Seminararbeit Filmanalyse Matrix

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Seminararbeit Filmanalyse Matrix
Religiöse Motive bei „Matrix“
Seminararbeit
von
Christina Seidl
und
Jörg Ehehalt
Religion in den Massenmedien
Andrea König, M.A.
Institut für Evangelische Theologie
Universität Regensburg
6. Februar 2006
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung...............................................................................................................................................................3
2 Die Regisseure und Autoren..................................................................................................................................5
3 Filminhalte...............................................................................................................................................................7
3.1 Matrix......................................................................................................................................................................................................7
3.2 Matrix Reloaded...................................................................................................................................................................................8
3.3 Matrix Revolutions..............................................................................................................................................................................9
4 Religiöse Symbole und andere Parallelen..........................................................................................................10
4.1 Betrachtung der Namen und deren Bedeutungen...............................................................................................................10
4.1.1 Die Matrix..................................................................................................................................................................................10
4.1.2 Thomas Anderson alias Neo...............................................................................................................................................10
4.1.3 Weitere relevante Namensdeutungen............................................................................................................................11
4.2 Christentum........................................................................................................................................................................................11
4.2.1 Jesus – Neo...............................................................................................................................................................................12
4.3 Asiatische Religionen......................................................................................................................................................................16
4.4 Bezüge zu Werken der Literatur..................................................................................................................................................16
5 Bedeutungen und Konsequenzen.......................................................................................................................18
5.1 Absichten der Regisseure..............................................................................................................................................................18
5.2 Wirkung auf den Zuschauer..........................................................................................................................................................19
5.3 Bedeutung für die Gesellschaft....................................................................................................................................................19
5.3.1 Film als Leitmedium der Gegenwart................................................................................................................................19
5.3.2 Kinobesuch als Ritual............................................................................................................................................................20
5.3.3 Existenzielle Fragen in der Popkultur..............................................................................................................................20
5.4 Konsequenzen für die Kirche........................................................................................................................................................21
5.4.1 Anregungen für die Religionspädagogik.......................................................................................................................21
5.5 Fazit.......................................................................................................................................................................................................22
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1 Einführung
Die Film-Trilogie „Matrix“ wurde von den Brüdern Larry und Andy Wachowski erschaffen. Beide haben sowohl
das Drehbuch entwickelt als auch die Regie geführt. Die Handlung ist eine vielschichtige Science-Fiction-Geschichte
und in erster Linie dem Genre des Action-Films zuzuordnen, beinhaltet aber auch auffallend viele philosophische
und religiöse Elemente.
Der erste Teil „Matrix“ wurde 1999 von Warner Bros. und Village Roadshow Pictures produziert und war ein bahnbrechender Erfolg, der weltweit 456 Millionen US-Dollar einspielte. Vor allem seine spektakuläre visuelle Action, Dynamik und völlig neuartige Spezialeffekte schlugen Millionen von Zuschauern in ihren Bann. Aber auch die intelligente Handlung und die Verarbeitung zahlreicher philosophischer und religiöser Themen trug wesentlich zum Erfolg bei und hob den Film aus der Masse stumpfsinniger Action-Filme hervor.
Nach dem Erfolg von „Matrix“ kamen 2003 in kurzem Abstand die Fortsetzung „Matrix Reloaded“ und der Abschluss der Trilogie „Matrix Revolutions“ heraus. Teilaspekte der Handlung wurde in verschiedenen anderen Medien
weitergeführt. So entstanden eine Serie von animierten Kurzfilmen, drei Computerspiele und eine Reihe von Comics, die alle im Matrix-Szenario spielen.
Ein hervorstechendes Merkmal von Matrix war die spektakuläre Kameraführung. Viele Spezialeffekte wurden speziell für diesen Film neu entwickelt. Der bekannteste ist die so genannte „Bullet Time“, was soviel wie „Patronenkugel-Zeit“ bedeutet. Diese Technik ermöglicht es, das Geschehen in extremer Zeitlupe zu filmen und die Kamera
gleichzeitig in normaler Geschwindigkeit um die Akteure kreisen zu lassen. Durch diese Kreisbewegung der Kamera
sieht die Zeitlupe nicht einfach nur
wie Zeitlupe aus, sondern man bekommt den plastischen Eindruck,
dass die Zeit tatsächlich sehr viel
langsamer abläuft. Der „Visual Effects
Supervisor“ John Gaeta erklärt, dass
die „Bullet Time“ ein Stilmittel ist,
dass verwendet wird um zu zeigen,
dass man sich in einer konstruierten
Realität befindet und dass Zeit und
Raum nicht das Gleiche sind, wie in
der Welt, in der wir heute leben1.
Diese neuartige Bildsprache hat
für Actionfilme eine neue Epoche
eingeleitet. Viele folgende Filme
Bullet Time: Die Kamera bewegt sich im Kreis um den Darsteller während die
haben die Techniken, die für Matrix
Schüsse in Zeitlupe an ihm vorbeifliegen
entwickelt wurden, aufgegriffen.
Auch Werbefilme versuchten auf
diese Weise an den Erfolg der Brüder Wachowski anzuknüpfen. Der Matrix-Programmcode, visualisiert durch kryptische grüne Schriftzeichen, die den Bildschirm herunter gleiten, ist durch den großen Erfolg der Filme zu einem Teil
der Popkultur geworden und in zahlreichen Filmen und anderen Medien zitiert und verarbeitet worden.
Zur Bedeutung der komplexen Handlung kamen bald eine Fülle von Spekulationen und Interpretationen auf.
Zahlreiche Internet-Seiten, Foren und Chaträume tauchten auf und setzten sich mit der Trilogie auseinander. Bis
heute sind die Filme nicht auf eine bestimmte Interpretation festgelegt, was dazu führt, dass die Thematik weiterhin
viele Menschen anspricht und beschäftigt. Aufgrund der vielfältig eingebauten philosophischen Ideen und religiösen Anspielungen befassen sich auch viele Philosophen mit der Thematik und Symbolik des Films.
Da sich moderne Medien und in diesem Fall speziell Hollywoodfilme in vielfältiger Weise jüdisch-christlicher und
auch anderer religiöser Symbole und Inhalte bedienen, werden diese mittlerweile in religionspädagogischen Publikationen intensiv diskutiert. Als Gründe dafür kann man annehmen, dass der Umgang mit Werken der populären
Kultur Lernende und Lehrende gleichermaßen motiviert. Durch die Auseinandersetzung mit filmischen Inhalten
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Interview mit John Gaeta in „Was ist Bullet-Time?“, Bonusmaterial der DVD „Matrix“ (dt. Ausgabe), Warner Home Video 1999
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und deren religiösen Symbolen, Zitaten und Anspielungen besteht die Chance, dass Schüler und andere interessierte Menschen zu einem vertieften Verständnis der jeweiligen religiösen Inhalte gelangen können und ihr Bewusstsein für weitere philosophische Themen öffnen.
Gut gemachte Science Fiction ist immer auch ein Spielfeld für Philosophen, da die Zukunftsvision immer die innere Folgerichtigkeit unserer Realität haben muss, ansonsten jedoch die Personen in Situationen bringen kann, die
in unserer Zeit unmöglich ist. Hier können philosophische Gedankenexperimente, die sonst für die meisten Menschen sehr abstrakt sind und deren Konsequenzen somit schwierig abzuschätzen sind, durch eine unterhaltsame
Geschichte verdeutlicht und die Konsequenzen für die handelnden Personen aufgezeigt werden.
In den zahlreichen Besprechungen der Matrix-Filme wird häufig über deren Philosophie gesprochen, aber
erstaunlich selten auf die religiöse Dimension eingegangen. Erstaunlich deshalb, weil Religion hier offenbar eine beachtliche Rolle spielt. Die zahlreichen religiösen Symbole und Motive sollten daher in dieser Arbeit genauer untersucht werden.
Hierzu wurden die drei Filme unter verschiedenen Aspekten betrachtet und einzelne religiös besonders relevante Szenen genauer auf Symbole und Parallelen zur Bibel und anderen Religionen untersucht. Das Bonus-Material
der DVDs, in dem sich Darsteller, Produzenten und die beiden Regisseure zu den Filmen äußern, gab weitere wertvolle Hinweise. Am Ergiebigsten erwiesen sich Recherchen im Internet, die gerade für die Matrix-Filme eine unermessliche Fülle an Informationen lieferten. Darüber hinaus wurden theologische und religionspädagogische Schriften zu diesem Thema verfolgt.
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2 Die Regisseure und Autoren
Die Brüder Larry (geboren 1965) und Andy Wachowski (geboren 1967) sind Drehbuchautoren, Regisseure und
Comic-Zeichner und wurden vor allem bekannt durch die Matrix-Trilogie. Sie sind als Söhne polnischer Einwanderer
in Chicago geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern, eine Krankenschwester und ein Geschäftsmann, waren ausgesprochene Film-Fans und legten so vermutlich den Grundstein für ihre spätere Karriere.
In der Schule zeigten sie
durchschnittliche Leistungen,
spielten Rollenspiele und
arbeiteten beim Theater und
Fernsehprogramm der Schule,
aber stets hinter den Kulissen.
Larry besuchte danach das
Bard's College in New York,
Andy das Emerson College in
Boston, wo er im EinführungsFilmkurs als besonders guter
Student auffiel. Beide brachen
das Studium nach zwei Jahren
ab und gingen zurück nach
Chicago, wo sie zunächst als
Maler und Tischler arbeiteten
und in ihrer Freizeit Comics
schrieben.
Andy (links) und Larry Wachowski
Schon eine Weile hatten die
Brüder daran gedacht, Filme zu machen. Den Anstoß dazu gab schließlich in den späten 80er Jahren die Lektüre der
Autobiographie von Roger Corman, einem Produzenten zahlreicher billiger Horrorfilme. Kurz darauf entstand ihr
erstes Drehbuch „Carnivore“, ein Horrorfilm, in der reiche Leute von Kannibalen gefressen werden. Die Geschichte
war zu abgedreht für Hollywood und wurde nie verfilmt. Der unkonventionelle Schreibstil der Wachowski-Brüder jedoch erregte das Interesse der Produzenten in Hollywood und so entstand ein zweites Drehbuch „Assasins“ für
einen Action-Film, der 1995 von Warner Brothers mit Sylvester Stallone und Antonio Banderas in den Hauptrollen
verfilmt wurde. Das Buch wurde jedoch vom Regisseur in wesentlichen Punkten abgeändert und der Film floppte.
