Gleitend in den Ruhestand? - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

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Gleitend in den Ruhestand? - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
Gleitend in den Ruhestand?
– Gesetzliche, tarifliche und tatsächliche
Entwicklung der Altersteilzeit
Gleitend in den Ruhestand?
– Gesetzliche, tarifliche und tatsächliche
Entwicklung der Altersteilzeit
Verfasser:
Dr. Heiner Stück
Arbeitnehmerkammer Bremen
Herausgeberin
Arbeitnehmerkammer Bremen
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Bürgerstraße 1, 28195 Bremen
Tel. 0421 . 36 30 10
Fax 0421 36 30 189
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.arbeitnehmerkammer.de
Bremen, Juni 2003
Schutzgebühr 5,50 Euro. Für Mitglieder der Arbeitnehmerkammer kostenlos.
ISBN: 3-89156-070-2
Vorwort
Das Thema „Arbeitszeit“ ist seit langem ein zentrales Thema der Arbeitnehmerkammer – spätestens seit dem Schwerpunktprogramm „teilZeit – Lebensqualität trotz
Beschäftigungskrise“ im Jahr 1998. Denn für die Arbeitnehmerkammer ist die Frage
der Gestaltung von Arbeitszeit und die mögliche Umverteilung von Arbeit durch
Teilzeit-Modelle eine zentrale Strategie bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.
Deshalb hat sich die Arbeitnehmerkammer auch im Bündnis sehr engagiert dafür
eingesetzt, die Chancen neuer Arbeitszeitmodelle und entsprechender Vereinbarungen
zwischen den gesellschaftlichen Akteuren für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu
nutzen.
Die jetzt vorliegende Studie zur Praxis der Alters-Teilzeit ist ebenfalls diesem Interesse
verpflichtet. Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer darf es bei der Realisierung des
Altersteilzeit-Gesetzes nicht darum gehen, dass Betriebe ihre älteren Mitarbeiter
kostengünstig möglichst frühzeitig loswerden. Das ArbeitnehmerInneninteresse kommt
dann zum Zuge, wenn ältere ArbeitnehmerInnen dank dieses Gesetzes den Übergang
in den Ruhestand stärker an eigenen biografischen Interessen orientiert organisieren
können – und wenn gleichzeitig durch die Inanspruchnahme dieses Gesetzes arbeitslose und/oder jüngere ArbeitnehmerInnen den Zutritt in Beschäftigung finden.
Die Studie macht deutlich, wie wenig selbstverständlich dieses „gleichzeitig“ ist.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Studie nüchtern die aktuelle Situation in
Bremer Betrieben untersucht, um so auch der betrieblichen Interessenvertretung
insgesamt Orientierungswissen bei der Umsetzung des Altersteilzeit-Gesetzes an die
Hand zu geben.
In diesem Sinne verstehen wir die vorliegende Studie als Dienstleistung für die
ArbeitnehmerInnen im Lande Bremen und ihre jeweilige Interessenvertretung – und
als Merkposten für die Politik im Hinblick auf Möglichkeiten einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Dr. Hans-Ludwig Endl
Geschäftsführer
Heinz Möller
Geschäftsführer
Arbeitnehmerkammer Bremen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort........................................................................................................ 3
Fragestellung der Untersuchung ..................................................................... 5
Teil I
Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung der Altersteilzeit
Problemstellung ...................................................................................... 6
Rückgang der Erwerbsbeteiligung älterer Erwerbspersonen ........................... 8
Entwicklung der Altersteilzeit als alternativer Vorruhestand ........................... 9
Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000)............................... 15
Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit .......................................... 16
Zusammenfassung: Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit .............. 29
Ergebnisse der Betriebs- und Personalrätebefragung (WSI) zur Nutzung
der Altersteilzeit in Betrieben und Behörden (Deutschland)......................... 31
Teil II
Nutzung der Altersteilzeit in Bremer Betrieben
Bremer Straßenbahn AG......................................................................... 41
Siemens AG, ZN Bremen........................................................................ 63
Stahlwerke Bremen GmbH ..................................................................... 68
Airbus Deutschland GmbH ..................................................................... 78
Brauerei Beck & Co, Bremen................................................................... 90
Teil III
Nutzung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst des Landes Bremen
Rechtsgrundlagen ................................................................................ 101
Rahmenbedingungen ........................................................................... 102
Entwicklung der Altersstruktur............................................................... 104
Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung .................................................... 109
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der
öffentlichen Verwaltung ........................................................................ 111
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst ....................... 115
Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen .......... 119
Altersstruktur und Personalplanung........................................................ 124
Nachwort ................................................................................................. 130
Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen ............................... 132
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Arbeitnehmerkammer Bremen
Fragestellung der Untersuchung
Die Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes wie auch der Abschluss von neuen
Tarifverträgen zur Altersteilzeit haben in vielen Branchen dazu geführt, dass die
Inanspruchnahme von Altersteilzeit in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. In
vielen Betriebsvereinbarungen werden die gesetzlichen und tariflichen Bedingungen
für das vorzeitige oder allmähliche Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für die
Beschäftigten noch erheblich verbessert. Wurde mit dem „Gesetz zur Förderung eines
gleitenden Übergangs in den Ruhestand“ (Altersteilzeitgesetz) die frühere Praxis der
Frühverrentung tatsächlich abgelöst oder lediglich verändert? Altersteilzeit bildet heute
in vielfältiger Form einen wichtigen Bestandteil der betrieblichen Realität und ein
zentrales Arbeitsfeld der Betriebs- und Personalräte sowie Betriebs- und Personalleiter. Wird Altersteilzeit als Instrument des Personalabbaus oder als Chance eines
Austausches von älteren durch jüngere Beschäftigte genutzt? Welche Faktoren
bestimmen das Niveau der Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die älteren
Beschäftigten sowie das Ausmaß der Wiederbesetzung von frei werdenden Arbeitsplätzen? Welche Gründe lassen sich ausmachen für die unterschiedliche Ausgestaltung der Altersteilzeit in den Betrieben? Bestehen tatsächlich gleiche Möglichkeiten
für die Beschäftigten, zwischen den konkurrierenden Varianten „Blockmodell“ und
„Teilzeitmodell“ zu wählen? Viele Tarifverträge schließen das Teilzeitmodell grundsätzlich aus. Welche Präferenzen haben Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte sowie
die Beschäftigten hinsichtlich der unterschiedlichen Ausgestaltung der Altersteilzeit?
Welche Laufzeiten der Altersteilzeitverträge werden in Verbindung mit dem Lebensalter von den Beschäftigten gewählt? Viele Fragen stellen sich beim Thema der
betrieblichen Umsetzung von Altersteilzeitgesetz und Altersteilzeit-Tarifvertrag. Durch
die Vorstellung von verschiedenen Ansätzen zur Anwendung des personalpolitischen
Instruments „Altersteilzeit“ sollen Antworten auf diese Fragen gefunden werden.
Ausgangspunkt dieser Untersuchung war ein im Mai 2002 von der Arbeitnehmerkammer Bremen veranstalteter Workshop („Altersteilzeit und Personalpolitik“), auf
dem die Betriebs- und Personalräte sowie die Personalverantwortlichen aus einigen
Betrieben und Behörden über ihre Altersteilzeitmodelle berichteten. Mit Expertengesprächen (Personalleitung, Betriebsrat) sowie der Auswertung von betrieblichen
Statistiken zur Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Beschäftigten konnten
diese Berichte aus den Betrieben und Behörden weiter vertieft werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf Bremer Großbetriebe – anzunehmen ist, dass in Mittelund Kleinbetrieben andere Strukturen der Nutzung von Altersteilzeit anzutreffen sind.
Den Betriebs- und Dienstvertragsparteien soll an dieser Stelle nochmals ausdrücklich
für ihre Kooperation mit der Arbeitnehmerkammer Bremen Dank gesagt werden.
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Arbeitnehmerkammer Bremen
Teil I
Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung
der Altersteilzeit
Problemstellung
Die Kluft zwischen dem Lebensalter beim Austritt aus dem Erwerbsleben und der
Regelaltersgrenze von 65 Jahren hat sich vergrößert. Bisher bestehende Wege zur
Überbrückung dieser Kluft sind aufgrund der Rentenreform, die auf eine Verlängerung
der Lebensarbeitszeit abzielt, inzwischen eingeschränkt oder sogar abgeschafft
worden (wie z. B. die so genannte 59er-Regelung). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt
verschärft demgegenüber das Beschäftigungsrisiko der älteren Arbeitnehmer/innen, so
dass die Schere zwischen dem Berufsaustrittsalter und dem regulären Rentenzugangsalter sich noch vergrößern wird. Auf der einen Seite werden die älteren Erwerbspersonen zur Verlängerung ihrer Lebensarbeitszeit gesetzlich verpflichtet – und
inzwischen mit Rentenabschlägen „bestraft“, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen –, auf der anderen Seite sind die meisten älteren Erwerbspersonen aus objektiven Gründen – Zunahme der Arbeitsbelastungen, Absenkung der betrieblichen
Altersgrenzen – nicht mehr in der Lage, dieser gesetzlichen Pflicht nachzukommen.
Bisher konnten die Unternehmen sich der alternden Belegschaften durch die Praxis
der Frühverrentung „entledigen“. Der mit dem „Kostendruck“ allseits legitimierte
Personalabbau wurde vor allem über die Ausgliederung älterer Beschäftigter im
Rahmen von Vorruhestandsregelungen in den Unternehmen bewältigt. Die betriebliche Praxis der Frühverrentung wurde durch die korrespondierende Inanspruchnahme
des Vorruhestandes durch die älteren Beschäftigten zudem zu einem gesellschaftlich
akzeptierten Modell der Lebensplanung: Die gesetzliche Regelaltersgrenze für den
Übergang in den Ruhestand bildet für die Beschäftigten schon lange nicht mehr den
Zielpunkt ihrer Orientierung. Vielmehr hat die Praxis der Frühverrentung dazu geführt,
dass die Absenkung der betrieblichen Altersgrenze für den (vorzeitigen) Austritt aus
dem Erwerbsleben von den älteren Beschäftigten selbst als gesellschaftliche Norm
akzeptiert wird. Das Lebensalter von 60 Jahren hat sich für die meisten Angestellten
als „magische Zahl“ für den angestrebten Übergang in den Ruhestand etabliert.
Demgegenüber bildet die Altersgrenze von 55 Jahren für die Arbeiter bereits eine
kritische Schwelle, so dass die Nutzung der Altersteilzeit in Form des Blockmodells
eine Fortsetzung der Praxis der Frühverrentung mit anderen Mitteln ermöglicht,
insbesondere in den Industriebetrieben mit belastender Schichtarbeit (Stahlindustrie,
Automobilindustrie).
Gleichwohl sind in den 90er-Jahren trotz des massiven Personalabbaus – insbesondere durch die vorzeitige Ausgliederung älterer Beschäftigter – die Anteile der älteren
Erwerbstätigen an den Belegschaften weiter angestiegen, weil aufgrund des gleichzeitigen Einstellungsstopps kaum noch Neueinstellungen von jüngeren Erwerbspersonen
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Arbeitnehmerkammer Bremen
stattfanden, so dass die Belegschaft in vielen Betrieben sich ausschließlich auf die
mittlere Altersgruppe (35 – 55 Jahre) konzentriert. Diese in den Unternehmen noch
unzureichend thematisierte Altersstruktur („gestauchte Alterspyramide“) wird daher in
diesem Jahrzehnt zur weiteren Alterung der Belegschaften in vielen Betrieben führen.
Gleichzeitig wird der „demographische Umbruch“, d. h. die Alterung der Wohnbevölkerung, auch zur Alterung der Erwerbsbevölkerung führen1. Während die Belegschaften altern, rücken aus demographischen Gründen gleichzeitig weniger Nachwuchskräfte nach. In den Unternehmen wird diese demographische Entwicklung in langfristiger Perspektive noch kaum thematisiert. Werden die Unternehmen in der Lage sein,
die steigenden Anteile älterer Arbeitnehmer/innen überhaupt zu beschäftigen (ohne
die Arbeits-, Leistungs-, Weiterbildungsbedingungen grundlegend zu verändern)? Viele
Unternehmen stecken bereits in der „demographischen Falle“ (zu viele Frührentner/zu
wenig Nachwuchs): Die Kernbelegschaft im mittleren Alter wächst allmählich in die
Kategorie der „älteren Arbeitnehmer“ hinein. Bereits in zehn Jahren werden nur noch
20 Prozent der Erwerbspersonen jünger als 30 Jahre sein, während ein Drittel der
Erwerbstätigen bereits die Altersgrenze von 50 Jahren überschritten haben wird. Die
Situation ist paradox: Einerseits klagen schon jetzt viele Unternehmen über Fachkräftemangel, andererseits sind das Erwerbsleben und die Laufbahnen in den Unternehmen darauf ausgerichtet, Mitarbeiter bereits ab 55 Jahren in den Vorruhestand zu
schicken. Vielleicht lässt sich diese Entwicklung mit dem Bild einer „Grundsee“
vergleichen, die durch das Zusammentreffen zweier entgegengesetzter Strömungen
entsteht: Während auf der einen Seite auf betrieblicher Ebene die Frühverrentung
fortgesetzt und durch die hohe Arbeitslosigkeit legitimiert wird, wird auf der anderen
Seite auf gesellschaftlicher Ebene aufgrund des demographischen Wandels eine
längere Berufstätigkeit der älteren Beschäftigten gefordert. Dabei wird jedoch nicht die
Frage beantwortet, welche Arbeits- und Gesundheitsbedingungen sowie Weiterbildungsmaßnahmen für eine längere Beschäftigung „älterer Arbeitnehmer“ eigentlich
notwendig wären, damit diese die Regelaltersgrenze wieder erreichen können. Eine
„altersgerechte“ Personalpolitik, die sich den Herausforderungen des demographischen Wandels stellt, müsste gegenüber der vorherrschenden „jugendzentrierten“
Personalpolitik erst noch entwickelt werden.
Der Aufforderung des Gesetzgebers, bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren erwerbstätig zu bleiben, steht die betriebliche Praxis der Ausgliederung der älteren
Beschäftigten ab 55 Jahren entgegen. Damit entsteht objektiv die Schwierigkeit –
wenn nicht sogar Unmöglichkeit – für die älteren Erwerbspersonen, bis zur Regelaltersgrenze erwerbstätig zu bleiben. Da sich die Kluft zwischen dem Lebensalter beim
Austritt aus dem Erwerbsleben und dem gesetzlich normierten Rentenzugangsalter
weiter vertieft, wird auch der Übergang in den Ruhestand immer „prekärer“, die
Zeitspanne zwischen dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und der
1
Vgl. dazu das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt
„Demographischer Wandel und Zukunft der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“.
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gesetzlichen Regelaltersgrenze (ohne Rentenabschläge) wird immer länger (10 Jahre
bei vielen Beschäftigten in der Industrie). Es stellt sich die Frage, wie weit das
Instrument der Altersteilzeit (ATZ) den „prekär“ gewordenen Übergang in den Ruhestand in sichere Bahnen lenken kann, einen institutionell und finanziell abgesicherten
Übergang in den Ruhestand ermöglichen kann.
Rückgang der Erwerbsbeteiligung älterer Erwerbspersonen
Die Erwerbsbeteiligung der älteren Menschen ist in der Bundesrepublik bzw. im
früheren Bundesgebiet im Zeitraum 1970 – 2000 insgesamt zurückgegangen. Die
Aufschlüsselung der „Erwerbsquoten“2 nach Alters- und Geschlechtsgruppen zeigt für
diesen Zeitraum einen drastischen Rückgang der Erwerbsbeteiligung der rentennahen
Altersgruppen (von 60 bis unter 65 Jahren). Während 1970 noch drei Viertel der
Männer dieser Altersgruppe „Erwerbspersonen“ (Erwerbstätige und Erwerbslose)
waren, betrug die „Erwerbsquote“ der Männer dieser Altersgruppe 1985 nur noch ein
Drittel – und diese Erwerbsquote stagniert bis zum Jahr 2000 auf diesem Niveau (vgl.
Tabelle 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kategorie „Erwerbspersonen“
sowohl Erwerbstätige als auch Erwerbslose umfasst. Somit fällt die Erwerbstätigkeit
der älteren abhängig Beschäftigten noch geringer aus, als mit den altersspezifischen
Erwerbsquoten ausgewiesen. Die Erwerbsquote der Frauen im Alter von 60 bis unter
65 Jahren lag immer weit unter der entsprechenden Erwerbsquote der Männer: Nach
einem kontinuierlichen Rückgang von 22 Prozent (1970) auf 11 Prozent (1985) ist
die Erwerbsbeteiligung der Frauen dieser rentennahen Altersgruppe jedoch wieder
gestiegen: auf 15 Prozent im Jahr 2000 (vgl. Tabelle 1). Die allgemein gestiegene
Erwerbsbeteiligung der westdeutschen Frauen schlägt sich seit Mitte der 80er-Jahre
auch bei den Frauen in der Spätphase des Erwerbslebens nieder: Die Erwerbsquote
der Frauen im Alter von 50 bis unter 55 Jahren ist von 50 Prozent im Jahr 1985
kontinuierlich bis auf nahezu 70 Prozent im Jahr 2000 angestiegen. Während die
Erwerbsquote der Frauen im Alter von 55 bis unter 60 Jahren im Zeitraum 1970 –
1985 relativ konstant bei ca. 38 Prozent lag, ist sie seitdem gleichfalls kontinuierlich
angestiegen – bis auf ca. 54 Prozent im Jahr 2000.
Bei den westdeutschen Frauen ist also in der Spätphase des Erwerbslebens eine
ansteigende Erwerbsbeteiligung festzustellen, allerdings nimmt diese Entwicklung
ihren Ausgang – im Vergleich zu den westdeutschen Männern – auf einem viel
niedrigeren Niveau (vgl. Tabelle 1). Die Altersgrenze von 55 Jahren markiert eine
kritische Schwelle für die Beschäftigung von Männern: Die Erwerbsquote der Männer
im Alter von 55 bis unter 60 Jahren ist in den letzten drei Jahrzehnten von 89
Prozent (1970) mehr oder minder stetig auf 78 Prozent (2000) zurückgegangen.
2
Die Erwerbsquoten bezeichnen die relativen Anteile der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und
Erwerbslose) an der Wohnbevölkerung der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppen. Die Erwerbspersonen umfassen nach der Stellung im Beruf: Selbständige, mithelfende Familienangehörige,
abhängig Beschäftigte (Arbeiter, Angestellte, Beamte).
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Dramatischer fällt jedoch der Rückgang der Erwerbsbeteiligung bei der rentennahen
Altersgruppe der Männer (60 bis unter 65 Jahre) in diesem Zeitraum aus: von 75
Prozent im Jahr 1970 bis auf 33 Prozent im Jahr 2000. Die Betrachtung dieser
Erwerbsquoten verdeutlicht die Schwierigkeit – sowohl für Männer als auch für Frauen
–, gegenwärtig noch bis zum 65. Lebensjahr im Erwerbsprozess zu verbleiben.
Tabelle 1: Erwerbsquoten von Männern und Frauen nach Altersgruppen
(BRD/früheres Bundesgebiet)
Alter von ... bis
unter ... Jahren
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
50 – 55
➣ Männer
➣ Frauen
95,1
44,8
93,1
47,4
93,3
47,1
93,2
50,2
93,2
57,8
92,2
63,8
91,5
69,2
55 – 60
➣ Männer
➣ Frauen
89,2
37,2
85,7
38,4
82,3
38,7
79,1
37,8
81,1
43,8
79,0
48,8
77,9
53,5
60 – 65
➣ Männer
➣ Frauen
74,7
22,5
58,3
16,4
44,2
13,0
33,0
10,9
35,0
12,5
33,0
13,0
33,2
14,9
Erwerbsquote: Anteil der Erwerbspersonen an der Wohnbevölkerung entsprechenden Alters
und Geschlechts. Die Kategorie „Erwerbspersonen“ umfasst sowohl Erwerbstätige als auch Erwerbslose.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistische Jahrbücher.
Entwicklung der Altersteilzeit als alternativer Vorruhestand
Gegenwärtig überwiegt in der Praxis die Nutzung der Altersteilzeit als Instrument der
Frühverrentung, als Brückenschlag zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben
und dem Übergang in das Rentnerleben. Im Folgenden soll nachgezeichnet werden,
mit welchen Intentionen der Gesetzgeber ursprünglich die Altersteilzeit eingeführt hat.
Mit dem Vorruhestandsgesetz, das von Mai 1984 bis Dezember 1988 galt, wurden
Regelungen getroffen, die zur „Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den
Ruhestand“ beitragen sollten. Auf der Grundlage dieses Gesetzes konnten tarifliche
Vereinbarungen über einen vorzeitigen Übergang in den Ruhestand abgeschlossen
werden. In einzelnen Branchen wurden Vorruhestandstarifverträge vereinbart, welche
die gesetzlichen Mindestleistungen teilweise verbesserten. Etwa 165.000 Beschäftigte haben damals auf der Basis dieser Tarifverträge den Vorruhestand in Anspruch
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genommen. Die relativ geringe Inanspruchnahme wurde dadurch erklärt, dass nur für
ein Drittel der abhängig Beschäftigten überhaupt ein Vorruhestandstarifvertrag
abgeschlossen worden war.
Dieses Gesetz wurde Anfang 1989 durch das Gesetz zur „Förderung eines gleitenden
Überganges älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand“ abgelöst, das bis Ende 1992
befristet worden ist. Dieses Altersteilzeitgesetz erwies sich in der Praxis als wirkungslos: Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit wurden lediglich in ca. 500 Fällen
erbracht. Die Inanspruchnahme dieses ATZ-Gesetzes war so gering, weil damals mit
der so genannten 59er-Regelung eine konkurrierende Regelung bestand, die für die
älteren Beschäftigten attraktiver war.
So besaßen damals die Versicherten einen Anspruch auf die Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hatten und vor Rentenbeginn
mindestens ein Jahr lang arbeitslos waren; außerdem mussten in den letzten 10
Jahren vor Rentenbeginn mindestens 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten vorliegen und die
Wartezeit von 15 Jahren (Beitragszeiten, Ersatzzeiten, usw.) musste erfüllt sein. Die
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde insbesondere von den Großbetrieben dazu
genutzt, über eine zumeist einjährige Phase von Arbeitslosigkeit – mit anschließendem
Rentenbezug – die älteren Arbeitnehmer bereits mit 59 Jahren aus dem Erwerbsleben
auszugliedern. Die so genannte 59er-Regelung war mit geringen Renteneinbußen
verbunden, so dass der Anreiz für die Beschäftigten, mit 60 Jahren in die Rente zu
wechseln, stark ausgeprägt war. Das Lebensalter von 60 Jahren entwickelte sich
unter den Beschäftigten als „magische Zahl“ für den Übergang in den Ruhestand;
diese Altersgrenze etablierte sich als gesellschaftliche Norm für das Ausscheiden aus
dem Erwerbsleben.
In vielen Großbetrieben setzte der Personalabbau noch früher ein, nachdem die Dauer
des Arbeitslosengeldbezuges schrittweise von 12 auf maximal 32 Monate verlängert
worden war. Ab 57 Lebensjahren und vier Monaten konnten die älteren Beschäftigten
nach Abschluss eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrages maximal 32 Monate
lang Arbeitslosengeld und mit vollendetem 60. Lebensjahr die „Rente wegen Arbeitslosigkeit“ beziehen. Rentenabschläge wegen vorzeitigem Rentenbezug fielen damals
auf Basis der so genannten 59er-Regelung nicht an. Es ergaben sich lediglich gewisse
Renteneinbußen dadurch, dass die Beitragszahlungen der Bundesanstalt für Arbeit an
die Rentenversicherung während der Arbeitslosigkeit 80 Prozent des Bruttoeinkommens betrugen (Lohnersatzleistung). Das Arbeitslosengeld wurde von den Großbetrieben im Rahmen der abgeschlossenen Sozialpläne noch durch Ausgleichszahlungen
vielfach erheblich aufgestockt.
Ab dem Jahr 1992 wurde diese Praxis der Frühverrentung immer häufiger von den
Großbetrieben angewandt. Die gestiegene Inanspruchnahme der Altersrente wegen
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Arbeitnehmerkammer Bremen
Arbeitslosigkeit3 verursachte für die Rentenversicherung und die Bundesanstalt für
Arbeit enorme – für die Arbeitgeber jedoch vergleichsweise geringe – Kosten. Die
Kosten der von den Arbeitgebern bevorzugten Frühverrentung auf Basis der 59erRegelung verblieben also weitgehend bei der Solidargemeinschaft der Versicherten.
Der Gesetzgeber nahm diese Praxis der Frühverrentung aus finanz- und sozialpolitischen Gründen – angesichts der absehbaren demographischen Entwicklung und deren
finanziellen Auswirkungen auf die Rentenversicherung – zum Anlass, um eine
Kehrtwende in der Rentenpolitik einzuläuten: Anstelle der bisher praktizierten
Verkürzung sollte nunmehr eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit angestrebt
werden. Die Kosten der Frühverrentung sollten zudem von der Sozialversicherung auf
die Betriebe und die Beschäftigten verlagert und damit die Rentenversicherung
entlastet werden. Mit dem Rentenreformgesetz von 1992 wurden die Altersgrenzen
für die verschiedenen Rentenzugangsarten angehoben, um die Anreize für den
Übertritt in den vorzeitigen Ruhestand zu verringern bzw. durch Rentenabschläge bei
vorzeitiger Inanspruchnahme der jeweiligen Altersrenten zu „bestrafen“.
Im Jahre 1996 wurde zur „Korrektur der Frühverrentungspraxis“ das Instrument der
Altersteilzeit in neuer Form wieder eingeführt, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
wurde in eine „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“
umgewandelt. Das „Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“ (Altersteilzeitgesetz) ist am 1. August 1996 in Kraft getreten. Im § 1 dieses
Gesetzes werden als Grundsätze formuliert: „(1) Durch Altersteilzeitarbeit soll älteren
Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. (2) Die Bundesanstalt für Arbeit fördert durch Leistungen nach diesem
Gesetz die Teilzeitarbeit älterer Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit ab Vollendung des
55. Lebensjahres (...) vermindern, und damit die Einstellung eines sonst arbeitslosen
Arbeitnehmers ermöglichen.“ Die Intention des Gesetzgebers besteht also eindeutig
darin, den allmählichen Ausstieg aus dem Erwerbsleben mittels Teilzeitarbeit von
älteren Arbeitnehmern zu fördern und damit zugleich eine „Beschäftigungsbrücke“
zwischen jungen und alten Beschäftigten herzustellen: Der durch Altersteilzeitarbeit
frei werdende Teil-Arbeitsplatz soll mit einem sonst arbeitslosen oder sonst arbeitslos
werdenden Beschäftigten (nach Abschluss der Ausbildung) wieder besetzt werden.
Die rentenrechtlichen Änderungen, die im Zusammenhang mit dem ATZ-Gesetz
vorgenommen wurden, zielen zwar darauf ab, eine Brücke zwischen Arbeitsleben und
Ruhestand zu schlagen, andererseits wird diese Brücke aufgrund der kontinuierlichen
Anhebung der Altersgrenzen durch die Rentenreform – gestaffelt nach Jahrgängen der
Beschäftigten – zunehmend „brüchig“ (zumindest in finanzieller Hinsicht).
Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde in eine „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ umgewandelt. Die Voraussetzung einer einjährigen
3
Im Jahre 1992 bezogen 54.000 Versicherte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, im Jahre 1993
bereits mehr als doppelt so viele, im Jahre 1994 sogar über 200.000 und schließlich im Jahre 1995
nicht ganz 300.000 Versicherte.
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Arbeitslosigkeit wurde für diese Altersrente beibehalten, für den Anspruch auf die
Altersrente nach Altersteilzeitarbeit werden dagegen mindestens 24 Monate von
Altersteilzeitarbeit vorausgesetzt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen sind: Die
Versicherten müssen vor Rentenbeginn in den letzten 10 Jahren 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten vorzuweisen sowie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Die Altersgrenze für die „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ wird gemäß dem Rentenreformgesetz (1992) sowie dem ATZ-Gesetz (1996) in
den Jahren 1997 bis 2001 schrittweise (nach Geburtsmonaten) von 60 auf 65
Lebensjahre angehoben4. Diese schrittweise Anhebung der Altersgrenze ist inzwischen
für die Geburtsmonate/-Jahrgänge von Januar 1937 bis Dezember 1941 abgeschlossen (Männer). Die Beschäftigten dieser Altersgruppen können die „Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit vollendetem 60. Lebensjahr zwar
weiterhin vorzeitig in Anspruch nehmen, sie müssen jedoch, um „die Mehraufwendungen der Rentenversicherung aufgrund der längeren Rentenbezugsdauer auszugleichen“, für jeden Monat des vorgezogenen Rentenbezugs einen Abschlag von 0,3
Prozent hinnehmen (3,6 % pro Jahr). Aufgrund der schrittweisen Anhebung der
Altersgrenze von 60 auf 65 Jahre in den letzten Jahren (1997 – 2001) wirkt sich
diese Regelung für die jüngeren nachteiliger als für die älteren Jahrgänge aus: Bei der
vorzeitigen Inanspruchnahme dieser Altersrente (ohne Vertrauensschutz)5 ab Vollendung des 60. Lebensjahres hat ein/e Beschäftigte/r mit Geburtsdatum Dezember
1937 lediglich 3,6 Prozent, mit Geburtsdatum Dezember 1938 demnach 7,2
Prozent, mit Geburtsdatum Dezember 1939 schon 10,8 Prozent, mit Geburtsdatum
Dezember 1940 immerhin 14,4 Prozent und schließlich mit Geburtsdatum Dezember
1941 den vollen Rentenabschlag von 18,0 Prozent hinzunehmen.
Ab Geburtsdatum Januar 1942 haben also Beschäftigte, die die Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (ohne Vertrauensschutz) mit vollendetem
60. Lebensjahr in Anspruch nehmen, eine dauerhafte Rentenminderung um 18
Prozent hinzunehmen6. Auf die Aufnahme und Bearbeitung dieses Problems in
4
Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Hg., Altersteilzeit ab 55 – Arbeit in ATZ,
Förderung durch das Arbeitsamt, Übergang zur Rente, Ausgabe: Januar 2002, Tab. auf S. 32/33:
Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit
„ohne Vertrauensschutz“.
5
Die zentrale Voraussetzung für die Altersrente mit Vertrauensschutz, die nur geringfügige Rentenabschläge enthält, kann von der Mehrheit der Beschäftigten nicht erfüllt werden: „Versicherte der
Geburtsjahrgänge vor 1942, die mindestens 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit (Zeiten mit Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zählen
dabei nicht) haben“. Demnach müsste ein Versicherter nach Abschluss der damals 8-jährigen
Volksschule mit 15 Jahren eine Lehre begonnen und nach Abschluss seiner Ausbildung ohne
Unterbrechung bis zum 60. Lebensjahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein.
6
Vom 1. Januar 2000 an wird auch die Altersgrenze bei den Renten für langjährig Versicherte von 63
Jahren und bei der Altersrente für Frauen von 60 Jahren auf jeweils 65 Jahre angehoben. Auch diese
Rentenarten können vorzeitig in Anspruch genommen werden – allerdings ebenfalls mit Abschlägen.
Zum prozentualen Ausmaß der jeweiligen Rentenabschläge bei diesen beiden Rentenarten vgl. die
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Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen wird daher an späterer Stelle einzugehen
sein. Die sich durch die längere Rentenbezugsdauer ergebenden Rentenabschläge
können zwar theoretisch durch zusätzliche Beitragszahlungen der Versicherten
ausgeglichen werden, jedoch würden solche Zahlungen zum Ausgleich von Rentenminderungen praktisch enorme Summen erfordern, über die die Beschäftigten
entweder nicht verfügen oder die sie – falls verfügbar – attraktiver in anderen Formen
anlegen könnten. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Sozialplanmittel für solche
Beitragszahlungen zum Ausgleich von Rentenminderungen einzusetzen. Auch hier
stellt sich die Frage, wie weit die Betriebe von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes von
1996 vorgestellt:
–
Zu Beginn der Altersteilzeitarbeit muss der/die Arbeitnehmer/in zumindest das 55.
Lebensjahr vollendet haben.
–
Der/die Arbeitnehmer/in muss innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der
Altersteilzeitarbeit mindestens drei Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt
gewesen sein (Arbeitslosenversicherung).
–
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen eine Vereinbarung vor Beginn der Altersteilzeitarbeit abschließen.
–
Die Dauer der Altersteilzeitarbeit soll gemäß Vereinbarung bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt reichen, zu dem der/die Arbeitnehmer/in eine – ggfs. auch geminderte – Altersrente in Anspruch nehmen kann.
–
Die Arbeitszeit muss auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert werden. Auch nach dieser Verminderung der Arbeitszeit muss der/die
Arbeitnehmer/in sozialversicherungspflichtig, also mehr als geringfügig beschäftigt
sein.
–
Die Verteilung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit-Phase bleibt den Vertragsparteien überlassen. Möglich sind eine durchgängige Halbtagsbeschäftigung, ein
regelmäßiger Wechsel (täglicher, wöchentlicher, monatlicher Wechsel) zwischen
Arbeitszeit und Freizeit, selbst eine (in der Praxis selten genutzte) degressive Arbeitszeitverteilung wäre möglich sowie das – in der Praxis dominierende – Blockmodell. Bei dem „Blockmodell“ werden innerhalb des vereinbarten Verteilzeitraumes zwei gleich große Zeitblöcke gebildet: Arbeitsphase und Freistellungsphase
von jeweils gleicher Dauer. Allerdings dürfen beim Blockmodell diese beiden Zeitblöcke ohne tarifvertragliche Grundlage jeweils nicht länger als eineinhalb Jahre,
insgesamt also höchstens drei Jahre betragen. Die Vereinbarung von mehr als drei
Jahre umfassenden Verteilzeiträumen ist nur dann möglich, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dieses zulässt (Tarifvorbehalt). Gemäß Gesetz kann der Zeitraum
der Altersteilzeit-Phase auf bis zu zehn Jahren erweitert werden, also 5 Jahre
Tabellen, S. 36 ff., in: BMAS, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Ausgabe: Januar 2002.
13
Arbeitnehmerkammer Bremen
Arbeitsphase und 5 Jahre Freistellungsphase, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dieses zulässt.
–
Der Arbeitgeber muss das Bruttoarbeitsentgelt des/der ATZ-Beschäftigten um
mindestens 20 Prozent aufstocken. Der Aufstockungsbetrag muss allerdings eine
bestimmte Höhe erreichen: Der/die Arbeitnehmer/in soll im Monat mindestens 70
Prozent des bisherigen (pauschalierten) Nettoarbeitsentgeltes erhalten. Diese einzuhaltenden Mindestnettobeträge werden jährlich vom Bundesarbeitsministerium
festgelegt. Der Aufstockungsbetrag in Höhe von mindestens 20 Prozent des Bruttoarbeitsentgeltes ist zwar steuer- und sozialabgabenfrei, unterliegt jedoch – wie
andere Sozialleistungen – bei der Einkommenssteuerveranlagung dem Progressionsvorbehalt.
–
Der Arbeitgeber muss zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
entrichten – und zwar mindestens in Höhe des Beitrags, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 Prozent des bisherigen Arbeitsentgelts und dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt. Damit werden einem Vollzeitbeschäftigten, der mit dem Wechsel in Altersteilzeitarbeit seine wöchentliche Arbeitszeit auf die Hälfte vermindert, Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet, die
sich auf 90 Prozent des vorherigen Vollzeiteinkommens beziehen.
–
Der Gesetzgeber hat einen Überforderungsschutz für die Betriebe festgelegt,
wonach ein Anspruch der einzelnen Beschäftigten nicht gegeben ist, wenn fünf
Prozent aller Beschäftigten des Betriebes bereits in Altersteilzeit beschäftigt sind.
Das Arbeitsamt erstattet dem Arbeitgeber diese Aufstockungsleistungen für die Dauer
der Altersteilzeitarbeit (Förderhöchstdauer gemäß ATZ-Gesetz von 1996: fünf Jahre),
sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:
–
Wiederbesetzung des durch Altersteilzeitarbeit frei gemachten oder durch Umsetzung frei gewordenen (Teil-)Arbeitsplatzes durch die Einstellung eines arbeitslos
gewordenen Arbeitnehmers oder durch die Übernahme eines Arbeitnehmers nach
Abschluss der Ausbildung auf dem frei gemachten Arbeitsplatz.
Bei der Wiederbesetzung sind verschiedene Formen möglich: So kann der Wiederbesetzer ebenfalls eine Teilzeittätigkeit ausüben, wenn der Arbeitnehmer in Altersteilzeit tatsächlich Teilzeitarbeit verrichtet. Bei der verblockten Altersteilzeit kann
der Wiederbesetzer erst nach Abschluss der Arbeitsphase, also zum Beginn der
Freistellungsphase, den vollen Arbeitsplatz übernehmen.
–
Bei Kleinunternehmen bis zu 50 Beschäftigten kann anstelle der Wiederbesetzung
auch ein/e Auszubildende/r versicherungspflichtig beschäftigt werden.
Die gesetzlichen Regelungen zur Altersteilzeit erwiesen sich für die älteren Beschäftigten finanziell nicht als attraktiv: Der gesetzliche Anspruch auf eine Absicherung von
70 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens bildete keinen ausreichenden Anreiz für
die älteren Beschäftigten. Das mehrheitlich präferierte – auf 5 Jahre verteilte –
Blockmodell (2 ½ Jahre Arbeitsphase/2 ½ Jahre Freistellungsphase) war wegen des
14
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tarifvorbehalts ohnehin nur bei Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages
möglich. In der Folge des ATZ-Gesetzes wurden daher in verschiedenen Branchen
Tarifverträge abgeschlossen, die eine Aufstockung der gesetzlichen ATZ-Leistungen
vorsehen.
Fortentwicklung des ATZ-Gesetzes (Jahr 2000)
Im Jahre 2000 hat der Gesetzgeber wesentliche Änderungen des ATZ-Gesetzes
vorgenommen, um die Beschäftigungswirksamkeit dieses Gesetzes zu erhöhen.
Das 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ist am 1. Januar 2000 in Kraft
getreten.
–
War zuvor der Wechsel in Altersteilzeitarbeit nur Vollzeitbeschäftigten möglich, die
in den letzten fünf Beschäftigungsjahren zumindest drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt waren, so wird nunmehr der Wechsel in Altersteilzeitarbeit auch Teilzeitbeschäftigten ermöglicht. Damit wurden viele weibliche Beschäftigte – nach erfolgreichen Protesten insbesondere der Gewerkschaft ÖTV –, die bisher keinen
Anspruch auf Altersteilzeitarbeit besaßen, in die gesetzliche Regelung einbezogen7.
–
Bei der Wiederbesetzung, der zentralen Voraussetzung für die Erstattungsleistungen des Arbeitsamtes an den Arbeitgeber, reicht bei Arbeitgebern mit mehr als 50
Beschäftigten der Nachweis einer Umsetzungskette zwischen dem Beschäftigten
in Altersteilzeit und dem „Wiederbesetzer“. Wenn für einen in Altersteilzeit gehenden Mitarbeiter ein anderer Mitarbeiter auf dessen frei gewordenen Arbeitsplatz
„nachrückt“ und ein „Wiederbesetzer“ (Arbeitsloser oder Ausgebildeter) im selben
Funktionsbereich (z. B. Produktion, Einkauf, Vertrieb) eingestellt wird, liegt nunmehr eine Wiederbesetzung vor.
–
Der Nachweis der Wiederbesetzung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten
gegenüber dem Arbeitsamt wurde wesentlich erleichtert: Arbeitgeber mit bis zu 50
Beschäftigten erhalten die Förderung, wenn sie aus Anlass der Altersteilzeit eines
älteren Mitarbeiters einen arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung „an beliebiger Stelle des Unternehmens“
beschäftigen (oder aber eine/n Auszubildende/n einstellen).
7
Für die vollzeitbeschäftigten Angestellten und Arbeiter/innen von Bund, Ländern und Gemeinden
bestand seit dem 1. Mai 1998 ein Anspruch auf Altersteilzeitarbeit (Tarifvertrag ATZ). Im „Bündnis
für Arbeit“ haben sich die Gewerkschaften für die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten erfolgreich
eingesetzt. Das Altersteilzeitgesetz ermöglicht ab 1. Januar 2000 auch den Teilzeitbeschäftigten den
Wechsel in Altersteilzeitarbeit. Nach dieser Änderung des Gesetzes hat die Gewerkschaft ÖTV eine
schnelle Anpassung der tarifvertraglichen Regelungen gefordert. Die Arbeitgeber des öffentlichen
Dienstes waren jedoch vor der Tarifrunde 2000 nicht bereit, Gespräche über die Änderung des
Tarifvertrages ATZ zu führen. Daher konnte eine Einigung über die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in den Tarifvertrag ATZ erst in der Tarifrunde 2000 erreicht werden. Ab 1. Juli 2000 haben
nunmehr auch Teilzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst einen tarifvertraglichen Anspruch auf
Altersteilzeitarbeit.
15
Arbeitnehmerkammer Bremen
Das 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ist am 1. Juli 2000 in Kraft
getreten. Mit diesen Änderungen soll die Beschäftigungswirksamkeit des ATZGesetzes weiter erhöht werden.
–
Die Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes, die zuvor nur bis zum 31. Juli 2004
ausgelegt war, wurde bis zum 31. Dezember 2009 ausgedehnt. Damit erhalten
die Tarifvertragsparteien sowie die Betriebs- bzw. Dienstvertragsparteien einen
weiteren Planungshorizont und damit auch größere Planungssicherheit für die
Personalentwicklung. Förderleistungen des Arbeitsamtes können demnach für die
Zeit ab 1.1.2010 nur noch erbracht werden, wenn die Arbeitnehmer/innen mit der
Altersteilzeitarbeit vor dem 1. Januar 2010 beginnen.
–
Die Förderhöchstdauer wird von fünf auf sechs Jahre erhöht. Parallel dazu wird
die „Mindestnachbesetzungsdauer“ um ein Jahr von drei auf vier Jahre erhöht.
Bisher hatte der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei der Förderhöchstdauer von fünf
Jahren für einen Beschäftigten in Altersteilzeit die Förderleistungen des Arbeitsamtes zu erhalten, sofern der „Wiederbesetzer“ zumindest für drei Jahre im Betrieb beschäftigt war (im Falle von Halbtagsarbeit: Einsparung einer halben Stelle
für zwei Jahre). Nunmehr hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei der Förderhöchstdauer von sechs Jahren für einen Beschäftigten in Altersteilzeit die Förderleistungen des Arbeitsamtes zu beziehen, wenn der „Wiederbesetzer“ zumindest
für vier Jahre beschäftigt wird (im Falle von Halbtagsarbeit gleichfalls Einsparung
einer halben Stelle für zwei Jahre). Mit dieser Änderung wurde das bisherige Verhältnis der Dauer der Wiederbesetzung zur Dauer der Förderung geringfügig verbessert.
–
Das Arbeitsamt erstattet dem Arbeitgeber die Aufstockungsleistungen für den
Zeitraum, in dem die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf die Hälfte vermindert wurde, höchstens für sechs Jahre.
Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit
Das Altersteilzeitgesetz enthält nur Mindestbedingungen – insbesondere keinen
individuellen Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit – sowie nur Mindestleistungen (insbesondere nur die Garantie von 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens). Daher nimmt es nicht wunder, dass die Tarifvertragsparteien bei der
Ausgestaltung der Altersteilzeit in Tarifverträgen sich vor allem auf die Aufstockung
der gesetzlichen Leistungen konzentriert haben, um die Attraktivität der Altersteilzeit
für die Beschäftigten zu steigern.
Seit Einführung des Altersteilzeitgesetzes (August 1996) ist die Anzahl der Tarifverträge zur Altersteilzeit beständig gestiegen. Ende 1999, also unmittelbar vor Inkrafttreten
des 1. Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, lagen 360 tarifliche Regelungen
zur Altersteilzeit vor – mit einem Geltungsbereich von ca. 12,7 Millionen Arbeitneh-
16
Arbeitnehmerkammer Bremen
mern8 (von denen ca. 1,4 Millionen 55 Jahre und älter waren). Ende 2000, also ein
Jahr nach Inkrafttreten des 1. Gesetzes sowie ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des
2. Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, waren bereits 580 Tarifverträge zur
Altersteilzeit abgeschlossen worden – mit einem Geltungsbereich von ca. 15,5
Millionen Arbeitnehmern. Die beiden im Jahre 2000 in Kraft getretenen Gesetze
haben also mit ihren wesentlichen Änderungen und Verbesserungen einen nachhaltigen Schub beim Abschluss von zahlreichen Verbands- und Firmentarifverträgen zur
Altersteilzeit ausgelöst. Ende 2001 waren beim Bundesarbeitsministerium ca. 690
Tarifverträge zur Förderung von Altersteilzeit gemeldet – mit einem Geltungsbereich
von ca. 16,2 Millionen Beschäftigten9.
