Forschungsklonen

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Forschungsklonen
DRZE/Im Blickpunkt
Forschungsklonen
Stand: März 2009 Ansprechpartnerin: Simone Hornbergs-Schwetzel
Unter Forschungsklonen (in der öffentlichen Debatte auch häufig "therapeutisches Klonen" genannt) wird die
Gewinnung von Embryonen eigens zum Zwecke der Forschung verstanden. Im Gegensatz zum reproduktiven
Klonen, bei dem ein vollständiger, lebensfähiger Organismus geschaffen wird, wird der erzeugte Embryo beim
Forschungsklonen zerstört, um auf diese Weise embryonale Stammzellen zu gewinnen. Langfristig sollen mit
Hilfe derartiger Stammzellen Therapien für bislang unheilbare Krankheiten entwickelt werden.
Der folgende Blickpunkt bietet einen Überblick über die Technik des Klonierens, die zentralen ethischen
Diskussionsfelder und die diversen internationalen und nationalen Regelungen in der Frage der Forschung an
menschlichen Embryonen und deren Gewinnung.
I. Medizinisch-Naturwissenschaftliche Aspekte
Mit den Begriffen "Klonen" oder "Klonieren" werden unterschiedliche Verfahren und Techniken
zusammengefasst. Ihr Einsatz beginnt auf der molekularen Ebene bei der DNA (Desoxyribonucleinsäure), die
chemisch betrachtet die Erbsubstanz ausmacht (diese molekularbiologische Technik wird im Deutschen häufig
nicht als "Klonen", sondern als "Klonieren" bezeichnet). Alle Klon-Techniken verbindet das gemeinsame
Ziel, ein genetisch identisches Duplikat herzustellen: ein DNA-Fragment oder -Molekül, eine Zelle (siehe
Glossar) , ein Gewebe oder aber einen ganzen Organismus. Bei allen Lebewesen - außer bei Bakterien - findet
die geschlechtliche (sexuelle) Fortpflanzung grundsätzlich über die Bildung von Keimzellen (Samen- und
Eizellen) mit einer neuen Zusammensetzung von väterlichem und mütterlichem Erbgut statt, wobei ein neues
Genom entsteht. Im Gegensatz dazu zielen Klon-Techniken auf eine Form ungeschlechtlicher (asexueller) oder
vegetativer Vermehrung, bei der das Genom des entsprechenden Organismus dupliziert wird. Es kommt nicht
zu einer Neuordnung (Rekombination) von Genen, sondern es entsteht eine genetisch identische oder nahezu
identische Kopie des Originals. Allerdings ist dies bei vielen niederen Tieren und den meisten Pflanzen neben
der sexuellen eine gängige Form der Fortpflanzung. Grundsätzlich kommt auch beim Menschen die identische
Mehrlingsbildung in Form von eineiigen Zwillingen (monozygotische Zwilligungsbildung) natürlicherweise
vor, allerdings nur im Kontext der geschlechtlichen Fortpflanzung. Im Labor können Organismen auf zwei
Weisen künstlich kloniert werden: durch die Teilung eines bereits vorhandenen Embryos ( embryo splitting
(siehe Glossar) ) oder durch die Erzeugung eines Embryos mittels Zellkerntransfers. Beim Klonen zu
Forschungszwecken, dem so genannten " therapeutischen Klonen (siehe Glossar) ", werden Embryonen
durch das Verfahren des Zellkerntransfers gewonnen, d.h. die Embryonen werden durch die Übertragung des
Zellkerns (siehe Glossar) einer ausdifferenzierten Körperzelle auf eine zuvor entkernte Eizelle hergestellt.
Der sich im Anschluss an die Zellkernübertragung entwickelnde Embryo ist genetisch nahezu vollständig
identisch (siehe Glossar) mit dem Spender des übertragenen Zellkerns. Nach seiner Gewinnung wird der
Embryo jedoch nicht in eine Gebärmutter eingepflanzt, um ihn zur Geburt zu bringen, sondern in einem
frühen Stadium der Embryonalentwicklung (dem Blastozystenstadium) zerstört, so dass ihm embryonale
Stammzellen (siehe Glossar) (ES-Zellen) entnommen werden können. Diese können sich in vitro unter Zugabe
spezifischer Wachstumsfaktoren zu bestimmten Zelltypen differenzieren, und dann - so die Hoffnung http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
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dem Spenderorganismus zu Therapiezwecken wieder übertragen werden. Die erfolgreiche Gewinnung von
Stammzellen aus zuvor klonierten Primatenembryonen (siehe Glossar) wurde im November 2007 zum ersten
Mal beschrieben. Im März 2008 wurde der therapeutische Einsatz von Stammzellen aus geklonten Embryonen
von Parkinson-Mäusen (siehe Glossar) beschrieben. Aus Hautzellen der erkrankten Mäuse wurden Embryonen
geklont, denen wiederum Stammzellen entnommen wurden, welche zu spezifischen Nervenzellen differenziert
wurden. Die Nervenzellen wurden den erkrankten Spender-Mäusen injiziert, welche daraufhin eine signifikante
Linderung ihrer Krankheitssymptome aufwiesen.
Im Januar 2008 ist es einer US-amerikanischen Forschergruppe um Andrew French zum ersten Mal gelungen
menschliche Embryonen durch Klonen (siehe Glossar) zu gewinnen. Dazu wurde der Zellkern einer adulten
Hautzelle in eine entkernte menschliche Eizelle transferiert.
ES-Zellen sind für die Forschung deshalb interessant, weil sie über die Fähigkeit verfügen, sich unter
den entsprechenden Bedingungen in nahezu alle verschiedenen Typen von Körperzellen entwickeln zu
können. Diese Fähigkeit wird meist als Pluripotenz (siehe Glossar) bezeichnet. Die Erkenntnisse aus der
Stammzellforschung hofft man, in der Zukunft für die Herstellung von Geweben oder ganzen Organen zu
Transplantationszwecken (siehe Glossar) nutzen zu können. Um eine Abstoßung der transplantierten Gewebe
durch das Immunsystem des Empfängers von vornherein auszuschließen, will man über das Klonverfahren
Stammzellen herstellen, die mit den Zellkernen des Transplantatempfängers genetisch identisch sind und daher
als Ausgangsmaterial für die Herstellung genetisch identischen Gewebes verwendet werden können.
Näheres zur Stammzellforschung siehe im Blickpunkt "Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen" .
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II. Rechtliche Aspekte
Die Herstellung geklonter menschlicher Embryonen zur Gewinnung embryonaler Stammzellen berührt in
rechtlicher Hinsicht sowohl Fragen des Embryonenschutzes als auch Fragen hinsichtlich der Anwendung von
Klonierungstechniken auf den Menschen.
1. Internationale Regelungen
Weder auf der Ebene der Vereinten Nationen (UNO / UNESCO) noch auf gesamteuropäischer Ebene
(Europarat / Europäische Union) existieren derzeit konkret verbindliche Regelungen zur Anwendung von
Klonierungstechniken auf den Menschen. Dennoch gibt es auf beiden Ebenen einschlägige Stellungnahmen
sowie Regelungen, die zwar rechtlich nicht verbindlich, aber empfehlenden Charakters sind.
UNO/UNESCO
Gemäß Art. 11 der Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (siehe
Glossar) der UNESCO vom 11. November 1997 sind "Praktiken, die der Menschenwürde widersprechen, wie
reproduktives Klonen von Menschen" nicht erlaubt. Damit wird die rechtliche Bewertung des Klonens zu
Forschungszwecken offen gelassen.
Am 8. März 2005 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung zum Klonen
von Menschen (siehe Glossar) auf der Grundlage der Empfehlung des Sechsten Ausschusses (siehe Glossar)
(Rechtsausschuss) vom 24. Februar 2005. Sie enthält den Aufruf an alle UN Mitgliedsstaaten zu einem
völligen Verbot des Klonens von Menschen, einschließlich des Klonens zu medizinischen Zwecken, des so
genannten "therapeutischen Klonens". Gemäß der Erklärung ist jegliches Klonen von Menschen unvereinbar
mit dem Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens. Die Abstimmung (siehe Glossar)
spiegelt die tiefe Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern der Erklärung. Befürworter sehen in ihr einen
Meilenstein für den Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte. Gegner bemängelten die Kopplung
des Verbots des reproduktiven Klonens mit dem Verbot des Klonens für medizinische Zwecke. Damit sei
eine wichtige Gelegenheit verpasst worden, ein rechtlich bindendes Übereinkommen zu einem weltweiten
Verbot des reproduktiven Klonens zu verabschieden. Die aktuelle Erklärung ist nicht bindend und hat lediglich
empfehlenden Charakter. Vertreter der Regierungen, die gegen die Erklärung stimmten - unter ihnen China,
Belgien und Großbritannien - machten bereits deutlich, dass die Entscheidung keinen Einfluss auf ihre Haltung
bezüglich des "therapeutischen Klonens" haben würde.
Der Resolutionsentwurf wurde 2003 mit der Forderung nach einem umfassenden Verbot aller Formen
menschlichen Klonens, einschließlich des "therapeutischen Klonens", zuerst von Costa Rica eingebracht.
Der vorgelegte Gegenentwurf beinhaltete ebenfalls ein Verbot des reproduktiven Klonens, überließ die
Entscheidung bezüglich des "therapeutischen Klonens" aber einzelstaatlichen Regelungen. Trotz langwieriger
Verhandlungen war im November 2004 keiner der beiden Entwürfe mehrheitsfähig.
Europarat
Die einschlägige Passage im Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (siehe Glossar) vom
04. April 1997 lautet "die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten" (Art. 18
§2). Damit ist jegliche Art der Erzeugung gemeint, somit auch jene durch embryo splitting (siehe Glossar)
und Zellkerntransfer (siehe Glossar) . Der § (1) desselben Artikels erlaubt die Forschung an menschlichen
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Embryonen, soweit ein "angemessener Schutz des Embryos" im Rahmen der nationalen Gesetzgebung
gewährleistet ist. Im
Zusatzprotokoll (siehe Glossar) über das Verbot des Klonens von menschlichen
Lebewesen vom 12. Januar 1998 wird verboten, "ein menschliches Lebewesen (human being) zu erzeugen, das
mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Lebewesen genetisch identisch ist". Von Deutschland
sind das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll bislang noch nicht gezeichnet.
Europäische Union
Die am 7. Dezember 2000 von Parlament, Rat und Kommission proklamierte Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (siehe Glossar) verbietet in Artikel 3 (2) das reproduktive Klonen. In den Erläuterungen
des Konvents (siehe Glossar) heißt es hierzu: "Die Charta [...] verbietet [...] lediglich das reproduktive Klonen.
Die anderen Formen des Klonens werden von der Charta weder gestattet noch verboten. Sie hindert den
Gesetzgeber also keineswegs daran, auch die anderen Formen des Klonens zu verbieten". Die Charta nimmt
somit auch gegenüber der Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen durch das "therapeutische
Klonen" eine neutrale Position ein.
Das Europäische Parlament bekräftigt in seiner Entschließung zum Klonen von Menschen vom 15. Januar
1998 (siehe Glossar) , "dass das Klonen von Menschen verboten sein muss". Weiterhin fordert es "die
Mitgliedstaaten des Europarates auf, das Übereinkommen des Europarates über die Menschenrechte und
die Biomedizin und sein Zusatzprotokoll zum Verbot des Klonens von Menschen zu unterzeichnen und
zu ratifizieren". In einer weiteren Entschließung zum Klonen von Menschen vom 7. September 2000
(siehe Glossar) vertritt das Parlament die Ansicht, "dass das "'therapeutische Klonen'", das die Produktion
menschlicher Embryonen allein zu Forschungszwecken impliziert, ein grundlegendes ethisches Dilemma
aufwirft, eine nicht wieder rückgängig zu machende Grenzüberschreitung der Forschungsnormen darstellt und
der öffentlich vertretenen Politik der Europäischen Union widerspricht". Entschließungen des europäischen
Parlaments haben keine rechtliche Bindungswirkung, nehmen jedoch üblicherweise prägenden Einfluss auf
die zukünftige Rechtsetzung und Rechtsprechung der Europäischen Union.
2. Einzelstaatliche Regelungen
Einen genaue Übersicht über die Rechtslage in verschiedenen Ländern bietet der DRZE- Sachstandsbericht "
Präimplantationsdiagnostik, Embryonenforschung, Klonen - Ein vergleichender Überblick zur Rechtslage in
ausgewählten Ländern " (November 2007).
