von spar ibeyi - bureauexport Berlin

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von spar ibeyi - bureauexport Berlin
•elektor
VON SPAR
GRETCHEN, BERLIN
Harmonisch: Das Kölner Quartett verabschiedet sich ohne Worte und mit viel Wohlklang vom alten Freund Krautrock.
Visuell haben sich Von Spar einiges einfallen
lassen. Auf der Leinwand hinter den Musikern erscheint zu Beginn des Konzerts eine
einsame Qualle, gefolgt von wilden grafischen
Mustern und Papageien. Nervös bewegen
die Vögel ihre Köpfe. Und sind dem Publikum
an diesem Abend erschreckend ähnlich. Es
ist unruhig und ungewöhnlich laut für ein
kleines Clubkonzert. Die Band isoliert
sich. Keine Begrüßung, keine warmen Worte.
Christopher Marquez steht am vorderen
Bühnenrand und nippt, eigentlich recht sympathisch, an seinem Bier. Als er sich dann
immer häufiger mit dem Rücken zum Publikum
dreht, ist es, als würde man als stummer
Beobachter im Proberaum geduldet. Aber ist
es auch das, was das Publikum will? Wohl
kaum. Wie gelähmt nimmt es in Kauf, dass
der Hit „Chain OfCommand" überraschend
früh gespielt wird. Er plätschert als vierter
Song des Abends unauffällig dahin. Von Spar
verzichten auf den Krautrock vorheriger Alben
und vertrauen völlig zu Recht auf die großen
Melodien ihrer aktuellen Platte STREETLIFE,
die sie live nahezu fehlerfrei umsetzen.
Abzug allein für die Tracklist, die etwas
lieblos zusammengesetzt wirkt, sodass das
Publikum eher leidenschaftslos reagiert.
Chris Cummings, alias Marker Starling,
der Von Spar bei der Tour als Supportact begleitet, unterstützt die Band mit seinem
Gesang. Im Hintergrund werden Bilder eines
Mädchens an die Wand projiziert, das so
aussieht, als käme es gerade aus dem Musikvideo zu „Crazy" von Aerosmith. Kurze Zeit
später liegt es in unschöner David-HasselhoffManier auf dem Boden. Ohne Burger, dafür
aber in einer Lache aus Erbrochenem. Die
Bildsprache: ein Boykott gegen die Harmonie
im eigenen Elektro-Pop. Von Spar gehen einen
Weg, der ihre künstlerische Unvorhersehbarkeit unantastbar macht. Jördis Hagemeier
IBEYI
Intim: Der Ethno-Pop der französisch-kubanischen Zwillingsschwestern zum Greifen nah.
KING GEORG, KÖLN
Auch eine interessante Erfahrung:
Bei einem Konzert in der fünften
Reihe stehen und die Musiker
nicht ein einziges Mal zu Gesicht
bekommen. So geschehen bei
Ibeyi im „King Georg": Lediglich
der Lockenschopf von Lisa-Kainde
Diaz lugt dann und wann in
einem Wald aus Hinterköpfen
hervor, ansonsten hat man fast
das Gefühl, die Musik käme aus
einer Art winzigem Orchestergraben. Eine Bühne im engeren
Sinne gibt es nicht. „Es fühlt
sich an, als wären wir in unserem
Proberaum", sagt Lisa. Sie und
ihre Schwester Naomi füllen
diesen Raum mit Liedern über
die Geister der westafrikanischen
Yoruba-Kultur, aber auch mit
ihrem persönlichen Schicksal: In
„Mama Says" singen die Zwillinge
vom Tod ihres Vaters und der
Verzweiflung der einsamen Mutter und fragen ihre ebenfalls
verstorbene ältere Schwester im
nach ihr benannten Lied „Yanira",
wann man sich im Jenseits
wiedersehen wird. Dass diese
gesungenen Tragödien trotzdem
ein unerklärliches Gefühl der
Freude, des Optimismus verbreiten, ist ihr eigentliches Verdienst.
Man muss das Lächeln der
Schwestern nicht sehen, um zu
wissen, dass es da ist - um zu
wissen, dass Musik solche Wunden
heilen kann.
Musikalisch gesehen rekonstruieren Ibeyi ohne Begleitmusiker
den Sound ihres kürzlich erschienenen Debütalbums bis ins
Detail. Dass dieser Mix aus afrikanischen und kubanischen
Rhythmen und europäischem
Minimalisten-Pop auch auf
fremdem Terrain eine gute Figur
macht, zeigt „Better In Tune
With The Infinite", ein Cover des
Rappers Jay Electronica. Andere
Acts dieser Größenordnung
überzeugen durch eine sympathische Stümperhaftigkeit. Ibeyi
überzeugen durch warmherzige
Professionalität. Ivo Ligeti

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