4 separate Aufgaben stellt (BMBF 2001b, 79). Für die Schüler der Unterstufe gibt es ebenfalls nur wenig geeignete Wettbewerbe. Der Wettbewerb für diese Altersklasse, der die Schüler am deutlichsten fördert, ist nach HERTEL (2000, 176) Schüler experimentieren. „Hier haben wir einen Schulische Fördermöglichkeiten 62 Wettbewerb, an dem Schüler mit einer gezielten, fachgerechten und zeitlich begrenzten Anleitung über einen längeren Zeitraum selbstständig arbeiten, lernen und eigene Antworten auf Fragestellungen finden können, einzeln und im kleinen Team.“ Schüler experimentieren ist der Juniorwettbewerb zu Jugend forscht für Schüler unter 16 Jahren (BMBF 2001b, 73). POHL (2001, 152f) fordert mehr „Einstiegswettbewerbe“ dieser Art, um Schülern, speziell Mädchen, einen leichteren Zugang zu Wettbewerben zu schaffen. Wettbewerbe, die sich vom Niveau her an ältere Schüler richten, wirken für jüngere Schüler eher abschreckend. Einstiegswettbewerbe dienen zudem der Breitenförderung. Im Bereich Mathematik bietet Baden-Württemberg seit September 2001 mit dem Problem des Monats einen „Einstiegswettbewerb“ für die Unterstufe an. Eine kontinuierliche Förderung ergibt sich über den Landeswettbewerb für die Mittelstufe bis hin zum Bundeswettbewerb Mathematik für die Oberstufe (www.begabtenfoerderung-in-bw.de). Wettbewerbe unterscheiden sich darüber hinaus hinsichtlich der Form. Auf der einen Seite gibt es aufgabenorientierte Wettbewerbe, wie zum Beispiel den Bundeswettbewerb Mathematik oder Informatik, und auf der anderen Seite projektorientierte Wettbewerbe, wie Jugend forscht. Aufgabenorientierte Wettbewerbe haben den Vorteil, dass mit den vorgegebenen Aufgaben auch das Niveau von vornherein festgelegt ist. Bundessieger aufgabenorientierter Wettbewerbe wie dem Bundeswettbewerb Mathematik oder Informatik werden wahrscheinlich aus diesem Grund ohne weiteres Auswahlverfahren in die Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen. Bei projektorientierten Wettbewerben ist die Bewertung der Einzelleistung schwieriger. Insbesondere bei Gruppenprojekten kann nur das Projekt bewertet werden (POHL 2001, 149f). HERTEL (2000, 173ff) spricht sich dennoch für projektorientierte Wettbewerbe aus, da die projektorientierte Form mit ein hohes Förderpotenzial bedingt. Den Wert des Wettbewerbs macht die auf selbstständiges Forschen und Erforschen gerichtete Arbeitsweise aus. Von der offenen Arbeitsweise der Projektarbeit profitieren besonders leistungsstarke Schüler, da sie differenzierteres Arbeiten erlaubt. Projekte in Partner- oder Gruppenarbeit ermöglichen zudem das Herangehen an komplexere und damit sowohl interessantere als auch schwierigere Aufgabenstellungen. Außerdem werden dabei wichtige soziale Kompetenzen gefördert. Nach POHL (2001, 151) besteht die Herausforderung bei projektorientierten Wettbewerben in der Möglichkeit, eigene, in der Schule vielleicht für abwegig gehaltene Ideen Schulische Fördermöglichkeiten 63 umzusetzen und zur Diskussion zu stellen. Bei aufgabenorientierten Wettbewerben liegt die Herausforderung in der Andersartigkeit der Aufgabenstellung oder der Aufgabenthemen, die weniger schematische, sondern eher eigenständige und kreative Herangehensweisen erfordern. Aufgabenorientierte Wettbewerbe mit Klausuren fördern nach HERTEL (2000, 181) jedoch weniger durch die Aufgabenstellungen in den Klausuren als vielmehr durch die Vorbereitung auf den Wettbewerb und das Bewusstsein der Wettbewerbsteilnahme. Um begabte Schüler zu fördern muss ein Wettbewerb bestimmte Bedingungen erfüllen (nach HERTEL 2000, 179f): - die Interessen der Schüler berücksichtigen - dem Schüler ermöglichen, sich im Rahmen seiner persönlichen Neigungen und Begabungen verstärkt zu engagieren - in seinen Anforderungen dem vorhandenen Leistungsstand und der Begabung des Schülers entsprechen - möglichst die Bewältigung der Aufgaben auf verschiedenen Niveaustufen gemäß den individuellen Voraussetzungen ermöglichen - im Schwierigkeitsgrad über das hinausgehen, was der Schüler alltäglich leistet - vorhandene Kenntnisse und Erkenntnisse erweitern und vertiefen - zu verstärkten Anstrengungen herausfordern - Schüler lernen lassen, sich in fairer Konkurrenz mit anderen zu messen - Leistungsbereitschaft verstärken und dazu ermutigen, Leistung zu zeigen - Teamarbeit auf hohem Niveau fördern - durch Zusammenarbeit oder den Vergleich mit anderen soziale Erfahrungen sammeln lassen - Schülern ermöglichen, bis an die Grenzen ihrer eigenen Leistungsmöglichkeiten vorzustoßen - dazu anregen, über den schulischen Unterricht hinaus selbst aktiv zu werden und sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen - dazu auffordern, Problembewusstsein zu entwickeln und in aktives Handeln umzusetzen - Kreativität entfalten lassen - eine längere Auseinandersetzung mit dem Thema erforderlich machen Schulische Fördermöglichkeiten - 64 den Einsatz kompetenter Betreuer ermöglichen, die die selbstständige Arbeit des Schülers sichern und voranbringen - Schüler darin üben, ihre Leistungen vor anderen zu präsentieren - Fleiß und Erfolge angemessen zu honorieren (weniger in Relation zu den bereitgestellten Preisgeldern als in Relation zu den gezeigten Leistungen) - dazu anregen, sich auch nach Beendigung des Wettbewerbs weiter mit über den Unterricht hinausgehenden Fragestellungen zu befassen - von vornherein auf Mehrfachteilnahme angelegt sein - zu ergänzenden Wettbewerbsangeboten hinführen (zum Beispiel Schüler experimentieren/Jugend forscht) - den Weg zu weiter gehenden Fördermaßnahmen eröffnen (zum Beispiel zu Seminaren) - den Schülern helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Eine wichtige Funktion kommt auch den Lehrern zu. Die Lehrer sind diejenigen, die Informationen an die Schüler weitergeben, die geeignete Schüler ansprechen und zur Teilnahme ermutigen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Schüler von sich aus selten zu Wettbewerben finden. Vor allem bei jüngeren Schülern erfolgt die Anregung fast immer über Lehrkräfte. Lehrer kennen jedoch meistens das Angebot an Wettbewerben nicht oder setzen Wettbewerbe mit Konkurrenzkampf gleich (WAGNER 1999, 293; HERTEL 2000, 176). Eine begabungs- und leistungsfördernde Wirkung entfalten Wettbewerbe besonders dann, wenn sie in die schulische Arbeit einbezogen werden, sei es dass Lehrer Aufgabenstellungen im Unterricht verwenden oder eine Wettbewerbsteilnahme als Projekt anlegen, sei es dass Schüler in Arbeitsgemeinschaften auf Wettbewerbe vorbereitet werden (WAGNER 1999, 291ff). Hertel (in HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 56) zeigt ebenfalls, dass Wettbewerbe insbesondere dann eine begabungsfördernde Maßnahme darstellen, wenn sie durch zusätzliche pädagogische Angebote wie Schülerzirkel oder Arbeitsgemeinschaften vor- und nachbereitet, beziehungsweise begleitet werden. Daraus lässt sich schließen, dass längerfristig ausgelegte Enrichment-Angebote erfolgsträchtiger sind. Wettbewerben kommt nach WAGNER (1999, 289) eher die Funktion von „Talentweckern“ zu: „Um Talente im Schulalter zu wecken, anzuregen und herauszufordern, eignen sich Wettbewerbe besonders gut.“ Schulische Fördermöglichkeiten 65 4.3.4 Seminare und Schülerakademien Im Anschluss an Wettbewerbe werden für die Preisträger oftmals Seminare angeboten. Nach KINKELIN (1999, 40) sollen die Seminare zur Teilnahme an Wettbewerben anregen und erfolgreiche Teilnehmer „belohnen“. In BadenWürttemberg gibt es entsprechend regelmäßige Seminare - für Preisträger des Landes- bzw. Bundeswettbewerbs Mathematik; - für Preisträger des Bundeswettbewerbs Informatik; - zur Vorbereitung von Teilnehmern an den Internationalen Physik- und Chemie-Olympiaden; - für Preisträger des Landeswettbewerbs Deutsche Sprache und Literatur; - für Teilnehmer des Wettbewerbs der Stiftung „Humanismus Heute“. Bei den Seminaren zum Landeswettbewerb Mathematik (www.landeswettbewerbmathematik.de) wird hervorgehoben, dass das charakteristische Merkmal der Seminarwochen nicht im mathematischen Inhalt, sondern in der Arbeitsweise liegt. Begünstigt durch einen großzügigen Zeitrahmen und losgelöst vom 45-Minutentakt wird versucht, die Schüler schöpferisch tätig werden zu lassen. Eine weitere Form der Anschlussförderung für Wettbewerbspreisträger, aber auch für andere besonders befähigte und motivierte Jugendliche aus ganz Deutschland stellt die Deutsche SchülerAkademie dar, die von dem Verein Bildung und Begabung e.V. organisiert wird (im Folgenden nach WAGNER 1999, 294ff). Sie richtet sich an Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 12. In den Sommerferien 1998 wurden sechs Akademien mit insgesamt 546 Teilnehmern in verschiedenen Internaten veranstaltet. Die Teilnehmer einer Akademie leben und arbeiten zweieinhalb Wochen zusammen. Jeder Schüler arbeitet in einem Kurs seiner Wahl. Pro Akademie werden sechs Kurse für jeweils bis zu 15 Teilnehmer angeboten. Betreut werden die Kurse von je zwei Kursleitern, die Wissenschaftler, Lehrer oder andere Experten sind. Sie führen die Schüler in bestimmte Themengebiete ein, unterrichten sie und leiten sie zu eigenständigem Arbeiten an. Die Teilnehmer schlüpfen auch in die Rolle des Lehrenden, um Teilnehmern anderer Kurse über ihre Arbeit zu berichten. Zudem muss jede Kursgruppe schriftliche Berichte über den Fortlauf und die Ergebnisse ihrer Arbeit anfertigen. Dadurch lernen die Teilnehmer nach wissenschaftlichen Standards zu schreiben. Schulische Fördermöglichkeiten 66 Besonderen Wert wird in den Akademien auf den interdisziplinären Informationsund Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern der verschiedenen Kurse gelegt. Deshalb gibt es neben dem Kursprogramm, das insgesamt etwa 45 Stunden umfasst, zahlreiche kursübergreifende Aktivitäten, für die etwa genauso viel Zeit eingeplant wird. Dazu zählen unter anderem Theater, Musik, Exkursionen, Chor, Sport und Gastvorträge. Diesen Aktivitäten kommt zudem eine soziale Bedeutung zu. Rückblickend gehört für die Teilnehmer der Schülerakademien das Erlebnis einer Gemeinschaft mit ähnlich interessierten und begeisterungsfähigen jungen Menschen zu den wichtigsten und wertvollsten Erfahrungen. Durch die Akademie entstehen Kontakte und Freundschaften, die durch Nachtreffen und auch über den „Klub der Ehemaligen“ vielfach bis ins Studium hinein aufrechterhalten werden. Die positive Bewertung der Akademie verstärkt sich nach den Begleituntersuchungen durch Neber et al. (in WAGNER 1999, 297) mit der Zeit noch. Vor allem motivationale und soziale Persönlichkeitsmerkmale Kooperationsbereitschaft und wie Interessen, Kontaktfähigkeit werden Selbstsicherheit, durch die Akademieteilnahme positiv beeinflusst. Zudem wird bei fast der Hälfte der Teilnehmer die Auffassung von der eigenen Begabung verändert. Meistens wird sie danach höher eingeschätzt, bei manchen aber auch schwächer als zuvor. In Hinblick auf das spätere Studium hat die Akademieteilnahme den Übergang von der Schule zum Studium erleichtert und eine Entscheidungshilfe für die Wahl des Studienfaches gegeben. So bietet sie Schülern die Möglichkeit, vor Studienbeginn in Fächer, die in der Schule allgemein nicht angeboten werden – wie beispielsweise die Philosophie, hineinzuschnuppern (WAGNER 1994, 320). Aus Sicht des Studiums war in den Akademien in erster Linie das geübte selbstständige Arbeiten in den Kursen von Bedeutung. Weiterhin wichtig waren die Kontakte zu den Kursleitern und die Zusammenarbeit mit anderen Kursteilnehmern. Die Autoren der Begleituntersuchung ziehen folgendes Fazit (in WAGNER 1999, 298): „Die Schülerakademie (hat) primär eine allgemein entwicklungs- und handlungsförderliche Funktion. Sie trägt deutlich positiv zur psychischen Entwicklung der Teilnehmer bei und fördert somit Voraussetzungen zur Bewältigung hoher Studien- und Leistungsanforderungen.“ Den Übergang zum Studium soll auch der Intensivkurs Mathematik erleichtern. Dieser 12- bis 14-tägige Kurs in den Sommerferien, der vom Verein zur Förderung mathematisch begabter Jugendlicher veranstaltet wird, richtet sich an interessierte Schulische Fördermöglichkeiten 67 und mathematisch talentierte Teilnehmer des Wettbewerbs Tag der Mathematik (siehe dazu auch 4.3.3). Durch das Zusammentreffen mit Tutoren, Dozenten und Universitätsprofessoren der Mathematik und den universitären Unterrichts- und Arbeitsstil erhalten die Schüler einen Eindruck davon, wie das Mathematikstudium aussehen könnte. Der Ablauf des Kurses besteht aus Universitätsvorlesungen, von Tutoren betreuten Übungen und Arbeit am Computer. Bei Letzterem lernen die Schüler mit LaTeX schreiben und müssen schriftlich ein Referat erarbeiten, das sie in den letzten Kurstagen dann mündlich präsentieren. Ein Anliegen der Autorin des Programms ist neben einer zahlenmäßigen Gleichberechtigung weiblicher und männlicher Lehrkräfte eine gute prozentuale Beteiligung von Mädchen am Intensivkurs. Mehr als 30 Prozent Mädchen nehmen dennoch meistens nicht an einem solchen Kurs teil (KALMBACH 1999, 279). 