In Belgien (siehe Glossar) ist jede Art reproduktiven Klonens verboten. Prinzipiell ist auch das Klonen
zu Forschungszwecken gemäß dem "Gesetz über die Forschung an Embryonen in vitro" (2003) verboten.
Da jedoch die Forschung an Embryonen in vitro innerhalb der ersten 14 Lebenstage erlaubt ist, wenn
mit dieser Forschung langfristig ein therapeutischer Nutzen erzielt werden kann, dürfen Embryonen zu
Forschungszwecken künstlich erzeugt werden. Dies aber nur dann, wenn die Forschungsziele mit Stammzellen
aus so genannten überzähligen Embryonen allein nicht erreicht werden können.
In Großbritannien (siehe Glossar) ist die Forschung an menschlichen Embryonen innerhalb der ersten 14 Tage
zu bestimmten Zwecken erlaubt. Dabei wird dem frühen Embryo ein spezieller abgestufter Schutz zwischen
dem von Menschen ab dem 14. Lebenstag und dem von Tieren zugesprochen. Ferner dürfen menschliche
Embryonen zu Forschungszwecken in vitro hergestellt werden. Beides, die Gewinnung und die Forschung an
menschlichen Embryonen wird im " Human fertilisation and embryology act (siehe Glossar) " (1990) und
den " Human fertilisation and embryology (research purposes) regulations 2001 (statutory instrument 2001
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No. 188) (siehe Glossar) " vom 24. Januar 2001 geregelt. Die Erzeugung, Aufbewahrung und Forschung an
Embryonen darf demzufolge nur nach vorheriger Genehmigung durch die Kontrollbehörde Human Fertilisation
and Embryology Authority (HFEA) erfolgen. Das Klonen zu Fortpflanzungszwecken ist in Großbritannien
durch den " Human reproductive cloning act (siehe Glossar) " von 2001 verboten.
In der Bundesrepublik Deutschland (siehe Glossar) verbietet das Embryonenschutzgesetz (siehe Glossar)
(ESchG 1991) die Herstellung oder Verwendung von Embryonen zu einem anderen Zweck als dem, eine
Schwangerschaft herbeizuführen. Ferner wird jede Manipulation an einem extrakorporal erzeugten Embryo
verboten, die nicht seiner Erhaltung dient. Damit wird jede Gewinnung und Erforschung von Embryonen,
die nicht der Erhaltung des Embryos dient, verboten. In § 6 (1) heißt es außerdem: "Wer künstlich bewirkt,
dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein
Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Embryonen verbrauchende Forschung ist in Deutschland damit untersagt. Dass das beschriebene Verfahren
des "therapeutischen Klonens" nach Zellkerntransfer damit rechtlich ausgeschlossen ist, wird von vielen
Rechtsexperten zwar bejaht, bleibt aber in der Debatte kontrovers. Verfassungsrechtlich (siehe Glossar) gilt die
Frage, ob der Embryo bereits "vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an" oder erst ab einem späteren Zeitpunkt
seiner Entwicklung zu schützen ist, gegenwärtig als nicht eindeutig geklärt. Fragen nach dem Import und der
Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken werden vom Stammzellgesetz
(StzG 2002) geregelt. Danach sind die Einfuhr und die Verwendung von embryonalen Stammzellen generell
verboten und nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. So müssen jene Stammzellen unter anderem vor
dem 01. Januar 2002 und aus so genannten überzähligen Embryonen gewonnen worden sein. Näheres zu den
Bestimmungen der Stammzellforschung in Deutschland findet sich im Blickpunkt "Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen" . Die Debatte in Deutschland verläuft auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer
noch kontrovers. Dabei gibt es zahlreiche Stellungnahmen verschiedener einschlägigen Institutionen wie der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (siehe Glossar) , der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen
Medizin des Deutschen Bundestags der 14. Wahlperiode (siehe Glossar) , des Nationalen Ethikrats (siehe
Glossar) und des Deutschen Bundestags (siehe Glossar) .
In Dänemark ist Klonen zur Gewinnung von genetisch identischen Personen, wie auch derartige Experimente,
die das Klonen von Menschen ermöglichen sollen, verboten. Mögliche Anhaltspunkte zur Auslegung dieses
Verbots, ob es nur das reproduktive oder auch das Forschungsklonen betrifft, liefert der dänische nationale
Ethikrat. Am 1. März 2001 hat der im Auftrag des Folketings (Parlament) arbeitende Ethikrat (Det Etiske Raad/
The Danish Council on Ethics) in Dänemark (siehe Glossar) eine Stellungnahme zum Klonen von Menschen
verfasst. Darin wird sich gegen das "reproduktive Klonen" ausgesprochen. Eine Mehrzahl der Mitglieder des
Rates kommt zu dem Ergebnis, dass menschliche, embryonale Stammzellen die aus einem Klonverfahren oder
auf natürliche Weise gewonnen wurden, zwar im Prinzip für therapeutische Zielsetzungen verwendet werden
können, dass aber derzeit kein Bedarf für eine derartige Zulassung der Erzeugung embryonaler Stammzellen zur
Forschung und möglichen therapeutischen Zwecken besteht, da eine wirksame Behandlung von Krankheiten
mit Hilfe von Stammzellen noch viel zu fern liegt. Darüber hinaus wird vor der Gefahr eines möglichen
Dammbruch gewarnt. Deshalb empfiehlt der Rat, die Forschung an und mit embryonaler Stammzellen auf
überzählige Embryonen aus der künstlichen Befruchtung zu beschränken.
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Auch nach der Erneuerung des Bioethikgesetzes im Jahr 2004 bleibt in Frankreich (siehe Glossar) durch
das Loi n° 2004-800 du 6 août 2004 relative à la bioéthique (siehe Glossar) die Herstellung von Embryonen
für Forschungszwecke sowie die verbrauchende Embryonenforschung und damit das "therapeutische Klonen"
sowie die Gewinnung von ES-Zellen verboten. Ebenso wenig ist das Klonieren zur Reproduktion erlaubt.
Das allgemeine Verbot der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen wird hingegen mittels eines
Moratoriums für fünf Jahre (bis 2009) unter Einhaltung bestimmter Auflagen ausgesetzt. Näheres zur Regelung
der Stammzellforschung in Frankreich finden Sie im Blickpunkt Stammzellforschung .
In den Niederlanden (siehe Glossar) ist die Herstellung von Embryonen zum Zwecke der Forschung durch
den Embryos Act verboten. Dieses Verbot kann jedoch innerhalb von fünf Jahren nach in Kraft treten des
Embryos Act im Juni 2002 durch ein Königliches Dekret aufgehoben werden, so dass möglicherweise eher von
einem Moratorium gesprochen werden könnte. Falls das derzeitige Verbot des Klonens zu Forschungszwecken
aufgehoben werden sollte, sieht der Embryos Act in Section 11 bereits vor, dass dies ausschließlich zur
Gewinnung embryonaler Stammzellen dienen darf, die für Transplantationszwecke eingesetzt werden sollen,
wenn dies nicht mit anderen Mitteln ermöglicht werden kann. Unabhängig davon ist die Gewinnung von
Stammzellen aus so genannten überzähligen Embryonen hingegen bereits jetzt während der ersten 14 Tage
nach der Befruchtung gestattet, insofern die Spender eingewilligt haben.
In der Schweiz (siehe Glossar) ist jede Art der Klonierung des Menschen, also sowohl zum Zwecke der
Reproduktion als auch zur Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken, verboten.
In Artikel 119, Absatz 2 der Bundesverfassung steht dazu: "Alle Arten des Klonens und Eingriffe in das Erbgut
menschlicher Keimzellen und Embryonen sind unzulässig." Dennoch dürfen unter bestimmten Bedingungen
Stammzellen zu Forschungszwecken aus so genannten überzähligen Embryonen gewonnen oder importiert
werden. (Siehe auch: Blickpunkt Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen )
Das derzeitige Recht in den USA (siehe Glossar) sieht kein Verbot der Entnahme von Stammzellen aus
menschlichen Embryonen vor. Jedoch stellt der US- Kongress keine Bundesmittel für Forschung bereit, die
einem menschlichen Embryo schadet. Dementsprechend gibt es nur aus privaten Mitteln geförderte Forschung
an menschlichen embryonalen Stammzellen. Aufgrund der bisherigen Haltung der NIH (National Institutes
of Health) durften Bundesmittel weder zur Etablierung menschlicher ES Zelllinien noch zur Forschung
an bereits etablierten pluripotenten Stammzellen bereitgestellt werden, die aus fetalem menschlichem
Gewebe oder aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Das "Department of Health and Human
Services" (Bundesgesundheitsministerium) hatte festgestellt ( HHS Fact Sheet (siehe Glossar) , 19. Januar
1999), dass die Forschung mit Bundesmitteln an bereits etablierten ES Zellen nicht verboten ist, da es
sich dabei nicht um Forschung an menschlichen Embryonen handelt. Eine Änderung der NIH-Richtlinien
wurde angekündigt. Am 25. August 2000 sind nach ausführlichem öffentlichen und politischen Diskurs
sowie nach Beratung durch die National Bioethics Advisory Commission (NBAC) (siehe Glossar) die "
Guidelines for Research Using Human Pluripotent Stem Cells (siehe Glossar) " der NIH in Kraft getreten.
Danach wird es weiterhin verboten sein, Stammzellen aus Embryonen mit NIH-Mitteln zu gewinnen. NIHMittel dürfen nach dieser neuen Richtlinie jedoch unter bestimmten Auflagen zur Forschung an bereits
etablierten embryonalen Stammzellen verwendet werden, insofern diese Stammzellen aus Maßnahmen im
Zusammenhang mit Infertilitätsbehandlungen stammen und der informed consent der Spender vorliegt. Die
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Richtlinie schreibt ein Antragsverfahren bei der einzurichtenden "Human Pluripotent Stem Cell Review Group"
vor und schließt die Verwendung von embryonalen Stammzellen für bestimmte Forschungsgebiete aus (z.B.
Erzeugung eines menschlichen Embryos, Schaffung von Tier-Mensch-Hybriden). Das "therapeutische Klonen"
und die damit verbundenen Kerntransfermethode, wie sie der o.g. britische Bericht " Stem Cell Research:
Medical Progress with Responsibility (siehe Glossar) " vorsieht, bleiben auch im Rahmen der neuen Regelung
von der Bundesfinanzierung ausgeschlossen. Derzeit liegt dem US-Kongress ein Gesetzesentwurf (" Stem Cell
Research Act of 2000 (siehe Glossar) ") zur Beratung vor als Zusatz zum "Public Health Service Act". Danach
soll die aus Bundesmitteln geförderte Forschung hinsichtlich menschlicher ES Zellen zugelassen werden. Der
Entwurf liegt dem " Committee on Health, Education, Labor, and Pensions (siehe Glossar) " sowie dem "
Senate Appropriations Subcommittee on Labor, Health and Human Services, Education and Related Agencies
(siehe Glossar) " vor.
In Australien (siehe Glossar) ist die biopolitische Rechtslage durch ein Spannungsverhältnis zwischen der
Gesetzgebung des Commonwealth und der Bundesstaatsebene einerseits, der Einzelstaaten und Territorien
andererseits gekennzeichnet. Allgemein gelten auf Bundesebene der "Research Involving Human Embryos Act
2002" und der "Prohibition of Human Cloning for Reproduction Act 2002". Diese beiden Gesetze sollen den
Einzelstaaten den Rahmen für eine eigene genauere Gesetzesregelung liefern. Der für das Forschungsklonen
maßgebliche Prohibition of human cloning act 2002 verbietet sowohl das therapeutische als auch das
reproduktive Klonen. Ebenso sind die Herstellung eines Embryos, der die DNA von mehr als zwei Personen
enthält, und die Weiterentwicklung von Embryonen in Laboren über den 14. Tag nach der Befruchtung hinaus
verboten. Im November 2006 hat das australische Parlament indes das Forschungsklonenverbot aufgehoben.
Bislang durfte nur an Stammzellen geforscht werden, wenn sie aus überzähligen Embryonen und vor 2002
gewonnen wurden. Der parteiübergreifend eingebrachte Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass auch Embryonen
durch Klonierung zu Forschungszwecken gewonnen werden dürfen. Reproduktives Klonen soll hingegen
weiterhin verboten bleiben.