Ein Jahr später folgte ihr nächster Film „Bound“, ein Lesben-Thriller im Film-Noir-Stil, zu dem sie nicht nur das
Drehbuch schrieben, sondern auch Regie führten. „Bound“ wurde mit bescheidenen Mitteln produziert, erwies sich
aber als sehr erfolgreich und wurde auch von den Kritikern hoch gelobt. Auf die Frage, was der Zuschauer von
diesem Film erwarten können, sagten Larry Wachowski: „Well, we sort of made it for people who are kind of like us,
who go to the movies a lot and are generally kind of bored by movies today. We tried to make a movie that was entertaining, that had sex and violence because we like sex and violence. And that had a lot of deeper intellectual concepts.“2
Nach dem Erfolg von “Bound” wendeten sich die Brüder wieder “Matrix” zu, einem Drehbuch, an dem sie schon
einige Jahre gearbeitet hatten. Da die Studio-Bosse von Warner Brothers einige Probleme hatten, die komplexe und
unkonventionelle Geschichte letztendlich zu verstehen, ließen Andy und Larry Wachowski ein 600-seitiges Storyboard zeichnen, das als Comic jede einzelne Kameraeinstellung des späteren Films zeigt. Schließlich bekamen sie
die Zusage. Wie schon bei „Bound“ schrieben beide zusammen das Drehbuch und führten Regie. Produziert wurde
„Matrix“ von Joel Silver, der nicht nur bereits „Assasins“ produziert hatte, sondern auch viele erfolgreiche Action-Filme wie „Stirb Langsam“, „Lethal Weapon“ oder „Demolition Man“.
Nach dem bahnbrechenden Erfolg von „Matrix“ entwickelten die Brüder Drehbücher für zwei Fortsetzungen und
führten wiederum Regie. Beide Fortsetzungen wurden gleichzeitig produziert und kamen mit geringem Abstand
2
„The lost Wachowski brothers interview“, Radio-Interview von Josh Horowitz, New York 1996, Transkript auf
http://www.moviepoopshoot.com/interviews/27.html (4.2.2006)
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2003 in die Kinos. Darüber hinaus wirkten sie maßgeblich an der Entwicklung von einer Reihe von animierten Kurzfilmen, Comics und drei Computerspielen mit, die alle in der Matrix-Welt spielen.
Im Jahr 2004 gründeten sie einen eigenen Comic-Verlag „Burlyman Entertainment“. Ihr neuster Film, „V for
Vendetta“ basiert auf dem gleichnamigen Comic-Buch von Alan Moore and David Lloyd, wurde letztes Jahr in Studio Babelsberg in Potsdam gedreht und wird in einigen Wochen in die Kinos kommen.
Die große Leidenschaft der Wachowski-Brüder sind Filme und Comics. Die enorme Kreativität, die sich in den Matrix-Filmen zeigt, ist in einer langjährigen intensiven Beschäftigung mit Büchern und Filmen verwurzelt. Als Vorbilder gelten so unterschiedliche Filmemacher John Woo, Stanley Kubrick, Ridley Scott, George Lucas, Fritz Lang, Billy Wilder, Roman Polanski, Alfred Hitchcock und John Huston genannt. Zu ihren Lieblingsbüchern gehören die
Odyssee von Homer, Alice im Wunderland und die Cyberpunk-Romane von William Gibson.
Andy und Larry Wachowski legen sehr viel wert auf die Bildsprache in ihren Filmen. Sie haben eine klare Vorstellung davon, wie der Film am Ende aussehen soll und arbeiten kaum mit Improvisation. Alle Kameraeinstellungen
werden vorher in einem Storyboard festgelegt.
Die Brüder gelten als bodenständig, humorvoll und unkompliziert. Wenn sie zusammen sind, wirken sie oft wie
eine Person, beispielsweise sprechen sie häufig einstimmig oder einer führt den Satz des anderen zu Ende. Schauspieler schätzen an ihnen im Gegensatz zu einem einzelnen Regisseur, bei dem man nie so genau weiß, was er gerade denkt, dass die Wachowskis alles miteinander besprechen, man ihnen also gewissermaßen beim Denken zuhören kann.
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3 Filminhalte
3.1 Matrix
Die Hauptperson mit dem Namen Thomas A. Anderson ist Mitarbeiter einer respektablen Softwarefirma. Die
Nächte schlägt er sich als Hacker unter dem Pseudonym "Neo" um die Ohren. Eigentlich ist er aber auf der Suche
nach dem legendären Hacker Morpheus, der Person, die ihm die Frage nach der Bedeutung der Matrix beantworten
kann. Eines Abends, als Neo vor seinem Computer eingenickt ist, stehen plötzlich Worte auf dem Monitor, die er
nicht selbst geschrieben hat. Eine anonyme Person fordert ihn auf, einem weißen Kaninchen zu folgen („Follow the
white rabbit“, mittlerweile zum Kultspruch geworden). Als er später eine Einladung in einen Club erhält, willigt er
erst ein, als er das weiße Kaninchen als Tätowierung auf der Schulter der Auffordernden sieht. Eine schöne Unbekannte stellt sich ihm als Trinity vor. Sie warnt ihn vor der Matrix und dass er beobachtet werde. Wenn er jedoch
eine Antwort auf die Frage was die Matrix ist, erhalten möchte, dann wird er sie erfahren.
Am nächsten Tag, wird er von Agenten festgenommen und in ein Verhörzimmer gebracht. Es wird ihm seine umfangreiche Polizei-Akte präsentiert und dann ein Deal vorgeschlagen, der die Auslieferung von Morpheus
beinhaltet. Als Neo ablehnt und sich gegen die Gefangenschaft wehrt, wird ihm eine Wanze injiziert. Er erwacht am
nächsten Morgen und glaubt einen schrecklichen Alptraum hinter sich zu haben. Plötzlich aber klingelt sein Telefon
und Morpheus meldet sich, um sich mit ihm zu verabreden. Bevor es dazu kommt entfernt Trinity gewaltsam die
injizierte Wanze. Nun muss Neo erkennen, dass es doch kein Traum war. Neo und Morpheus treffen das erste Mal
aufeinander. Morpheus eröffnet ihm eine Möglichkeit: "Schluckst du die blaue Kapsel, wachst du wieder in deinem
Bett auf und glaubst an das, was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland und ich
führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus - bedenke: alles, was ich dir anbieten kann, ist die Wahrheit,
nicht mehr". Neo entscheidet sich für die rote Kapsel. Daraufhin wird er in einen Nachbarraum geleitet, in dem er an
zahlreiche Computer angeschlossen wird. sich schon Ein zerbrochener Spiegel, der sich plötzlich wie von Geisterhand wieder repariert, erregt Neo´s Aufmerksamkeit. Als er ihn anfasst, überzieht ein silbriges Metall seinen
Finger und breitet sich rasch über den ganzen Körper aus.
Daraufhin erwacht Neo nackt, in einer Nährlösung schwimmend, mit unzähligen Verbindungskabeln an seinem
Körper, in einer riesigen Zuchtanlage für Menschen. Er befindet sich nun in der realen Welt. Bevor er begreifen kann,
was um ihn herum geschieht, wird er von einer High-Tech-Drohne von den Verbindungen befreit und durch den
Abfluss in die Kanalisation gespült. Dort ertrinkt er fast, bevor er von dem Greifarm der Nebukadnezar, dem Raumschiff von Morpheus, erfasst wird. Er findet sich auf einer Krankenstation in dem Hovercraft-Schiff wieder, kann aber
weder Muskeln noch Augen normal benutzen, da er sie noch nie benutzt hat. In einem speziellen Programm
werden seine Muskeln aufgebaut. Neo erfährt von Morpheus, dass die Menschheit mit den Maschinen im Krieg
liegt. Die Maschinen suchten nach einer Lösung für ihr Energieproblem und versklavten die Menschheit als Energieerzeuger. Dies führte so weit, dass Menschen nun in riesigen Feldern gezüchtet und mit einer Nährlösung ernährt
werden. Um die Menschen unter Kontrolle zu halten, konstruierten die Maschinen die Matrix, eine computergenerierte Scheinwelt, die die Menschen als die reale Welt begreifen. Morpheus berichtet aber auch, dass bereits in den
Entstehungstagen der Matrix ein Mann mit einer besonderen Gabe geboren wurde. Er hätte den Willen und die
Macht, die Matrix zu steuern. Die wichtigste Aufgabe der Menschen bestehe also nun darin, die Reinkarnation
dieses "Auserwählten" zu finden. Er hingegen glaube, dass die Suche nun beendet sei.
Neo absolviert intensiv virtuelle Trainingsprogramme, besonders asiatische Kampfsportprogramme. Auch wird er
das erste Mal von Morpheus zum Orakel gebracht. Dieses behauptet jedoch, dass er nicht der Auserwählte ist, nach
dem Morpheus so lange gesucht hat. Weiterhin prophezeit sie, dass Neo in einem bevorstehenden Kampf sich entscheiden müsse, sein eigenes Leben oder das von Morpheus zu retten. Auf dem Rückweg vom Orakel greifen die
„Agenten” der Matrix (Sicherheitsprogramme, die die Matrix schützen sollen und in Menschengestalt agieren) die
Gruppe an. Die Agenten wurden vorher von Cypher aus der Crew Morpheus' verraten. Er will lieber vollständig in
die Illusion der Matrix zurück als in der grauen Realität leben. Für den Deal will er Morpheus an die Agenten verraten, da dieser den Code für den Zentralcomputer in Zion (der letzten Zuflucht der Menschen in der realen Welt)
besitzt. Neo, der von einem Agenten während der Verfolgung gefasst wurde, wird von Morpheus gerettet, der sich
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für ihn opfert. Jeder der nun nicht schnell genug ist, stirbt in der Matrix und so auch in der Realität. Doch Morpheus
wird nicht getötet, sondern in ein gesichertes Gebäude gebracht, in dem er unter Folter den Code preisgeben soll.