Die Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit ist nach Branchen sehr unterschiedlich und kann hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden. Wir beschränken
uns in diesem Bericht weitgehend auf diejenigen Branchen, denen die von uns in
Bremen untersuchten Betriebe und Behörden angehören.
Für die IG Metall hatte der im Sommer 1997 mit VW abgeschlossene Tarifvertrag zur
Altersteilzeit (Bezirksleitung Hannover) eine Vorbildfunktion. Hinter diesem Tarifvertrag steht die Idee eines betrieblichen Generationenvertrages, mit dem Konflikte
zwischen den Generationen minimiert werden sollen. Nach dem Tarifvertrag zur
Beschäftigungssicherung, den die IG Metall bei VW durchgesetzt hatte, der betriebsbedingte Kündigungen gänzlich ausschließt, müssen die Auszubildenden nach
Abschluss ihrer Lehre in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden.
Durch die Abschaffung der sog. Vorruhestandsregelung durch die Bundesregierung
(1996) war jedoch den älteren VW-Beschäftigten das vorzeitige Ausscheiden aus dem
Betrieb „verbaut“. Die gesetzliche Regelung der Altersteilzeit (1996) ist mit zu großen
finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden. Die IG Metall und VW haben
das gesetzliche Modell tariflich so ausgestattet, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem
Erwerbsleben über die Altersteilzeit einen zumutbaren Ausweg für die Beschäftigten
darstellt. Damit wird zugleich die Übernahme der Ausgebildeten nach Abschluss ihrer
Lehre gesichert.
Das ATZ-Modell der IG Metall bei Volkswagen10 beinhaltet weitreichende tarifliche
Aufstockungen der gesetzlich vorgesehenen ATZ-Leistungen, die in den späteren
Verbandstarifverträgen der IG Metall nicht im selben Umfang realisiert werden
konnten: So wird das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit von 70 auf 85 Prozent
aufgestockt und der Rentenversicherungsbeitrag sogar von 90 auf 100 Prozent
8
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Stand: Mai 2000.
Diese Broschüre, die ständig aktualisiert wird, listet sämtliche Branchen- und Firmentarifverträge zur
Altersteilzeit auf, die beim Bundesministerium gemeldet werden.
9
BMAS, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Stand: Januar 2002.
10
Vgl. IG Metall, Bezirksleitung Hannover, Altersteilzeit – Das Modell der IG Metall bei Volkswagen,
November 1997, S. 20 ff.
17
Arbeitnehmerkammer Bremen
angehoben. Bereits 1997 wurde in diesem Firmentarifvertrag das Problem der
gesetzlichen Rentenabschläge (beim Renteneintrittsalter von 60 Jahren: 18 Prozent)
in Kenntnis der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente nach
Altersteilzeitarbeit aufgenommen und paritätisch geregelt: Der Arbeitnehmer muss
beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Jahren nur 9 Prozent Rentenverlust
hinnehmen, weil der Arbeitgeber gleichfalls 9 Prozent Rentenabschlag übernimmt (als
Zuschuss zur Werksrente). Damit ist ein weiterer Baustein zur Altersvorsorge angesprochen, der in Deutschland als betriebliche Altersvorsorge nur in Großbetrieben (wie
z. B. Volkswagen, DaimlerChrysler, Siemens, RWE) überhaupt existiert: die Werksrente. Die bei Volkswagen bestehende Werksrente bleibt auch während der Altersteilzeitarbeit in voller Höhe bestehen (vgl. Schaubild 1).
Im Herbst 1997 folgte der Durchbruch für die Metallindustrie – nach vorheriger
Streikdrohung der IG Metall – für den Pilotbezirk im Südwesten (Bezirksleitung
Stuttgart). Die Bedingungen dieses Tarifkompromisses waren zwar schlechter als die
des Firmentarifvertrages von VW, aber doch wesentlich besser als die gesetzlichen
Mindestleistungen: Aufstockung des Arbeitsentgeltes auf mindestens 82 Prozent des
bisherigen Netto-Vollzeitentgeltes sowie des Rentenversicherungsbeitrags auf 95
Prozent. (Bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit – ab 60. Lebensjahr – auf
Wunsch des Arbeitgebers wird dem Arbeitnehmer eine Abfindung von maximal drei
Brutto-Vollzeitentgelten gezahlt.) Grundsätzlich sollte der Abschluss von ATZVerträgen ab dem 55. Lebensjahr auf Basis dieses Tarifvertrages den Abschluss einer
freiwilligen Betriebsvereinbarung voraussetzen. Diese Regelung ergab sich aus den
konfliktuellen Verhandlungen, welche das Problem eines Rechtsanspruchs auf
Altersteilzeit zum Gegenstand hatten. Ohne Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung haben die Beschäftigten gemäß diesem Tarifvertrag erst mit 61 Lebensjahren einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit (über 4 Jahre hinweg bis
zum 65. Lebensjahr, d. h. nach dem Blockmodell: Beginn der Freistellungsphase mit
63. Lebensjahr).
18
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 1:
DAS ALTERSTEILZEIT-MODELL DER IG METALL BEI VOLKSWAGEN
NORM. ARBEITSPHASE
ALTERSTEILZEIT
TARIFMODELL VW (VERSORGUNGSGRAD)
Aufstockung VW
Werksrente
Entgelt
tarifl. Rentenbaustein
85 %
Aufstockung VW
netto
(statt 70 %)
Rentenbeitrag
100 %
gesetzliche Rente
(Blüm-Modell)
(statt 90 %)
55
Lebensalter
ARBEITSZEIT VOLL
Arbeitszeit:
Die Arbeitszeit kann
geblockt werden. Die
Altersteilzeiter arbeiten im
Regelfall voll bis zum 57,5.
Lebensjahr, dann bleiben
sie zu Hause. Mit 60 scheiden sie dann auch de jure
aus dem Erwerbsleben aus
und gehen in die Rente.
Blüm-Modell:
Die Bundesregierung verfügt mit der gesetzlichen
Regelung, dass der Altersteilzeiter eine Rentenminderung von 18 % erleidet,
wenn er mit 60 in Rente
geht. Das Modell wird
auch kaum genutzt: Es ist
unattraktiv u. niemandem
zuzumuten.
57,5
60
ARBEITSZEIT NULL
Blüm-Modell:
In den fünf Jahren der Altersteilzeit
bekommt jeder nur 70 Prozent des
letzten Nettoeinkommens.
Tarifmodell:
Die Altersteilzeiter bei VW erhalten
durch Aufstockung des Unternehmens durchschnittlich 85 %
des letzten Nettoeinkommens für
den Zeitraum von fünf Jahren.
Blüm-Modell:
Die Altersteilzeiter arbeiten im
Durchschnitt in den fünf Jahren
von 55 bis 60 nur die Hälfte der
wöchentlichen Arbeitszeit. Der
Rentenbeitrag erfolgt in dieser Zeit
nur auf der Basis von 90 % des
Einkommens.
Tarifmodell:
Während des gesamten Zeitraumes
der Altersteilzeit werden die
Beiträge zur Rentenversicherung
von 90 auf 100 % angehoben.
65
RUHESTAND
Renten-Aufstockung von VW:
Der gesetzl. Minusabschlag bis zu
18 % wird im Tarifmodell um die
Hälfte gemildert. Er beträgt bei
einem Renteneintrittsalter von 60
Jahren nur noch 9 %. Die Aufstockung durch VW erfolgt über
einen Zuschuss bei der Werksrente.
Werksrente:
Die Werksrente bleibt in voller
Höhe erhalten – sie verringert sich
durch die Altersteilzeit nicht.
Tariflicher Rentenbaustein:
Um die Einkommenslücken im Alter zu
mindern, haben VW und IG Metall 1995
im System der Beschäftigungssicherung
die betriebliche Altersversorgung um
einen weiteren Rentenbaustein ergänzt
und damit tarifliches Neuland beschritten. Die monatlich 52 Mark vermögenswirksamen Leistungen wurden umgewandelt und fließen in die neue
Beteiligungsrente.
Quelle: IG Metall, Bezirksleitung Hannover, Altersteilzeit – Das Modell der IG Metall bei Volkswagen,
Nov. 1997, S. 24/25.
19
Arbeitnehmerkammer Bremen
Der Tarifvertrag zur Altersteilzeit wurde von der IG Metall im Bezirk Küste erst im
Sommer 1998 abgeschlossen, weil einige Probleme, die im Tarifvertrag ATZ des
Pilot-Bezirks Nordwürttemberg/Nordbaden enthalten waren, noch zu lösen waren. Für
alle regionalen Bereiche der Metallindustrie (in Westdeutschland) gilt als Voraussetzung einer ATZ-Regelung der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sowie
als Anspruchseinschränkung die Festsetzung der Anzahl der ATZ-Arbeitnehmer im
Rahmen der betrieblichen Personalplanung (Stand 1998)11. Da beim Blockmodell für
über drei Jahre hinausgehende Verteilzeiträume im ATZ-Gesetz ein Tarifvorbehalt
besteht, sind Tarifverträge eine unabdingbare Voraussetzung für die Vereinbarung
langfristiger Blockmodelle. Daher hat die IG Metall in ihren Bezirken Tarifverträge
über ein 5-Jahres-Blockmodell abgeschlossen (Beispiel: Arbeitsphase von 55 bis
57 ½ Jahren, Freistellungsphase von 57 ½ bis 60 Jahren). Gemäß diesem Beispiel
würden die Beschäftigten in einem Lebensalter ihre Erwerbsarbeit faktisch beenden,
in dem sie früher über die sog. Vorruhestandsregelung aus dem Erwerbsprozess
ausschieden.
Die Tarifrunde 2000 wies für die Gewerkschaften – nicht nur für die IG Metall – eine
doppelte Struktur der Forderungen auf: Einerseits schlossen die Tarifvertragsparteien
Lohn- und Gehaltsabkommen mit bescheidenen Tarifsteigerungen ab, andererseits
konnten die Gewerkschaften in einigen Branchen tarifliche Regelungen nicht nur zur
Altersteilzeit, sondern auch zur Altersvorsorge durchsetzen12. Eine Besonderheit der
Tarifrunde 2000 bestand darin, dass eigentlich die IG Metall gemäß dem Tariffahrplan im Frühjahr die Vorreiterrolle in der Metall- und Elektroindustrie übernehmen
sollte. Jedoch hat durch das Vorziehen der Verhandlungen in der chemischen
Industrie der frühzeitige Abschluss in dieser Branche (zweistufige Tariferhöhung,
Verbesserung des Tarifvertrages zur Altersteilzeit, teilweiser Ausgleich der Rentenabschläge durch eine gestaffelte Abfindungssumme, Möglichkeit zur tariflichen Altersvorsorge) die tarifpolitische Ausrichtung der anderen Gewerkschaften maßgeblich
geprägt. Die IG Metall hat kurz nach dem Abschluss in der chemischen Industrie
zunächst in der nordrhein-westfälischen Metallindustrie einen Tarifvertrag abgeschlossen (zweistufige Tariferhöhung, Verbesserung der bestehenden tariflichen ATZRegelungen, Ausgleichszahlung zur Minderung von Rentenabschlägen).
In der Tarifrunde 2000 wurden die tariflichen ATZ-Regelungen in einigen Branchen
inhaltlich verbessert bzw. auf weitere Bereiche ausgedehnt. Außerdem wurden die
bestehenden Tarifverträge an die im Jahre 2000 geänderten gesetzlichen Bestimmungen angepasst (Einbeziehung von Teilzeitkräften, Verlängerung der Förderhöchstdauer
sowie parallel dazu der Mindestnachbesetzungsdauer, Verlängerung der Geltung des
11
Vgl. WSI-Tarifarchiv: Tarifliche Altersteilzeit – Ein Überblick über tarifliche Regelungen in 25
Wirtschaftsbereichen, Düsseldorf, November 1998.
12
Vgl. Reinhard Bispinck, WSI-Tarifarchiv, Tarifpolitischer Jahresbericht 2000: Moderate Lohnabschlüsse plus „Beschäftigungsbrücke“, Düsseldorf, Januar 2001, Übersicht auf Seite 3: Ausgewählte
Tarifabschlüsse 2000.
20
Arbeitnehmerkammer Bremen
Altersteilzeitgesetzes bis Ende 2009). Insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der chemischen Industrie wurden die bereits bestehenden ATZRegelungen verbessert. Ende 2000 gab es damit ca. 185 Verbandstarifverträge sowie
ca. 320 Unternehmenstarifverträge für insgesamt ca. 15 Millionen Beschäftigte, die
auf dem neuen ATZ-Gesetz aufbauen.
In der westdeutschen Metallindustrie stand neben der Förderung nach Einkommenserhöhung die Durchsetzung der „Rente mit 60“ (Klaus Zwickel) im Zentrum der
Auseinandersetzung. Im „Bündnis für Arbeit“ verständigten sich Arbeitgeber und
Gewerkschaften nach heftigen Konflikten Anfang 2000 schließlich darauf, dass die
Tarifvertragsparteien betriebs- und branchenbezogene Regelungen anstreben sollen,
welche „ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben ebenso wie eine verstärkte
Nutzung der Altersteilzeit“ einschließen. Neben der Erhöhung der Vergütung stellte
der IG Metall-Vorstand die Forderung nach einer „Beschäftigungsbrücke zwischen
Jung und Alt“ auf. Der erste Abschluss wurde in der Metallindustrie in NordrheinWestfalen getätigt (März 2000). Neben der zweistufigen Tariferhöhung sowie der
Erhöhung der Ausbildungsvergütungen wurde eine Verlängerung des Tarifvertrages zur
Altersteilzeit (bis zum 30.4.2003) unter Anpassung an das geänderte ATZ-Gesetz
vereinbart. Außerdem soll nunmehr die Entgeltumwandlung der vermögenswirksamen
Leistungen für die Altersvorsorge ermöglicht werden. Schließlich wurde der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ abgeschlossen (NWR, Küste usw.).
Während nach dem Tarifvertrag ATZ ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit erst ab dem
vollendeten 61. Lebensjahr besteht (in Form des Blockmodells/maximal vier Jahre),
erhalten nach dem „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ (TV BB) nunmehr
Beschäftigte bereits ab dem vollendeten 57. Lebensjahr (bis zum vollendeten 60.
Lebensjahr) einen Rechtsanspruch auf eine maximal bis zu 6 Jahre dauernde verblockte Altersteilzeit13. Das bedeutet – bei der Halbierung eines 6-jährigen Verteil-
13
Arbeitnehmer zwischen 57 und 60 Jahren haben nach § 2 TV BB einen Rechtsanspruch auf
Altersteilzeit in Form des Blockmodells für mindestens zwei, höchstens sechs Jahre. Der Anspruch
wird allerdings durch das sog. „Drehkreuz“, durch eine Zugangsquote sowie eine Bestandsquote
(Jahrgangsquote) begrenzt. Der TV BB schreibt vor, dass – im tariflichen Anspruchsmodell – die
Freistellungsphase spätestens mit dem auf die Vollendung des 60. Lebensjahres folgenden Monatsersten („Drehkreuz“) beginnen muss. Das „Drehkreuz“ führt zu einer Einschränkung des Rechtsanspruchs: Nur ein Arbeitnehmer, der das ATZ-Arbeitsverhältnis mit seinem 57. Geburtstag beginnt,
kann die vollen 6 Jahre beanspruchen (57-60-63). Beginnt ein Arbeitnehmer mit 58 J. die Altersteilzeit, besteht nur noch ein Anspruch auf ein 4-jähriges ATZ-Arbeitsverhältnis (58-60-62). Bei
einem Arbeitnehmer mit bereits 59 Jahren führt die Drehkreuz-Regelung dazu, dass er nur noch ein
zweijähriges ATZ-Arbeitsverhältnis rechtlich durchsetzen kann. (Der Arbeitgeber kann allerdings auf
die Anwendung des „Drehkreuzes“ verzichten.) 59- und 60-jährige Arbeitnehmer haben gemäß TV
BB einen besonderen zweijährigen Anspruch auf Altersteilzeit. 55- und 56-jährige Arbeitnehmer
haben keinen Anspruch auf Altersteilzeit (weder nach TV ATZ noch nach TV BB). Allerdings kann
auf freiwilliger Basis auch für Arbeitnehmer in diesem Lebensalter ein ATZ-Arbeitsvertrag abgeschlossen werden. Vgl. IG Metall, Bezirksleitung Küste, Altersteilzeit – Beschäftigungsbrücke in der
Metall- und Elektroindustrie Nord (Arbeitshilfe).
21
Arbeitnehmerkammer Bremen
zeitraumes auf Arbeits- und Freistellungsphase –, dass die Beschäftigten faktisch
nach ihrem 60. Geburtstag aus dem Erwerbsprozess ausscheiden können. Auf diese
Weise wurde zwar nicht die von Zwickel ursprünglich angestrebte „Rente mit 60“
erreicht, aber doch die Möglichkeit für die Beschäftigten geschaffen, nach dem
Blockmodell faktisch (wenngleich nicht arbeitsrechtlich gemäß dem ATZArbeitsverhältnis) mit 60 Jahren das Arbeitsleben zu beenden. Zum Ausgleich für die
Rentenminderung aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens erhalten die Beschäftigten
eine Abfindung von 450 DM für maximal 48 Kalendermonate, also insgesamt
maximal 21.600 DM für vier Jahre vorgezogenen Ruhestand.
Um die maximale Abfindung von 21.600 DM zu erhalten, müsste ein Beschäftigter
ab dem vollendeten 57. Lebensjahr eine 4-jährige verblockte Altersteilzeit wählen –
dieser „Metaller“ müsste demnach für vier Jahre vorgezogenen Ruhestand eine
dauerhafte Rentenminderung um 14,4 Prozent hinnehmen. (Die Anhebung der
Altersgrenze bei der Altersrente für Frauen ist zeitlich „nach hinten“ (um drei Jahre) –
im Vergleich zu den Männern – verschoben.)
57
ALTERSTEILZEIT
59
Arbeitsphase
RENTENANSPRUCH
61
Freizeitphase
65
14,4 % Abschlag
48 Monate
tarifliche Abfindung
48 x 450 DM = 21.600 DM
ALTERSTEILZEIT
60
57
Arbeitsphase
63
Freizeitphase
RENTENANSPRUCH
65
7,2 % Abschlag
24 Monate
tarifliche Abfindung
24 x 450 DM = 10.800 DM
Nimmt jedoch ein Metall-Beschäftigter den Rechtsanspruch gemäß dem Tarifvertrag
Beschäftigungsbrücke auf eine 6-jährige verblockte Altersteilzeit ab dem vollendeten
57. Lebensjahr wahr, würde er ab dem vollendeten 63. Lebensjahr zum Ausgleich der
dauerhaften Rentenminderung (Männer ab Jahrgang 1942: Rentenabschlag für 2
Jahre vorgezogenen Ruhestand = 7,2 %) lediglich eine Abfindung von 10.800 DM
(24 Monate x 450 DM) erhalten.
Bei dem 6-jährigen Blockmodell fällt demnach die tarifliche Abfindung nur halb so
hoch aus wie bei dem 4-jährigen Blockmodell (jeweils Altersteilzeit ab 57 Jahren);
22
Arbeitnehmerkammer Bremen
dafür wird beim 6-jährigen gegenüber dem 4-jährigen Blockmodell die – dauerhafte –
Rentenminderung (7,2 % statt 14,4 %) halbiert, so dass gemäß der Dauer des
Rentenbezugs sowie dem Niveau der Rente die 6-jährige gegenüber der 4-jährigen
verblockten Altersteilzeit in finanzieller Hinsicht langfristig attraktiver ausfallen kann.
Eine gegenüber dem Tarifvertrag ATZ neue Regelung im Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke besteht darin, dass der/die Beschäftige nach der Altersteilzeitarbeit grundsätzlich eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält (§ 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke).
Der Abfindungsanspruch gemäß § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke wird nicht zu
dem Abfindungsanspruch nach § 9 Tarifvertrag ATZ hinzugezählt. Nach § 9 Tarifvertrag ATZ haben Beschäftigte einen Abfindungsanspruch, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor
Vollendung des 63. Lebensjahres endet. Beruht ein ATZ-Vertrag auf der Basis einer
freiwilligen Betriebsvereinbarung, kommt § 9 Tarifvertrag ATZ zum Zuge (maximale
Abfindung in Höhe von drei Monatsentgelten beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit
60 Jahren/Begrenzung auf das dreifache der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze
in der gesetzlichen Rentenversicherung/Verringerung der Abfindung um 1/36 mit
jedem vollen Monat des Ausscheidens nach Vollendung des 60. Lebensjahres – bis
zur Vollendung des 63. Lebensjahres). Wenn der ATZ-Vertrag auf den Bestimmungen
des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke beruht, gilt § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke. Werden die Regelungen des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke in eine
freiwillige Betriebsvereinbarung integriert, dann muss die Abfindung mindestens das
Niveau der beiden in Frage kommenden Tarifverträge erreichen (unter bestimmten
Voraussetzungen). Die Abfindungsregelung nach § 9 Tarifvertrag ATZ wird in vielen
Fällen hinter die Abfindungsregelung des § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke (450
DM x maximal 48 Monate = maximal 21.600 DM) zurücktreten. Die Betriebsräte
müssen im Einzelfall jeweils prüfen, welche der beiden Abfindungsregelungen für den
Beschäftigten günstiger ausfällt.
Der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ enthält eine wesentliche Anspruchseinschränkung: Der Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ist dann ausgeschlossen, wenn 4
Prozent (ab 1. Mai 2000) bzw. 5 Prozent (ab 1. Mai 2002) aller Beschäftigten des
Betriebes von der Altersteilzeit Gebrauch machen oder wenn mehr als 40 Prozent der
57-jährigen, mehr als 50 Prozent der 58-jährigen, mehr als 60 Prozent der 59jährigen, mehr als 70 Prozent der 60-jährigen Beschäftigten einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben. Außerdem ist der Anspruch auch dann ausgeschlossen, wenn eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit besteht. In
diesem Falle sind die Betriebsvertragsparteien dazu verpflichtet, die Zugangskriterien
sowie die materielle Ausstattung gemäß den Regelungen des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke in die Betriebsvereinbarung zu integrieren. Der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ermöglicht es, die Altersgrenze für den Beginn der Altersteilzeit weiter abzusenken (im Vergleich zum Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke sowie
zum Tarifvertrag ATZ): In Betrieben mit Betriebsräten kann Altersteilzeit ab Vollen23
Arbeitnehmerkammer Bremen
dung des 55. Lebensjahres durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeführt werden (Betriebsvereinbarungsmodell). Kommt eine Betriebsvereinbarung zu Stande, werden sowohl das Anspruchsmodell gemäß § 2 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke als auch das 61er-Modell
(Tarifvertrag ATZ) verdrängt. Eine Verbesserung der materiellen Ausstattung der
Altersteilzeit durch Betriebsvereinbarungen wird in der Praxis von den Betriebsvertragsparteien angestrebt (Erhöhung des Aufstockungsbetrages, Regelung für den Fall
der Langzeiterkrankung in der Arbeitsphase nach Ablauf der Entgeltfortzahlung,
höhere Abfindungszahlung).
Im Gegenzug zum Abschluss des Tarifvertrages „Beschäftigungsbrücke“ wurden die
tariflichen Arbeitszeitbestimmungen (35-Stunden-Woche) um drei Jahre (bis zum
30.4.2003) verlängert. Eine Kündigung dieser Arbeitszeitbestimmungen hätte die
zeitgleiche Beendigung der tariflichen Regelungen zur Beschäftigungsbrücke (wie
auch der Übernahmeregelungen für Ausgebildete) zur Folge. Diese Koppelung der
Regelungen hat übrigens den 1. Vorsitzenden der IG Metall im Oktober 2002 auf der
arbeitszeitpolitischen Konferenz seiner Gewerkschaft in Mannheim zur Erklärung
veranlasst, in der Tarifrunde 2003 Verhandlungen über den auslaufenden Tarifvertrag
„Arbeitszeit“ (35-Stunden-Woche) nur in ungekündigtem Zustand führen zu wollen.
Die chemische Industrie hat schon in den 80er-Jahren eine Vorreiterrolle bei der
Umsetzung von Vorruhestandsregelungen gespielt. Aufgrund der ökonomischen
Situation und der großbetrieblichen Strukturen wurden den Beschäftigten in der
Chemie-Industrie, die vielfach im Schichtbetrieb arbeiten, von den Betriebsvertragsparteien vielfältige Möglichkeiten zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitslebens
geboten. Die chemische Industrie (ca. 600.000 Beschäftigte) hat im Dezember 1998
einen Tarifvertrag zur Altersteilzeit für ganz Deutschland mit der Chemie-Gewerkschaft
abgeschlossen. Das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit wird auf mindestens 85 Prozent
des bisherigen Netto-Vollzeitentgelts aufgestockt. Dagegen findet keine Anhebung des
Rentenversicherungsbeitrags über die gesetzlich vorgeschriebene Leistung (90 %)
hinaus statt.
In der Tarifrunde 2000 hat die IG BCE mit dem Arbeitgeberverband der chemischen
Industrie bereits im März einen Abschluss vereinbart, der eine zweistufige Tariferhöhung sowie eine Verbesserung der Regelungen zur Altersteilzeit einschließt. Nach
Auffassung der IG BCE wurden die Vereinbarungen aus dem „Bündnis für Arbeit“
aufgenommen und branchenspezifisch umgesetzt. Parallel zur Verlängerung der
Geltungsdauer des ATZ-Gesetzes (vom 31. Juli 2004 zum 31. Dezember 2009)
wurde die Laufzeit des Tarifvertrages ATZ in der chemischen Industrie verlängert.
Entsprechend der Verlängerung der Förderhöchstdauer (von 5 auf 6 Jahre) im ATZGesetz wurde auch im Tarifvertrag die Dauer der Altersteilzeit auf sechs Jahre
ausgedehnt. Entsprechend der gesetzlichen Einbeziehung der Teilzeitkräfte in das
ATZ-Gesetz können gemäß Tarifvertrag ATZ auch die Teilzeitbeschäftigten in der
chemischen Industrie nunmehr Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Die Anspruchseinschränkung nach Anteilen von Jahrgängen in Altersteilzeit (30/40/50/60 Prozent der
24
Arbeitnehmerkammer Bremen
55/56/57/58-jährigen Beschäftigten / 5 Prozent aller Beschäftigten) bleibt dagegen
erhalten14. Neu an diesem Pilot-Tarifabschluss der Tarifrunde 2000 ist jedoch die
erzielte „Lösung“ für die versicherungsmathematischen Abschläge bei einem vorzeitigen Renteneintritt: Für jeden Monat, den ein Arbeitnehmer Rentenabschläge in Kauf
nimmt, erhält er bis zum 65. Geburtstag – für maximal 48 Monate – 450 DM bei
Tagschicht, 550 DM bei teilkontinuierlicher Wechselschicht oder bei Zweischichtarbeit (mit regelmäßigen Spätschichten) bzw. 750 DM im vollkontinuierlichen Schichtsystem.
Während gemäß Tarifvertrag der IG Metall zur Altersteilzeit (Jahr 2000) eine „Rentenaufstockung“ von maximal 21.600 DM (450 DM x 48 Monate) erreicht werden
kann – diese Ausgleichszahlung für die Rentenminderung entspricht der maximalen
Summe für die in Tagschicht Beschäftigten in der chemischen Industrie –, können die
Beschäftigten im teilkontinuierlichen Schichtsystem als Ausgleichszahlung für die
Rentenminderung maximal 26.400 DM sowie im vollkontinuierlichen Schichtsystem
sogar maximal 36.000 DM vom Arbeitgeber erhalten (Abfindungsleistungen vor
Vollendung des 65. Lebensjahres).
Mit der Abfindungsregelung des Tarifvertrags ATZ (März 2000) wird für die Beschäftigten in der chemischen Industrie ein teilweiser Ausgleich der Abschläge bei der
gesetzlichen Rente erreicht. Da die Altersgrenze der Arbeitnehmer für eine ungeminderte gesetzliche Altersrente durch das Rentenreformgesetz heraufgesetzt wurde,
bietet die Regelung des Tarifvertrages ATZ einen finanziellen Anreiz, die Altersteilzeit
möglichst frühzeitig zu beginnen. Diese Abfindungsregelung (§ 11) soll dem Zweck
des teilweisen Ausgleichs von Rentenabschlägen dienen, sie wird aber in Form einer
einmaligen Zahlung zum Zeitpunkt des Übergangs von Altersteilzeit in Altersrente
vorgenommen; dadurch erhält diese Zahlung den Charakter einer Abfindung – nicht
den einer Rentenzahlung.
Die Abschläge bei der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich auf 3,6 Prozent
für ein Jahr vorgezogenen Ruhestand. Bei der Ausgestaltung der Abfindungsregelung
(§ 11) im „Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit“ für die chemische Industrie
muss die Ausweitung des Anspruchs auf Altersteilzeit in seiner Dauer von fünf auf
sechs Jahre gesehen werden. Dadurch kann der Abschlag bei der gesetzlichen Rente
von 18 % auf 14,4 % reduziert werden, weil die geminderte Altersrente erst ein Jahr
später (3,6 %) – mit 61 statt 60 Jahren – in Anspruch genommen wird. Der Abfindungsregelung (§ 11) liegt das folgende Grundmodell15 der Tarifvertragsparteien
zugrunde:
14
Beide Einschränkungsregelungen stehen übrigens nebeneinander: Sind die Jahrgangsquoten (ATZ)
bereits erschöpft, können in den einzelnen Jahrgängen selbst dann keine weiteren ATZArbeitsverhältnisse abgeschlossen werden, wenn die Belastungsgrenze von 5 % der Belegschaft
noch nicht erreicht ist.
15
Vgl. Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit (mit Kommentar für die chemische Industrie), Hg. IG
Bergbau, Chemie, Energie, Vorstandsbereich Tarifpolitik.
25
Arbeitnehmerkammer Bremen
55
ALTERSTEILZEIT
58
Arbeitsphase
RENTENANSPRUCH
61
Freizeitphase
65
14,4 % Abschlag
48 Monate
tarifliche Abfindung
– Vollkonti-Schicht
48 x 750 = 36.000 DM
– TK + Zweischicht 48 x 550 = 26.400 DM
– Tagschicht
48 x 450 = 21.600 DM
Aus Sicht der Chemie-Gewerkschaft handelt es sich bei dem Tarifpaket (Jahr 2000)
um einen „Beschäftigungspakt“, mit dem die Förderung der Altersteilzeit und der
Aufbau einer tariflichen Zusatzrente mit der gleichfalls beschlossenen Förderung der
Ausbildungsplätze miteinander verbunden wird.
Auch in der Eisen- und Stahlindustrie (Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen)
wurde im Jahr 2000 ein neuer Tarifvertrag zur Altersteilzeit abgeschlossen, der auf
einer Rahmenregelung für betriebliche Vereinbarungen aus dem Jahr 1998 aufbaut.
Die ursprüngliche tarifliche Vereinbarung (März 1998) enthielt keine weitere Leistungsaufstockung, sie sollte lediglich alle Formen von Altersteilzeit durch Betriebsvereinbarungen ermöglichen – einschließlich der Anwendung des Blockmodells nach
dem ATZ-Gesetz. In der Tarifrunde 2000 wurde in der Eisen- und Stahlindustrie
neben der zweistufigen Einkommenserhöhung auch eine Verbesserung der ATZRegelungen sowie (im Westen) die Einrichtung von Langzeit-Arbeitskonten vereinbart.
Ab 1. Juni 2000 haben Beschäftigte nach vollendetem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Altersteilzeit über eine Dauer von zwei bis zu sechs Jahren. Das ATZArbeitsentgelt wird auf 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens aufgestockt und der
Rentenversicherungsbeitrag auf 95 Prozent angehoben. Wie schon in der chemischen
Industrie (März 2000) wurde – mit den selben Beträgen – auch in der Eisen- und
Stahlindustrie ein Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt
vereinbart (Juni 2000). Für maximal 48 Monate wird eine nach Schichtsystem
gestaffelte „Abfindung“ vom Arbeitgeber geleistet: Pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs erhalten Beschäftigte mit regelmäßiger Wechselschicht 750 DM, Beschäftigte
in Wechselschicht mit regelmäßiger Nachtarbeit 550 DM sowie die übrigen Beschäftigten 450 DM. Weiterhin werden die Beträge ab 1. Januar 2002 dynamisiert und
jährlich um ein Prozent angehoben (Laufzeit dieses Tarifvertrages: 31. Dezember
2006). Auch der Insolvenzschutz der Arbeitnehmer-Ansprüche ist in diesem Tarifvertrag geregelt worden. Außerdem kann gemäß Tarifvertrag eine freiwillige Betriebsvereinbarung zwecks Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen für die langfristige Vermögensbildung zur Alterssicherung abgeschlossen werden. Der Tarifvertrag
zur Altersteilzeit in der Eisen- und Stahlindustrie enthält eine Anspruchseinschränkung: 4 Prozent aller Beschäftigten können die Altersteilzeit in Anspruch nehmen.
26
Arbeitnehmerkammer Bremen
Im öffentlichen Dienst besaßen die Angestellten und Arbeiter/innen mit dem „Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit“ bereits ab dem 1. Mai 1998 Anspruch
auf Altersteilzeitarbeit. Dieser Tarifvertrag enthielt sogar einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Eine Anspruchseinschränkung bestand darin, dass der Arbeitgeber die Altersteilzeit verweigern konnte, „wenn
dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dagegen stehen“. Die Arbeitnehmer/innen hatten die üblichen Voraussetzungen zu erfüllen: Sie mussten das 55.
Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren zurückgelegt haben,
weiterhin mussten sie in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt gewesen sein. Das individuelle Nettoarbeitsentgelt muss zusammen mit
der steuer- und sozialversicherungsfreien Aufstockungsleistung den Mindestnettobetrag von 83 Prozent des bisherigen Vollzeit-Nettoarbeitsentgeltes erreichen. Die
Beiträge des Arbeitgebers an die Rentenversicherung werden gemäß der gesetzlichen
Regelung auf 90 Prozent des Vollzeitarbeitsentgeltes angehoben. Die teilweise
Kompensation für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug fällt dagegen gering
aus: Gemäß Tarifvertrag ATZ (Mai 1998) erhält ein/e Beschäftigte/r im öffentlichen
Dienst für je 0,3 Prozent Rentenabschlag eine Abfindung von 5 Prozent des Entgelts
im letzten Monat vor Ende der Altersteilzeit. So stehen bei einer um zwei Jahre
vorzeitig in Anspruch genommenen Rente 1,2 Monatsbezüge (24 Monate x 5 % =
120 % des letzten Monatsentgelts) als Abfindung zu. Diese geringe Kompensation von
Rentenabschlägen ist in der Tarifrunde 2000 im Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV
erhalten geblieben.
Im Gegensatz zu vielen Tarifverträgen von Industriegewerkschaften, die ausschließlich
das Blockmodell vorgeben, zeichnet sich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV (Mai
1998) bei der Verteilung der Arbeitszeit dadurch aus, dass während der Altersteilzeitarbeit alle Formen der Verteilung möglich sind. Außer dem – wegen Tarifvorbehalt im
ATZ-Gesetz gegenüber einem mehr als dreijährigen Verteilzeitraum beim Blockmodell
– tariflich geregelten langfristigen Blockmodell (maximale Dauer: bis zu zehn Jahren)
können die Arbeitnehmer/innen auch andere, den Vorschriften des ATZ-Gesetzes
entsprechende Gestaltungsformen wählen: Neben der traditionellen „Halbtagsbeschäftigung“ kann auch ein variables „Teilzeitmodell“ gewählt werden, bei dem im
täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Rhythmus Arbeit und Freizeit
einander abwechseln. Diese Wahlmöglichkeit ist im Tarifvertrag zur Altersteilzeit in
der Tarifrunde 2000 erhalten geblieben.
27
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Tarifrunde 2000 war im öffentlichen Dienst vor allem durch die Forderung nach
Tariferhöhung (5 %) bestimmt. Die Tarifverhandlungen endeten mit einer Schlichtung
(Juni 2000)16. Wie schon zuvor in den Tarifrunden der Metallindustrie sowie der
chemischen Industrie wurde auch im öffentlichen Dienst eine zweistufige Einkommenserhöhung vereinbart (Laufzeit bis zum 31. Oktober 2002). Hinsichtlich der ATZRegelung ist hervorzuheben, dass es den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes
(ÖTV, DAG, usw.) in der Tarifrunde 2000 gelang, die Änderungen des ATZ-Gesetzes
im Tarifvertrag zur Altersteilzeit zügig aufzunehmen. Während die Teilzeitbeschäftigten gemäß dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ab dem 1. Januar
2000 einen gesetzlichen Anspruch auf Altersteilzeit haben, haben gemäß Tarifvertrag
der Gewerkschaft ÖTV die Teilzeitbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ab dem 1.
Juli 2000 erstmals einen tariflichen Anspruch auf Altersteilzeit. Die Laufzeit des
Tarifvertrages zur Altersteilzeit ist im öffentlichen Dienst – im Gegensatz zu den
Tarifverträgen in der privaten Wirtschaft – unbefristet. Die Altersteilzeit kann weiterhin
auf bis zu zehn Jahren verteilt werden. Die Förderhöchstdauer ist mit dem 2. Gesetz
zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft ab 1. Juli 2000) von fünf auf sechs
Jahre – und die Mindestnachbesetzungsdauer gleichfalls um ein Jahr von drei auf vier
Jahre – erhöht worden. Selbst wenn keine Förderung der Bundesanstalt für Arbeit
über diesen Zeitraum hinweg erfolgt, haben die Arbeitnehmer/innen Anspruch auf die
tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsbeträge für die gesamte Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Das ATZ-Arbeitsverhältnis muss für die Dauer von mindestens zwei Jahren vereinbart werden, um den Anspruch auf die „Rente wegen
Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit 60 Jahren zu erwerben. Nach dem
Tarifvertrag Altersteilzeit ist es ansonsten aber auch möglich, eine kürzere Dauer der
Altersteilzeit zu vereinbaren. Aufgrund der Ausdehnung der Geltungsdauer des ATZGesetzes (in Kraft ab 1. Juli 2000) vom 31. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2009
muss demnach gemäß der aktuellen Gesetzeslage ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis
noch vor dem 1. Januar 2010 beginnen. Damit wird den Beschäftigten und den
Dienstvertragsparteien ein weiter Planungshorizont für die individuelle und betriebliche Personalentwicklung eingeräumt.
Die von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ende 2002/Anfang 2003 geführte
Tarifrunde war eine reine Lohn- und Gehaltsrunde. Der im Januar 2003 im öffentlichen Dienst erzielte Tarifkompromiss sieht eine Erhöhung der Löhne und Gehälter in
drei Stufen um nominal 4,4 Prozent bis Anfang 2005 vor (Laufzeit bis Ende Januar
2005 = 27 Monate). Umgerechnet beträgt diese Lohn- und Gehaltserhöhung rund 2
Prozent pro Jahr. Zur Entlastung der Arbeitgeber wird ein freier Tag gestrichen (AZVTag). Die Einkommenserhöhung wird also teilweise durch Verlängerung der Arbeitszeit
kompensiert. Die Tarifpolitische Grundsatzabteilung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft hat nach Abschluss dieser Lohn- und Gehaltsrunde die Arbeitszeitpolitik
16
Vgl. im einzelnen dazu: R. Bispink, WSI – Tarifarchiv, Tarifpolitischer Jahresbericht 2000, a.a.O., S.
20 ff.
28
Arbeitnehmerkammer Bremen
wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Mit einer neuen arbeitszeitpolitischen Initiative
(Jahre 2003/2004) will die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ab dem Jahr 2005
eine Tarifbewegung zur Verkürzung und Gestaltung der Arbeitszeit in Gang bringen.
Zusammenfassung: Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit
Die tarifvertraglichen Regelungen setzen zumeist an der Aufstockung der gesetzlich
vorgesehenen ATZ-Leistungen an, um die Altersteilzeitarbeit in finanzieller Hinsicht für
die Beschäftigten attraktiv zu machen. Diese Aufstockung bezieht sich vor allem auf
das Arbeitsentgelt: So wurden für die Metallindustrie 82 Prozent des bisherigen NettoVollzeitentgelts, für den öffentlichen Dienst 83 Prozent, für die Eisen- und Stahlindustrie sowie für die chemische Industrie 85 Prozent des Netto-Vollzeitentgelts tarifvertraglich vereinbart. Eine Aufstockung des Rentenversicherungsbeitrages über die
gesetzlich vorgeschriebenen 90 Prozent hinaus findet i.d.R. nicht statt (Ausnahmen:
Eisen- und Stahlindustrie = 95 %, Metallindustrie = 95 %). Erst in der Tarifrunde
2000 wurden in Verbandstarifverträgen anteilige Erstattungen für die späteren
Rentenabschläge vorgesehen. Im Firmentarifvertrag der IG Metall mit der Volkswagen
AG ist bereits im Jahre 1997 das Problem der gesetzlichen Rentenabschläge beim
vorzeitigen Ruhestand nach Altersteilzeit großzügig geregelt worden (paritätische
Aufteilung der Rentenabschläge auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Offenbar waren
jedoch diese günstigen Bedingungen des „Sonderfalls“ Volkswagen nicht verallgemeinerbar für die gesamte Metallindustrie. Erst in der Tarifrunde 2000 konnte die IG
Metall in den Verbandstarifverträgen zur Altersteilzeit einen teilweisen Ausgleich der
Rentenabschläge durch eine in der Höhe begrenzte Abfindung (maximal 21.600 DM)
tarifvertraglich vereinbaren. Eine weiter gehende Kompensation von Rentenabschlägen nach der Altersteilzeit ist in der Tarifrunde 2000 insbesondere in denjenigen
Branchen vereinbart worden, die – mehr noch als die Metallindustrie – durch kontinuierliche Schichtsysteme geprägt sind: Sowohl in der Stahlindustrie als auch in der
chemischen Industrie werden gemäß Schichtsystem gestaffelte Abfindungen gezahlt
(minimal 21.600 DM/maximal 36.000 DM).
Weiterhin werden in den Tarifverträgen zur Altersteilzeit die Anspruchsvoraussetzungen der Beschäftigten wie auch die Anspruchseinschränkungen geregelt. Bei den
Anspruchsvoraussetzungen (Mindestalter, Anspruch an das vorherige Beschäftigungsverhältnis) orientieren sich die Tarifverträge weitgehend an den Bestimmungen des
ATZ-Gesetzes: Mindestalter von 55 Jahren, bis zur Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten: mindestens 3 Jahre (1080 Kalendertage) Vollzeitbeschäftigung in den letzten
5 Beschäftigungsjahren (ausnahmsweise wird auch – wie im Versicherungsgewerbe –
eine Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren vorausgesetzt). Die Anspruchseinschränkungen enthalten i. d. R. Überforderungsschutzklauseln für die Betriebe, die einen
Anspruch der Beschäftigten dann ausschließen, wenn ein bestimmter Anteil aller
Beschäftigten (4 % oder 5 %) oder bestimmter Altersjahrgänge – wie in der chemischen Industrie sowie in der Metallindustrie – sich bereits in Altersteilzeitarbeit
befindet. Dabei steigen die Quoten für die älteren Beschäftigten, die gemäß Tarifver29
Arbeitnehmerkammer Bremen
trag Altersteilzeit beanspruchen dürfen, i. d. R. mit den Jahrgängen an (z. B. in der
Metallindustrie: 40/50/60/70 % der 57/58/59/60-jährigen Beschäftigten). Bei den
Betriebsfallstudien wird sich zeigen, in wieweit die Betriebsvertragsparteien sich an
diese Anspruchseinschränkungen halten oder aber – was ihnen offen steht – auf die
Überforderungsschutzklausel einfach verzichten, um z. B. einen größeren Personalabbau über das Instrument ATZ vornehmen zu können.
Während in vielen Tarifverträgen lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der
gesetzlichen Regelungen, insbesondere der Bildung eines über 3 Jahre hinausgehenden Verteilzeitraums von „verblockter“ Altersteilzeit, geregelt wird, wird in einigen
Tarifverträgen den älteren Beschäftigten ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit eingeräumt. So enthält der Tarifvertrag der chemischen Industrie einen allgemeinen
Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Altersteilzeit, einen „unmittelbaren tariflichen
Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell Ι“, d. h. nach dem „Teilzeitmodell“ (Verkürzung der täglichen oder
wöchentlichen Arbeitszeit); jedoch können „betriebliche, insbesondere arbeitsorganisatorische Gründe einer Beschäftigung des älteren Arbeitnehmers in Teilzeitarbeit
entgegenstehen“ (Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit, IG BCE, März 2000).
Deshalb kann der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers nach „Teilzeitarbeit“
aus betrieblichen Gründen ablehnen, wenn er dem Arbeitnehmer stattdessen eine
„Beschäftigung nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell ΙΙ anbietet“, d. h. nach dem
„Blockmodell“. Diese tarifvertraglichen Bestimmungen sind mit dafür verantwortlich,
dass die Beschäftigten in der chemischen Industrie nahezu ausschließlich die „verblockte“ Altersteilzeit wählen.