In der Stellungnahme des Bioethik-Komitees der Kommission für Wissenschaft und Technologie in Japan
(siehe Glossar) wird sich dafür ausgesprochen, Embryonen nicht eigens zu Forschungszwecken zu erzeugen.
Es wird empfohlen, nur solche Embryonen zu Forschungszwecken zu verwenden, die im Rahmen einer
Infertilitätsbehandlung aus in vitro befruchteten Eizellen entstanden sind und zu diesem Zwecke nicht
mehr verwendet werden, unter der Voraussetzung, dass eine schriftliche Einwilligung beider biologischer
Eltern vorliegt. Die Forschung ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft (Hochrangigkeit der Zwecke,
Alternativlosigkeit u.a.). Forschung, die darauf abzielt, aus menschlichen ES-Zellen ein vollständiges
Individuum - beispielsweise durch Zellkerntransfer in eine entnukleierte Eizelle - zu entwickeln, soll verboten
werden.
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III. Ethische Aspekte
Wie die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Zellkernübertragung zum Zweck der Gewinnung
menschlicher embryonaler Stammzellen in ethischer Hinsicht zu bewerten ist, wird in Politik, Wissenschaft und
Öffentlichkeit national und international kontrovers diskutiert (siehe Glossar) . Gegenstand der Kontroverse
ist dabei weniger die Frage nach der Legitimität der für dieses Verfahren in Anspruch genommenen
Ziele - die Entwicklung immunverträglicher Transplantate und die hierfür erforderliche Erforschung der
Differenzierungs- und Reprogrammierungsmechanismen menschlicher Zellen - als vielmehr die Frage, ob
dieses Verfahren als Mittel zur Erreichung dieser Ziele ethisch vertretbar ist.
Das beschriebene Verfahren schließt nicht nur die Inkaufnahme der Vernichtung menschlicher Embryonen
zu Forschungszwecken ("verbrauchende Embryonenforschung"), sondern auch deren Erzeugung eigens zu
diesem Zweck ein ("Instrumentalisierung") - auch wenn es als "intermediäre" Forschung längerfristig die
Herstellung von immunverträglichen Transplantaten ohne den Rückgriff auf Embryonen ermöglichen soll.
Als durch Kerntransfer erzeugter Embryo ist dieser zudem mit einem bereits existierenden menschlichen
Organismus genetisch nahezu vollständig identisch.
Im Mittelpunkt der Diskussion über die ethische Bewertung dieses Verfahrens steht die Frage, ob und in
welchem Ausmaß hiermit mögliche moralische Schutzansprüche des Embryos verletzt werden. Die in der
Diskussion vorfindlichen Antworten differieren dabei in Abhängigkeit von dem jeweils zugrunde gelegten
ethischen Schutzkonzept (siehe Glossar) . Grundsätzlich lassen sich hier zwei Varianten unterscheiden:
Die erste Variante überträgt die dem geborenen Menschen eigene Schutzwürdigkeit auf den menschlichen
Embryo bzw. jede menschliche Zelle, sofern sie die Fähigkeit besitzt, sich zu einem vollständigen
menschlichen Organismus zu entwickeln (" Totipotenz (siehe Glossar) ") - unabhängig von dessen bzw. deren
aktuellen Eigenschaften; die zweite Variante spricht dem Embryo bzw. der totipotenten menschlichen Zelle
demgegenüber eine im Vergleich zu dieser abgestufte Schutzwürdigkeit zu, die sich nach den in den jeweiligen
Entwicklungsstufen aktuell ausgebildeten Eigenschaften bemisst. Während eine dem eigenen Schutz und Erhalt
zuwiderlaufende Verfügung über einen menschlichen Embryo bzw. eine totipotente menschliche Zelle, wie
sie das beschriebene Verfahren impliziert, daher von Vertretern der ersten Variante als ethisch unbedingt
unzulässig angesehen wird, gilt sie Vertretern der zweiten Variante - jedoch nur unter bestimmten Umständen
- als ethisch rechtfertigbar und sogar geboten.
Klonen zu Forschungszwecken wird von seinen Verfechtern (siehe Glossar) mit dem Argument verteidigt,
dass es sich bei dem durch Kerntransfer erzeugten Embryo gar nicht um einen Embryo im herkömmlichen
Sinne handele, der durch die Verschmelzung der Kerne zweier Keimzellen entstehe. Dem durch Kerntransfer
erzeugten Embryo komme deshalb auch nicht die Schutzwürdigkeit zu, die einem auf herkömmliche Weise
erzeugten Embryo zugesprochen werde. Unterstützt wird dieses Argument mit dem Hinweis, dass das
"therapeutische Klonen" auch nicht mit dem reproduktiven Klonen zu verwechseln sei. Im Unterschied
zum reproduktiven Klonen ziele das "therapeutische Klonen" nicht darauf ab, dass der klontechnisch
erzeugte Embryo oder "Quasi-Embryo" sich zu einem vollständigen Organismus entwickele. Vielmehr
werde er lediglich mit dem Ziel der Stammzellgewinnung erzeugt und seine Entwicklung im Moment der
Stammzellgewinnung abgebrochen.
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Kritiker (siehe Glossar) wenden ein, dass sich auch ein durch Kerntransfer erzeugter Embryo prinzipiell
zu einem vollständigen Organismus entwickeln könne ( Totipotenz (siehe Glossar) ). Deshalb sei er dem
auf herkömmliche Weise erzeugten Embryo hinsichtlich seiner Schutzwürdigkeit gleichgestellt. Sie stützen
sich in der Diskussion meist auf mehrere Argumente: das Potentialitätsargument (siehe Glossar) , das
Kontinuitätsargument (siehe Glossar) , das Argument der Spezieszugehörigkeit (siehe Glossar) sowie das
Identitätsargument (siehe Glossar) .
Von Bedeutung ist hier neben der weitestgehend anerkannten Hochrangigkeit der mit dem Verfahren
verfolgten Ziele vor allem die Notwendigkeit des Verfahrens zur Erreichung dieser Ziele sowie die
grundsätzliche Validität des mit dem Verfahren verfolgten therapeutischen Konzeptes. Die Frage, ob die
für die Entwicklung immunverträglicher Transplantate erforderliche Stammzellforschung notwendig an
die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Kerntransfer gebunden ist oder ob z.B. Stammzellen aus
Nabelschnurblut oder andere nicht-embryonale Stammzellen Alternativen (siehe Glossar) darstellen, ist in der
Diskussion umstritten. Auch wird gelegentlich eine verstärkte vorgängige Absicherung der therapeutischen
Effektivität und Effizienz (siehe Glossar) des Verfahrens am Tiermodell gefordert.
Formuliert wird zudem die Befürchtung, dass eine Zulassung des beschriebenen Verfahrens des
"therapeutischen Klonens" einen Dammbruch (siehe Glossar) hin zu einem "reproduktiven Klonen", d.h. der
Anwendung dieses Verfahrens zu Fortpflanzungszwecken zur Folge haben könnte.
Zudem wird die körperlich stark belastende Prozedur der Eizellentnahme nach einer vorhergegangenen
Hormonbehandlung häufig als Argument gegen das Klonen zu Forschungszwecken vorgebracht, da im Falle
einer Etablierung der Klonierungstechnik durch Zellkerntransfer Frauen als "Rohstofflieferantinnen" für
Eizellen missbraucht werden könnten.
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Autorennachweis
Medizinisch-naturwissenschaftliche Aspekte
Verfasst von Michael Weiffen und Dirk Lanzerath (2000), grundlegend überarbeitet von Simone HorbergsSchwetzel (2006), überarbeitet von Simone Hornbergs-Schwetzel (2007, 2008), Sebastian Mutke (2008),
Marlene Strauch (2009).
Rechtliche Aspekte
Verfasst von Dirk Lanzerath (2000), überarbeitet von Ingo Hillebrand (2002), Simone Hornbergs-Schwetzel
(2006, 2007, 2008), Marlene Strauch (2009).
Ethische Aspekte
Verfasst von Michael Weiffen und Ingo Hillebrand (2000), überarbeitet von Simone Hornbergs-Schwetzel
(2006, 2007, 2008), Marlene Strauch (2009).
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Glossar
Glossar zum Blickpunkt Forschungsklonen
Aktuelle Diskussion über die ethische Beurteilung des therapeutischen Klonens
Für eine ethische Zulässigkeit des "therapeutischen Klonens" spricht sich der im Auftrag der britischen
Regierung von einer Expertenkommission verfasste und am 16.8.2000 der Öffentlichkeit zugänglich
gemachte Bericht "Stem Cell Research: Medical Progress with Responsibility" aus. Die britische
Regierung schloss sich dem in einer am selben Tag veröffentlichten Antwort an:
Stem Cell Research: Medical Progress with Responsibility. A Report from the Chief Medical Officer's
Expert Group reviewing the Potential of Developments in Stem Cell Research and Cell Nuclear
Replacement to benefit Human Health. London: Department of Health, 2000. Online-Version
Zweifel an der ethischen Zulässigkeit dieses Verfahrens wurden seitdem, teilweise auch schon im
Vorfeld der genannten Veröffentlichungen, in zahlreichen Stellungnahmen von Vertretern aus Politik,
Wissenschaft und Öffentlichkeit sowie verschiedenen einschlägigen Institutionen und Gremien
formuliert. Exemplarisch für die in Anschlag gebrachten Argumentationen sind:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (1999): DFG- Stellungnahme zum Problemkreis "Humane
embryonale Stammzellen". In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 4, 393-399. Online-Version
Fischer, Andrea (2000): Ehrfurcht vor dem Leben. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer sieht
die Forschung an Embryonen mit Skepsis. Interview von Jutta Hoffritz, Elisabeth Niejahr, Andreas
Sentker mit Andrea Fischer. In: DIE ZEIT 35, 24. August 2000. Online-Version
Honnefelder, Ludger (2000): Ohne Alternative? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.8.2000.
Mieth, Dietmar (2000): Nicht verbrauchen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.8.2000.
Rendtorff, Trutz / Winnacker, Ernst-Ludwig / Hepp, Hermann / Hofschneider, Peter Hans / Korff,
Wilhelm / Knoepffler, Nikolaus / Kupatt, Christian / Haniel, Anja (1999): Das Klonen von Menschen.
Überlegungen und Thesen zum Problemstand und zum Forschungsprozess. In: Forum TTN 2, 4-23
(insb. 19-21).
Argument der Spezieszugehörigkeit
Aus dem Argument der Spezieszugehörigkeit folgt, dass dem Menschen qua seines Menschseins
Würde zukommt. Das heißt, dass nicht spezifische Eigenschaften, wie beispielsweise das
Vorhandensein des Primitivstreifens oder das Bewusstsein, dafür maßgeblich sind, ob einem
Individuum Würde zukommt, sondern allein seine Zugehörigkeit zur Gattung Mensch.
Argumentationslinien der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages
Am 12. November 2001 erklärte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und
Ethik der modernen Medizin" in ihrem "Zweiten Zwischenbericht: Teilbericht Stammzellforschung",
dass "eine rechtliche Freigabe der Gewinnung von Stammzelllinien aus sog. 'überzähligen'
Embryonen durch Änderung des Schutzstandards des Embryonenschutzgesetzes nicht empfohlen
werden" kann. Das hohe Schutzniveau des deutschen Embryonenschutzgesetzes sei beizubehalten.
Die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen, die eine Vernichtung menschlichen Lebens in
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
11
DRZE/Im Blickpunkt
Kauf nimmt, sei, so die Kommission, nicht verantwortbar. Bezüglich des Imports menschlicher
embryonaler Stammzellen formuliert die Enquete-Kommission zwei Argumentationslinien.
Gemeinsame Voraussetzung beider Argumentationslinien ist, dass die erforderlichen Regelungen für
den öffentlichen und privaten Sektor gleichermaßen gelten müssen.
Argumentationslinie A: die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken
ist ethisch nicht vertretbar und wissenschaftlich nicht ausreichend begründet, da die notwendige
Grundlagenforschung auch mit Stammzellen anderer Herkunft geleistet werden kann. Die
Kommission spricht sich gegen den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen aus; es sind
alle Möglichkeiten auszuschöpfen, einen solchen Import zu vermeiden. (für A votierten 26 der 37
Kommissionsmitglieder).
