These boots are made for walking

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These boots are made for walking
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NEuES MuSEuM IN NÜRNBERG
Nr. 35/21. September 2010
Künstliche Wimpern im Schwarm
Warum es sich im Herbst lohnt, durch die Sammlungsräume des Neuen Museums zu spazieren
Was sich in den Fassadenräumen
des Neuen Museums tut, ist im wortwörtlichen Sinne offensichtlich. Die
riesige Wandzeichnung von Gerhard
Mayer ist unter weißer Wandfarbe
verschwunden, die Sammlung zurückgekehrt. und dies unter anderem mit drei neuen Dauerleihgaben
– Gemälden von Katharina Grosse
und Michel Majerus, die beide schon
Ausstellungen im Neuen Museum
hatten, sowie einem frühen Bild von
corinne Wasmuht, die kürzlich von
der Kunsthalle Nürnberg vorgestellt
wurde.
Ein neu eingerichteter Raum im
Erdgeschoss ist dem tschechischen
Großmeister der collage gewidmet:
zum 20-jährigen Jubiläum der im
September 1990 vereinbarten Städtepartnerschaft Nürnbergs mit Prag
präsentiert das Neue Museum eine
Auswahl von Werken Jiří Kolářs
(1914 – 2002). Der Grenzgänger zwischen Literatur und bildender Kunst
ist im Neuen Museum so gut wie in
keinem anderen deutschen Haus mit
Werken vertreten. Noch nie im Neuen Museum gezeigte Arbeiten werden
im Mittelpunkt der Präsentation stehen, darunter auch Am Anfang war
das Wort, ein überdimensional großer Apfel mit zwei Metern Durchmesser. Das auf der gesamten ober-
fläche von einer collage überzogene
objekt aus Styropor schuf Kolář
1969 in Nürnberg für ein filmisches
Künstlerporträt des Saarländischen
Rundfunks.
Zwei Räume weiter steht eine Vase
mit Blumen, dahinter hängen an der
Wand 101 Schwarzweißfotos. HansPeter Feldmann (geb. 1941) ist genau
genommen kein Fotograf, sondern
ein leidenschaftlicher Bildersammler. Für seine Serie 100 Jahre griff der
Künstler ausnahmsweise selbst zur
Kamera. Die Fotos zeigen Vertreter
der einzelnen Lebensalter von null
bis hundert Jahren. Die zeitliche Abfolge beginnt mit der acht Wochen al-
Eyecatcher: Foto von Hans-Peter Feldmann, Jiří Kolářs Apfel und Schwarm von Andreas Oehlert
These boots are made for walking
„Das Wichtigste ist die Bewegung,
der Fluss der Dinge...“ Ihrem credo
entsprechend, wendet sich die Londoner Architektin Zaha Hadid gegen
das Primat des rechten Winkels. Sie
erhielt 2004 als erste Frau den Pritzker-Preis, den Nobelpreis der Architektur. Aber: Schuhe als ArchitekturAufgabe? Weniger verblüffend, als es
zunächst klingt – spricht man doch
von Körper-Bau oder Fuß-Gewölbe.
Ihre fließende, dynamisch-organische Formensprache übertrug
Zaha Hadid auf den Schuh-Entwurf,
den sie 2008 für den brasilianischen
Hersteller Melissa und dessen innovative Kunststoff-Injektionstechnologie für die industrielle Schuhproduktion entwickelte – und als
Herausforderung
verstand,
ihre
Raumkonzeption in anderem Maßstab und Medium zu erproben. Es
war die erste Auseinandersetzung
der Architektin mit Modedesign.
Dem Entwurf liegt die Vorstellung Sammlung – the Internatiovon Flüssigkeit, die den Körper nal Design Museum Muumspült, von Materie, die sich ihm nich. unterstützt von
nahtlos anpasst, zugrunde. Bän- Melissa/Grendene.
der umschlingen in unablässiger
Bewegung Fuß und Bein. Form,
Raum, Körper sind hier choreographisch aufgefasst, nicht statisch; die
Asymmetrien signalisieren kontinuierliche transformation. Der
ganzheitliche Gestaltungsansatz
der Architektin erstreckte sich
sogar bis zur Verpackung der
Schuhe und zu Marketingmaßnahmen. Das überlebensgroße
Demonstrationsmodell Giant
Boots ist ab dem 6. oktober direkt hinter der Glasfassade des
Neuen Museums zu sehen:
Schnittstelle zwischen Architektur, Körper-Architektur
und Raumkunst.
Eine Kooperation des Neu- Zaha Hadid, Giant Boots, 2008. Demonsen Museums und der Neuen trationsmodell. Rendering: Grendene
Magische Augenblicke im Film
unsichtbar und dennoch permanent präsent – der Fotograf Benjamin Katz (geb. 1939) als einer der
bekanntesten Künstlerporträtisten
versteht es perfekt, sich selbst
zurückzunehmen und mit seiner Arbeit doch unübersehbar zu
sein. umfassend wie kein anderer
hat Benjamin Katz den Kunstbetrieb und sein Starsystem seit den
sechziger Jahren dokumentiert.