4.4 Separation 4.4.1 Theoretische Grundlage Die konsequenteste Variante der äußeren Differenzierung stellen spezielle Klassen und Schulen für intellektuell Hochbegabte dar. Gestützt werden diese von mir unter dem Begriff Separation zusammengefassten Maßnahmen durch das Differenzierungskonzept, welches im Gegensatz zum Integrationskonzept steht. Das Integrationskonzept geht nach DREWELOW (1992b, 30f) von dem Prinzip aus, dass sich Erziehung und Entwicklung in heterogen zusammengesetzten Gruppen vollziehen muss. Begründet wird das Konzept zum einen mit der Individualität, der Einmaligkeit des einzelnen Menschen, die eine Normierung verbietet und zum anderen mit der Soziabilität, der Einsicht in das soziale Wesen des Menschen, womit sich jegliche Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, der Gesellschaft verbietet. Die Ungleichheit der Schüler wird dabei nicht als Hemmnis, sondern als Bereicherung gesehen. Ebenso wird eine Unterscheidung zwischen „integrierbaren“ und „nichtintegrierbaren“ Schülern abgelehnt und statt dessen gefordert, dass alle Schulen und Schulklassen das Kriterium „integrierfähig“ erfüllen. Im Gegensatz zu diesem ganzheitlichen Konzept liegt dem Differenzierungskonzept das Leistungsprinzip in der Gesellschaft und in der Schule zugrunde. Als Kriterium für den Effekt schulischer Bildung und Erziehung wird die gesellschaftliche Produktion angesehen mit dem Ziel der gesellschaftlichen Verwertung von Begabungen. Dieses Schulische Fördermöglichkeiten 68 Konzept der Begabungsförderung setzt erstens voraus, dass Schüler mit unterschiedlichen Schulleistungen eine differenzierte Förderung erhalten müssen, und zweitens, dass die Förderung in leistungshomogenen Schülergruppen zu besseren Ergebnissen führt. Dieses Konzept hat sich in Form des gegliederten Schulwesens und den Sonderschulen für Behinderte in Deutschland durchgesetzt. Alle Formen der äußeren Differenzierung zur Förderung Hochbegabter sind nach JOST (1999, 96f) jedoch heftig umstritten. Befürchtet werden eine Isolation der betroffenen Schüler, eine Einschränkung ihrer sozialen Fähigkeiten und das Entwickeln eines Elitebewusstseins. In Zusammenhang mit dem Konzept der Separation muss auch die Frage nach der Rolle der Sonderpädagogik gesehen werden. Im angloamerikanischen Sprachraum beispielsweise wird der Begriff „Special Education“ weiter gefasst als der deutsche Begriff „Sonderpädagogik“. Er schließt alle Kinder mit besonderen Bedürfnissen und somit auch die hochbegabten Kinder mit ein. In der deutschsprachigen Sonderpädagogik gibt es ebenfalls Ansätze, die in diese Richtung gehen. Bach beispielsweise nennt vier Bereiche, die sonderpädagogisches Handeln begründen und notwendig machen: Gefährdungen, Störungen, Behinderungen und Sozialrückständigkeiten. Übertragen auf die Situation hochbegabter Kinder liegen die Gefährdungen in einer Unterforderung und einer asynchronen Entwicklung. Als mögliche Störungen resultieren Underachievement und Verhaltensstörungen. Wenn sich diese Störungen verfestigen, kann es zu Lernbehinderungen, wie auch psychischen Erkrankungen und Behinderungen, zum Beispiel Depressionen, kommen. Unter Sozialrückständigkeiten Rahmenbedingungen, die einen fallen Menschen alle an gesellschaftlichen einer harmonischen Persönlichkeitsentwicklung hindern. In dem konkreten Fall der hochbegabten Kinder sind hier ein mangelhaftes Schulsystem, mangelnde außerschulische Fördermöglichkeiten und mangelndes Wissen von Fachleuten zu nennen. Diesen letzten Punkt spiegelt auch der Ansatz von Kornmann zur Begründung einer Sonderpädagogik, Fachrichtung Hochbegabtenpädagogik wieder. Kornmann bezeichnet einen Menschen auch dann als „behindert“, „wenn die realen Lebensbedingungen dem jeweiligen Individuum keine angemessenen Entwicklungsimpulse und Lernmöglichkeiten bieten“. Auf die Gefahr der Entwicklung einer Behinderung für das hochbegabte Kind weist der Ansatz von Hoyningen-Süess hin. Aufgabe der Sonderpädagogik ist in ihrem Verständnis „in Schulische Fördermöglichkeiten 69 erster Linie die theoretische und praktische Realisierung der Erziehung des Menschen mit besonderen Bedürfnissen“. Dabei unterscheidet sie drei Funktionen von Erziehung: erkennen und fördern der Entwicklungsfähigkeit des Menschen, die Einführung in das gesellschaftliche Leben und die Entwicklung von Eigenständigkeit und Verantwortung. Wert wird insbesondere auf die Gesamtpersönlichkeit des Kindes gelegt, das heißt eine einseitige Förderung intellektueller Fähigkeiten hochbegabter Kinder wird abgelehnt. (HERMANN 1999, 43ff) Dennoch spricht die Bedeutung der Sonderpädagogik für die Hochbegabtenpädagogik nicht zwingend für eine Separation hochbegabter Schüler, auch wenn man die Besonderheiten dieser Kinder anerkennt. Alle Fachrichtungen der Sonderpädagogik sind sich einig, dass die Besonderheiten der jeweiligen Kinder nicht zwangsläufig zu einer besonderen Beschulung dieser Kinder in Sonderschulen führen müssen. Die Sonderpädagogik hat entsprechend bereits zahlreiche Modelle zur integrativen Förderung behinderter Kinder in Regelschulen entwickelt, die auf hochbegabte Kinder übertragbar sind (HERMANN 1999, 46f). Wenn allerdings eine integrative Förderung aus organisatorischen Gründen nicht funktioniert, so müssen nach WEINSCHENK (1981, 94f) Sonderklassen beziehungsweise Schulen für Eliten eingerichtet werden. Diese sind aus seiner Sicht genauso notwendig wie die in der Praxis üblichen Schulen für weniger schwerbehinderte Kinder und Jugendliche, wozu schwerhörige, sehbehinderte, lern- und/oder verhaltens- und/oder sprachgestörte sowie leichter körperbehinderte Schüler zählen. HOYNINGENSUESS (1998, 172ff) bezeichnet die Gründung von Sonderklassen für hochbegabte Kinder als einen Kniefall vor der Realität, wonach integrative Fördermaßnahmen nur unzureichend in der Praxis umgesetzt werden und die Bedürfnisse der hochbegabten Kinder demnach nicht abgedeckt werden. Neben dieser Sichtweise von Separation als ein „notwendiges Übel“ gibt es auch Gründe, die für leistungshomogene Gruppen sprechen. In leistungshomogenen Gruppen kann man den Lernbedürfnissen begabter wie auch weniger begabter Schüler besser nachgehen, was sich daran zeigt, dass sich die Schüler in fähigkeitshomogenen Gruppen mehr mit aufgabenrelevanten Tätigkeiten beschäftigen (HELLER & HANY 1996, 493). Außerdem bedeutet der von den Fürsprechern der Integration viel gelobte individualisierende Unterricht in heterogenen Klassen für Hochbegabte meistens, alleine lernen zu müssen, da niemand da ist, der ihre Fähigkeiten und Interessen teilt. Schüler, die auf diese Weise Schulische Fördermöglichkeiten 70 ständig aus der Klassengemeinschaft ausgegliedert werden, lernen gerade nicht, sich auf die Bedürfnisse anderer einzustellen. Ein weiteres Argument bildet die Annahme, dass Hochbegabte nicht nur schneller lernen und denken, sondern auch auf einem anderen Niveau, dann brauchen sie folglich auch einen anderen Unterricht. Ebenso dafür spricht das wissenschaftliche Untersuchungsergebnis, wonach das Unterrichtsniveau und die Unterrichtsqualität nicht nur von den didaktischen Fähigkeiten des Lehrers abhängen, sondern durch die Schüler wesentlich mitbestimmt werden. In leistungshomogenen Klassen könnte man die Schüler zudem durch besonders gut ausgebildete und fähige Lehrkräfte mit anspruchsvollen Kenntnissen und Fertigkeiten versorgen. Die Konfrontation mit Gleichaltrigen, die ihnen überlegen sind, fördert bei Hochbegabten die realistische Einschätzung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit. Für die verbleibenden Schüler ergibt sich der Vorteil, dass der Lehrer Inhalte und Unterrichtsverfahren besser auf ihre Lernbedürfnisse einstellen kann und sie zudem nicht mehr ständig frustriert werden. Außerdem erfordert die Förderform keinen besonderen organisatorischen Aufwand und prinzipiell keinen Mehrbedarf an Lehrerstunden. Wenn, wie zum Beispiel bei DZug-Klassen, ein Schuljahr eingespart wird, so können durch separate Klassen sogar Kosten reduziert werden. (JOST 1999, 98f) Im Folgenden werde ich zuerst auf Sonderklassen und im anschließenden Kapitel auf Sonderschulen als Maßnahmen von Separation eingehen. HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 58f) fassen den Begriff Separation weiter und zählen dazu Maßnahmen, in denen besonders befähigte Schüler in fähigkeitshomogenen Gruppen innerhalb oder außerhalb des Klassenverbandes oder in neu gebildeten, speziellen Klassen unterrichtet werden. Da Maßnahmen innerhalb des Klassenverbandes nicht zu äußerer Differenzierung zählen, werde ich hier nicht näher auf diese eingehen. Ebenso werde ich an dieser Stelle nicht noch einmal auf D-Zug-Klassen eingehen, sondern verweise auf Kapitel 4.2.4. Schulische Fördermöglichkeiten 71 4.4.2 Sonderklassen Mit die längsten und umfangreichsten Erfahrungen auf dem Gebiet der praktischen Hochbegabtenförderung mit Spezialklassen in der Bundesrepublik Deutschland hat die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig, die bereits mit dem Schuljahr 1981/82 mit der Hochbegabtenförderung begonnen hat (EICHHOLZ 1987, 50). Im Folgenden werde ich deshalb näher auf das Konzept dieser Schule eingehen. Von Baden-Württemberg sind zudem neben den D-Zug-Klassen des achtjährigen Gymnasiums auch keine Sonderklassen ausschließlich für Hochbegabte bekannt. Die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig gehört zum Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands, einem Jugend-, Bildungs- und Sozialwerk, das jungen und erwachsenen Menschen Ausbildung, Förderung und Unterstützung in ihrer aktuellen Lebenssituation anbietet. Nach dem Motto „Keiner darf verloren gehen!“ orientiert es die Inhalte seiner Arbeit am christlichen Menschenbild. Bundesweit unterhält das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands insgesamt 34 Ersatzschulen fast aller Schularten und sieben Musikschulen. Ersatzschulen sind Schulen in freier Trägerschaft, die einen vollwertigen Ersatz staatlicher Schulen darstellen und ihre spezifischen Besonderheiten, wie zum Beispiel die Förderung Hochbegabter, haben. Von den neun Gymnasien widmen sich die Jugenddorf-Christophorusschulen Rostock, Königswinter und Braunschweig der Hochbegabtenförderung (www.cjd.de). Die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig geht von der Annahme aus, dass Schüler mit weit überdurchschnittlicher allgemeiner Intelligenz, nur durch additive Angebote nicht ausreichend gefördert werden, sondern des Unterrichts in eigens eingerichteten Förderklassen bedürfen, weil nur auf diese Weise die Umwelt adäquat zu gestalten ist. Im Gegensatz zu Hochbegabtenschulen sollen diese Förderklassen jedoch in eine Schulgemeinschaft eingebettet sein, deren Struktur viele Begegnungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ermöglicht (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 343). Dazu tragen das reichhaltige Angebot an Arbeitsgemeinschaften (zwischen 70 und 80) wie auch die regelmäßig stattfindenden Jugenddorfabende bei (HELLERT 2000, 145). Der Förderzweig für Hochbegabte (Profil B) steht den Schülern ab Klasse 9 zur Verfügung. In den Klassen 5-8 findet Hochbegabtenförderung in Form von Schulische Fördermöglichkeiten 72 differenziertem Unterricht statt. Mit Klasse 7 haben die Schüler zudem die Wahl zwischen dem Profil G, Schwerpunkt ist hier die ganzheitliche und vielfältige Bildung, und dem Profil S, einem akzelerierten Durchgang der Sekundarstufe I in drei Jahren. Für den Besuch der Profile G und S ist Hochbegabung jedoch keine Voraussetzung. Der Förderzweig hingegen ist auf eine schmale Zielgruppe mit extrem intellektueller Disposition angelegt, weshalb die Schüler im Rahmen von Kontaktwochen auf ihre Eignung getestet werden. In diesen Wochen werden unterschiedliche Testverfahren zur Bestimmung der Intelligenz, aber auch nicht kognitiver Persönlichkeitsfaktoren, zum Beispiel der Motivation, durchgeführt. Außerdem erhalten die Schüler einen speziellen Probeunterricht und werden während der Woche von Sozialpädagogen in ihrer Freizeit begleitet. Abschließend spricht die Konferenz der beteiligten Psychologen, Lehrer und Sozialpädagogen eine Empfehlung zu Schullaufbahngestaltung aus. (HELLERT 2000, 143ff) Das Profil des Förderzweigs enthält sowohl die Merkmale der Akzeleration als auch des Enrichments. Der Schwerpunkt liegt vor allem aber erstens im fächerübergreifenden, das heißt lernfeldorientiertem Arbeiten und zweitens in kontinuierlicher, intensiver Projektarbeit. Beim lernfeldorientiertem Arbeiten werden die Schulfächer zu folgenden vier Lernfeldern zusammengefasst: Lernfeld 1 (L1): Deutsch, Geschichte, Religion, Sozialkunde Lernfeld 2 (L2): Erdkunde, Biologie, Chemie Lernfeld 3 (L3): Mathematik, Physik Lernfeld 4 (L4): Unterricht in der 1. und 2. Fremdsprache. Verpflichtendes Unterrichtsfach ist zudem Theater, das eine herausragende Rolle für das soziale und emotionale Lernen spielt (HELLERT 2000, 146). Musik und Kunst werden jeweils halbjährlich unterrichtet. Verpflichtend ist auch die Teilnahme am Sport, entweder als Unterricht oder als Arbeitsgemeinschaft, damit die Schüler einen körperlichen Ausgleich zur hohen intellektuellen Anspannung haben. Als dritte Fremdsprache wird Japanisch eingeführt. Informatik, das Neigungsfach vieler Hochbegabter mit Bedeutung für den späteren Beruf, wird als Projekt angeboten (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 348ff). So ergibt sich dann folgender Stundenplan: Schulische Fördermöglichkeiten 73 Stunde Montag Dienstag Mittwoch 1. L3 L1 Franz./Lat. Theater 2. L4 L1 Franz./Lat. Theater L1 3. L2 L3 L2 Englisch 4. L2 L2 L1 5. Englisch Franz./Lat. L1 6. Donnerstag Freitag Projekt Projekt Samstag Japanisch MITTAGSPAUSE 7. Englisch L1 L3 8. Japanisch Kunst/Musik Sport 9. Japanisch Kunst/Musik Sport Projekt Projekt Tabelle 3: Zeitraster für eine Schulwoche an der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig (HELLERT 2000, 146) In der Sekundarstufe II wird die Konzeption modifiziert. Es findet eine starke Akzeleration statt, so dass das Schuljahr in zwei Dritteln der Zeit bewältigt werden kann. An diese Basisphase schließt sich im letzten Drittel des Schuljahres eine Vertiefungsphase an. Sie ermöglicht den Schülern die Wahl zwischen unterschiedlichen vertiefenden Seminaren und Projekten wie auch ganz neuen Gebieten. Beispiele für Vertiefungsangebote sind: Arabisch, Flugmechanik, die Kommentare des Augustinus zum Johannesevangelium und formale Logik. Unterrichtende sind neben den Lehrkräften auch Fachkräfte aus den Instituten der wissenschaftlichen Einrichtungen Braunschweigs und Personen aus dem öffentlichen Leben. Da die Notengebung mit der Basisphase abgeschlossen ist, erhalten die Schüler für ihre Leistungen in der Vertiefungsphase ein gesondertes Zertifikat (HELLERT 2000, 147; AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 345f). Das Abitur und somit auch die Basisphase richten sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Niedersachsen. In der Klassenstufe 11 kommt zu dem ohne Abwahl durchgeführten Fächerkanon noch Philosophie als verbindliches Unterrichtsfach hinzu. Darüber hinaus ist die Aufgabe dieser Klassenstufe vor allem die Unterweisung in Lern- und Arbeitstechniken. In der Kursstufe beträgt die minimale Belegverpflichtung fünf Kurse auf Leistungskursniveau, darunter die Fächer Deutsch, Mathematik, Geschichte und jeweils mindestens eine Fremdsprache und ein naturwissenschaftliches Fach. Die durchschnittliche Belegzahl der Schulische Fördermöglichkeiten 74 Leistungskurse beträgt allerdings sieben. Verpflichtend ist außerdem die Belegung von Grundkursen in Gemeinschaftskunde, Religion, Sport und Philosophie, wie auch Kunst oder Musik. In der Jahrgangsstufe 13 kann ein Leistungskurs und der Grundkurs Philosophie abgewählt werden (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 345). Neben dem breiten Angebot und dem höheren Lerntempo wird von Schülern der Christophorusschule Braunschweig insbesondere positiv beurteilt, auf Gleichgesinnte zu treffen. Die Schüler fühlen sich in eine Gemeinschaft integriert und als Individuum gefördert (BRUSGUL 2001, 320; KNECHTEL 2001, 322; MEYER 2001, 324). Trotz der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten werden die Hochbegabten von der Gesellschaft nicht isoliert, da mit dem Jugenddorfprogramm eine bewusste Integration der Hochbegabten in die Gemeinschaft „normalbegabter“ Kinder gefördert wird (EICHHOLZ & GARDYAN 1984, 73). Es ist jedoch fraglich, inwieweit dies gelingt. Für den späteren Lebensweg scheint eine Integration in die Gesellschaft von Bedeutung zu sein. So berichtet eine Mutter von ihrem Sohn, der die Gemeinschaft mit den anderen Hochbegabten vermisst hat. Er hat mehrmals sein Studium abgebrochen und jobbt jetzt am Fließband (HOLLENBACH 1999, 146). Zudem berichten Schüler von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft am Gymnasium: auf der einen Seite die B-Schüler des Förderzweigs und auf der anderen die A-Schüler. Die beiden Schülergruppen haben ihre Vorurteile und Abneigungen gegenüber der jeweils anderen Gruppe (HOLLENBACH 1999, 134). Das Nebeneinander des Aund B-Zweigs ermöglicht jedoch auch einen Wechsel der Schüler zwischen diesen beiden Zweigen. Das bietet gerade den Schülern mit einer speziellen Hochbegabung, die dem A-Zweig zugeteilt werden, eine Chance (LANGBEIN & FOCHLER 1997, 253). Negativ beurteilt wird von Schülern der Christophorusschule Braunschweig