Argumentationslinie B: es erscheint zweifelhaft, ob ein vollständiges Importverbot von menschlichen
embryonalen Stammzellen verfassungs- und europarechtlich begründet werden kann. Daher ist
der Import "unter engen Voraussetzungen" und überwacht von einer "transparent arbeitenden
staatlich legitimierten Kontrollbehörde" im Rahmen einer ethischen Abwägung tolerierbar. Zu diesen
engen Voraussetzungen gehören die Beschränkung des Imports auf derzeit bereits vorhandene
Stammzelllinien, die "Darlegung der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des
Forschungsprojektes, für das der Import beantragt wird", sowie der Nachweis des informed consent
des Spenderpaares.
Für B votierten 12 der 37 Kommissionsmitglieder; ein Mitglied votierte für beide Optionen.
Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin:
Teilbericht Stammzellforschung (21. November 2001). Online-Version
Kurzfassung ergänzend zum Zwischenbericht Stammzellforschung mit dem Schwerpunkt der
Importproblematik (12. November 2001). Online-Version
Australien
Prohibition of Human Cloning Act 2002 Online-Version
Research Involving Human Embryos Act 2002 Online-Version
A Bill for an Act to amend the Prohibition of Human Cloning Act 2002 and the Research Involving
Human Embryos Act 2002 based on the Lockhart Review recommendations, and for related purposes:
Prohibition of Human Cloning for Reproduction and the Regulation of Human Embryo Research
Amendment Bill 2006 Online-Version
Belgien
In Belgien regelt vor allem das "Gesetz über die Forschung an Embryonen in vitro" vom 11. Mai 2003
Fragen der Stammzellforschung und des Klonens.
Original: Moniteur Belge 174e annee, N. 116. 05. April 2004, 18875. Online-Version
(zum
deutschen Dokument über den Button 2004000078)
Bewertungsoptionen des Nationalen Ethikrates
Im September 2004 hat sich der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme "Klonen zu
Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken" eindeutig gegen
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
12
DRZE/Im Blickpunkt
das reproduktive Klonen ausgesprochen. Trotz divergierender Meinungen der Mitglieder des
Nationalen Ethikrates wird in der Stellungnahme empfohlen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt in
Deutschland auch das Klonen zu Forschungszwecken nicht zuzulassen. Dabei gab es grundsätzlich
drei verschiedene Voten: 1. Beibehaltung des Verbotes des Forschungsklonens
2. Begrenzte
Zulassung des Forschungsklonens 3. Verbot des Forschungsklonens zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Im Jahr 2001 hat der Nationale Ethikrat eine "Stellungnahme zum Import menschlicher embryonaler
Stammzellen" veröffentlicht. Trotz ihrer Uneinigkeit in der Frage, "ob der Embryo im frühesten
Stadium Träger der Menschenwürde ist und welche Konsequenzen für seinen Anspruch auf
Lebensschutz daraus zu ziehen sind", kommen die Mitglieder des Nationalen Ethikrats darin überein,
"dass die Würde des Menschen verbietet, Embryonen vor der Nidation für beliebige Zwecke zu
verwenden". Ausgehend von "zwei systematisierende[n] Skizzen" von Argumenten für und wider die
Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen und von Argumenten für und wider ihren Import
werden vier "Bewertungsoptionen in der Importfrage" formuliert.
Nationaler Ethikrat (September 2004): Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu
biomedizinischen Forschungszwecken. Online-Version
Nationaler Ethikrat (Dezember 2001): Stellungnahme zum Import menschlicher embryonaler
Stammzellen. Online-Version
Dammbruch zum reproduktiven Klonen
Das Dammbruchargument (auch Slippery-Slope-Argument genannt) besagt, dass der Missbrauch
einer Technik nicht mehr aufgehalten werden kann, wenn sie erst einmal entwickelt und beherrscht
wird.
Die Befürchtung, dass eine Zulassung des beschriebenen Verfahrens des "therapeutischen Klonens"
bzw. seine Entwicklung zu einem Dammbruch hin zum "reproduktiven Klonen" führen könnte, wird
u.a. von der deutschen Bundesgesundheitsministerin Fischer (2000) und Rifkin (2000) formuliert:
Fischer, Andrea (2000): Ehrfurcht vor dem Leben. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer sieht
die Forschung an Embryonen mit Skepsis. Interview von Jutta Hoffritz, Elisabeth Niejahr, Andreas
Sentker mit Andrea Fischer. In: DIE ZEIT 35, 24. August 2000, 35. Online-Version
Rifkin, Jeremy: Nicht weiter! In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.8.2000.
Dänemark
In Dänemark hat der im Auftrag des Folketings (Parlament) arbeitende Ethikrat (Det Etiske Raad/The
Danish Council on Ethics) am 1. März 2001 zum Klonen von Menschen eine Stellungnahme verfasst.
In ihr spricht sich der Rat einhellig gegen das reproduktive Klonen von Menschen aus. Der Ethikrat
verweist darauf, dass der gefühlsmäßige Widerstand gegen das Klonen nicht aus einem einzelnen
Argument begründet werden kann; es wird jedoch ein Cluster von Argumenten aufgezeigt, von dem
her das reproduktive Klonen von Menschen ethisch unzulässig ist.
Nach Auffassung des Rates würde Klonen
• die Würde des Menschen verletzen,
• zu negativen Folgen für den betroffenen Menschen führen, weil das Wissen um die Entstehung als
Klon das Recht auf eine offene Zukunft beeinträchtigt und
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
13
DRZE/Im Blickpunkt
• die Ehrfurcht vor dem moralischen Status des Embryos außer Acht lassen.
Cloning - Statement from the Danish Council of Ethics. Englische Online-Version
Der Begriff des therapeutischen Klonens
Die in der Diskussion übliche Bezeichnung "therapeutisches Klonen" wird nicht selten als
missverständlich kritisiert, da das gemeinte Klonverfahren selbst nicht therapeutisch ist. Vielmehr
werden Zellen hergestellt, die die Potenz haben, sich zu einem vollständigen Individuum zu
entwickeln (Totipotenz). Damit ist das "therapeutische Klonen" keine Therapie, sondern z.Zt. ein
Forschungsansatz, mit dem Fernziel der Entwicklung neuer Therapieverfahren, so dass vorzuziehen
ist, vom "Forschungsklonen" oder "Klonen zu Forschungszwecken" zu sprechen. Hiervon
abzugrenzen ist das sogenannte "reproduktive Klonen", womit der Einsatz von Klontechniken
zum Zweck der Fortpflanzung bezeichnet wird. Der Unterschied zwischen dem Klonen zu
Forschungszwecken und dem reproduktiven Klonen ist somit in der verschiedenartigen Intention der
Handelnden zu verorten, die Technik selbst ist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt identisch.
Detaillierte Einführungen in die verschiedenen Techniken und möglichen Anwendungsziele des
Klonens und der daraus resultierenden ethischen Problemen geben Heinemann (2005) (sehr
ausführlich und genau), Dabrock / Ried (Hg.) (2005), Eser et al. (1997), Rendtorff et al. (1999),
Heinemann (2000) sowie der DRZE-Sachstandsbericht Stammzellforschung (2007).
Heinemann, Thomas (2005): Klonieren beim Menschen. Analyse des Methodenspektrums und
internationaler Vergleich der ethischen Bewertungskriterien. Studien zu Wissenschaft und Ethik Bd.1.
Berlin, New York: De Gruyter.
Dabrock, Peter / Ried, Jens (Hg.) (2005): Therapeutisches Klonen als Herausforderung für die
Statusbestimmung des menschlichen Embryos. Paderborn: mentis.
Eser, Albin / Frühwald, Wolfgang / Honnefelder, Ludger / Markl, Hubert / Reiter, Johannes / Tanner,
Widmar / Winnacker, Ernst-Ludwig (1997): Klonierung beim Menschen. Biologische Grundlagen
und ethisch-rechtliche Bewertung. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2, 357-373.
Rendtorff, Trutz / Winnacker, Ernst-Ludwig / Hepp, Hermann / Hofschneider, Peter Hans / Korff,
Wilhelm / Knoepffler, Nikolaus / Kupatt, Christian / Haniel, Anja (1999): Das Klonen von Menschen.
Überlegungen und Thesen zum Problemstand und zum Forschungsprozess, in: Forum TTN 2, 4-23.
- Online-Version
Heinemann, Thomas (2000): Klonierung menschlicher embryonaler Stammzellen. Zu den
Statusargumenten aus naturwissenschaftlicher und moralphilosophischer Sicht, in: Jahrbuch für
Wissenschaft und Ethik 5, 259-276.
Der Bericht der Expertengruppe "Stem Cell Research: Medical Progress with Responsibility" stellt
selbst eine gute allgemeine Einführung in den Bereich der Stammzellforschung zu therapeutischen
Zwecken dar.
Stem Cell Research: Medical Progress with Responsibility. A Report from the Chief Medical Officer's
Expert Group reviewing the Potential of Developments in Stem Cell Research and Cell Nuclear
Replacement to benefit Human Health. London: Department of Health, 2000. - Online-Version
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
14
DRZE/Im Blickpunkt
Heinemann, Thomas / Kersten, Jens (2007): Stammzellforschung. Naturwissenschaftliche, ethische
und rechtliche Aspekte. Bd. 4 der Reihe Ethik in den Biowissenschaften " Sachstandsberichte des
DRZE. Freiburg i.B.: Verlag Karl Alber.
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Die Frage, ob hinsichtlich der hochrangigen therapeutischen Zwecke, die mit der Stammzellforschung
verbunden sein können, das ESchG einer Erweiterung bedarf, ist auf das Engste verknüpft mit der
aktuell geführten Diskussion über Stammzellforschung im Allgemeinen sowie die Importproblematik
im Besonderen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte u.a. zu diesem Thema im Hinblick
auf ein mögliches Fortpflanzungsmedizingesetz eine Konferenz (Mai 2000) einberufen. Nach
ihrer Stellungnahme von 1999 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am 3.5.2001
neue Empfehlungen zur Forschung mit menschlichen Stammzellen verabschiedet und schlägt
einen "Stufenplan zur Standardisierung und internationalen Kooperation" sowie "Forschung an
'überzähligen' Embryonen unter strengen Auflagen" vor. Die DFG schlägt vor, dass der Import
von aus überzähligen Embryonen gewonnen Stammzelllinien und die Forschung an ihnen zunächst
ermöglicht werden soll. Beides wird derzeit vom Embryonenschutzgesetz nicht verboten. Falls
notwendig soll aber darüber hinaus mit DFG Mitteln die institutionelle internationale Zusammenarbeit
gefördert werden und in einem weiteren Schritt - falls erforderlich - schlägt die DFG dem
Gesetzgeber vor, die Gewinnung von Stammzellininen aus Embryonen auch in Deutschland
zu ermöglichen. Die Forschung soll kontrolliert werden durch eine "unabhängige, pluralistisch
zusammengesetzte Kommission auf Bundesebene". Die Herstellung von Embryonen ausschließlich
zu Forschungszwecken, reproduktives und "therapeutisches" Klonen sowie Eingriffe in die Keimbahn
lehnt die DFG ab. Auf Drängen des Bundesforschungsministeriums hatte der Hauptausschuss der
DFG (4.5.2001) die Entscheidung über den Antrag zur Genehmigung eines Forschungsprojekts
mit importierten Stammzellen an der Universität Bonn vorerst vertagt. Der Antrag wurde
am 31.1.2002 genehmigt; die Fördermittel bleiben jedoch "bis zur Vorlage der erforderlichen
[staatlichen] Genehmigung" nach Maßgabe der im Bundestags-Beschluss vom 30.1.2002 umrissenen
Voraussetzungen und Verfahren gesperrt.