Cypher tötet weitere Mitglieder, wird jedoch besiegt, bevor er Neo ausschalten kann. Neo beschließt, Morpheus zu
retten und Trinity begleitet ihn. Sie schaffen es Morpheus zurück zu bringen. Neo jedoch wird in einen Kampf mit
Agent Smith verwickelt. Nach ein paar weiteren Kampfminuten gewinnt Neo die Überhand.
Zur selben Zeit wird der Rest der Crew auf der Nebukadnezar von mehreren High-Tech–Maschinen, den so genannte Wächtern angegriffen. Die einzige Waffe der Rebellen gegen diese Biester ist der EMP (Elektromagnetischer
Impuls), der alle elektronischen Maschinen lahm legt. Aber er kann erst eingesetzt werden, wenn Neo aus der Matrix
zurück ist.
Agent Smith schafft es Neos Willen und Glauben zu brechen und erschießt ihn. Sein Puls hört wenig später auf zu
schlagen und scheinbar stirbt er. Morpheus kann es nicht fassen, er glaubt trotz allem immer noch an ihn. Trinity gesteht ihm ihre tiefe Liebe und küsst den geglaubt Toten. Wundersamerweise schlägt daraufhin sein Herz wieder. Er
steht wieder auf und begreift sich neu. Die Agenten eröffnen zwar augenblicklich das Feuer, doch Neo hebt daraufhin nur die Hand und spricht ein schlichtes „Nein”, worauf die Kugeln langsamer werden, vor ihm in der Luft zum
Stillstand kommen und schließlich auf den Boden fallen. Er wehrt alle Angriffe ohne Anstrengung oder Aggression
ab. Letztlich dringt Neo in Smith ein und überschreibt dessen "Code" Damit wird Smith besiegt. In letzter Sekunde
können sich alle in der realen Welt retten. Der Film endet, mit der Botschaft Neo´s indem er die Maschinen warnt
und den Menschen die Freiheit bringen wird. Dabei wird deutlich, dass er dieses Ziel nicht als Endziel betrachtet,
sondern vielmehr als den Anfang einer real existenten Wirklichkeit. Neo´s Blick schweift noch einmal über die Menschenmassen auf der Straße. Dann sieht er in den Himmel und fliegt ihm wie Superman entgegen.
3.2 Matrix Reloaded
Der zweite Film setzt etwa 6 Monate nach dem Ende des ersten Filmes ein. Neo und seine Gefährten haben in
dieser Zeit mehr Menschen aus der Matrix befreit als in den 6 Jahren davor. Aber die Rebellion ist einem massiven
Angriff von High-Tech-Dronen ausgesetzt, die einen Tunnel zur Stadt Zion im Erdinneren graben. Es bleiben nur
noch 72 Stunden bis zur Vernichtung von Zion, der letzten Stadt in der die Menschen in Freiheit leben. Nicht alle
Menschen in Zion glauben wie Morpheus an einen Auserwählten, so z. B. der für die Verteidigung der Stadt zuständige Commander Lock. Durch eine pathetische Rede gelingt es Morpheus die Bewohner Zions auf seine Seite zu ziehen. Er erreicht, dass sein Schiff, die Nebukadnezar, auslaufen kann, um Kontakt mit dem so genannten Orakel herstellen zu können. Während ganz Zion tanzt, haben Neo und Trinity das erste Mal Zeit für ein wenig Zweisamkeit.
Doch Neo sieht immer wieder in seinen Träumen, wie Trinity in einer Fenstersturz-Szene von einem Agenten
lebensgefährlich verletzt wird.
Nachdem Neo, Morpheus, Trinity und der neue Operator Link Zion verlassen haben, sucht Neo das Orakel auf, wo
es dann auch im Anschluss zu einem erneuten Treffen mit Agent Smith kommt.
Im Gespräch mit dem Orakel erfährt Neo einiges über das Wesen der Matrix, sich selber und über die Person des
Orakels selbst. Außerdem erfährt er, dass er sich auf die Suche nach dem Schlüsselmacher begeben soll, der die
Schlüssel für die geheimen Hintertüren in der Matrix fertigt und auch die Tür zum Zentralcomputer öffnen kann.
Dieser wird derzeit aber von einem der ältesten Kontrollprogrammen der Matrix, dem so genannten Merowinger,
gefangen gehalten. Daraufhin muss das Orakel das Treffen verlassen. Es kommt erneut zum Kampf mit Agent Smith,
der inzwischen die Eigenschaft besitzt, sich klonen zu können. Zudem scheint es so, dass Agent Smith von der Matrix entkoppelt ist und eine Art Eigenleben entwickelt hat. Im Kampf gegen etwa einhundert Klone von Agent Smith
muss Neo schließlich einsehen, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen ist und fliegt wie Supermann davon. Da die
Nebukadnezar sich längere Zeit nicht in Zion gemeldet hat, schickt der Senat gegen den Willen von Commander
Lock zwei weitere Schiffe aus, die den Auftrag haben der Crew von Morpheus zur Hilfe zu kommen. Der Krieg
scheint nur noch durch ein Wunder zu stoppen sein.
Morpheus, Trinity und Neo treffen auf den Merowinger und können den Schlüsselmacher befreien. Die Crews der
Nebukadnezar und der zwei anderen Schiffe erfahren vom Schlüsselmacher, dass sie nur durch eine gut geplante
Aktion die Sicherheitssysteme für den Zugang zum Zentralcomputer überlisten können. Durch das Ausschalten der
Notstromversorgung und der Sprengung eines Kraftwerkes bestehe für kurze Zeit die Möglichkeit, eine Verbindung
zu einer Etage in einem Hochhaus zu öffnen, in der sich dieser befinden soll. Neo, der noch immer den Alptraum
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von Trinitys Fenstersturz im Kopf hat, bittet sie diesmal auf keinen Fall in die Matrix zu gehen. Doch es kommt, wie
es kommen muss: die gesamte Mission droht zu scheitern, da die Crew eines Schiffes bei dessen Zerstörung durch
Wächter komplett ausgelöscht wird. In letzter Konsequenz würde dies auch Neo das Leben kosten und in diesem
Moment entschließt sich Trinity dazu, doch in die Matrix zu gehen. Mit Mühe und Not erreichen sie dann aber doch
das Ziel.
Während Trinity mit einem plötzlich auftauchenden Agenten ringt, gelangt Neo in einen Raum mit tausenden
Bildschirmen, in der Mitte sitzt der Architekt der Matrix, der ebenfalls ein Programm ist. Er erklärt ihm, dass er zwei
Möglichkeiten hätte: entweder er rettet Trinity und sie verlieren den Krieg oder er kehrt zur Quelle um dort die Zukunft zu bestimmen. Seiner Liebe folgend entscheidet sich Neo für Trinity, als er sie jedoch in ihrem Sturz auffängt,
ist diese bereits von einer Kugel getroffen und stirbt in seinen Armen. In seiner tiefen Liebe schafft Neo es, sie
wieder zum Leben zurück zu holen.
Zurück auf dem Schiff werden sie von einem Wächter angegriffen. Neo stellt sich ihnen entgegen und es gelingt
ihm diesmal in der "realen Welt", die Angreifer mit einer Handbewegung außer Gefecht zu setzen, eine Aktion, die
ihm bisher nur in der Matrix gelang. Am Ende des Filmes ist Zion noch nicht gefallen, es bleiben aber nur noch ungefähr 24 Stunden, bis die Maschinen die Grenze von Zion erreichen.
3.3 Matrix Revolutions
Der Film beginnt direkt an der Stelle, an der Matrix Reloaded aufgehört hat. Smith hat es ebenfalls geschafft eine
höhere Form anzunehmen. So erscheint er in der realen Welt in anderer Gestalt, bis Neo es noch einmal gelingt ihn
zu besiegen. Neo ist durch diesen Sieg in eine Zwischenwelt gelangt, aus der er sich nicht befreien kann. Morpheus
und seine Crew suchen ihn bereits. Mit den neuen Informationen über den Verbleib von Neo statten sie dem Merowinger einen Besuch ab. Trinity gelingt es an die notwendigen Informationen zu gelangen. Neo wird von Trinity
befreit und besucht darauf das Orakel. Danach werden weitere Pläne geschmiedet wie der Krieg zu ende zu bringen
ist In der Zwischenzeit nimmt Smith das Haus des Orakels ein und überschreibt es.
Neo erklärt den anderen, dass er jetzt wisse, was er zu tun habe. Er brauche eins der beiden Schiffe, denn er
müsse die Maschinenstadt erreichen und zur Quelle gelangen. Niobe überlässt ihm ihr Schiff und wird alle anderen
mit dem zweiten Schiff durch einen Versorgungsschacht zurück nach Zion bringen, wobei man hofft, noch in die
Endschlacht eingreifen zu können. Neo und Trinity begeben sich auf die Reise. Jedoch verliert Neo durch einen
Kampf mit Smith sein Augenlicht. Trotzdem kann er auf eine andere Art und Weise sehen.
In Zion sind derweil die Wächter in das so genannte Dock eingedrungen, und es beginnt die Endschlacht um Zion. Neo und Trinity schaffen es bis zum Zentrum der Maschinenstadt vorzudringen, was vorher noch keinem
anderen Schiff der Menschen gelungen ist. Durch ein Ausweichmanöver über den Wolken können sie die Wächter
abschütteln, aber in dem darauf folgenden Absturz gelingt es ihnen nicht mehr, die Kontrolle über ihr Schiff zu
erlangen. Trinity wird bei dem Aufprall tödlich verletzt und stirbt nun wirklich in seinen Armen. Trotz des Verlustes
und seiner Blindheit betritt er nun die Maschinenstadt und wird dort von einer Art Supercomputer empfangen. Er
erklärt ihm, dass Agent Smith außer Kontrolle geraten ist und so jetzt auch eine Gefahr für die Maschinenstadt darstellt. Er behauptet, dass er Smith besiegen wird, dafür aber den Frieden für die Menschen einfordert.