der erhebliche Zeitaufwand für die Schule und der damit verbundene Stress. So äußern die Mädchen Julia BRUSGUL (2001, 321) und Juliane KNECHTEL (2001, 323) den Wunsch nach mehr Freizeit und Zeit für sich. Auf der anderen Seite steht die Erfahrung, dass Hochbegabte die intellektuelle Herausforderung brauchen, um sich angemessen entwickeln zu können. Intellektuelle Herausforderung allein kann jedoch auch nicht alle Probleme lösen. Problemfälle stellen Schüler dar, die ein extremes Anstrengungsvermeidungsverhalten aufweisen. Als Ganztagesschule mit Internat bietet die Christophorusschule Braunschweig seit dem Schuljahr 2000 diesen Schulische Fördermöglichkeiten 75 Schülern eine therapeutische Wohngruppe verbunden mit der Möglichkeit des Schulbesuchs im Förderzweig (HELLERT 2000, 150). Insgesamt richtet sich das Angebot der Braunschweiger Schule sowieso eher an solche Schüler, die durch unbefriedigende oder problematische Lern- und Umwelterfahrungen bereits Störungen in ihrer individuellen Entwicklung aufweisen (AKADEMIE FÜR LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1994, 347). So trägt die Begleitung der Schüler durch Schulpsychologen und Sozialpädagogen des Internats zur emotionalen Stabilisierung bei. Dennoch besteht allgemein die Auffassung, dass junge Schüler so lange wie möglich in einem intakten Elternhaus bleiben sollten. Damit erklärt sich die anfängliche Skepsis gegenüber der Einrichtung eines Förderzweigs für Schüler der Sekundarstufe I, da daran meistens eine Unterbringung im Internat gekoppelt ist (EICHHOLZ 1987, 50f). Die Unterbringung im Internat ist darüber hinaus auch eine finanzielle Frage. So kostete ein Internatsplatz 1999 2600 DM. Obwohl es Stipendien gibt, schwerwiegende Erziehungsfälle durch Jugendämter bezuschusst werden und ab der 10 Klasse BAFöG beantragt werden kann, kommen die Schüler in der Regel mindestens aus der oberen Mittelschicht (HOLLENBACH 1999, 142). Da sich die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig gerade an Schüler wendet, die Störungen in ihrer individuellen Entwicklung aufweisen, scheint die Aufnahme in den Förderzweig für manche Schüler und Eltern die letzte Hoffnung zu sein. Das bedeutet, Schüler und Eltern haben sehr hohe und teilweise auch überzogene Erwartungen an die Schule. Manche glauben, dass sich mit dem Besuch des Förderzweigs automatisch alle Probleme auflösen. Wenn dann nicht die Bereitschaft besteht, die wieder auftretenden manifesten Probleme zu bearbeiten, dann kann auch die Christophorusschule diesen Schülern keine Alternative zur Regelschule bieten (HELLERT 2000, 148f). Im Rahmen eines schulischen Gesamtkonzeptes zur Hochbegabtenförderung betreibt das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands auch eine Grundschule in Braunschweig. Grundschulen in freier Trägerschaft sind ausgesprochen selten, weil der Gesetzgeber eigentlich nur Bekenntnisschulen erlaubt (www.cjd.de). Die Hochbegabtenförderung erfolgt jedoch nicht in Sonderklassen, sondern nach einem integrativen Konzept. Das bedeutet, Kinder unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Begabung lernen miteinander. Individuelles Lernen wird durch die Methode der Freiarbeit ermöglicht. Die Grundlage dafür bilden die in der Montessori-Pädagogik entwickelten Prinzipien der Dualität von Freiheit und Schulische Fördermöglichkeiten 76 Bindung. Kinder haben die Freiheit, über einen großen Zeitraum ihre Arbeit zu wählen, aber sie haben die Verpflichtung, ihre getroffenen Entscheidungen auch durchzuhalten. Weitere Fördermaßnahmen bilden der Fremdsprachenunterricht ab Klasse 2 und die freiwilligen Werkstattangebote am Nachmittag. Das Schulkonzept sieht eine Verknüpfung von intellektueller Herausforderung und praktischer Tätigkeit vor. Ein Schultag gliedert sich folgendermaßen: Ab 07.30 Uhr Offener Anfang Freiarbeit Ab 10.00 Uhr Klassen-/Fachunterricht Ab 12.00 Uhr Fachunterricht Schwerpunkt: Musik, Kunst, Sport Ab 13.00 Uhr Ende des verpflichtenden Schulprogramms Mittagessen, Ruhe- und Spielpause Ab 14.30 - 16.00 Uhr Werkstattangebote Ab 19.00 Uhr Informations- und Fortbildungsangebote Einmal pro Woche findet ein lebenspraktischer Tag statt. Dieser Tag wird als Projekttag ohne Stundenplan durchgeführt. Die Bedeutung dieses Tages liegt im fächerübergreifenden Lernen verbunden mit praktischer Tätigkeit. Ziel des gesamten Grundschulkonzeptes ist es, eine befriedigende Lernerfahrung für alle Kinder zu erreichen (HELLERT 2000, 143f). Neben den inneren Differenzierungsmaßnahmen wendet der Schulversuch der Grundschule an der Beuthener Straße in Hannover auch äußere Differenzierungsmaßnahmen an. Dort holen die Lehrer nach ihrem Ermessen Schüler für Zusatzangebote aus dem normalen Unterricht heraus. Die Zusatzangebote wie zum Beispiel Theaterspielen oder Mikroskopieren sind jedoch nicht nur den Hochbegabten zugänglich, so dass den Schülern wahrscheinlich nicht bewusst ist, wer hochbegabt ist und wer nicht. Sprachliche Zusatzangebote sind hingegen den leistungsstarken Schüler vorbehalten. Ermöglicht wird dieses Konzept auch durch eine zeitweise zweite Lehrkraft (HOLLENBACH 1999, 81f). Schulische Fördermöglichkeiten 77 4.4.3 Sonderschulen Separate Grundschulen für Hochbegabte sind aufgrund des gemeinsamen Erziehungs- und Bildungsauftrags der Grundschule ausgeschlossen. In den Anmerkungen zum Schulgesetz Baden-Württemberg (HOLFELDER 1998, 47) heißt es dazu: „Die Grundschule bildet als Primarstufe (§4 Abs. 2) den für alle schulpflichtigen und schulfähigen Kinder gemeinsamen Unterbau des Schulwesens, in der den verschiedenen sozialen Bevölkerungsgruppen eine gemeinsame Bildungsidee vermittelt und gleiche Bildungschancen für alle Kinder hergestellt werden.“ Somit läuft Hochbegabtenförderung in der Grundschule auf integrative Konzepte hinaus. Weiterführende Sonderschulen für Hochbegabte hingegen gibt es in Deutschland. Sie sind jedoch ausgesprochen selten und noch sehr jung. Anfang der 90er Jahre, als es hierzulande noch keine Hochbegabtenschulen gab, gingen einige hochbegabte Kinder sogar nach Schottland zur neueröffneten Cadmuir International School, einer Schule für Hochbegabte. Damals wurden dort im Gegensatz zur Christophorusschule in Braunschweig auch sehr junge Schüler ab 10 Jahren aufgenommen (BMBF 2001c, 57). Die erste Hochbegabtenschule Deutschlands war Talenta in NordrheinWestfalen, eine Ganztagesschule mit angeschlossenem Internat. Sie wurde am 1. August 2000 eröffnet. Aufnahmekriterium ist unter anderem ein Nachweis der Hochbegabung, wobei das Talenta-Team die Bewerber auf ihre Eignung hin prüft. Das Ziel der Schule ist die ganzheitliche Bildung und Erziehung Hochbegabter. So spiegelt sich im Stundenplan wieder, dass neben den intellektuellen Begabungen gleichrangig sportliche, musische und kreative, handwerkliche Anlagen gefördert werden. Dazu trägt auch die Einheit von Schule und Internat, dem Talenta-Haus, bei. Das Talenta-Haus ist auch der Ort des sozialen Lernens. Zur ganzheitlichen Bildung und Erziehung trägt darüber hinaus auch das interdisziplinäre Team der Schule bei, das aus Lehrern, Sozialpädagogen Erziehern, besteht. Daneben Heilpädagogen, stehen für Diplom-Pädagogen begleitende und therapeutische Maßnahmen ein Neurologe und Psychiater, ein Psychologischer Psychotherapeut, eine Musiktherapeutin und eine Ergotherapeutin vor Ort zur Verfügung. Die Grundlage für die Schule bilden die Nordrhein-Westfälischen Bildungspläne. Schulisch werden die Hochbegabten zum einen durch den Unterricht in kleinen Lerngruppen gefördert. In einer Klasse sind durchschnittlich nur 10 Schüler. Zum Schulische Fördermöglichkeiten 78 anderen werden auch Maßnahmen der inneren und äußeren Differenzierung, Akzeleration und Enrichment angewandt. Außerdem ist der Bereich Lern- und Arbeitstechniken Bestandteil des Stundenplans. (www.talenta-schule.de) Zum Schuljahr 2001/02 hat als weitere Hochbegabtenschule das Landesgymnasium St. Afra in Sachsen mit der Aufnahme von jeweils 50 Schülern in die Klassenstufen 7 und 10 seinen Betrieb aufgenommen. Geplant ist eine Schule für 304 Schüler. Die Schüler sollen dort beginnend mit der 7. Klasse zum Abitur in der Klasse 12 geführt werden. Zur Schule gehört darüber hinaus ein Internat, in dem alle Schüler der Schule wohnen. Im Gegensatz zu Talenta ist St. Afra keine private Schule, sondern als Gymnasium mit Vertiefter Ausbildung, ein sogenanntes §4-Gymnasium, Bestandteil des sächsischen Schulsystems. Die Schule knüpft an die Tradition der 1543 gegründeten Fürstenschule St. Afra für begabte Kinder an. Die neu gegründete Hochbegabtenschule richtet sich an allgemein hochbegabte Kinder, die zuvor ein Auswahlverfahren aus Tests und Gesprächen und einen einwöchigen Probeunterricht durchlaufen müssen, wobei nach Aufnahme das erste Schulhalbjahr als zweite Probephase gilt. Bildungs- und Erziehungsziel des Hochbegabtengymnasiums ist die Entwicklung von Generalisten, die soziales Engagement mit Führungsqualitäten verbinden. Dazu wird zum einen das Curriculum geändert, wobei das Abitur gemäß dem Sächsischen Zentralabitur erfolgt. So wird in den nach Trimestern eingeteilten Schuljahren ein umfassenderes Pensum durchgenommen. Es werden mindestens drei Fremdsprachen unterrichtet, darunter eine alte. Darüber hinaus soll eine außereuropäische Sprache angeboten werden. Pflicht ist zudem ein Auslandstrimester. Die Schultage einer Woche sind zweigeteilt in 26 verpflichtende Unterrichtsstunden morgens, das fundamentum, und nachmittags das additum, bei dem die Schüler Fächer wählen, in denen sie sich vertiefen wollen, was ein Mehr an persönlichem Engagement des einzelnen Schülers bedeutet. Jede Klassenstufe hat zusätzlich ihre eigenen Schwerpunkte. So beginnt beispielsweise in der 7. Klasse das systematische Training von Lerntechniken und die 10. Klasse widmet sich interkulturellen Problemstellungen. In der Oberstufe müssen dann drei Leistungskurse gewählt werden. Neben der Förderung der intellektuellen Begabung sollen die hochbegabten Schüler zum anderen zur Verantwortung für die Gemeinschaft erzogen werden. Dazu müssen sie an gemeinnützigen Projekten mitarbeiten – etwa bei der Feuerwehr oder in Schulische Fördermöglichkeiten 79 Krankenhäusern. (http://marvin.sn.schule.de/~afragym/; FEGER & PRADO 1998, 157; JOST 1999, 104) Eine weitere Schule für Hochbegabte ist in Planung. Träger des Projektes Schule für Hochbegabte in Nordrhein-Westfalen ist die Matura GmbH zur schulischen Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher. Diese Organisation wurde von einer Gruppe engagierter Mitglieder des Vereins Mensa in Deutschland e.V. (MinD) gegründet. (www.hochbegabtenschule.de) 4.5 Unkonventionelle Fördermöglichkeiten Neben den bisher dargestellten Förderformen gibt es alternative Fördermöglichkeiten, die nicht den Konzepten Akzeleration, Enrichment und Separation zuzuordnen sind. Dazu zählen unter anderem Freie Schulen, Auslandsaufenthalte und die Befreiung vom Unterricht. Für hochbegabte Schüler, die in den staatlichen Schulen nicht die nötige Förderung und Unterstützung vorfinden, können Freie Schulen eine Alternative sein. Schulen in freier Trägerschaft sind stets aufgrund von Kritik am staatlichen Schulsystem gegründet worden und erfüllten gesellschaftliche Bedürfnisse, die durch die staatlichen Schulen nicht befriedigt wurden (ARBEITSGEMEINSCHAFT FREIER SCHULEN 1999, 10f). Neben den Hochbegabtenschulen in freier Trägerschaft, können auch andere Freie Schulen aufgrund ihres Profils eine Alternative für hochbegabte Schüler darstellen. Ein Verzeichnis der Freien Schulen bietet das Handbuch Freie Schulen, das von der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen herausgegeben wird. So fördert beispielsweise das Maristengymnasium Fürstenzell, eine katholische Schule in freier Trägerschaft, verstärkt Kreativität, Phantasie und Intuition. Über das dortige Projekt „Jugend kreativ“ werden Schüler bei Erfindungen unterstützt, was einigen Schülern bereits Patente einbrachte (FENZL 1994, 329ff). Alternative pädagogische Ansätze bieten Freie Schulen, die sich auf die Reformpädagogik gründen. In ihrer Sichtweise steht im Mittelpunkt das Kind, wozu unter anderem die Individualisierung im Unterricht beiträgt. Einige dieser Schulen haben jahrgangsübergreifende Klassen, die hochbegabten Schülern Vorzüge bieten (siehe auch 4.2.3). Zu den Freien Schulen mit reformpädagogischem Ansatz zählen die deutschen Landerziehungsheime. Ein Beispiel für eine solche Internatsschule in Schulische Fördermöglichkeiten 80 Baden-Württemberg ist die Schule Schloss Salem (www.SalemCollege.de). Diese Schule vergibt darüber hinaus Leistungsstipendien für besonders begabte und interessierte Schüler. Obwohl einige reformpädagogischen Ansätze in Konzepte der Hochbegabtenförderung übernommen wurden, sind nicht generell alle Schulen mit reformpädagogischen Ansätzen zu empfehlen. FEGER & PRADO (1998, 109ff) warnen vor den Waldorfschulen, da die hochbegabten Schüler nach dem Eindruck aus Beratungsstellen unter den Waldorfprinzipien, wie den sehr heterogenen Klassen und den irrationalen Elementen der Antroposophie, besonders leiden. Ebenso äußert STEDTNITZ (1999, 144f) Bedenken gegenüber Privatschulen, da diese traditionell für Kinder mit leistungsmäßigen Schwierigkeiten in der Schule konzipiert sind und fähigen Kindern daher kein optimales soziales Umfeld bieten. Empfehlenswert sind aus ihrer Erfahrung hingegen internationale Schulen, insbesondere für Grundschüler. In diesen fremdsprachigen Schulen besteht zum einen die Herausforderung des Erlernens der Fremdsprache, zum anderen wirken aber auch der Umgebungswechsel und die Auseinandersetzung mit der anderen Kultur sehr motivierend. In Baden-Württemberg gibt es an entsprechenden Schulen die Europäische Schule Karlsruhe (www.karlsruhe.de/Schulen/Europa) und die International School of Stuttgart e.V. (www.agis-schools.org/schools/stuttgart.html). Zur International School of Stuttgart gehört auch ein Kindergarten, so dass sie ein durchgängiges Angebot für Kinder von 3-18 Jahren abdeckt. Eine weitere Fördermöglichkeit für sprachbegabte Schüler sind Auslandaufenthalte. Üblich sind Austauschprogramme für 16- und 17-Jährige. Sie stellen oftmals eine Alternative zum Überspringen der 11. Klasse dar mit dem Vorteil, dass die Schüler ihre Klassengemeinschaft nur für ein Jahr verlassen müssen (siehe 4.2.2). Auch für jüngere Kinder sind mehrwöchige Auslandsaufenthalte jedoch möglich. In der Literatur finden sich Darstellungen von 10-Jährigen, die Auslandsaufenthalte absolviert haben. Von Bedeutung ist dann, dass die Eltern oder vielleicht Freunde der Eltern die Gastfamilie kennen. Über die sprachliche Förderung hinaus, führt ein mehrwöchiger Auslandsaufenthalt aufgrund der Anregung durch eine fremde Kultur zu einem „Motivationskick“, der bis zu einem Jahr anhalten kann. Theoretisch könnte ein Kind also einmal im Jahr einen Auslandsaufenthalt absolvieren und danach wieder in die gleiche Klasse zurückgehen, wobei es den verpassten Schulstoff aufholen muss. Diese Lösung kann eine gute Alternative zum Besuch einer Privatschule sein (STEDTNITZ 1999, 144). Schulische Fördermöglichkeiten 81 Bei einseitigen Begabungen, zum Beispiel im mathematischen Bereich, kommt als weitere Fördermöglichkeit die Freistellung vom jeweiligen Unterrichtsfach in Frage (STEDTNITZ 1999, 146). Die Kinder arbeiten dann am besten mit einem Mentor zusammen. Der Einzelunterricht erlaubt den Schülern das Arbeiten nach eigener Geschwindigkeit. Die Mentoren können darüber hinaus in sozialer Hinsicht eine sehr wichtige Funktion haben als Austausch- und Ansprechpartner und jemand, der dem Kind zu verstehen gibt, dass es so akzeptiert wird, wie es ist. MÜLLER (2000, 116) empfiehlt Mentoren gerade für ältere Schüler, deren fachliches Niveau das der Eltern und Fachlehrer übersteigt. Ein Mentor kann dann in diesem Fall die Ausbildung neben der Schule übernehmen. Er kann aus dem eigenen Bekanntenkreis sein oder beispielsweise über eine Anfrage an nahe gelegene Universitäten oder Firmen und Forschungseinrichtungen gefunden werden. Ältere Schüler können statt der Arbeit mit einem Mentor auch als Gasthörer Vorlesungen an der Universität besuchen oder ein Fernstudium aufnehmen (STEDTNITZ 1999, 146ff). Momentan werden allerdings die Leistungen, die Schüler bereits vor dem Abitur in universitären Veranstaltungen erbringen, bei einem Studium an anderen Universitäten bundesweit nicht notwendigerweise anerkannt. Im Interesse einiger Länder wird sich das in Zukunft wahrscheinlich ändern (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 69). 