Deutsche Forschungsgemeinschaft (1999): DFG-Stellungnahme zum Problemkreis "Humane
embryonale Stammzellen". In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 4, 393-399. Online-Version
Neue Empfehlungen der DFG zur Forschung mit menschlichen Stammzellen. Stufenplan zur
Standardisierung und internationalen Kooperation - Forschung an "überzähligen" Embryonen unter
strengen Auflagen:
Pressemitteilung zu der Empfehlung. Online-Version
Statement vom Präsidenten der DFG Prof. Dr. Ernst-Ludwig-Winnacker zur DFG-Stellungnahme
zur Forschung mit menschlichen Stammzellen in der Pressekonferenz 03.05.2001 in Bonn. OnlineVersion
DFG-Pressemitteilung vom 31.01.2002 über die Bewilligung des Antrags des Bonner
Neurowissenschaflers Oliver Brüstle auf Förderung seines Forschungsprojekts "Gewinnung und
Transplantation neuraler Vorläuferzellen aus humanen embryonalen Stammzellen". Online-Version
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
15
DRZE/Im Blickpunkt
Entscheidungen und Initiativen der DFG zum Thema Stammzellforschung 1997-2002. OnlineVersion
Deutscher Bundestag
Der Deutsche Bundestag hat am 30.1.2002 mit der erforderlichen Mehrheit im zweiten Wahlgang dem
Import embryonaler Stammzellen unter strengen Auflagen zugestimmt. Damit scheiterten die Anträge
für ein absolutes Importverbot sowie für eine weitergehende Freigabe der Einfuhr embryonaler
Stammzellen. Das Embryonenschutzgesetz wird nicht verändert und daher bleiben die Forschung mit
Embryonen sowie das "therapeutische" Klonen weiterhin in Deutschland verboten. Der Bundestag
muss nun ein Gesetz verabschieden, das nur den Import solcher embryonaler Stammzellen erlaubt, die
bis zu einem bestimmten Stichtag im Ausland hergestellt wurden. Damit soll ein weiterer Verbrauch
von Embryonen für Forschungszwecke in Deutschland verhindert werden. "Die Erfüllung der
genannten Voraussetzungen stellt eine transparent arbeitende gesetzlich legitimierte Kontrollbehörde
sicher, deren Genehmigung Bedingung für deren Import ist." (aus dem Antrag).
Im Deutschen Bundestag wurde am 30.01.2002 über drei Anträge abgestimmt. Der zweite Antrag
fand im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit:
Antrag 1 will ein absolutes Verbot für die Einfuhr von ES-Zellen festlegen: Bundestagsdrucksache
14/8101 Online-Version
Antrag 2 sieht den Import von ES-Zellen als Ausnahmefall vor. Eine noch einzurichtende
Kontrollbehörde soll Transparenz schaffen: Bundestagsdrucksache 14/8102 Online-Version
Antrag 3 spricht sich für Forschung an und Herstellung von ES-Zellen aus: Bundestagsdrucksache
14/8103 Online-Version
Ausgehend von diesem Bundestags-Beschluss hat eine fraktionsübergreifende Gruppe von
Bundestagsabgeordneten am 22. Februar 2002 einen "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des
Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler
Stammzellen (Stammzellgesetz - StZG)" vorgestellt (Bundestagsdrucksache 14/8394). Dieser
Entwurf ist vom Deutschen Bundestag am 25. April 2002 in der Fassung des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vom 17. April 2002 in zweiter und dritter
Beratung angenommen worden (Bundestagsdrucksachen 14/8394 und 14/8846). In der namentlichen
Schlussabstimmung wurden 559 Stimmen abgegeben, davon 360 Ja-Stimmen, 190 Nein-Stimmen
und 9 Enthaltungen. Das vom Bundestag angenommene Stammzellgesetz und das Protokoll der
entsprechenden Plenarsitzung können über den Dokumentenserver des Deutschen Bundestages
PARFORS unter Angabe der entsprechenden Bundestagsdrucksachen- bzw. PlenarprotokollNummern abgerufen werden:
Dokumentenserver des Deutschen Bundestages PARFORS: Online-Version
Bundestagsdrucksache 14/8394 (Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes
im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen
(Stammzellgesetz - StZG)) Online-Version
Bundestagsdrucksache 14/8846 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung) Online-Version
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
16
DRZE/Im Blickpunkt
Bundestags-Plenarprotokoll 14/233 (Tagesordnungspunkt 7) Online-Version
Deutsches Verfassungsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der Frage der Reichweite der Menschenwürde
und des Lebensschutzes beim ungeborenen Leben bisher zweimal im Zusammenhang mit
der Rechtssprechung beim Schwangerschaftsabbruch geäußert. In seinem ersten Urteil zum
Schwangerschaftsabbruch vom 25. Februar 1975 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass
sich das in Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz formulierte Grundrecht auf Leben auch auf das ungeborene
Leben beziehe und Leben "jedenfalls vom 14. Tage nach der Empfängnis (Nidation, Individuation)
an" bestehe. Ob das Grundrecht auf Leben dem Embryo auch schon vor dem 14. Tag nach der
Empfängnis zukommt, ist mit dieser Formulierung offengelassen. Im zweiten Urteil vom 28. Mai
1993 wird zwar konstatiert, dass Menschenwürde "schon dem ungeborenen menschlichen Leben"
zukomme; das Gericht hat es aber ausdrücklich unentschieden gelassen, "ob, wie es Erkenntnisse der
medizinischen Anthropologie nahelegen, menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei
und Samenzelle entsteht". Verfahrensgegenstand waren Vorschriften zum Schwangerschafsabbruch.
Entscheidungsrelevant war deshalb nur der Zeitraum der Schwangerschaft, der "nach den [...]
Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in die
Gebärmutter [...] bis zum Beginn der Geburt" reicht.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt, Teil III,
Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom
3. November 1995 (BGBl. I S. 1492)
Bundesverfassungsgericht:
Urteil
vom
25.
Februar
1975.
Schwangerschaftsabbruch,
"Fristenlösung" (BVerfGE 39, 1) Online-Version
Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 28. Mai 1993. Schwangerschaftsabbruch; strafrechtliche,
sozialversicherungsrechtliche und organisationsrechtliche Vorschriften des Schwangeren und
Familienhilfegesetzes (BVerfGE 88, 203) Online-Version
Deutschland - Gesetzliche Regelungen
In Deutschland sind für die Gewinnung von, sowie das wissenschaftliche Arbeiten an und mit
menschlichen ES-Zellen das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz maßgeblich. Im
Embryonenschutzgesetz wird davon ausgegangen, dass das menschliche Lebewesen von seinem
Beginn bei der Zellkernverschmelzung an unter dem Schutz der menschlichen Würde steht.
Hieraus ergeben sich das verfassungsrechtliche Verbot der fremdnützigen Verwendung menschlicher
Embryonen und des Klonens von menschlichem Leben:
Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13. Dezember 1990,
Bundesgesetzblatt 1990 Teil I S. 2746-2748, geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 23. Oktober
2001 (Bundesgesetzblatt 2001 Teil I S. 2702). Online-Version
Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und
Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz) StZG vom 28. Juni 2002,
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 42, S. 2277 vom 29. Juni 2002, zuletzt geändert am 25.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
17
DRZE/Im Blickpunkt
November 2003, durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 56, S. 2304 vom 27. November
2003. Online-Version
Keller, Rolf / Günther, Hans-Ludwig / Kaiser, Peter (1992): Embryonenschutzgesetz. Kommentar
zum Embryonenschutzgesetz. Stuttgart: Kohlhammer.
Schütze, Hinner (2000): Die Bedeutung von Statusargumenten für das geltende deutsche Recht. In:
Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 5, 305-329.
Schütze, Hinner (2005): Rechtliche Aspekte des therapeutischen Klonens in Deutschland, England,
den USA und Frankreich, in: Dabrock, Peter / Ried, Jens (Hg.): Therapeutisches Klonen als
Herausforderung für die Statutsbestimmung des menschlichen Embryos. Paderborn: Mentis, 251-275.
Derzeit gibt es eine Diskussion in Wissenschaft und Öffentlichkeit über eine mögliche Änderung des
Embryonenschutzgesetzes. Einen Teil der Diskussion spiegelt ein Symposium wider, das vom BMG
ausgerichtet wurde:
Fortpflanzungsmedizin in Deutschland: Wissenschaftliches Symposium des Bundesministeriums
für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut vom 24. bis 26. Mai 2000 in
Berlin. Hg. Das Bundesministerium für Gesundheit. Baden-Baden: Nomos, 2001. (Schriftenreihe des
Bundesministeriums für Gesundheit, Band 132).
Die Niederlande
Act containing rules relating to the use of gametes and embryos (Embryos Act) vom 20. Juni 2002
Englische Online-Version
Embryo splitting
Mit embryo splitting wird die Zwillings- oder Mehrlingsbildung durch künstliche mikrochirurgische
Teilung eines Embryos bezeichnet. Die durch dieses Verfahren gewonnenen Zellen können sich in
einer entsprechenden Umgebung jeweils zu einem vollständigen Organismus entwickeln.
Empfehlung des Sechsten Ausschusses
Empfehlung des Sechsten Ausschusses (Rechtsausschuss) vom 24. Februar 2005. Online-Version
Europäische Union
Charta der Grundrechte der Europäischen Union [proklamiert von Parlament, Rat und Kommission
am 7. Dezember 2000 in Nizza]. Online-Version
Erläuterungen des Präsidiums zum vollständigen Wortlaut der Charta [11. Oktober 2000]. OnlineVersion
Europäisches Parlament
Europäisches Parlament: Entschließung zum Klonen von Menschen vom 15. Januar 1998. Deutsche
Online-Version
Europäisches Parlament: Entschließung zum Klonen von Menschen vom 7. September 2000.
Deutsche Online-Version
Das Klonen von Menschen sowie die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist auch
Gegenstand von Stellungnahmen des vom Europäischen Parlament vom 16. Januar 2001 bis 15. Januar
2002 eingesetzten Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
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DRZE/Im Blickpunkt
in der modernen Medizin sowie der Direktion des Europäischen Parlaments zur Beurteilung
technologischer Optionen (STOA).
Nichtständiger Ausschuss für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin
(16. Januar 2001 - 15. Januar 2002) (EGE): Bericht über die ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen
und sozialen Auswirkungen der Humangenetik [8. November 2001; relevante Stellen: Kapitel IV.:
Klonen und Stammzellforschung und Kapitel V.: 6. Rahmenprogramm für die Forschung]. Deutsche
Online-Version
Direktion des Europäischen Parlaments zur Beurteilung technologischer Optionen (Scientific and
Technological Options Assessment / STOA): Ethische Aspekte der Forschung an menschlichen
Embryonen - Abschließende Studie. Arbeitsdokument für das Stoa-Panel [Juli 2000]. Deutsche
Online-Version
Europarat (Council of Europe (COE))
Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die
Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom
04. April 1997.
Englische Online-Version
Deutsche Online-Version
Eine Übersicht über den aktuellen Unterschriften- und Ratifikationsstand des Übereinkommens findet
sich auf den Internet-Seiten des Europarats. Online-Version
Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde
im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von
menschlichen Lebewesen vom 12. Januar 1998.
Englische Online-Version
Deutsche Online-Version
Eine Übersicht über den aktuellen Unterschriften- und Ratifikationsstand des Zusatzprotokollsfindet
sich auf den Internet-Seiten des Europarats: Online-Version
Frankreich
Loi n° 2004-800 du 6 août 2004 relative à la bioéthique Online-Version
Geklonte Zellen zur Krankheitsbekämpfung
Der menschliche Körper hat ein Immunsystem dessen Aufgabe es ist körperfremdes Material, wie z.B.
Bakterien oder Viren oder auch körpereigenes Material z.B. alte, absterbende und verletzte Zellen,
zu erkennen und in ihrer Wirktätigkeit zu behindern, sie zu isolieren und so möglichen entstehenden
Schaden für den Gesamtorganismus abzuwenden.
Wissenschaftlern ist es gelungen aus den weißen Blutkörperchen, einem wichtigen Bestandteil des
Immunsystems, sogenannte CD4+ T-Zellen zu isolieren und im Labor durch Klonen zu vervielfachen.
Anschließend wurden die Zellen dem Patienten wieder injiziert, woraufhin eine Heilung einsetzte.
Die geklonten, potenten CD4+ T-Zellen richten sich gezielt gegen das Antigen NY-ESO-1, welches
auf der Oberfläche von Schwarzem Hautkrebs lokalisiert ist.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
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DRZE/Im Blickpunkt
Cassian Yee, M.D. (u.a) (2008): Treatment of Metastatic Melanoma with Autologous CD4+ T Cells
against NY-ESO-1, In: The New England journal of medicine. - Online-Version
Die Effektivität der Therapie muss in den nächsten Jahren noch ausgebaut werden, da derzeit nur ein
spezifischer Hautkrebstyp mit dem geeigneten Immunsystem mit dieser Therapie behandelt werden
kann.