Der allgemeine Rechtsanspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages wird
in der chemischen Industrie gemäß Tarifvertrag in doppelter Hinsicht eingeschränkt:
Entsprechend der „Überforderungsschutzklausel“ kann der Arbeitgeber den Abschluss
eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, wenn 5 Prozent der Beschäftigten
des Betriebes von der Altersteilzeit bereits Gebrauch machen; der Anspruch auf
Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages wird zudem durch die Festlegung
besonderer Jahrgangsquoten eingeschränkt (der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn
mehr als 30 % der 55-jährigen, mehr als 40 % der 56-jährigen, mehr als 50 % der
57-jährigen, mehr als 60 % der 58-jährigen Beschäftigten ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis abgeschlossen haben). Allerdings steht es dem Arbeitgeber frei, auf den
Überforderungsschutz zu verzichten: Jenseits der 5 %-Klausel können auf freiwilliger
Grundlage jederzeit ATZ-Arbeitsverträge abgeschlossen werden; es besteht nur in
solchen Fällen kein durchsetzbarer Rechtsanspruch mehr (Freiwilligkeitsvorbehalt).
Im Rahmen des Tarifvertrages (März 2000) haben die Beschäftigten in der chemischen Industrie einen „unmittelbaren“ tarifvertraglichen Anspruch auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis von zwei bis zu sechs Jahren. Die Möglichkeit, für die Dauer von
bis zu zehn Jahren ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis abzuschließen, besteht nur auf
Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder auf einem Einzelarbeitsvertrag, der
mit Zustimmung des Betriebsrates abgeschlossen wird. Damit gibt es für die Verein30
Arbeitnehmerkammer Bremen
barung von ATZ-Arbeitsverhältnissen mit mehr als sechs Jahren Laufzeit in der
chemischen Industrie keinen „direkten“ tarifvertraglichen Anspruch.
Einen allgemeinen Rechtsanspruch enthalten die wenigsten Tarifverträge zur Altersteilzeit; jedoch sind in den Tarifverträgen einzelner großer Branchen Rechtsansprüche
der Beschäftigten ab einem bestimmten Lebensalter geregelt worden: Bereits der erste
Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit (Mai 1998) enthält einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Dieser Rechtsanspruch ist
im zweiten Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit (Juni 2000) erhalten
geblieben. Auch in der Metallindustrie enthält der Tarifvertrag zur Altersteilzeit
(Laufzeit bis zum 30. April 2003) einen nach Lebensalter geregelten Rechtsanspruch
der Beschäftigten auf Altersteilzeit: Während nach dem Manteltarifvertrag ATZ die
Beschäftigten ab vollendetem 61. Lebensjahr einen individuellen Rechtsanspruch auf
Altersteilzeit haben, erhalten die Beschäftigten nach dem „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ (März 2000) bereits ab vollendetem 57. Lebensjahr einen Anspruch17
auf eine – maximal sechsjährige – „verblockte“ Altersteilzeit. Damit können die
Metall-Beschäftigten ihr Arbeitsleben faktisch – wenngleich nicht arbeitsrechtlich –
mit dem vollendeten 60. Lebensjahr beenden.
Ergebnisse der Betriebs- und Personalrätebefragung (WSI) zur Nutzung
der Altersteilzeit in Betrieben und Behörden
Die Umsetzung der gesetzlichen und tariflichen ATZ-Regelungen in den Betrieben und
Behörden über Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen bildet ein noch weitgehend
unbekanntes Feld von ATZ-Regelungen18. Einen ersten – halbwegs repräsentativen –
Überblick bietet die Ende 1999/Anfang 2000 vom WSI durchgeführte Betriebs- und
Personalrätebefragung, die einige Fragen zur Altersteilzeit enthält. Diese Befragung
richtete sich an Betriebe bzw. Dienststellen ab 20 Beschäftigten mit Betriebs- bzw.
Personalrat, d. h. Arbeitsstätten ohne betriebliche Interessenvertretung sowie Betriebe
und Dienststellen mit weniger als 20 Beschäftigten sind in dieser Betriebs- und
Personalrätebefragung nicht enthalten. Aufgrund des Erhebungszeitpunktes konnten
17
Wie bereits ausgeführt, wird in der Metallindustrie der Anspruch auf Altersteilzeit ausgeschlossen,
wenn 4 Prozent (ab 1. Mai 2000) bzw. 5 Prozent (ab 1. Mai 2002) aller Beschäftigten des Betriebes bereits von der Altersteilzeit Gebrauch machen bzw. wenn mehr als 40 % der 57-jährigen, mehr
als 50 % der 58-jährigen, mehr als 60 % der 59-jährigen, mehr als 70 % der 60-jährigen Beschäftigten bereits einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben.
18
Eine Untersuchung der betrieblichen Umsetzung von ATZ-Tarifverträgen in der Metall- und
Elektroindustrie wurde am Beispiel der Tarifbezirke in Baden-Württemberg sowie in NordrheinWestfalen auf Basis von freiwilligen Betriebsvereinbarungen im Jahre 1999 im Auftrag der HansBöckler-Stiftung durchgeführt (vgl. C. Barkholdt, u.a., Evaluation der betrieblichen Umsetzung von
Altersteilzeittarifverträgen am Beispiel der Tarifbezirke Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg, Manuskript, Dortmund 2001). Im Unterschied zum Tarifvertrag in der Chemieindustrie setzte der zum Untersuchungszeitpunkt gültige Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie
den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung voraus, wenn die Altersteilzeit bereits ab dem
55. Lebensjahr der Beschäftigten beginnen sollte.
31
Arbeitnehmerkammer Bremen
zudem die Auswirkungen der gesetzlichen Altersteilzeit-Regelungen des Jahres 2000
sowie der darauf aufbauenden tarifvertraglichen Altersteilzeit-Regelungen (Tarifrunde
2000) noch nicht mit dieser Befragung erfasst werden.
Mit der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung wurden alle wichtigen Branchen
und Organisationsbereiche in West- und Ostdeutschland erfasst. Auf die Unterschiede
zwischen West- und Ostdeutschland gehen wir in unserer Zusammenfassung nicht
näher ein, weil wir den Vergleich Westdeutschland – Land Bremen im Blickfeld
unserer Untersuchung haben. Unsere Zusammenfassung der Ergebnisse dieser
Befragung zur Nutzung der Altersteilzeit in Deutschland (Ende 1999/Anfang 2000)
beruht auf der Auswertung und Darstellung von Ute Klammer und Helmut Weber in
ihrer Abhandlung in den WSI-Mitteilungen19.
Altersteilzeit als Arbeitsfeld der Betriebs- und Personalräte
Die Altersteilzeit bildet ein wichtiges Thema für die Betriebs- und Personalräte in ihrer
alltäglichen Arbeit. 54 Prozent der Betriebsräte und sogar 68 Prozent der Personalräte
gaben in der Befragung an, sich in den letzten Jahren mit dem Thema „Altersteilzeit“
beschäftigt zu haben. Im öffentlichen Dienst war die Altersteilzeit sogar das am
häufigsten genannte Arbeitsfeld der Personalräte, in der Privatwirtschaft bildete die
Altersteilzeit nach dem „Personalabbau“ das zweithäufigst genannte Arbeitsfeld der
Betriebsräte. Aufgrund der Mehrstufigkeit der Regelungen (Gesetz – Tarifvertrag –
Betriebs-/Dienstvereinbarung – Einzelarbeitsvertrag) kommt den Betriebs- bzw.
Personalräten bei der betrieblichen und individuellen Ausgestaltung der Altersteilzeit
eine bedeutende Rolle zu. „Sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für die
Privatwirtschaft gilt dabei: je größer die Dienststelle bzw. der Betrieb, desto eher ist
die Altersteilzeit ein Thema.“20 Für die Betriebsräte ist die Altersteilzeit eine Erfolgsgeschichte: Ein knappes Drittel der Betriebsräte gibt an, auf diesem Feld „viel“ erreicht
zu haben, ein gutes Drittel meint, es sei immerhin „einiges“ erreicht worden, lediglich
ein Drittel gibt an, „wenig“ erreicht zu haben (Westdeutschland). Bei den Personalräten überwiegt eine mittlere Zufriedenheit: Etwa die Hälfte der Personalräte gibt an,
immerhin „einiges“ erreicht zu haben, während eine positive sowie eine negative
Einschätzung jeweils von einem Viertel der Personalräte angegeben wird.
19
20
Ute Klammer, Helmut Weber, Flexibel in den Ruhestand? – Ergebnisse und Überlegungen zur
Altersteilzeit , in: WSI-Mitteilungen, 2/2001, S. 102 – 112.
Ute Klammer, Helmut Weber, Flexibel in den Ruhestand?, a. a. O., S. 104.
32
Arbeitnehmerkammer Bremen
Verbreitung und Ausgestaltung der Altersteilzeit
Während in nicht ganz der Hälfte der westdeutschen Betriebe (46 %) AltersteilzeitRegelungen bestehen, weisen nahezu zwei Drittel der westdeutschen Dienststellen
(65 %) Altersteilzeit-Regelungen auf.
Die Aufgliederung nach Betriebsgrößenklassen zeigt bei den Betrieben in Deutschland
einen signifikanten Zusammenhang: In der Tendenz steigt mit der Betriebsgröße der
Anteil der Betriebe mit Altersteilzeit-Regelungen (vgl. Schaubild 2). Während von den
Betrieben zwischen 50 und 100 Beschäftigten etwa jeder vierte Betrieb Altersteilzeit
anbietet, ist dieses bei den Betrieben zwischen 100 und 500 Beschäftigten etwa bei
jedem dritten Betrieb der Fall. Über 60 Prozent der Betriebsräte aus Betrieben mit
500 bis 1000 Beschäftigten und sogar 85 Prozent der Betriebsräte aus Betrieben mit
mehr als 1000 Beschäftigten haben angegeben, dass in ihrem Betrieb eine Altersteilzeit-Regelung existiert.
Schaubild 2: Anteil der Betriebe und Dienststellen mit Altersteilzeitregelung (in %)
Privatwirtschaft
100
85
80
60
61
45
46
40
38
27
20
37
33
9
0
Gesamt
West
Ost
20-50
AN
51-100
AN
101-200 201-500
500über
AN
AN
1000 AN 1000 AN
Öffentlicher Dienst
100
80
67
81
77
65
60
49
51
20-50
AN
51-100
AN
83
80
57
40
20
0
Gesamt
West
Ost
101-200 201-500
500über
AN
AN
1000 AN 1000 AN
Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000
33
Arbeitnehmerkammer Bremen
Man kann davon ausgehen, dass die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Änderung
des Altersteilzeitgesetzes (1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit) die Nutzung
der Altersteilzeit nunmehr auch für Kleinbetriebe attraktiv macht, weil seitdem der
Nachweis der Wiederbesetzung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten gegenüber
dem Arbeitsamt wesentlich erleichtert worden ist.
„Im öffentlichen Sektor ist Alterssicherung insgesamt weiter verbreitet als in der
Privatwirtschaft: In rund zwei Drittel der Dienststellen existiert nach Angabe der
Personalräte eine Regelung zur Altersteilzeit. Die stärkere Verbreitung von Altersteilzeit
im Vergleich zur Privatwirtschaft ist dabei vor allem in kleinen und mittelgroßen
Dienststellen augenfällig (vgl. Schaubild 2). Wie die Differenzierung nach Dienststellenbereichen offenbart, ist Altersteilzeit besonders verbreitet im Bereich des Sozialund Gesundheitswesens (Deckungsgrad: über 90 %).“21
45 Prozent der Betriebsräte sowie 67 Prozent der Personalräte in Deutschland haben
in der WSI-Befragung angegeben, dass in ihrem Betrieb bzw. in ihrer Dienststelle eine
Altersteilzeit-Regelung existiert. Diese Betriebs- und Personalräte sollten Angaben zu
den jeweils praktizierten Formen der Altersteilzeit machen. Dabei ergibt sich das
interessante Ergebnis, „dass im öffentlichen Dienst den Beschäftigten häufiger die
Wahlmöglichkeit zwischen den beiden konkurrierenden Varianten „Blockmodell“ und
„Teilzeitmodell“ eingeräumt wird“.22
Nahezu drei Viertel der Dienststellen (74 %) bieten ihren Beschäftigten nach Angaben
der Personalräte eine Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Varianten an, während
nicht ganz die Hälfte der Betriebe (48 %) nach Angaben der Betriebsräte ihren
Beschäftigten eine solche Wahlmöglichkeit einräumt (vgl. Schaubild 3). Auch bei
dieser Frage ergibt sich ein signifikanter Zusammenhang mit der Betriebsgrößenklasse: Je größer die Dienststelle bzw. der Betrieb mit Altersteilzeit-Regelung, umso mehr
können die Beschäftigten zwischen Block- und Teilzeitmodell wählen.
Bedenkenswert scheint uns, dass fast jeder zweite Betrieb mit Altersteilzeit-Regelung
in der privaten Wirtschaft ausschließlich das Blockmodell vorsieht (47 %), während
diese, die Wahlmöglichkeit ausschließende, Vorgabe des Blockmodells lediglich von
jeder fünften Dienststelle im öffentlichen Dienst gemacht wird (20 %). Insgesamt
betrachtet, wird also dem eigentlichen Teilzeitmodell, welches der ursprünglichen
Intention des Gesetzgebers bei der Entwicklung des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz zur
Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“) als Modell zugrunde lag, in
der betrieblichen Praxis gegenüber dem mehrheitlich favorisierten Blockmodell
lediglich eine nachgeordnete Bedeutung eingeräumt.
21
U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 105.
22
U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 105.
34
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 3: Angebotenes Modell der Altersteilzeit (in %)
Privatw irtschaft
Öffentlicher Dienst
nurTeilzeit
5%
beide
Modelle
48 %
nur
Blockzeit
20 %
nurTeilzeit
6%
beide
Modelle
74 %
nur
Blockzeit
47 %
Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000
Schaubild 4: Ausgleich für den späteren Rentenabschlag nach Altersteilzeit (in %)
nein
61 %
Privatw irtschaft
Öffentlicher Dienst
ja, vollständig
4%
ja, vollständig
7%
ja,
anteilig
35 %
nein
58 %
ja,
anteilig
35 %
Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000
Auch bei der Dauer der individuellen Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die
Beschäftigten zeigt sich, dass der vom Gesetzgeber eingeräumte beträchtliche
Zeitraum von bis zu 10 Jahren (Altersteilzeit zwischen 55 und 65 Jahren) keineswegs
umfassend ausgeschöpft wird. „Die maximale Dauer der individuellen Inanspruchnahme liegt im Durchschnitt in der Privatwirtschaft bei etwas über fünf Jahren, im
öffentlichen Dienst mit über sieben Jahren deutlich höher.“23 Faktisch beträgt die
Mindestdauer der Altersteilzeit, welche den Beschäftigten in der privaten Wirtschaft
und im öffentlichen Dienst vorgeschrieben wird, im Durchschnitt etwas mehr als zwei
Jahre. Dieses Ergebnis beruht sicherlich auf der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen
23
U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 106.
35
Arbeitnehmerkammer Bremen
Mindestdauer von 24 Monaten Altersteilzeitarbeit als Bedingung für den Anspruch auf
den Bezug einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit.
Die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers für die in
Altersteilzeit Beschäftigten übersteigen die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen
Aufstockungen des Netto-Einkommens, teilweise auch der Rentenversicherungsbeiträge, in relevantem Ausmaß. Auf der betrieblichen Ebene werden die tarifvertraglich
vereinbarten Aufstockungsleistungen teilweise noch verbessert. Diese Leistungen
beziehen sich v. a. auf den Lohn bzw. das Gehalt. Gemäß den Angaben der Betriebsund Personalräte ergibt sich eine durchschnittliche Aufstockung des Nettolohnes der
„Altersteilzeiter“ auf rund 83 Prozent (öffentlicher Dienst) bzw. 84 Prozent (Privatwirtschaft). Mehr als die Hälfte der Betriebe und fast die Hälfte der Dienststellen zahlt
den „Altersteilzeitern“ mehr Lohn bzw. Gehalt als die vom Gesetzgeber geforderten 70
Prozent. Bei den Rentenversicherungsbeiträgen wird die gesetzlich geregelte Aufstokkung von 90 Prozent nur vereinzelt in Tarifverträgen noch verbessert. „Erhebliche
Unterschiede zeigen sich in der Behandlung der versicherungstechnischen Rentenabschläge, die bei den Altersteilzeitern durch den früheren Rentenzugang beträchtlich
sein können, nämlich bis zu 18 Prozent bei Rentenzugang mit 60 statt 65 Jahren
betragen. Hierfür hat der Gesetzgeber keine Ausgleichsregelung vorgesehen.“24
Wie unsere Analyse der Tarifverträge gezeigt hat, sind insbesondere in der Tarifrunde
2000 Abfindungsleistungen zum Ausgleich der gesetzlichen Rentenabschläge bei
einem vorzeitigem Ruhestand des „Altersteilzeiters“ vereinbart worden. Diese Leistungen werden ausschließlich vom Arbeitgeber getragen. Nach den Angaben der Betriebs- und Personalräte können die „Altersteilzeiter“ in etwa 40 Prozent der Betriebe
und Dienststellen mit einem teilweisen Ausgleich für den späteren Rentenabschlag
rechnen (vgl. Schaubild 4). Dadurch ist die Attraktivität eines vorzeitigen Ruhestandes
in vielen Betrieben und Dienststellen für die älteren Arbeitnehmer/innen sicherlich
gesteigert worden. Die seit dem Jahr 2000 deutlich gestiegene Inanspruchnahme der
Altersteilzeit lässt sich sicherlich auf die Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens durch Tarifverträge und Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen erklären. Beschäftigte in Großbetrieben profitieren am meisten von der tariflichen und betrieblichen
Verbesserung der Aufstockungsleistungen: „Je größer der Betrieb oder die Dienststelle,
desto eher gehen die gewährten Aufstockungsleistungen über die gesetzlichen
Regelungen hinaus.“25
Inanspruchnahme und Wiederbesetzung
Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit kann durch den Arbeitgeber beschränkt
werden. Der Gesetzgeber hat zum Schutz der Betriebe eine Überforderungsschutzklausel verabschiedet, wonach der Anspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit auf 5
24
Dies., a. a. O., S. 106 f.
25
Dies., a. a. O., S. 107.
36
Arbeitnehmerkammer Bremen
Prozent aller Beschäftigten eines Betriebes eingeschränkt wird. In vielen Tarifverträgen
wird die gesetzliche Regelung noch weiter spezifiziert, indem jahrgangsbezogene
Quoten für die „Altersteilzeiter“ festgelegt werden (wie in der chemischen Industrie
sowie in der Metallindustrie). Damit kann ein tarifvertraglich vereinbarter Rechtsanspruch auf Altersteilzeit – wie im Tarifvertrag „Beschäftigungsbrücke“ in der Metallindustrie enthalten – für bestimmte Beschäftigtengruppen eingeschränkt werden.
Allerdings können die Betriebe auf die Überforderungsschutzklausel in Gänze verzichten.
„In der WSI-Befragung verneinten die Frage, ob die Inanspruchnahme der Altersteilzeit quantitativ beschränkt sei, 63 Prozent der antwortenden Betriebsräte und sogar
78 Prozent der antwortenden Personalräte, nur rund 37 Prozent der Betriebs- und
sogar nur 22 Prozent der Personalräte gaben an, dass in ihrem Betrieb/ihrer Dienststelle die Inanspruchnahme von Altersteilzeit quantitativ begrenzt sein.“26
Soweit die Betriebs- und Personalräte Angaben zur Inanspruchnahme der Altersteilzeit
durch die älteren Beschäftigten ihres Betriebes bzw. ihrer Dienststelle gemacht
haben, betrug der Anteil der „Altersteilzeiter“ an den über-55-jährigen Beschäftigten
Ende 1999/Anfang 2000 in der Privatwirtschaft immerhin 28 Prozent (Westdeutschland: 28 %), im öffentlichen Dienst lediglich 19 Prozent (Westdeutschland: 17 %).
„Die Frage, ob Altersteilzeit in erster Linie zum Personalabbau genutzt wird oder
tatsächlich einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leistet, ist vor allem aus
arbeitsmarktpolitischer Perspektive zentral. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus
dem Anteil der Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse, für die die Betriebe/Dienststellen sich
die gesetzlichen Aufstockungsleistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit erstatten
lassen, da diese Erstattung an die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes geknüpft ist.“27
Die Frage nach der Inanspruchnahme der Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für
Arbeit wurde in der WSI-Befragung von einer hohen Anzahl von Betriebsräten mit
Altersteilzeit im Betrieb (19 %) sowie von Personalräten aus Dienststellen mit
Altersteilzeit (24 %) nicht beantwortet. Von einem Viertel der Betriebe (25 %) wurden
keine Erstattungsleistungen in Anspruch genommen. Die Mehrheit der Betriebe (56
%) nimmt nach den Angaben der Betriebsräte dagegen die Erstattungsleistungen in
Anspruch. Im öffentlichen Dienst werden die Erstattungsleistungen viel häufiger nicht
in Anspruch genommen (40 %) als in der privaten Wirtschaft (25 %). Entsprechend
fällt die Inanspruchnahme der Erstattungsleistungen in den Dienststellen (36 %)
wesentlich niedriger aus als in den Betrieben (56 %).
26
Dies., a. a. O. S. 107.
27
Dies., a. a. O. S. 108.
37
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 5: Inanspruchnahme von Erstattungen durch die Bundesanstalt
für Arbeit für die Altersteilzeit-Aufstockungen (in %)
Privat wirtschaft
(insgesamt: 56 %)
Öffentlicher Dienst
(insgesamt: 37 %)
ja, für einen Teil
10 %
ja, aber keine
Angabe zum
Anteil
26 %
keine
Inanspruchnahme von
Erstattungen
25 %
ja, aber keine
Angabe zum Anteil
4%
ja, für alle
20 %
keine
Inanspruchnahme von
Erstattungen
40 %
ja, für einen Teil
8%
ja, für alle
24 %
keine Angabe
24 %
keine Angabe
19 %
Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000
Wenn also in der privaten Wirtschaft mehr als die Hälfte der Betriebe die Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen, wird ein gewisser
Anteil der durch Altersteilzeit frei werdenden Stellen wieder besetzt. Der hohe Anteil
der Betriebs- und Personalräte, der keine Angaben zur Frage der Inanspruchnahme
machen kann, verweist wahrscheinlich darauf, „dass für die Betriebe häufig zum
Zeitpunkt des Abschlusses eines Altersteilzeit-Verhältnisses noch nicht definitiv
feststeht, ob sie den Arbeitsplatz wiederbesetzen werden und sich die gesetzlichen
Aufstockungen erstatten lassen können. Dies ist eine Folge der hohen Präferenz des
Blockmodells, da bei Altersteilzeit-Fällen mit Blockmodell zunächst nur Anträge auf
Vorausentscheidung an die BA gestellt werden können, über die tatsächliche Wiederbesetzung und damit auch die Förderungsfähigkeit aber erst zu Beginn der Freistellungsphase entschieden wird“28.
Seit der Einführung des Altersteilzeitgesetzes August 1996 ist die Anzahl der Erstattungsanträge an die Bundesanstalt für Arbeit beständig gestiegen (vgl. Tabelle 2). Bis
Ende 2000 waren insgesamt fast 83.000 Anträge gestellt worden, von denen nahezu
72.500 bewilligt worden sind (= 87 %). Im gleichen Zeitraum sind nicht ganz
84.000 Anträge auf Vorabentscheidung – gemäß dem Blockmodell – gestellt worden,
von denen die große Mehrheit (ca. 92 %) gleichfalls bewilligt worden ist. Die Steigerung der im Jahre 2000 gestellten Altersteilzeit-Anträge wie auch der Anträge auf
Vorabentscheidung gegenüber dem Jahr 1999 ist augenfällig; sie lässt sich sicherlich
28
Dies., a. a. O., S. 109.
38
Arbeitnehmerkammer Bremen
auf die Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes im Jahre 2000 zurückführen. Als
Reaktion auf die zwei Änderungen des Altersteilzeitgesetzes (1. Januar/1. Juli 2000)
wie auch auf die darauf aufbauenden Tarifverträge in wichtigen Branchen (Tarifrunde
2000) lässt sich die weitere Steigerung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge im Jahre
2001 verstehen: Wurden im Jahre 2000 rund 38.900 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa 34.600 bewilligt wurden, so wurden im Jahre 2001
bereits rund 50.000 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa 46.200
bewilligt wurden. Im Jahre 2002 ist eine weitere Steigerung festzustellen: Nunmehr
wurden über 54.000 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa
49.500 bewilligt wurden (vgl. Tabelle 2). Die Anzahl der gestellten Anträge auf
Vorabentscheidung erhöhte sich von etwa 33.000 im Jahre 2000 auf nahezu 37.800
im Jahre 2001, verringerte sich jedoch im Jahre 2002 wieder auf ca. 31.750
Anträge (vgl. Tabelle 2).
Die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für die Altersteilzeit-Zuschüsse haben sich
gegenüber dem Jahre 2000 im Jahre 2001 mehr als verdoppelt. Als Hauptgrund für
den Kostenanstieg gilt die hohe Zahl der Förderanträge durch die Arbeitgeber.
Offenbar wird mittlerweile die Wiederbesetzung aufgrund der Erleichterungen des
neuen Altersteilzeitgesetzes (1. Januar 2000) vermehrt von den Betrieben praktiziert.
Während die Anzahl der bewilligten Altersteilzeit-Anträge (incl. der bewilligten Anträge
auf Vorabentscheidung) kumuliert Ende 2000 etwa 150.000 Fälle betrug, so hat sich
diese Anzahl der bewilligten Anträge bis Ende 2001 auf ca. 230.000 AltersteilzeitFälle kumuliert, bis Ende 2002 sogar auf insgesamt ca. 310.400 Altersteilzeit-Fälle.
Damit hat sich die Anzahl der bewilligten Anträge in den beiden Jahren nach der
Änderung des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000) mehr als verdoppelt.
Aufgrund der Daten im Meldeverfahren zur Sozialversicherung geht die Bundesanstalt
für Arbeit davon aus, dass die Zahl aller in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmer
etwa 3 ½ bis 4 mal höher ist als die Zahl der geförderten Fälle nach der Bestandsstatistik. „Die Differenz zwischen existierenden und geförderten Altersteilzeit-Fällen
bedeutet nicht unbedingt, dass nur jeder dritte oder gar vierte AltersteilzeitArbeitsplatz wiederbesetzt wird, da die Betriebe sich nur für die Erstattung qualifizieren, wenn der freigewordene Arbeitsplatz durch einen Arbeitslosen oder einen nach
der Ausbildung übernommenen Arbeitnehmer wiederbesetzt wird.“29 Gleichwohl zeigt
uns die Beobachtung der Personalpolitik in Großbetrieben, dass Altersteilzeit vielfach
dazu genutzt wird, den Personalbestand sozialverträglich zu reduzieren.
Die Betriebs- und Personalräte-Befragung des WSI weist nach, dass zwischen den
Variablen „Altersteilzeit“ und „Personalabbau“ ein signifikanter Zusammenhang
besteht: „In der Privatwirtschaft bauten 58 Prozent aller Betriebe mit AltersteilzeitRegelung regulär beschäftigtes Personal ab, während in Betrieben ohne Altersteilzeit
dies nur bei 36 Prozent der Fall war. Auch im öffentlichen Dienst ist der Personalab29
Dies., a. a. O., S. 110.
39
Arbeitnehmerkammer Bremen
bau in Dienststellen mit Altersteilzeit überdurchschnittlich hoch. Allerdings fällt in der
Personalrätebefragung der Unterschied nicht so deutlich aus wie in der Betriebsrätebefragung, da im öffentlichen Dienst auch in Dienststellen ohne Altersteilzeit in den
letzten Jahren viel Personal abgebaut wurde.“30
Die Vorruhestandsregelungen spielen eine besondere Rolle beim Personalabbau in
den Betrieben. Der Personalabbau über Vorruhestand spielt dabei in Betrieben mit
Altersteilzeit-Regelungen – im Vergleich zu Betrieben ohne Altersteilzeit-Regelung –
eine große Rolle. Daher wird Altersteilzeit häufig auch im Zusammenhang mit
Beschäftigungssicherung von den Betriebsräten genannt. Der Schluss liegt nahe, dass
vor allem Großbetriebe das Instrument der Altersteilzeit nutzen, um einen sozialverträglichen Personalabbau durchführen zu können.
„Von der Europäischen Kommission ist Deutschland (...) dafür gerügt worden, dass
der Ausgliederung älterer Arbeitnehmer faktisch Priorität eingeräumt wird gegenüber
Bemühungen, Ältere länger im Erwerbsleben zu halten. Allerdings ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass eine beträchtliche (...) Zahl der Arbeitnehmer ohne die
Altersteilzeit arbeitslos geworden wäre oder Formen der Frühverrentung (wie z. B. die
Erwerbsunfähigkeitsrente) genutzt hätte. Im Vergleich zu Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit ist Altersteilzeit – auch im Blockmodell – für ältere Arbeitnehmer
sicherlich die sinnvollere Alternative.“31
Tabelle 2: Entwicklung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge an die
Bundesanstalt für Arbeit (8/1996 – 12/2002)
seit
1.8.1996
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
1.213
7.226
13.202
22.450
38.879
49.953
54.080
187.003
– alte Bundesländer
– neue Bundesländer
883
330
5.475
1.751
10.163
3.039
18.214
4.236
33.234
5.645
42.751
7.202
46.454
7.626
157.174
29.829
bewilligte Anträge
544
6.062
11.443
19.781
34.623
46.188
49.480
168.121
– alte Bundesländer
– neue Bundesländer
367
177
4.449
1.613
8.890
2.553
15.889
3.882
29.818
4.805
39.424
6.764
42.191
7.289
141.038
27.083
gestellte Anträge auf
Vorabentscheidung
761
6.637
14.778
28.674
33.022
37.795
31.745
153.412
– alte Bundesländer
– neue Bundesländer
728
33
6.415
222
13.244
1.534
22.727
5.947
25.214
7.808
27.860
9.935
23.452
8.293
119.640
33.772
gestellte Anträge
Quelle: Daten der Bundesanstalt für Arbeit.
30
Dies., a. a. O., S. 111.
31
Dies., a. a. O., S. 111.
40
Arbeitnehmerkammer Bremen
Teil II
Nutzung der Altersteilzeit in Bremer Betrieben
Bremer Straßenbahn AG
Altersteilzeit: Weitergabe des Staffelholzes
Zielsetzung
Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat nach Einführung des Altersteilzeitgesetzes
(Aug. 1996) frühzeitig die Chance ergriffen, ihren Beschäftigten einen gleitenden
Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen. Bereits im Juni 1997 wurde von dem
Vorstand und dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit“ abgeschlossen. Die Änderungen des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000) wurden gleichfalls
zügig in einem „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ (März 2001) zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft ÖTV für die Bremer Straßenbahn AG
aufgenommen.
Das Unternehmen bemüht sich, den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten entgegenzukommen und gleichzeitig personalpolitische Ziele mit der Anwendung der Altersteilzeit zu erreichen. Weiterhin enthält die Unternehmensphilosophie eine beschäftigungspolitische Verantwortung für die Arbeitsmarktlage im Lande Bremen: Im
Rahmen eines betrieblichen „Bündnisses für Arbeit“ konnten – nicht zuletzt auf Basis
der Altersteilzeit-Vereinbarungen – viele Auszubildende übernommen und zusätzliche
Neueinstellungen vorgenommen werden.
Der Personalleiter und der Arbeitsdirektor der BSAG haben in ihrem Beitrag für das
Hattinger Forum „Neue Zeiten – neue Gewerkschaften“ (Febr. 2000) als Ziele des
Altersteilzeitmodells der BSAG formuliert:
„Verringerung der gesundheitlichen Belastungen im Schichtdienst durch Einführung
des Altersteilzeitmodells (76 % der Mitarbeiter arbeiten im Schichtdienst.)
Sicherung des Know-how-Transfers durch gleitenden Ausstieg aus dem Arbeitsleben.
Bevorzugt wurden von Anfang an individuelle Arbeitszeitmodelle. Das Blockmodell
wurde von Arbeitgeberseite aus gesundheitspolitischen Gründen eher nicht favorisiert.
Erweiterung des personalpolitischen Instrumentariums. In Einzelfällen soll die
Altersteilzeit zur Lösung von personalpolitischen Problemen (z. B. Fahrdienstuntauglichkeit bei gleichzeitiger Rentenablehnung) und zur Durchführung organisatorischer
Veränderungen genutzt werden.
Reduzierung der Personalkosten. Dieses Ziel kann erreicht werden, da im Zuge
tarifpolitischer Anpassungen als Folge erhöhten Wettbewerbs für Nahverkehrsunternehmen niedrigere Einstiegslöhne vereinbart wurden. (...) Gleichzeitig konnte durch
Neueinstellungen von Arbeitslosen und die Übernahmen von Auszubildenden die
Förderung des Arbeitsamtes in Höhe von 20 Prozent in Anspruch genommen werden.
41
Arbeitnehmerkammer Bremen
Förderung des Nachwuchses. Neben den sogenannten „normalen“ Arbeitnehmern
gingen auch Vorgesetzte bis hin zu stellvertretenden Abteilungsleitern (dritte Ebene
des Unternehmens) in Altersteilzeit. Aufgrund einer sogenannten Kettenbildung
konnten Auszubildende „nachrücken“ und Aufstiegschancen eröffnet werden.
Förderung der Beschäftigung in Bremen. Durch Einstellungen von Arbeitslosen und
Übernahmen von Auszubildenden konnte das Unternehmen – unter Beachtung der
Kostenneutralität – einen Beitrag zum Abbau der regionalen Arbeitslosigkeit leisten.“32
Beschäftigtenstruktur (1999 – 2002)
Ende 1999 waren bei der BSAG ca. 2.500 Mitarbeiter/innen beschäftigt (davon ca.
1.900 im Schichtdienst). Das Unternehmen ist bestrebt, insbesondere durch Nutzung
der Altersteilzeit, die hohen Anforderungen des Schichtbetriebes, insbesondere für die
älteren Beschäftigten, und den daraus resultierenden hohen Krankenstand zu vermindern. Ende 1999 waren 65 Prozent der Mitarbeiter/innen im Fahrdienst beschäftigt,
20 Prozent in den Werkstätten, 10 Prozent in der Verwaltung, 5 Prozent waren
Auszubildende/Praktikanten. Die große Mehrheit der Beschäftigten besteht aus
Lohnempfängern.
Eine Besonderheit der BSAG liegt in dem relativ hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten: In den Jahren von 1994 bis 1999 betrug die Teilzeit-Quote (ohne Altersteilzeit)
beständig ca. 16 Prozent, nach der Einführung der Altersteilzeit sind über 20 Prozent
der Mitarbeiter/innen insgesamt in Teilzeit (incl. Altersteilzeit) beschäftigt. Die
anfänglich hohe Nutzung der Altersteilzeit in Form individueller und flexibler Arbeitszeitmodelle, auf die noch näher eingegangen wird, erklärt sich u. a. auch dadurch,
dass selbst im Fahrdienst (mit einem komplizierten Schichtsystem) neben den
Vollzeitdiensten schon seit langem Teilzeitdienste mit unterschiedlichem Arbeitszeitumfang existieren. Sowohl die Personalabteilung und Fahrdienstplanung als auch
die Beschäftigten im Fahrdienst konnten demnach bei der Umsetzung der Altersteilzeit auf konkreten Erfahrungen mit unterschiedlichen Teilzeitmodellen aufbauen. Seit
dem neuen Tarifvertrag können nun auch Teilzeit-Beschäftigte in Altersteilzeit
wechseln.
32
Axel Kohfeldt, Hubert Resch, Das Staffelholz weitergeben – ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell, in:
M. Steinrücke, u. a., Neue Zeiten – neue Gewerkschaften, Berlin 2001, S. 85 f.
42
Tabelle 1:
Personalstruktur (1999 – 2002)
1999
Kategorien
Lohnempfänger
Angestellte
VZ
TZ
Azubis/
Stud.
VZ
TZ
2001
Azubis/
Stud.
VZ
TZ
2002
Azubis/
Stud.
VZ
TZ
1.492
379
1.446
377
1.417
341
1.375
332
337
22
345
20
340
24
343
29
ATZ-Mitarbeiter
157
43
Azubis
Studenten/Praktikanten
Summe
2000
1.829
558
143
144
Azubis/
Stud.
157
106
86
84
78
9
4
2
26
115
1.791
540
90
1.757
509
86 1.718
518
2.387
2.331
2.266
2.236
Mitarbeiterbestand gesamt
2.502
2.421
2.352
2.340
Arbeitnehmerkammer Bremen
Mitarbeiterbestand o. Azubis
104
600
543
558
540
500
389
395
518
509
468
412
400
407
401
397
365
361
300
420
44
200
389
395
412
100
136
157
143
144
157
1998
1999
2000
2001
2002
48
0
1994
1995
1996
1997
Teilzeitbeschäftigte
Beschäftigtenzahl jeweils zum 31.12.
(ohne Auszubildende)
Altersteilzeitbeschäftigte
Arbeitnehmerkammer Bremen
Abbildung 1: Entwicklung der Teilzeitarbeit bei der BSAG
Arbeitnehmerkammer Bremen
Anspruchsvoraussetzungen / Anspruchseinschränkungen
Die am 15. Juni 1997 in Kraft getretene „Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit“
wurde bis zum 31. Juli 2001 befristet. Der später abgeschlossene „Tarifvertrag über
Altersteilzeit“ trat am 1. Juli 2000 in Kraft, also zeitgleich mit dem 2. Gesetz zur
Fortentwicklung der Altersteilzeit, und wurde – entsprechend zur Ausdehnung der
Geltungsdauer dieses Gesetzes – bis zum 31. Dez. 2009 befristet.
Die Anspruchsvoraussetzungen in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) und im
Tarifvertrag (Juli 2000) entsprechen der jeweils aktuellen Gesetzeslage: Arbeitnehmer/innen, die das 55. Lebensjahr vollendet und noch keinen Anspruch auf Rente
haben, die innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 3 Jahre beitragspflichtig in
Vollzeit beschäftigt waren (Betriebsvereinbarung 1997) bzw. die – nach Einbeziehung
der Teilzeitbeschäftigten durch das 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in
Kraft ab 1. Jan. 2000) – innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 1080 Kalendertage (d. h. 3 Jahre) in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung standen (Tarifvertrag 2000). Während nach der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) allein die Vollzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der „tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ reduzieren konnten, so können nach Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten nunmehr alle Arbeitnehmer/innen ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der
„bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit“ (Tarifvertrag 2000) reduzieren.
Die Anspruchseinschränkungen bestehen im Ausschluss eines Rechtsanspruches auf
Altersteilzeit sowie in der Formulierung einer Überforderungsschutzklausel (5 %):
„Es besteht kein Rechtsanspruch auf Leistungen gemäß dieser Betriebsvereinbarung.
Es bedarf vielmehr sowohl der Zustimmung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters als
auch der Zustimmung der Personalabteilung. In strittigen Fällen entscheidet eine
paritätisch besetzte Kommission mit je zwei Vertretern des Arbeitgebers und des
Betriebsrates.
Bei einer Inanspruchnahme von über 5 % der Gesamtbeschäftigtenzahl des Unternehmens entscheidet der Arbeitgeber über die Vergabe weiterer Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse ohne Hinzuziehung der paritätischen Kommission.
Sollte diese 5 %-Grenze überschritten werden, haben die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter Vorrang, die einem früheren Geburtsjahrgang angehören. Bei gleichem
Geburtsjahrgang haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit Vorrang.“ (Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit, Juni 1997)
Im Tarifvertrag über Altersteilzeit (Juli 2000) wird ein Rechtsanspruch nicht explizit,
aber doch implizit ausgeschlossen: „Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines
Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende betriebliche Gründe
entgegenstehen.“ Gemäß diesem Tarifvertrag entscheidet der Arbeitgeber allein, ob
die Inanspruchnahme von Altersteilzeit die 5-Prozent-Grenze der Gesamtbeschäftigtenzahl des Unternehmens überschreiten darf. Jahrgangsbezogene AltersteilzeitQuoten werden weder in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) noch im Tarifvertrag
(Juli 2000) festgelegt.
45
Arbeitnehmerkammer Bremen
Aufstockungsleistungen
Die Aufstockung des Arbeitsentgelts nach Halbierung der bisherigen wöchentlichen
Arbeitszeit auf mindestens 85 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens bildet für die
Beschäftigten der BSAG ein finanziell akzeptables Altersteilzeitmodell.33
Diese 85 %-Garantie des bisherigen Nettoeinkommens war gemäß der anfänglichen
Beschränkung des Altersteilzeitgesetzes (Aug. 1996) auf Vollzeitbeschäftigte in der
Betriebsvereinbarung (Juni 1997) bereits formuliert worden:
„Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter erhält für die Dauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses Entgelt entsprechend der reduzierten tariflichen regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit. Zusätzlich zum tariflichen Entgelt erhält die Mitarbeiterin
oder der Mitarbeiter einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % des tariflichen
Entgelts für Altersteilzeit; mindestens aber 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die
bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Vollzeitarbeitsentgeltes.
Vollzeitarbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, das die/der altersteilzeitarbeitende
Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter für eine Arbeitsleistung bei tariflicher regelmäßiger
wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte, soweit es im jeweiligen Monat die
Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (...) nicht überschreitet.
Grundlage für die Berechnung des Vollzeitarbeitsentgeltes ist das in den letzten drei
abgerechneten Monaten vor Beginn des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses erzielte
beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt. Zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählen:
Funktionszulagen, soweit sie regelmäßig Bestandteil des Bruttoarbeitsentgeltes
darstellen, Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, soweit sie steuer- und
beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen, monatliche anteilige Weihnachts- und
Urlaubszuwendungen.“ (Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit, Juni 1997)
Diese 85 %-Garantie des bisherigen Nettoeinkommens ist gemäß der gesetzlichen
Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in den Kreis der Anspruchsberechtigten (Jan.
2000) im Tarifvertrag (Juli 2000) für die BSAG-Beschäftigten unabhängig von ihrem
Status als Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigte formuliert worden:
„Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für die Dauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses Entgelt entsprechend der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit.
Zusätzlich zum tariflichen Entgelt erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin einen
Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % des tariflichen Entgelts für Altersteilzeit;
mindestens aber 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern
33
Aufstockung des Arbeitsentgelts gemäß aktuellem Altersteilzeitgesetz: „Das Arbeitsentgelt muss
mindestens um 20 Prozent des für die Altersteilzeitarbeit gezahlten Bruttoarbeitsentgelts aufgestockt
werden. Die Aufstockung muss mindestens so hoch sein, dass der Arbeitnehmer dadurch 70 Prozent
des pauschalierten Nettoarbeitsentgelts erhält, das er erhalten würde, wenn er seine Arbeitszeit nicht
im Rahmen der Altersteilzeit vermindert hätte. (...) Die Leistungen des Arbeitgebers sind von Steuern
und Sozialabgaben freigestellt, die Aufstockungsbeträge unterliegen allerdings – wie das Arbeitslosengeld, die Arbeitslosenhilfe und die übrigen Lohn- und Einkommensersatzleistungen – dem
Progressionsvorbehalt.“ BMAS, Altersteilzeit ab 55, a. a. O., S. 9 (Stand: Jan. 2002).
46
Arbeitnehmerkammer Bremen
gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Entgeltes.
Bisheriges Entgelt ist das Arbeitsentgelt, das der/die altersteilzeitarbeitende Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit vor der Altersteilzeit zu beanspruchen hätte, soweit es im jeweiligen Monat die
Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung nicht überschreitet.
Grundlage der Berechnung für das Altersteilzeitentgelt ist bei bislang vollbeschäftigten
Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen das in den letzten drei Monaten vor Beginn des
Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses erzielte bisherige beitragspflichtige Bruttoentgelt
ohne Berücksichtigung von Überstunden; bei bislang teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen wird das zugrunde zulegende Bruttoentgelt auf der Basis des
Stundendurchschnitts der letzten 24 Monate (...) ermittelt.“ Zum beitragspflichtigen
Arbeitsentgelt zählen gemäß Tarifvertrag (Juli 2000) weiterhin die schon in der
Betriebsvereinbarung (Juni 1997) aufgeführten Zulagen und Zuwendungen.
Die vom Personalleiter und vom Arbeitsdirektor der BSAG aufgestellte Abbildung zeigt
anschaulich, wie sich die 85 %-Garantie des Nettoeinkommens – am Beispiel eines
Vollzeitbeschäftigten – sowohl von der finanziellen Belastung für das Unternehmen
(vgl. Abbildung 2) als auch für die Höhe des Arbeitnehmereinkommens darstellt.