Der Supercomputer willigt ein und verbindet Neo mit der Matrix, wo Agent Smith mittlerweile alle Menschen,
mehrere Programme und auch das Orakel zu seinem Ebenbild gemacht hat. Es kommt zu dem entscheidenden
Endkampf. Als schließlich Neo am Boden liegt, spricht Smith davon, wie er dies vorausgesehen habe und gibt einen
Satz des Orakels wörtlich wieder, dessen Gedanken ihn offenbar beeinflussen. Neo erlangt eine höhere Bewusstseinsebene und gibt daraufhin scheinbar auf, was bedeutet, dass Smith in Überschreibt. So wie im ersten Teil der
Trilogie ein Teil des Quellcodes des Programms Smith mit Daten aus Neo´s Matrix-Identität überschrieben wurde,
wodurch Smith erst zu jenem von der Matrix entkoppelten Virus-artigen und wuchernden Programm wurde, so
wird nun aus beiden Programmen endgültig ein einziges. Da Neo jedoch noch immer an den Supercomputer der
Maschinenstadt angeschlossen ist, hat dieser nun wieder Einfluss auf die Matrix und auf Smith, denn für einen
Moment sind beide in der Matrix identisch. Er nutzt nun seine Chance und speist in Neo die Daten ein, um Smith zu
löschen. Neo scheint tot und liegt wie gekreuzigt am Boden. Gleich darauf wird die Matrix neu gebootet. Es gibt
zum ersten Mal im Film einen Sonnenaufgang und auf die Frage, ob Neo wieder kommen wird, antwortet das Orakel: „Ganz bestimmt.“
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4 Religiöse Symbole und andere Parallelen
Mit Symbolik ist Zeichenhaftigkeit und Sinnbildung gemeint. Religiöse Symbole sollen die Gegenwart des Heiligen vermitteln und an den Glauben erinnern. Mit Symbolik findet auch immer Sinnbildung statt, die als
Orientierungshilfe dienen soll.
Die Matrix-Filme wie auch weiteres Zusatzmaterial lösten eine Welle von Spekulationen und Theorien über Aussagen des Films, dessen Verweise und Symbolgehalt aus. Noch immer werden Symbole und rätselhafte Namen von
Fans interpretiert. Tatsächlich finden sich eine Vielzahl religiöser Vorstellungen und Anspielungen auf Begebenheiten aus dem Bereich der Weltreligionen sowie der griechischen Mythologie. Bevor Überlegungen zur Bedeutung
und Funktion dieser Elemente bzw. von Religion allgemein in „Matrix“ angestellt werden, sollen einige Belege aufgezählt und zumeist zum besseren Verständnis kurz erläutert oder kommentiert werden.
4.1 Betrachtung der Namen und deren Bedeutungen
4.1.1 Die Matrix
Lat.: Gebärmutter, Muttertier; später auch Quelle und Ursache. Eine Matrix ist auch in verschiedenen Zusammenhängen etwas, das andere Dinge umgibt oder eine abstrakte Struktur, innerhalb derer etwas anderes angeordnet
ist.
Betrachtet man diese Übersetzung, ist es erstaunlich und interessant wie elegant der Titel für diese Filme gewählt
wurde. Im ersten Film wird bekannt, dass Menschen nicht geboren werden, sondern als ausgewachsene Menschen
in einer künstlichen Gebärmutter ohne eigenes Bewusstsein gefangen sind und dort als Quelle für die
Energienutzung der Systembetreiber dienen.
4.1.2 Thomas Anderson alias Neo
Thomas Anderson
Dies ist der Name des Hauptdarstellers, während er sich noch in der Scheinwelt, der „Matrix“ befindet. Betrachtet
man den Vor- und Nachnamen, so zeigen sich verschiedene Parallelen. Im Griechischen heißt „andros“ (ανδρος)
Mensch. Anderson bedeutet somit Menschensohn, also genau der Name, mit dem Jesus sich selbst bezeichnet.
Beim Vornamen findet man in der Bibel die Parallele zum ungläubigen Thomas, der nicht an Jesu Tod und dessen
Auferstehung glaubte, bis er die Wunden Jesu sah. Im Film ist es Anderson, der ebenfalls durch eine eigene Erfahrung erst glauben kann, dass es eine andere Wirklichkeit gibt.
Als Thomas Anderson die “Scheinwelt“ verlässt wird dieser nur noch mit seinem Hacker-Namen Neo identifiziert.
Auch er nennt sich, als er an sich und die Matrix glaubt, nur noch Neo (vgl. U-Bahn-Szene im ersten Film: „Mein
Name ist Neo!“)
Neo
In diesem Namen sind mehre Deutungen möglich. Eine davon ist, dass man den Namen NEO durch ein Anagramm (Buchstabenvertausch) aus ONE bilden kann. “The One“, der Eine / der Auserwählte – wie Neo auch häufig
genannt wird. Der Name drückt so auch gleich dessen Bestimmung und Aufgabe aus.
Eine andere Deutung findet sich im Griechischen. Hier bedeutet der Name Neo der „Neue“ oder in diesem Zusammenhang der „Neue Mensch“. Diese Bedeutung trifft im Film immer wieder zu. Neo wird bereits im ersten Teil
der Trilogie zweimal zum Leben erweckt und begreift sich neu (das erste Mal mit seiner wahren Geburt in die wirkliche Welt, das zweite Mal durch die Liebe Trinitys). Nicht zu vergessen ist, dass auch Jesus oft als der “Neue Mensch“
bezeichnet wird.
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4.1.3 Weitere relevante Namensdeutungen
Morpheus
Er ist der Anführer einer Widerstandsgruppe gegen die Matrix. Sein angestrebtes Ziel ist die Befreiung der
versklavten Menschen aus ihrer traumgleichen virtuellen Realität. Er führt Neo in sein neues Leben ein und glaubt,
in ihm den Auserwählten gefunden zu haben. Der Auserwählte, so glaubt er, kann den Krieg zwischen den Maschinen und den Widerstandskämpfern beenden und die noch gefangenen Menschen befreien.
In der griechischen Mythologie ist Morpheus der Gott der Träume und des Schlafes. Im ersten Teil bietet Morpheus Neo eine rote und eine blaue Pille an. Erstere wird ihm die wahre Realität zeigen, letztere würde ihn in seinem
Bett aufwachen lassen und die bisherigen Erlebnisse als Traum zurücklassen. Bemerkenswert ist, dass gerade Morpheus, der Gott des Traumes, Neo aus seinem ewig währenden „Traum” reißt und ihm die wahre Welt zeigt.
Trinity
Eine Interpretation ist hier die Namensverwandtschaft mit der christlichen Trinität. Trinity ist im Film die Geliebte
Neos. Sie unterstützt und rettet sein Leben mit ihrer unendlichen Liebe. Der heilige Geist wird auch oft mit Liebe
übersetzt. Es heißt auch, dass Jesus durch den Heiligen Geist auferstanden ist.
Zion
Zion (hebr. ‫ציון‬, gr.-lat.: Sion) bezeichnete ursprünglich eine im Alten Testament der Bibel erwähnte befestigte,
vorisraelische Stadt der Jebusiter auf dem südöstlichen Hügel von Jerusalem (vgl. 2. Buch Samuel 5,7). Später wurde
Zion zum Begriff für die Heiligtümer Jerusalems (Jesaja 10,12). Wieder später wurde der Begriff auf den von König
David und Salomo bebauten nordöstlichen Hügel, insbesondere den Palast- und Tempelbezirk, ausgedehnt und
schließlich auf die gesamte Stadt Jerusalem übertragen. Heute wird auch der vor der heutigen Stadtmauer gelegene Südwesthügel als "Zionsberg" (Mount Zion, Har Zijon) bezeichnet, da dieses Gebiet im Mittelalter fälschlicherweise für die Davidsche Stadt gehalten wurde. Im Tanach, im Alten wie im Neuen Testament gilt Zion seitdem
als auserwählte Stadt Gottes und seines Volkes. Zion als Mittelpunkt des jüdischen Glaubens ist die moderne Bezeichnung des „Heiligen, gelobten Landes“.
Über Jahrhunderte konnte Zion eine erhebliche symbolische Kraft entwickeln. Daher taucht der Begriff in der Religion, Literatur und Kunst häufig auf. In „Matrix“ ist Zion die letzte Stadt in der realen Welt, die letzte in der noch
Menschen frei leben, in diesem Sinn also auch der Nabel der menschlichen Welt und einzige Stätte, von der Heil für
die Menschheit ausgehen kann. Zion ist Keimzelle des Widerstands und letzte Bastion der Hoffnung.
Es gibt aber noch eine weitere Namensdeutung für Zion, nämlich als Bezeichnung für Afrika in der Religion der
Rastafaribewegung und für das westliche Missouri in der Religion der Mormonen. Auffallend ist, dass im Film in der
Stadt Zion viele Menschen dunkler Hautfarbe und Rastafrisuren leben. Besonders wird diese Beobachtung in der
Tanzszene im zweiten Film nach Morpheus' Rede deutlich.
Nebukadnezar
Nebukadnezar ist der Name zweier babylonischer Regenten und bedeutet so einen Bezug zu Babylon und seiner
Rolle in biblischen Mythologien. Nebukadnezar bedeutet übersetzt "Gott Nabû, schütze meinen ältesten Sohn", was
auch einen Bezug zum Schutz von Neo darstellen kann. Das Raumschiff von Morpheus ist die Nebukadnezar.
4.2 Christentum
Die Trilogie beinhaltet vielerlei Hinweise auf die christliche Religion. Besonders das Konzept von einem Messias,
der sein eigenes Leben opfert um das Schicksal der Menschheit zu ändern. Der Verweis ist unmissverständlich. Als
Neo sich am Ende des dritten Films für die Menschen opfert, nimmt er eine Haltung ein, die an die Kreuzigung erinnert. Als weitere Bekräftigung gilt die Aussage des Orakels bezüglich der Wiederauferstehung Neos vom Tod.
Weiterhin gibt es auch Parallelen zum alten Testament. So erinnert die Erzählung des Agent Smith von der
ursprünglichen Matrix, die als perfekte Welt konzipiert war, von den Menschen jedoch nicht angenommen wurde,
stark an die Schilderung des Paradieses, aus dem Adam und Eva durch eigenes Verschulden verwiesen werden. Zu-
11
dem die Wahl Neos, die blaue oder rote Pille zu schlucken, blau für Unwissenheit und rot für Erkenntnis kann als Parallele zum Baum der Erkenntnis und dem Sündenfall gesehen werden.