Dem Regisseur Jürgen Heiter ist
es gelungen, in seinem Essay-Film
„Der Photograph“ (2006) die feine Atmosphäre um Benjamin Katz
authentisch und diskret einzufangen. Mitunter entstehen magische
Momente, wenn Künstler wie Georg Baselitz, Markus Lüpertz oder
Rosemarie trockel Katz in Worten
porträtieren und dabei selbst zum
Porträtierten werden.
Katz und Baselitz.
Filmausschnitt: Jürgen Heiter
Film & Gespräch am Do., 7.10.2010, 18
Uhr im Neuen Museum. Eine Kooperation mit Galerie Bode, Nürnberg. B. Katz
und J. Heiter sind persönlich anwesend.
ten Felina und endet mit der 100-jährigen Maria Victoria. Wer vergleicht
sich nicht mit der oder dem Gleichaltrigen auf Feldmanns Foto? und in
der Regel kommen die Museumsbesucher zur beruhigenden Erkenntnis,
deutlich jünger auszusehen …
Ende oktober weicht Feldmanns
Fotoserie einer Präsentation mit Arbeiten von Andreas oehlert (geb.
1966), des Förderpreisträgers des
Bezirks Mittelfranken 2010. unter
dem titel Idyllen werden objektkunstwerke und Zeichnungen aus
den letzten zehn Jahren präsentiert.
Der Fürther Künstler liebt die Idylle
gerade dafür, dass sie nur trugbild ist.
Er weiß, dass Ver- und Entzauberung
zusammengehören wie Licht und
Schatten. Der zarte Inhalt der Vitrine Schwarm etwa, der zu flattern
scheint, entpuppt sich als hunderte
künstlicher Wimpern an Fäden, die
durch das Gewicht steinerner tropfen gehalten werden. Die Präsentation versammelt erstmalig rund 50
größtenteils farbige Zeichnungen,
die von Blatt zu Blatt, von Serie zu
Serie immer aufs Neue durch ihren
Erfindungsreichtum und ihre Schönheit bestechen.
Eröffnung der Präsentation Andreas
Oehlert. Idyllen am 28. Oktober, 18 Uhr
Fotos: H.-P. Feldmann, K. Paulus, A. Kradisch (Courtesy Oechsner Galerie)
Ausstellungen
1 x Museum, 10 x Rooms,
11 x Works, Jeppe Hein
Ab 22.10.2010
Eröffnung: Do, 21.10.2010,
19 Uhr
Bayerischer Staatspreis für
Nachwuchsdesigner 2010
5.11. – 5.12.2010
Preisverleihung und Eröffnung:
Do, 4.11.2010, 17 Uhr
Auf den Tisch!
Kooperation mit dem Forum für
angewandte Kunst e.V.
19. – 21.11.2010
Führungen
Kuratorenführung
durch die Ausstellung Jeppe
Hein mit Dr. Melitta Kliege
Do, 11.11.2010, 18 Uhr
Führung für Gehörlose
Sa, 13.11.2010, 16 Uhr
Rundgang
mit beteiligten Künstlern des
Forums durch die Ausstellung
„Auf den Tisch!“
Fr, 19.11.2010, 16 Uhr
Komplettes Führungsprogramm
unter www.nmn.de
Sammlung
Hans-Peter Feldmann:
100 Jahre
Jiří Kolář
Ab 6.10.2010:
Shoes. Zaha Hadid
Ab 29.10.2010:
Andreas Oehlert. Idyllen.
Arbeiten 2001-2010
Ab 10.11.2010:
Katja Maechtel. Keramik
Kinder und Jugendliche
Schnipsel-Poesie: Kinderwoche im Neuen Museum
für Kinder ab 6 Jahren
Di, 2.11. – Fr, 5.11.2010, 10 Uhr,
11 Uhr, 14 Uhr und 15 Uhr
Anmeldung unter:
Tel. 0911 240 20 36,
Teilnehmerzahl begrenzt
Bewegt – bewegend
Workshop zu Jeppe Hein
Di, 16.11.2010 (ab 11 Jahren)
Mi, 17.11.2010 (ab 14 Jahren)
jeweils 15–17 Uhr
Anmeldung unter:
Tel. 0911 240 20 36,
Teilnehmerzahl begrenzt
Film & Musik
„Der Photograph“ (2006)
Film mit Benjamin Katz. Kooperation mit Galerie Bode, Nürnberg
Do, 7.10.2010, 18 Uhr
Konzertreihe „Across“
Kooperation mit dem E-Werk
Kulturzentrum, Erlangen und
dem Musikverein im K4, Nürnberg
Di, 19.10.2010: Christy & Emily
Mi, 10.11.2010: Sam Amidon
Einlass 20.30 Uhr, Beginn 21 Uhr
Konzert
KlangKonzepteEnsemble
So, 21.11.2010, 11.15 Uhr

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