„Das fiktive Vollzeitnetto wird ermittelt aus dem durchschnittlichen Entgelt der letzten
drei abgerechneten Monate ohne Überstunden und ohne steuerfreie Zuschläge sowie
je ein Zwölftel des tariflichen Weihnachtsgeldes und des Urlaubsgeldes. Hinzu
kommen 20 % Aufstockungsbeiträge durch das Arbeitsamt und die zusätzliche,
maximal 15%ige Aufstockung durch das Unternehmen bis auf 85 % des VollzeitNettoentgelts.“34
Abbildung 2: Akzeptable 85 %-Einkommensgarantie (BSAG)
BSAG-Aufstockung bis 85 %
des Vollzeit-Netto (max. 15 %)
Entspricht
85 % des
fiktiven
Vollzeit-NettoEinkommens
20 % Aufstockung*
vom 50 %-ATZ-Brutto
50 % des Vollzeitlohns
für geleistete
Altersteilzeitarbeit
(unterliegt der SV
und der Lohnsteuer)
*bei Wiederbesetzung Erstattung durch die Bundesanstalt für Arbeit
34
A. Kohfeldt, H. Resch, Das Staffelholz weitergeben – ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell,
a. a. O., S. 89.
47
Arbeitnehmerkammer Bremen
Betriebsrente und Rentenabschläge
Entsprechend der gesetzlichen Regelung entrichtet die BSAG zusätzliche Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung auf Basis von 90 Prozent des bisherigen Arbeitsentgeltes (maximal bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung). Im Falle der Wiederbesetzung erstattet das Arbeitsamt der BSAG gemäß der
gesetzlichen Regelung die zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge (40 %).
Ein Ausgleich der Rentenabschläge für die davon bereits betroffenen Geburtsjahrgänge
ist bei der BSAG nicht vorgesehen. Von der Personalleitung wurde eine Kompensation
für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand nach Altersteilzeitarbeit aus
Kostengründen nicht ins Auge gefasst. Die Beschäftigten erhalten vom Unternehmen
aber eine Betriebsrente („betriebliches Ruhegeld“). Sie können in Altersteilzeit gehen
und Rentenabschläge anschließend in Kauf nehmen, weil sie zusätzlich zur gesetzlichen Rente noch das „betriebliche Ruhegeld“ beziehen.
Nach Darstellung der Personalverantwortlichen werden die Rentenabschläge bei
längerer Betriebszugehörigkeit durch die Betriebsrente vollständig ausgeglichen: „Die
Mitarbeiter, die die Altersteilzeit nutzten, wurden in ihrer Entscheidung positiv
beeinflusst, da sie mit Beginn der Altersrente eine zusätzliche Betriebsrente beziehen.
Diese Betriebsrente konnte die entstandenen Rentenabschläge ausgleichen. So kann
z. B. nach 25 Jahren ein Fahrdienstmitarbeiter rd. 545 DM, ein Werkstattmitarbeiter
rd. 540 DM, ein kaufmännischer Angestellter rd. 592 DM Ruhegeld beziehen. Der
Rentenverlust in der gesetzlichen Rentenversicherung von bis zu 450 DM im Monat
wurde dadurch ausgeglichen.“35
Nach dem „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ werden den BSAG-Beschäftigten die
während der Altersteilzeit-Phase sich ergebenden Leistungen der „Ruhegeldkasse“
nicht gemäß der halbierten wöchentlichen Arbeitszeit ermittelt, sondern auf rund zwei
Drittel aufgestockt: „Das betriebliche Ruhegeld eines bisher vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin in Altersteilzeit wird für den Zeitraum der
Altersteilzeit mit dem Faktor 0,65 ermittelt. Bei der Ruhegeldberechnung für bisher
teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen wird der sich bei Beginn der
Altersteilzeit (...) ergebende Teilzeitfaktor ermittelt. Dieser Beschäftigungsgrad wird für
die Altersteilzeitjahre ebenfalls mit dem Faktor 0,65 bewertet.“ (Tarifvertrag über
Altersteilzeit, Juli 2000)
Dauer der Inanspruchnahme und Form der Altersteilzeit
(Betriebsvereinbarung/Tarifvertrag)
Die maximale Dauer der Inanspruchnahme von Altersteilzeit ist von der BSAG auf die
jeweilige Förderhöchstdauer durch das Arbeitsamt (Erstattungsleistungen im Fall der
Wiederbesetzung) beschränkt worden, also auf fünf Jahre in der Betriebsvereinbarung
35
A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 88.
48
Arbeitnehmerkammer Bremen
(Juni 1997), seit der gesetzlichen Verlängerung der Förderhöchstdauer von fünf auf
sechs Jahre (1. Juli 2000) im Tarifvertrag (1. Juli 2000) gleichfalls auf 6 Jahre.
Während die Laufzeit der Betriebsvereinbarung bis zum 31. Juli 2001 befristet war,
wurde mit der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes (seit 1. Juli
2000 in Kraft) im Tarifvertrag die Laufzeit parallel zum Gesetz bis zum 31. Dez.
2009 befristet (gleichfalls seit 1. Juli 2000 in Kraft). Diejenigen AltersteilzeitArbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Juli 2000 vereinbart worden sind, bleiben in
Bezug auf die Dauer (5 Jahre) allerdings bestehen, eine nachträgliche Erhöhung auf
sechs Jahre wird im „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ ausgeschlossen.
Die Betriebsvereinbarung (Juni 1997) enthielt nicht die Möglichkeit, Altersteilzeit in
Form des Blockmodells zu wählen. Seit August 1999 gibt es einen Haustarifvertrag,
der die Blockung der Altersteilzeit in einem Fünf-Jahres-Zeitraum zulässt. Der am 1.
Juli 2000 in Kraft getretene Tarifvertrag über Altersteilzeit ersetzt diesen Haustarifvertrag (Aug. 1999). Die Änderung dieser Rahmenbedingung ist ein zentraler Faktor
für die Abkehr vieler Beschäftigter, die in Altersteilzeit gehen, vom Teilzeit- zum
Blockmodell (seit 1. Juli 2000 im 6-Jahres-Zeitraum möglich).
Im gültigen Tarifvertrag (Juli 2000) wird den BSAG-Beschäftigten die Wahlmöglichkeit zwischen Teilzeit- und Blockmodell angeboten: „Einzelvertraglich können alle
Formen von Arbeitszeitmodellen in Altersteilzeit vereinbart werden. Maximal kann
vereinbart werden, dass die während der Gesamtdauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses anfallende Arbeitszeit in einem Zeitraum bis zu sechs Jahren so
verteilt wird, dass sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses
geleistet und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin anschließend von der Arbeit unter
Fortzahlung entsprechender Bezüge freigestellt wird (Blockarbeitszeitmodell).“ Das
Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis muss mindestens für die Dauer von zwei Jahren
vereinbart werden und darf die Dauer von sechs Jahren nicht überschreiten.
Inanspruchnahme der Altersteilzeit (Umfang)
Nach der Einführung der Altersteilzeit (Mitte 1997) waren Ende 1997 erst 48
Beschäftigte in Altersteilzeit, Ende 1998 bereits 136 und Ende 1999 schon 157
Beschäftigte; Ende 2000 und Ende 2001 war die Anzahl der Beschäftigten in
Altersteilzeit etwas geringer, sie erreichte jedoch mit 157 Beschäftigten Ende 2002
wieder das Niveau von Ende 1999. (vgl. Abbildung 1).
Im Februar 2000 lagen insgesamt 278 Anträge auf Altersteilzeit vor: 52 Mitarbeiter/innen waren nach Altersteilzeitarbeit bis Ende Januar 2000 bereits in Rente
gegangen36, 157 Mitarbeiter/innen befanden sich im Febr. 2000 in Altersteilzeitarbeit
36
Da 48 Beschäftigte sich Ende 1997 in Altersteilzeit befanden, 52 Beschäftigte Ende Jan. 2000
nach Altersteilzeit bereits im Ruhestand waren, muss dieser Personenkreis weitgehend die Mindestdauer von zwei Jahren Altersteilzeit für den Bezug der Altersrente nach Altersteilzeit in Anspruch
genommen haben (vorzeitiger Ruhestand).
49
Arbeitnehmerkammer Bremen
und 69 Mitarbeiter/innen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Anträge auf AltersteilzeitArbeitsverhältnisse gestellt (Beginn noch bis zur damaligen Geltungsdauer des
Altersteilzeitgesetzes: Juli 2004).
Eine wesentliche Voraussetzung für die hohe Nachfrage der Beschäftigten nach
Altersteilzeit wie auch für die Umsetzung der Altersteilzeit durch das Unternehmen
war die vorhandene Altersstruktur im Unternehmen. Altersteilzeit kann nur dann
angewandt werden, wenn genügend Beschäftigte in der entsprechenden Altersgruppe
vorhanden sind. Bei dem Abschluss der Altersteilzeit-Betriebsvereinbarung waren
Mitte 1997 rund 720 Mitarbeiter/innen der BSAG in der Altersgruppe, die bis Mitte
2004 Altersteilzeit in Anspruch nehmen konnte (Juli 2004 = 55 Lebensjahre, d. h.
Geburtsjahrgänge bis Juli 1949).
Mit der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes von Ende Juli 2004
bis Ende Dez. 2009 (in Kraft seit 1. Juli 2000) wurde nicht nur die Beschäftigungswirksamkeit des Gesetzes erhöht, sondern auch der Planungshorizont für die Personalabteilung und die Beschäftigten wesentlich erweitert.
Durch die Verlängerung des Altersteilzeitgesetzes bis zum Ende dieses Jahrzehnts hat
sich der Kreis der Anspruchsberechtigten auf ca. 1000 BSAG-Beschäftigte erhöht. Die
Personalleitung schätzt, dass ca. 700 Beschäftigte insgesamt die Altersteilzeit in
Anspruch nehmen werden. Förderleistungen des Arbeitsamtes können für die Zeit ab
1. Jan. 2010 nur dann noch erbracht werden, wenn die Arbeitnehmer/innen mit der
Altersteilzeitarbeit vor diesem Stichtag beginnen. Somit kann auf Basis der 6-jährigen
Förderhöchstdauer ein am 15. Dez. 2009 begonnenes Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis
sich noch bis zum 15. Dez. 2015 erstrecken. Wie die Personalplanung der BSAG
zeigt, liegen bereits gegenwärtig (Stand: Mai 2002) zahlreiche Altersteilzeitanträge
vor, die noch nach dem Jahr 2010 wirksam werden (vgl. Tabelle 3: Zeitraum 1997 –
2015).
Die Personalabteilung ermittelt gleichfalls, wie viele Beschäftigte in welchem Jahr ihr
Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis mit der BSAG beenden (vgl. Tabelle 2): Bereits auf
Basis der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) sind 165 Beschäftigte bis Ende 2002 in
den Ruhestand gegangen. Diese Tabelle enthält nicht die Beschäftigten, die gemäß
Blockmodell nach Abschluss der Arbeitsphase mit Beginn der Freistellungsphase
faktisch den Betrieb verlassen, aber rechtlich noch Beschäftigte sind, sondern
ausschließlich Personen, deren Beschäftigungsverhältnis mit dem Betrieb endet
(Ausscheiden über Altersteilzeit in die Rente). Die Zahl der auf diese Weise in den
Ruhestand gegangenen Mitarbeiter/innen könnte bei Inanspruchnahme der Mindestdauer von Altersteilzeit (2 Jahre) seit Inkrafttreten des Tarifvertrages (Juli 2000)
inzwischen sogar noch höher ausfallen.
Wie die Aufgliederung der Beschäftigten, die nach Ende ihres AltersteilzeitArbeitsverhältnisses in den Ruhestand wechseln, nach Funktionsbereichen zeigt (vgl.
Tabelle 2), sind es keineswegs nur die im Fahrdienst Beschäftigten, deren belastende
Tätigkeit als Bus- oder Straßenbahnfahrer im Schichtdienst von der Personalleitung
50
Arbeitnehmerkammer Bremen
als Begründung für die hohe Inanspruchnahme von Altersteilzeit hervorgehoben wird,
die mit Hilfe der Altersteilzeit in den Ruhestand gegangen sind oder noch gehen
werden. Die 130 Beschäftigten aus dem Fahrdienst bilden 45 Prozent der 290
Beschäftigten, die ihr Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis bei der BSAG bereits beendet
haben oder noch beenden werden (Stand: 31. Mai 2000). Bei der bis zum Jahr 2015
inzwischen reichenden Projektion werden aus dem Fahrdienst 210 Beschäftigte ein
Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis beendet haben oder noch beenden (von insgesamt 513
bereits beantragten Altersteilzeit-Arbeitsverhältnissen demnach 41 Prozent). Der
Fahrdienst enthält im übrigen auch Angestellte im Schichtdienst.
Auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer Bremen (Mai 2002) „Altersteilzeit und
Personalpolitik“ wurde vom Personalleiter die folgende Bilanz gezogen (Stand: April
2002): Insgesamt lagen bis zu diesem Zeitpunkt bei der BSAG 413 Altersteilzeitanträge vor; von diesen Beschäftigten befanden sich bereits 153 in Rente, 147 waren
zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit aktuell beschäftigt und 113 Mitarbeiter hatten für
die Zukunft Altersteilzeitverträge abgeschlossen, die noch beginnen werden. Von Mitte
1997 bis Ende 2009 können aufgrund des Altersaufbaus theoretisch 1050 Mitarbeiter/innen Altersteilzeitverträge abgeschlossen haben – die gesamte Inanspruchnahme
(Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) wird vom Personalleiter auf ca. 700 Personen
geschätzt, das wären zwei Drittel aller Anspruchsberechtigten. Bisher (April 2002)
haben ca. 40 Prozent aller theoretisch Anspruchsberechtigten (Mitte 1997 – Ende
2009) bei der BSAG bereits Altersteilzeit-Arbeitsverträge abgeschlossen – in der Tat
ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell mit hoher Resonanz bei den Beschäftigten!
Die in den letzten Jahren jeweils aktuell in Altersteilzeit Beschäftigten machen 7 bis 8
Prozent der gesamten Belegschaft aus, d. h. die Überforderungsschutzklausel des
Tarifvertrages (5 %) wird vom Arbeitgeber nicht beansprucht (Freiwilligkeitsvorbehalt). In der Praxis werden alle Altersteilzeitanträge vom Arbeitgeber genehmigt. Die
Notwendigkeit, vielleicht im Laufe dieses Jahrzehnts die Überforderungsschutzklausel
noch beanspruchen zu müssen, wird vom Personalleiter zurzeit aufgrund der Personalplanung nicht gesehen:
„Der Arbeitgeber kann Anträge ablehnen, wenn fünf Prozent der Beschäftigtengesamtzahl erreicht sind. Wir sind laufend über fünf Prozent, wir sind immer bei sieben/acht
Prozent, von der 5-Prozent-Klausel haben wir bisher noch nicht Gebrauch gemacht.“
51
52
Altersteilzeit bis
07.05.2003
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Ergebnis BSAG
Ergebnis Delbus
Gesamtergebnis
Angestellte
3
15
12
12
2
8
8
6
6
8
10
6
1
6
5
1
4
113
2
115
Fahrdienst
inkl. Hofdienst
15
21
29
10
13
7
16
11
15
7
18
6
12
5
2
3
8
198
12
210
Sonstige
2
3
5
3
1
4
3
2
1
1
5
1
1
1
3
36
36
Werkstatt
1
12
5
6
6
6
5
9
6
7
8
10
7
7
2
7
4
11
119
1
120
Teilzeit
3
2
4
1
4
7
3
1
1
1
1
1
29
3
32
Gesamtergebnis
4
44
41
52
24
28
26
38
26
35
33
42
16
27
14
10
11
24
495
18
513
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 2: Entlassungsjahrgänge bei den beantragten Altersteilzeit-Arbeitsverhältnissen (Stand: 7.5.2003)
Arbeitnehmerkammer Bremen
Vom Teilzeit- zum Blockmodell: Praktizierte Formen der Altersteilzeit
Die Betriebsvereinbarung (Juni 1997) enthielt nicht die Möglichkeit, das Blockmodell
zu wählen. Das Blockmodell wurde ursprünglich von den Betriebsvertragsparteien aus
gesundheitspolitischen Gründen nicht favorisiert. Die aus dem Schichtdienst resultierenden gesundheitlichen Belastungen sollten durch die Einführung der Altersteilzeit in
Form des Teilzeitmodells verringert werden. Damit entsprach die Zielsetzung der
Betriebsvereinbarung der ursprünglichen Intention des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz
zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“). Wegen dieser Umsetzung der Altersteilzeit, die mit einer Vielfalt von individuellen und flexiblen Arbeitszeitmodellen verbunden war, fand das BSAG-Modell auch über die Region Bremen
hinaus Beachtung.
„Da die Bremer Straßenbahn AG als Nahverkehrsunternehmen eine große Erfahrung
mit flexiblen Schichtplanmodellen hat, konnten die Wünsche der Mitarbeiter – unter
Berücksichtigung der betrieblichen Belange – in die Zeitplanungen einbezogen
werden. (...) Diese individuellen, flexiblen Modelle sind unserer Ansicht nach ein
wichtiger Grund für die erfolgreiche Einführung des Altersteilzeitmodells.“37
37
A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 89.
53
Tabelle 3: Vom Teilzeit- zum Blockmodell – Entwicklung der Altersteilzeit bei der BSAG nach Jahren
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Blockmodell
0
0
8
57
96
116
121
121
121
105
98
73
56
44
37
21
14
10
5
prozentual
0
0
4,3
30,0
49,2
63,4
66,1
73,8
76,1
78,4
79,0
81,1
82,3
89,8
94,9
95,4
93,3
90,9
100
48
144
179
133
99
67
62
43
38
29
26
17
12
5
2
1
1
1
0
100
100
95,7
70,0
50,8
36,6
33,9
26,2
23,9
21,6
21,0
18,9
17,7
10,2
5,1
4,6
6,7
9,1
0
48
144
187
190
195
183
183
164
159
134
124
90
68
49
39
22
15
11
5
Teilzeit-Modell
54
prozentual
Summe
Die Zeilensummen können nicht kumuliert werden – mit Blick auf die Anzahl der Beschäftigten, die entweder das Block- oder das Teilzeitmodell wählen, da eine Person mit einer mehrjährigen Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses in dieser Statistik in mehreren Jahren als Fall
auftaucht.
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Statistik umfasst drei Kategorien von Altersteilzeit-Beschäftigten:
1) Beschäftigte, die nach Altersteilzeit im jeweiligen Jahr aus dem Betrieb ausscheiden,
2) Beschäftigte, die sich im jeweiligen Jahr aktuell in Altersteilzeit befinden,
3) Beschäftigte, die für das jeweilige Jahr einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt haben
(Personalstatistik der BSAG/Mai 2002).
Schaubild 1: Block- und Konti-Modell bei der BSAG
ausgeschiedene & aktive ATZ-Mitarbeiter
200
180
160
140
55
120
100
80
60
20
0
1997
1998
1999
Blocker
2000
2001
2002
2003
2004
kontinuierlich
2005
2006
2007
2008
Arbeitnehmerkammer Bremen
40
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 4: Praktizierte Altersteilzeit-Modelle (Febr. 2000)
absolut
%
34
22
8
5
72
46
Teilzeitmodell: 2 Wochen Arbeit / 2 Wochen Freizeit
8
5
Teilzeitmodell: 4 Wochen Arbeit / 4 Wochen Freizeit
11
7
Teilzeitmodell: 3 Tage/Woche Arbeit (Verwaltung)
16
10
8
5
157
100
Blockmodell: 1 Jahr Vollzeit / 1 Jahr Freistellung
Blockmodell: 2 ½ Jahre Vollzeit / 2 ½ Jahre Freistellung
Teilzeitmodell: 1 Woche Arbeit / 1 Woche Freizeit (davon
54 Beschäftigte im Fahrdienst: „6 Tage arbeiten – 8 Tage frei“)
Restl. Teilzeitmodelle (3-, 5-, 6-, 8-Wochen-Wechsel)
Die Beschäftigten, die das zweijährige Blockmodell (1 Jahr Arbeitsphase/1 Jahr
Freistellung) gewählt haben (22 %), waren bereits ältere Beschäftigte, die mit Hilfe
der Altersteilzeit sobald wie möglich in den vorzeitigen Ruhestand wechseln wollten.
Die Rentenabschläge, die bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente nach
Altersteilzeitarbeit mit 60 Jahren anfallen, waren wegen der schrittweisen Anhebung
der Altersgrenze in den Jahren 1997 – 2001 (Jahrgänge 1937 – 1941) für die
älteren Jahrgänge noch vergleichsweise gering. Einige Beschäftigte konnten zudem
noch von der Vertrauensschutzregelung (45 Jahre Pflichtbeitragszeiten/vor Jahrgang
1942) profitieren (Altersrente für langjährig Versicherte mit 60 Jahren ohne Rentenabschläge).
Bei diesen Personen spielten also nicht die Rentenabschläge die entscheidende Rolle,
sondern die gesundheitliche Verfassung, um „früher aufzuhören“:
„Die fragen sich: Wie fühle ich mich? Wie gesund bin ich noch? Weil, unser größtes
Klientel ist einfach der Fahrdienst. Und man kann sich vorstellen, wenn die 25 und
mehr Jahre hier gefahren sind, dann sind die manchmal gesundheitlich wirklich am
Ende, so dass sie sagen: „Ich möchte möglichst schnell aufhören, ich möchte das
beenden.“ Und dazu nutzen die dann das Blockmodell.“ (für Altersteilzeit zuständige
Referentin der Personalabteilung)
Nicht ganz die Hälfte der „Altersteilzeiter“ (46 %) befand sich im Februar 2000 im
wöchentlichen Rhythmus des Wechsels von voller Arbeit und voller Freizeit, wobei die
Beschäftigten im Fahrdienst aus arbeitsorganisatorischen Gründen (Schichtpläne) das
Muster „6 Tage arbeiten – 8 Tage frei“ praktizierten. Die älteren Beschäftigten bleiben
innerhalb des Schichtsystems im Fahrdienst zudem von den arbeitszeitlichen Sonderformen der Nachtdienste und Sonntagsdienste verschont.
56
Arbeitnehmerkammer Bremen
„Wir erleben auch in den Gesprächen, wenn wir die Leute verabschieden, da sitzen
immer, sagen wir mal, der Betriebsratsvorsitzende, der Personalchef, der zuständige
Vorgesetzte und der Betroffene zusammen, und dann hören wir, dass dieses 6 Tage/8
Tage-Modell, was das kontinuierliche Modell im Fahrdienst schlechthin ist, dass
dieses Modell bei den Leuten unheimlich gut ankommt. Die es machen und gemacht
haben, sind echt froh, weil sie dadurch erleben, ich komme hier mal eine Woche,
habe dann eine Woche frei und dann arbeite ich wieder eine Woche, ich komme hier
so Stück für Stück raus in den Ruhestand. Und die fühlen sich dabei auch wohl!“
(Personalleiter) Bei der BSAG wird das Teilzeitmodell der Altersteilzeit als „kontinuierliches Modell“ bezeichnet. Auch wenn gegenwärtig (seit 2002) mehr Beschäftigte
sich gegen das Teilzeitmodell und für das Blockmodell in der Altersteilzeit entscheiden, praktiziert immer noch ein erheblicher Anteil der „Altersteilzeiter“ den wöchentlichen Wechsel von voller Arbeit und voller Freizeit: „Es gibt natürlich weiterhin diese
kontinuierlichen Modelle. Bei dem Fahrdienst gibt es eben auch noch immer Leute,
die sich entscheiden: 6 Tage/8 Tage, also 6 Tage fahren, 8 Tage frei. Das halten wir
als Arbeitgeber auch weiterhin für die beste Lösung.“ (Personalleiter)
Ein nicht unerheblicher Anteil der „Altersteilzeiter“ (17 %) hat darüber hinaus im
Februar 2000 einen Wechsel von voller Arbeit und voller Freizeit praktiziert, welcher
über den Rhythmus einer Woche hinausgeht (2/3/4 und mehr Wochen Arbeit im
Wechsel mit 2/3/4 und mehr Wochen Freizeit).
Im Februar 2000 waren erst 27 Prozent aller „Altersteilzeiter“ gemäß dem Blockmodell bei der BSAG beschäftigt, Ende 2000 hatten bereits 30 Prozent das Blockmodell
gewählt. Als mit dem Tarifvertrag (seit 1. Juli 2000 in Kraft) die Möglichkeit geschaffen wurde, auch die „verblockte“ Altersteilzeit zu wählen, wurde das Blockmodell zunehmend von den Beschäftigten gewählt: Im Jahre 2001 hielten sich die
beiden Varianten der Altersteilzeit noch die Waage, im Jahre 2002 überwog bereits
(mit nicht ganz zwei Dritteln) das Blockmodell (Jahr 2003: zwei Drittel).
Allerdings muss bei dieser Statistik der BSAG zur Entwicklung der Altersteilzeit
berücksichtigt werden, dass diese nach Jahren gegliederte Statistik (vgl. Tabelle 3)
drei unterschiedliche Kategorien von „Altersteilzeitern“ pro Jahr zusammenfasst: (1)
Beschäftigte, die nach Altersteilzeit im jeweiligen Jahr aus dem Betrieb ausscheiden,
(2) Beschäftigte, die sich im jeweiligen Jahr aktuell in Altersteilzeit befinden, (3)
Beschäftigte, die für das jeweilige Jahr bereits einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt
haben.
Motive für die Wahl des Teilzeit- oder Blockmodells
Um die Motive der Beschäftigten für die zunehmende Wahl des Blockmodells in
Erfahrung zu bringen, müssten diese eigentlich selbst befragt werden. Gleichwohl
haben die Gespräche mit der Personalleitung und dem Betriebsratsvorsitzenden einige
Anhaltspunkte für die veränderte Motivation der Beschäftigten ergeben. Eine große
Rolle spielt dabei die Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit
dem Lebensalter, in dem die Beschäftigten faktisch ihre Berufstätigkeit beenden
57
Arbeitnehmerkammer Bremen
können. Während beim Teilzeitmodell faktisches und rechtliches Austrittsalter
zusammenfallen, fallen beim Blockmodell faktisches und rechtliches Austrittsalter
auseinander. In Verbindung mit den Rentenabschlägen, die nunmehr die Beschäftigten ab Jahrgang 1942 (ohne Vertrauensschutz) zu gewärtigen haben (18 %), nehmen
die Beschäftigten im Blockmodell eine Lebensplanung für den Zeitpunkt ihres
tatsächlichen Ausscheidens aus dem Betrieb vor, welche gleichzeitig die Höhe der
Rentenabschläge beim späteren rechtlichen Ausscheiden mit berücksichtigt.
„Es ist festzustellen, dass die Mitarbeiter mittlerweile zunehmend das Blockmodell
favorisieren, da es dadurch möglich ist, mit 60 Jahren nicht mehr im Schichtdienst
tätig zu sein und trotzdem den Rentenverlust zu begrenzen. Die Mitarbeiter gehen
zunehmend dazu über, mit 57,5 Jahren die Altersteilzeit zu beginnen, zweieinhalb
Jahre zu blocken und ab 60 in den Freizeitblock zu gehen, um somit mit 62,5 Jahren
Rente zu erhalten.“38
Diese Anfang 2000 von den Personalverantwortlichen formulierte Feststellung
bestätigt unsere Aussage, dass sich die Zahl „60“ als magische Zahl für das – in
diesem Falle: tatsächliche – Ausscheiden aus dem Berufsleben etabliert hat. Die
Streckung der Altersteilzeit auf die Lebensphase 57 ½ – 62 ½ gemäß dem Blockmodell ermöglicht es den Beschäftigten, mit 60 Jahren faktisch die Berufstätigkeit zu
beenden. Das durchschnittliche Lebensalter der „Altersteilzeiter“ beim Übergang in
den Ruhestand betrug bei diesen BSAG-Beschäftigten im Jahre 1998 etwa 60 ½
Jahre (durchschnittliche Dauer des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses = 3,2 Jahre), im
Jahre 2000 etwa 61 ½ Jahre (durchschnittliche Laufzeit = 4 Jahre) und im Jahre
2002 etwa 62 ½ Jahre (durchschnittliche Laufzeit = ca. 5 Jahre).
Wegen der Verlängerung der Förderhöchstdauer von 5 auf 6 Jahre (seit 1. Juli 2000
in Kraft) können nunmehr die Beschäftigten die Dauer der Altersteilzeit-Phase noch
weiter strecken und damit auch die Rentenabschläge (1 Jahr = 3,6 %) etwas
mindern. Eine bedeutende Rolle spielt bei dieser Kalkulation natürlich auch die
Betriebsrente als Kompensation für die Rentenabschläge.
„Es ist bei uns nie so gewesen, dass da die Rentenabschläge kompensiert worden
sind. Unser betriebliches Ruhegeld, das es schon immer gab, hat nur dazu geführt,
dass die Arbeitnehmer leichter sagen konnten: „OK, ich gehe in Altersteilzeit und
nehme die Rentenabschläge in Kauf.“ (...) Jetzt, wo die Möglichkeit besteht, die
Blockung, sagen wir mal, vom 57. bis zum 63. Lebensjahr zu ziehen, und der
Mitarbeiter trotzdem mit 60 ausscheiden kann, das nutzt er dann natürlich. Bei dem
Konti-Modell kann er das ja eher nicht, da müsste er ja, wenn er das auf sechs Jahre
macht, sagen wir mal, mit 55 anfangen und bis 61 arbeiten, hat dann aber die
Rentenabschläge noch, 2 Jahre mehr bei den Rentenabschlägen.“ (Personalleiter, Mai
2002)
38
A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 89 f.
58
Arbeitnehmerkammer Bremen
Im Güterkalkül werden offenbar das Ausmaß der Rentenabschläge (rechtliches
Austrittsalter) und – gemäß Blockmodell oder Konti-Modell – der jeweilige Zeitpunkt
des Abschieds vom Arbeitsleben (faktisches Austrittsalter) gegeneinander abgewogen.
Unterstellt man die gleiche Laufzeit der Altersteilzeit-Phase (57. bis 63. Lebensjahr),
so dass die gleichen Rentenabschläge (7,2 %) anfallen, und vergleicht man Blockund Konti-Modell hinsichtlich des Zeitpunkts des faktischen Ausscheidens aus dem
Betrieb, dann beendet der Arbeitnehmer im „Blockmodell“ schon mit 60 Jahren die
Berufstätigkeit, der Arbeitnehmer im „Konti-Modell“ dagegen erst mit 63 Jahren.
Offenbar ist dieser Zeitpunkt des „Abschieds vom Arbeitsleben“ für die Beschäftigten
wichtiger als der Umstand, im Blockmodell immerhin drei Jahre voll arbeiten zu
müssen, während der Beschäftigte im „Konti-Modell“ seine Sollarbeitszeit auf 6 Jahre
verteilen kann.
Abbildung 3: Block- und Teilzeitmodell (57 – 63 Jahre)
57
volle Arbeit
BLOCKMODELL
60
volle Freizeit
RENTENANSPRUCH
63
65
7,2 % Abschlag
24 Monate
57
TEILZEITMODELL
halbe Arbeit / halbe Freizeit
RENTENANSPRUCH
63
65
7,2 % Abschlag
24 Monate
Die Verlängerung der Altersteilzeit-Phase von fünf auf sechs Jahre (Juli 2000) hat
zudem dazu geführt, dass der Beginn der Altersteilzeit-Phase um ein Jahr nach vorne
gezogen wird, um über das Blockmodell möglichst noch früher das Arbeitsleben
beenden zu können. Während im Jahre 2000 die „Altersteilzeiter“ im Blockmodell im
Durchschnitt das Muster „57 ½ – 59 ½ – 61 ½“ praktizierten, hat sich im Jahre
2002 bei den „Blockern“ folgendes Muster etabliert: „56 – 59 – 62“.
„Ich führe die Beratungsgespräche, und ich kann sagen, wer so weit seine finanzielle
Situation zu Hause geklärt hat, wo vielleicht eine Frau mitgearbeitet hat, der entscheidet sich meistens mit 61 bzw. 62, bei uns ganz auszuscheiden. Das ist im
Moment die Tendenz. (...) Die kriegen dann schon mit 62 ihre Rente.“ (für Altersteilzeit zuständige Referentin der Personalabteilung)
Einige „Blocker“ praktizieren sogar das Muster „55 – 58 – 61“: „Dadurch, dass jetzt
die Möglichkeit gegeben ist, Blockungen zu machen über Tarifvertrag, sagen die
Neuen: „Nein, ich will lieber früher aufhören, fange mit 55 an, mache drei Jahre
Arbeit noch voll, und dann bin ich weg.“ (Personalleiter) Zielpunkt dieser Orientierung
ist demnach das frühe tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb, das häufig mit
59
Arbeitnehmerkammer Bremen
positiven Erwartungen an den vorzeitigen Ruhestand verbunden wird: „Es gibt auch
viele, die sich im Nachhinein etwas vorgenommen haben. Ich finde, die sind immer
aktiver geworden, die älteren Mitarbeiter. Das heißt, die haben sich vorgenommen,
nach Spanien zu ihrem Häuschen zu gehen oder Hobbys zu verwirklichen. Das höre
ich im Moment ganz viel. Also, da hat sich scheinbar auch irgendwas getan bei
unseren Mitarbeitern." (für Altersteilzeit zuständige Referentin der Personalabteilung)
Im Oktober 2001 wurden im Auftrage der BSAG vom Hamburger Soziologen Jürgen
Prott (HWP) 89 der 138 „Altersteilzeiter“ schriftlich und 23 von ihnen nochmals
intensiv befragt. Ergebnisse dieser Befragung wurden in einer Sonderausgabe (März
2002) der Betriebszeitung der Bremer Straßenbahn AG veröffentlicht.
Die Sorge um die Gesundheit steht im Mittelpunkt der Motive: 88 Prozent der von
Jürgen Prott Befragten haben angegeben, sie wollten durch die Altersteilzeit ihre
„Gesundheit schonen“. Zwischen den „Kontinuierlichen“ und den „Blockern“ hat Prott
die folgenden Unterschiede festgestellt: „Wer sich für die erste Variante entschieden
hat, verweist häufig vor dem Hintergrund einer langen Betriebszugehörigkeit auf seine
angeschlagene Gesundheit, die möglichst rasch durch verringerte Arbeitsbelastung
stabilisiert werden soll. Das ist das eine. Andererseits heben diese Personen im
Interviewgespräch häufig die Sorge vor dem „tiefen Loch“ hervor, in das man beim
abrupten Ausscheiden aus dem Betrieb fallen kann. Die „langsame Gewöhnung“ an
die Zeit jenseits der Berufstätigkeit wird als schrittweise Einübung in einen veränderten Lebensrhythmus empfunden.“
Im Vordergrund der Motive der „Blocker“ steht nach Prott folgende Einschätzung:
„Auch sie wollen ihre Belastungen in gesundheitsschonender Weise verringern, aber
sie fühlen sich offenbar noch nicht derart verbraucht, dass sie nicht noch ein paar
Jahre durchzuhalten verstünden. Diese Personen geben unumwunden zu, so schnell
wie möglich das Ende ihrer Berufstätigkeit erreichen zu wollen. Man begreift die
aktive Phase der Blockzeit gewissermaßen als einen letzten Kraftakt, an dessen Ende
der vorzeitige Übergang in die berufliche Freistellung lockt.“
Prott vermutet, dass die Wahl zwischen dem Block- und dem Teilzeit-Modell Ausdruck einer unterschiedlichen Identifikation mit der Arbeit und dem Betrieb sein
könnte: „Diejenigen, die sich für das Blockzeit-Modell entscheiden, bilanzieren die
Zufriedenheit mit ihrer Arbeit und dem Betrieb häufiger ungünstig als diejenigen, die
den gleitenden Übergang favorisieren. „Blocker“ identifizieren sich wahrscheinlich
seltener mit ihrer Arbeit und mit dem Betrieb als es die „Kontinuierlichen“ tun.“
Wiederbesetzung als Regelfall
Das Unternehmen hat es verstanden, mit der Anwendung der Altersteilzeit seiner
beschäftigungspolitischen Verantwortung nachzukommen und gleichzeitig durch
Nutzung der Zuschüsse des Arbeitsamtes eine kostenneutrale Umsetzung der Altersteilzeit zu erreichen.
60
Arbeitnehmerkammer Bremen
„Das Modell der Altersteilzeit bei der Bremer Straßenbahn AG konnte unter anderem
dadurch für das Unternehmen kostenneutral gestaltet werden, dass Neueinstellungen
vorgenommen und dadurch die Zuschüsse von 20 % des Arbeitsamtes genutzt
werden. Die Einstellungen neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden nochmals
dadurch begünstigt, dass die Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre niedrigere
Einstiegsgehälter und damit niedrigere Kosten für das Unternehmen ermöglichen.
Daraus ergibt sich eine Kostenersparnis für das Unternehmen, wenn die Entgelte von
zwei Altersteilzeitmitarbeitern und einem Neueingestellten verglichen werden mit den
Kosten für zwei „Alt-Beschäftigte“. Bis zum Mai 2000 konnte das Unternehmen
durch die offensive Nutzung der Altersteilzeit 79 Arbeitslose und 21 Auszubildende
neu einstellen. Die Bremer Straßenbahn AG stellt vor allem Langzeitarbeitslose sowie
Jugendliche nach dem Sonderprogramm der Bundesregierung ein, so dass Ausbildungskosten vom Arbeitsamt übernommen und Einstellungszuschüsse in Anspruch
genommen werden können. Die Erfahrungen mit dem Sonderprogramm für Jugendliche und Langzeitarbeitslose sind zu 95 % positiv. Bis Mai 2000 wurden 30 Jugendliche und 23 Langzeitarbeitslose eingestellt.“39
Die Aufstockung von 70 auf 85 Prozent des Nettolohnes bzw. Nettogehaltes fällt aus
drei Gründen für das Unternehmen kostenneutral aus: (1) Ältere mit einer hohen
Lohngruppe werden durch jüngere Beschäftigte mit einer niedrigen Lohngruppe
ersetzt, (2) die Lohn- und Gehaltstarife für die neu eingestellten Beschäftigten sind
um 6 Prozent abgesenkt worden. (3) Durch die Verringerung der Belastungen für die
„Altersteilzeiter“ (insbesondere im kontinuierlichen Modell) sind die Krankheitskosten
für das Unternehmen gesunken.
Die Wiederbesetzung der durch Altersteilzeit frei gemachten Arbeitsplätze ist allerdings in den letzten Jahren nicht mehr vollständig erfolgt; seit dem Jahr 2000 muss
die BSAG aufgrund des Kontraktes mit der Stadt (Senkung der Zuschüsse) Personal
abbauen: „So haben wir zum Beispiel im letzten Jahr, also in 2001, um 65 Mitarbeiter abgebaut. Und da wird zum Teil natürlich auch die Altersteilzeit genutzt, aber
wir machen auch Wiederbesetzung vor allen Dingen über Auszubildende.“ (Personalleiter, Mai 2002) Das Qualifizierungsprogramm für Langzeitarbeitslose und Jugendliche ist mittlerweile abgeschlossen, weil das Unternehmen nicht mehr so viel Personal
benötigt. Gleichwohl stellt die BSAG Auszubildende immer noch über den eigenen
Bedarf hinaus ein, welche nach Abschluss ihrer Ausbildung auch weitgehend übernommen werden. Bis zum Mai 2003 konnte das Unternehmen durch die Nutzung der
Altersteilzeit 163 Arbeitslose einstellen und 56 Auszubildende übernehmen.
39
A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 92 f.
61
Arbeitnehmerkammer Bremen
Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden
„Die Entwicklung und Umsetzung des Altersteilzeitmodells bis hin zu einem ausgereiften Tarifvertrag wird in der Belegschaft als wichtiger Bestandteil unserer Sozialpolitik in einem Wechselschichtbetrieb anerkannt. Von Beginn an waren wir sicher, dass
Altersteilzeit für unseren Betrieb mit 3-Schicht und Wechselschicht genau das richtige
Instrument zur Entlastung im Alter ist. So war uns wichtig, nicht nur Altersteilzeit an
sich zu ermöglichen, sondern damit verbunden auch Entlastungen in den Dienstplänen der Altersteilzeitler, die kein Blockmodell fahren, mit Erfolg umzusetzen.
Ein weiterer zentraler Punkt ist festzuhalten: Trotz eines fortschreitenden Personalabbaus haben wir jungen Kolleginnen und Kollegen nach der Ausbildung eine Weiterbeschäftigung bei der BSAG durch das Altersteilzeitmodell ermöglicht – und das auch im
Jahr 2003. Und für die jüngere Generation haben wir mittlerweile im Rahmen des
Altersvermögensgesetzes einen Tarifvertrag zur flexiblen Entgeltumwandlung geschaffen, damit auch diese Kolleginnen und Kollegen trotz steigendem Rentenalter über ein
früheres Ausscheiden im Rentenalter nachdenken können – mit oder ohne Altersteilzeitgesetz. Die Entgeltumwandlung schafft aber auch noch den anstehenden Altersteilzeitlern Ansparmöglichkeiten, um über den Zeitpunkt der beginnenden Altersteilzeit
neu nachdenken zu können. Hier können Rentenpunktverluste noch abgemildert
werden.
Wir tun hier viel, da wir wissen, keiner, der 30 – 40 Jahre Schichtdienst macht, hält
das bis zum 65. oder gar, nach den neuen Rentenplänen, bis zum 67. Lebensjahr
durch. Hier hat auch das Unternehmen eine soziale Verantwortung, immer wieder
Gestaltungsspielräume zu nutzen, um Menschen nicht nur, wie man heute sagt, als
„Humankapital“ zu nutzen.“
Weitere Informationen
Bremer Straßenbahn AG (BSAG)
Flughafendamm 12
28199 Bremen
Tel.: 0421 / 559 62 23
Geschäftsleitung
Herr Resch
Personalleitung
Herr Kohfeldt
Betriebsrat
Herr Hünig
62
Arbeitnehmerkammer Bremen
Siemens AG, Zweigniederlassung Bremen
Altersteilzeit ab dem 55. Lebensjahr mit teilweisem Ausgleich
der Rentenabschläge
Ziele
Die Siemens AG verfolgt mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel, den älteren
Beschäftigten vorzeitig den Übergang aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand zu
ermöglichen und bei Bedarf die frei gewordenen Arbeitsplätze mit jüngeren Beschäftigten zu besetzen. Wegen des aus Kostengründen notwendigen Personalabbaus
konnte die Siemens AG die durch Altersteilzeit frei gemachten Arbeitsplätze nur zu
einem Drittel wieder besetzen – insbesondere mit Auszubildenden und Fachhochschul-Ingenieuren nach Abschluss ihrer Berufsausbildung (Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit). Vorrangiges Ziel bei der Nutzung der Altersteilzeit ist nach Ansicht der
Personalabteilung nicht der Personalabbau, sondern das Angebot an die älteren
Beschäftigten, freiwillig früher in den Ruhestand gehen zu können.
Regelung der Altersteilzeit
Altersteilzeit wird ab dem 55. Lebensjahr den Beschäftigten angeboten. Die Betriebsvereinbarung (Nov. 1997) bestimmt den Personenkreis der Anspruchsberechtigten
gemäß dem Altersteilzeitgesetz (Aug. 1996): mindestens drei Jahre beitragspflichtige
Vollzeitbeschäftigung während der letzten fünf Jahre, im Regelfall sollen mindestens
zehn „pensionsfähige Dienstjahre“ zum Austrittszeitpunkt erreicht sein, damit ein
Anspruch auf „Firmenpension“ besteht. Die Laufzeit der Altersteilzeit beträgt zwischen
zwei und fünf Jahren: Die Mindestdauer ergibt sich daraus, dass eine Altersrente
wegen Altersteilzeit ab dem 60. Lebensjahr mindestens 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit voraussetzt, die Höchstdauer beruht darauf, dass die Förderungsdauer
durch das Arbeitsamt (vor der Verlängerung auf 6 Jahre) auf fünf Jahre begrenzt war.
Die gesetzlichen Änderungen (1. Jan. 2000) wurden von der Siemens AG zügig
umgesetzt (Juli 2000): Die Vollzeitbeschäftigung als Voraussetzung für den Abschluss
eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses wird durch die „bisherige wöchentliche
Arbeitszeit“ ersetzt.
Es existiert zum einen ein Blockmodell, nach dem der/die Beschäftigte 2 ½ Jahre
vollzeitig tätig und im Anschluss 2 ½ Jahre freigestellt ist; zum anderen können die
Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit verkürzen. Das unverblockte Modell (Halbtagsarbeit) wurde bislang jedoch kaum beansprucht (2 % der Altersteilzeit-Verträge). Die
Betriebsvereinbarung ermöglicht – auf der Basis des Tarifvertrages – eine Laufzeit von
5 Jahren für die verblockte Altersteilzeit. Bei der Siemens AG besteht eine „VollzeitKultur“, auch bei den Frauen (Anteil von rund 20 % an der Belegschaft) bildet
Teilzeitarbeit eine Ausnahme.
63
Arbeitnehmerkammer Bremen
Es können alle Beschäftigen ab dem 55. Lebensjahr teilnehmen, auch die außertariflichen Angestellten. Bundesweit sind rund 5000 Altersteilzeitverträge abgeschlossen
worden. Im Bereich Hamburg, Bremen, Kiel und Rostock, der von der Niederlassung
Hamburg betreut wird, sind 200 Altersteilzeitverträge abgeschlossen worden (Stand:
März 2002); damit beträgt die Altersteilzeitquote in diesem Bereich (ca. 3.500
Mitarbeiter) immerhin 5,7 Prozent aller Beschäftigten, überschreitet somit die im
Tarifvertrag vorgesehene Quote von 5 Prozent (ab 1. Mai 2002).