Auch die Untergrundbahn im dritten Film ist eine versteckte Verbindung zu der katholischen Glaubenslehre. Die
Haltestation, in der Neo gefangen ist, nennt sich „Mobil Ave“ (für Avenue). In dieser Szene kommt das Konzept der
Vorhölle oder Zwischenwelt der katholischen Lehre zum tragen. So lange nicht geklärt ist, ob jemand in die Hölle
oder das Paradies auffahren kann, ist er in dieser Zwischenwelt gefangen und ausgesetzt. Dieses Schicksal ist nur
durch Gott zu durchbrechen. In der Matrix haben nur der Merowinger und der „Trainman“ als sein Gehilfe die Gewalt über diese Zwischenstation.
4.2.1 Jesus – Neo
Ein zentrales Thema der Theologie ist in anthropologischer Perspektive die Freiheit. Es geht um die Freiheit des
Menschen, genauer gesagt um seine Befreiung aus einer Lage, aus der er sich nicht selbst befreien kann, weil er aufgrund seiner Sündhaftigkeit nicht vor Gott gerecht ist. Diese Freiheit erhält er durch den Glauben daran, dass er
durch Jesu Tod diese Gerechtigkeit erlangt. Auch in „Matrix“ geht es strukturanalog um dieses Thema der Freiheit:
„Die Wahrheit ist, dass du ein Sklave bist“ (Morpheus bei der ersten Begegnung mit Neo im ersten Film). Die Menschen sind nicht von sich aus fähig, aus der Matrix auszubrechen, sich selbst zu befreien. Hierzu bedarf es eines
Mannes mit besonderen Fähigkeiten, der nach seiner Wiedergeburt die Matrix zerstören wird.
Es folgt eine vergleichende Zusammenstellung wichtiger Strukturelemente, die Neo und seine Begleiter mit dem
Leben Jesu gemeinsam haben:
12
Jesus Christus
Thomas Anderson – Neo
Gemeinsam keiten:
Bezeichnung:
Menschensohn, Messias, Gottes Sohn,
Heilsbringer, Retter, Erlöser…
Beide werden als Retter
Bezeichnung: bürgerl. Name T. Anderson, griech.: ander + son =
Menschensohn;
NEO = Anagramm ~ ONE, „The One“- der Eine, Auserwählte, „saviour“, „personal Jesus Christ“, „persönlicher Erlöser“
Noch bevor Neo die geringste Ahnung von dem hat, was ihn
erwarten wird, lassen sich schon Hinweise auf den „Messias“ finden.
In der Szene als Neo einem Kunden eine gekrackte Software verkauft, bedankt sich dieser mit den Worten: „Halleluja, you're my saviour, you're my personal Jesus Christ“. In der deutschen Fassung
werden die Worte übersetzt mit: „Halleluja, du hast mich gerettet,
mein persönlicher Erlöser“.
der Menschheit angesehen
Prophezeiung:
Prophezeiung:
dass der Erlöser kommen wird
[im AT z.B. bei Micha 5,1ff. (Mt 2,6) oder Jes
9 (Lk 1,32f.)]
das Orakel hat Morpheus vorhergesagt, dass er den Erlöser finden
wird
13
Auferweckungs
Am dritten Tage nach Jesus Kreuzigung
fährt dieser durch den heiligen Geist ins
Himmelreich auf. (Mk 16,19f)
Besondere
Sowohl Jesus wie auch Neo haben
In Matthäus 28,18 steht: und Jesus trat zu
ihnen, redete mit ihnen und sprach: “Mir ist
gegeben alle Gewalt im Himmel und auf
Erden.“
Auferweckung des Lazarus in Johannes
11,1-27; Jesus erweckt Lazarus nach Tagen
wieder zum Leben.
Beide erlösen die Menschen aus einer
Beide sterben, um
Jesus opfert sich für der Menschen Sünde
und stirbt am Kreuz.
wunder:
Neo wird im ersten Teil von einem Agenten erschossen, jedoch
erweckt Trinity ihn durch ihre unendliche Liebe. (siehe Namensdeutung: Trinity). Neo ist auf dem Bildschirm für 72 Sek. tot, dies
könnte eine Analogie zu den 72 Std. Tod des Jesus Christus hinweisen, 72 Std.= 3 Tage;
Fähigkeiten:
nach ihrer Wiedergeburt größere Macht
Neo scheint nun auch nicht mehr durch irgendetwas aufhaltbar. Er
kann Patronenkugeln mit bloßer Hand stoppen, ebenso
angreifende Maschinen. Obwohl er im 3. Teil sein Augenlicht verliert, kann er energetische Ströme sehen und so seine Umwelt
wahrnehmen, er rettet Trinity vom Tod und erweckt diese wieder.
Situation, aus der sie sich nicht von allein befreien können
zu erlösen:
Der wohl deutlichste Verweis auf die Parallele Jesus und Neo ist die
Schlussszene des Films, in der Neo sich opfert um den Menschen
den Frieden zu bringen. Er stirbt in einer Position die an den gekreuzigten Jesus erinnert. Nach seinem Tod gibt es zum ersten Mal
im Film einen Sonnenaufgang und das Orakel prophezeit seine
Wiederkehr.
Unter schiede:
Weg zur Erlösung:
Weg zur Erlösung:
Jesus lehnt Gewalt ab und benutzt diese
nicht, um angestrebte Ziele zu erreichen.
Sein Konzept beruht auf Nächstenliebe
und Hingabe für die Anderen. Zudem
predigt er bedingungslose Liebe ohne Vorleistung.
Erlösung und Befreiung der Menschen
durch Erniedrigung und Leiden.
Direkter Einsatz von Waffen unterschiedlichster Art, dabei gibt es
viele Opfer zu beklagen. Um sein Endziel jedoch zu erreichen gibt
er die Gewalt auf – Opferszene am Schluss.
Erlösung und Befreiung der Menschen durch Kampf
Teil) und durch Erniedrigung (Schlussteil)
Wissen:
Wissen:
Jesus weiß um seine Sendung und scheint
allwissend.
Neo wird von Anfang an angelernt und zweifelt lange, bis er seine
Bestimmung erkennt und annimmt. Morpheus als Mentor ist dafür
notwendig.
Glaube:
Glaube:
Jesus spricht von Gott und weiß um seine
Sendung.
Neo besitzt keinen Gottesglauben und weiß nicht um seine Auserwählung.
(im ersten
Weitere Parallelen, die auf das Leben von Jesus Christus und dessen Begleiter hinweisen:
•
Die Figur des Morpheus ist in seiner Hauptaufgabe mit der biblischen Gestalt Johannes des Täufers vergleichbar. Sie sind beide auf der Suche nach einem Erlöser und erwecken ihn, nachdem sie ihn gefunden
haben. Für Morpheus ist dies Neo, für Johannes Jesus. "Es kommt einer nach mir, der ist stärker als ich; und ich
bin nicht wert, dass ich mich vor ihm bücke und die Riemen seiner Schuhe löse. Ich taufe Euch mit Wasser, aber
er wird Euch mit dem heiligen Geist taufen" (Mk 1, 7-8). So verkündet Johannes der Täufer Jesus späteres Wirken und seine Großartigkeit im Markusevangelium. Er weiß, dass das Erscheinen einer ihm überlegenen Person
14
naht. Genauso ergeht es Morpheus, dem Kapitän der Nebukadnezzar. Das im Film vorkommende Orakel hatte
ihm weisgesagt, dass er den „Auserwählten“ finden werde. Er ist sich sicher, dass Neo dieser ist: „Ich habe Dich
gesucht, Neo [...] Du bist auserwählt, Neo.“ Eine verblüffende Parallele findet sich auch in der Äußerung des Johannes: „Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war
eher als ich.“ (Joh. 1, 30) und der Satz von Morpheus zu Neo: „Du magst mich seit ein paar Jahren suchen, aber
ich bin schon mein ganzes Leben auf der Suche nach Dir.“ Insgesamt sind Johannes und Morpheus vor allem in
ihrem Wissenshorizont zu vergleichen. Sie sind sich im Klaren über die Herrlichkeit Jesu / Neos, diese wiederum
fühlen sich geehrt, ihren Täufer zu treffen. („Aber Johannes wehrte ihm [Jesus] und sprach: Ich bedarf dessen,
dass ich von Dir getauft werde, und du kommst zu mir?“ (Mt. 3, 14) - „Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen.“
(Neo)- „Nein, eine Ehre ist es für mich.“).
•
Die Figur des Cypher wird oft mit Judas, dem Verräter in Verbindung gebracht. In Matthäus 26,14-16 heißt es
„Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere?“ – im Film ist es zwar nicht Neo sondern Morpheus,
der verraten wird, dennoch ist es auch einer aus den eigenen Reihen, der die Gruppe verrät.
•
Als das Orakel Neo mitteilt, dass er nicht der Auserwählte sei, gibt es einen Hinweis auf die Auferstehung. Sie
sagt ihm, dass er „die Gabe“ besitzt, aber er auf etwas zu warten scheine. Auf die Frage „Worauf?“ antwortet sie
mit „vielleicht auf dein nächstes Leben“.
•
Dass zu Neo ganz besonders oft der Vergleich mit Jesus Christus gezogen wird, liegt auch im Einsatz von Beleuchtung und Musik begründet. Bei Neos erster wirklicher „Geburt“, auf dem OP-Tisch in der Nebukadnezar,
erstrahlt der Raum in weißem Licht. Bei der Überschreibung von Smith im ersten Teil zersplittert dieser und in
ihm erstrahlt grelles Licht. Nach Neos Aufopferung am Ende des dritten Teils, wenn die Wächter aus der Stadt
Zion abziehen, setzt zum ersten Mal ein sakraler Gesang ein.
Gerade die Schlussszene hat die Meinungen der Zuschauer gespalten und zum Diskutieren angeregt. Im
Folgenden werden zwei verschiedene Interpretationen zur gegenseitigen Zerstörung von Neo und Agent Smith unter verschiedenen religiösen Sichtweisen betrachtet:
Erlösung/Befreiung bei Jesus und Neo
Das Programm Smith, welches ursprünglich eine Art Wächter-Programm für die Matrix gewesen ist und sich
verselbstständigt hat, scheint in Neo seinen Feind gefunden zu haben und nur für diesen geschaffen worden zu
sein. In diesem Kontext ist Neo der ultimative Störenfried, aber gleichsam wie sein Erzfeind auch an seinen Gegenpart gebunden. Ausgelöst wurde diese Verbindung durch die Tötung Neos durch Smith gegen Ende des ersten
Films, seine „Auferstehung“ und die darauf folgende Tötung von Smith. Wie auch Neo weigert sich Smith, sein
Schicksal anzuerkennen und kehrt im zweiten Film zurück. Entkoppelt von der Matrix suchen beide nach ihrer Bestimmung. Neo und Smith halten sozusagen das Gleichgewicht. Geht einer der beiden, besitzt der andere keine
Aufgabe und somit keinen Grund mehr, zu existieren. Anders als Smith begreift Neo den sinnlosen Kampf, der stets
in einem Unentschieden endet und beschließt, sich besiegen zu
lassen, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Neo lässt sich
besiegen und Smith hört dadurch auf zu existieren. Dieser
Kampf kann von keiner Seite gewonnen werden, so zerstören
sich Neo und Smith gegenseitig.