Genetische Identität
Der durch Zellkerntransfer geklonte Embryo ist hinsichtlich des im Zellkern enthaltenen Erbmaterials
genetisch identisch mit dem Zellkernspender. Die Mitochondrien - Zellbestandteile (Zellorganelle),
die der Energiegewinnung innerhalb der Zelle dienen - des geklonten Embryos stammen von den
Mitochondrien der für die Zellkernübertragung benutzten entkernten Eizelle ab. Hinsichtlich des
mitochondrialen Erbmaterials unterscheidet sich der durch Zellkerntransfer geklonte Embryo also
vom Spender des Zellkerns. Vollständige genetische Identität kann demnach nur erreicht werden,
wenn die Eizelle sowie der übertragene Zellkern von genetisch identischen Organismen stammen.
Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen
Zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen wird der Embryo im Blastozystenstadium, ca. fünf
Tage nach dem Zellkerntransfer, zerstört. Die Blastozyste besteht aus einem äußeren Nährgewebe
(Trophoblast), das die innere Zellmasse, aus der sich Stammzellen gewinnen lassen, umhüllt. Durch
Laserstrahlen oder unter Einsatz von Antikörpern wird der Trophoblast aufgelöst, so dass die innere
Zellmasse isoliert und in die Petrischale überführt werden kann. Nach Zugabe von bestimmten
Wachstumsstoffen können sich diese Zellen unendlich häufig teilen, ohne sich zu spezialisieren.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
20
DRZE/Im Blickpunkt
Zur Gewinnung der Stammzellen wird der Trophoblast durch Antikörpern oder durch Laserstrahlen
zerstört. Die innere Zellmasse wird in einer Zellkulturschale in einem speziellen Nährmedium
aufgenommen und kultiviert. Die Zellen können unter den Zellkulturbedingungen zu ESZellen entwickeln. Diese könne entweder unbegrenzt weiter teilen oder durch Zugabe von
Wachstumsfaktoren zu Medium zur Differenzierung in verschieden Gewebetypen angeregt werden.
Eine Spezialisierung erfolgt erst, wenn spezifische Wachstumsfaktoren ins Nährmedium gegeben
werden. Der Vorteil, der sich von einer Therapie mit klonierten Zellen erhofft wird, ist die hohe
Immunkompatibilität aufgrund der genetischen Identität zwischen den transplantierten Zellen und
dem Empfänger.
Von der erfolgreichen Kultur und Vermehrung menschlicher embryonaler Stammzellen in der
Petrischale, welche die Voraussetzung für die weitere Forschung auf diesem Gebiet ist, berichtete
1998 erstmals ein US-amerikanisches Forscherteam (Thomson et al. 1998). Die zur Kultur
verwendeten Stammzellen entnahmen sie "überzähligen" Embryonen, die zum Zweck der Therapie
von Fertilitätsstörungen hergestellt worden waren. Den aktuellen Stand der Möglichkeiten einer
Stammzelltherapie stellt Schöler (2004) dar. Siehe dazu auch den Blickpunkt "Forschung mit
humanen embryonalen Stammzellen" . Eine dezidierte Einführung in die naturwissenschaftlichen,
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
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DRZE/Im Blickpunkt
ethischen und rechtlichen Aspekte der Stammzellforschung bietet der DRZE-Sachstandsbericht
"Stammzellenforschung".
Thomson, J. A. / Itskowitz-Elder, J. / Shapiro, S. S. / Waknitz, M. A. / Swiergiel, J. J. / Marshall, V.
S. / Jones, J. M. (1998): Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. In: Science 282,
1145-1147. - Online-Version
Schöler, Hans R. (2004): Das Potenzial von Stammzellen. Eine Bestandsaufnahme. In:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47(6), 565-577.
Heinemann, Thomas / Kersten, Jens (2007): Stammzellforschung. Naturwissenschaftliche, ethische
und rechtliche Aspekte. Bd. 4 der Reihe Ethik in den Biowissenschaften - Sachstandsberichte des
DRZE. Freiburg i.B.: Verlag Karl Alber.
Gewinnung von Stammzellen aus Kerntransfer-Embryonen: Verfechter und Kritiker
Die Gewinnung von Stammzellen aus Kerntransfer-Embryonen ist in Großbritannien unter
bestimmten Voraussetzungen erlaubt. In den USA ist sie bundesrechtlich nicht verboten. Jedoch wird
diese nicht mit Bundesmitteln gefördert. Am 27. Juni 2003 hat das amerikanische Repräsentantenhaus
den Entwurf eines Gesetzes gegen das Klonen von Menschen verabschiedet, das auch ein Verbot
der Herstellung von Kerntransfer-Embryonen vorsieht. Das President's Council on Biothics, das von
Präsident George W. Bush eingerichtet wurde, legte am 11. Juli 2002 einen Report "Human Cloning
and Human Dignity. An Ethical Inquiry" vor. In diesem Report stimmten 10 der 18 Mitglieder des
Councils für ein vierjähriges Moratorium des so genannten therapeutischen Klonens, 7 Mitglieder
sprachen sich für eine sofortige, bedingte Zulassung des so genannten therapeutischen Klonens aus.
In Frankreich ist die Erzeugung von Kerntransfer-Embryonen untersagt (vgl. Teil II: " Ausgewählte
nationale und internationale Gesetze und Regelungen ").
In Deutschland verbietet das Stammzellgesetz die Einfuhr von Produkten, die von KerntransferEmbryonen stammen. Ob das deutsche Embryonenschutzgesetz auch die Herstellung von
Kerntransfer-Embryonen verbietet, oder ob diesbezüglich eine Regelungslücke vorliegt, wird unter
Rechtsexperten kontrovers diskutiert. Die Argumente sind u.a. in dem Papier des Wissenschaftlichen
Beirats "Bio- und Gentechnologie" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion "Biologische, rechtliche und
ethische Überlegungen zu aktuellen Ergebnissen der Forschung an embryonalen Stammzellen sowie
zum Begriff 'Totipotenz'" vom 27. Januar 2003 dargestellt. Das Papier bespricht auch ein spezielles
Szenario zur Herstellung von Kerntransfer-Embryonen. Dieses sieht die Verwendung von Eizellen
vor, die aus modifizierten humanen embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Diese Stammzellen
werden so modifiziert, dass sich aus den Eizellen, die aus ihnen gewonnen werden, auch nach einem
Zellkerntransfer kein lebensfähiger Embryo entwickeln kann, wohl aber ein blastozystenähnliches
Gebilde, aus dem sich Stammzellen entnehmen lassen.
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin" hat
sich in ihrem "Zweiten Zwischenbericht: Teilbericht Stammzellforschung" vom 12. November 2001
für eine gesetzliche Klarstellung ausgesprochen, dergestalt, dass "alle Varianten des Klonens von
menschlichen Embryonen und Feten, geborenen Menschen und verstorbenen Menschen durch das
Embryonenschutzgesetz verboten sind".
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
22
DRZE/Im Blickpunkt
Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung
menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz - StZG) [28. Juni 2002, Inkrafttretung 1.
Juli 2002] Online-Version
Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - EschG) [13. Dezember 1990,
Inkrafttretung 1. Januar 1991] Online-Version
Wissenschaftlicher Beirat "Bio- und Gentechnologie" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
"Biologische, rechtliche und ethische Überlegungen zu aktuellen Ergebnissen der Forschung an
embryonalen Stammzellen sowie zum Begriff "Totipotenz'" [27. Januar 2004] Online-Version
Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin": Zweiter
Zwischenbericht der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin - Teilbericht
Stammzellforschung [21. November 2001] Online-Version
Großbritannien
Die britischen Bestimmungen zur Forschung an Embryonen sind im Human Fertilisation and
Embryology Act und zusätzlich in den "Human fertilisation and embryology (research purposes)
regulations 2001 (statutory instrument 2001 No. 188)" vom 24. Januar 2001 niedergelegt.
Danach erlaubt die HFEA in Zukunft eine Lizenzvergabe zur Herstellung und Erforschung
von Embryonen für folgende Zwecksetzungen: Fortschritte bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung,
Erkenntnisgewinn über Gründe angeborener Krankheiten, Erkenntnisgewinn über Gründe
von Fehlgeburten, Effektivierung von Verhütungsmethoden, Verbesserung der Methoden der
Präimplantationsdiagnostik, Vergrößerung der Erkenntnis über die Entwicklung von Embryonen,
Erkenntnisgewinn bei schweren Krankheiten, Anwendung der Erkenntnisse zur Entwicklung von
Behandlungsmöglichkeiten schwerer Krankheiten.
Die vom britischen Unterhaus am 19. Dezember 2000 und vom britischen Oberhaus am 22.
Januar 2001 angenommene Ergänzung im "Human fertilisation and embryology act" erlaubt der
HFEA in Zukunft eine Lizenzvergabe zur Herstellung von Embryonen zur Forschung für folgende
Zwecksetzungen: (a) Gewinnung von Kenntnissen über die Entwicklung von Embryonen, (b)
Gewinnung von Kenntnissen über schwere Krankheiten sowie (c) Befähigung der Anwendung
derartigen Wissens für die Entwicklung von Behandlungen schwerer Krankheit.
Human Fertilisation and Embryology Act, London: HMSO, 1990. Online-Version
The human fertilisation and embryology (research purposes) regulations 2001 (statutory instrument
2001 No. 188) vom 24. Januar 2001. Online-Version
Internet-Dokumentation der Debatte im House of Commons vom 19. Dezember 2000. OnlineVersion
Human Reproductive Cloning Act, 2001. Onlline-Version
Im November 2006 hat Dr. Lyle Armstrong der University of Newcastle upon Tyne bei
der HFEA beantragt, mit Eizellen der Kuh menschliche Embryonen zu klonieren, um aus
ihnen embryonale Stammzellen gewinnen zu können. Aufgrund der Knappheit von humanen
Einzellen sei die Verwendung von tierischen Zellen nötig, um Grundlagenwissen zu erlangen und
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
23
DRZE/Im Blickpunkt
Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Die HFEA erklärte in einer Pressemitteilung, dass nicht vor
Januar 2007 mit einem Ergebnis über die Zulassung gerechnet werden dürfe.
Newcastle University (2006): Researchers seek permission for stem cell work using animal eggs.
Online-Version
Human Fertilisation and Embryology Authority (2006): Use of animal eggs in embryo research.
Online-Version
In Reaktion darauf hat das britische Gesundheitsministerium (Department of Health) am 27. Mai 2007
den Gesetzesentwurf "Human Tissues and Embryos (Draft) Bill" vorgelegt, mit dem der "Human
Fertilisation and Embryology Act" revidiert werden soll. Darin sind unter anderem Lockerung
der Forschungsverbote an Hybriden und Chimären wie auch die Etablierung einer einheitlichen
Regulierungsbehörde (Regulatory Authority for Tissue and Embryos - RATE) vorgesehen. Die RATE
soll die Arbeit der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) und der Human Tissue
Authority (HTA) übernehmen.
Departmenf of Health (2007): Human Tissues and Embryos (Draft) Bill. Online-Version
Identitätsargument
Das Identitätsargument besagt, dass ein Lebewesen zu jedem Zeitpunkt seiner Entwicklung mit dem
Lebewesen, das es zu einem früheren Zeitpunkt war, identisch ist. Also über die Zeit hinweg bleibt
ein Mensch derselbe, der er schon als Embryo war. Die Würde einer Person kann diesem Argument
zufolge nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzukommen, sondern muss von Beginn der Existenz
des Individuums diesem zuerkannt werden.
Japan
Im Dezember 1998, unmittelbar nach der Veröffentlichung der erfolgreichen Etablierung
menschlicher ES-Zelllinien durch die Arbeitsgruppe von J. Thomson in Wisconsin, USA, hat das
Bioethik-Komitee der japanischen Kommission für Wissenschaft und Technologie einen speziellen
Ausschuss für die Beurteilung der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen (ES-Zellen)
gebildet, der sich aus drei Biologen, drei Juristen, vier Ärzten, einem Philosophen, einem Ethiker und
einer Journalistin des NHK-Rundfunks zusammensetzte. Dieser Ausschuss hat in vierzehn Sitzungen
zwischen dem 9. Februar 1999 und dem 6. März 2000 Richtlinien für die Forschung an menschlichen
ES-Zellen in Japan verfasst.
Diese Richtlinien folgen im wesentlichen den Empfehlungen der Stellungnahme der amerikanischen
National Bioethics Advisory Commission "Ethical Issues in Human Stem Cell Research" vom
September 1999. Ein Unterschied betrifft allerdings die Empfehlung, die Etablierung menschlicher
ES-Zellinien aus überzähligen Embryonen zu fördern, die im Kontext reproduktionsmedizinischer
Behandlungen erzeugt wurden.