4.6 Vorläufiges Resümee Aus den Darstellungen über Akzeleration und Enrichment geht hervor, dass beides pädagogisch sinnvolle Maßnahmen zur Hochbegabtenförderung sind. Die generelle Ablehnung gegenüber Maßnahmen der Akzeleration ist unbegründet, da negative Effekte in Bezug auf die soziale und emotionale Entwicklung in Untersuchungen nicht bestätigt wurden. So hat der G8-Zweig im Gegenteil positive Effekte in Bezug auf die Selbstkonzeptentwicklung. Auch das Springen bringt aus Sicht der Betroffenen eher Vor- als Nachteile mit sich. Problematisch erscheint hingegen die fachbezogene Akzeleration, zumal sie mit großem organisatorischem Aufwand für die Schule verbunden ist. Nach einer Umfrage unter Eltern von 4.-Klässlern durch ROST (1993, 211) stößt diese Maßnahme zudem auf eindeutige Ablehnung. In diesem Fall sind in der Regel eher Alternativen, wie die Befreiung vom Unterricht und die Arbeit mit einem Mentor vorzuziehen. Schulische Fördermöglichkeiten 82 Es gibt jedoch auch Stimmen, die in dem Überspringen von Klassen keine wirkliche Begabtenförderung sehen, sondern nur eine Notlösung (HOLLENBACH 1999, 184ff). Aus der Sicht von HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 49) sollte das Springen nicht als hinreichende Fördermaßnahme verstanden werden, da viele besonders begabte Schüler nach einer „Aufholphase“ von dem Tempo der Klasse schnell wieder unterfordert sind. Hier sollten zusätzliche Förderangebote, die auch das Zusammenkommen mit gleichaltrigen Gleichbefähigten ermöglichen, gesucht werden. Darunter fallen Maßnahmen des Enrichment. Umgekehrt vertritt Stanley (in HEINBOKEL 1988, 109) die Ansicht, dass, je besser ein Enrichment Projekt ist, umso eher die Notwendigkeit entsteht, das Kind zu irgendeinem Zeitpunkt zu akzelerieren, da man sonst die Langeweile nur ein wenig herauszögert und sie später umso heftiger auftreten lässt. Akzeleration und Enrichment stellen somit keineswegs sich ausschließende Fördermaßnahmen dar, sondern eine Kombination, wie sie beispielsweise in den Sonderklassen der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig praktiziert wird, erscheint sinnvoll, um die positiven Effekte jeder Maßnahme zu nutzen. Fördermaßnahmen erfordern jedoch auch Bedingungen. So ist für das Springen und die vorzeitige Einschulung ein begabungsfreundliches Klima, wozu vor allem die emotionale und intellektuelle Unterstützung durch die aufnehmenden Lehrer zählt, Voraussetzung. Enrichmentangebote, wie zum Beispiel Wettbewerbe, scheinen das auf den ersten Blick nicht zu fordern. Wettbewerbe entfalten jedoch ihre begabungsund leistungsfördernde Wirkung besonders dann, wenn sie in die schulische Arbeit mit einbezogen werden, das heißt am besten wenn sie durch pädagogische Angebote wie Arbeitsgemeinschaften begleitet werden. Somit ist die Unterstützung durch Lehrkräfte für jedes Förderprogramm von immenser Bedeutung. Da längerfristige Enrichmentangebote erfolgsträchtiger sind, ist es ausgesprochen positiv zu bewerten, dass in Baden-Württemberg die Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler die Grundlage des Förderprogramms bilden. Sinnvoll erscheint zudem die Bündelung von schulübergreifenden Arbeitsgemeinschaften in Kinder- und Jugendakademien. Dennoch stellen auch kurzfristigere Enrichmentmaßnahmen, wie die Schülerakademie, eine gute Fördermöglichkeit dar. Hier ist insbesondere das Erlebnis einer Gemeinschaft mit Gleichgesinnten von Bedeutung. Problematisch erscheint immer noch die Lage der Mädchen, die zuvor als Risikogruppe eingestuft wurden. Sie nehmen beispielsweise die Schulische Fördermöglichkeiten 83 Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler in Baden-Württemberg seltener an als Jungen. Im Rahmen des Pilotprojekts „Mehr Mädchen in Naturwissenschaften“ wurden bereits separate Arbeitsgemeinschaften für Mädchen in den Fächern Chemie, Physik und Informatik eingerichtet. Nach WINNER (1998, 231) ist eine Begabtenerziehung für Mädchen mit mathematischer oder naturwissenschaftlicher Begabung notwendig, damit sie Mitschülerinnen kennen lernen, mit denen sie sich identifizieren können. Anzumerken ist allerdings, dass sich Mädchen im Allgemeinen weniger für Naturwissenschaften und Mathe, sondern eher für Sprachen, Kunst, Literatur, Theater und Biologie interessieren. Die Themen der Arbeitsgemeinschaften sind jedoch vorwiegend aus dem Bereich Mathematik und Naturwissenschaften und die wenigen geisteswissenschaftlichen Angebote schnitten schlechter ab. Gute Angebote aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich wären jedoch gerade für Mädchen wünschenswert. Ansonsten sind für sprachlich begabte Mädchen eventuell Alternativen, wie der Besuch einer internationalen Schule oder bilingualer Klassen vorzuziehen. Im Gegensatz zu dem geringeren Anteil der Mädchen an den Arbeitsgemeinschaften, beträgt ihr Anteil bei den Früheinschulungen 58,6 %. Dieses Ergebnis spiegelt auch den Reifevorsprung der Mädchen wieder. Daraus lässt sich folgern, dass Mädchen noch dringender als Jungen der frühen Förderung in der Grundschule und der Unterstufe bedürfen. Vor der Analyse der schulischen Fördermöglichkeiten stand die Feststellung, dass die Förderung hochbegabter Kinder besonders notwendig in der Grundschule ist. Dazu werden momentan mehr Fördermöglichkeiten der Akzeleration als des Enrichment angeboten. Maßnahmen der Akzeleration sind in Baden-Württemberg durch Gesetzesänderungen in Bezug auf das Überspringen von Klassen wie auch die vorzeitige Einschulung erleichtert und durch die jahrgangsübergreifenden Klassen des Projektes Schulanfang auf neuen Wegen unterstützt worden. Maßnahmen des Enrichment für Grundschüler sind bisher hingegen noch nicht auf soviel Beachtung gestoßen. Es gibt wenig geeignete Wettbewerbe für Grundschüler und auch zu anspruchsvollen Arbeitsgemeinschaften in der Grundschule ist sehr wenig bekannt. Offene Zusatzangebote, wie sie die Grundschule an der Beuthener Straße durchführt, wären eine nachahmenswerte Möglichkeit. Die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart ist die erste derartige Institution, die Angebote im Grundschulbereich führt. Die große Nachfrage nach Plätzen zeigt, dass ein Bedarf an derartigen Angeboten besteht. HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 69) sind ebenfalls zu dem Ergebnis Schulische Fördermöglichkeiten 84 gekommen, dass Enrichmentangebote im Grundschulbereich ausgebaut werden sollten. Ein Problem, das bei den Förderprogrammen für Hochbegabte generell besteht, ist, hochbegabte Schüler zu erkennen. Wenn Underachiever nicht erkannt werden, dann können sie auch nicht gefördert werden. Nach HOLLING, VOCK & PRECKEL (2001, 69) ist dafür allerdings noch die genauere Erforschung der Ursachen von Underachievement notwendig. Dann sollten Konzepte entwickelt werden, wie besonders begabte Underachiever erkannt und gefördert werden können. Eine weitere Problemgruppe bilden Höchstbegabte. Im Gegensatz zu Kindern mit leichter Hochbegabung hat das Überspringen von ein oder zwei Klassen für Schüler, die ihren Alterskameraden um fünf oder sechs Jahre voraus sind, wenig Wert. In diesem Fall ist die Gruppierung nach Fähigkeiten der radikalen Akzeleration vorzuziehen (WINNER 1998, 241f). Obwohl sich HEINBOKEL (1988, 109) wie auch FEGER & PRADO (1998, 161) für integrative Konzepte aussprechen, ist ein gewisser Prozentsatz an Hochbegabtenklassen aus ihrer Sicht notwendig, beziehungsweise gut für manche hochbegabte Schüler. Das Konzept der Separation ist folglich nicht generell abzulehnen, zumal keine negativen Effekte für die Schüler nachgewiesen werden konnten. Für Schüler, die bereits Störungen in ihrer Entwicklung aufweisen, kann die Begleitung durch Schulpsychologen oder Sozialpädagogen des Internats einer Hochbegabtenschule zur emotionalen Stabilisierung beitragen. Für den späteren Lebensweg scheint allerdings eine Integration in die Gesellschaft von Bedeutung zu sein. Somit wäre das Konzept von Sonderklassen der Jugenddorf-Christophorusschule in Braunschweig, bei dem durch das Jugenddorfprogramm gleichzeitig auch die Integration in die Gemeinschaft „normalbegabter“ Kinder gefördert wird, separaten Hochbegabtenschulen vorzuziehen. Die separate Hochbegabtenförderung muss dabei in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, das arrogantes und elitäres Bewusstsein verhindert, wie zum Beispiel die Verpflichtung zum christlich motivierten sozialen Lernen der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig (EICHHOLZ 1987, 48f). Gegen eine Separation spricht nach LANGENEDER (1997, 114), dass es kein Verfahren gibt, Hochbegabung gültig zu testen, und somit auch kein gültiges Ausleseinstrument. Separation der hochbegabten von den normalbegabten Schülern führt in Grenzfällen zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten. WALDMANN & WEINERT (1990, 185) fordern deshalb ein Maximum an Offenheit bei Schulische Fördermöglichkeiten 85 Hochbegabtenprogrammen. Durch ein durchlässiges System von Sonderklassen und normalen Klassen, wie es die Christophorusschule Braunschweig praktiziert, ist jedoch ein hohes Maß an Offenheit gewährleistet. Eine generelle Separation Hochbegabter wie auch den Ausbau von D-Zug-Klassen mit der Folge eines viergliedrigen Schulsystems halte ich für bedenklich. Statt dessen sollte lieber, wie auch WINNER (1998, 249) es fordert, das Unterrichtsniveau für alle Schüler angehoben werden, zumal alle Schüler durch höhere Erwartungen nachgewiesenermaßen bessere Leistungen erbringen. Dadurch würden gleichzeitig auch die Haupt- und Realschule wieder aufgewertet werden. Insgesamt ergibt sich für Baden-Württemberg eine Vielfalt an sinnvollen Maßnahmen zur Hochbegabtenförderung. Da nicht jede Maßnahme für jeden Begabten geeignet ist, sollte das Schulsystem auch stets verschiedene Optionen ermöglichen (HOLLING, VOCK & PRECKEL 2001, 71; WALDMANN & WEINERT 1990, 185). Laut einer Umfrage über wünschenswerte Fördermaßnahmen unter Eltern von 4.-Klässlern (ROST 1993, 203ff) ziehen diese Eltern jedoch Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung Maßnahmen der inneren wie auch der äußeren Differenzierung vor. Im anschließenden Kapitel werde ich näher auf die Möglichkeiten und die Bedeutung der außerschulischen Maßnahmen eingehen. Außerschulische Fördermöglichkeiten 86 5 Außerschulische Fördermöglichkeiten 5.1 Familiärer Kontext Nach der Diskussion der schulischen Fördermöglichkeiten werde ich in diesem Kapitel auf die Bedeutung der Familie für die Förderung hochbegabter Kinder eingehen. Zum einen werde ich dabei der Frage nachgehen, welche Rolle die Eltern generell bei der Entwicklung hochbegabter Kinder spielen, und zum anderen wie sie ihre Kinder gezielt fördern können. Dabei werden Erwartungen an die Eltern wie auch Grenzen elterlichen Handelns zur Sprache kommen. Dass die Familie Einfluss auf die Entwicklung hochbegabter Kinder ausübt, ist unbestritten. Fraglich ist hingegen noch das Ausmaß des Einflusses. So kommt in der Behauptung von MÜLLER (2000, 112) den Eltern eine tragende Rolle zu: „Ohne die Unterstützung durch die Eltern wird ein hoch Begabter seine Anlagen kaum entfalten können.“ Das BMBF (2001b, 31) sieht die bedeutende Rolle der Familie in der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, wozu die geistige wie auch die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern zählt. Die geistige Entwicklung ihrer Kinder können Eltern fördern, indem sie ihren Kindern Anregungen bieten und auf ihre Interessen und Bedürfnisse eingehen. Anregungen liefern in erster Linie Gespräche mit Erwachsenen, seien es Eltern, Großeltern oder andere Erwachsene. Daneben bieten Medien, wie zum Beispiel Bücher, Zeitungen, CDs und Kassetten, Anregungen, ebenso Reisen sowie Besuche von Museen oder Theatervorstellungen. Bei Büchern empfiehlt es sich, zum einen das Kind mit in eine Bücherei zu nehmen und zum anderen beim Aufbau einer eigenen „Bibliothek“ zu unterstützen, wozu vor allem auch Nachschlagewerke zählen. Dies kann durch Geschenke zum Geburtstag oder Weihnachten geschehen. Neben Büchern liefern auch das Fernsehen und der Computer einschließlich des Internets Anregungen und sind keinesfalls generell abzulehnen. Die Frage stellt sich vielmehr nach dem richtigen Umgang mit Fernsehen und Computer. So sollten die Eltern wissen, welche Sendungen ihr Kind im Fernsehen sieht und was es mit dem Computer macht, da nicht alles kindgerecht ist. Aus dem gleichen Grund sollten Eltern ihr Kind besser nur unter Aufsicht im Internet suchen lassen. Daneben braucht ein Kind aber auch möglichst vielfältiges Spielzeug, wie zum Beispiel Konstruktionsspielzeug, Gesellschaftsspiele, Puppen für Rollenspiele oder Papier und Malsachen. Kleinkinder finden Babyspielzeug jedoch oft uninteressant und Außerschulische Fördermöglichkeiten 87 interessieren sich eher für Haushaltsgegenstände. Man sollte Kindern daher die Gelegenheit geben, ungefährliche Gegenstände zu untersuchen und ausgediente Haushaltsgegenstände auseinander zu nehmen. Eltern sollten ihr Kind jedoch auch nicht mit immer neuen Anregungen und Spielzeug überhäufen, sondern sich nach den Bedürfnissen des Kindes richten. Ebenso sollten sich Eltern nach dem Lerntempo des Kindes richten. Das Kind braucht auch genügend Zeit für vergnügliche Spiele und Aktivitäten ohne ein bestimmtes Lernziel (BMBF 2001b 32ff). LANDAU (1990, 79) betont, dass Eltern zwar Anreize schaffen können, ihr Kind aber nicht zum Handeln antreiben sollen. Nach MÜLLER (2000, 75f) sollten Eltern ihrem Kind zudem gestatten, möglichst vielfältige Aktivitäten auszuprobieren, da sich bleibende Interessen erst in den Jahren der Pubertät herausschälen. Zu den Bedürfnissen hochbegabter Kinder gehört darüber hinaus die Beantwortung ihrer unzähligen Fragen, um ihren Wissensdurst zu stillen. Das BMBF (2001b, 35) empfiehlt den Erwachsenen, bei kleinen Kindern wenn möglich alle Fragen korrekt und ausführlich zu beantworten. Auch bei älteren Kindern sollte man sich als Elternteil um die Beantwortung der Fragen bemühen, damit das Kind erkennt, dass man es ernst nimmt und sich wirklich um es kümmert. SASSENRATH (1990, 165f) hingegen ist gegen eine sofortige und häufige Beantwortung der Fragen durch die Eltern, zumal es für einen Erwachsenen schwierig ist, alle Fragen eines hochbegabten Kindes inhaltlich hinreichend und korrekt zu beantworten. Sie begründet ihre Ablehnung damit, dass das ständige Beantworten durch Erwachsene einem Kind nicht hilft, eigene Lösungswege zu entdecken. Das heißt aber nicht, dass Erwachsene die Fragen abblocken sollen. Sie sollen vielmehr ihrem Kind jene Werkzeuge vermitteln, mit deren Hilfe sie Fakten, Erkenntnisse und Tatsachen selbst entdecken können. Dies kann durch gezieltes Rückfragen geschehen, das die Aufmerksamkeit auf den Denkprozess des Kindes lenkt. Mögliche Rückfragen sind: „Wie kommst Du zu dieser Annahme?