Nach Reduktion der Arbeitszeit auf 50 Prozent werden die Altersteilzeit-Bruttoeinkommen um 25 Prozent des Altersteilzeit-Bruttoverdienstes aufgestockt. Dieser
Aufstockungsbetrag ist steuer- und sozialversicherungsfrei. Entsprechend der Regelung des Tarifvertrages werden 82 Prozent des bisherigen Netto-Vollzeitentgeltes in
der Altersteilzeit erreicht. Die Siemens AG entrichtet außerdem zusätzliche Rentenversicherungsbeiträge auf der Basis von 95 Prozent des früheren Brutto-Vollzeitentgeltes
(entsprechend der Regelung des Tarifvertrages). Bei Neueinstellung eines Arbeitslosen
oder bei Übernahme eines Auszubildenden erhält die Siemens AG ihre Aufstockungsleistungen größtenteils vom Arbeitsamt erstattet.
Betriebsrente und Abfindungen
Während bei den Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld) für die Beschäftigten in Altersteilzeit keine Ausgleichszahlungen für die Einkommenseinbußen vorgenommen werden, werden bei der von der Siemens AG geförderten betrieblichen
Altersvorsorge die Beschäftigten in Altersteilzeit den Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt.
Das 13. Gehalt wird auf Basis des Altersteilzeit-Bruttoeinkommens (ohne die Aufstokkungsleistungen) berechnet: Hälfte des tariflichen Teils des 13. Gehaltes (Basis:
Teilzeit). Bei der verblockten Altersteilzeit erhält der Mitarbeiter den tariflichen Teil
des 13. Gehaltes auf Basis der Teilzeitarbeit nur während der Arbeitsphase – während
der Freistellungsphase besteht auf das anteilige 13. Gehalt kein Anspruch. Entsprechend wird bei der Berechnung des zusätzlichen Urlaubsgeldes verfahren (Halbierung/Arbeitsphase). Demgegenüber wird bei den vermögenswirksamen Leistungen
keine Halbierung vorgenommen: Die vermögenswirksamen Leistungen werden vom
Arbeitgeber für die „Altersteilzeiter“ zu 100 Prozent entrichtet. Bei der Betriebsrente
der Siemens AG, der sog. „Siemens-Rente“, findet gleichfalls keine Absenkung der
Beiträge für diese betriebliche Altersvorsorge – während der gesamten Laufzeit der
Altersteilzeit – statt. Die Betriebsrente bildet für die Siemens-Beschäftigten einen
bedeutenden Baustein ihrer Altersvorsorge: So erhält eine Schreibkraft etwa 400,-DM/Monat an „Siemens-Rente“, ein Ingenieur etwa 800,-- DM/Monat.
Wenn der/die Beschäftigte mit 60 Lebensjahren aus dem Betrieb ausscheidet, wird
eine Abfindung von drei Vollzeit-Monatsentgelten gezahlt. Diese Regelung beruht auf
dem Manteltarifvertrag Altersteilzeit: Abfindung von maximal drei BruttoVollzeitentgelten bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit für Beschäftigte ab dem
60. Lebensjahr auf Wunsch des Arbeitgebers. Die Siemens AG zahlt ihren Beschäf64
Arbeitnehmerkammer Bremen
tigten, die vor dem 1.10.1983 bei Siemens eingetreten sind, sogar sechs VollzeitMonatsentgelte als Abfindung beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb. Immer
noch haben große Anteile der älteren Beschäftigten nach ihrer Berufsausbildung ihr
gesamtes Arbeitsleben bei Siemens verbracht. Die Betriebsrente bildet einen wichtigen Bestandteil dieser „lebenslangen“ Betriebsbindung.
Der im Frühjahr 2000 abgeschlossene Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie
(Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke) sieht für Beschäftigte ab dem 57. Lebensjahr mit
Rechtsanspruch auf Altersteilzeit eine Abfindung – sog. Rentenaufstockung – von
maximal 21.600,-- DM vor (450,-- DM/Monat x maximal 48 Monate) – und zwar für
die Zeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb bis zum Erreichen des 65.
Lebensjahres (maximal 48 Monate).
Dieser Monatsbetrag für die Abfindung (450,-- DM = 230,-- Euro) ist von der
Siemens AG um 20 Euro erhöht worden (250 Euro). Außerdem wird von der Siemens
AG gemäß Betriebsvereinbarung beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Lebensjahren die ganze Strecke bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres – also fünf Jahre
und nicht nur vier Jahre wie im Tarifvertrag – für die Berechnung der Abfindung
berücksichtigt (60 Monate x 250 Euro = 15.000 Euro). Im Vergleich zur tarifvertraglich geregelten maximalen Abfindung (230 Euro x 48 Monate = 11.040 Euro)
können die Siemens-Beschäftigten also eine wesentlich höhere Abfindung erzielen
(maximal 15.000 Euro). Diese maximale Abfindung wird bei Siemens „Mindestabfindung“ genannt, weil gemäß Günstigkeitsprinzip diejenigen Beschäftigten, die pro
Monat mehr als 5.000 Euro Bruttogehalt verdienen, die Abfindungsregelung des
Tarifvertrages Altersteilzeit weiterhin in Anspruch nehmen können: Abfindung von drei
Brutto-Vollzeitentgelten bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit für Beschäftigte
ab dem 60. Lebensjahr, so dass sich eine Abfindung von mehr als 15.000 Euro für
die höher verdienenden Angestellten ergeben kann.
Der monatliche Betrag der Abfindung für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb
beträgt 250 Euro mit Vollendung des 60. Lebensjahres, so dass sich eine Abfindung
von 15.000 Euro ergibt (60 Monate x 250 Euro). Beim Ausscheiden mit Vollendung
des 61. Lebensjahres ergibt sich ein monatlicher Betrag der Abfindung von 240 Euro,
so dass die Abfindung insgesamt 11.520 Euro beträgt (48 Monate x 240 Euro). Beim
Ausscheiden mit Vollendung des 62. Lebensjahres wird ein monatlicher Betrag der
Abfindung von 230 Euro zugrunde gelegt, so dass die Abfindungssumme 8.280 Euro
beträgt (36 Monate x 230 Euro).
Die maximale Abfindung von 15.000 Euro muss nicht als Abfindung ausgezahlt
werden, sondern kann von den Beschäftigten auch in die Siemens-Rente „umgewandelt“ werden, d. h. als Baustein für die Aufstockung der Betriebsrente benutzt werden.
Die meisten Siemens-Beschäftigten verwenden tatsächlich ihre jeweilige Abfindungssumme für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb als „Rentenaufstockung“ ihrer
Betriebsrente, so dass ein gewisser Ausgleich der Rentenabschläge beim vorzeitigen
Rentenbezug erfolgt. Gemäß dem von der Personalabteilung gegebenen Beispiel der
65
Arbeitnehmerkammer Bremen
durchschnittlichen aktuellen Lebenserwartung von Männern (knapp 73 Jahre) würde
die Abfindung von 15.000 Euro geteilt durch 153 Monate (Rentenbeginn mit 60
Jahren) demnach eine Aufstockung der Betriebsrente um 98 Euro/Monat für die
kalkulierte Dauer des Rentenbezugs erbringen.
Verteilzeitraum der Altersteilzeit
Der Abschluss eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses soll spätestens mit 63 Lebensjahren erfolgen (Mindestdauer von zwei Jahren als Bedingung für den Bezug der
Altersrente nach Altersteilzeitarbeit). Anfang und Ende der Altersteilzeit nach Lebensjahren sowie die Dauer der Inanspruchnahme der Altersteilzeit nach dem Blockmodell
werden von den Beschäftigten gemäß ihrer Lebenslage unterschiedlich gewählt. Etwa
die Hälfte der Beschäftigten wählt das in vielen Industriebetrieben praktizierte Muster
der fünfjährigen verblockten Altersteilzeit im Lebensabschnitt von 55 bis zu 60
Jahren: 55 bis 57 ½ Jahre = Arbeitsphase, 57 ½ bis 60 Jahre = Freistellungsphase,
vorzeitiger Ruhestand mit 60 Lebensjahren. Der vorzeitige Rentenbeginn mit 60
Lebensjahren (Rentenabschläge = 18 % ab Geburtsdatum 1.1.1942) bildet für die
meisten männlichen Siemens-Beschäftigten die „Zielgröße“ (magische Zahl für den
Übergang in den Ruhestand). Die andere Hälfte der Siemens-Beschäftigten verteilt
sich auf andere Muster der Inanspruchnahme der Altersteilzeit: Viele Angestellte
erfüllen lediglich die Mindestdauer von 2 Jahren Altersteilzeit (58 – 60 Jahre), um mit
60 Lebensjahren die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (mit nunmehr 18 % Rentenabschlägen) beziehen zu können, viele höhere Angestellte, die ihr Berufsleben z. B.
als Ingenieur relativ spät begonnen haben und deren Kinder sich noch in der Ausbildung bzw. im Studium befinden, wählen dagegen einen späteren Beginn und ein
späteres Ende der Altersteilzeit-Phase (5 Jahre verblockte Altersteilzeit im Lebensabschnitt von 60 bis 65 Jahren: 60 – 62 ½ Jahre = Arbeitsphase, 62 ½ – 65 Jahre =
Freistellungsphase, Rentenbezug (ohne Rentenabschläge) mit 65 Lebensjahren).
Wer entscheidet über Altersteilzeit?
Die Abteilungsleitung und die Bereichsleitung treffen letztendlich die Entscheidung, ob
Altersteilzeit beansprucht werden kann. In Streitfällen bestimmt der Betriebsrat mit;
ein erzwingbarer Rechtsanspruch auf Altersteilzeit existiert aber nicht. Der im Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie enthaltene Rechtsanspruch auf Altersteilzeit (ab 61. Lebensjahr) wurde in der Betriebsvereinbarung nicht übernommen,
weil die Quote des Tarifvertrages für „Altersteilzeiter“ an der Belegschaft bereits
„übererfüllt“ war. Diese Anspruchseinschränkung sollte in der Siemens AG nach
Auffassung des Gesamtbetriebsrates nicht gelten. Den Wünschen der älteren Beschäftigten nach Wechsel in Altersteilzeit wird i. d. R. unabhängig von derem jeweiligem Lebensalter stattgegeben. Eine Einigung wird i. d. R. zwischen Personalabteilung
und dem/der Beschäftigten ohne Beteiligung des Betriebsrates erzielt.
66
Arbeitnehmerkammer Bremen
Rechtsgrundlagen
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 1. Nov. 1997 mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli
2004 (verlängert bis zum Jahr 2006). Voraussetzung für die Anwendung der Betriebsvereinbarung war zunächst der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie zur Altersteilzeit vom Juni 1998, später dann der im Jahre 2000 abgeschlossene
Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke.
Stellungnahmen
Personalabteilung
„Altersteilzeit ist eine gute Regelung, um den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben,
früher auszuscheiden, auch unter akzeptablen finanziellen Bedingungen. Die Belastungen in der Arbeitswelt werden immer stärker, und dass dann nicht bis 65
durchgearbeitet werden muss, sondern hier die Möglichkeit besteht, einen Ausstieg ab
60 zu finden, ist positiv. Auch können ältere Mitarbeiter früher durch jüngere ersetzt
werden, was Innovationen im Unternehmen beschleunigen kann. Nachteilig sind die
hohen Kosten für das Unternehmen, wenn es keinen Zuschuss vom Arbeitsamt gibt.
Für einen Mitarbeiter, der 40.900 Euro Jahreseinkommen verdient, entstehen etwa
59.000 Euro Kosten im Jahr ohne Zuschuss vom Arbeitsamt. Bei reduzierter Arbeitszeit und mit Zuschuss vom Arbeitsamt verbleiben 23.000 Euro Kosten für das
Unternehmen.“
Betriebsrat
„Die Vereinbarung ist ein „Entlastungsventil“. Sie ist gut für Kollegen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können oder Probleme am Arbeitsplatz haben,
weil sie die Leistung nicht mehr bringen. Für das Unternehmen ist von Vorteil, dass
die Altersteilzeit das Unternehmen wenig kostet, weil ein jüngerer Beschäftigter mit
einer niedrigen Lohngruppe ins Unternehmen kommt und Gelder vom Arbeitsamt
fließen. Problematisch ist hingegen, dass bei der Berechnung der Altersteilzeitgehälter
nicht die Beteiligung am Betriebserfolg mit eingerechnet wird.“
Weitere Informationen
Siemens AG
Zweigniederlassung Bremen
Universitätsallee 16
28359 Bremen
Personalabteilung
Herr Westphal
Lindenplatz 2
20099 Hamburg
Tel.: 040 / 28 89 28 59
Betriebsrat
Herr Krone, ZN Bremen
Tel.: 0421 / 364 – 0
67
Arbeitnehmerkammer Bremen
Stahlwerke Bremen GmbH
Altersteilzeit: vom Personalumbau zum Personalabbau
Regelungen des Tarifvertrages
In der Stahlindustrie (Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen) wurde im Jahr
2000 ein neuer Tarifvertrag zur Altersteilzeit abgeschlossen, der auf einer Rahmenregelung für betriebliche Vereinbarungen aus dem Jahr 1998 aufbaute. Diese
tarifliche Vereinbarung (März 1998) verfolgte das Ziel, eine Grundlage für Betriebsvereinbarungen zur Altersteilzeit zu ermöglichen – einschließlich der Anwendung eines
langfristigen Blockmodells nach dem ATZ-Gesetz. In der Tarifrunde 2000 wurde in
der Stahlindustrie neben der zweistufigen Einkommenserhöhung auch eine Verbesserung der ATZ-Regelungen vereinbart. Ab 1. Juni 2000 haben Beschäftigte nach
vollendetem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Altersteilzeit über eine Dauer von
zwei bis zu sechs Jahren. Das ATZ-Arbeitsentgelt wird auf 85 Prozent des letzten
Nettoeinkommens aufgestockt und der Rentenversicherungsbeitrag auf 95 Prozent
angehoben. Wie schon in der chemischen Industrie (März 2000) wurde auch in der
Stahlindustrie ein Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt
vereinbart (Juni 2000). Gleichfalls für maximal 48 Monate wird eine nach Schichtsystem gestaffelte „Abfindung“ vom Arbeitgeber geleistet: Pro Monat des vorzeitigen
Rentenbezugs erhalten Beschäftigte mit regelmäßiger Wechselschicht 750 DM,
Beschäftigte in Wechselschicht mit regelmäßiger Nachtarbeit 550 DM sowie die
übrigen Beschäftigten 450 DM. Weiterhin werden die Beträge ab 1. Januar 2002
dynamisiert und jährlich um ein Prozent angehoben (Laufzeit dieses Tarifvertrages:
31. Dez. 2006). Auch der Insolvenzschutz der Arbeitnehmer-Ansprüche ist in diesem
Tarifvertrag geregelt worden. Außerdem kann gemäß Tarifvertrag eine freiwillige
Betriebsvereinbarung zwecks Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen für
die langfristige Vermögensbildung zur Alterssicherung abgeschlossen werden. Der
Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Stahlindustrie enthält eine Anspruchseinschränkung: 4 Prozent aller Beschäftigten können die Altersteilzeit in Anspruch nehmen; bei
mehreren geltend gemachten Ansprüchen erhalten die Vollkonti-Beschäftigten Vorrang
(sofern nicht abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarungen bestehen).
Regelungen der Betriebsvereinbarung
Bei den Stahlwerken Bremen bestand auf Basis der tariflichen Vereinbarung (März
1998) eine Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit (Okt. 1998), welche bereits das
Blockmodell ermöglichte. Auf Basis des neuen Tarifvertrages (1. Juni 2000) wurde
von den Betriebsvertragsparteien die Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit neu
geregelt (1. Okt. 2000). Die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung entspricht der des
Tarifvertrages (31. Dez. 2006).
68
Arbeitnehmerkammer Bremen
Geltungsbereich
Gemäß der gesetzlichen Regelung können Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr
vollendet und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080
Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden haben,
Altersteilzeit beanspruchen. Die Betriebsvereinbarung enthält einen Anspruch der
Beschäftigten auf Altersteilzeit. Allerdings kann der Anspruch ausgeschlossen werden,
wenn 4 Prozent der Belegschaftsmitglieder sich bereits in Altersteilzeit befinden bzw.
schon einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben. Die 4-Prozent-Quote kann
allerdings „durch freie Entscheidung des Arbeitgebers überschritten werden“. Wenn
diese Quote nicht überschritten werden soll und gleichzeitig die Nachfrage der
Beschäftigten nach Altersteilzeit das Angebot des Betriebes übersteigt, wird die
Auswahl nach einem „Rangreihenverfahren“ von einem paritätisch besetzten Ausschuss vorgenommen: „Erklären sich in einem Jahr mehr Belegschaftsmitglieder zur
Inanspruchnahme der Altersteilzeit bereit, als Plätze zur Verfügung stehen, erfolgt die
Auswahl der Belegschaftsmitglieder nach einem Rangreihenverfahren. Kriterien sind
Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Einsatzmöglichkeiten. Schwerbehinderte und
Schichtarbeiter werden vorrangig berücksichtigt.“ (Betriebsvereinbarung).
Das Unternehmen hat sich verpflichtet, die „Belegschaftsmitglieder“ nicht nur
allgemein über das betriebliche Altersteilzeit-Modell zu informieren, sondern darüber
hinaus das einzelne Mitglied auch individuell zu beraten: „Der Arbeitgeber berät das
Belegschaftsmitglied individuell vor einer Vereinbarung der Altersteilzeit über die
sozialrechtlichen Auswirkungen der Altersteilzeitvereinbarung sowie über die Höhe des
Einkommens zu Beginn der Altersteilzeit. Diese Berechnung erfolgt als Beispiel auf
Basis der letzten 12 abgerechneten Monate und wird dem Belegschaftsmitglied durch
den Arbeitgeber vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung schriftlich ausgehändigt.“
(Betriebsvereinbarung)
Die Frage der Wiederbesetzung wird von den Betriebsvertragsparteien im Rahmen der
Personalplanung entschieden: „Für jedes Kalenderjahr beraten der Arbeitgeber und
der Betriebsrat oder ein von ihm beauftragter Ausschuss darüber, ob und wie die
Wiederbesetzung im übrigen sichergestellt werden kann.
Durch Altersteilzeit freiwerdende Arbeitsplätze werden vorrangig durch übernommene
Auszubildende wiederbesetzt. Auszubildende, die auf einem Arbeitsplatz eingesetzt
werden, der durch Altersteilzeit frei geworden ist, werden unbefristet übernommen.
Die Nachbesetzung erfolgt nur dann, wenn der Arbeitgeber durch das Arbeitsamt die
gesetzliche Teilerstattung der Aufwendungen erhält, die durch das über Altersteilzeit
ausscheidende Belegschaftsmitglied entstehen.“ (Betriebsvereinbarung)
Die Betriebsvereinbarung (Okt. 2000) gibt das Blockmodell als Regelmodell vor und
orientiert die maximale Dauer der Altersteilzeit an der Förderhöchstdauer (6 Jahre
gemäß 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit sowie 6 Jahre gemäß Tarifvertrag der Stahlindustrie – Jahr 2000): „Die Altersteilzeit wird in der Regel als Blockmodell mit gleichdauernder Arbeits- und Freistellungsphase vereinbart. Sie dauert
69
Arbeitnehmerkammer Bremen
mindestens 2 Jahre, maximal 6 Jahre. Die Dauer von 2 Jahren kann unterschritten
werden, soweit das Belegschaftsmitglied keine Altersrente nach Altersteilzeit (...) in
Anspruch nehmen will. Soll die Altersteilzeit über die Dauer von 6 Jahren im Einzelfall
ausgedehnt werden, reduzieren sich die Leistungen des Arbeitgebers insoweit, dass
die Altersteilzeit je Fall nicht teurer wird, als in vergleichbaren Fällen mit einer
maximalen Laufzeit von 6 Jahren.“ (Betriebsvereinbarung)
Aufstockung der ATZ-Leistungen
Gemäß Tarifvertrag wird in der Betriebsvereinbarung gleichfalls das ATZ-Arbeitsentgelt
auf 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens aufgestockt. In der Betriebsvereinbarung
ist sogar der mögliche Fall geregelt, dass ein Beschäftigter durch kurzfristigen
Wechsel seiner Lohnsteuerklasse vor dem Wechsel in Altersteilzeit sein tariflich
garantiertes Nettoeinkommen nachhaltig erhöht: „ Das regelmäßige Arbeitsentgelt
ohne Sonderzahlungen und ohne Mehrarbeit setzt sich während der Altersteilzeit
zusammen aus: (1) dem steuerpflichtigen Altersteilzeitentgelt für die verkürzte
Arbeitszeit, d. h. die Hälfte der bei Vollzeitarbeit anfallenden steuerpflichtigen
Vergütungsbestandteile inklusive der Hälfte der steuerpflichtigen Zuschläge, (2) einem
Aufstockungsbetrag nach Maßgabe (...) des Altersteilzeitgesetzes auf das Altersteilzeitentgelt. Der tarifliche Aufstockungsbetrag ist (...) so zu bemessen, dass das
monatliche Nettoentgelt 85 % des fiktiven Vollzeitnettoentgelts, ohne Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts, beträgt. Die Berechnung des Nettobetrages erfolgt
anhand der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Merkmale Steuerklasse und
Familienstand. Ein Wechsel der Lohnsteuerklasse – auch kurz vor Eintritt in Altersteilzeit – kann nur bei ausreichendem sachlichen Grund berücksichtigt werden (Missbrauchskontrolle).“ (Betriebsvereinbarung)
Die Jahresabschlusszahlung wird den Beschäftigten in Altersteilzeit durchgängig auf
immerhin 60 Prozent des vorgängigen Weihnachtsgeldes aufgestockt und in der Regel
mit dem monatlichen Altersteilzeit-Nettoentgelt ausgezahlt: „Die Jahresabschlusszahlung wird durchgängig in Höhe von 50 % der Vollzeit-Jahresabschlusszahlung
gezahlt. Zusätzlich wird ein Aufstockungsbetrag von 20 % der hälftigen Jahresabschlusszahlung gezahlt, dieser ist jedoch auf die Beitragsbemessungsgrenze der
gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt. Die Zahlungsweise ist in der Regel
ratierlich.“ (Betriebsvereinbarung)
Gemäß Tarifvertrag wird in der Betriebsvereinbarung die Aufstockung des Rentenversicherungsbeitrages auf 95 Prozent geregelt: „Der Arbeitgeber wird für die Belegschaftsmitglieder in Altersteilzeit zusätzlich Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gemäß Altersteilzeitgesetz entrichten. Die Rentenversicherungsbeiträge
werden auf 95 % des Vollzeitbruttomonatsentgelts (max. bis zur Beitragsbemessungsgrenze) einschließlich der Jahresabschlusszahlung aufgestockt.“
70
Arbeitnehmerkammer Bremen
Betriebsrente und Abfindungen
Bei der Berechnung der Betriebsrente werden die Altersteilzeit-Beschäftigten den
Vollzeit-Beschäftigten vollständig gleichgestellt, so dass die Betriebsrente aufgrund
des Wechsels in Altersteilzeit nicht vermindert wird: „Für die Berechnung der Werksrente eines Belegschaftsmitglieds, das sich in Altersteilzeit befindet, wird das rentenfähige Einkommen ermittelt, als wenn er/sie weiterhin in Vollzeit beschäftigt wäre. Für
die Berechnung des rentenfähigen Einkommens wird das fiktive Vollzeitbruttoentgelt
der letzten 12 Monate vor Altersteilzeitbeginn zugrunde gelegt. Das fiktive Vollzeitbruttoentgelt nimmt an den Tariferhöhungen teil. Der vorzeitige Bezug der betrieblichen Altersversorgung führt nicht zu versicherungsmathematischen Abschlägen. Für
die Berechnung der Werksrente wird die ungekürzte gesetzliche Vollrente zugrunde
gelegt.“ (Betriebsvereinbarung)
Der Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand wird den
Beschäftigten gemäß Tarifvertrag für maximal 48 Monate gewährt: „Endet das
Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Belegschaftsmitglieds,
erhält dieser für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung
errechnet sich aus einem monatlichen Abfindungsbetrag, der mit der Zahl der vollen
Kalendermonate – maximal 48 – multipliziert wird, die zwischen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem das Belegschaftsmitglied Anspruch
auf eine ungeminderte Rente gehabt hätte, liegen.“ (Betriebsvereinbarung)
Die im Schichtdienst beschäftigten Belegschaftsmitglieder erhalten gemäß jeweiligem
Schichtplan die Abfindung, wenn sie innerhalb der letzten 5 Jahre vor Antragstellung
mindestens 3 Jahre nach Schichtplan eingesetzt waren: 750 DM pro Monat des
vorzeitigen Rentenbezugs für Beschäftigte mit kontinuierlicher Wechselschicht, 550
DM pro Monat für Beschäftigte in Wechselschicht mit regelmäßigen Nachtschichten.
Alle anderen Beschäftigten erhalten als Abfindung 450 DM pro Monat des vorzeitigen
Rentenbezuges. Die in der Betriebsvereinbarung geregelten Abfindungsbeträge
entsprechen denen des Tarifvertrages – gleichfalls gemäß Tarifvertrag wird in der
Betriebsvereinbarung geregelt, dass die Abfindungsbeträge ab 1.1.2002 jährlich um
ein Prozent erhöht werden. Demnach beträgt die höchste Abfindung im Jahr 2002
immerhin 387 Euro, die mittlere 284 Euro und die niedrigste Abfindung 232 Euro/
Monat des vorzeitigen Rentenbezugs (maximal 48 Monate).
Ein Beschäftigter der Stahlwerke, der im Jahre 2001 mit vollendetem 61. Lebensjahr
nach der Altersteilzeit-Phase in den vorzeitigen Ruhestand wechselte, konnte gemäß
jeweiligem Schichtplan für vier Jahre (bis zum vollendeten 65. Lebensjahr) die
folgenden Höchstsummen von Abfindungen erhalten: 36.000 DM (kontinuierliche
Wechselschicht), 26.400 DM (Wechselschicht mit regelmäßigen Nachtschichten)
sowie 21.600 DM (alle anderen Beschäftigten). Diese Beschäftigten hätten „ohne
Vertrauensschutz“ eine dauerhafte Verminderung ihrer gesetzlichen Rente um 14,4 %
hinzunehmen. Zumindest für die Phase des vorzeitigen Rentenbezuges (maximal 48
Monate) bilden diese Abfindungen eine Kompensation für die Rentenabschläge.
71
Arbeitnehmerkammer Bremen
Bezüglich der Auszahlung der Abfindung wird den „Belegschaftsmitgliedern“ die
folgende Wahlmöglichkeit eingeräumt: „Die Abfindung wird bei Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses fällig. Das Belegschaftsmitglied hat wahlweise die
Möglichkeit, sich die Abfindungssumme ratierlich über 14 Jahre auszahlen zu lassen.
Der Betrag wird mit einem Zinssatz von 5 % p.a. verzinst.“ (Betriebsvereinbarung)
Dabei sind die Betriebsvertragsparteien von Durchschnittswerten ausgegangen: Ein
„Stahlwerker“, der mit 60 Lebensjahren nach der Altersteilzeit-Phase (Blockmodell:
55 – 57 ½ - 60) in den vorgezogenen Ruhestand geht, würde gemäß durchschnittlicher Lebenserwartung (74 Lebensjahre) 14 Jahre lang sich die Abfindung in monatlichen Raten auszahlen lassen. Demnach werden die Beschäftigten angehalten, sich
Gedanken über ihre eigene Lebenserwartung zu machen, ein ökonomisches Kalkül in
Antizipation ihrer individuellen „Rentenlaufzeit“ und ihrem individuellen „Sterblichkeitsrisiko“ anzustellen: „Wenn ich nur 70 werde, verliere ich 4 Jahre bei der monatlichen Auszahlung, dann kann ich doch gleich die ganze Abfindung nehmen und
selber irgendwo mit 5 Prozent anlegen.“
Inanspruchnahme der Altersteilzeit
Die hohe Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist auf dem Hintergrund der Beschäftigtenstruktur sowie der belastenden Arbeitsbedingungen im Schichtsystem der Stahlwerke zu verstehen. Zum Zeitpunkt unserer Erhebung (Ende 2001) waren im Werk
Bremen 4570 Mitarbeiter beschäftigt: 1440 Angestellte (31,5 %), darunter 1000
tarifliche Angestellte, 400 außertarifliche und 40 leitende Angestellte, sowie 3130
Lohnempfänger (68,5%). Im Produktionsbereich befindet sich etwa die Hälfte der
Beschäftigten im Schichtsystem.
Die Altersstruktur der Beschäftigten ist auf dem Hintergrund der belastenden Schichtarbeit sowie des früheren Personalabbaus über Vorruhestandsregelungen (55 Jahre)
und Sozialpläne (ungekürzte Rente mit 60 Jahren) zu verstehen: Die Hälfte aller
Beschäftigten der Stahlwerke Bremen ist bis zu 40 Jahren alt (15 %: bis zu 30
Jahren, 36 % von 31 bis zu 40 Jahren); 26 % aller Beschäftigten befinden sich im
Alter von 41 bis zu 50 Jahren, 22 % im Alter von 51 bis zu 60 Jahren (1% über 60
Jahre). Im Vergleich zu den alternden Belegschaften in anderen Wirtschaftsbereichen
handelt es sich demnach um eine „junge“ Belegschaft: Das Durchschnittsalter beträgt
41 Jahre (Gewerbliche: 40,5 Jahre, Angestellte 42,5 Jahre). Die betriebliche Altersgrenze von 60 Jahren ist vollständig etabliert.
72
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 5:
Altersstruktur der Belegschaft (Jahr 2002)*
Gewerbliche
(3167)
%
Angestellte
(1461)
%
unter 31
18,4
7,2
15
31 – 40
34,6
39,8
36
41 – 50
25,1
28,6
26
51 – 60
21,1
22,9
22
über 60
0,8
1,5
1
100,0
100,0
100
Altersgruppe
Belegschaft insgesamt
(4628)
%
*Quelle: Personal- und Sozialbericht 2002 der Stahlwerke Bremen (Anhang: abs. Zahlen)
Im Alter von mehr als 50 Jahren befinden sich bei den Arbeitern ca. 22 Prozent, bei
den Angestellten ca. 24 Prozent. Auf die Beschäftigten im Alter von über 50 Jahren
bezogen: 10 Prozent aller Beschäftigten befinden sich noch in einem Lebensalter, in
dem sie zur Zeit noch nicht in Altersteilzeit wechseln können, 13 Prozent aller
Beschäftigten gehören bereits zum Kreis der Anspruchsberechtigten (55 Jahre als
Mindestalter).
Die Altersteilzeit wurde seit ihrer Einführung im Werk Bremen (1.10.1998) bisher
bereits von 320 Mitarbeitern in Anspruch genommen (Jahr 2001): 80 von ihnen
befinden sich bereits in Rente, 240 befinden sich aktuell in einem AltersteilzeitArbeitsverhältnis (davon etwa die Hälfte bereits in der Freistellungsphase), weitere
130 Mitarbeiter sind zur Zeit am Abschluss eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses
interessiert (Aussage der Personalabteilung auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer im Mai 2002). Etwa 40 bis 50 Prozent der Anspruchsberechtigten haben
bisher von der Altersteilzeit Gebrauch gemacht. Dabei befinden sich – wie zu erwarten
– die älteren häufiger als die jüngeren Jahrgänge unter den Anspruchsberechtigten in
Altersteilzeit. (Eine statistische Auswertung der Inanspruchnahme der Altersteilzeit
nach Geburtsjahrgängen liegt uns leider nicht vor.) Diese Form der „Frühverrentung“
über das Instrument der Altersteilzeit – mehr oder minder ausschließlich in Form des
Blockmodells – findet demnach eine hohe Resonanz unter den „Stahlwerkern“.
Die im Personal- und Sozialbericht 2002 der Stahlwerke Bremen genannten Zahlen
(31.12.2001) weichen etwas von den auf dem Workshop genannten Zahlen ab:
Demnach befanden sich rund 230 Mitarbeiter aktuell in einem AltersteilzeitArbeitsverhältnis (nicht ganz die Hälfte bereits in der Freistellungsphase), 70 Mitarbeiter hatten bereits für die Zukunft Altersteilzeit-Verträge abgeschlossen. Die Alters73
Arbeitnehmerkammer Bremen
teilzeitquote (Gesamtbelegschaft) beträgt im Jahr 2001 fünf Prozent (aktuell in
Altersteilzeit: Arbeits- und Freistellungsphase), also ohne Berücksichtigung der bereits
ausgelaufenen und der für die Zukunft abgeschlossenen Altersteilzeit-Verträge.
Der Anspruch auf Altersteilzeit kann gemäß Betriebsvereinbarung ausgeschlossen
werden, wenn vier Prozent der Gesamtbelegschaft sich aktuell in Altersteilzeit
befinden bzw. einen Altersteilzeit-Vertrag abgeschlossen haben. Gemäß dieser
Bestimmung beträgt die Altersteilzeitquote sogar 6,5 Prozent (Jahr 2001). Das
Unternehmen kann durch „freie Entscheidung“ die 4-Prozent-Quote überschreiten. Im
Jahre 2002 fällt diese Altersteilzeitquote mit 4,7 Prozent etwas niedriger aus als im
Jahre 2001. Von der Personalabteilung wird eine Altersteilzeitquote von fünf Prozent
als „maximale Zielgröße“ bezeichnet.
Verteilzeitraum der Altersteilzeit
Nach der Einführung der Altersteilzeit (1.10.98) haben die älteren „Stahlwerker“, um
mit 60 Jahren die Altersrente nach Altersteilzeit zu beziehen, lediglich die Mindestdauer von zwei Jahren Altersteilzeit in Anspruch genommen (gemäß Blockmodell:
Beginn mit 58 Lebensjahren, ein Jahr Arbeitsphase, ein Jahr Freistellungsphase,
Beginn des Rentenbezugs mit 60 Lebensjahren). Diese älteren „Stahlwerker“ konnten
zudem häufig noch die Vertrauensschutzregelung in Anspruch nehmen: Versicherte
der Geburtsjahrgänge vor 1942, die mindestens 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine
versicherte Beschäftigung vorweisen konnten, waren von der Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit nicht betroffen.
Nachdem die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit
„ohne Vertrauensschutz“ für die Geburtsjahrgänge 1937 – 1941 bereits abgeschlossen ist, haben die Versicherten ab Geburtsjahrgang 1942 bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Altersrente gegenwärtig eine dauerhafte Rentenminderung um 18
Prozent hinzunehmen. Aufgrund dieser erheblichen Rentenabschläge haben die
„Stahlwerker“, die zur Zeit sich in einem Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis befinden, eine
längere Laufzeit des Altersteilzeit-Vertrages gewählt, um mit einem späteren Rentenbeginn das Ausmaß der Rentenabschläge in noch vertretbaren Grenzen zu halten.
Die Mehrheit der Altersteilzeit-Beschäftigten beginnt gemäß Blockmodell mit 58
Lebensjahren die Altersteilzeit-Phase (Laufzeit: 4 oder 5 Jahre) und bezieht dann mit
62 oder 63 Lebensjahren die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Der tatsächliche
(nicht: rechtliche) Abschied vom Arbeitsleben erfolgt dann mit 60 oder 60 ½ Jahren
(Freistellungsphase).
Bei einer Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses von fünf Jahren hätten diese
„Stahlwerker“, die mit 58 Lebensjahren die Altersteilzeit-Phase beginnen, mit 63
Lebensjahren einen dauerhaften Rentenabschlag von 7,2 Prozent hinzunehmen. Die
Abfindung würde für die Beschäftigten in kontinuierlicher Wechselschicht 18.000 DM
betragen (24 Monate x 750 DM/Monat), für die Beschäftigten in Wechselschicht mit
regelmäßigen Nachtschichten 13.200 DM (24 Monate x 550 DM/Monat), für die
74
Arbeitnehmerkammer Bremen
anderen Beschäftigten noch 10.800 DM (24 Monate x 450 DM). Die Rentenabschläge werden durch die Betriebsrente, die vom Unternehmen ungeschmälert bei vorzeitigem Rentenbeginn ausgezahlt wird, teilweise ausgeglichen. Im Durchschnitt beträgt
die Betriebsrente gegenwärtig 120 Euro/Monat.
Abbildung 4: Blockmodell/Rentenanspruch/Abfindung
58
ALTERSTEILZEIT
60
Arbeitsphase
RENTENANSPRUCH
62
Freizeitphase
65
10,8 % Abschlag / 36 Monate
tarifliche Abfindung
Vollkonti-Schicht 36 x 750 =
27.000 DM
Teilkonti-Schicht 36 x 550 =
19.800 DM
Tagesschicht
36 x 450 =
16.200 DM
58
ALTERSTEILZEIT
60 ½
Arbeitsphase
63
Freizeitphase
RENTENANSPRUCH
65
7,2 % Abschlag / 24 Monate
tarifliche Abfindung
Vollkonti-Schicht 24 x 750 =
18.000 DM
Teilkonti-Schicht 24 x 550 =
13.200 DM
Tagesschicht
24 x 450 =
10.800 DM
Die in der Abbildung genannten Beträge für die Abfindung (DM/Monat) beziehen sich
auf den Tarifvertrag (Juni 2000). Die Abfindungsbeträge werden ab 1.1.2002 jährlich
um ein Prozent erhöht (siehe die Euro-Beträge für das Jahr 2002 im Text).
Vom Personalumbau zum Personalabbau
Bei Wiederbesetzung des mit Beginn der Freistellungsphase durch Altersteilzeit frei
gemachten Arbeitsplatzes entstehen dem Betrieb bei einer vier- bis fünfjährigen
Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsvertrages Zusatzkosten von ca. 20.000 Euro. Ohne
Wiederbesetzung entstehen dem Betrieb immerhin Zusatzkosten von ca. 40.000 Euro
(bei gleicher Laufzeit). Bis zum Jahr 2002 haben die Stahlwerke Bremen keinen
Personalabbau über das Instrument Altersteilzeit vorgenommen. Für die ausscheidenden „Altersteilzeiter“ wurden bisher Arbeitslose eingestellt und Auszubildende nach
Abschluss ihrer Ausbildung übernommen.
75
Arbeitnehmerkammer Bremen
Im Jahre 2001 wurden ca. 50 vom Betrieb Ausgebildete unbefristet übernommen.
Der Tarifvertrag garantiert nach Abschluss der Ausbildung eine auf 12 Monate
befristete Beschäftigung. Für die neu eingestellten Arbeitskräfte gelten die gleichen
Entgeltbestimmungen wie bei den bisherigen Beschäftigten. Gleichwohl fallen die
Personalkosten für den Betrieb niedriger aus, weil z. B. ein Facharbeiter nach der
Ausbildung mit der Lohngruppe 7 (Ecklohn) beginnt, der nach Altersteilzeit ausscheidende Facharbeiter sich aber bereits in der Lohngruppe 10 befindet.
Die bisherige Praxis von Altersteilzeit in den Stahlwerken Bremen entspricht beschäftigungspolitisch vollständig der Intention des Gesetzgebers: Wiederbesetzung von
durch Altersteilzeit frei werdenden Arbeitsplätzen durch Arbeitslose bzw. Ausgebildete. Gleichzeitig wird damit ein allmählicher Austausch von älteren durch jüngere
Beschäftigte personalpolitisch gesteuert, insbesondere durch die Übernahme von im
Betrieb ausgebildeten Arbeitskräften.
Im September 2002 hat der Vorstand der Stahlwerke Bremen beschlossen, bis
Anfang 2005 die Belegschaft von derzeit ca. 4800 auf ca. 3100 Beschäftigte zu
„schrumpfen“, also 1700 Stellen abzubauen, um den Betrieb wieder profitabel zu
machen. Die Schere zwischen steigenden Personal- und Sachkosten und fallenden
Verkaufspreisen klafft zunehmend auseinander. Die neue Arcelor-Strategie lautet:
„Preis vor Menge“. Der Personalabbau soll sozialverträglich über Altersteilzeitverträge
und Abfindungen erfolgen. Nach langen Verhandlungen haben sich Vorstand und
Betriebsrat der Stahlwerke Bremen auf ein Bündel von Maßnahmen geeinigt (Dez.
2002), um den geplanten Personalabbau „sozial abfedern“ zu können. Die Streichung
von 1700 Stellen bildet den zentralen Ansatzpunkt eines umfassenden Sanierungsprogramms, mit dem das Unternehmen wieder in die Gewinnzone gebracht und der
Standort langfristig abgesichert werden soll. Es sollen sowohl Personal- als auch
Sachkosten eingespart werden.
Die neue Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit (1.12.2002) tritt ab 1.9.2002 in
Kraft, sie kann erstmalig zum 31.12.2005 gekündigt werden. Die Altersteilzeit wird
i. d. R. als Blockmodell mit gleicher Dauer von Arbeits- und Freistellungsphase
vereinbart (minimal 2 Jahre, maximal 6 Jahre). In der Zusatzvereinbarung zur
bisherigen Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit wird in der Präambel die neue
Zielsetzung der Betriebsvertragsparteien – Altersteilzeit als Instrument zum Personalabbau – eindeutig formuliert:
„Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass die Altersteilzeit ein wesentliches
Instrument zum Personalabbau sein wird, mit dem der Beschluss des Aufsichtsrates
vom 19.09.2002 umgesetzt werden kann. Damit der Personalabbau zügig und
möglichst sozialverträglich vollzogen werden kann, sollen die Belegschaftsmitglieder
in der Regel ihre Altersteilzeit mit 60 Jahren beenden und in Rente gehen. Zum
Ausgleich von damit verbundenen Rentenverlusten erhalten sie Abfindungen. Die
Zusatzvereinbarung zielt auf einen frühest möglichen Rentenbeginn ab.“
76
Arbeitnehmerkammer Bremen
Aus Sicht des Betriebsrates muss keinem einzigen Beschäftigten betriebsbedingt
gekündigt werden. Durch die Umsetzung der Altersteilzeit werden in den nächsten
vier Jahren allein 736 Beschäftigte aus dem Betrieb ausscheiden (diese Stellen
werden nicht wieder besetzt werden). Das Angebot gilt für alle Mitarbeiter der
Jahrgänge 1940 – 1948. (Die Angehörigen des Jahrgangs 1948 werden im Laufe
dieses Jahres 55 Jahre alt.) Bisher (Mai 2003) haben bereits ca. 600 Stahlwerker
dieses Angebot angenommen (Altersteilzeit/Personalabbau).
Ende 2002 wurde die Belegschaft über Einzelheiten der neuen Altersteilzeit-Regelung
informiert (vgl. Weser-Kurier: „Die Älteren sollen alle gehen“, 7. Nov. 2002). Danach
sollen alle 55-jährigen Stahlwerker bereits in Altersteilzeit gehen. Nach 2 ½ Jahren
Arbeitsphase und 2 ½ Jahren Freistellungsphase sollen diese Stahlwerker bereits mit
60 Jahren in den Ruhestand gehen.
Die Beschäftigten, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand gehen,
bekommen bis zur Vollendung ihres 74. Lebensjahres (durchschnittliche Lebenserwartung von Männern) eine Zusatzrente von 185 Euro/Monat, um die Abschläge bei
der gesetzlichen Rente (18 %) weitgehend auszugleichen. Alternativ können sich die
Beschäftigten auch die Abfindung von 22.500 Euro auf einmal auszahlen lassen (bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Diese Abfindungssummen wurden einheitlich
für alle Lohn- und Gehaltsgruppen ausgehandelt. Damit profitieren die Bezieher
niedriger Renten mehr von dieser Regelung als die Bezieher hoher Renten (185
Euro/Monat als relativer Anteil am gesamten Renteneinkommen betrachtet).
Im Rahmen eines Sozialplanes sind die Beschäftigten aufgefordert, das AltersteilzeitAngebot anzunehmen. Der Betriebsrat appelliert an die älteren Kollegen, das Altersteilzeit-Angebot für den anstehenden Personalabbau – im Sinne eines betrieblichen
Generationenvertrages – freiwillig mitzutragen: „Die Älteren müssen gehen, um die
Arbeitsplätze der Jüngeren für die Zukunft zu sichern!“
Weitere Informationen
Stahlwerke Bremen
Auf den Delben 35
28237 Bremen
Personalabteilung
Herr Pfeifer
Tel.: 0421 / 648 29 26
Betriebsrat
Herr Ravens
Tel.: 0421 / 648 26 85
77
Arbeitnehmerkammer Bremen
Airbus Deutschland GmbH
Altersteilzeit als Mittel des Personalaustausches: „Jung gegen Alt“
In der Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung werden von den Betriebsvertragsparteien als Ziele der Altersteilzeit formuliert: „Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat setzen mit dieser Unternehmensregelung zur Altersteilzeit einen zeitgemäßen
Weg für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fort, in den vorzeitigen Ruhestand einzutreten. Darüber hinaus bietet dieses Instrument Chancen, die Alters- und Qualifikationsstruktur auf die heutigen Anforderungen einzustellen, die Auszubildenden in feste
Dauerarbeitsverhältnisse zu übernehmen und die Entwicklungs- und Aufstiegschancen
für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern bzw. zu eröffnen.“
Rechtsgrundlagen
Die EADS Airbus GmbH und der Gesamtbetriebsrat der EADS Airbus GmbH haben
auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000)
und des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 12.07.2000 die zuvor bestehende
Gesamtbetriebsvereinbarung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit geändert (in
Kraft seit 1.10.2000).