Die wichtigsten Punkte der Stellungnahme über die Forschung an menschlichen ES-Zellen sind hier
wiedergegeben, da die Stellungnahme derzeit nur japanisch vorliegt:
Trotz der Vorbehalte menschliche Embryonen zu Forschungszwecken zu verwenden, wird
vorgebracht, dass die Etablierung menschlicher ES-Zellen für die Entwicklung von Medizin sehr
hochrangigen Nutzen bringen können.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
24
DRZE/Im Blickpunkt
In dieser Hinsicht soll die Forschung an menschlichen Embryonen nur unter den folgenden
Bedingungen erlaubt werden:
1 Embryonen dürfen nicht eigens zu Forschungszwecken erzeugt werden.
2 Es dürfen nur solche Embryonen zu Forschungszwecken verwendet werden, die im Rahmen einer
Infertilitätsbehandlung aus in vitro befruchteten Eizellen entstanden sind und zu diesem Zweck
nicht mehr verwendet werden, unter der Voraussetzung, dass eine schriftliche Einwilligung beider
biologischer Eltern vorliegt.
3 Die Forschung an menschlichen ES- Zellen muss für die Medizin und die Wissenschaften
hochrangig sein.
4 Das Forschungsvorhaben muss es notwendig machen, menschliche Embryonen zu verwenden,
und die Alternativlosigkeit muss wissenschaftlich bestätigt sein.
5 Die Forschungen müssen einer Kontrolle unterzogen werden.
6 Das Forschungsvorhaben, für das menschliche Embryonen verwendet werden sollen, muss
im Ethikausschuss des betreffenden Instituts hinsichtlich der wissenschaftlichen und ethischen
Aspekte unabhängig geprüft werden. Das Votum des Ethikausschusses muss anschließend in einer
noch einzusetzenden staatlichen Kommission bestätigt werden.
7 Die Genehmigungsverfahren, die Forschungsvorhaben und die Forschungsergebnisse müssen
veröffentlicht werden.
Folgende Forschungsziele sollen verboten werden:
1 Forschung, die darauf abzielt, aus menschlichen ES-Zellen ein vollständiges Individuum beispielsweise durch Zellkerntransfer in eine enukleierte Eizelle - zu entwickeln.
2 Übertragung menschlicher ES-Zellen in einen humanen Embryo im Präimplantationsstadium
(Blastozysteninjektion).
3 Übertragung menschlicher ES-Zellen auf einen humanen Fötus.
4 Die Erzeugung eines Individuums aus einem Tierembryo im Präimplantationsstadium, in den
menschliche ES-Zellen übertragen wurden.
5 Chimären- oder Hybridbildung.
In den Verboten 2. - 4. ist die Übertragung der nach der Differenzierung der ES-Zellen
erhaltenen Zellen oder Geweben nicht beschlossen. Die Übertragung menschlicher ES-Zellen auf
einen Tierembryo im Präimplantationsstadium soll zur Zeit nicht erlaubt werden. Übertragungen
menschlicher ES-Zellen auf ein Tier oder einen tierischen Fötus sollen im Einzelfall geprüft werden.
Klonen des Menschen
Im Januar 2008 hat eine Forschergruppe das erstmalige erfolgreiche Klonen von Menschenembryonen
publiziert. Dabei wurde aus menschlichen adulten Hautzellen der Zellkern entfernt und in höchstens
zwei Stunden alte entkernte Eizellen übertragen. Die entstandenen Klonen entwickelten sich bis zum
Blastozystenstadium, wurden dann aber zu Untersuchungszwecken getötet.
French, Andrew J.; Adams, Catharine A.; Anderson, Linda S.; Kitchen, John R.; Hughes, Marcus
R.; Wood, Samuel H. (2008): Development of Human cloned Blastocysts Following Somatic Cell
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
25
DRZE/Im Blickpunkt
Nuclear Transfer (SCNT) with Adult Fibroblasts, in: Stem Cells Express, online veröffentlicht am 17.
Januar 2008; doi:10.1634/stemcells.2007-0252. Online-Version
Kontinuitätsargument
Das Kontinuitätsargument besagt, dass die Entwicklung eines Embryos zum geborenen Menschen
so kontinuierlich verläuft, dass man keine markanten Einschnitte setzen kann, aus denen dann eine
Änderung des moralischen Status zu begründen wäre. Die Würde der erwachsenen Person geht
demnach auch zurück auf den frühen Embryo und muss ihm diesem Argument zufolge zuerkannt
werden.
Moralischer Status des menschlichen Embryos
Bei der Problematik des Status des menschlichen Embryos wird danach gefragt, als welches Gut
der menschliche Embryo betrachtet wird. Dabei wird vor allem ein abgestuftes von einem nichtabgestuften Schutzkonzept unterschieden. Die verschiedenen Argumentationsweisen bei der Frage
nach dem Status des Embryos werden im Blickpunkt "Stammzellforschung" detaillierter dargelegt.
Eine erste Orientierung über die Auseinandersetzung um das im Hinblick auf den Umgang mit
menschlichen Embryonen verbindliche ethische Schutzkonzept und seine verschiedenen Varianten
gibt:
Dabrock, Peter / Ried, Jens (Hg.) (2005): Therapeutisches Klonen als Herausforderung für die
Statusbestimmung des menschlichen Embryos. Paderborn: Mentis, 31-55.
Beckmann, Rainer / Löhr, Mechthild (Hg.) (2003): Der Status des Embryos. Medizin - Ethik - Recht.
Würzburg: Johann Wilhelm Naumann.
Honnefelder, Ludger (2002): Die Frage nach dem moralischen Status des menschlichen Embryos.
In: Höffe, Otfried / Honnefelder, Ludger / Isensee, Josef / Kirchhof, Paul: Gentechnik und
Menschenwürde. An den Grenzen von Ethik und Recht. Köln: DuMont, 79-110.
Honnefelder, Ludger (1998): Natur und Status des menschlichen Embryos: Philosophische Aspekte.
In: Dreyer, Mechthild / Fleischhauer, Kurt (Hg.): Natur und Person im ethischen Disput. Freiburg
i.B./München: Verlag Alber, 259-285.
Für ein nicht-abgestuftes Schutzkonzept argumentieren z.B.:
Honnefelder, Ludger (2002): Die Frage nach dem moralischen Status des menschlichen Embryos.
In: Höffe, Otfried / Honnefelder, Ludger / Isensee, Josef / Kirchhof, Paul: Gentechnik und
Menschenwürde. An den Grenzen von Ethik und Recht. Köln: DuMont, 79-110.
Honnefelder, Ludger (1998): Natur und Status des menschlichen Embryos: Philosophische Apekte.
In: Dreyer, Mechthild / Fleischhauer, Kurt (Hg.): Natur und Person im ethischen Disput. Freiburg
i.B./München: Verlag Karl Alber, 259-285.
Rager, Günter (1996): Embryo - Mensch - Person: Zur Frage nach dem Beginn des personalen Lebens.
In: Beckmann, Jan P. (Hg.): Fragen und Probleme einer medizinischen Ethik. Berlin: De Gruyter,
254-278.
Ein abgestuftes Schutzkonzept vertreten z.B.:
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
26
DRZE/Im Blickpunkt
Lockwood, Michael (1990): Der Warnock-Bericht: eine philosophische Kritik. In: Leist , Anton (Hg.):
Um Leben und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künstlicher Befruchtung, Euthanasie und
Selbstmord. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 235-264.
Sass, Hans-Martin (1989): Hirntod und Hirnleben. In: ders. (Hg.): Medizin und Ethik. Stuttgart:
Reclam, 160-183.
Einen vertiefenden Einblick in die Diskussion der Frage, welche moralische Schutzwürdigkeit dem
menschlichen Embryo zuzusprechen ist, sowie zahlreiche weiterführende Literaturhinweise gibt:
Rager, Günter (Hg.) (1998): Beginn, Personalität und Würde des Menschen. Freiburg i.B./München,
Verlag Karl Alber.
Pluripotenz und Totipotenz
Kontrovers diskutiert wird, ob menschliche embryonale Stammzellen sich unter den Bedingungen der
Zellkultur in totipotente Zellen umwandeln können (Denker 1999). Totipotenz bedeutet, dass sich aus
einer Stammzelle unter geeigneten Bedingungen ein gesamter lebensfähiger Organismus entwickeln
kann und sich Stammzellen zu sämtlichen Zelltypen eines Organismus differenzieren können.
Allerdings lässt sich Totipotenz experimentell - nicht zuletzt wegen der ethischen Probleme - nicht
nachweisen, da man dazu einen vollständigen Organismus heranreifen lassen müsste. Ebensowenig
gibt es einen Nachweis vom sicheren Ausschluss der Totipotenz. Dennoch wird in der Wissenschaft
eher von Pluripotenz, d.h. von der Fähigkeit embryonaler Stammzellen sich in nahezu alle Zelltypen
zu entwickeln, als besonderes Merkmal von Stammzellen gesprochen.
Zur Bestimmung des Begriffs der "totipotenten Zelle" durch den Gesetzgeber vgl. Paragraph 8 des
Embryonenschutzgesetzes (EschG). Im ESchG wird jeder totipotenten menschlichen Zelle die volle
Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos zuerkannt. Insofern hat der Begriff der Totipotenz
ethische und rechtliche Implikationen (Denker 2000, Heinemann 2000, 2005).
Einen Überblick über den Verlauf der frühen Embryonalentwicklung unter besonderer
Berücksichtigung der naturwissenschaftlichen Phänomene der Totipotenz und Pluripotenz gibt Beier,
2000.
Beier, Henning M. (2000): Zum Status des menschlichen Embryos in vitro und in vivo vor der
Implantation. In: Reproduktionsmedizin 16 (5), 332-342.
Denker, Hans-Werner (1999): Zur Thematik "Embryonale Stammzellen". In: Marburger Bund:
Ärztliche Nachrichten (8), 2.
Denker, Hans-Werner (2000): Embryonale Stammzellen und ihre ethische Wertigkeit. Aspekte des
Totipotenz- Problems. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 5, 291-304.
Heinemann, Thomas (2000): Klonierung menschlicher embryonaler Stammzellen. Zu den
Statusargumenten aus naturwissenschaftlicher und moralphilosophischer Sicht. In: Jahrbuch für
Wissenschaft und Ethik 5, 259-276.
Heinemann, Thomas (2005): Klonierung beim Menschen. Analyse des Methodenspektrums und
internationaler Vergleich der ethischen Bewertungskriterien. Studien zu Wissenschaft und Ethik Bd.1.
Berlin, New York: De Gruyter.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
27
DRZE/Im Blickpunkt
Keller, Rolf / Günther, Hans-Ludwig / Kaiser, Peter (1992): Embryonenschutzgesetz. Kommentar
zum Embryonenschutzgesetz. Stuttgart: Kohlhammer.
Potentialitätsargument
Das Potentialitätsargument bezieht sich auf das reale tatsächliche Vermögen eines menschlichen
Embryos, sich zu einem Subjekt zu entwickeln. Das Argument besagt, dass selbst z.B. ungeborene
oder bewusstlose Menschen, die zeitweise nicht tatsächlich bewusst handeln können, dennoch
potentiell handelnde Subjekte sind und ihnen daher die Würde eines Subjekts zukommt.
Schweiz
Grundsätzlich ist der Verfassungsartikel über Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im
Humanbereich in Fragen des Klones einschlägig.
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Artikel 119 "Fortpflanzungsmedizin und
Gentechnologie im Humanbereich" Online-Version
Das Stammzellforschungsgesetz regelt die Auflagen, unter denen in der Schweiz an humanen
embryonalen Stammzellen geforscht werden darf. Expliziert wird dieses Gesetz durch die
Stammzellforschungsverordnung. Beide sind am 1. März 2005 in Kraft getreten.
Bundesgesetz über die Forschung an embryonalen Stammzellen (Stammzellenforschungsgesetz,
StFG) Online-Version
Verordnung über die Forschung an embryonalen Stammzellen (Stammzellenforschungsverordnung,
VStFG) Online-Version
Stammzellen aus Primatenembryonen
Als großen Schritt hin zum Therapeutischen Klonen wird die erstmalige Gewinnung von Stammzellen
aus zuvor klonierten Primatenzellen bewertet, die im November 2007 in Nature beschrieben wird.
Dazu wurden Zellkerne aus Hautzellen von Rhesusaffen per Zellkerntransfer in entkernte Eizellen
geschleust, welche sich zu Blastozysten entwickelten. Aus diesen wurden wiederum Stammzellen
gewonnen, welche nun genetisch weitgehend identisch mit den ursprünglichen Spenderzellen sind.