“, „Welche Überlegung führte Dich zu diesem interessanten Ergebnis?“. Gensley (in SASSENRATH 1990, 175f) verdeutlicht die Bedeutung des eigenständigen Benutzens von Informationsquellen für hochbegabte Kinder: „Eltern können ihrem Kind nicht alles geben, wie ausgiebig ihre Ressourcen auch sein mögen, aber sie können ihrem Kind die Chance geben, selbständig zu lernen.“ LANDAU (1990, 81) sieht die Aufgabe der Eltern auch nicht darin, ihren Kindern Wissen und Information zu vermitteln. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der Schule. Eltern sollten ihren Kindern, um im Leben Außerschulische Fördermöglichkeiten 88 zurechtzukommen, eine kreative Grundeinstellung vermitteln. Diese kann die allgemeine Grundlage für die nicht vorhersehbare Entwicklung des Kindes und seine zukünftigen Aufgaben bilden. WINNER (1998, 181) zeigt auf, dass Eltern erfolgreicher Kinder diese nicht in bestimmte Domänen gelenkt haben, sondern ihnen auch durch ihr eigenes Vorbild vor allem die Freude am Lernen, an geistigen Herausforderungen und an guten Leistungen vermittelt haben. Nach den Befragungen von hochbegabten Kindern und Jugendlichen auf Sommercamps durch SASSENRATH (1990, 41ff) erwarten diese von ihren Eltern auch keine Wissensvermittlung oder inhaltliche Beratung ihrer eigenen Projekte. Diese Rolle schreiben sie vielmehr ihren Lehrern zu, von denen sie sich eine fachinhaltliche Beratung in Form von Tipps und Denkanregungen wünschen. Dennoch kommt den Eltern aus Sicht der Befragten bei der Unterstützung ihrer Projekte das höchste Gewicht zu. Zum einen erwarten die Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern forschungsförderliche Bedingungen wie ein eigenes Zimmer, die Bereitstellung von Material und Zeit zum Arbeiten, wozu auch die Freistellung von Mahlzeiten und Arbeiten im Haus zählt, und weitere „wohltuende Bedingungen“ wie ein spannungsfreies Familienverhältnis. Zum anderen erwarten Hochbegabte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aktiver Unterstützung und „Nicht-Einmischung“. Unter letzterem wird nicht ein Desinteresse der Eltern verstanden, sondern gefordert, dass Eltern kindliche Eigenständigkeit gewähren und respektieren. Das erfordert von Eltern Geduld, wenn Kinder während ihres entdeckenden Lernprozesses Fehler oder Umwege machen. An Maßnahmen der aktiven Unterstützung wird vor allem „psychologische Unterstützung“ erwartet, wie zum Beispiel Trost, Lob, Ermutigung und konstruktive Kritik. Aussagen seitens der Eltern, wie „toll“, „schön“, „gut gemacht“ genügen den Kindern dabei nicht. Sie wünschen sich eine differenziertere Rückmeldung, in der ihre Leistung anerkannt wird und fachliche Kritik geäußert wird. Kinder erwarten von ihren Eltern dementsprechend vor allem auch psychologische Unterstützung. Eine der wichtigsten Erkenntnisse für die soziale und emotionale Entwicklung eines Kindes ist, dass das Kind das Gefühl und die Sicherheit braucht, dass es, so wie es ist, geliebt wird (LANDAU 1990, 78). Dazu gehört auch, trotz der Förderung der intellektuellen Fähigkeiten des Kindes, die Hochbegabung nicht zum wichtigsten Bestandteil der kindlichen Persönlichkeit zu erhöhen (HOLLENBACH 1999, 168). Gefühle sind für hochbegabte Kinder genauso wichtig wie für alle Außerschulische Fördermöglichkeiten 89 anderen Kinder, und sie müssen lernen, mit ihnen umzugehen (BMBF 2001b, 39). Eltern sollten dabei bedenken, dass die sozial-emotionale Entwicklung häufig zwar ebenfalls akzeleriert ist, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie die intellektuelle Entwicklung (siehe 3.2). BUTLER-POR (1987, 10ff) nennt sechs verschiedene soziale und emotionale Faktoren als Voraussetzung für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung und damit auch als Voraussetzung, um Freude am Lernen zu haben. Dazu zählen grundlegendes Vertrauen, Vertrauen in andere und Selbstvertrauen, sowie Unabhängigkeit und Eigeninitiative neben Selbstbewusstsein. Gleichzeitig zählt sie aber auch sechs verschiedene Faktoren der Motivation auf, die erfüllt sein müssen, damit das Kind gute Leistungen in der Schule erbringt. Folglich scheint die Kombination von geistiger Anregung und psychologischer Unterstützung bedeutsam für die Förderung von Hochbegabung. Zu diesem Ergebnis kam Cszikszentmihalyi (in WINNER 1998, 184f) aufgrund einer Langzeitstudie über Teenager mit herausragenden Begabungen. Die Familien der untersuchten Jugendlichen teilte er in vier verschiedene Gruppen ein: „differenzierte“, „integrierte“, „komplexe“ und „einfache“ Familien. Differenzierte Familien boten ihren Kindern sehr viele Anregungen, aber wenig emotionale Unterstützung. Integrierte Familien hingegen boten emotionale Unterstützung, aber wenig Anreize. Komplexe Familien boten sowohl Anregung als auch Unterstützung, während einfache Familien weder das eine noch das andere zur Verfügung stellten. Im Vergleich zu den anderen Gruppen berichteten die Jugendlichen aus komplexen Familien von einem höheren Grad an Aufmerksamkeit und Zielstrebigkeit und waren nach ihrer Selbsteinschätzung am zufriedensten. Nach Cszikszentmihalyi ist das Untersuchungsergebnis damit zu erklären, dass die Integration der Familie positive Gefühle und einen hohen Energielevel bewirkt, während die Differenzierung der Familie die Bereitschaft erzeugt, sich großen Herausforderungen zu stellen. Nach Meinung von MÜLLER (2000, 112f) ist eine enge Eltern-Kind-Beziehung eine „unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der Jugendliche seine Begabungen entfalten kann und einen erfolgreichen Start ins Erwachsenenleben schafft.“ Allerdings besteht nach HOLLENBACH (1999, 171) ebenso die Gefahr einer zu engen Beziehung, die den Kindern die Chance nimmt, sich selbst zu entwickeln, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und nicht jedes Problem an die Eltern zu delegieren. Deshalb muss im Vorschulalter eine langsame und vorsichtige Ablösung von der Mutter versucht werden, verbunden mit dem Aufbau von vertrauensvollen Außerschulische Fördermöglichkeiten 90 Beziehungen zu anderen Kindern und Erwachsenen (BMBF 2001b, 39). Die sechs sozialen und emotionalen Faktoren von BUTLER-POR (1987, 11ff) spiegeln diese Gratwanderung in der Erziehung wieder. Einerseits sollen die Eltern die Bedürfnisse der Kinder erfüllen, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Andererseits sollen sie die Unabhängigkeit der Kinder fördern und ihnen die Initiative bei der Entdeckung der Umgebung überlassen. Der Erziehungsstil von Eltern, die ihren Kindern Autonomie gewähren, aber dennoch klare Maßstäbe setzen wird als autoritativ bezeichnet (WINNER 1998, 183). Autoritative Eltern vermitteln klare moralische Werte, respektieren aber die Unabhängigkeit ihrer Kinder und tolerieren anfängliche Fehler. Von den Kindern wird erwartet, dass sie eigenständig Entscheidungen treffen und sogar gewisse Risiken eingehen. Studien mit normal begabten Kindern belegen, dass gemessen am Erfolg der Kinder, autoritative Eltern mehr erreichen als autoritäre oder permissive Eltern. In diesem Sinne fordert LANDAU (1990, 78) konkret, den Kindern schon frühzeitig die Verantwortung in der Schule zu überlassen, um sie nicht zu Abhängigkeit und Verantwortungslosigkeit zu erziehen. Kinder wollen ihre Sorgen mit den Eltern sehr oft einfach nur teilen, das heißt sie wollen Mitgefühl und nicht immer Ratschläge und Beschützung. Allein das Gefühl, den Eltern alles erzählen zu können, ohne gleich zurechtgewiesen zu werden, gibt dem Kind Sicherheit und die Kraft, Verantwortung für sein Handeln zu tragen. Dennoch kann es bei der Erziehung hochbegabter Kinder gelegentlich vorkommen, dass man sich als Elternteil überfordert fühlt, insbesondere wenn das Kind sehr vital und aktiv ist, wenig schläft und einen als hauptsächliche Bezugsperson gerade im Vorschulalter fast pausenlos beansprucht. Da bei hochbegabten Kindern die Gefahr „aufgefressen“ zu werden besonders groß ist, sollte man als Elternteil nicht davor zurückschrecken, seine eigenen Bedürfnisse unter anderem nach Ruhe, Lesen und „Privatzeit“ deutlich auszudrücken. Das Kind hat sich an vereinbarte Ruhezeiten zu halten. Es muss beispielsweise auch längere Zeit konzentriert allein spielen können. Im Gegenzug kann man eine Privatzeit für das Kind festlegen. Das können täglich zehn ungestörte Minuten mit einem Elternteil sein, während denen das Kind entscheidet, was gemacht wird. Wichtig ist dabei vor allem die Regelmäßigkeit (BMBF 2001b, 36ff). Darüber hinaus müssen die Eltern darauf achten, dass auch die Geschwister hochbegabter Kinder zu ihrem Recht kommen. Jedes Kind hat Außerschulische Fördermöglichkeiten 91 unterschiedliche Fähigkeiten, die alle gefördert werden sollten (MÜLLER 2000, 113f). WINNER (1998, 175) berichtet jedoch auch von Familien, die außergewöhnlich kindzentriert gelebt haben. Um ihren hochbegabten Kindern die beste Förderung zu ermöglichen, haben Elternteile für ihr Kind den Beruf aufgegeben, sind Eltern umgezogen oder haben zeitweise getrennt gelebt. All das kann von den Eltern jedoch nicht verlangt werden und muss auch nicht unbedingt zur Zufriedenheit der Kinder führen. Nach LANDAU (1990, 80) liegt eine große Gefahr darin, dass die aufgegebenen Wünsche der Eltern auf das Kind projiziert werden und es dadurch unter Druck gesetzt wird. Zudem haben Eltern, die ihr Kind zu Höchstleistungen antreiben, aber selbst nicht hart arbeiten, erheblich weniger Einfluss auf den Erfolg ihrer Kinder als andere Eltern, die hohe Ansprüche an ihre Kinder stellen, aber auch selbst sehr viel leisten. Eltern müssen vorleben, was sie fordern (WINNER 1998, 179). Sie sind ein zentrales Rollenmodell für ihre Kinder. Aus diesem Grund ist es für hochbegabte Kinder wichtig zu erleben, wie Eltern ihre Fähigkeiten einsetzen und anwenden. Als Elternteil sollte man deshalb seine eigenen Interessen pflegen und das Kind daran teilhaben lassen (BMBF 2001b, 39). Neben den hohen Anforderungen, die hochbegabte Kinder an ihre Eltern stellen, haben Eltern auch unter dem Druck von Unverständnis und Fehlzuschreibungen in ihrem Umfeld zu leiden. Wenn Eltern klarer mit den Bedürfnissen ihres Kindes und den Schwierigkeiten im Umfeld umgehen können, dann verleiht dies ihren Kindern auch größere Sicherheit, problematische Bedingungen außerhalb der Familie, zum Beispiel in der Schule, zu akzeptieren (BMBF 2001a, 35ff). Für Eltern ist es deshalb wichtig, sich von der Meinung anderer zu lösen, denn sie kennen die Individualität und damit die Bedürfnisse ihres Kindes und können sie mit am intensivsten fördern (ELBING 2000, 75; LANDAU 1990, 79). Gleichzeitig müssen sie ihren hochbegabten Kindern vermitteln, dass sie lernen müssen, sich in einer Welt zu behaupten und einigermaßen zufrieden zurechtzufinden, die nicht oder nur gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Das bedeutet, konstruktiv mit Einschränkungen des Lernbedürfnisses umzugehen und nicht die Lösung der Schwierigkeiten allein von Institutionen wie der Schule zu erwarten. So sollten Eltern ihr Kind auf den Schulbeginn vorbereiten, indem sie ihm erklären, dass es lernen muss mit seinem Anderssein umzugehen, während die Mitschüler lesen lernen. Ärger des Kindes über die Schule sollte nicht bedingungslos übernommen Außerschulische Fördermöglichkeiten 92 werden. Stattdessen sollte man von dem Kind fordern, sich selbst um die Erfüllung seiner Bedürfnisse zu kümmern, wobei man dem Kind Unterstützung anbieten kann. Beispielsweise kann ein Kind im Rollenspiel mit der Mutter üben, wie es die Lehrerin bittet, etwas anderes tun zu dürfen, wenn es mit seiner Aufgabe schneller fertig ist (ELBING 2000, 77ff). Wenn Eltern sich durch die hohen Anforderungen ihres Kindes und das mit Unverständnis reagierende Umfeld überfordert fühlen, dann können Hochbegabtenverbände und Beratungsstellen Unterstützung anbieten. 5.2 Hochbegabtenverbände Außerhalb der Schule gibt es Hochbegabtenverbände und weitere Einrichtungen, die sich für die Förderung hochbegabter Kinder einsetzen. Zum einen vertreten sie Hochbegabte in der Öffentlichkeit, zum anderen unterstützen sie Eltern durch Beratung und bieten den hochbegabten Kindern Förderangebote. Eltern erkennen zwar sehr häufig besondere Begabungen ihrer Kinder, sind jedoch oft unsicher, aus Angst zu ehrgeizig zu erscheinen oder die Kinder zu überschätzen. Empfehlenswert kann daher eine Klärung der Vermutungen durch eine fachpsychologische Untersuchung und Beratung - am besten vor der Einschulung sein. Neben der Klärung der Begabung können Beratungseinrichtungen Fördermöglichkeiten aufzeigen und Unsicherheiten der Eltern bezüglich der Erziehung ihrer hochbegabten Kinder abbauen. Wie im letzten Kapitel dargestellt, fühlen sich viele Eltern überfordert und sind sich unsicher darüber, ob sie ihr Kind optimal fördern können. Außerdem kann eine Beratung auch dazu beitragen, zwischen Schule und Elternhaus zu vermitteln (BMBF 2001b, 32). Der Ausschuss „Bildungsplanung“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung schreibt in seiner Sitzung am 31. Mai 1990 dazu fest, dass die Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher durch Beratung vorbereitet und begleitet werden soll (HOLLING & KANNING 1999, 76). Schulpsychologische Beratungsstellen können eine erste Anlaufstelle vor Ort sein, haben allerdings nicht immer dafür hinreichend ausgebildete Psychologen. Empfehlenswert sind daher spezielle Beratungsstellen für Hochbegabte. In BadenWürttemberg gibt es zwei derartige Einrichtungen. Die ältere Beratungsstelle befindet sich am Psychologischen Institut der Universität Tübingen und wird von Frau Dr. Aiga Stapf geleitet (HOLLENBACH 1999, 215). Seit kurzem gibt es als Außerschulische Fördermöglichkeiten 93 weitere Einrichtung eine landesweite Test- und Beratungsstelle für hochbegabte Kinder und Jugendliche an der Universität Ulm. Leiter dieser Beratungsstelle ist Prof. Dr. Dr. Ziegler (www.uni-ulm.de/hochbegabung/). Eine Beratung kann Eltern Alternativen im Erziehungsverhalten aufzeigen. Die Möglichkeit, andere Verhaltensweisen auszuprobieren, kann darüber hinaus ein Elterntrainingsprogramm bieten. SASSENRATH (1990, 222f) hat mit dem KölnerEltern-Mentoring ein Trainingsmodell für Eltern hochbegabter