Eine weitere, religiöse Deutung ist diese: Die Aufopferung
weist eindeutige Parallelen im Zusammenhang mit der Kreuzigung Jesu vor, der sich für die Menschheit selbst opferte.
Passend dazu auch die Szene der Beisetzung Neos, mit beiden
Armen ausgestreckt wie am Kreuz hängend wird er vom Supercomputer zurückgelassen. Ähnlich wie in der Bibel konnte Neo
zwar gar keinen Sieg im Kampf mit Smith erringen, aber
dennoch einen Frieden zwischen Mensch und Maschine aushandeln.
Beisetzung Neos am Ende des dritten Films
Auch diese Gegenüberstellung macht deutlich, in welch hohem Maße „Matrix“ ein religiöser Film ist. Ihm liegt ein
bedeutender Teil der christlichen Erlösungslehre zugrunde. Es ist dies die Notwendigkeit von Erlösung, weil es sich
15
um die Befreiung aus einer schrecklichen Gefangenschaft handelt, die nicht mit gewöhnlichen, menschlichen Kräften zu bewerkstelligen ist.
Bei allen Parallelen zwischen Jesus und Neo dürfen jedoch die entscheidenden Unterschiede nicht außer Acht
gelassen werden. Der Religionspädagoge Andreas Mertin warnt davor, Neo blind mit Jesus gleichzusetzen: „Ich
glaube nicht, dass der Kinofilm Matrix das genuine Medium für den Religionsunterricht ist, dafür ist in ihm nicht zuletzt zu viel ästhetisierte Gewalt enthalten und die Aufnahme der christlichen Heilsgeschichte geschieht zu schematisch und damit unreflektiert. Aber der Umstand, dass Jugendliche den Film durchaus unter religiösen Aspekten
wahrnehmen, macht die Thematisierung im Religionsunterricht durchaus sinnvoll.“3
4.3 Asiatische Religionen
Während in „Matrix“ kaum oder gar nicht - zumindest für die Autoren nicht erkennbar - auf islamische Vorstellungen zurückgegriffen wird, spielt fernöstliche Religiosität hier eine etwas größere Rolle: Die Vorstellung der
Wiedergeburt wird bemüht und in die Weissagung des Orakels integriert, wobei die Konzentration auf eine einzige
heilbringende Figur, die wiedererweckt wird, möglicherweise eher als biblisch anzusehen ist [vgl. Elia – Johannes
der Täufer (z.B. Lk 1,17 oder Joh 1,21) sowie die Hoffnung auf die Wiedererweckung König Davids (z.B. Ez 34,23)]. Die
Matrix selbst kann von Hinduisten oder Buddhisten vermutlich mit der Vorstellung des äußerlichen Trugbilds der
Welt – Maya – übereingebracht werden, das durch die Erkenntnis der wahren Wirklichkeit zu durchstoßen ist.
Hierzu muss man allerdings erst seinen Geist befreien, wie es Neo tun muss, bevor der Sprung über die Häuserschlucht gelingen kann.
Das Konzept vom freien Willen und der Vorbestimmtheit beinhalten Maya und Karma. Auch die Musik im Abspann basiert auf Sanskrit. Weitere Parallelen zwischen der hinduistischen Trinität und den drei mächtigsten
Existenzen der Matrix, dem Architekt (Brahma), dem Orakel (Shiva) und der Quelle (Vishnu) können in Betracht gezogen werden. So kann Neo auch als Inkarnation von Vishnu betrachtet werden.
Einen Bezug zum Buddhismus kann man bei Neos Tod herstellen. Als er scheinbar tot ist, kann man ganz deutlich
eine orangene energetische Lotusblüte sehen. Diese impliziert, dass Neo
erleuchtet ist und sich nun im Nirwana befindet. Aber auch schon vorher,
als Neo das erste Mal das Orakel trifft, lernt Neo einen buddhistischen
Jungen kennen, der ihm zu verstehen gibt: “Es gibt keinen Löffel“. Dieser
scheint durch Meditation seinen Geist zu befreien.
Die Vereinigung bzw. Wiedergeburt ist auch als Wiederholung des Endes
des ersten Teils von „Matrix“, des Neubeginns, zu sehen. Wie der Filmtitel
„Revolutions“ selbst, der ja nicht nur mit Aufstand, sondern auch mit Umdrehung übersetzt werden kann, ist es eine mögliche Anspielung auf die
buddhistische und hinduistische Glaubensgrundlage des Wiedergeburtenkreislaufes.
Das Duell zwischen Gut und Böse, kann auch als Umsetzung des Yin und
Yan aus der chinesischen Philosophie verstanden werden. Yan existiert wie
Neo nur, solange es ein Gleichgewicht mit Yin (Smith) hält.
4.4 Bezüge zu Werken der Literatur
Das erste Auftreten des Begriffs Matrix in der Bedeutung als durch vernetzte Computer geschaffener virtueller Raum, stammt aus dem Roman
„Neuromancer“ des Autors William Gibson. Die fragwürdige Grundlage der
Realität bzw. des Ichs innerhalb simulierten Welten wurde bereits im mehrfach verfilmten Roman „Simulacron-3“ von Daniel F. Galouye behandelt.
Hubschraubereinsatz in "Matrix"
3
Die Matrix - oder: Der Erlöser als Actionheld, Andreas Mertin, aus: Religionspädagogik Rundbrief. Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Bistum Hildesheim Juli/2000, 11f., http://www.amertin.de/aufsatz/matrix.htm (5.2.2006)
16
Einige Szenen, vor allem die Rettung des gefangenen Morpheus durch Hubschraubereinsatz, sowie die Anfangssequenz weisen deutlich auf Frank Millers bildgewaltigen Batman-Comic-Epos „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ hin,
dessen Verfilmung die Wachowski-Brüder planten.
Eine weitere sehr interessante Verbindung kann man zu einer Filmszene am Anfang des ersten Teils feststellen.
Thomas Anderson nimmt ein Buch aus einem Regal, und schlägt es sichtbar bei einem Kapitel „On Nihilism“ auf. Bei
diesem Buch, das tatsächlich existiert, handelt es sich um “Simulacra and Simulation“ des französischen Philosophen der Postmoderne Jean Baudrillard. Eine radikale Deutungstheorie spricht von einer Analogie auf die moderne
Medienwelt. Der heutige Zuschauer lebt in einer künstlichen Welt, geschaffen durch die Unterhaltungsindustrie,
speziell Hollywood, die ihm ein besseres, schöneres Leben als sein eigenes vorgaukelt. Der Zuschauer verkommt zur
körperlichen Untätigkeit, während er mehr und mehr glaubt, bei dem, was er auf seinen Monitoren sieht, handelt es
sich um sein eigenes Leben. Er dient nur noch dazu, den Moloch der Unterhaltungsindustrie zu „ernähren“.
Weitere Bezüge zu verschiedener Literatur kann man finden. Dass die Wachowskis Fans von Louis Carolls „Alice
im Wunderland“ sind ist kein Geheimnis. Das weiße Kaninchen und die Verbindung zu Alice tauchen immer wieder
auf in Sätzen wie „follow the white rabbit“, „i imagine that right now, you´re feeling a bit like Alice, tumbling down
in the rabbit hole“ und „you take the red pill, you stay in wonderland and I show you how deep the rabbit hole
goes“.
Die Vereinigung mit einer künstlichen Intelligenz, hier dem Computer, findet sich bereits als Hintergrundthema
in mehreren Werken der Cyberpunk-Literatur wieder. In Neuromancer verschmelzen zwei künstliche Intelligenzen,
in Ghost in the Shell sind es ein Cyborg und eine künstliche Intelligenz.
17
5 Bedeutungen und Konsequenzen
Christliche Religion und enstgemeinter Glaube sind in unserer Gesellschaft, so scheint es, wenig populär, vor
allem unter den Jüngeren. Es stellt sich die Frage, wieso Matrix dann so erfolgreich war, ein Film, zu dessen Kerngedanken wahrer Glaube und wesentliche Inhalte der christlichen Erlösungslehre zählen. Liegt es daran, dass Neo die
Erlösung mit Gewalt durchsetzt? Oder gehen diese Gedanken auf ein grundlegendes Bedürfnis der Menschen ein
und sind vielleicht doch populärer, als es scheint?
5.1 Absichten der Regisseure
Bei dieser ungeheuren Vielfalt an religiösen Symbolen und kulturellen Beziehungen stellt sich die Frage, was sich
die Regisseure dabei gedacht haben. Haben sie einfach versucht, möglichst viele irgendwie beziehungsreiche und
vielschichtige Symbole und Verweise in die Geschichte einzubauen, um ihr mehr Tiefe zu verleihen oder haben sie
gezielt eine oder mehrere philosophische Gesamtaussagen in die Geschichte verwoben?
Direkte Hinweise von den Brüdern Wachowski gibt es nur wenige. Nach dem Erfolg des ersten Teils haben sie
sich entschlossen, keine weiteren Interviews mehr zu geben. Möglicherweise hatten einige Journalisten allzu dämliche Fragen gestellt. Sicher ist aber auch, dass sie ihre Filme für sich sprechen lassen und die Gedanken der Zuschauer durch keine offizielle Interpretation eingrenzen wollen. In einem Gespräch mit Ken Wilber sagt Larry Wachowski:
„You make a work of art, and you want it to be provocative, you want people to dialog about it, you don't want
them to rely on somebody to tell them what it is or what it's like, the whole nature of the movie is exactly that: inspect it and pursue it yourself. It seems hypocritical for us to go out and tell everybody what it's supposed to be
about or what you're supposed to think about it, and even if I was to do it, by the very nature of us being the creators of it, it becomes, you know, law, it becomes the interpretation, and anyone else's interpretation is just... some
crazy individual that really doesn't get it. “4
Nach eigener Aussagen wollten die Brüder Wachowski einen Actionfilm drehen, der die Zuschauer nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt: „We just really want to see how the idea of an intellectual action
movie is received by the world.“ sagt Larry Wachowski 5. „Our films were never intended for a passive audience.