Dieses Verfahren war zuvor im Bereich der Säugetiere bislang nur bei Mäusen gelungen.
J. A. Byrne, J.A. / Pedersen, D.A. / Clepper, L.L. / Nelson, M. / Sanger, W.G. / Gokhale, S. /
Wolf, D.P. / Mitalipov, S.M. (2007): Producing primate embryonic stem cells by somatic cell nuclear
transfer. In: Nature 450, 497-502. - Online-Version
Therapeutisches Klonen bei Parkinson-Mäusen
Aus 24 an Parkinson erkrankten Mäusen wurden via Zellkerntransfer 187 Stammzelllinien
etabliert, die zur Herstellung von Dopamin notwendig sind. Dieser neuronale Botenstoff wird bei
Parkinsonpatienten in nicht hinreichenden Mengen synthetisiert. Nach Injektion der Neuronen in
die jeweilige Spendermaus kam es zu keinen besonderen Immunreaktionen. Vielmehr zeigte sich
eine deutliche Linderung der Parkinson-Symptomatik. Inwiefern diese Ergebnisse auf den Menschen
übertragbar sind, bleibt abzuwarten.
Tabar, Viviane / Tomishima, Mark / Panagiotakos, Georgia / Wakayama, Sayaka / Menon, Jayanthi /
Chan, Bill / Mizutani, Eiji / Al-Shamy, George / Ohta, Hiroshi / Wakayama, Teruhiko / Studer, Lorenz
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
28
DRZE/Im Blickpunkt
(2008): Therapeutic cloning in individual parkinsonian mice. In: Nature Medicine, Published online:
23 March 2008. - Online-Version
Therapeutisches Klonen: Alternativen und Validität
Vor allem Forschung an adulten Stammzellen wird als Alternative zur Grundlagenforschung
und möglichen Therapieentwicklung mit embryonalen Stammzellen betrachtet. Stammzellen
dienen nämlich nicht nur der Entwicklung im embryonalen Gewebe, sondern kommen auch bei
ausgewachsenen Organismen beispielsweise im blutbildenenden Knochenmark oder im Gehirn vor.
Wenn in einem (bis jetzt nicht) möglichen Therapieverfahren Spender und Empfänger identisch
sind, könnten Probleme der Immunkompatibilität umgangen werden, ohne dass auf die Herstellung
embryonaler Stammzellen zurückgegriffen werden müsste.
Auch hinsichtlich der Entartung durch Tumorbildung scheinen adulte Stammzellen weniger anfällig
zu sein. Dennoch sind adulte Stammzellen bereits in bestimmtem Maße differenziert, so dass sie
ein wesentlich geringeres Entwicklungspotential aufweisen als embryonale Stammzellen. Zudem
ist die Anzahl und damit die Verfügbarkeit adulter Stammzellen, da ihre Kultivierungs- und
Differenzierungsbedingungen weitgehend unbekannt sind, begrenzt. Die Möglichkeiten und Grenzen
der Verwendung adulter Stammzellen stellt Schöler (2004) zusammenfassend dar.
Für eine verstärkte Einbeziehung der Frage nach alternativen Methoden zur Gewinnung menschlicher
pluripotenter Zellen bzw. zur Erreichung der mit dem "therapeutischen Klonen" verfolgten Ziele ohne Erzeugung oder Verbrauch menschlicher Embryonen oder totipotenter menschlicher Zellen in die ethische Urteilsbildung, sprechen sich z.B. Rendtorff et al. (2000) und Honnefelder (2000)
aus. Dieselben Autoren plädieren auch dafür, die Frage nach einer hinreichenden vorgängigen
tierexperimentellen Absicherung des mit diesem Verfahren verfolgten therapeutischen Konzepts in
die ethische Urteilsbildung miteinzubeziehen.
Schöler, Hans R. (2004): Das Potenzial von Stammzellen. Eine Bestandsaufnahme. In:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47(6), 565-577.
Rendtorff, Trutz / Winnacker, Ernst-Ludwig / Hepp, Hermann / Hofschneider, Peter Hans / Korff,
Wilhelm / Knoepffler, Nikolaus / Kupatt, Christian / Haniel, Anja (1999): Das Klonen von Menschen.
Überlegungen und Thesen zum Problemstand und zum Forschungsprozess. In: Forum TTN 2, 4-23
(insb. 19-21). Online-Version
Honnefelder, Ludger (2000): Ohne Alternative? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.8.2000.
Für eine Förderung von Ansätzen zur Stammzellgewinnung, die ohne den Verbrauch menschlicher
Embryonen auskommen, votiert auch der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen
Ärztetages, Jörg-Dietrich Hoppe. Hoppe spricht sich zugleich dafür aus, die Forschung an
embryonalen Stammzellen gesetzgeberisch - zumindest vorläufig - nicht zuzulassen, um so nicht die
Dringlichkeit aufzuheben, die alternativen Ansätze weiterzuverfolgen.
Jachertz, Norbert (2001): Eine Sieger-Besiegten-Stimmung darf nicht aufkommen. Interview mit
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen
Ärztetages, über PID, PND, Embryonenschutz und die Haltung der Ärzteschaft. Deutsches Ärzteblatt,
98 (20), 18. Mai 2001, A 1292 - 1294, insbes. A 1294. Online-Version
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
29
DRZE/Im Blickpunkt
Transplantationszwecke
Munsie et al. berichteten 2000 von der erfolgreichen Kultur und ersten Differenzierungsschritten
embryonaler Stammzellen der Maus, die sie aus geklonten Mäuseembryonen gewonnen hatten. Was
gegenwärtig mit Stammzellen machbar ist und was in Zukunft noch zu erwarten ist, erläutert Schöler
(2004).
Munsie, Megan J. / Michalska, Anna E. / O'Brian, Carmel M. / Trounson, Alan O. / Pera,
Martin F. / Mountford, Peter S. (2000): Isolation of pluripotent embryonic stem cells from
reprogrammed adult mouse somatic cell nuclei. In: Current Biology 10 (16), 989-992; doi: 10.1016/
S0960-9822(00)00648-5. Online-Version
Schöler, Hans R. (2004): Das Potenzial von Stammzellen. Eine Bestandsaufnahme. In:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47(6), 565-577.
UNESCO
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte vom 11. November 1997.
Englische Online-Version
Deutsche Online-Version
UNO: Verhandlungen über ein internationales Übereinkommen gegen das reproduktive Klonen von
Menschen
Eine detaillierte Übersicht über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen einschließlich der
Entschließungsentwürfe findet sich auf den Internet-Seiten der UNO: Online-Version
USA
Stellungnahme des US-amerikanischen Bundesgesundheitsministeriums:
HHS Fact Sheet: Stem Cell Research, 19. Januar 1999: "The Department of Health and Human
Services has concluded that current law permits federal funds to be used for research utilizing human
pluripotent stem cells. This decision is consistent with existing congressional restrictions on human
embryo research and with federal law and regulations governing human fetal tissue research. The
National Institutes of Health (NIH) plans to move forward in a careful and deliberate fashion to
develop rigorous guidelines that address the special ethical, legal, and moral issues surrounding this
research. The NIH will not be funding any research using pluripotent stem cells until guidelines are
developed and widely disseminated to the research community and an oversight process is in place.
[...]
After a thorough analysis of the law, DHHS concluded that the congressional prohibition on the use
of DHHS funds for certain types of embryo research does not apply to research utilizing human
pluripotent stem cells because such cells are not an embryo as defined by statute. Moreover, because
pluripotent stem cells do not have the capacity to develop into a human being, they cannot be
considered human embryos consistent with the commonly accepted or scientific understanding of
that term. The legal opinion also clarified that pluripotent stem cells derived from non-living fetuses
would fall within the legal definition of human fetal tissue and are, therefore, subject to certain Federal
restrictions on the use of such tissue."
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
30
DRZE/Im Blickpunkt
U.S. Department of Health and Human Services (1999): HHS Fact Sheet: Stem Cell Research. OnlineVersion
Stellungnahme der National Bioethics Advisory Commission: Ethical Issues in Human Stem Cell
Research, September 1999:
Executive Summary Online-Version
Volume I: Report and Recommendations of the National Bioethics Advisory Commission OnlineVersion
Volume II: Commissioned Papers Online-Version
Volume III: Religious Perspectives Online-Version
Richtlinie der National Institutes of Health: Guidelines for Research Using Human Pluripotent Stem
Cells, 25, August 2000 "The National Institutes of Health (NIH) is hereby publishing final National
Institutes of Health Guidelines for Research Using Human Pluripotent Stem Cells. The Guidelines
establish procedures to help ensure that NIH-funded research in this area is conducted in an ethical
and legal manner."
Guidelines for Research Using Human Pluripotent Stem Cells, 25, August 2000 Online-Version
Gesetzesvorlage im US-Kongress: Stem Cell Research Act of 2000 (Introduced in the Senate) OnlineVersion
Zellkernübertragung
Für das Verfahren der Zellkernübertragung (Zellkerntransfer, engl. cell nuclear transfer (CNT) bzw.
somatic cell nuclear transfer (SCNT)) wird zum einen ein Zellkern, zum anderen eine Eizelle ohne
eigenen Zellkern benötigt.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
31
DRZE/Im Blickpunkt
Der Zellkern kann dabei praktisch aus jeder adulten Körperzelle des Spenders durch Absaugen
mit einer Hohlnadel (Aspiration) isoliert werden. Eizellen werden nach einer speziellen, körperlich
belastenden Hormonbehandlung aus den Eierstöcken der Spenderin gewonnen. Der ursprüngliche
Kern der Eizelle wird meist durch Aspiration mit einer Hohlnadel entfernt. Der eigentliche Transfer
des neuen Zellkerns in die entkernte Eizelle erfolgt üblicherweise durch Mikroinjektion, d.h. der neue
Kern wird direkt in das Zytoplasma der Eizelle injiziert. Im Anschluss daran wird die so erzeugte Zelle
aktiviert, so dass sie anfängt, sich zu teilen. Dies geschieht beispielsweise durch einen elektrischen
Impuls oder durch die direkte Injektion von Calcium-Ionen in die Zelle. In einem entsprechenden
Nährmedium kann sich die Zelle dann bis zur Blastozyste oder noch weiter entwickeln.
Das
Verfahren der Herstellung von Säugetier-Embryonen durch die Übertragung des Zellkerns einer
adulten Körperzelle auf eine entkernte Eizelle wurde 1997 durch Wilmut et al. erstmals beschrieben,
die es bei der Herstellung des Klonschafs Dolly einsetzten. 1998 berichteten Wakayama et al. über
den erfolgreichen Einsatz einer ähnlichen Technik bei der Maus. Obwohl die Methode seither bei
weiteren Tierarten erfolgreich durchgeführt wurde, wie z.B. beim Schwein, beim Rind, beim Hund
und bei der Ratte, ist nicht sicher, ob sie auch am Menschen gelingen kann. Als [nichthumane]
Primaten wurden bislang nur Rhesusaffen erfolgreich geklont und zur Geburt gebracht (Meng et al.
1997). Dieser Versuch konnte jedoch nicht erfolgreich wiederholt werden. Im Jahr 2004 hatte die
Forschergruppe um den koreanischen Arzt Hwang publiziert, menschliche embryonale Stammzellen
mittels Zellkerntransfers gewonnen zu haben. Diese Ergebnisse stellten sich jedoch als manipuliert
heraus und wurden vom Science-Magazin widerrufen.
Meng, L. / Ely, J.J. / Stouffer, R.L. / Wolf, D.P. (1997): Rhesus monkeys produced by nuclear transfer.
In: Biology of Reproduction 57, 454-459. - Online-Version
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
32
DRZE/Im Blickpunkt
Wakayama, T. / Perry, A. C. F. / Zuccotti, M. / Johnson, K. R. / Yanagimachi, R. (1998): Full-term
development of mice from enucleated oocytes injected with cumulus cell nuclei. In: Nature 394, S.
369-373.
Wilmut, I. / Schnieke, A. E. / McWhir, J. / Kind, A. J. / Campbell, K. H. S. (1997): Viable offspring
derived from fetal and adult mammalian cells. In: Nature 385, S. 810-813.
Special Online Collection: Hwang et al. and Stem Cell Issues.
http://www.drze.de/im-blickpunkt/forschungsklonen
33

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