Kinder entwickelt, in dem die Eltern als Mentoren ihrer Kinder lernen sollen, ein außerschulisches Enrichment-Projekt durchzuführen. In diesem Kurs erarbeiten sich die Eltern in Form von Rollenspielen und anderen Gruppenarbeitsmethoden folgende Inhalte: Durchführen kreativer Informationsressourcen, Problemlösetechniken, aktives Zuhören, Einbeziehen denkförderndes verschiedenartiger Fragen unter Berücksichtigung der Bloom’schen Lernzieltaxonomie und Einarbeiten in Gray’s Helping Relationship Model des kanadischen „Mentorings“. Das heißt die Eltern probieren unter anderem neue Verhaltensweisen aus und üben diese ein. Das Programm zielt, wie gesagt, jedoch nicht nur darauf ab, das Erziehungsverhalten der Eltern zu ändern, sondern die Eltern zu befähigen, ihren Kindern außerschulische Fördermöglichkeiten in Form eines Projektes zu bieten. Somit erfahren auch die hochbegabten Kinder durch dieses Programm direkte Förderung, zumal die Ergebnisse ihrer Projekte im Rahmen des Kurses vorgestellt werden. Der Nachteil an den elterninitiierten Enrichment-Projekten ist, dass jedes Kind für sich allein zu Hause an einem Projekt arbeitet und dies nicht zu einem Kontakt mit Gleichbefähigten verhilft. Allerdings könnten Eltern ihre Ausbildung zum Mentor auch dazu nutzen, Enrichment-Kurse für hochbegabte Kinder zu organisieren, wie sie auch die Hochbegabtenverbände anbieten. Der älteste und mit über 4.000 Mitgliedern 1998 auch größte Hochbegabtenverband Deutschlands ist die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V. (DGhK). Dieser Verein wurde 1978 nach dem Vorbild der britischen Organisation National Association for Gifted Children (NAGC) von betroffenen Eltern gegründet. Auslöser war der Fall eines hochbegabten Schülers gewesen, der an den Anforderungen der Realschule gescheitert war. Neben Eltern zählten zu den Gründungsmitgliedern auch die Lehrerin Dr. Annette Heinbokel und der Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Wilhelm Wieczerkowski (HOLLING & KANNING 1999, 80; BMBF 2001c, 16f). Außerschulische Fördermöglichkeiten 94 Die DGhK e.V. setzt sich für die Förderung hochbegabter Kinder ein, wobei der Verein keine präzise Definition von Hochbegabung vorgibt. Als hochbegabt gelten Kinder, die eine hohe Motivation bei selbstgesetzten Aufgaben und Originalität und Kreativität bei deren Lösung zeigen. Allgemein bietet die DGhK e.V. folgende Maßnahmen an (nach HOLLING & KANNING 1999, 82ff): - Telefonische Beratung für Eltern hochbegabter Kinder; - Beratung von Lehrern, Erziehern, wie auch Psychologen, Sozialpädagogen und Kinderärzten; - Förderung von Elterngesprächskreisen, Informationstreffen mit Vorträgen und Diskussionsforen im Internet; - Durchführung von Förderkursen für hochbegabte Kinder; - Vertretung der Interessen hochbegabter Kinder gegenüber Schulbehörden; - Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit; - Herausgabe der Vereinszeitschrift „Labyrinth“; - Anregungen zu Arbeiten im Bereich der Hochbegabtenforschung. Abgesehen von den bundesweiten Maßnahmen, wie zum Beispiel der Herausgabe der Vereinszeitschrift und dem Angebot an Internetforen unter www.talentefoerdern.de und www.kubus.home.pages.de, werden jedoch nicht alle der aufgelisteten Maßnahmen vor Ort angeboten, was mit der Struktur des Vereins zusammenhängt (HOLLLING & KANNING 1999, 82f). Die DGhK e.V. ist ein Bundesverein, zu dem 18 Regionalgruppen gehören, die die Arbeit vor Ort durchführen, wie beispielsweise die Organisation von Veranstaltungen für hochbegabte Kinder und die Beratung von Eltern und Lehrern. Bei den Regionalgruppen unterschieden. wird zwischen Regionalvereine Regionalvereinen sind selbstständige und Regionalverbänden Vereine, wohingegen Regionalverbände in ihrer Region zwar weitgehend eigenständig arbeiten, aber vereinsrechtlich durch den Vorstand des Bundesvereins vertreten werden (www.dghk.de). Für das Gebiet von Baden-Württemberg ist der Regionalverband BadenWürttemberg zuständig. Er bietet Ansprechpartner und speziell für Eltern von Kindern im Vorschulalter eine Hotline zur Erstberatung. Die Elterngruppen des Verbands befinden sich allerdings noch im Aufbau. Es besteht jedoch das Angebot einer Kontaktbörse. Darüber hinaus veranstaltet der Verband Informationsabende Außerschulische Fördermöglichkeiten 95 und ein Sommercamp für Hochbegabte im Alter von sieben bis vierzehn Jahren (www.dghk-bw.de). In den 90er Jahren kam es durch den Zuwachs an Mitgliedern in der DGhK e.V. und dem gestiegenen Interesse am Thema Hochbegabung zu Abspaltungen von der DGhK e.V. und zu Neugründungen von Elterninitiativen und Vereinen mit ähnlichen Zielen. Den größten Einfluss unter den Neugründungen übte der bundesweit aktive Verein Hochbegabtenförderung e.V. aus, der mittlerweile ungefähr 1.200 Mitglieder umfasst. Gegründet wurde er Anfang 1994 von der ehemaligen ersten Vorsitzenden der DGhK e.V., Jutta Billhardt, nachdem ihre Auffassungen zu einem geeigneten Förderkonzept für Hochbegabte mit den Auffassungen des DGhK e.V. in Konflikt gerieten. So war das Ziel der Gründung, nachgewiesenermaßen hochbegabte und überdurchschnittlich intelligente Kinder in ihrer Intelligenz- und Persönlichkeitsentwicklung optimal zu fördern. Als Aufnahmekriterium für die Kinder gilt im Gegensatz zur DGhK e.V. ein IQ von mindestens 115. Damit soll zum einen vermieden werden, dass überehrgeizige Eltern ihre Kinder überfordern, und zum anderen, dass die Förderkurse genauso verlaufen wie eine Schulstunde. Daneben unterscheidet sich Hochbegabtenförderung e.V. von der DGhK e.V. auch in der Struktur. Bei der DGhK e.V. werden wichtige Vorhaben basisdemokratisch von den Regionalverbänden mitentschieden, wohingegen Hochbegabtenförderung e.V. ein zentral organisierter Verein ist (BMBF 2001c, 48ff; HOLLING & KANNING 1999, 84ff; BILLHARDT 1996, 203ff). Entsprechend der Satzung strebt Hochbegabtenförderung e.V. folgende Zwecke an (BILLHARDT 1996, 221): - Durchführung des Förderungskonzeptes durch differenzierte Kursangebote; - Betreuung der Eltern und Erziehungsberechtigten durch ausführliche und persönliche Beratungsgespräche; - Intensive Informations- und Aufklärungsarbeit für Pädagogen aller Schultypen sowie schulpsychologische Dienste; - Erzieher- und Lehrerfortbildung in Form von Seminaren, Hospitationen und so weiter; - Umfassende und gezielte Aufklärung der Öffentlichkeit über das Thema Hochbegabung; - Einrichtung von Feriencamps; Außerschulische Fördermöglichkeiten 96 Der Aufgabenschwerpunkt des Vereins liegt dabei auf dem differenzierten Kursangebot für hochbegabte und überdurchschnittlich intelligente Kinder. In Bochum, dem Sitz des Vereins, werden unter anderem Kurse in den Bereichen Informatik, Chinesisch, Recht, Englisch und Biologie sowie ein Mädchen- und ein Jungenclub angeboten. In weiteren deutschen Städten wie Bremen, Flensburg und München gibt es Kurse zu Italienisch, Philosophie oder Technik. Den Kernkurs des Hochbegabtenvereins e.V. bildet jedoch eine eigene „Lehrfirma“ mit einem echten Produkt, das in dieser Form noch nicht auf dem Markt war und das in Behindertenwerkstätten hergestellt wird. Die drei Städte Bochum, Braunschweig und Düsseldorf bieten die Firmenkurse an. Der Kurs in Braunschweig ist zuständig für Herstellung und Vertrieb, die Bochumer Gruppe übernimmt die Werbung und die Düsseldorfer Gruppe betreibt unter der Leitung von Prof. Dr. Clemens Heidack „Management“ (BILLHARDT 1996, 225ff). Nach HOLLING & KANNING (1999, 87) nimmt die Lehrfirma mittlerweile Aufträge richtiger Firmen zur Entwicklung von Webseiten an und verdient damit auch Geld. Unabhängig vom Inhalt ist das Ziel aller Kurse das Erlernen von sozialen Handlungsstrategien, wie zum Beispiel das Austragen von Konflikten durch Diskussionen und Verhandlungen, das Aufbrechen der Isolation vieler Hochbegabter und der Erwerb von Lernstrategien sowie eigenes Handeln und das Erkennen eigener Stärken und Schwächen. Um diese Ziele zu erreichen, finden die Kurse vorwiegend in Form von Projektunterricht statt. Geleitet werden sie von hochbegabten Erwachsenen, die oftmals Mitglied im Verein Mensa (siehe unten) sind. Die Kursleiter müssen dabei einem bestimmten Anforderungsprofil genügen, da nach Meinung der Gründerin des Vereins der Unterricht hochbegabter Kinder und Jugendlicher ganz besondere Anforderungen an die fachliche und persönliche Qualifikation der Kursleiter stellt. Die Kursleiter erhalten für ihre Tätigkeit jedoch auch ein Honorar. Um qualifizierte Hochbegabtenförderung zu leisten ist nach Meinung des Vorstandes ein gut ausgebildeter Stamm von Mitarbeitern notwendig, die auch bezahlt werden müssen. Finanziert wird das Konzept durch Spenden in Form von Geld- und Sachmitteln aus der Wirtschaft, Verwaltung und Politik wie auch von Privatpersonen (BILLHARDT 1996, 223ff). Zudem ist für die einzelnen Kurse eine Gebühr von 78 € pro Monat, das heißt für zweimal viereinviertel Stunden zu 45 Minuten, zu entrichten. Bei Kindern aus einkommensschwachen Familien können Kurse auch durch das Jugendamt oder private Sponsoren finanziert werden. Außerschulische Fördermöglichkeiten 97 In Baden-Württemberg werden zur Zeit allerdings noch keine Kurse von Hochbegabtenförderung e.V. angeboten. Der Verein strebt jedoch ein flächendeckendes Angebot von Förderkursen in der Bundesrepublik an (www.hbf-ev.de). Neben Hochbegabtenförderung e.V. sind in den 90er Jahren noch weitere Vereine entstanden, die jedoch nur regional Einfluss haben. Dazu zählen der aus einer Elterninitiative in Münster hervorgegangene Verein Esca Mentis, ebenso wie Synapse e.V. mit Sitz in Kassel und Vulkan e.V. in Ostfriesland. In BadenWürttemberg kam es 1998 zur Abspaltung des Regionalverbandes von der DGhK e.V. und der Gründung des Landesverbandes Hochbegabung (BMBF 2001c, 49). Der Landesverband Hochbegabung bietet ähnlich wie der jetzige Regionalverband Baden-Württemberg der DGhK e.V. ein Beratungstelefon, Elterngruppen und Einzelveranstaltungen. Mit 15 regionalen Elterngruppen ermöglicht er jedoch ein flächendeckenderes Netz. Die Regelmäßigkeit, mit der diese Elterngruppen Elternabende oder andere Veranstaltungen anbieten, hängt dabei von den einzelnen Gruppen ab. Der gesamte Verband organisiert zudem Einzelveranstaltungen, wie Familienwochenenden und Aktivitäten für die hochbegabten Kinder und Jugendlichen. Dazu zählen Seminare für Schüler, unter anderem zu dem Thema Berufsfindung, wie auch ein Mathecamp für 50 Teilnehmer im Alter von acht bis zwölf Jahren. Darüber hinaus ist der Verband in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv und hat sich beispielsweise gegen die Errichtung eines privaten Internats für hochbegabte Schüler in Baden-Württemberg eingesetzt (www.lvh-bw.de). Bereits 1995 war in Stuttgart ein lokal tätiger Verein gegründet worden, die Initiative zur Förderung hochbegabter Kinder e.V.. Laut der Präambel des Vereins steht im Mittelpunkt „die Unterstützung von Talent und harmonischer Persönlichkeitsentwicklung hochbegabter Kinder.“ Der Verein verfolgt dabei folgende Aufgaben: - Gegenseitige Hilfe bei Problemen mit Erziehung, Schule und Umwelt. - Gruppenerlebnisse unter Gleichgesinnten, Meisterung schwieriger Themen im Miteinander. - Konkrete Unterstützung der Eltern durch Weitergabe von Informationen über private und staatliche Hilfsangebote. Für die hochbegabten Kinder gibt der Verein unter anderem eine Zeitung heraus und bietet auf seiner Homepage einen Kummerkasten über E-Mail an (BMBF 2001c, 49; www.hbkinder.org). Außerschulische Fördermöglichkeiten Ebenfalls aus der DGhK e.V. 98 ist die William-Stern-Gesellschaft für Begabungsforschung und Begabtenförderung e.V. hervorgegangen. Sie wurde 1985 von dem ehemaligen zweiten Vorsitzenden und Mitbegründer der DGhK e.V., Wilhelm Wieczerkowski, gegründet (BMBF 2001c, 48). Die Aufgaben des Vereins, der eng mit der Universität Hamburg kooperiert, erstrecken sich auf folgende Bereiche: - Die Beratung von Eltern begabter und talentierter Kinder wie auch von Lehrern und in der Erziehungsberatung tätigen Psychologen; - Anregungen zu Arbeiten im Bereich der Begabungsforschung durch ideelle und materielle Unterstützung; - Erprobung von Förderungsmodellen mit wissenschaftlicher Evaluation; - Periodische Berichterstattung über Ereignisse der Begabungsforschung und Begabtenförderung sowie Anregung und Unterstützung von einschlägigen Publikationen; - Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit; - Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen. Neu war der Versuch, durch eine Gesellschaft in freier Trägerschaft, die jedoch eng mit der Universität kooperiert, Praxis und Forschung miteinander zu verbinden, das heißt „die wissenschaftliche Bearbeitung psychologischer und pädagogischer Fragestellungen im Rahmen praktischer Maßnahmen zur Diagnostik, Beratung und Förderung von besonders begabten Kindern und Jugendlichen zu betreiben“. Die Kooperation mit einer Hochschule bringt wegen der dort verfügbaren materiellen und personellen Ressourcen für den Verein erhebliche Vorteile mit sich. Außerdem steigert ein universitätsgestütztes Programm die Attraktivität für Schüler und deren Eltern. An Kursprogrammen, die von Elternvereinigungen angeboten werden, wird kritisiert, dass sie von vielen, oft zufälligen Einflüssen abhängig sind, wie zum Beispiel der Zahl der teilnahmebereiten und interessierten Kinder einer bestimmten Altersgruppe, der Verfügbarkeit eines qualifizierten Kursleiters oder der Verfügbarkeit von Fachräumen, speziellen Geräten, Material und ähnlichem. Zudem sind die Kurse ganz überwiegend von begrenzter Dauer. Die William-SternGesellschaft hingegen ist Träger von regelmäßig stattfindenden Kursen, die die systematische Erarbeitung eines Fachgebietes ermöglichen. Diese Kurse des Projektes „Talentsuche Mathematik“ stellen die Übertragung des amerikanischen Akzelerationsprogramms „Study of Mathematically Precocious Youth (SMPY)“ Außerschulische Fördermöglichkeiten 99 (siehe Kapitel 4.2.1) in ein auf deutsche Verhältnisse zurechtgeschnittenes Enrichmentprogramm dar. Die Schüler arbeiten dabei in kleinen Gruppen an wöchentlich wechselnden anspruchsvollen mathematischen Problemen, wobei kein Schulstoff vorweg genommen wird, sondern andere Stoffbereiche, zum Beispiel Kombinatorik oder Strategiespiele, behandelt werden. Der Kurs findet etwa 25-mal pro Jahr jeweils samstags Vormittags von 9-12.30 Uhr in den Räumen der Universität Hamburg statt. Hinzu kommt einmal jährlich ein einwöchiger Ferienaufenthalt in einem Schullandheim, um die Kontakte zwischen den Schülern weiter zu fördern. Entsprechend dem Kurs in Mathematik gibt es auch einen Kurs zur Talentförderung im sprachlichen Bereich, speziell im literarischen Schreiben. In dem Schreibkurs werden auch Literatur vorgestellt, Sprachspiele durchgeführt und mitgebrachte eigene Texte diskutiert (WAGNER 1987, 67ff; siehe auch www.rrz.uni-hamburg.de/psych-2/EP/begabung/wilstern.html). Ein großer Verein zum Thema Hochbegabung, der nicht nur national tätig ist, ist Mensa. 1946 wurde die Organisation in Oxford gegründet, 1979 kam der mit ungefähr 2.200 Mitgliedern mittlerweile drittgrößte Regionalverband Mensa in Deutschland (MinD) hinzu. Ziel der Vereinigung ist laut internationaler Satzung „menschliche Intelligenz zum Nutzen der Menschheit festzustellen, zu pflegen und Untersuchungen über Natur, Charakteristik und Nutzung der Intelligenz zu fördern“. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist ein Intelligenzquotient von mindestens 130. Der dazu notwendige Intelligenztest kann entweder in Form eines Einzeltests bei einem Diplompsychologen oder in Form eines Gruppentests bei Mensa selbst abgelegt werden. Der Verein erscheint als lockerer Zusammenschluss hochbegabter Menschen. So steht in der internationalen Satzung, dass Mensa selbst keine Meinung hat. Zudem gibt es keine fest organisierten Lokalverbände. Der Verein ist somit stark davon abhängig, was die augenblicklichen Mitglieder aus ihm machen. Eine verbreitete Maßnahme ist der Zusammenschluss von Mensa-Mitgliedern zu Hobbygruppen, sogenannten „Special Interest Groups“ (SIGs). Eine Special Interest Group kann zu jedem Interessensgebiet gegründet werden, das legal und verträglich mit den Zielen und der Unabhängigkeit von Mensa ist, das bedeutet eine SIG darf beispielsweise nicht als politische Initiative tätig werden und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Regionale SIGs, wie zum Beispiel SIG Mund Freud, bestehen aus Treffen mit einem gemeinsamen Ritual, in diesem Fall einem gemeinsamen Essen. Das Internet bietet darüber hinaus die Möglichkeit, sich weltweit zu SIGs Außerschulische Fördermöglichkeiten 100 zusammenzuschließen. Diese internationalen SIGs sammeln meistens Informationen über ihr Interessengebiet und veröffentlichen sie in einem Rundbrief, den alle SIGMitglieder erhalten. Beispiele für solche SIGs sind die AstroSIG – eine Interessengruppe zum Thema Astronomie, die SIGread – eine Interessengruppe zum Thema Literatur und die Gay & Lesbian SIG – eine Interessengruppe für homosexuelle Mensa-Mitglieder. Mensa International organisiert zudem das sogenannte SIGHT-Programm. Die Teilnahme an diesem Programm bietet MensaMitgliedern die Möglichkeit, in fremden Ländern als Gast kostenlos von anderen Mensa-Mitgliedern aufgenommen zu werden, wenn sie im Gegenzug ausländische Mitglieder aufnehmen, die nach Deutschland kommen. Außerdem setzt sich Mensa für die Heilung von verletzten und kranken Kindern aus Krisengebieten ein (HOLLING &KANNING 1999, 89ff). Mitglieder von Mensa in Deutschland e.V. organisieren überregionale Veranstaltungen wie auch Treffen auf lokaler Ebene. So finden in einer Reihe von Städten regelmäßig, das heißt alle zwei Wochen bis einmal vierteljährlich, Stammtische für Mitglieder statt. In einigen Städten werden zusätzlich noch regelmäßig spezielle Veranstaltungen wie Spieletreffen oder ein Kulturprogramm angeboten. In Mannheim/Heidelberg gibt es beispielsweise einmal im Monat einen Stammtisch, in Karlsruhe gibt es zusätzlich noch einen monatlichen Spieleabend und in Stuttgart wird neben dem monatlichen Stammtisch ein Kulturprogramm angeboten. An überregionalen Veranstaltungen gibt es beispielsweise das Young Mensa Treffen für Kinder und Jugendliche bis ungefähr 16 Jahre. Das heißt an Wochenenden beziehungsweise in den Schulferien werden mit Betreuern mehrtägige Fahrten an wechselnde Orte unternommen (www.mensa.de, HOLLING & KANNING 1999, 90). Mensa war ursprünglich zwar ein Zusammenschluss hochbegabter Erwachsener, es gibt mittlerweile jedoch auch Gruppen für Kinder und Jugendliche. Mensa Kids für Kinder bis 12 Jahre bietet Museumsbesuche, Spielenachmittage und Workshops an. Für Jugendliche von 13 bis 18 Jahren bietet Mensa in Deutschland e.V. jährlich Camps mit verschiedenen Projekten, zum Beispiel der Erstellung einer Homepage, und Freizeitaktivitäten an (www.mensa-kids.de). Mensa setzt sich somit auch für die Förderung hochbegabter Kinder ein. Neben den Hochbegabtenverbänden gibt es weitere Einrichtungen, die zwar keine Beratung durchführen, aber außerschulische Fördermöglichkeiten anbieten. Ein Außerschulische Fördermöglichkeiten 101 offenes Angebot, das heißt nicht auf Hochbegabte beschränkt, machen Vereine, wie zum Beispiel Schachclubs, oder Volkshochschulen. Bei diesen offenen Angeboten mag es von den einzelnen Kursen abhängen, wie gut oder wenig geeignet sie für hochbegabte Kinder sind. Zu den Einrichtungen, die spezielle Förderangebote für hochbegabte Kinder machen, zählt der Studienkreis, ursprünglich eine Organisation für Nachhilfekurse. Seit 1993 besteht das Angebot für hochbegabte Kinder. In der Anfangszeit wurde ein Intelligenztest für die Teilnahme an Kursen vorausgesetzt. Diese Regelung ist jedoch mittlerweile abgeschafft worden, um auch hochmotivierten Kindern und Kindern mit speziellen Begabungen die Teilnahme zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Hochbegabtenförderung e.V. müssen die Kursleiter selbst keine Hochbegabten sein, sondern sollen neben einem soliden Fachwissen vor allem über Phantasie und Flexibilität verfügen. Die Kurse sind fächerübergreifend angelegt, wobei die Kursinhalte nicht den Schulstoff vorwegnehmen (HOLLENBACH 1999, 205f). Angeboten werden unter anderem folgende Themen: - Verschiedene Programmiersprachen - Weitere Projekte aus dem EDV-Bereich - „exotische“ Sprachen wie Japanisch, Chinesisch oder Hebräisch - spezielle Themen aus der Mathematik - ausgewählte philosophische Fragen - Naturerkundungen - Experimente aus der Welt der Chemie und Physik - Theater- und Kunstworkshops Die Themenpalette wird ständig ergänzt. Der Projektunterricht läuft in kleinen Gruppen – zwischen vier und neun Kinder – und findet an Nachmittagen oder samstags statt. Eine Unterrichtseinheit dauert je nach Thema zwischen einer und drei Stunden (www.studienkreis.de). Für die Kurse ist allerdings eine Gebühr zu entrichten. Nach HOLLENBACH (1999, 206) kostete ein 90-minütiger Kurs 160 DM pro Monat, wobei ein wesentlicher Zweck dieser Kurse sei, dass die Kinder neue Freundschaften www.studienkreis.de schließen zur Zeit können. nur neun Hinzu kommt, dass dieser Einrichtungen es laut gibt, die Hochbegabtenförderung anbieten, davon keine in Baden-Württemberg. Eine weitere Form der Förderung besteht in universitären Sommercamps wie sie Professor Karl-J. Kluge veranstaltet. Sie richten sich nicht ausschließlich an hochbegabte Kinder und Jugendliche, sondern auch an hochmotivierte Außerschulische Fördermöglichkeiten 102 (HOLLENBACH 1999, 216). Da in dieser Arbeit die direkten Förderkonzepte gegenüber der Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund standen, werde ich nicht näher auf Stiftungen, wie die Karg-Stiftung, eingehen, die mit finanziellen Mitteln Hochbegabtenverbände und Bildungseinrichtungen für Hochbegabte unterstützen (REHMANN 1999, 71f). Ebenso war primäres Ziel dieser Arbeit die Analyse der Fördermöglichkeiten während der Schulzeit, so dass Stiftungen, die Studenten fördern, nicht mehr mit einbezogen wurden. Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 103 6 Konsequenzen für die Erziehungsarbeit Ausgangspunkt des Kapitels über außerschulische Fördermöglichkeiten war die Feststellung, dass es zwar eine Reihe schulischer Fördermöglichkeiten gibt, laut einer Umfrage unter Eltern von 4.-Klässlern diese jedoch Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung Maßnahmen der inneren wie auch der äußeren Differenzierung vorziehen. Somit stellt sich die Frage, ob außerschulische Enrichmentmaßnahmen, die von Eltern oder Verbänden organisiert werden ausreichend sind oder ob die Schule adäquatere Fördermöglichkeiten anbieten kann. Das Kapitel über schulische Fördermöglichkeiten hat bereits gezeigt, dass Maßnahmen des Enrichment wie auch der Akzeleration sinnvoll sind und diese sich gegenseitig ergänzen können. Letztere Maßnahme kann – soll sie ein schnelleres Durchlaufen der Schule bewirken – nur von dieser durchgeführt werden. Maßnahmen des Enrichment, wie Kurse oder Seminare, können hingegen auch von außerschulischen Einrichtungen durchgeführt werden. An Kursprogrammen, die von Elternvereinigungen angeboten werden, kritisiert WAGNER (1987, 67ff), dass sie von vielen, oft zufälligen Einflüssen abhängen, wie zum Beispiel der Zahl der teilnahmebereiten und interessierten Kinder einer bestimmten Altersgruppe, der Verfügbarkeit eines qualifizierten Kursleiters oder der Verfügbarkeit von Fachräumen, speziellen Geräten, Material und ähnlichem. Zudem sind die Kurse ganz überwiegend von begrenzter Dauer. Diese Kritik richtet sich in erster Linie an den ältesten Hochbegabtenverband Deutschlands, die DGhK e.V., dessen Angebot von den einzelnen Regionalgruppen abhängig ist. Auch in anderen Elternvereinigungen ist das Angebot oft vom Zufall und insbesondere vom Engagement der jeweils aktiven Mitglieder abhängig. Für die hochbegabten Kinder und Jugendlichen werden eher Seminare als längerfristige Kurse organisiert. Längerfristige Enrichmentangebote sind jedoch erfolgsträchtiger. Kurse von Elternvereinigungen sind dennoch sinnvoll, um gleichaltrige Gleichbefähigte kennen zu lernen. Es gibt jedoch auch einige außerschulische Einrichtungen, die ein festes Angebot an regelmäßig stattfindenden Kursen aufweisen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich nicht ausschließlich über Mitgliedsbeiträge finanzieren, sondern mit weiteren Einrichtungen zusammenarbeiten oder Kursgebühren verlangen. Der Studienkreis, beispielsweise, finanziert sich als kommerzieller Träger über die Kursgebühren, Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 104 Hochbegabtenförderung e.V. verlangt Kursgebühren und arbeitet mit Sponsoren aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik wie auch Privatpersonen zusammen und das Angebot der William-Stern-Gesellschaft basiert auf der Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg. Ein gutes Programm an Förderkursen lässt sich demzufolge nicht ausschließlich über Mitgliedsbeiträge finanzieren. Es sollte dennoch ein kostenfreies oder zumindest kostengünstiges Angebot an Förderkursen für hochbegabte Kinder bestehen, und die Kurse sollten nicht ausschließlich in der Hand kommerzieller Anbieter liegen. Ebenso wenig sollte eine zu große Abhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen entstehen. Eine Zusammenarbeit mit Universitäten erscheint hingegen begrüßenswert, da die praktische Hochbegabtenförderung noch nicht durch eine theoretische Grundlage gesichert ist und so gleichzeitig die Forschung vorangetrieben werden könnte. Ebenso erscheint eine Zusammenarbeit mit Pädagogischen Hochschulen möglich. Zu bedenken ist noch, dass ein bundesweit flächendeckendes Netz an Kursen gesichert sein sollte. Weder Hochbegabtenförderung e.V. noch der Studienkreis machen allerdings Angebote für Baden-Württemberg, und die William-SternGesellschaft ist sowieso nur regional in Hamburg tätig. Es mag allerdings auch der Fall sein, dass in Baden-Württemberg aufgrund der bestehenden Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler keine große Nachfrage nach außerschulischen Kursen besteht. Die Arbeitsgemeinschaften stoßen auf viel positive Resonanz und stellen ein nachahmenswertes Konzept für andere Bundesländer dar. Schulen können zumindest landesweit leichter als außerschulische Organisationen ein flächendeckendes Netz an Förderkursen bieten. Elternvereinigungen können ein entsprechendes Angebot nicht leisten. Der Staat beziehungsweise die Bundesländer sollten sich deshalb der Aufgabe annehmen, in den Schulen Maßnahmen der Akzeleration wie auch des Enrichment zu fördern und diese Aufgabe nicht den Eltern überlassen. Die Wissensvermittlung ist nicht Aufgabe der Eltern, sondern fällt nach LANDAU (1990, 81) in den Zuständigkeitsbereich der Schule. Nach SASSENRATH (1990, 41ff) erwarten die Kinder von ihren Eltern auch keine fachlichen Tipps und Informationen. Die Aufgabe der Eltern bezieht sich in erster Linie auf die psychologische Unterstützung. Das Wichtigste für ein Kind ist, ihm zu zeigen, dass man es, so wie es ist, liebt. Das bedeutet, für ein Kind da zu sein und ihm Trost, Lob und Ermutigung zu spenden wie auch konstruktive Kritik zu üben. Dadurch gewinnt Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 105 ein Kind an Vertrauen und Sicherheit. Dennoch sollten die Zuständigkeitsbereiche nicht so strikt getrennt sein, dass Eltern ausschließlich für die emotionale Entwicklung ihrer Kinder da sind und die Schule für die geistige Entwicklung. Genauso wie es in der Schule auch affektive Lernziele gibt, sind die Eltern an der geistigen Entwicklung ihrer Kinder beteiligt, zumal sie meistens besser als die Lehrer die Bedürfnisse ihrer Kinder kennen. Optimal für die kindliche Entwicklung sind somit komplexe Familien, die ihren Kindern sowohl psychologische Unterstützung wie auch geistige Anregungen bieten. Geistige Anregungen erhalten Kinder in erster Linie durch Gespräche mit Erwachsenen, aber auch durch Bücher, Computer und den Zugang zu weiteren Medien. Als Informationsquelle können zudem Ausflüge und Reisen dienen. Darüber hinaus stellen Spielzeug und ausgediente Haushaltsgegenstände geistige Anregungen dar. Wichtig ist zudem, dass die Eltern trotz aktiver Unterstützung der Kinder deren Eigenständigkeit respektieren. Diese Forderung erfüllt ein autoritativer Erziehungsstil, bei dem trotz Respekt vor der Autonomie des Kindes klare Maßstäbe gesetzt werden. Um darüber hinaus die Selbstständigkeit der Kinder zu fördern, sollten Eltern von ihren Kindern erwarten, dass diese eigenständig Entscheidungen treffen und sogar gewisse Risiken eingehen. So sollte die Verantwortung für die Schule frühzeitig den Kindern überlassen werden. Ebenso sollten die Kinder zum eigenhändigen Gebrauch von Informationsquellen und selbstständigem Lernen angeleitet werden. In vielen Punkten unterscheidet sich die Erziehung hochbegabter Kinder nicht von der Erziehung normalbegabter, die ebenso psychologische Unterstützung benötigen und denen auch ein autoritativer Erziehungsstil entgegenkommt. Durch ihre Vitalität und akzelerierte geistige Entwicklung stellen Hochbegabte jedoch besondere Anforderungen an die Erziehung. Zum einen müssen Eltern sich klar abgrenzen, um nicht überfordert zu werden. Zum anderen müssen sie auf altersunübliche Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Kinder eingehen, was oftmals zu Unverständnis und Fehlzuschreibungen in ihrem Umfeld führt. In diesem Fall kann eine Beratung wie auch der Austausch innerhalb einer Elterngruppe dazu beitragen, klarer mit den Bedürfnissen des Kindes und den Schwierigkeiten im Umfeld umgehen zu können. Bei einer Elterngruppe besteht eventuell die Gefahr, dass sie nicht so neutral ist wie eine Beratungsstelle. Sie hilft den Eltern jedoch aus ihrer Isolation und somit, sich von den gegenteiligen Meinungen ihres Umfeldes zu lösen. Durch die Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 106 Sicherheit, die die Eltern durch Beratung und Austausch mit anderen betroffenen Eltern gewinnen, können sie besser mit den Schwierigkeiten in ihrem Umfeld umgehen. Hochbegabte Kinder sollen zwar so gut wie möglich gefördert werden, es ist jedoch normal, dass in ihrem Umfeld Schwierigkeiten auftreten und die Bedingungen, auf die sie treffen, im besten Fall nahezu ideal sind. Es wäre weltfremd, von idealen Bedingungen auszugehen, zumal Hochbegabung nicht die einzige Schwierigkeit ist, mit der