Der Tarifvertrag über Altersteilzeit wurde zwischen der IG Metall, Bezirksleitung
Hamburg, und den Arbeitgeberverbänden „Nordmetall“ (Hamburg), „Metall Unterweser“ (Bremen) sowie „Nord-West-Metall“ (Wilhelmshaven) vereinbart (12. Juli 2000).
Dieser Tarifvertrag trat mit Wirkung vom 1. Mai 2000 in Kraft (kündbar erstmals zum
30. April 2003). Die neue Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000)
kann frühestens zum 31. Juli 2004 gekündigt werden.
Regelung der Altersteilzeit
Altersteilzeit wird den Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und in
einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, vom Unternehmen angeboten. Gemäß
dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft seit 1. Jan. 2000) wird
in der Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000) der Kreis der Anspruchsberechtigten von den Vollzeit- auf die Teilzeitbeschäftigten erweitert: Vor
Beginn der Altersteilzeit müssen die Beschäftigten innerhalb eines Zeitraumes von 5
Jahren mindestens 1080 Kalendertage eine „versicherungspflichtige Beschäftigung“
ausgeübt haben.
Als Form der Altersteilzeit wird in der Gesamtbetriebsvereinbarung ausschließlich das
Blockmodell vorgegeben: „Die Vereinbarung regelt das Blockmodell der Altersteilzeit.
Im Blockmodell wird die während der vereinbarten Dauer der Altersteilzeit zu leistende Arbeitszeit vollständig im ersten Abschnitt geleistet (Arbeitsphase), und im zweiten
Abschnitt wird die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses vollständig von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase). Mit der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter wird ein Altersteilzeit78
Arbeitnehmerkammer Bremen
Arbeitsvertrag geschlossen.“ Eine von der Verblockung abweichende Ausnahme
(Teilzeitmodell) wird allenfalls im Einzelfall genehmigt.
Gemäß der gesetzlichen Regelung (Überforderungsschutzklausel) soll der Anteil der in
Altersteilzeit Beschäftigten auf maximal fünf Prozent der Belegschaft des jeweiligen
Betriebes (Standortes) begrenzt werden. Innerhalb des Betriebes (Standortes) soll
zudem die Beteiligung der Beschäftigten an Altersteilzeit „möglichst ausgewogen auf
die Bereiche verteilt werden“. Zeichnet sich ab, dass die Inanspruchnahme von
Altersteilzeit die Quote von fünf Prozent überschreiten wird, sind die Betriebsvertragsparteien des jeweiligen Betriebes dazu verpflichtet, über Auswahlkriterien zu verhandeln.
Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit sollen „betriebliche
und soziale Belange“ gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Beschäftigten haben
keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages. Abgelehnte Altersteilzeitanträge sollen auf Wunsch des/r Beschäftigten gemeinsam zwischen Betriebsrat,
Personalleitung und Fachbereich mit dem Ziel einer „einvernehmlichen Lösung“
behandelt werden.
Die Phase der Altersteilzeit darf gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung „in der Gesamtdauer von Arbeitsphase und Freistellungsphase einen Zeitraum von zwei Jahren nicht
unter- und von fünf Jahren nicht überschreiten“. Die Mindestdauer von zwei Jahren
ergibt sich daraus, dass eine Altersrente wegen Altersteilzeit ab dem 60. Lebensjahr
mindestens 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit voraussetzt. Obwohl zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung die Förderhöchstdauer der
Altersteilzeit vom Gesetzgeber bereits von 5 auf 6 Jahre erhöht worden war (in Kraft
seit 1. Juli 2000), haben die Betriebsvertragsparteien in ihrer Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000) gleichwohl an der vorgängigen Begrenzung der
Höchstdauer von 5 Jahren für die Laufzeit eines Altersteilzeit-Arbeitsvertrages
festgehalten. (Demgegenüber sieht der zuständige Tarifvertrag (Juli 2000) eine
Höchstdauer von 6 Jahren für ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis vor.)
Offenbar wird das Lebensalter von 60 Jahren von den Betriebsvertragsparteien als
betriebliche Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem Berufsleben definiert: Die
Altersteilzeit beginnt frühestens mit Vollendung des 55. Lebensjahres und darf den
Zeitraum von 5 Jahren nicht überschreiten, so dass spätestens mit Vollendung des
60. Lebensjahres der vorzeitige Übergang in den Ruhestand ansteht. Die Betriebsvertragsparteien gehen davon aus, „dass nach Ende der Altersteilzeit das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter das gesetzliche Altersruhegeld
nach Altersteilzeit in Anspruch nimmt.“
„Sollte in Ausnahmefällen die Altersteilzeit über das 60. Lebensjahr hinaus andauern,
gelten folgende maximale Laufzeiten:
•
•
•
Mit Vollendung des 56. Lebensjahres bis zur Vollendung des 61. Lebensjahres
Mit Vollendung des 57. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres
Mit Vollendung des 58. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres
79
Arbeitnehmerkammer Bremen
•
•
Mit Vollendung des 59. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres
Mit Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres“
Bei einer fünfjährigen Laufzeit eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses wird also das
Blockmodell „55 – 57 ½ – 60“ angestrebt; bis zum vollendeten 58. Lebensjahr wird
noch eine fünfjährige Laufzeit (bis zum vollendeten 63. Lebensjahr) ermöglicht,
während mit vollendetem 59. bzw. 60. Lebensjahr nur noch eine drei- bzw. zweijährige Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses bis zum vollendeten 62. Lebensjahr
toleriert wird. Allerdings sollte nach Aussage der Betriebsvertragsparteien die Altersteilzeit nur in Ausnahmefällen über das 60. Lebensjahr hinaus andauern. Diese
Definition der betrieblichen Altersgrenze entspricht der Sichtweise der meisten
Angestellten, welche in ihrer Lebensplanung gleichfalls die „magische Zahl“ 60 als
Zeitpunkt für ihren Übergang in den Ruhestand zugrunde legen.
Aufstockung der Altersteilzeit-Leistungen
Die Höhe des Altersteilzeit-Entgeltes beträgt die Hälfte des bisherigen Bruttomonatsentgeltes. Bei der Berechnung des Bruttomonatsentgeltes werden gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung (wie auch gemäß Tarifvertrag) das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht berücksichtigt: „Zur Bemessungsbasis zählen nicht tarifliches
Urlaubsgeld, tarifliche Sonderzahlung, AT-Jahressondervergütung, Überstundenvergütung und Pauschalvergütung von Mehrarbeit, Vermögenswirksame Leistungen
gemäß Tarifvertrag, Jubiläumsgeld und andere einmalige geldliche Zuwendungen,
wohl aber regelmäßige Zulagen, die bei der Berechnung des tariflichen Urlaubs- und
Weihnachtsgeldes berücksichtigt werden.“
Der Aufstockungsbetrag soll gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung so bemessen
werden, „dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter mindestens 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die gewöhnlich anfallen, verminderten Bruttomonatsentgelts erhält“.
Während der zuständige Tarifvertrag über Altersteilzeit ein monatliches Nettoentgelt
von mindestens 82 Prozent vorsieht, ist also mit der Gesamtbetriebsvereinbarung das
monatliche Nettoentgelt noch etwas – auf mindestens 85 Prozent – verbessert
worden.
Auch bei der Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes werden gegenüber den
Bestimmungen des Tarifvertrages über Altersteilzeit die Airbus-Beschäftigten in
Altersteilzeit nach Aussage des Betriebsrates bessergestellt: Während der Arbeitsphase erhalten sie – auf Basis ihres Altersteilzeit-Bruttomonatsentgeltes – 85 Prozent des
Weihnachtsgeldes sowie 85 Prozent des Urlaubsgeldes (also von 50 Prozent jeweils
85 Prozent), während der Freistellungsphase erhalten sie noch 60 Prozent des
Weihnachtsgeldes auf Basis ihres Altersteilzeit-Bruttomonatsentgeltes.
Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden vom Unternehmen –
entsprechend zur Regelung des Tarifvertrages – während der Dauer der Altersteilzeit
auf insgesamt 95 Prozent des bisherigen Bruttomonatsentgeltes aufgestockt (das
Altersteilzeitgesetz sieht 90 % vor). Die Bestimmung des Tarifvertrages, dass bei
80
Arbeitnehmerkammer Bremen
vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrente kein Ausgleich von Rentenabschlägen
stattfindet, ist von den Betriebsvertragsparteien in die Gesamtbetriebsvereinbarung
übernommen worden.
Bereits im Tarifvertrag über Altersteilzeit ist für den Fall einer vorzeitigen Beendigung
des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses – auf Wunsch des Arbeitgebers – die Zahlung
einer Abfindung vereinbart worden: „Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf
Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63.
Lebensjahres des Beschäftigten, erhält dieser für den Verlust seines Arbeitsplatzes
eine Abfindung (...) nach folgender Regelung: Die Abfindung beträgt bei einem
Ausscheiden mit 60 Jahren das 3fache des bisherigen Bruttomonatsentgeltes. Sie
vermindert sich für jeden vollen Monat des Ausscheidens nach dem vollendeten 60.
Lebensjahr um 1/36.“ (Tarifvertrag)
Diese Abfindungsregelung ist von den Betriebsvertragsparteien des Unternehmens
noch verbessert worden: „Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung
des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63. Lebensjahres
der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters, erhält diese/dieser für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung beträgt bei einem Ausscheiden mit 60 Jahren
das Vierfache des Bruttomonatsentgeltes. Sie vermindert sich für jeden vollen Monat
des Ausscheidens nach dem vollendeten 60. Lebensjahr um 1/36.“ (Gesamtbetriebsvereinbarung)
Auch hinter dieser betrieblichen Abfindungsregelung steht offenbar – wie schon bei
der Bestimmung von über das 60. Lebensjahr hinausgehenden AltersteilzeitArbeitsverhältnissen als „Ausnahmefälle“ – die Vorstellung der Betriebsvertragsparteien, dass die Beschäftigten spätestens mit vollendetem 60. Lebensjahr aus dem
Betrieb ausscheiden sollten (oder zumindest in diesem Alter mit der Freistellungsphase beginnen).
Die Gesamtbetriebsvereinbarung von Airbus stützt sich – mit einigen betrieblichen
Verbesserungen – weitgehend auf den Tarifvertrag über Altersteilzeit, so dass die
Abfindungsregelung von Airbus beim Ausscheiden des „Altersteilzeiters“ mit vollendetem 60. Lebensjahr (das Vierfache des Bruttomonatsentgeltes) eine gewisse
„Entschädigung“ für die Rentenabschläge (18 Prozent mit 60 Jahren) darstellt. (Auf
den Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke, der gleichfalls im Jahre 2000 von der IG
Metall abgeschlossen worden ist, der eine andere Abfindungsregelung als der Tarifvertrag Altersteilzeit vorsieht, wurde von Seiten des Betriebsrates nicht verwiesen.)
Diese Abfindung – um ein Beispiel zu geben – gleicht keineswegs die erhebliche
Rentenminderung (18 Prozent mit 60 Jahren) aus: Bei einem durchschnittlichen
Bruttogehalt von 5000 DM/Monat würde die Abfindung insgesamt 20.000 DM
betragen. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung eines männlichen Beschäftigten (75 Jahre) würde mit dem Ausscheiden des „Altersteilzeiters“ mit vollendetem
60. Lebensjahr (15 Jahre = 180 Monate) sich eine monatliche Aufstockung der
Rente auf Basis der Abfindung um 111,11 DM ergeben.
81
Arbeitnehmerkammer Bremen
Ins Gewicht fällt demgegenüber die von den Betriebsexperten als „komfortabel“
eingestufte Betriebsrente: Etwa 12 Prozent des Einkommens könnten im Durchschnitt
als Betriebsrente kalkuliert werden. Der Berechnung der Betriebsrente liegt sowohl die
Dauer der Betriebszugehörigkeit als auch die Höhe des Einkommens zugrunde. Um
ein konkretes Beispiel zu geben: Ein Beschäftigter in der Lohngruppe 11, also der
höchsten Lohngruppe im Arbeiterbereich, mit einer 25-jährigen Betriebszugehörigkeit,
würde eine Betriebsrente von 400 Mark bzw. 200 Euro erhalten. Bei der Berechnung
der Betriebsrente werden die Altersteilzeit-Beschäftigten den normalen Beschäftigten
gleichgestellt, d. h. sie müssen aufgrund ihrer Altersteilzeit keine Nachteile bei der
Betriebsrente hinnehmen.
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Airbus-Werk Bremen
Zum Zeitpunkt der Befragung (Mai 2002) hatten ca. 150 Airbus-Beschäftigte im
Werk Bremen Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Die Gesamtbelegschaft
umfasst ca. 3000 Beschäftigte, so dass sich ein Anteil der in Altersteilzeit Beschäftigten von fünf Prozent ergibt. Diese Quote bildet nach Ansicht der Betriebsvertragsparteien die angestrebte „Zielgröße“, sie kann jedoch durchaus überschritten werden:
„Also, wir haben diese fünf Prozent auch in der Betriebsvereinbarung stehen, aber wir
haben sie nicht als eine maximale Obergrenze drin, sondern wir haben definiert, dass
das so eine Ziellinie ist, die aber auch im Einvernehmen mit beiden Parteien überschritten werden kann, sie ist sozusagen nicht als eine absolute Mauer definiert,
sondern es ist definiert, dass man da im Prinzip diese fünf Prozent halten würde.“
(Betriebsrat)
Nach Aussage der Personalabteilung befanden sich (Mai 2002) im Werk Bremen
16,6 Prozent Anspruchsberechtigte, also Beschäftigte im Alter von 55 u. m. Jahren;
3,8 Prozent der Gesamtbelegschaft befanden sich aktuell in Altersteilzeit, so dass sich
– auf den Personenkreis der Anspruchsberechtigten bezogen – eine Altersteilzeitquote
von 23 Prozent ergibt. Diese Quote enthält nicht die Beschäftigten, die nach Abschluss ihrer Altersteilzeitarbeit bereits ihre Rente beziehen.
Wegen des unterschiedlichen Altersaufbaus im Produktions- und im Entwicklungsbereich ist im Fertigungsbereich (mit jüngeren Beschäftigten) eine geringe Nutzung der
Altersteilzeit festzustellen, im Entwicklungsbereich (mit älteren Beschäftigten)
dagegen eine hohe Inanspruchnahme. Die Gesamtbetriebsvereinbarung hat vorgegeben, dass die Beteiligung der Beschäftigten an Altersteilzeit „möglichst ausgewogen
auf die Bereiche verteilt werden (soll)“. Bei einer ungleichen Verteilung versuchen
Personalleitung und Betriebsrat, durch die Bildung von Umsetzungsketten („Ringtausch“) eine gleichmäßige Verteilung der „Altersteilzeiter“ auf die Bereiche zu
erreichen.
„Das Zweite, was noch in der Betriebsvereinbarung definiert ist, dass es in Fachbereichen nicht dazu kommen sollte, dass so eine halbe Abteilung sich auflöst, so ist das
auch noch mal definiert. (...) Also, wir haben im Moment überhaupt kein Problem
damit, dass es keine Anwendung mehr gäbe, weil der Arbeitgeber sagt, wir haben zu
82
Arbeitnehmerkammer Bremen
viele Altersteilzeitverträge abgeschlossen insgesamt. Wir hatten einmal ein einziges
Problem, da hatten wir in einem Bereich eines damaligen Entwicklungsbereiches, wo
ca. 100 Leute beschäftigt waren, fast 30 Prozent in Altersteilzeit. Das war ein
bisschen zu viel. Da ist das gestoppt worden. Allerdings haben wir das dann wieder
hingekriegt, indem wir da auch ein bisschen versetzt haben, neu eingestellt haben.
(...) Wir haben eigentlich die Chance, dass jeder, der will, hier auch irgendwie zu
einem Vertrag kommt in der Regel.“ (Betriebsrat)
Im Werk Bremen entfallen zwei Drittel der Beschäftigten auf den „Verwaltungsbereich“ (insbesondere auf die verschiedenen Entwicklungsbereiche), lediglich ein Drittel
der Beschäftigten arbeitet im „Produktionsbereich“. Die Masse der Anspruchsberechtigten und der Beschäftigten, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen, befindet sich im
Entwicklungsbereich:
„Die Masse der Beschäftigten ist im Entwicklungsbereich. Und das hat einfach damit
zu tun, dass wir im Entwicklungsbereich eine richtig große Gruppe von Beschäftigten
haben, die eben in diesem Alter waren. Und wo auch, was eigentlich unheimlich gut
gepasst hat, wir mussten jetzt ja auch viele Entwicklungsingenieure einstellen, und
insofern hat das Modell wirklich geklappt. Es sind Ältere rausgegangen, es sind neue
Entwicklungsingenieure dafür eingestellt worden. Also, es war wirklich das Prinzip,
wie es eigentlich funktionieren soll, es gab richtig Wiederbesetzung. Wir haben im
Prinzip mit Altersteilzeit keinen Personalabbau gemacht. Also, ich will jetzt nicht
sagen, dass alle Arbeitsplätze wieder besetzt werden, es gibt natürlich Bereiche, wo
man in der Regel einen solchen Arbeitsplatz nicht mehr wiederbesetzt hat, weil dieser
Bereich ausstirbt.“ (Betriebsrat)
In solchen Fällen dient die Altersteilzeit auch als Mittel der Umorganisation von
Bereichen sowie der Personalentwicklung in einzelnen Bereichen:
„Wenn man z. B. fünf Werkzeugausgaben hatte, hatte man demnächst nur noch drei,
weil das wirklich nicht mehr gebraucht wird, und dann hat man den Werkzeugausgeber als Werkzeugausgeber in Altersteilzeit nicht mehr neu besetzt. Aber man hatte
dann zumindest, weil die Wiederbesetzer ja auch eine Ausbildung hatten, in der Regel
als Fluggerätebauer, die Möglichkeit, eine Kette zu bilden. Das heißt, man hat den
nach Altersteilzeit ausscheidenden Werkzeugausgeber dort nicht wiederbesetzt, hat
eine Fluggerätestelle dafür neu geschaffen und den über Altersteilzeit, also über
Ringtausch besetzt. Ringtausch ist also da gemacht worden. So dass wir eigentlich
sagen können, im Prinzip ist das Modell voll aufgegangen. Es hat hier de facto
eigentlich keinen Personalabbau mittels Altersteilzeit gegeben, sondern es hat
tatsächlich Personalaustausch gegeben: Jung gegen Alt.“ (Betriebsrat)
Personalaustausch mittels Altersteilzeit
Mitte der 90er Jahre wurde am Standort Bremen infolge der Dolores-Konzeption der
damaligen DASA-Konzernleitung der Personalbestand von ca. 3500 auf ca. 2500
Beschäftigte reduziert. Gegenwärtig arbeiten ca. 3000 Beschäftigte im Werk Bremen.
83
Arbeitnehmerkammer Bremen
Der Personalabbau wurde damals über die sog. 55er-/58er-Regelungen vollzogen.
Weil gleichzeitig keine Neueinstellungen von jüngeren Ingenieuren erfolgten, die
älteren Ingenieure über Vorruhestandsregelungen ausschieden, verengte sich der
Altersaufbau im Entwicklungsbereich auf die Altersgruppen zwischen 35 und 55
Jahren („gestauchte Alterspyramide“). Daraus resultierte das Problem, dass die
älteren Ingenieure, die durchaus noch arbeitsfähig waren, ihr Erfahrungswissen nicht
mehr an jüngere Ingenieure, die neu in den Betrieb kommen, weitergeben konnten.
Damals gab es eine hohe Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen aus dem
Ingenieurbereich; diese kamen in den Betrieb nicht hinein, der notwendige Wissenstransfer zwischen Jüngeren und Älteren fand im Betrieb nicht mehr statt. Damals
konnte das Instrument der Altersteilzeit noch nicht als Mittel des Personalaustausches
zwischen den Generationen eingesetzt werden.
Während in anderen Industriebetrieben gegenwärtig das Instrument der Altersteilzeit
genutzt wird, um sozialverträglich Personal abzubauen, befindet sich das Airbus-Werk
Bremen in der glücklichen Lage, aufgrund der aktuell günstigen Auftragslage, den
Personalaufbau – unter Einsatz des Instrumentes Altersteilzeit – als Generationswechsel zu vollziehen.
Der Betriebsrat äußert gleichwohl Verständnis dafür, dass andere Industriebetriebe
gegenwärtig über das Instrument der Altersteilzeit Personal „abbauen“:
„So, natürlich müssen wir das sagen, wenn wir noch Dolores gehabt hätten, wie vor,
ich sag mal, so acht Jahren, dann wären wir natürlich in einer ganz anderen Situation
gewesen, dann kann man nicht aufbauen, und dann kann ich verstehen, dass in
Betrieben, die in solchen Situationen sind, wo Personal abgebaut wird, wo keine
anderen Themen als Altersteilzeit mehr da sind, auch das benutzt wird, um Personal
abzubauen. Weil, wie soll man es sonst sozialverträglich machen?“ (Betriebsrat)
Nach dem drastischen Personalabbau Mitte der 90er Jahre konnte mit dem allmählichen Personalaufbau in den letzten Jahren das Instrument der Altersteilzeit im AirbusWerk Bremen personalpolitisch hervorragend genutzt werden, um sozusagen einen
„Ringtausch“ zwischen den Generationen im Betrieb kostengünstig (Wiederbesetzung)
zu organisieren.
„Wir haben damals im Prinzip keine Neuen gehabt, unter Dolores sind Ältere gegangen, aber keine Neuen gekommen. Und jetzt ist natürlich diese Chance gewesen, wir
haben ja, auch in unserem Engineeringbereich, über 1000 Beschäftigte wieder
aufgebaut hier in Bremen. Und da war die Altersteilzeit ein hervorragendes Modell. Es
hat hier tatsächlich Personalaustausch gegeben: Jung gegen Alt. Und damit hat eine
Verjüngung der Belegschaft stattgefunden.“ (Betriebsrat)
Motive der Inanspruchnahme von Altersteilzeit (Blockmodell)
Nach Aussage des Betriebsrates handelt es bei dem im Werk Bremen ausschließlich
praktizierten Blockmodell um ein „relativ attraktives Modell“:
84
Arbeitnehmerkammer Bremen
„Und dann gibt es den Grund, das muss man ja auch einmal sagen, es gibt ja auch
Menschen, die wollen Altersteilzeit nicht in Anspruch nehmen oder Modelle, die
wesentlich später greifen. Es gibt ja auch noch die Chance, wenn man so mit 59
beginnt und nach zwei Jahren Altersteilzeit dann mit 61 aufhört, solche Modelle gibt
es auch. Wir lassen das ja noch zu. Weil ja es auch nicht so ist, dass man hier sagen
muss, unsere Arbeit ist unattraktiv. Es gibt ja auch manchmal Momente, wo sich viele
Beschäftigte sagen: „Bloß raus aus der Bude.“ Das hat man zum Beispiel bei den
Entwicklungsingenieuren auch nicht, trotzdem haben wir da einen hohen Anteil, wo
auch viele sagen: „Na gut, jetzt reicht‘s, okay“, aber es gibt nicht so eine Stimmung:
„Bloß raus aus der Bude“. Als Ingenieur kann man ja auch im höheren Alter noch
arbeiten. Es gibt hier auch Kollegen, die eben sagen, okay, ich arbeite länger oder
höre dann mit 63 oder 62 dann so auf, ohne eine Vereinbarung. Das geht ja auch!
Also, das ist unterschiedlich. Und es gibt auch welche, die eben durcharbeiten. Es
kommt auch immer darauf an, in welcher Situation sich jeder Einzelne befindet.“
(Betriebsrat)
Nach Aussage des Betriebsrates nehmen die Beschäftigten in Altersteilzeit eine
Güterabwägung zwischen Einkommenseinbußen aufgrund des vorzeitigen Ruhestandes und den im Ruhestand angestrebten Lebenszielen vor. Das Ausmaß der Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit interveniert zudem als Variable bei der Entscheidung über den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben:
„Ja, ich sag mal so, es gibt alles, meiner Einschätzung nach, nur was ich von
Gesprächen kenne, ich habe jetzt, wie gesagt, keine Statistiken. Statistiken sind aber
auch immer so eine Sache. Ich habe so das Gefühl, dass es hier Kollegen und
Kolleginnen gibt, die einfach sagen: „So, ich habe ein persönliches Lebensziel. Ich
habe noch etwas vor. Ich komme aus mit dem Geld.“ Und das ist ja auch immer ein
wichtiger Faktor, das ist ja das andere. Diejenigen, die in schlechten Arbeitsbedingungen sind und nicht gut verdienen, sagen sich: „Ich möchte eigentlich aufhören, aber
ich kann es mir eigentlich nicht leisten, weil bei 12 Prozent Abschlag meiner Rente
bleibt mir nicht genug zum Leben. Das ist für mich nicht leistbar.“ Deswegen gibt es
hier alles. Wir haben hier Kollegen, die sich sagen: „So, ich habe noch etwas vor. Ich
will noch die Welt kennen lernen!“, oder noch eine Reise machen, alles das, was man
noch vielleicht so machen kann. Und dann gibt es noch Kollegen, die sich sagen: „Ich
mag meine Arbeit. Ich weiß gar nicht so recht, was ich machen soll, wenn ich jetzt
schon mit 60 zu Hause wäre.“ Oder Kollegen, die noch früher zu Hause wären, mit
57,5 ist ja das Frühstmögliche nach unserem Modell, die würden ja mit 55 die
Altersteilzeit beginnen, dann zweieinhalb Jahre noch voll arbeiten, also 5-JahresVertrag mit zweieinhalb Jahren Arbeit, und dann würden sie ja schon mit 57,5 zu
Hause sein und dann mit 60 in Rente frühzeitig gehen mit dem vollen Abschlag.“
(Betriebsrat)
Im Gegensatz zu manchen Montagebereichen in der Automobilindustrie, wo häufig
das Blockmodell „55 – 57 ½ - 60 Jahre“ aufgrund der belastenden Arbeitsbedingungen (Schichtarbeit) gewählt wird, wählen die Entwicklungsingenieure im Airbus-Werk
85
Arbeitnehmerkammer Bremen
aufgrund ihrer interessanten beruflichen Tätigkeit häufig einen späteren Anfang – und
häufig auch ein späteres Ende – ihrer Altersteilzeit (gemäß dem Blockmodell), wobei
die magische Zahl 60 als Zielpunkt der tatsächlichen – noch nicht der rechtlichen –
Beendigung der Berufstätigkeit den meisten Ingenieuren vor Augen steht.
„Deswegen sage ich, die meisten Beschäftigten nehmen eher so Modelle, sag ich mal,
so mit 56, 57, 58 Beginn der Altersteilzeit. Also, dieses volle Ausschöpfen, so früh
wie möglich raus mit dem höchsten Abschlag, ist seltener. Aus den Gründen, wo ich
so sage, die Arbeit ist hier nicht so verhasst, deswegen gibt es mehr oder weniger
Momente, wo man sich sagt: „Na ja, ein bisschen Abschlag, bisschen eher in „Rente“
oder in Freizeit.“ Das ist eher das Gängige. Deswegen gibt es auch eine hohe Attraktivität des Modells, weil das ja auch sehr selbstbestimmt ist. Es rechnen sich das viele
aus, viele kennen ja ihre Rente, man kann sich das ja darstellen lassen, und man
weiß im Prinzip, wo man sich drauf einlässt. Und dann gibt es viele, die so mit 54,
55 anfangen, sich zu erkundigen, und dann sagen, „für mich ist es eher so, ich
mache mit 57 einen Vertrag oder mit 58, und fange dann an mit der Arbeitsphase
und höre dann faktisch mit 60 auf“, dann beginnen sie mit der Ruhephase.“ (Betriebsrat)
Das Teilzeitmodell der Altersteilzeit ist im Betrieb gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung im Prinzip ausgeschlossen. Der Betriebsrat hat von den Kollegen nicht gehört,
dass ein Interessse am Teilzeitmodell bestünde: „Die meisten Leute nehmen sowieso
das Blockmodell. Ich habe noch nicht einmal Nachfragen gehört nach dieser Möglichkeit, sag ich mal so, des soften Ausscheidens.“
Allerdings gibt es im Betrieb eine ausgesprochene „Vollzeitkultur“. Die Teilzeitquote
ist sehr gering, selbst unter den wenigen weiblichen Beschäftigten. Die männlichen
Beschäftigten sind es gewohnt, voll zu arbeiten, sie haben selbst keine Erfahrung mit
Teilzeitarbeit in ihrem Berufsleben gemacht und können sich daher auch nicht so
recht vorstellen, Altersteilzeit als Halbtagsarbeit zu verrichten: „Man fällt dann so halb
raus, ist nur noch halb drin.“ (Ingenieur aus dem Entwicklungsbereich)
Die Einbindung in Projektarbeit macht es zudem unmöglich, als Entwicklungsingenieur die Altersteilzeit als Halbtagsarbeit zu organisieren:
„Nein, es gibt überhaupt kein Interesse daran, ich habe wirklich noch keine Beratung
gehabt, wo jemand gesagt hat: „Ich würde gerne langsam hinaus gleiten.“ So, da
muss man einfach bei berücksichtigen, wie Sie schon sagen, natürlich ist das so, dass
es auch davon abhängt, wie sehe ich meine Arbeit. Und wenn Sie sowieso sieben
Stunden am Tag hier sind und einen attraktiven Job haben, dann gibt es eigentlich so
ein „Gefühl“, insbesondere im Entwicklungsbereich, zu sagen: „Ich mache jetzt nur
meine 3,5 Stunden am Tag oder meine drei Stunden am Tag.“ Dann sind Sie in einer
Situation, wo Sie einfach kaum noch was machen können, es gibt ja so ein hohes
Kommunikationsniveau, wenn ich, sag ich mal, Ingenieur bin und arbeite in Projekten, wenn hier und da eine Besprechung ansteht, dann sind Sie kaum noch in der
Lage, da was umzusetzen.“ (Betriebsrat)
86
Arbeitnehmerkammer Bremen
Laufzeit der Altersteilzeitverträge und Wahl der Lebensstrecke für die Altersteilzeit
Von den Betriebsvertragsparteien wurde ursprünglich als Regelfall des fünfjährigen
Blockmodells die Lebensstrecke „55 – 57,5 – 60“ Jahre angestrebt. Tatsächlich
weisen aber nur 30 von 165 bisher abgeschlossenen Altersteilzeitverträge dieses
Muster auf (18 %). Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung definierten „Ausnahmefälle“ (Festlegung von maximalen Laufzeiten für über das 60. Lebensjahr hinaus
andauernden Altersteilzeitverträgen) bilden jedenfalls gemäß der von der Personalabteilung erstellten Statistik die Mehrheit aller Altersteilzeitverträge (nur 42 von 165
Personen beziehen mit 60 Jahren ihre Rente = 25 %). Offenbar werden in der
betrieblichen Praxis die Wünsche der Beschäftigten nach einem späteren Beginn und
einem späteren Ende der Altersteilzeitphase von dem Betriebsrat und der Personalabteilung angenommen.
Auf unseren Wunsch hin hat die Personalabteilung eine Auswertung der im Werk
Bremen abgeschlossenen Altersteilzeitverträge (Stand: Mai 2003) vorgenommen, mit
der die jeweilige Laufzeit des Altersteilzeitvertrages (2 – 5 Jahre) in Verbindung mit
der Lebensstrecke des Beschäftigten (Lebensalter bei Beginn der Arbeitsphase, bei
Beginn der Freistellungsphase, bei Beginn des Rentenbezugs) dargestellt werden kann
(vgl. Tabelle 6).
Die Einschätzung des Betriebsrates, der über diese Statistik nicht verfügte, bezüglich
der dominanten Wahl der „Lebensstrecke“ für die Altersteilzeitphase wird durch diese
Auswertung bestätigt. Von 85 Altersteilzeitverträgen mit fünfjähriger Laufzeit entfallen
nur 30 Verträge auf die Lebensstrecke „55 – 57,5 – 60“ Jahre, 55 Verträge weisen
einen späteren Beginn und ein späteres Ende auf, davon allein 40 die Lebensstrecke
„58 – 60,5 – 63“ Jahre. Diese Beschäftigten beenden also faktisch mit ca. 60 Jahren
ihre Berufstätigkeit, gleichzeitig können sie durch diese Streckung die Rentenabschläge minimieren (Rentenbezug mit vollendetem 63. Lebensjahr: Rentenabschlag = 7,2
Prozent).
Auch bei den Beschäftigten, die Laufzeiten von zwei bis zu vier Jahren Altersteilzeit
gemäß dem Blockmodell gewählt haben, überwiegt die Orientierung an einem
Rentenbeginn mit 62 oder 63 Jahren gegenüber dem frühest möglichen Rentenbeginn
(mit 60 Jahren Altersrente nach Altersteilzeitarbeit). Diese Beschäftigten, insbesondere die Entwicklungsingenieure, beginnen bei diesen Laufzeiten in ihrer Mehrheit erst
mit 61 oder 62 Jahren mit der Freistellungsphase (54 Altersteilzeitverträge). Das
Interesse an der beruflichen Tätigkeit sowie das Kalkül eines akzeptablen Rentenabschlags, der womöglich noch durch die Betriebsrente ausgeglichen wird, mögen zu
dieser Entscheidung dieser Beschäftigten beigetragen haben.
87
Anzahl
Verträge
30
Laufzeit 5 Jahre
Laufzeit 4 Jahre
Laufzeit 3 Jahre
Laufzeit 2 Jahre
Alter bei Beginn der
Arbeitsphase Freistellung
Alter bei Beginn der
Arbeitsphase Freistellung
Alter bei Beginn der
Arbeitsphase
Freistellung
Alter bei Beginn der
Arbeitsphase Freistellung
55
57,5
Rente
56
56
58,5
58
61
57
88
57
59,5
11
58
60,5
58,5
60
62
14
40
58
60
62
59
61
63
63
4
12
27
165
Rente
60
3
6
Rente
60
9
9
Rente
60
61,5
60
61
62
61
62
63
63
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 6: Abgeschlossene Altersteilzeitverträge - Stand Mai 2003
Arbeitnehmerkammer Bremen
Weitere Informationen
Airbus Deutschland GmbH
Hünefeldstr. 1 – 5
28199 Bremen
Personalabteilung
Frau Alke
Tel.: 0421 / 538 25 13
Betriebsrat
Herr Dahnken
Tel.: 0421 / 538 41 58
89
Arbeitnehmerkammer Bremen
Brauerei Beck & Co, Bremen
Altersteilzeit ohne Grenzen: Ausstieg der Älteren – Einstieg der Jüngeren
Rechtsgrundlagen
Die Bremer Brauer-Societät und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten haben
bereits auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vom August 1996 einen Tarifvertrag zur Einführung von Altersteilzeit im März 1998 abgeschlossen (in Kraft seit 1.
März 1998). Für den – im Jahre 2000 eingetretenen – Fall, dass das Altersteilzeitgesetz verlängert wird, verlängert sich entsprechend dieser Tarifvertrag. Die Betriebsvertragsparteien der Brauerei Beck & Co (Bremen) haben auf der Grundlage dieses
Tarifvertrages gleichfalls im März 1998 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen
(gleichfalls in Kraft seit 1. März 1998). Die Laufzeit der Betriebsvereinbarung ist an
die Laufzeit des Tarifvertrages gebunden.
Regelung der Altersteilzeit
Altersteilzeit wird den Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr vollendet und eine
Vollzeitbeschäftigung von 1080 Kalendertagen innerhalb der letzten 5 Jahre vor
Beginn der Altersteilzeit vorzuweisen haben, gemäß dem damaligen Altersteilzeitgesetz angeboten.
Das Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis darf die Dauer von zwei Jahren nicht unter- und
von fünf Jahren nicht überschreiten. „Eine kürzere Laufzeit muß durch Betriebsvereinbarung vereinbart werden. Sie ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar im
Anschluß an das Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Altersruhegeld hat und insoweit
das Altersruhegeld nach Altersteilzeit (...) nicht in Anspruch nehmen muß.“ (Tarifvertrag)
Die Umsetzung der Altersteilzeit soll gemäß Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung
erfolgen. Auch die Verteilung der in Altersteilzeit zu leistenden Hälfte der bisherigen
wöchentlichen Arbeitszeit soll durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Gemäß
Tarifvertrag kann während des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses die Hälfte der
bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit so verteilt werden, „daß sie innerhalb eines
Jahreszeitraumes im Durchschnitt die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit nicht überschreitet. Einzelheiten sind durch Betriebsvereinbarung zu
regeln.“ (Tarifvertrag)
Nach dem ATZ-Gesetz dürfen beim Blockmodell die beiden Zeitblöcke ohne tarifvertragliche Grundlage jeweils nicht länger als 1 ½ Jahre betragen. Die Vereinbarung von
mehr als 3 Jahre umfassenden Verteilzeiträumen ist nur dann möglich, wenn ein
Tarifvertrag dieses zulässt (Tarifvorbehalt). Der zwischen der Bremer Brauer-Societät
und der Gewerkschaft NGG abgeschlossene Tarifvertrag ermöglicht es den Betriebsvertragsparteien, für ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis einen Zeitraum von mehr als
drei Jahren „verblockte“ Altersteilzeit abzuschließen.
90
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Betriebsvereinbarung ermöglicht den Altersteilzeit-Beschäftigten bei der Verteilung
ihrer Arbeitszeit eine Vielfalt von Optionen:
„Die wöchentliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in Altersteilzeit beträgt die Hälfte
der regelmäßigen Wochenarbeitzeit. Die Verteilung der Arbeitszeit erfolgt nach zwei
Modellen.
Altersteilzeit Arbeitsmodell 1
Soweit die Arbeitszeit innerhalb eines Jahreszeitraumes im Durchschnitt die Hälfte der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet, kann gem. den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes einzelvertraglich vereinbart werden, daß der
Arbeitnehmer
– täglich mit der hälftigen Arbeitszeit,
– nur eine bestimmte Anzahl von Tagen pro Woche,
– im wöchentlichen Wechsel,
– im monatlichen Wechsel
arbeitet.
Altersteilzeit Arbeitsmodell 2
Es kann einzelvertraglich vereinbart werden, daß die während der Gesamtdauer des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anfallende Arbeitszeit in einem Zeitraum bis zu 5
Jahren so verteilt wird, daß diese in der ersten Hälfte des Zeitraumes in Vollzeit
geleistet wird (Arbeitsphase) und der Arbeitnehmer in der zweiten Hälfte von der
Arbeitsleistung freigestellt wird (Freistellungsphase).“ (Betriebsvereinbarung, § 3)
Aufstockung der Altersteilzeit-Leistungen
Die Berechnung des Arbeitsentgeltes für die Altersteilzeit-Beschäftigten wird gemäß
Tarifvertrag auf Jahresbasis vorgenommen: „Die Vergütung für die Altersteilzeit
errechnet sich auf der Basis des Entgeltes, das der Arbeitnehmer bei einer Vollzeitbeschäftigung im Kalenderjahr erzielt hätte. Einzelheiten sind durch Betriebsvereinbarung zu regeln.“ (Tarifvertrag)
Gemäß Betriebsvereinbarung werden auf Jahresbasis die tariflichen Sonderzahlungen
bei der Berechnung des monatlichen Arbeitsentgeltes für die AltersteilzeitBeschäftigten mit eingeschlossen.
„Das monatliche Arbeitsentgelt errechnet sich nach Maßgabe der gemäß dieser
Vereinbarung reduzierten Arbeitszeit wie folgt:
Monatsentgelt x 12 + Urlaubsgeld + Jahressonderzahlung + VL
12 x 2
Die Vergütung ist unabhängig von dem gewählten Arbeitszeitmodell während der
Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu zahlen.“ (Betriebsvereinbarung)
Wie ein Muster-Altersteilzeit-Arbeitsvertrag des Betriebes zeigt, werden das Urlaubsgeld (etwa ein Drittel eines Monatsentgeltes) und die Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld = 13. Monatsentgelt) sowie die vermögenswirksamen Leistungen zusam91
Arbeitnehmerkammer Bremen
men mit dem Monatsentgelt in voller Höhe für die Berechnung des VollzeitJahresentgeltes herangezogen, um anschließend das monatliche Vollzeit-Bruttoentgelt
(1/12) zu ermitteln. Das monatliche Altersteilzeit-Bruttoentgelt beträgt davon die
Hälfte.
Gemäß Tarifvertrag wird das Altersteilzeit-Entgelt auf 85 Prozent des bisherigen
monatlichen Nettoentgeltes aufgestockt: „Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhält der Arbeitnehmer eine Aufstockungszahlung auf die Altersteilzeitvergütung. Diese ist so zu bemessen, daß das monatliche Nettoentgelt 85 % des um
die gesetzlichen Abzüge verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelts
beträgt. Höhere Aufstockungszahlungen können durch Betriebsvereinbarung geregelt
werden.“ (Tarifvertrag) Diese Aufstockungszahlung (85 % des bisherigen Nettoentgelts) ist gleichfalls in der Betriebsvereinbarung enthalten.
Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge
auf 90 Prozent wird gemäß Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung sogar noch auf 95
Prozent erhöht: „Neben den Sozialversicherungsbeiträgen auf die Vergütung (während
der Altersteilzeitarbeit) entrichtet Beck & Co zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Beitrag für die
Altersteilzeitvergütung und dem Beitrag, der auf 95 % des Entgelts (entfällt), das der
Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn seine Arbeitszeit nicht durch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vermindert worden wäre, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.“ (Betriebsvereinbarung)
Ein Ausgleich für Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand nach der Altersteilzeitarbeit ist weder in dem Tarifvertrag noch in der Betriebsvereinbarung vorgesehen.
Allerdings erhalten die Beschäftigten – unabhängig von der Betriebsvereinbarung zur
Altersteilzeit – eine monatliche Betriebsrente in Abhängigkeit von der Dauer ihrer
Betriebszugehörigkeit (Niedrigstwert nach 10 Jahren: 75 DM, nach 20 Jahren: 130
DM, nach 25 Jahren: 200 DM, Höchstwert nach 40 Jahren: 250 DM). Weiterhin
werden zusätzliche Treue-Zahlungen, die die Betriebsrente monatlich noch aufstokken, vom Unternehmen den Beschäftigten ausgezahlt (z. B. nach 25 Jahren: 25 DM,
nach 40 Jahren: 75 DM). Die Betriebsrente wird bereits mit Beginn der Altersrente
nach Altersteilzeitarbeit gezahlt, also auch vor dem 65. Lebensjahr.
Inanspruchnahme der Altersteilzeit in der Brauerei Beck & Co
Zum Zeitpunkt der Befragung (März 2002) hatten (seit März 1998) ca. 200 Beschäftigte Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Bezogen auf eine – in diesen vier
Jahren relativ konstant bleibende – Gesamtbelegschaft von ca. 1450 Beschäftigten
ergibt sich somit eine Altersteilzeitquote von rund 14 Prozent. Der Tarifvertrag enthält
keine allgemeine Überforderungsschutzklausel – auch keine Anspruchseinschränkungen nach Jahrgängen der älteren Beschäftigten.
Obwohl kein Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit im Tarifvertrag
besteht, werden in der betrieblichen Praxis der Brauerei die Anträge auf Altersteilzeit
92
Arbeitnehmerkammer Bremen
umfassend genehmigt. Der Grundsatz des Unternehmens besteht darin, „freiwillige
Entscheidungen“ der Beschäftigten zu akzeptieren und „individuelle Lösungen“ zu
ermöglichen (Leiter Personalmanagement). Auch im „Grundsatz“ der Betriebsvereinbarung wird das Moment der „Freiwilligkeit“ in der gegenseitigen Vereinbarung
hervorgehoben: „Aufgrund dieser Betriebsvereinbarung kann zwischen Beck & Co und
dem Arbeitnehmer eine freiwillige Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis
nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Einführung von Altersteilzeit und der in dieser
Betriebsvereinbarung genannten Rahmenbedingungen geschlossen werden.“
Obwohl die Betriebsvereinbarung vielfältige Teilzeitmodelle (auf täglicher, wöchentlicher, monatlicher Ebene) ermöglicht (Arbeitsmodell 1), wird im Betrieb nahezu
ausschließlich das Blockmodell (mit Laufzeiten zwischen 2 und 5 Jahren) praktiziert
(Arbeitsmodell 2). Die Wahl des Blockmodells ist auf dem Hintergrund der Organisation von Schichtarbeit wie auch der Struktur der Belegschaft zu sehen. Der Frauenanteil beträgt ca. 10 Prozent; die weiblichen Beschäftigten arbeiten vorwiegend im
Verwaltungsbereich. Von 1450 Beschäftigten sind ca. 900 Gewerbliche (62 %), ca.