There are enough of those kinds of films being made. We wanted our audience to have to work, to have to think, to
have to actually participate in order to enjoy them.”
Bei einem Internet-Chat antworteten Larry und Andy Wachowski auf die Frage „Your movie has many and varied
connections to myth and philsophy, Judeo-Christian, Egyptian, Arthurian, and Platonic, just to name those I've noticed. How much of that was intentional?“ mit „All of it.“ 6 Diese Aussage scheint zunächst scherzhaft zu sein, stellt
sich aber bei genauerer Beschäftigung als offenbar durchaus ernst gemeint heraus. Seit ihrer Schulzeit sind die
Brüder fasziniert von Ideen, die konventionelle Vorstellungen von Realität in Frage stellen. In Gesprächen überraschen sie immer wieder mit umfangreichem Wissen über Mathematik, Physik und Philosophie und deren Verbindungen, dass offenbar nicht nur angelesen ist, sondern das sie tiefgründig beschäftigt hat. Im Gespräch mit dem
Philosoph Ken Wilber2 fachsimpelt Larry Wachowski ohne Probleme über Hegel und Schopenhauer. Darüber hinaus
zeigen die Brüder sich beeindruckt von alten Mythologien und der Art, wie das Internet auf die Kultur einwirkt. Zur
Entstehung des ersten Teils sagt Andy Wachowski im Interview mit der New York Times: „The script was a synthesis
of ideas that sort of came together at a moment when we were interested in a lot of things: making mythology relevant in a modern context, relating quantum physics to Zen Buddhism, investigating your own life. We started out
thinking of this as a comic book. We filled notebook after notebook with ideas. Essentially that's where the script
came from."“7
4
5
6
7
aus „The many meanings of the Matrix“, Gespräch zwischen Larry Wachowski and Ken Wilber, Juli 2004, Audiodatei auf
http://in.integralinstitute.org/talk.aspx?id=205 (3.2.2006), Transkript auf http://www.matrixfans.net/symbolism/meanings.php (3.2.2006)
aus „In 'Matrix' the Wachowski Brothers Unleash a Comic Book of Ideas“, Bernard Weinraub, The New York Times, 5. April 1999
Online-Chat mit den Gebrüdern Wachowski vom 6. November 1999, auf der offiziellen Filmwebseite
http://whatisthematrix.warnerbros.com/cmp/larryandychat.html (3.2.2006)
aus „In 'Matrix' the Wachowski Brothers Unleash a Comic Book of Ideas“, Bernard Weinraub, The New York Times, 5. April 1999
18
Es zeigt sich also, dass die Brüder Wachowski bei der Erstellung des Drehbuchs bewusst einen riesigen Fundus
von philosophischen und religiösen Ideen verarbeitet haben, die sie sich im Laufe der Jahre angeeignet haben. Somit ist Matrix einer der wenige populären Filme, die nicht nur beim Zuschauer den Eindruck erwecken, tiefgründig
zu sein, sondern tatsächlich auch von den Autoren in einer sehr vielschichtigen Art angelegt sind.
5.2 Wirkung auf den Zuschauer
Die Struktur des ersten Films der Trilogie hält sich eng an die traditionelle Dramaturgie einer Heldenreise8: Beginn
in Gewöhnlicher Welt – Berufung – Zögern – Begegnung mit dem Mentor – Überschreiten der ersten Schwelle –
Prüfungen, Verbündete, Feinde – Annäherung – Äußerste Prüfung (Zweite Schwelle) – Belohnung – Rückweg – Entscheidung – Auferstehung – Siegreiche Heimkehr.
Tiefergehende Aussagen sind für den Zuschauer hier nicht verbindlich. Wer möchte, kann den ersten Film
einfach als Action-Film sehen, sich nur unterhalten lassen und wird sich dabei nicht langweilen. Meistens wird er
dabei auch eine diffuse Ahnung von den tiefer liegenden Aspekten erhalten und sich irgendwie religiös bewegt
fühlen. Der interessierte Zuschauer hingegen kann eine Fülle von philosophischen und religiösen Aspekten erkennen, die allerdings keine verbindlichen Gesamtaussagen bilden, sondern der Interpretation jedes einzelnen
überlassen sind. Das Wertesystem ist im ersten Film noch einfach, überschaubar und dualistisch: die Maschinen sind
die Bösen und die Rebellen die Guten, alle Menschen in der Matrix sind gefangen, alle draußen dagegen frei.
Anders im zweiten und dritten Teil: hier werden viele Konzepte aus dem ersten Film weitergeführt und auf eine
höhere Stufe gehoben. Philosophische Parallelen, religiöse Allegorien und die Thematik von Realität, Wahrheit und
Bewusstsein sind nicht mehr nur unverbindliche Beigabe, sondern bilden zentrale Handlungsstränge. Action und intellektuell fordernde Szenen wechseln sich getrennt voneinander ab, so dass der Zuschauer an mehreren Stellen
praktisch gezwungen wird, über die Thematik genauer nachzudenken.
Wie Ken Wilber bemerkt, ist Neos Begegnung mit dem Orakel im zweiten Film ein entscheidender Wendepunkt
in der Komplexität der Handlung. Hier erkennt Neo, dass das ihm stets wohl gesonnene Orakel ein Computerprogramm ist, also ein Produkt der Maschinenwelt. Die Dualität zwischen den guten Rebellen und den bösen Maschinen wird aufgebrochen und aufgeweitet in eine wesentlich vielschichtigere Philosophie, mit Wilbers Worten
geht die Geschichte hier „aus dem Bereich der Filme in den Bereich von komplexer Literatur“. Dies verstärkt sich bis
zum Ende des dritten Teil, wo Neo die Maschinen als strahlende goldene Lichtwesen wahrnimmt (Neo zu Trinity: „If
you could see them as I see them, they are all made of Light....“), also offenbar nicht mehr die „Bösen“. In Ken Wilbers
Interpretation der Matrix-Filme bilden schließlich Zion (in bläulichen Farben) as Körper, die Matrix (grünlich) als
Verstand und die Maschinen (golden) als Geist eine Einheit.
5.3 Bedeutung für die Gesellschaft
5.3.1 Film als Leitmedium der Gegenwart
Unter alle Medien nimmt der Film in der heutigen Kultur eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der massenhaften Verbreitung in fast allen Bevölkerungsschichten kann der Film in kürzester Zeit populäre Mythen und allgemeines
Kulturgut prägen, verändern und sogar neu erschaffen. Freilich gelingt es nur wenigen Filmen, derart im kulturellen
Bewusstsein hängen zu bleiben. Fast alle Filme, die nicht in Hollywood produziert werden, verfügen bei weitem
nicht über die Reichweite, um zum Allgemeingut zu werden. Aber auch über die meisten Hollywood-Produktionen
spricht im folgenden Jahr keiner mehr, weil sie in der Regel anspruchslose Unterhaltungsware mit einfachen geradlinigen Geschichten sind.
Die Filme jedoch, die einen bleibenden Eindruck in der Populärkultur hinterlassen, sind meistens solche, die den
Zuschauer einerseits unterhalten, andererseits aber auch eine Vielschichtigkeit bieten, die zum Nachdenken und zur
Diskussion auffordert, die religiöse Sehnsüchte aufgreifen und universelle Erkenntnisse bieten, die sich weit über
den Film hinaus anwenden lassen. Hierzu zählen beispielsweise die Star-Wars-Filme (mit eigener Religion), Titanic
(weit mehr als ein Katastrophenfilm), Der Herr der Ringe (mit kompletter Mythologie), Forrest Gump (Kraft des Ur8
Christopher Vögler, Die Odyssee des Drehbuchschreibens (The Writer's Journey), Frankfurt a. M. 1997
19
vertrauens) und eben auch die Matrix-Filme. Kennzeichen dieser Filme ist, dass diese universellen Aussagen zur
Identitätsbildung und weltanschaulichen Orientierung des Zuschauers beitragen und somit typisch religiöse
Funktionszüge aufweisen. Somit gelten populäre Filme als „moderne Religionsanaloga“, die „wie kaum ein anderer
Kulturfaktor das Denken und Fühlen der Menschen – insbesondere das Bewusstsein der heranwachsenden Generationen“9 prägen.
In diesem Zusammenhang schreibt der Filmkritiker G. Seeßlen: „Alle populären Filme sind, mehr oder minder
deutlich, Ableitungen der 'großen Erzählungen', der fundamentalen Geschichten in der Bibel.“ Nach Ansicht der
Autoren ist es jedoch vielmehr so, dass sowohl den erfolgreichen populären Filmen als auch der Bibel und allen
anderen Mythen die gleichen grundsätzlichen Dramaturgien und Erzählstrukturen zugrunde liegen. Diese sind
Ergebnis jahrtausendealter kultureller Erfahrungen, die sich in allen Kulturkreisen unabhängig voneinander in ähnlicher Form ausgebildet haben. Der Mythenforscher Joseph Campbell hat in einem viel beachteten Werk 10 die großen
mythischen Erzählungen der Völker aus allen größeren bekannten Kulturen einer vergleichenden Analyse unterzogen. Dabei fand er heraus, dass die mythischen Helden-Geschichten, Legenden und Sagen, ob bei den alten Griechen und Römern oder den asiatischen und indianischen Kulturen, die gleichen Grundelemente und Erzählmuster
aufweisen.
5.3.2 Kinobesuch als Ritual
Der Kinobesuch hat für viele Zuschauer etwas „Feierliches“, ganz im Gegensatz zum Fernsehkonsum auf dem
Wohnzimmersofa. Es gibt ein festes Ritual der Begehung: Man zieht sich entsprechend an, trifft sich mit Freunden,
kauft Eintrittskarten, Bier und Popcorn und überschreitet schließlich die Schwelle zum Kinosaal. Hier erlebt man,
eingehüllt in die Dunkelheit, zusammen mit vielen anderen Menschen, aber dennoch jeder für sich, eine Geschichte
aus einer anderen Welt. Am Ende des Film kehrt man in die Realität zurück und geht oft mit einem besseren Gefühl
nach Hause. Insofern spiegelt der Kinobesuch in seiner Abfolge das Erzählmuster der Heldenreise wider.