die Schulen konfrontiert werden. Gewalt, das AufmerksamkeitsdefizitSyndrom wie auch die Lese-Rechtschreib-Schwäche gehören zum Schulalltag. Hochbegabte müssen, wie ELBING (2000, 77ff) es fordert, deshalb auch lernen, sich in einer Welt zu behaupten und einigermaßen zurechtzufinden, die nicht oder nur gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Spezielle Hochbegabtenschulen mit nahezu idealen Förderbedingungen können diesen Lernschritt verhindern und möglicherweise zu Problemen beim Übergang in das Berufsleben führen. Aus diesem Grund sollten, meiner Meinung nach, hochbegabte Kinder so weit wie möglich in Regelschulen integriert werden und wenn Separation nötig ist, Sonderklassen den Vorzug vor Sonderschulen erhalten. Wie in der Schule können auch im Elternhaus die Fördermöglichkeiten eingeschränkt sein. Eltern, die mehrere Kinder haben, können und sollen ihre gesamte Aufmerksamkeit nicht ausschließlich dem hochbegabten Kind schenken. Außerdem können auch die finanziellen Mittel der Eltern begrenzt sein. Nach WINNER (1998, 173) kann sich die Begabung auch in diesem Fall entfalten, solange die Eltern Bildung als einen hohen Wert betrachten. Ausschlaggebend für die Förderung hochbegabter Kinder ist demzufolge vor allem ein begabungsfreundliches Klima im Elternhaus, wie auch in der Schule. Durch Untersuchungen kann nicht belegt werden, ob Familie oder Schule einen größeren Einfluss auf die Förderung hochbegabter Kinder haben. Es gibt Eltern, die ihre Kinder erziehen wie auch selbst unterrichten. In Deutschland ist das allerdings nur in Ausnahmefällen zulässig. Es gibt aber Eltern, die ihre Kinder durch ein vielfältiges außerschulisches Programm fördern. Ebenso gibt es Hochbegabtenschulen mit Internaten, die psychologische Unterstützung bieten. Optimal sind aus meiner Sicht nicht diese Extremfälle, sondern die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule. Voraussetzung dafür ist, dass die Eltern die Lehrer als Experten für die Wissensvermittlung anerkennen, wie auch die Lehrer die Eltern als Experten für das Kind respektieren. In der Realität bereitet die Zusammenarbeit dennoch oft Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 107 Probleme. Deshalb sollten zum einen die Themen Hochbegabung und Elternarbeit in der Lehrerausbildung stärker thematisiert werden. Zum anderen sollte die Möglichkeit bestehen, eine Beratungsstelle als Vermittlungsinstanz einzuschalten. Wie bei HOLLENBACH (1999, 211) beschrieben, sieht die Beratungsstelle in Eltern wie auch Lehrern Experten, zeigt jedoch auf, wie man miteinander kooperiert und welche Fördermaßnahmen möglich sind. Sie sollte somit Ansprechpartner für Eltern und für Lehrer sein. Die Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und Beratungsstelle stellt den Idealfall dar. Dazu bedarf es in den Beratungsstellen bezüglich Hochbegabung ausreichend ausgebildeter Psychologen. Das bedeutet nicht, dass in den schulpsychologischen Beratungsstellen vor Ort überall Spezialisten sitzen müssen, aber die dortigen Psychologen müssen zumindest hochbegabte Kinder erkennen, um sie dann an spezielle Beratungsstellen weiterleiten zu können. Im Kapitel 4.6 wurde bereits festgestellt, dass es eine Reihe schulischer Fördermöglichkeiten gibt, die alle mehr oder weniger ihre Berechtigung haben. Hinzu kommen noch einige außerschulische Angebote. Ein großes Spektrum an Fördermaßnahmen ist sinnvoll, da nicht jede Maßnahme für jeden Begabten geeignet ist. Grundsätzlich sollten die Maßnahmen möglichst offen sein. Kurse für hochbegabte Kinder sollten auch hochmotivierten Kindern und Kindern mit speziellen Begabungen zugänglich sein, wie zum Beispiel beim Studienkreis oder den Arbeitsgemeinschaften für besonders befähigte Schüler. Dennoch fehlt es an Förderprogrammen für bestimmte Gruppen hochbegabter Kinder und Jugendlicher. So fehlen Angebote für jüngere Kinder. Im Grundschulbereich wurden zwar Maßnahmen der Akzeleration erleichtert, Enrichmentangebote müssen jedoch noch ausgebaut werden. Eventuell wäre hier an eine Zusammenarbeit der Grundschulen mit der Unterstufe der Gymnasien zu denken. Angebote im Vorschulbereich hingegen sind äußerst rar. Ein Ausbau ist wünschenswert, um die Eltern der Kinder zu entlasten. Eine mögliche Umsetzung stellen Kinder- und Jugendakademien dar, die Gruppen für Grundschulkinder anbieten und in manche Programme sogar Vorschulkinder zulassen. Die frühzeitige Förderung ist insbesondere bei hochbegabten Mädchen notwendig. Darüber hinaus fehlt es an speziellen Enrichmentprogrammen für Mädchen. In diesen Kursen sollten nicht einfach nur Mädchen separiert werden, sondern die Themen auch auf die Interessenschwerpunkte der Mädchen zugeschnitten sein. Um Underachiever gezielt fördern zu können, ist zuerst einmal die genauere Erforschung der Ursachen von Underachievement notwendig. Konsequenzen für die Erziehungsarbeit 108 Generell sollten Eltern und Lehrer ermutigt werden, auch unkonventionelle Wege der Förderung einzuschlagen. Schlichte-Hiersemenzel (BMBF 2001a, 46) ermutigt die Lehrer, „sich herausfordern zu lassen zu mehr Kreativität in der Unterrichtsgestaltung und dazu, die schulrechtlich gegebenen Möglichkeiten zu nutzen, Wege auch einmal quer zum Üblichen zu beschreiten, um unüblich begabte Kinder zu fördern.“ Ebenso sollten, meiner Meinung nach, Eltern nicht die gängigen Förderkonzepte von der Schule erwarten, sondern im Zweifelsfall selbst aktiv werden. Eltern und Lehrer sollten sich dabei bewusst sein, dass die Struktur einer Fördermaßnahme nicht das einzig Entscheidende ist, sondern auch die Persönlichkeit des Lehrers oder Mentors auf das Kind wirkt. Eltern wie auch Lehrer oder Mentoren erfüllen eine Vorbildfunktion für das Kind, die Einfluss auf das Verhalten des Kindes hat. Gerade hochbegabte Kinder brauchen eine vertraute Beziehung zu einem Mentor. Das kann ein Elternteil, ein Lehrer oder ein anderer Erwachsener sein. Abschließend ist zu bedenken, dass die Wahl der Fördermaßnahmen und die Bewertung dieser von der Zielvorgabe abhängig ist. Erwarte ich von einem Hochbegabten, dass er aufgrund der Fördermaßnahmen Höchstleistungen bringt und bewerte die Fördermaßnahmen als erfolglos, wenn der- oder diejenige durch seine Leistungen nicht bekannt wurde? Oder bewerte ich die Fördermaßnahme als erfolgreich, wenn sich der oder die Hochbegabte in die Gesellschaft integriert und Lebenstüchtigkeit beweist? Es ist meiner Ansicht nach vermessen, von einem Hochbegabten aufgrund seiner Förderung bahnbrechende Entdeckungen oder Erfindungen zu erwarten. Dazu gehören noch weitere Fähigkeiten und Umstände – nicht zuletzt auch das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein. Dennoch sollten von Hochbegabten auch Leistungen erwartet werden - nicht zuletzt auch zum Nutzen der ganzen Gesellschaft. Im Mittelpunkt der Förderung steht jedoch das Kind mit seinen Bedürfnissen und nicht politische Gesichtspunkte. Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick 109 7 Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick Am Anfang dieser Arbeit stand die Frage nach den vorhandenen und geeignetesten Fördermöglichkeiten für hochbegabte Kinder. Dazu wurde als erstes der Versuch einer definitorischen Klärung des Phänomens Hochbegabung unternommen. Deutlich wurde dabei, dass in der Forschung weder Einverständnis über die Definition noch über die Bezeichnung „hochbegabt“ besteht. Der Begriff Hochbegabung wurde jedoch von den Begriffen Talent wie auch Leistung abgegrenzt. Uneinigkeit besteht bei dem Phänomen Hochbegabung auch in Bezug auf die Anlage-Umwelt-Debatte, was jedoch keinen Einfluss auf die Notwendigkeit von Förderung hat. Im anschließenden Kapitel wurde deutlich, dass kognitive Hochbegabung kein einheitliches Phänomen ist - unabhängig davon, ob man von einem generellen Intelligenzfaktor oder einem multifaktoriellen Intelligenzmodell ausgeht. Es gibt zwar universell hochbegabte Kinder, üblich sind jedoch unterschiedliche Fähigkeitsprofile, wie sie auch der Hamburg-Wechsler- Intelligenztest für Kinder ermittelt. Im intellektuellen Begabungsbereich können nach Gardner die linguistische, die logisch-mathematische und die räumliche Intelligenz unterschieden werden. Da theoretische Konstrukte keine Vorstellung von dem Wesen eines hochbegabten Kindes vermitteln und mögliche daraus resultierende Probleme aufzeigen, wurde im folgenden Kapitel auf die Merkmale hochbegabter Kinder anhand von Checklisten und der Phänomenologie von Dabrowski eingegangen. Obwohl es keine hochbegabte Persönlichkeit gibt, gibt es doch einige Eigenschaften, die in der Literatur gehäuft genannt werden. Dazu zählt der ausgeprägte Wissensdurst, der sich in extrem vielen Fragen äußert wie auch der Aktivitätsdrang oder die Bevorzugung unabhängigen Arbeitens. Zudem durchlaufen hochbegabte Kinder Entwicklungsstadien früher und schneller oder überspringen sie sogar. Zum Problem kann für hochbegabte Kinder die Asynchronie von kognitiver und emotional-sozialer Entwicklung werden. Im Spannungsfeld zwischen dem hochbegabten Kind und seiner sozialen Umgebung entstehen weitere Probleme. So kann das Unterdrücken der Hochbegabung, um dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu folgen, zu Depressivität, Aggressivität und psychosomatischen Symptomen führen. Das größte Problem machen jedoch Lernund Leistungsstörungen aus. Um größere Probleme zu vermeiden, sollte eine langjährige Unterforderung in der Schule in Form einer Spirale der Enttäuschungen Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick vermieden werden. Besonderer Beachtung 110 bei der Förderung bedürfen Risikogruppen, bei denen die Gefahr groß ist, zu Underachievern zu werden. Unter anderem aufgrund ihres geringen Selbstvertrauens und ihrem starken Anpassungsbedürfnis bilden die Mädchen die größte der Risikogruppen. Nachdem die Notwendigkeit der Förderung hochbegabter Kinder erörtert wurde und innere Differenzierung als unzureichende Maßnahme wie auch unpraktikable Forderung eingeschätzt wurde, folgte eine Analyse der schulischen Fördermöglichkeiten der äußeren Differenzierung. Unterteilt nach Akzeleration, Enrichment, Separation und unkonventionellen Fördermöglichkeiten wurden die theoretischen Konstrukte mit möglichen Förderformen und deren Umsetzung ausgehend von Baden-Württemberg dargestellt. Dabei wurde deutlich, dass die Praxis der Hochbegabtenförderung ihrer theoretischen Grundlegung weit voraus ist. Insgesamt zeigte sich, dass es eine Reihe verschiedener Fördermöglichkeiten gibt und die verschiedenen Konzepte Akzeleration, Enrichment und Separation alle ihre Berechtigung haben, da nicht jede Maßnahme für jeden Begabten geeignet ist. Underachiever im Allgemeinen und die Risikogruppe der Mädchen im Besonderen erfahren jedoch noch nicht ausreichender Förderung, ebenso sind die Enrichmentangebote im Grundschulbereich auszubauen. Da Eltern im Allgemeinen jedoch Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung den schulischen Fördermöglichkeiten vorziehen, wurden im anschließenden Kapitel die außerschulischen Fördermöglichkeiten untersucht. Dabei wurde insbesondere auf die Rolle des Elternhauses und der Hochbegabtenverbände eingegangen. Nach der Analyse der schulischen wie auch der außerschulischen Fördermöglichkeiten kam ich zu dem Schluss, dass die Enrichmentangebote der Hochbegabtenverbände und das Angebot an geistigen Anregungen durch die Eltern keinen adäquaten Ersatz schulischer Fördermöglichkeiten darstellen. Aufgabe der Eltern ist, auch wenn sie geistige Anregungen bieten sollen, in erster Linie die psychologische Unterstützung. Den Schulen kommt neben dem Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung in erster Linie die Aufgabe der Wissensvermittlung zu. Optimal für die Förderung hochbegabter Kinder ist deshalb die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule wie auch einer Beratungsstelle, die als Vermittlungsinstanz fungiert. Von Bedeutung ist jedoch nicht nur die Struktur der Fördermaßnahmen, sondern auch die Persönlichkeit der Lehrer und Eltern, die als Vorbild dienen. Sie sollten ermutigt werden, auch unübliche Wege der Förderung zu gehen. Die hochbegabten Kinder Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Ausblick 111 sollten so weit wie möglich integriert werden und auch lernen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die nur gelegentlich ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Am Ende dieser Arbeit, in der eine Reihe von Fördermöglichkeiten aufgelistet wurden, kann wider Erwarten keine einzelne Fördermaßnahme als besonders geeignet hervorgehoben werden. Von den untersuchten Konzepten wurde auch keines generell verworfen, sondern die Maßnahmen sind je nach Einzelfall mehr oder minder geeignet. Die Analyse der Fördermaßnahmen unterstützt jedoch meine Sichtweise aus der Einleitung, dass die drei Schülerinnen und Schüler aus meiner Schulzeit mit einer Mischung aus Akzeleration und Enrichment eine gute schulische Förderung erfahren haben. Natürlich wäre diese noch zu verbessern gewesen, zumal zu diesem Zeitpunkt das Angebot der dortigen Jugendakademie Mannheim – RheinNeckar-Dreieck noch im Aufbau begriffen war. Die Hochbegabtenförderung wird aber auch in Zukunft nicht auf dem mittlerweile erreichten Stand an Angeboten verweilen. Möglicherweise hat die Pisa-Studie mit ihren Diskussionen um eine frühere Einschulung mit dazu beigetragen, dass sich die Politik den geforderten Enrichmentangeboten für Grundschüler annimmt. Hochbegabtenförderung ist dabei keine parteipolitische Frage mehr. In Mannheim soll beispielsweise im Frühjahr 2003 eine Kinderakademie mit Arbeitsgemeinschaften für Grundschüler eröffnet werden. Angestrebt wird dabei, ein geschlossenes Konzept für die Begabtenförderung über die gesamte Schulzeit hinweg anzubieten. Dies wird jedoch erst in 10 bis 15 Jahren erreicht sein (SPINDLER 2002a, 15). In der Zwischenzeit wird es wieder in den Händen von Eltern und Lehrer liegen, unübliche Wege zu beschreiten. Die schnelle Errichtung staatlicher Hochbegabtenschulen in Rheinland-Pfalz (SCHILLING 2002, 5) ist jedoch auch mit Skepsis zu betrachten. Meiner Ansicht nach sollten generell Maßnahmen der Separation nicht auf Kosten integrativer Konzepte vorangetrieben werden. Die Zukunft verspricht einen weiteren Ausbau des Fördersystems, wobei es immer noch viele Stimmen gibt, die Angst haben, dass die Förderung Hochbegabter zu Lasten anderer förderbedürftiger Schülergruppen geht (SPINDLER 2002b, 15). Deshalb gilt es weiterhin, Gegner der Hochbegabtenförderung von der Sache zu überzeugen. Literaturverzeichnis 112 8 Literaturverzeichnis Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen (1994). Projekt zur Förderung spitzenbegabter Mädchen und Jungen in der Sekundarstufe I und II an der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig. In Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen (Hrsg.), Dokumentation des Fortbildungsmodells „Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler an Grund- und Hauptschule, Realschule und Gymnasium“ (1990-1993). Akademiebericht Nr. 255 (S. 343-351). Dillingen. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hrsg.) (1999). 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