550 sind Angestellte (38 %). In der Brauerei wird weitgehend im traditionellen DreiSchicht-System (6 – 14 Uhr, 14 – 22 Uhr, 22 – 6 Uhr) gearbeitet – mit der Abfolge
für die Beschäftigten: Nacht-, Spät-, Frühschicht im wöchentlichen Wechsel. In
einigen Bereichen gibt es auch ein Zwei-Schicht-System.
Das Teilzeitmodell wird nur vereinzelt gewählt, nahezu alle Beschäftigten der Brauerei
entscheiden sich für das Blockmodell:
„Wir haben, muss ich überlegen, eins, zwei, drei, wo ich Ihnen jetzt definitiv sagen
kann, die haben nicht das Blockmodell gewählt. Also von den 200 wählen alle das
Blockmodell. (...) Wir hatten hier zwei Tischler, da hat der eine gesagt: „Ich arbeite
einen Monat.“, und der andere hat gesagt: „Dann arbeite ich den Monat, wo du nicht
da bist.“. Und dann hatten wir einen, der hat das, glaube ich, im Wochenwechsel
gemacht. Aber das sind die Drei, die mir jetzt einfallen. Alle anderen habe diese
Blockmodelle gewählt zwischen 24 und 60 Monaten.
(Gründe für die Wahl des Blockmodells?) Das geht von den Beschäftigten aus. Ja.
Das geht von den Beschäftigten aus, die dann einfach sagen: „OK, jetzt habe ich noch
2 ½ Jahre, und dann bereite ich mich 2 ½ Jahre auf das Rentnerdasein vor, indem
ich schon zu Hause bin, nehme aber immer noch an Betriebsversammlungen teil, bin
hier im Betrieb noch integriert.“ Wir kriegen ja auch hier unseren Freitrunk, die
kommen denn auch mal in unseren Mitarbeitershop. Das heißt also, die ziehen sich
langsam zurück, in der Freistellungsphase. Es gibt welche, die sagen: „Ich komme gar
nicht mehr.“, und manche, die turnen dann noch hier herum, die sind immer noch
Mitarbeiter, dürfen sich auch auf dem Gelände bewegen. Das bedeutet, die können
hier Mittagessen gehen, auch mal mit den Kollegen schnacken, welche kommen
überhaupt nicht mehr, die sehen Sie dann nicht mehr. Die sehe ich dann in 2 ½
Jahren wieder bei der Rentenantragstellung. Aber beim Blockmodell sagen die
meisten: „Dann weiß ich, was hier ist, ich habe dann noch 2 ½ Jahre hier zu
arbeiten, und ab da bleibe ich dann zu Hause. Habe dann immer noch das Gehalt
93
Arbeitnehmerkammer Bremen
aus der Berechnung des Unternehmens, und dann habe ich mich fünf Jahre darauf
eingestellt, weil die Rente ist ja im Vorfeld auch schon pi mal Daumen besprochen
worden.“
(Gründe für Ablehnung des Teilzeitmodells?) Die Gründe dafür, dass sie sagen: „Es ist
ein Blödsinn, dass ich hier die nächsten fünf Jahre noch im Unternehmen rumturne,
wenn ich das Modell wähle, ein Monat arbeiten, ein Monat zu Hause bleiben. Ich
weiß, dass ich jetzt hier 40 Jahre gearbeitet habe, wähle noch die letzten 2 ½ Jahre
als Arbeitszeit, und dann mache ich einen Schnitt. Dann will ich den Rest auch zu
Hause bleiben. Ich will also nicht vom 60sten, 62sten Lebensjahr ab noch im
Unternehmen verbringen, auch wenn ich im wöchentlichen Wechsel das mache,
sondern ich möchte dann schon sagen: „Jawohl, mit 62 ½ Jahren verlasse ich den
Betrieb“, das ist so ein psychologischer Grund bei den meisten, die dann sagen: „Mit
62 bin ich raus.“, „Mit 60 bin ich raus.“, und nicht: „Mit 65 bin ich noch da.“ Die
wollen einen Schnitt machen.“ (Betriebsrat)
Das Durchschnittsalter der Beschäftigten liegt bei ca. 40 Jahren. Etwa 300 Beschäftigten (ca. 21 %) befinden sich im Alter von über 50 Jahren. Bedenkt man, dass ca.
200 Beschäftigte (ca. 14 %) bereits Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen
haben, die zumindest das Alter von 55 Jahren bei Beginn der Altersteilzeit haben
müssen, so lässt sich der Schluss ziehen, dass die Anspruchsberechtigten umfassend
von der Altersteilzeit Gebrauch machen. (Den Anteil der Beschäftigten im Alter der
Anspruchsberechtigten – 55 und mehr Jahre – konnten wir leider nicht ermitteln.)
„Es gibt einige wenige, die es nicht machen. Wir haben ja auch in die Vereinbarung
hinein geschrieben, dass es auf freiwilliger Basis ist. Das Unternehmen macht eine
freiwillige Vereinbarung mit dem Mitarbeiter, damit haben wir bezwecken wollen,
dass nicht das Unternehmen kommt und sagt dem 60-Jährigen, dem bieten wir nun
eine Altersteilzeit an, und er muss sie dann machen. Wir haben jetzt hier noch sehr
wenige, die das eigentlich noch in Anspruch nehmen können.“ (Betriebsrat)
„Also, wir haben das auf freiwilliger Basis gestellt. Es gibt auch diese Quotierung
nicht. Ich habe es in diesen vier Jahren, März 98 haben wir damit begonnen mit der
Vereinbarung, habe ich es nicht erlebt, dass einer Altersteilzeit machen möchte und
diese Altersteilzeit abgelehnt bekommt. Ich habe auch schon vielfach mitbekommen,
dass Kollegen, die angesprochen worden sind auf Altersteilzeit, die sagen: „Das
mache ich nicht.“ Daher die Freiwilligkeit, dass das Unternehmen nicht sagen kann:
„Komm, du bist jetzt in dem Alter, du musst.“ Es gibt keinen Druck von der Betriebsleitung auf ältere Kollegen, in Altersteilzeit zu gehen.“ (Betriebsrat)
Nach Einführung der Altersteilzeit (März 1998) stellte sich den älteren Jahrgängen,
die noch unter die Vertrauensschutzregelung fielen, das Problem der Rentenabschläge
bei vorzeitigem Ruhestand noch nicht:
„Das haben wir auch damals, als wir ’98 anfingen, gar nicht mit berücksichtigt. Weil,
es waren ja die Leute, die hier die Vertrauensschutzregelung hatten: über 45 Jahre
Pflichtbeiträge, die mit 60 ohne Abschläge in Rente gegangen sind. Ich sag mal, ’98
94
Arbeitnehmerkammer Bremen
haben sie uns damit überfallen. Die Leute haben uns überfallen und haben gesagt:
„Jawohl, nach diesem System, das hätte ich gerne.“ Jetzt kommt es nach und nach
so, dass die Kollegen sagen: „Mensch, da habe ich ja Abschläge in der Rente.“ Aber
ich sagte ja eingangs, das ist auf freiwilliger Basis, und derjenige, der dann diese
Altersteilzeit machen möchte, dem können wir auch gleich errechnen, wie viel
Abschläge er in Rente hat. Und dann kann er sagen: „Jawohl, mache ich.“ Oder aber,
wir haben ja die Höchstlaufzeit von 60 Monaten, da könnte er rein theoretisch auch
sagen: „Ich fange mit 60 einen Altersteilzeitvertrag an, der endet dann eben mit 65,
und ich habe keine Abschläge.“ Aber wir sagen auch, wenn ein 55-Jähriger zu uns
kommt und sagt: „Ich möchte das!“, dann sagen wir dem aber auch: „Dann hast du
18 Prozent Abschläge in Rente.“ Und dann ist es für ihn die Frage: Mach ich es, lass
ich es bleiben, oder ich komme im nächsten Jahr noch mal. Daher die Freiwilligkeit.“
(Betriebsrat)
Dauer der Inanspruchnahme von Altersteilzeit
Die Altersteilzeit wird aufgrund der Rentenabschläge von den jüngeren Jahrgängen
gemäß ihrem jeweiligen Lebensalter „zögerlicher“ genutzt – der Beginn erfolgt in
einem höheren Lebensalter: „Da sind die in der Tat zögerlicher. Die dann sagen, ich
schieb den Beginn bis zum 57sten, 58sten, 59sten, den Beginn, um das weiter bis
zu 65 Jahren zu schieben, um die Rentenabschläge noch zu minimieren, auf 7,2
Prozent zum Beispiel mit 63 Jahren. Das ist das Hauptmotiv für den späteren Beginn,
das Hauptmotiv sind die Abschläge in der Rente.“ (Betriebsrat)
Die Personalabteilung hat uns für die abgeschlossenen Altersteilzeitverträge eine nach
Geburtsjahrgängen gegliederte Liste (Stand: Mai 2003) zur Verfügung gestellt, in der
pro Einzelvertrag (ohne Namensnennung) die Daten für Beginn und Ende der Altersteilzeit (incl. Ende der Arbeitsphase gemäß Bockmodell) enthalten sind. Auf dieser
Basis konnten wir für die einzelnen Geburtsjahrgänge (keine Nennung des Geburtsmonats in der Liste) das Lebensalter kalkulieren, in dem die Beschäftigten jeweils die
Arbeitsphase und die Freistellungsphase sowie den Rentenbezug beginnen – jeweils in
Verbindung mit der jeweiligen Laufzeit ihres Altersteilzeitvertrages.
Die statistische Auswertung lässt eine Systematik in der Nutzung der Altersteilzeit
durch die Geburtsjahrgänge 1937 – 1945 erkennen, die zum einen durch die
veränderten Rahmenbedingungen (Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach
Altersteilzeitarbeit), zum andern durch die – betrieblich und gesellschaftlich geprägten
– Vorstellungen über den „richtigen“ Zeitpunkt für das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bestimmt sind.
95
Arbeitnehmerkammer Bremen
Abbildung 5: Dauer der Altersteilzeit in Verbindung mit dem Lebensalter
(Brauerei Beck & Co)
Jahrgang
1937
(16 Fälle)
Jahrgang
1938
(21 Fälle)
Jahrgang
1939
(25 Fälle)
Jahrgang
1940
(40 Fälle)
Jahrgang
1941
(25 Fälle)
Jahrgang
1942
(32 Fälle)
Jahrgang
1943
(16 Fälle)
Jahrgang
1944
(23 Fälle)
Jahrgang
1945
(14 Fälle)
212
Laufzeit 2 Jahre
Laufzeit 3 Jahre
Laufzeit 4 Jahre
Laufzeit 5 Jahre
Alter bei Beginn
ArbeitsFreiRente
phase stellung
Alter bei Beginn
ArbeitsFreiRente
phase stellung
Alter bei Beginn
ArbeitsFreiRente
phase stellung
Alter bei Beginn
ArbeitsFreiRente
phase stellung
61
13 Fälle
62
63
61
16 Fälle
60
61
1 Fall
62,5
64
61
2 Fälle
63
65
–
–
–
5 Fälle
62
60
61,5
63
–
–
–
–
–
–
59
60
62
9 Fälle
60,5
61,5
63,5
62
63
65
59
4 Fälle
61
63
–
–
–
58
59
61
4 Fälle
60
61
63
62
63
65
–
–
–
57
58
59
60
61
6 Fälle
59
60
60
62
63
61
62
61
64
65
57
3 Fälle
59,5
62
59
60
12 Fälle
60
61
61
62
58
59
60
61
26 Fälle
59
60
61
62
60
61
62
63
58
59
10 Fälle
59,5
61
60,5
62
58
59
4 Fälle
59
60
60
61
57
58,5
60
12 Fälle
58,5
60
60
61,5
61,5
63
58
59
2 Fälle
59
60
60
61
57
60
3 Fälle
58,5
61,5
60
63
56
58
59
60
9 Fälle
58
60
61
62
60
62
63
64
56
57
58
59
60
18 Fälle
58,5
59,5
60,5
61,5
62,5
61
62
63
64
65
56
1 Fall
57
58
55
57
60
3 Fälle
56,5
58,5
61,5
58
60
63
56
59
2 Fälle
58
61
60
63
55
56
57
58
60
10 Fälle
57,5
58,5
59,5
60,5
62,5
60
61
62
63
65
–
–
–
–
–
–
56
58
6 Fälle
58
60
60
62
55
56
57
58
17 Fälle
57,5
58,5
59,5
60,5
60
61
62
63
–
–
–
–
–
–
56
57
3 Fälle
58
59
60
61
55
56
57
58
11 Fälle
57,5
58,5
59,5
60,5
60
61
62
63
74
43
36
Die Schwerpunkte der Phasen in den Feldern sind unterstrichen.
96
59
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Jahrgänge 1937 und 1938 haben nach Einführung der Altersteilzeit im Betrieb
(1. März 1998) als ältere Beschäftigte die Chance ergriffen, mehrheitlich die minimale Laufzeit von zwei Jahren zu wählen, um mit 61 oder 62 Jahren das Arbeitsleben beenden zu können (Rentenbezug mit 62 oder 63 Jahren).
„Der Regelfall ist in den letzten zwei, drei Jahren fünf Jahre Laufzeit. Als wir damit
begonnen hatten, war der Regelfall zwei Jahre Laufzeit. Da gab es eben noch diese
Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, die noch eine Vertrauensschutzregelung hatten. Das
heißt, einer der ´98 58 war, hat natürlich einen 2-Jahres-Zeitraum gewählt, klar, um
schnell zu gehen, man hat die Abschläge damals nicht gehabt. Aber heute haben Sie
sehr viele, die fünf Jahre wählen, oder die meisten eigentlich, die wollen fünf Jahre
machen.“ (Betriebsrat)
Bezogen auf die Lebensstrecke, die die Beschäftigten sich für die 5-jährige verblockte
Altersteilzeit aussuchen, „dominiert das Cluster 58 bis 63 Jahre“ (Leiter Personalmanagement) – mit der Absicht, mit ca. 60 Lebensjahren den „Abschied vom Arbeitsleben“ zu nehmen, sowie mit dem Kalkül, die Rentenabschläge zu minimieren (7,2 %
mit vollendetem 63. Lebensjahr).
Beim Jahrgang 1939 überwiegt bei den Altersteilzeitverträgen gleichfalls die magische Zahl „60“ als Zeitpunkt des tatsächlichen (nicht: rechtlichen) Ausscheidens aus
dem Betrieb. Bei diesem Jahrgang treten neben der zweijährigen Laufzeit zunehmend
dreijährige Laufzeiten auf, mit denen der Rentenbeginn auf 62 – 63 Jahre gelegt wird
(Einsetzen der Rentenabschläge/Beschäftigte ohne Vertrauensschutz).
Beim Jahrgang 1940 dominieren gleichfalls noch zweijährige Laufzeiten gegenüber
den dreijährigen Laufzeiten – mit dem Schwerpunkt von 59 und 60 Lebensjahren für
das tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb. Damit hat sich das Durchschnittsalter, in dem die Beschäftigten ihr Arbeitsleben tatsächlich beenden, vom Jahrgang
1937 bis zum Jahrgang 1940 von 62 bis zu 59 Jahren kontinuierlich abgesenkt. Die
hohe Anzahl der Altersteilzeitverträge im Jahrgang 1940 (40 Fälle) könnte dadurch
sich erklären, dass die Beschäftigten mit Vertrauensschutz noch keine Rentenabschläge hinnehmen mussten (Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1942, mindestens
45 Jahre Pflichtbeiträge).
Beim Jahrgang 1941 dominieren drei- und vierjährige Laufzeiten der Altersteilzeitverträge – wiederum mit dem Schwerpunkt von 60 Lebensjahren für das tatsächliche
Ausscheiden aus dem Betrieb. Gleichzeitig wird erkennbar, dass zunehmend mehr
Beschäftigte ohne Vertrauensschutz – aufgrund der Rentenabschläge bei vorzeitiger
Inanspruchnahme der Rente – den Zeitpunkt des Rentenbeginns „nach hinten“
verlegen (62 bzw. 63 Jahre).
Bei den Jahrgängen 1942 und 1943 kommen zwei- und dreijährige Laufzeiten der
Altersteilzeitverträge kaum noch vor, es dominieren nunmehr vier- und fünfjährige
Laufzeiten. Die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit
„ohne Vertrauensschutz“ ist nunmehr (Jahrgang 1937 – Jahrgang 1941) voll „durchgereicht“. Ab Jahrgang 1942 müssen die Beschäftigten 18 Prozent dauerhafte
97
Arbeitnehmerkammer Bremen
Rentenminderung hinnehmen, wenn sie mit 60 Lebensjahren die Rente vorzeitig in
Anspruch nehmen. Damit wird gegenüber der vierjährigen zunehmend die fünfjährige
Laufzeit von den Beschäftigten gewählt, beim Jahrgang 1943 schon wesentlich
häufiger als beim Jahrgang 1942, um eine Streckung des Rentenbeginns bis zum
vollendeten 63. Lebensjahr zu erreichen (7,2 % Rentenabschläge). Bei der 5-jährigen
Laufzeit entfällt bei den Jahrgängen 1942 und 1943 jeweils exakt die Hälfte dieser
Altersteilzeitverträge auf die Lebensstrecke „58 – 60,5 – 63“ Jahre (Blockmodell).
Bei den Jahrgängen 1944 und 1945 kommen zwei- und dreijährige Laufzeiten der
Altersteilzeitverträge überhaupt nicht mehr vor; weiterhin überwiegen – wie schon bei
den Jahrgängen 1942 und 1943 – die fünfjährigen deutlich gegenüber den vierjährigen Laufzeiten. In Verbindung mit dem Lebensalter dominiert bei der fünfjährigen
Laufzeit die Lebensstrecke „57 – 59,5 – 62“ bzw. „58 – 60,5 – 63“ Jahre. Bei den
Jahrgängen 1946 und 1947 lagen nur noch fünfjährige Laufzeiten vor (zusammen 12
Altersteilzeitverträge).
Die magische Zahl „60“ hat sich offenbar bei den Beschäftigten als Zielpunkt ihres
tatsächlichen „Abschieds vom Arbeitsleben“ etabliert. Die Streckung der Laufzeit des
Altersteilzeitvertrages auf das (gemäß Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung) zulässige
Maximum von fünf Jahren ermöglicht es den Beschäftigten, die dauerhaften Rentenabschläge in noch vertretbaren Grenzen zu halten (Rentenbezug mit vollendetem 62.
Lebensjahr (10,8 %) bzw. mit vollendetem 63. Lebensjahr (7,2 %). Der Anteil der
Betriebsrente am zu erwartenden Renteneinkommen dürfte bei einer langen Betriebszugehörigkeit der Brauerei-Beschäftigten diese Abschläge bei der gesetzlichen Rente
in etwa ausgleichen.
Zusammenfassung
Die hohe Nutzung der Altersteilzeit in der Brauerei Beck & Co (Bremen) ist auch auf
dem Hintergrund eines relativ hohen Gehaltsniveaus zu sehen. Der Ecklohn (Lohngruppe 4) eines Facharbeiters liegt bei 2500 Euro (Leiter Personalmanagement).
„Die 100-Prozent-Gruppe, da sind also alle drinne, die weiter ausgebildet worden
sind, bzw. die die ungelernt sind, die ist bei 4750 Mark Grundlohn. Das Ende der
Fahnenstange ist im gewerblichen Bereich bei 5600 Mark. Das ist der Grundlohn,
dazu kommen dann noch diese 25 Prozent Zulagen für Schichtarbeit.“ (Betriebsrat)
Das relativ hohe Gehaltsniveau, die im höheren Lebensalter belastende Schichtarbeit,
die vom Betrieb praktizierte „Freiwilligkeit“ der Inanspruchnahme von Altersteilzeit –
wie auch der Verzicht des Betriebes auf eine Quotenregelung – führen zu einer
umfassenden Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Brauerei-Beschäftigten
(95 % der Geburtsjahrgänge gemäß Aussage des Leiters Personalmanagement).
„Sie müssen davon ausgehen, dieses Altersteilzeitgesetz ist ja eine schöne Sache,
wenn man das erstens auf freiwillige Füße stellt, wenn es zweitens keine Quotierung
gibt. Und diese ganzen Dinge, Altersteilzeit zu machen, das können sich nur die
großen Firmen leisten, also die Firma kann es sich leisten. Und dann müssen Sie sich
98
Arbeitnehmerkammer Bremen
mal das Gehaltsniveau angucken. VW, Beck’s, Mercedes, große Betriebe, die können
sich das leisten, die haben auch ein hohes Gehaltsniveau. Jetzt gehe ich mal in den
Einzelhandel und sage, eine Verkäuferin mit 3200 Mark, die sollte Altersteilzeit
machen, selbst mit den Werten, die wir haben, 85 Prozent, die kann sich das nicht
leisten. Wenn Sie dann auch noch einen Tarifvertrag über die betriebliche Altersvorsorge haben, wo die betriebliche Altersvorsorge erst mit 65 ausgezahlt wird, dann
kann es doch für die schon gar nicht möglich sein, in Altersteilzeit zu kommen,
während das hier relativ problemlos ist. Hier muss man nicht bis 65 warten, bis die
Betriebsrente ausgezahlt wird, hier wird die Betriebsrente fällig, sobald es eine
gesetzliche Rente gibt, also schon mit 60 wird die Betriebsrente einsetzen, wenn
einer mit 58 anfängt, zwei Jahre Altersteilzeit zu machen, und dann mit 60 die
Altersrente nach Altersteilzeit bezieht.“ (Betriebsrat)
Aus beschäftigungspolitischer Sicht ist hervorzuheben, dass der Betrieb die Stellen der
über Altersteilzeit ausscheidenden Mitarbeiter umfassend wieder besetzt (sowohl mit
Arbeitslosen als auch mit Ausgebildeten). Der Betrieb hat eine Ausbildungsquote von
6 Prozent (Facharbeiter/Fachangestellte). Die vom Betrieb Ausgebildeten werden vom
Betrieb weitgehend übernommen (Erstattung der gesetzlichen Altersteilzeitleistungen
durch das Arbeitsamt im Falle der Wiederbesetzung).
„Ja, als wir ´98 damit angefangen hatten, da hatten wir ja diese 1440 Mitarbeiter
noch, und die haben wir heute auch. Das heißt, diese 200 Leute sind ersetzt worden,
selbstverständlich dann aber auch durch die Jüngeren. Hier wird Altersteilzeit nicht
für Personalabbau benutzt. Wir hatten hier, als wir damit begonnen hatten, im März
98, wohl so 1440 Mitarbeiter, die haben wir heute auch. Das heißt, die 200, die,
wenn Sie so wollen, nicht mehr im Betrieb sind, bzw. die jetzt nicht mehr in der
aktiven Phase sind, die sind ersetzt worden. Da hat sich nichts an der Gesamtzahl
geändert. Es mussten Neueinstellungen vorgenommen werden.“ (Betriebsrat)
Weitere Informationen
Brauerei Beck & Co
Am Deich 18/19
28199 Bremen
Personalabteilung
Herr Mailand
Tel.: 0421 / 50 94 43 06
Betriebsrat
Herr Beneke
Tel.: 0421 / 50 94 48 18
99
Arbeitnehmerkammer Bremen
Teil III
Nutzung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst des Landes Bremen
Rechtsgrundlagen
Rahmenbedingungen
Entwicklung der Altersstruktur
Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen
Altersstruktur und Personalplanung
100
Arbeitnehmerkammer Bremen
Öffentlicher Dienst des Landes Bremen
Rechtsgrundlagen
Im öffentlichen Dienst besaßen die Angestellten und Arbeiter/innen mit dem „Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit“ bereits ab dem 1. Mai 1998 Anspruch auf
Altersteilzeitarbeit. Dieser Tarifvertrag enthielt sogar einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Eine Anspruchseinschränkung bestand darin, dass der Arbeitgeber die Altersteilzeit verweigern konnte, „wenn
dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dagegen stehen“. Die Arbeitnehmer/innen hatten die üblichen Voraussetzungen zu erfüllen: Sie mussten das 55.
Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren zurückgelegt haben,
weiterhin mussten sie in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt gewesen sein. Das individuelle Nettoarbeitsentgelt muss zusammen mit
der steuer- und sozialversicherungsfreien Aufstockungsleistung den Mindestnettobetrag von 83 Prozent des bisherigen Vollzeit-Nettoarbeitsentgeltes erreichen. Die
Beiträge des Arbeitgebers an die Rentenversicherung werden gemäß der gesetzlichen
Regelung auf 90 Prozent des Vollzeitarbeitsentgeltes angehoben. Die teilweise
Kompensation für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug fällt dagegen äußerst
gering aus: Gemäß Tarifvertrag ATZ (Mai 1998) erhält ein/e Beschäftigte/r im
öffentlichen Dienst für je 0,3 Prozent Rentenabschlag eine Abfindung von 5 Prozent
des Entgelts im letzten Monat vor Ende der Altersteilzeit. Diese geringe Kompensation
von Rentenabschlägen ist im neuen Tarifvertrag Altersteilzeit der Gewerkschaft ÖTV
erhalten geblieben (Jahr 2000).
Im Gegensatz zu vielen Tarifverträgen von Industriegewerkschaften, die ausschließlich
das Blockmodell vorgeben, zeichnet sich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV (Mai
1998) bei der Verteilung der Arbeitszeit dadurch aus, dass während der Altersteilzeitarbeit alle Formen der Verteilung möglich sind. Außer dem tariflich geregelten
langfristigen Blockmodell (maximale Dauer: bis zu zehn Jahren) können die Arbeitnehmer/innen auch andere, den Vorschriften des Altersteilzeit-Gesetzes entsprechende
Gestaltungsformen wählen: Neben der traditionellen „Halbtagsbeschäftigung“ kann
auch ein variables „Teilzeitmodell“ gewählt werden, bei dem im täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Rhythmus Arbeit und Freizeit einander abwechseln. Diese Wahlmöglichkeit ist im Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Tarifrunde
2000 erhalten geblieben.
Hinsichtlich der Altersteilzeit-Regelung ist hervorzuheben, dass es den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ÖTV, DAG, usw.) in der Tarifrunde 2000 gelang, die
Änderungen des Altersteilzeit-Gesetzes im Tarifvertrag zur Altersteilzeit zügig aufzunehmen. Während die Teilzeitbeschäftigten gemäß dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung
der Altersteilzeit ab dem 1. Januar 2000 einen gesetzlichen Anspruch auf Altersteil101
Arbeitnehmerkammer Bremen
zeit haben, haben gemäß Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV die Teilzeitbeschäftigten
des öffentlichen Dienstes ab dem 1. Juli 2000 erstmals einen tariflichen Anspruch auf
Altersteilzeit. Die Laufzeit des Tarifvertrages zur Altersteilzeit ist im öffentlichen Dienst
– im Gegensatz zu den Tarifverträgen in der privaten Wirtschaft – unbefristet. Die
Altersteilzeit kann weiterhin auf bis zu zehn Jahre verteilt werden. Die Förderhöchstdauer ist mit dem 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft ab 1. Juli
2000) von fünf auf sechs Jahre – und die Mindestnachbesetzungsdauer gleichfalls um
ein Jahr von drei auf vier Jahre – erhöht worden. Selbst wenn keine Förderung der
Bundesanstalt für Arbeit über diesen Zeitraum hinweg erfolgt, haben die Arbeitnehmer/innen Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsbeträge für die
gesamte Dauer des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses. Das Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis muss für die Dauer von mindestens zwei Jahren vereinbart werden, um den
Anspruch auf die „Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit 60
Jahren zu erwerben. Nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit ist es ansonsten aber auch
möglich, eine kürzere Dauer der Altersteilzeit zu vereinbaren. Aufgrund der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeit-Gesetzes (in Kraft ab 1. Juli 2000) vom
31. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2009 muss demnach gemäß der aktuellen
Gesetzeslage ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis noch vor dem 1. Januar 2010
beginnen. Damit wird den Beschäftigten und den Dienstvertragsparteien ein weiter
Planungshorizont für die individuelle und betriebliche Personalentwicklung eingeräumt. Im öffentlichen Dienst des Landes Bremen bildet ausschließlich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit die Rechtsgrundlage für die Angestellten
und Arbeiter/innen. Vom Gesamtpersonalrat wurde keine zentrale Regelung (Dienstvereinbarung) mit dem Arbeitgeber für diese Beschäftigten abgeschlossen.
Rahmenbedingungen
Aufgrund der „Haushaltsnotlage“ des Landes Bremen bilden „Personaleinsparungen“
im öffentlichen Dienst eine zentrale Steuerungsgröße für die Entwicklung des Personalbestandes. Während im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 die Personalausgaben
in den westlichen Bundesländern im Durchschnitt um 10 Prozent gestiegen sind, sind
sie demgegenüber im Lande Bremen um 10 Prozent gesunken. Diese Senkung der
Personalausgaben beruht zu einem großen Anteil auf der Ausgliederung von Betrieben
und Sonderhaushalten aus dem Kernbereich der öffentlichen Verwaltung. Etwa seit
1995 liegen die Personalausgaben auf nahezu konstantem Niveau – bei gleichzeitig
rückläufigem Personalbestand im öffentlichen Dienst (Land Bremen).
„Die Konstanz der Personalausgaben bedeutet, dass alle kostensteigernden Faktoren
wie wachsende Versorgungsausgaben oder Tarif- und Besoldungserhöhungen vor
allem durch die Reduzierungen des Beschäftigungsvolumens kompensiert werden.
Darum war es erforderlich, das Beschäftigungsvolumen gegenüber 1994 um 3.017
Vollkräfte zu reduzieren. (...) Während das Sanierungsziel im Jahre 2000 voll erreicht
wurde, bleiben bei der Realisierung personalwirtschaftlicher Ziele die Probleme der
Vorjahre weiterhin bestehen, auch wenn eine leichte Verbesserung eingetreten ist.
102
Arbeitnehmerkammer Bremen
Das personalwirtschaftliche Ziel besteht darin, dass trotz Personalabbaus der Umfang
von öffentlicher Beschäftigung und Ausbildung im gesamten „Konzern Bremen“ (nach
Kopfzahlen) kostenneutral tendenziell aufrecht erhalten wird, unter Einsatz neuer
personalwirtschaftlicher Instrumente sowie bei erheblichen Veränderungen in den
Strukturen und (auch tarifvertraglichen) Bedingungen von Beschäftigung und Ausbildung. Der Prozess der Haushaltskonsolidierung bedeutet demnach nicht nur eine
sozialverträgliche Reduzierung der Personalausgaben, sondern vor allem auch die
Sicherstellung beschäftigungs- und ausbildungspolitischer Effekte zur Revitalisierung
des Personalkörpers im Konzern Freie Hansestadt Bremen.“40
Als Kennzahl für die Messung der Zielerreichung wird die Zahl der Beschäftigten pro
Beschäftigungsvolumen genommen. Zwischen 1993 und 1995 hat sich diese
Kennzahl verschlechtert, seit 1996 wieder verbessert. Der Zuwachs der Teilzeitquote
hat wesentlich zu dieser Verbesserung beigetragen, sie stieg zwischen 1995 und
2000 von 27,4 Prozent auf 32,5 Prozent. Dieser Anstieg wurde seit 1998 wesentlich
durch die wachsende Inanspruchnahme der Altersteilzeit verursacht.
„Ein weiteres personalwirtschaftliches Ziel besteht in der Realisierung einer differenzierten und ausgewogenen Personalstruktur. Dazu dienen die Personalkennzahlen
(...). Fünf Kennzahlen stehen hierbei im Vordergrund, die im folgenden in der zeitlichen Entwicklung und im Soll-/Ist-Vergleich für das Jahr 2000 dargestellt werden
sollen.“41
Tabelle 1:
Entwicklung der Personalkennzahlen im Kernbereich insgesamt (in %)
Personalstruktur
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Alter unter 35 Jahren
16,3
15,6
15,2
14,6
14,2
13,7
13,0
12,7
Alter über 55 Jahren
11,8
13,5
14,3
16,1
17,0
17,8
19,6
20,6
Frauenquote
50,4
50,1
50,2
50,1
50,2
50,3
50,3
50,5
Teilzeitbeschäftigte
27,8
27,4
27,4
27,8
28,5
28,6
30,7
32,5
5,7
5,6
5,6
5,8
5,9
6,0
5,9
Schwerbehindertenquote
Der Anteil der weiblichen Beschäftigten an den Beschäftigten ist konstant bei 50
Prozent geblieben. Die Teilzeitquote der Beschäftigten ist von ca. 27 Prozent auf 32,5
Prozent gestiegen. Der Anteil der Beschäftigten im Alter von unter 35 Jahren ist
40
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, Personalentwicklung, Band I, Hrsg. vom Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen,
Einleitung.
41
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 5.
103
Arbeitnehmerkammer Bremen
kontinuierlich gesunken, während parallel dazu der Anteil der Beschäftigten im Alter
von über 55 Jahren kontinuierlich gestiegen ist (von 11,8 % im Jahr 1993 auf
20,6 % im Jahr 2000). Gemäß der Darstellung der Behörde zeigt der Soll-IstVergleich Diskrepanzen bei den Anteilen der jüngeren und älteren Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes auf (vgl. Tab. 2).
Tabelle 2:
Soll-Ist-Vergleich der Personalkennzahlen im Kernbereich
insgesamt (2000) (in %)
Personalstruktur
Soll
Ist
Alter unter 35 Jahren
16,0
12,7
Alter über 55 Jahren
18,0
20,6
Frauenquote
50,0
50,5
Teilzeitbeschäftigte
32,0
32,5
6,0
5,9
Schwerbehindertenquote
Verteilung der Beschäftigten im Jahr 2000:
„Von den 37.603 Mitarbeiter/innen entfielen 22.415 auf den Kernbereich der
bremischen Verwaltung, 2.290 auf die Betriebe, 4.302 auf die Sonderhaushalte, 81
auf die Stiftungen des Öffentlichen Rechts, 102 auf die Bremer Entsorgungsbetriebe
und 8.251 auf die Zentralkrankenhäuser. 40,4 Prozent aller Beschäftigten sind
demnach in Organisationseinheiten tätig, die entweder nach kaufmännischen Prinzipien geleitet und durch Wirtschaftspläne gesteuert werden oder zumindest im
Rahmen der Zuschussgewährung der öffentlichen Haushalte über eine erhöhte
Autonomie im Haushaltsvollzug verfügen.“42
Zwischen 1993 und 2000 ist die Zahl der Beschäftigten von 24.517 auf 20.911
gesunken (Rückgang um 14,7 %), zwischen 1993 und 2001 ist der Personalbestand
um 3.788 Personen gesunken (Rückgang um 15,5 %).
Entwicklung der Altersstruktur
Die „restriktive Einstellungspraxis“ hat im Zusammenhang mit der Verringerung des
Beschäftigungsvolumens (PEP-Quote = 2 Proz./Jahr) im Sanierungszeitraum zur
Alterung der Belegschaft geführt: Von 1993 bis 2001 ist das Durchschnittsalter der
Beschäftigten im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung von 44,5 Jahren auf 47,1
Jahre gestiegen.
42
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 12.
104
Arbeitnehmerkammer Bremen
Das folgende Schaubild zeigt die Verschiebung der Alterskurve nach oben (Sanierungszeitraum 1993 – 2000). Beide Kurven weisen jeweils zwei Gipfel mit einem
dazwischen liegenden Tal auf: Der Geburtsjahrgang 1948 (im Jahre 1993 im Alter
von 45 Jahren, im Jahre 2000 im Alter von 52 Jahren) bildet den ersten Gipfel, der
Geburtsjahrgang 1943 (im Jahre 1993 im Alter von 50 Jahren, im Jahre 2000 im
Alter von 57 Jahren) bildet den zweiten Gipfel – dazwischen liegt das Tal mit dem
Geburtsjahrgang 1945 (Geburtenrückgang nach Kriegsende): im Jahre 1993 im Alter
von 48 Jahren und im Jahre 2000 im Alter von 55 Jahren.
In den nächsten sieben Jahren (2003 – 2010) werden gemäß dem aktuellen Abgangsverhalten der älteren Beschäftigten die geburtenstarken Kriegsjahrgänge aus
dem öffentlichen Dienst ausscheiden (2. Gipfel). Der erste Gipfel (Geburtsjahrgang
1948) würde im Jahre 2010 (Alter von 62 Jahren) den Endpunkt einer mehr oder
minder stetig ansteigenden Kurve bilden – das absolute Gegenbild zu einer
Gauß’schen Normalverteilung!
Schaubild 1: Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
(1993 und 2000)
105
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Entwicklung der Altersstruktur im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 wird im
Jahresbericht 2000 von der Behörde wie folgt kommentiert:
„Auffallend ist die Schere auf der linken Seite der Kurve bis zum Alter von 48 Jahren.
Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf die Wirkungen einer restriktiven Einstellungspraxis
der vergangenen Jahre gegenüber dem hohen Einstellungsniveau der 60er- und 70erJahre. Die Rechtsverlagerung der Kurve ist nicht auf ein verändertes Abgangsverhalten
zurückzuführen, sondern auf eine stärkere Besetzung der einzelnen Jahrgänge. Eine
systematische Altersabhängigkeit der Abgänge beginnt mit 56 Jahren. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden im Durchschnitt immer älter. 1993 betrug das
Durchschnittsalter 44,5 Jahre; 2000 ist es auf 46,8 Jahre angestiegen.“43
Auch in der Sicht des Arbeitgebers bildet die Altersstruktur im öffentlichen Dienst „ein
Problem“44 – Antworten zur Lösung dieses Problems werden im Jahresbericht 2000
jedoch nicht gegeben, auch wenn die Notwendigkeit zur „Revitalisierung des Personalkörpers“ hervorgehoben wird.
Die Aufgliederung der Beschäftigten nach Alter und Geschlecht (vgl. Schaubild 2)
zeigt, dass im Jahre 2000 die Beschäftigten im Alter von unter 50 Jahren häufiger
Frauen als Männer sind, während bei den Beschäftigten im Alter von über 50 Jahren
die Männer gegenüber den Frauen überwiegen (Gipfel der männlichen Beschäftigten:
57 Lebensjahre im Jahre 2000, demnach im Jahre 2003 bereits 60 Jahre alt).
43
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 22.
44
Vgl. den Artikel im Weser-Kurier von W. Gerling: „Auffälliger Reifegrad unter Staatsdienern“
(27. Nov. 2002), in dem über die Vorstellung des Jahresberichtes 2001 berichtet wird:
„Bürgermeister Perschau machte keinen Hehl daraus, dass die Altersstruktur „ein Problem“ sei –
nicht zuletzt bei den Lehrkräften.“
106
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 2: Beschäftigte im öffentlichen Dienst nach Alter und Geschlecht (2000)
◆ männlich
 weiblich
Die Aufgliederung der Altersstruktur nach den drei Statusgruppen (vgl. Schaubild 3)
zeigt ein überraschendes Ergebnis: Das Problem der schiefen Altersverteilung ist in
erster Linie ein „Beamtenproblem“ (Gipfel bei 51 – 52 Lebensjahren sowie bei 56 –
57 Lebensjahren im Jahre 2000). Die Unkündbarkeit von Beamten nimmt dem
öffentlichen Arbeitgeber die Möglichkeit, die schiefe Altersverteilung in Richtung einer
normalen Altersstruktur zu verändern.
„Die Altersstruktur der Angestellten und Arbeiter ist relativ ausgewogen. Nur bei den
Beamten ist eine relative „Überalterung“ zu verzeichnen. Dies gilt insbesondere für die
männlichen Beamten. Ihr Durchschnittsalter beträgt 48,0 Jahre. Die hohe Zahl der
Beamten,die 44 Jahre oder älter sind, ist die Ursache für die zunehmende Fluktuation
und die wachsenden Versorgungslasten.“45
45
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 24.
107
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 3: Altersstruktur der Beschäftigten nach Statusgruppen (2000)
Schaubild 4: Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen (2000)
108
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Aufgliederung der Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen (Schaubild 4) zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den vier Laufbahngruppen: „Im
gehobenen und höheren Dienst existiert eine ungünstige Altersverteilung. Dies gilt
insbesondere für die männlichen Bediensteten. Ihr Durchschnittsalter im gehobenen
Dienst beträgt 49,0 Jahre und im höheren Dienst 52,5 Jahre. Dies zeigt, dass eine
vordringliche Aufgabe des Personalmanagements in den nächsten zehn Jahren darin
bestehen wird, die Führungsfunktionen des bremischen öffentlichen Dienstes neu zu
besetzen (...) Die Altersstruktur der Bediensteten im mittleren Dienst ist ausgeglichen.
Ihr Durchschnittsalter beträgt 42,5 Jahre.“46 Allein bei den Beschäftigten im mittleren
Dienst überwiegen die unter-45-jährigen gegenüber den über-45-jährigen Beschäftigten, bei den Beschäftigten im gehobenen und im höheren Dienst überwiegen – mit
ähnlichem Kurvenverlauf auf unterschiedlichem Niveau – massiv die über-45-jährigen
„Bediensteten“ (vgl. Schaubild 4). Bei den Beschäftigten im gehobenen Dienst liegt
das höchste Plateau zwischen zwei Gipfeln (48 und 52 Lebensjahre) und nach dem
„Geburtenknick“ des Geburtsjahrgangs 1945 folgt nochmals ein – etwas niedrigerer –
Gipfel (58 Lebensjahre). Ab 58 Jahren geht es dann „bergab“ (steiler Rückgang der
Kurve der älteren „Bediensteten“ des gehobenen Dienstes).
Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung
Die Struktur der Teilzeitarbeit wird durch die Entwicklung der Altersteilzeitarbeit
zunehmend modifiziert. Während im öffentlichen Dienst von 1993 – 1998 die
Teilzeitquote relativ konstant bei ca. 28 Prozent lag, ist sie seit Einführung der
Altersteilzeit (Tarifvertrag Altersteilzeit gilt seit 1. Mai 1998) deutlich gestiegen – auf
nunmehr ein Drittel der Beschäftigten.
Tabelle 3: Beschäftigte nach Vollzeit- und Teilzeitarbeit (1993 bis 2000)
Voll-/Teilzeit
insgesamt
1993
1994
1995
Anzahl
1996
1997
1998
1999
2000
24.517 24.044 23.400 23.017 22.522 21.918 21.442 20.911
davon:
Vollzeitbesch.
Teilzeitbesch.
Teilzeit-Quote
46
17.702 17.466 16.999 16.624 16.111 15.659 14.852 14.105
6.815
6.578
6.401
6.393
6.411
6.259
6.590
6.806
27,8 % 27,4 % 27,4 % 27,8 % 28,5 % 28,6 % 30,7 % 32,5 %
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 24 f.
109
Arbeitnehmerkammer Bremen
Bei den Vollzeitbeschäftigten ist im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 die Anzahl der
Beschäftigten beständig gesunken, bei den Teilzeitbeschäftigten ist von 1993 bis
1998 gleichfalls ein Personalabbau zu verzeichnen, nach der Einführung der Altersteilzeit steigt jedoch die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten auf ca. 6.800 Personen im
Jahre 2000 (und erreicht damit wieder das Ausgangsniveau des Jahres 1993). Der
Anstieg der Teilzeit-Quote ist demnach dem Wechsel von älteren Vollzeit-Beschäftigten in Altersteilzeit geschuldet.
„Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter/innen ist zwischen 1993 und 2000
von 27,8 Prozent auf 32,5 Prozent angestiegen. Er betrug 1999 bei den Ländern
23,8 Prozent, bei den Gemeinden 29,8 Prozent, bei den Ländern und Gemeinden 26
Prozent. In Bremen ist dieser Anteil relativ hoch; vor allem wenn bedacht wird, dass
der gesamte Hochschul- und Kliniksektor mit in der Regel höheren Teilzeitanteilen
fehlt. Sehr ausgeprägt ist die geschlechtsspezifische Verteilung. Etwas mehr als die
Hälfte aller Mitarbeiterinnen sind teilzeitbeschäftigt. Die Teilzeitquote der männlichen
Beschäftigten liegt bei 10,4 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr, begünstigt
durch die Effekte der Altersteilzeit, um 2,4 Prozentpunkte angestiegen.“47
Bei den Angestellten im öffentlichen Dienst des Landes Bremen beträgt die TeilzeitQuote im Durchschnitt 40 Prozent, bei den Beamten und Richtern im Durchschnitt
22 Prozent (Jahr 2000). Im Gegensatz zur „Vollzeitkultur“ der männlich dominierten
Industriebetriebe besteht im öffentlichen Dienst (Frauen-Quote = 50 %) eine ausgeprägte „Teilzeitkultur“: Ab 25 Lebensjahren steigt mit zunehmendem Lebensalter die
Teilzeit-Quote bis zum 45. Lebensjahr – mit gewissen Ausschlägen – tendenziell an:
von ca. 10 Prozent bis auf ca. 40 Prozent (vgl. Schaubild 5). Diese Zunahme der
Teilzeitarbeit dürfte weitgehend mit der Familienphase im Lebenslauf der weiblichen
Beschäftigten korrespondieren. Vom 45. bis zum 54. Lebensjahr sinkt die TeilzeitQuote von ca. 40 Prozent auf ca. 25 Prozent: Dieser altersbedingte Rückgang der
Teilzeit-Quote liegt v. a. an dem sinkenden Anteil der Frauen an den älteren Beschäftigten. Ab dem 55. Lebensjahr – also mit dem Mindestalter für den Einstieg in die
Altersteilzeit – steigt wieder die Teilzeit-Quote (Gipfel: 60 – 61 Lebensjahre), nach
diesem Gipfel (Teilzeit-Quote: ca. 47 %) sinkt sie in der Tendenz (Ausscheiden von
Altersteilzeit-Beschäftigten ).