Aber auch religiöse Sehnsüchte werden durch den Kinobesuch bedient. Fasst man ihn als Ritual auf, zeigen sich
eine Reihe von Parallelen zum Gottesdienstbesuch. Im Kino wird der Alltag für zwei Stunden unterbrochen. Man
kann seine weltlichen Sorgen vergessen, an einer anderen Wirklichkeit teilhaben, sich mit zentralen Lebensthemen
(wie Liebe, Hass, Erlösung und Tod) auseinandersetzen und möglicherweise für sich Antworten auf existentielle
Fragen finden.
Teilweise wurden Kinos als „neue Tempel“ bezeichnet. Das geht sicherlich zu weit, da Sinnvermittlung und Katharsis in Kino stets nur ein unverbindlicher Nebeneffekt sind. Dennoch wird klar, dass sich viele Menschen, denen
die Kirche fremd ist, gerade Filme mit einer hohen Dichte an religiösen Symbolen und Inhalten unter anderem
auch deswegen anschauen, weil sie dort für sich Antworten auf Fragen des Lebens erhoffen und auf Sehnsüchte
nach religiösen Gefühlen und Feierlichkeit eingegangen wird.
5.3.3 Existenzielle Fragen in der Popkultur
Interessanterweise greifen die philosophischen Aspekte in der Matrix-Trilogie, obwohl die Handlung in einer
modernen High-Tech-Welt spielt, auf die ältesten kulturellen Traditionen zurück. Die Filme sind zum Beginn des 21.
Jahrhunderts entstanden und spielen im 22. Jahrhundert, aber die philosophischen und religiösen Elemente sind
bis zu 2000 Jahre alt. Dies trifft nicht nur speziell auf die Matrix-Reihe zu, sondern ist ein allgemeines Kennzeichen
von Sinndeutung in den populären Medien.
Alle vielschichtigen Erzählungen bekommen Tiefe nie durch sich selbst allein sondern vor allem durch die Kultur
und Tradition, in der sie verwurzelt sind. So finden sich auch in den Werken der Popkultur ständig Anspielungen
und Zitate aus der abendländisch-christlichen und anderen Kulturen und Religionen. Diese Symbole werden häufig
aus ihrem Zusammenhang genommen und neu zusammengesetzt. Der Religionspädagoge Hans-Martin Gutmann
weist darauf hin, dass ohne dieses Spiel mit den Symbolen die populäre Kultur zu keiner Tiefe fähig wäre: „Offenbar
kann – verständlich für sich selbst und für andere – nicht anders über zentrale Erfahrungen und Konflikte des
Lebens - Liebe, Hass, Sehnsucht, Tod, Traurigkeit, Einsamkeit und Befreiung - geredet werden als so, dass zentrale
9
10
„Euer Herz lasse sich nicht verwirren: Der Kultfilm Matrix und die Frage nach Wahrheit und Befreiung“, Werkmappe Religionsunterricht 5,
Franz Kaiser Trujillo, herausgegeben vom Institut für Theologie und Politik, Dezember 2004
Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt a. M. 1978
20
Symbole der religiösen Tradition in Anspruch genommen werden. (...) Die populäre Kultur übernimmt mit den bezeichneten Lebensformen und Themen traditionelle Aufgaben der 'Religion'; und zugleich kann sie das nicht tun,
ohne auf die ausgearbeitete Gestalt der Religion immer wieder zurückzugreifen “11
Es bedarf also Filmemacher mit einem entsprechend weiten geistesgeschichtlichen Horizont wie der der Wachowski-Brüder, um Filme zu machen, die dem Zuschauer eine Vielschichtigkeit und philosophische Tiefe bieten,
die mit der der Matrix-Trilogie vergleichbar ist. Offenbar ist dies der Grund, warum die Standardware aus Hollywood, wo Drehbuchschreiber und Regisseure als austauschbar gelten, oft jegliche Tiefe vermissen lässt.
5.4 Konsequenzen für die Kirche
Viele Menschen sehen in den traditionellen Kirchen keine Antworten auf ihre existentiellen Fragen. Die leeren
Kirchen belegen dies eindrucksvoll. Jedoch gibt es offenbar in allen Menschen ein tief verwurzeltes Bedürfnis nach
Religiosität und Sinndeutung des Lebens. Die seit Jahren anhaltende Popularität von Esoterik und asiatischen Religionen ist ein Beleg dafür. Viele Menschen können sich in keiner einzelnen Religion richtig wieder finden, sondern
setzen ihre Weltanschauung individuell aus Teilen vieler verschiedener Religionen und Philosophien zusammen.
Wie sich diese viel zitierte „Privatisierung der Religion“ langfristig auf die Gesellschaft auswirkt, wenn es keine verbindliche Weltanschauung mehr gibt, die Werte und Normen festlegt, lässt sich noch nicht abschätzen.
Die individuelle Weltanschauung befriedigt aber im Gegensatz zu den Religionen und der Esoterik nicht die Bedürfnisse vieler Menschen nach religiösen Emotionen, feierlichen Ritualen und einem Gefühl der Katharsis. Vermutlich ist dies mit ein Grund für den überwältigenden Erfolg der Matrix-Filme: die interessierten Zuschauer erhalten
hier nicht nur eine Vielzahl von philosophischen und religiösem Symbolen und Inhalten, mit denen sie sich auseinandersetzen können, sondern die Kombination mit einer Heldengeschichte als Erlösungs- oder Heilsgeschichte
befriedigt auch zu einem gewissen Maß gerade auch durch das Ritual des Kinobesuchs die Sehnsucht nach religiösen Empfindungen. Außerdem steht das Kino in keinem Verdacht, den Zuschauer bekehren zu wollen und liefert
so eine sehr bequeme, weil unverbindliche Religiosität.
Wie sollten nun die Kirchen darauf reagieren? Wenn sie diese aktuellen Strömungen außer Acht lassen und fortfahren wie bisher, werden sie wohl bald die meisten Kirchen mangels Gottesdienstbesuchern dicht machen können.
Wichtig wäre, auf die Leute dort zuzugehen, wo sie sich weltanschaulich gerade befinden und religiöse Symbole als
Chance zu sehen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie mit christlichen Gedanken und Inhalten
wieder vertraut zu machen und aufzuzeigen, was die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind. Insbesondere für
den Religionsunterricht bietet sich hier eine große Chance.
5.4.1 Anregungen für die Religionspädagogik
Wo traditionelle Vorbilder wie Eltern oder Lehrer in der heutigen schnelllebigen Zeit für Jugendliche keine zufrieden stellende Orientierung für die Zukunft mehr geben, werden sie durch das ersetzt, was im Leben der Jugendlichen über den Alltag hinausragt: in den Helden der Filme finden sie Vorbilder, zu denen sie aufschauen können und
die ihre Sehnsüchte und Träume bedienen. Im Gegensatz zur Realität sind die Geschichten auf die wesentlichen
Handlungselemente reduziert, was vielen eine Orientierung in der undurchsichtig und komplex erscheinenden Welt
bietet. Filme mit vielschichtigen Inhalten, die auch philosophische und religiöse Thematiken aufgreifen, können die
Jugendlichen zum Nachdenken über existentielle Fragen anregen und ihnen so neue Impulse für die Ausrichtung
ihres Lebensentwurfs geben.
So gesehen gibt es für die Religionspädagogik wohl kaum eine bessere Methode, um Jugendliche an philosophische und religiöse Fragen heranzuführen als Filme wie „Matrix“, die sich die Jugendlichen von sich aus anschauen, weil sie ihnen eine gut erzählte, spannende und unterhaltsame Geschichte bieten. Allerdings drängen sich wie
oben erwähnt zumindest im ersten Teil der „Matrix-Trilogie die tieferen philosophischen und religiösen Bedeutungen nicht auf, sondern erschließen sich nur dem, der sich aktiv damit beschäftigt. Wenn es anders wäre, wäre der
Film wohl bei Jugendlichen deutlich weniger beliebt (vermutlich ist das mit ein Grund, warum der zweite und dritte
Teil nicht den Erfolg und das Ansehen des ersten erreicht haben).
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Hans-Martin Gutmann, Der Herr der Heerscharen, die Prinzessin der Herzen und der König der Löwen: Religion lehren zwischen Kirche,
Schule und populärer Kultur, Gütersloh 1998
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Somit ist es gerade für Jugendliche wichtig, die Vielschichtigkeit und Mehrfachcodierung der Handlung zu erkennen. Hier ist der Religionsunterricht gefragt, zumal es in der Regel kein anderes Schulfach gibt, das sich mit
existentiellen Fragen beschäftigt, auf das allgemeine Interesse vieler Jugendlicher an Filmen wie „Matrix“ einzugehen und im Unterricht die zahlreichen religiösen Symbole und Parallelen im Film und deren Interpretationsmöglichkeiten aufzuzeigen, um sie in die Lage zu versetzen, selbständig nicht nur über den Film, sondern auch über die zugrunde liegende Religion, Philosophie und Kultur nachzudenken.
Hierbei sollten nicht nur die Parallelen zwischen Film und Religion, sondern insbesondere auch über die wesentlichen Unterschiede thematisiert werden. Denn gerade im Vergleich zwischen Jesus und Neo zeigt sich deutlich, was
aus christlicher Sicht das Einzigartige an Jesus im Vergleich zu anderen Helden oder Vorbildern ist.
5.5 Fazit
Oft scheint es, als sei in der gegenwärtigen Zeit die Fähigkeit, auf existenzielle Fragen angemessene Antworten
zu finden, durch die verwirrende Informationsüberflutung, postmoderne Beliebigkeiten und hoffnungslähmende
Desorientierung allgemein verloren gegangen. Der Erfolg der Matrix-Filme jedoch belehrt hier eines besseren.
Diesen Filmen gelingt es, die uralte Suche des Menschen nach Sinn und Wahrheit in einem modernen Kontext auf
faszinierende Weise für ein breites Publikum filmisch darzustellen und zu diskutieren.
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