Das Problem der alternden Belegschaft wird also durch den Übergang von vielen
älteren Beschäftigten in Altersteilzeit zumindest teilweise „entschärft“.
47
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 25.
110
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 5: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Beschäftigten
nach Lebensjahren (2000)
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
Die Auswertung der Behörde (Referat 32) für das Jahr 2000 zeigt, dass bereits
gegenüber dem Vorjahr (1999) eine erhebliche Steigerung der Altersteilzeitfälle zu
verzeichnen ist: Im Jahre 1999 haben insgesamt 535 Personen die Altersteilzeit in
Anspruch genommen (78 % dieser Personen haben das Blockmodell und 22 % das
Teilzeitmodell gewählt), im Jahre 2000 haben bereits 865 Personen die Altersteilzeit
in Anspruch genommen (80 % haben das Blockmodell und 20 % das Teilzeitmodell
gewählt). Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben gemäß Tarifvertrag zur
Altersteilzeit (1998) die Möglichkeit, zwischen Block- und Teilzeitmodell zu wählen.
„Mit der Altersteilzeit, die 1998 für die Arbeitnehmer und mit Wirkung zum
01. April 1999 auch für den Beamtenbereich eingeführt wurde, steht für den gesamten Öffentlichen Dienst ein neues personalwirtschaftliches Instrument zur Regelung
des Abgangsverhaltens zur Verfügung.“48 Unabhängig von den beiden Modellen der
Altersteilzeit „bleiben die Beschäftigten während des gesamten Zeitraums der Alters-
48
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 28.
111
Arbeitnehmerkammer Bremen
teilzeit als Teilzeitbeschäftigte im Beschäftigungsverhältnis, die Ausgaben für die
Beschäftigten in Altersteilzeit betragen während dieser Zeit rd. 70 Prozent der
vorherigen Ausgaben.“49
Waren Ende 1999 von den 417 im Blockmodell Beschäftigten erst 7 Personen in der
Freistellungsphase (1,7 %), so befanden sich Ende 2000 von den 689 im Blockmodell Beschäftigten bereits 88 Personen in der Freistellungsphase (12,7 %).
Während die Altersteilzeitquote der Beschäftigten im Alter von 55 bis zu 64 Jahren
Ende 1999 lediglich 10,4 Prozent betrug, ist diese Altersteilzeitquote Ende 2000
bereits auf 17,4 Prozent angestiegen. Während der Anteil der Beamten an den
Altersteilzeitfällen Ende 1999 ca. 74 Prozent betrug, ist dieser Anteil Ende 2000
bereits auf 80 Prozent angestiegen. Dieser hohe Anteil der Beamten an der Altersteilzeit wird auf die hohe Nutzung der Altersteilzeit durch das Lehrpersonal zurückgeführt.
Tabelle 4: Altersteilzeitfälle nach Alter und Form des Altersteilzeitmodells (2000)
ALTERSTEILZEIT
Alter
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
Insgesamt
Blockmodell
Aktiv
Abwesend
35
96
106
91
86
75
69
31
11
1
601
3
2
10
36
12
13
12
88
Teilzeitmodell
Insgesamt
12
16
22
24
20
29
25
20
6
1
1
176
50
114
128
125
142
116
107
63
17
2
1
865
Betrachtet man das Lebensalter, in dem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
sich (im Jahre 2000) in Altersteilzeit befanden, so zeigt sich, dass die Lebensjahre
von 56 bis zu 61 Jahren den Schwerpunkt der Altersteilzeitfälle ausmachen (pro
Lebensjahr mehr als 100 Personen). Aus dieser Statistik ist noch nicht ersichtlich,
über welche Laufzeit die jeweilige Altersteilzeitphase dieser Personen sich erstreckt.
49
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 28.
112
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Aufgliederung der Altersteilzeit-Beschäftigten nach Alter und Geschlecht (Jahr
2000) zeigt gleichfalls, dass die Beschäftigten im Alter von 58 bis zu 62 Lebensjahren überdurchschnittlich von der Altersteilzeit Gebrauch machen (Durchschnitt der
Altersteilzeitquote = 17,4 %), wobei der höchste Wert (31,3 %) im 61. Lebensjahr
erreicht wird (vgl. Tab. 5). Auch hier gilt, dass in Abhängigkeit von der Laufzeit des
Altersteilzeitvertrages die Altersverteilung sich weiter „nach oben“ verschieben kann,
während gleichzeitig „von unten“ (ab 55. Lebensjahr) neue Jahrgänge in Altersteilzeit
nachrücken.
Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist weiter gestiegen: Vom zuständigen Leiter
des Referates Personalcontrolling und Personalplanung des Senators für Finanzen sind
auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer Bremen (Mai 2002) die folgenden
Zahlen genannt worden (Durchschnittswerte von Altersteilzeitfällen pro Jahr; diese
Zahlen fallen wegen des unterschiedlichen Abgangsverhaltens im Jahresverlauf etwas
anders aus als die in den Jahresberichten jeweils für das Jahresende genannten
Zahlen): 522 Personen befanden sich im Durchschnitt im Jahre 1999 in Altersteilzeit, im Jahre 2000 bereits 682 Personen und im Jahre 2001 lagen sogar insgesamt
1417 Altersteilzeitfälle vor. Welche Zahlen man auch immer nimmt: Die Inanspruchnahme von Altersteilzeit steigt – auf dem Hintergrund des hohen Lebensalters
insbesondere der höheren Beamten – unaufhörlich an!
Tabelle 5: Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht (2000)
Alter
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
Insgesamt
Beschäftigte insges.
männlich weiblich
372
471
522
392
368
290
229
170
98
53
4
2.969
296
348
360
294
252
190
113
87
42
21
3
2.006
Altersteilzeit insges.
männlich weiblich
26
83
96
82
85
79
79
41
10
1
0
582
24
31
32
43
57
37
28
22
7
1
1
283
113
Altersteilzeitquote
männlich weiblich insgesamt
7,0 %
17,6 %
18,4 %
20,9 %
23,1 %
27,2 %
34,5 %
24,1 %
10,2 %
1,9 %
0,0 %
19,6 %
8,1 %
8,9 %
8,9 %
14,6 %
22,6 %
19,5%
24,8 %
25,3 %
16,7 %
4,8 %
33,3 %
14,1 %
7,5 %
13,9 %
14,5 %
18,2 %
22,9 %
24,2 %
31,3 %
24,5 %
12,1 %
2,7 %
14,3 %
17,4 %
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 6: Altersteilzeitfälle nach Alter und Statusgruppen (2000)
Alter
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
Insgesamt
Beschäftigte in Altersteilzeit
Beamte
Angestellte
Arbeiter
Summe
42
8
50
95
17
2
114
103
22
3
128
102
22
1
125
91
40
11
142
90
22
4
116
93
11
3
107
60
3
63
16
1
17
2
2
1
1
695
146
24
865
Der Anteil der Beamten an den Beschäftigten in Altersteilzeit fällt mit 695 Beschäftigten am höchsten aus (80,3 %). „Dieser Anteil ist auf die hohe Zahl der Altersteilzeitfälle aus dem Lehrpersonal zurückzuführen; hier waren Ende 2000 345 Altersteilzeitfälle zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass im Arbeitnehmerbereich durch
vorangegangene Regelungen, wie die 58er-Regelung, bereits potentielle Altersteilzeitkandidaten ausgeschieden sind.“50
Im öffentlichen Dienst des Landes Bremen konnten die Angestellten und Arbeiter/innen weiterhin mit der sog. 58er-Regelung vorzeitig aus ihren Arbeitsverhältnissen
ausscheiden: „Durch eine mit dem Gesamtpersonalrat am 27. Mai 1994 getroffene
Vereinbarung sind Möglichkeiten für eine einvernehmliche vorzeitige Beendigung von
Arbeitsverhältnissen in Verbindung mit einer Absicherung der ausscheidenden
Mitarbeiter/innen durch Arbeitslosengeld und Rente (58er-Regelung) geschaffen und
in den Folgejahren wiederholt neu aufgelegt worden. Nach der o.g. Vereinbarung
konnten Angestellte und Arbeiter, die mindestens 58 Jahre alt sind, bei Vorliegen
bestimmter Voraussetzungen unter Zahlung einer Abfindung (Überbrückungshilfe)
vorzeitig aus ihren Arbeitsverhältnissen ausscheiden.“51 Insgesamt sind im Jahre
2000 138 Beschäftigte aufgrund dieser Regelung ausgeschieden (ca. 20 % Angestellte und ca. 80 % Arbeiter/innen).
Die Nutzung der Altersteilzeit ist in den einzelnen Personalgruppen unterschiedlich
ausgeprägt (vgl. Tabelle 7): Über dem Durchschnitt der Altersteilzeitquote (17,4
%/Jahr 2000) liegen das Strafvollzugspersonal (25 %), das Lehrpersonal (25 %)
50
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 29.
51
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 35.
114
Arbeitnehmerkammer Bremen
sowie das Steuerpersonal (27 %). Betrachtet man die Personalgruppen, die die
höchsten Beschäftigtenzahlen von Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten aufweisen,
nämlich das Lehrpersonal mit ca. 2000 Personen sowie das Verwaltungspersonal mit
nicht ganz 1100 Personen, dann machen die Altersteilzeit-Beschäftigten aus diesen
beiden Personalgruppen 77 Prozent aller Altersteilzeitfälle im öffentlichen Dienst aus
(während die Beschäftigten aus dem Verwaltungs- und Lehrpersonal im Alter von 55
bis zu 65 Jahren insgesamt nur 62 Prozent aller Beschäftigten dieser Altersgruppe im
öffentlichen Dienst bilden).
Während das Teilzeitmodell insgesamt von 20 Prozent aller in Altersteilzeit Beschäftigten gewählt wurde (Jahr 2000), weist das Lehrpersonal eine überdurchschnittliche
Inanspruchnahme (28 %) des Teilzeitmodells auf.
Tabelle 7: Altersteilzeitfälle nach Personalgruppen und Form des
Altersteilzeitmodells (2000)
Personalgruppe
Verwaltungspersonal
in Altersteilzeit
Blockmodell
TeilzeitAktiv
Abwesend modell
Beschäftigte
zw.55 u.65 J.
insgesamt
161
14,8 %
1.087
111
29
Polizei
1
1
2
0,6 %
347
Feuerwehr
9
9
18
18,6 %
97
21
2
25
11,4 %
219
8
2
10
25,0 %
40
345
16
143
504
25,2 %
1.997
4
2
2
8
8,2 %
98
Technisches Personal
21
6
1
28
14,7 %
190
Steuerpersonal
37
4
3
44
27,0 %
163
0,0 %
271
Justizpersonal/ordentl. Gerichte
Strafvollzugspersonal
Lehrpersonal
Erziehungspersonal
21
insgesamt
AltersteilzeitQuote
2
Raumpflegerinnen
Sonstige Personalgruppen
insgesamt
44
17
4
65
13,9 %
466
601
88
176
865
17,4 %
4.975
Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Zum Zeitpunkt unserer Erhebung im öffentlichen Dienst (Ende 2001/Anfang 2002)
hat das Referat 32 auf unseren Wunsch hin eine statistische Auswertung zur Altersteilzeit im bremischen öffentlichen Dienst vorgenommen. Diese Auswertung beruht
auf den Gehaltsdaten (Nov. 2001). Im Gegensatz zur Auswertung im Jahresbericht
2000, welche ausschließlich das Personal im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
enthält, umfasst diese Auswertung nicht nur das Personal dieses Kernbereiches,
sondern auch das Personal der Betriebe (ohne Zentralkrankenhäuser und ohne
Bremer Entsorgungsbetriebe), sowie das Personal der Sonderhaushalte und der
115
Arbeitnehmerkammer Bremen
Stiftungen des öffentlichen Rechts. Damit ergibt sich eine größere Grundgesamtheit:
Waren Ende 2000 im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung insgesamt 4.975
Beschäftigte im Alter zwischen 55 und 65 Jahren, so waren Ende 2001 unter
Berücksichtigung der weiteren Bereiche insgesamt 6.385 Beschäftigte in dieser
Altersgruppe, die den Kreis der Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten bildet. Betrug die
Altersteilzeitquote der älteren Beschäftigten im Kernbereich (Ende 2000) im Durchschnitt 17,4 Prozent, so beträgt sie (allerdings nahezu ein Jahr später: Nov. 2001)
unter Einschluss der weiteren Bereiche im Durchschnitt 25,1 Prozent. Die Anzahl der
Beschäftigten in Altersteilzeit fällt im weiteren Bereich des öffentlichen Dienstes mit
1.603 Personen (Nov. 2001) fast doppelt so hoch aus wie im Kernbereich der
öffentlichen Verwaltung (Ende 2000: 865 Personen).
Damit ergeben sich nicht nur andere Niveaus in der Nutzung der Altersteilzeit,
sondern auch andere Strukturen – mit Blick auf das Alter und das Geschlecht der
Altersteilzeit-Beschäftigten im öffentlichen Dienst: Während im engeren Personalbereich (Ende 2000) die Altersteilzeitquote der männlichen Beschäftigten (19,6 %)
deutlich über der der weiblichen Beschäftigten (14,1 %) lag, lässt sich im weiteren
Personalbereich (Nov. 2001) dagegen eine etwas höhere Teilnahme der weiblichen
Beschäftigten an Altersteilzeit (27 %) gegenüber der Beteiligung der männlichen
Beschäftigten (24 %) feststellen.
Wie der Blick auf die folgende Tabelle zeigt, konzentriert sich die Nutzung der
Altersteilzeit auf die Jahrgänge vom 57. bis zum 62. Lebensjahr. Mit 55 und 56
Lebensjahren wechseln noch nicht so viele Beschäftigte in Altersteilzeit, vom 57. bis
zum 58. Lebensjahr befindet sich bereits ein Viertel der Anspruchsberechtigten in
Altersteilzeit, vom 60. bis zum 62. Lebensjahr befindet sich sogar ein Drittel der
Anspruchsberechtigten in Altersteilzeit, mit dem 63. Lebensjahr wird – sowohl
absolut als auch relativ betrachtet – eine Zäsur erkennbar (Ausscheiden aus dem
öffentlichen Dienst).
Das durchschnittliche geplante Abgangsalter der aktuell in Altersteilzeit Beschäftigten
beträgt ca. 63 Jahre, das durchschnittliche tatsächliche Abgangsalter der bisher in
Altersteilzeit Beschäftigten (Nov. 2001) beträgt demgegenüber nur ca. 61 Jahre
(Ausscheiden nach Altersteilzeit, Erreichen der Altersgrenze, Dienst-, Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit, 62 Jahre flexible Altersgrenze als wichtigste Abgangsgründe).
Die durchschnittliche geplante Dauer der Altersteilzeit beträgt ca. 6 Jahre (kein
Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Altersteilzeit-Beschäftigten). Diese
geplante Laufzeit liegt bei den Beamten im Durchschnitt bei 6 ½ Jahren, bei den
Angestellten bei 5 ¹/3 Jahren (bei den Arbeitern nur bei 4,2 Jahren).
Das von den Altersteilzeit-Beschäftigten geplante Abgangsalter (Ausscheiden aus dem
öffentlichen Dienst) liegt im Durchschnitt bei 63 – 64 Lebensjahren (Männer: 64,0
Jahre, Frauen: 63,5 Jahre). Hinter dieser Planung steht die Kalkulation, die Rentenabschläge zu minimieren. Die geplante Dauer der Altersteilzeitphase ist zudem vom
jeweiligen Lebensalter der Beschäftigten beim Wechsel in Altersteilzeit abhängig: die
116
Arbeitnehmerkammer Bremen
älteren Beschäftigten wählen eine kürzere Dauer, die jüngeren dagegen eine längere
Dauer der Altersteilzeitphase. Beiden Gruppen steht gleichwohl als Zielpunkt ihres
tatsächlichen – nicht rechtlichen – Ausscheidens aus dem aktiven Berufsleben
(Blockmodell) die magische Zahl „60“ vor Augen: Bei einer sechsjährigen Laufzeit des
Altersteilzeitvertrages (Beginn der Arbeitsphase mit 57 Lebensjahren, Beginn der
Freistellungsphase mit 60 Lebensjahren, Beginn des Rentenbezugs mit 63 Lebensjahren) beenden die Beschäftigten faktisch ihre Berufstätigkeit mit 60 Jahren. Bisher
betrug das durchschnittliche Lebensalter, in dem die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes in den Ruhestand traten (ohne Altersteilzeit) 60 Jahre. Damit orientieren
sich die meisten Altersteilzeit-Beschäftigten im öffentlichen Dienst hinsichtlich ihres
tatsächlichen Ausscheidens aus dem aktiven Dienst (mit 60 Jahren) weiterhin an der
bisherigen Praxis des Übergangs in den Ruhestand. Gleichzeitig können sie durch die
Streckung der Altersteilzeitphase (Blockmodell) die Rentenabschläge in vertretbaren
Grenzen halten.
Obwohl die Auswertung keine Kombination der Laufzeiten der Altersteilzeitverträge
mit dem jeweiligen Lebensalter der Beschäftigten (Alter beim Anfang und beim Ende
der Altersteilzeitphase) enthält, lässt sich aus der Verteilung der Altersteilzeitverträge
nach Alter und Geschlecht die Folgerung ziehen, dass die Beschäftigten im Alter von
56 bis zu 61 Jahren den Schwerpunkt der bestehenden Altersteilzeitverträge bilden
(von den 1.603 Altersteilzeitfällen befinden sich 194 Personen bereits in der Freistellungsphase, von 1.603 Altersteilzeitfällen sind 192 Personen im Alter von 62 u.
m. Jahren; diese beiden Personengruppen dürften weitgehend identisch sein).
„Insgesamt ist es so, dass das Blockmodell in der Regel sehr viel stärker genutzt wird
als das Teilzeitmodell, und zwar hauptsächlich deswegen, weil die Altersteilzeit
eigentlich als eine Maßnahme des geplanten Ausscheidens begriffen wird. Ein 55Jähriger überlegt sich halt, zu welchem Zeitpunkt er ausscheiden will, und wählt dann
entsprechend das Blockmodell. Ich glaube, das ist das Hauptmotiv, darum wird das
Teilzeitmodell so selten genutzt im großen Ganzen.“ (Referatsleiter)
Die Laufzeit des Altersteilzeitvertrages wird von den Beschäftigten in Verbindung mit
ihrem Lebensalter und ihrer Kalkulation der Rentenabschläge bestimmt: „Die meisten
wählen Blockmodelle, und wenn einer mit 58 Altersteilzeit zum Beispiel macht,
überlegt er es sich sehr genau, wegen der Rentenversicherung bei Angestellten, ob er
seine Phasen nicht so legt, dass er dann mit 65 ausscheidet ohne Rentenabschläge
zu bekommen, und Beamte, wenn sie es wählen, tun das genau so. Also, die dann
quasi kalkulieren, also welche Versorgungsabschläge sind sie eigentlich bereit, in Kauf
zu nehmen, und wählen dadurch die Dauer der Phasen.“ (Referatsleiter)
117
Alter
BESCHÄFTIGTE INSGESAMT
männlich weiblich
insges.
DAVON: IN ALTERSTEILZEIT
männlich
weiblich
insges.
ALTERSTEILZEITQUOTE
männlich weiblich
insges.
118
55
471
390
861
72
69
141
15,3 %
17,7 %
16,4 %
56
472
343
815
78
100
178
16,5 %
29,2 %
21,8 %
57
589
425
1.014
143
111
254
24,3 %
26,1 %
25,0 %
58
612
394
1.006
140
119
259
22,9 %
30,2 %
25,7 %
59
475
314
789
122
95
217
25,7 %
30,3 %
27,5 %
60
389
254
643
127
79
206
32,6 %
31,1 %
32,0 %
61
330
168
498
111
45
156
33,6 %
26,8 %
31,3 %
62
282
101
383
94
35
129
33,3 %
34,7 %
33,7 %
63
173
61
234
38
13
51
22,0 %
21,3 %
21,8 %
64
96
35
131
7
4
11
7,3 %
11,4 %
8,4 %
65
7
4
11
0
1
1
0,0 %
25,0 %
9,1 %
3.896
2.489
6.385
932
671
1.603
23,9 %
27,0 %
25,1 %
Insgesamt
Arbeitnehmerkammer Bremen
Tabelle 8: Altersteilzeit nach Alter und Geschlecht (Nov. 2001)
Arbeitnehmerkammer Bremen
Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen
Die Altersteilzeit wird jeweils von einem Drittel des Lehrpersonals sowie des Steuerpersonals in Anspruch genommen (Nov. 2001). Das Verwaltungspersonal entspricht
mit einem Viertel der durchschnittlichen Altersteilzeitquote (25 %) der anspruchsberechtigten Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die hohe Inanspruchnahme der
Altersteilzeit durch das Lehrpersonal ist auf dem Hintergrund des hohen Durchschnittsalters der Lehrkräfte zu sehen (zur Zeit: 52 Jahre insgesamt, bei den Studienräten an Gymnasien sogar 54 Jahre). Wie das Schaubild zeigt, lag der höchste
Wert (nach Lebensjahren) bei den Lehrkräften im Jahre 2000 bei exakt 50 Jahren.
Schaubild 6: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppe Lehrpersonal
(2000)
Diese Lehrkräfte sind jetzt im Durchschnitt 52 Jahre alt. Die stark besetzten älteren
Jahrgänge nutzen ab 55 Lebensjahren zunehmend die Altersteilzeit als Brücke zum
Ruhestand. Der Wechsel in Altersteilzeit kann unter Umständen eine Alternative zur
häufig beanspruchten Dienstunfähigkeit bilden.52 So sind im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung die Abgänge aufgrund der Dienst-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
52
Das Erlanger Institut für Arbeitsmedizin hat in einer Studie ermittelt, dass von 7100 Beamten, die
zwischen 1994 und 1999 im Freistaat Bayern einen Antrag auf Dienstunfähigkeit gestellt hatten, 63
Prozent Lehrer waren, die im Durchschnitt 54 Jahre alt waren – und schon am Ende ihrer Berufslaufbahn. Die meisten Antragsteller litten unter Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 78
Prozent der Anträge auf Dienstunfähigkeit sind genehmigt worden. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom
24./25. Mai 2003, Seite 2.
119
Arbeitnehmerkammer Bremen
von 1993 (291 Personen) bis 1998 (194 Personen) zwar gesunken, jedoch folgte
1999 ein sprunghafter Anstieg auf 250 Abgänge (insbesondere im Bereich des
Lehrpersonals). Im Jahre 2000 hat die Anzahl der Abgänge aufgrund der Dienst-,
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sich drastisch auf 326 Personen erhöht (im Jahre
2000 bestand für Beamte noch die Möglichkeit, im Falle von Dienstunfähigkeit in den
vorzeitigen Ruhestand ohne Pensionsabschläge zu gehen). Demgegenüber spielt im
Jahre 2000 der Abgangsgrund „Erreichung der Altersgrenze“ (91 von insgesamt
1.261 Abgängen) nur eine zu vernachlässigende Rolle (7 %). Zwei Drittel aller
Abgänge entfallen übrigens auf die über-50-jährigen Beschäftigten.
Auch im Verwaltungspersonal gibt es gemäß der Altersstruktur viele AltersteilzeitAnspruchsberechtigte, allerdings – im Gegensatz zum Lehrpersonal – auch viele
Beschäftigte im mittleren und jüngeren Lebensalter.
Schaubild 7: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppen
Verwaltungspersonal einschl. Textverarbeitung (2000)
Das Lehrpersonal bildet die Hälfte (51 %) der Altersteilzeitverträge im öffentlichen
Dienst. Die Lehrkräfte nehmen überdurchschnittlich das Teilzeitmodell in Anspruch
(21 %). Rechnet man das Lehrpersonal aus der Gesamtheit heraus, dann wird von
den anderen Personalgruppen (49 % aller Altersteilzeitverträge) das Teilzeitmodell nur
von rund sechs Prozent der Beschäftigten in Anspruch genommen. Außerhalb des
Lehrpersonals spielt demnach die Variante „Teilzeitmodell“ keine Rolle.
120
Tabelle 9: Altersteilzeitfälle nach ausgewählten Personalgruppen
und Form des Altersteilzeitmodells (Nov. 2001)
Personalgruppe
Insgesamt
121
Altersteilzeitquote
25,1 %
1.454
264
60
25
349
24,0 %
344
99
22
22
6
8
2
30
30
8,7 %
30,3 %
227
44
6
2
52
22,9 %
59
2.460
9
595
4
53
174
13
822
22,0 %
33,4 %
121
15
2
4
21
17,4 %
419
166
315
721
74
45
17
83
18
6
1
30
1
5
93
56
18
119
22,2 %
33,7 %
5,7 %
16,5 %
6
Arbeitnehmerkammer Bremen
01/02 Verwaltungspersonal.
einschl. Textverarbeitung
03
Polizei
04
Feuerwehr
05/06 Justizpersonal/
ordentliche Gerichte
07
Strafvollzugpersonal
10
Lehrpersonal
Erziehungspersonal
für
14
Kinder und Jugendliche
21/22 Technisches Personal
25
Steuerpersonal
30
Raumpflegerinnen
Sonstige Personalgruppen
davon: in Altersteilzeit
Beschäftigte zw.
55 und 65 Jahren
Blockmodell
Teilzeit- insgeinsgesamt
samt
Aktiv
Abwesend modell
6.385
1.190
194
219
1.603
d a v o n:
Arbeitnehmerkammer Bremen
Es gibt in der Behörde keine Untersuchung darüber, warum die Lehrer/innen das
Teilzeitmodell mehr als die Verwaltungskräfte nutzen. Während in den industriellen
Bereichen die Männer, die immer Vollzeitarbeit gewohnt waren, in Altersteilzeit das
Blockmodell wählen und damit den vorzeitigen vollständigen Ausstieg aus dem
Erwerbsleben, könnte man die Hypothese aufstellen, dass die Lehrkräfte, die häufig
Frauen sind, ohnehin häufig in Teilzeit schon gearbeitet haben, sich dann in Altersteilzeit auch ein Teilzeitarbeitsverhältnis eher vorstellen können.
Ohne auf die besonderen Arbeitsbelastungen von Lehrkräften im höheren Lebensalter
eingehen zu wollen, lässt sich jedenfalls feststellen, dass diese Beschäftigten die
Altersteilzeit intensiv nutzen: „Die Altersteilzeit wird intensiv genutzt von den Lehrern,
das ist ja keine Frage. Und die Frage ist ja, warum es so intensiv genutzt wird. Und
ich denke schon, es hat einen Grund, weil es eine relativ mit finanziellen Anreizen
oder Konditionen verknüpfte Regelung ist, die mir mein Ausscheideverhalten, also
wenn ich aus dem aktiven Dienst rausgehe, erlaubt zu steuern. Ich glaube, das ist der
Hauptgrund eigentlich, also, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine bestimmte
Autonomie bekommen in dem, was sie quasi für sich selbst als Abgangsalter wirklich
haben wollen.“ (Referatsleiter)
Tabelle 10: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Altersteilzeit-Modell
Alter
Anzahl
Alter
Anzahl
Alter
Anzahl
Altersteilzeit-Verträge des Lehrpersonals (Nov. 2001)
Blockmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt
60 75 110 104 80 75 62 55 19
7
1
648
Teilzeitmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt
13 19 15 25 16 26 25 22 12
1
0
174
insgesamt
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt
73 94 125 129 96 101 87 77 31
8
1
822
Die Tabelle zeigt das Lebensalter, in dem die im November 2001 in Altersteilzeit
beschäftigten Lehrkräfte – gemäß Block- oder Teilzeitmodell – sich befanden. Leider
erlaubt die Auswertung keine Verbindung des jeweiligen Lebensalters mit der jeweiligen Laufzeit des Altersteilzeitvertrages. Gleichwohl könnte bei einer 6-jährigen
Laufzeit des Altersteilzeitvertrages (Beamte im Blockmodell = 6 ½ Jahre im Durchschnitt) ein dominantes Muster der – vorwiegend verbeamteten – Lehrkräfte sich
herausbilden: Beginn der Altersteilzeit mit 56 oder 57 Jahren, gemäß Blockmodell
demnach Beginn der Freistellungsphase mit 59 oder 60 Jahren, Bezug der Pension
bzw. der Rente mit 62 oder 63 Jahren. Noch ist nicht abzusehen, ob die Nutzung der
Altersteilzeit durch die Lehrkräfte dazu führen wird, dass der vorzeitige Ruhestand
122
Arbeitnehmerkammer Bremen
nicht mehr so früh wie zur Zeit – sondern in höherem Alter – begonnen wird.53 Für
den Vorruhestand liegt der früheste Zeitpunkt für Beamte beim 63. Lebensjahr: Der
sog. Antragsruhestand kann mit 63 Lebensjahren – sofern keine Dienstunfähigkeit
vorliegt – in Anspruch genommen werden (7,2 % Pensionsabschläge für 2 Jahre
vorzeitigen Ruhestand). Damit bietet sich als 6-jährige Laufzeit eines Altersteilzeitvertrages für verbeamtete Lehrkräfte die Spanne zwischen 57 und 63 Jahren an.
Tabelle 11: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Geschlecht
Alter
Anzahl
Alter
Anzahl
Alter
Anzahl
Prozent
Alter
Anzahl
Alter
Anzahl
Altersteilzeit-Verträge des männlichen Lehrpersonals (Nov. 2001)
Blockmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
30 32 64 53 44 39 41 37 13
5
0
Teilzeitmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
6 10 12 14
7 15 15 11
9
0
0
insgesamt
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
36 42 76 67 51 54 56 48 22
5
0
7,9
9,2 16,6 14,7 11,2 11,8 12,3 10,5
4,8
1,0
-
Altersteilzeit-Verträge des weiblichen Lehrpersonals (Nov. 2001)
Blockmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
30 43 46 51 36 36 21 18
6
2
1
Teilzeitmodell
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
7
9
3 11
9 11 10 11
3
1
0
insgesamt
55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
37 52 49 62 45 47 31 29
9
3
1
Alter
Anzahl
Prozent 10,1 14,2 13,4 17,0 12,3 12,9
8,5
8,0
2,5
0,8
0,3
insges.
358
insges.
99
insges.
457
100,0
insges.
290
insges.
75
insges.
365
100,0
Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist im übrigen auch von der Einkommenssituation der Beschäftigten im öffentlichen Dienst abhängig: Die niedrigen Gehaltsgruppen können sich die mit der Altersteilzeit verbundenen Einkommenseinbußen
finanziell weniger leisten als die höheren Einkommensgruppen. Während die Beschäftigten des einfachen Dienstes nur zu sieben Prozent von der Altersteilzeit Gebrauch
53
Im Freistaat Bayern gehen 50 Proz. der Lehrer/innen aus Gesundheitsgründen vor dem 60.
Lebensjahr in Pension (im öffentlichen Dienst liegt diese Quote ansonsten bei 29 %). Weitere 38
Proz. verabschieden sich vom Dienst zwischen 60 und 64 Jahren. Nur 12 Proz. der Lehrkräfte
bleiben bis zur offiziellen Altersgrenze (65 Jahre) im Dienst. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 24./25.
Mai 2003.
123
Arbeitnehmerkammer Bremen
machen, beträgt die Altersteilzeitquote bei den Beschäftigten des mittleren Dienstes
bereits 20 Prozent. Von den Beschäftigten des gehobenen Dienstes (31 %) sowie des
höheren Dienstes (32 %) hat bisher nahezu ein Drittel Altersteilzeit in Anspruch
genommen (Durchschnitt für alle Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten = 27,6 Prozent
– Angaben des Referatsleiters auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer – Mai
2002).
Altersstruktur und Personalplanung
Die Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst bildet eine zentrale
Bedingung für die Personalplanung und die – über Kosten, nicht Stellen – gesteuerte
Personalwirtschaft. Die Alterung der Belegschaft – als Folge eines sozialverträglichen
Personalabbaus sowie als Folge des Beamtenrechts (Unkündbarkeit) – ist sektoral
unterschiedlich ausgeprägt: Die höchsten Anteile von Beschäftigten im Alter von 50 u.
m. Jahren sind unter den männlichen Beamten im gehobenen und höheren Dienst
festzustellen. Dieser Altersaufbau ist allerdings auch durch die früheren Einstellungswellen bedingt, die in diesem Jahrzehnt zu großen Ausstellungswellen führen werden
(z. B. im „Produktplan“ Bildung: Abgangsquote = 25 % im Zeitraum 2001 – 2005,
Abgänge aufgrund von Dienst- und Erwerbsunfähigkeit sowie aus Altersgründen).
Diese Problematik wird von der Behörde thematisiert:
„Von besonderer Bedeutung ist die Altersstruktur. Die Altersstruktur der Beschäftigten
ist eine Folge der Einstellungszyklen und des Abgangsverhaltens der Beschäftigten.
Eine schubweise Expansion der Beschäftigtenzahl, die zeitlich limitiert ist, wird stets
zu einem hohen Durchschnittsalter der Beschäftigten führen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben eine sehr geringe Neigung, das Beschäftigungssystem freiwillig zu
verlassen. Die Wahrscheinlichkeit ist demnach sehr groß, dass ein Beschäftigter bis
zum Ende seines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst verbleibt,
wenn nicht gesundheitsbedingte Gründe dagegen sprechen. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen, führt dies dazu, dass ein Altersjahrgang ab einem bestimmten Alter, wenn
die Zugänge, die durch unterschiedliche Ausbildungsdauern bestimmt sind, abgeschlossen sind, eine konstante Zahl von Beschäftigten aufweist. In der Regel dürfte
dies ab 35 Jahren der Fall sein.“54
Bei den Beschäftigten im Alter von 35 bis zu 55 Jahren findet praktisch keine
Fluktuation statt. Ab 55 Jahren nimmt die Fluktuation (Personalabgänge aus verschiedenen Gründen) ein relevantes Ausmaß an.
Der von der Behörde vorgenommene Soll-Ist-Vergleich zeigt, dass das Problem der
„Überalterung“ der Belegschaft nicht zuletzt aus der Nicht-Einstellung von jüngeren
Beschäftigten resultiert.
54
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 39.
124
Arbeitnehmerkammer Bremen
„Bei der Sollverteilung handelt es sich nicht um eine Normalverteilung, sondern um
eine trapezähnliche Form, die im linken Teil durch die „Rekrutierungsphase“ bis 35
Jahre und im rechten Teil durch eine Phase des altersbedingten Ausscheidens ab 56
Jahre charakterisiert wird. Die „Rekrutierungsphase“ zeichnet sich durch bereichsund personalgruppenspezifische Charakteristika aus, die sich zum Beispiel durch Art
und Dauer der Rekrutierung beschreiben lassen.
Ob die gegebene Altersstruktur ein Problem darstellt oder nicht, hängt von der
zukünftigen Beschäftigungsmenge ab. Sie bildet die Basis für die Beurteilung der
Gegenwart. In dem folgenden Soll-Ist-Vergleich wurde unterstellt, dass bis zum Jahr
2005 die Zahl der Beschäftigten jährlich um 1,5 Prozent sinken wird und ab 2006
konstant bleibt.
Der Soll-Ist-Vergleich zeigt, dass die „Rekrutierungsphase“ nicht optimal besetzt ist.
Je nach Rekrutierungsstrategien, die in einzelnen Berufsgruppen unterschiedlich sind,
liegt der optimale Wert der Quote der Beschäftigten bis 35 Jahren an den Beschäftigten insgesamt zwischen 20 und 24 Prozent. 2000 betrug er 14,4 Prozent.
Der Soll-Ist-Vergleich zeigt darüber hinaus, dass die Altersjahrgänge der gegenwärtig
über 45-Jährigen deutlich überbesetzt bleiben werden. Sie können über die natürliche
Fluktuation abgebaut werden. Bei der Altersgruppe der gegenwärtig 36- bis 40Jährigen sind relativ unschädliche Sollwertunterschreitungen festzustellen. Damit
dieses Unterschreiten der Sollwerte nicht größere Ausmaße erreicht, sollte im Falle
von Neurekrutierungen gezielt der Bereich jüngerer Jahrgänge (bis 35 Jahre) berücksichtigt werden, um eine Entwicklung entsprechend der Soll-Vorstellung zu gewährleisten.
Ist dies nicht der Fall, so führt dies mittelfristig zu einer Altersstruktur, die durch
hohes Durchschnittsalter und Neueinstellungen sowie durch das Fehlen mittlerer
Altersstufen gekennzeichnet ist. Langfristig resultiert daraus eine Überbesetzung der
mittleren Altersstufen, die aufgrund fehlender Abgänge keinen Spielraum für Rekrutierungen zulässt.“55
Wahrscheinlich wird sich mittelfristig im öffentlichen Dienst eine Altersstruktur
ergeben – nach dem Ausscheiden der geburtenstarken Kriegsjahrgänge –, die durch
ein hohes Durchschnittsalter charakterisiert wird: Der höchste Gipfel wird durch den
Jahrgang 1948 gebildet (vgl. Schaubild 8: 52 Jahre alt im Jahre 2000, im Jahre
2003 bereits 55 Jahre), ein niedriger Gipfel könnte im Bereich der 30- bis 35Jährigen entstehen, wenn die in diesem Jahrzehnt anstehenden Personalabgänge
durch Neueinstellungen kompensiert werden.
55
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 39 f.
125
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 8: Soll-Ist-Vergleich der Altersstruktur
Die Altersstruktur ist in den einzelnen Personalgruppen allerdings unterschiedlich
ausgeprägt. Die bremische Verwaltung unterscheidet 48 Personalgruppen: ca. 90
Prozent der Beschäftigten des Kernbereiches verteilen sich auf 10 Personalgruppen.
Die stärkste Personalgruppe bildet das Lehrpersonal (26,5 %), die zweitstärkste
Personalgruppe stellt das Verwaltungspersonal (einschl. Textverarbeitung) mit rund
23 Prozent. Diese beiden Personalgruppen weisen eine unterschiedliche Altersstruktur
auf: das Verwaltungspersonal (einschl. Textverarbeitung) eine relativ altersheterogene,
das Lehrpersonal eine absolut altershomogene Zusammensetzung (vgl. die Schaubilder). Obwohl auch beim Verwaltungspersonal die Beschäftigten im Alter von Mitte 50
überwiegen, sind gleichwohl die Beschäftigten im Alter von Mitte 40 sowie von Mitte
30 stark vertreten. Dieser Altersaufbau erklärt, dass die Altersteilzeitquote der
Anspruchsberechtigten aus dem Verwaltungspersonal (24 %) der durchschnittlichen
Altersteilzeitquote aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (25 %) entspricht.
Demgegenüber hat die Nicht-Einstellung von jüngeren Lehrkräften zur „Überalterung“
des Lehrpersonals geführt: Der höchste Gipfel wird im Jahre 2000 von den 50Jährigen (ca. 400 Personen) gebildet, gefolgt von den 51- und 52-jährigen Lehrkräften (Jahrgang 1950 → 1948). Nach dem „Geburtenknick“ (Jahrgang 1945: im Jahre
2000 55 Jahre alt) folgt ein niedrigerer, zweiter Gipfel mit den im Jahre 2000 56und 57-jährigen Lehrkräften (jeweils mehr als 300 Personen), also mit den Kriegsjahrgängen 1944 und 1943.Diese Jahrgänge werden in diesem Jahr bereits 59 bzw.
60 Jahre alt. Daher nimmt nicht Wunder, dass ein Drittel der anspruchsberechtigten
Lehrkräfte bereits einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen hat (Nov. 2001).
126
Arbeitnehmerkammer Bremen
Schaubild 9: Altersstruktur der Beschäftigten des Lehrpersonals (2000)
Schaubild 10: Altersstruktur der Beschäftigten des Verwaltungspersonals
(einschl. Textverarbeitung) (2000)
127
Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Personalplanung des öffentlichen Arbeitgebers beruht auf drei Bausteinen: (1)
Bestimmung des Soll-Personalbestandes, (2) Prognose der Personalabgänge (2000 –
2005), (3) Festlegung der Personalzugänge (insbesondere Ausbildungsplanung). Die
Personalplanung mündet in die Bestimmung des Netto-Personalbedarfs. Bei der
Bestimmung des Soll-Personalbestandes wurde für den Kernbereich der öffentlichen
Verwaltung für die Jahre 2000 bis 2005 auf Gesamtebene ein jährlicher Personalabbau von 250 Vollzeitäquivalenten vereinbart.
Allein im Jahre 2000 hat sich das Volumen im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung aufgrund der Altersteilzeit insgesamt um fast 100 Vollzeitäquivalente reduziert
(ohne dabei den Personalbestand zu verringern). Auf Basis der Fluktuationsprognosen
(Abgangswahrscheinlichkeiten einzelner Personalgruppen und Jahrgänge) hat die
Personalplanung im Jahre 2000 für den Zeitraum bis zum Jahr 2005 trotz der
weiteren Absenkung des Soll-Personalbestandes („Beschäftigungszielzahlen“) unter
dem Strich einen stark ansteigenden Netto-Personalbedarf prognostiziert, weil der
Vergleich von prognostizierten Abgängen und geplanten Zugängen eine Absenkung
des voraussichtlichen Personalbestandes signalisiert (vgl. Tabelle 12). Auf diese
Weise ergeben sich in den nächsten Jahren Wiederbesetzungsmöglichkeiten, unter
Umständen sogar Rekrutierungsprobleme (z. B. beim Lehrpersonal).
Tabelle 12: Personalplanung 2001 – 2005 (insgesamt)
Ist
Beschäftigungszielzahlen
Voraussichtlich
Dez 93
Dez 96
Dez 99
Dez 00
19.102
18.042 17.090 16.696 16.451 16.175 15.925 15.675 15.425
prognostizierte Abgänge
geplante Zugänge
voraussichtlicher
Personalbestand
19.339
Dez 01
Dez 02
Dez 03
Dez 04
Dez 05
-647
-649
-711
-672
-666
287
147
176
168
103
18.435 17.065 16.577 16.217 15.716 15.181 14.677 14.114
Nettopersonalbedarf
233
459
744
998
1.311
„Ab 2000 haben sich Wiederbesetzungsmöglichkeiten ergeben. Diese werden sich in
dem Umfang erhöhen, wie fluktuationserhöhende (z. B. 58er-Regelung) oder volumenssenkende (z. B. Altersteilzeit) personalwirtschaftliche Maßnahmen wirken. In
den Jahren 2003 bis 2005 können sich die entstehenden Ersatzbedarfe in dem
Umfang reduzieren, wie zusätzliche personalwirtschaftliche Maßnahmen zum
Ausgleich kumulierender kostensteigernder Effekte erforderlich werden. Personalwirtschaftliche Spielräume sollen dazu genutzt werden, strukturelle personalwirtschaftliche Ziele zu realisieren, um die Qualität des Personalkörpers und damit die Leistungsfähigkeit des bremischen öffentlichen Dienstes zu optimieren.“56
56
Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung
2000, a. a. O., S. 94.
128
Arbeitnehmerkammer Bremen
Weitere Informationen
Senator für Finanzen der
Freien Hansestadt Bremen
Schillerstr. 1
28195 Bremen
Personalcontrolling und Personalplanung
Herr Dr. Zech
Tel.: 0421 / 361 62 86
Gesamtpersonalrat
Herr Schmidt
Knochenhauerstr. 20/25
28195 Bremen
Tel.: 0421 / 361 26 29
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Arbeitnehmerkammer Bremen
Nachwort
Die Frage, ob das Instrument „Altersteilzeit“ den prekär gewordenen Übergang in den
Ruhestand institutionell und finanziell absichern kann, lässt sich zumindest für die
Beschäftigten aus Großbetrieben positiv beantworten: Auf Basis der Tarifverträge und
Betriebsvereinbarungen werden die Rentenabschläge beim vorzeitigen Ruhestand
nach Altersteilzeitarbeit durch Abfindungen sowie durch Betriebsrenten weitgehend
kompensiert.
Die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (Jahrgang
1937 – Jahrgang 1941) ist inzwischen abgeschlossen. Diese Rentenreform hat
offenbar – zumindest nach den Ergebnissen unserer Untersuchung in Bremer Großbetrieben – entgegen der bisherigen Praxis der weiteren Absenkung der betrieblichen
Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem Betrieb dazu geführt, dass die Beschäftigten längere Laufzeiten für ihren Altersteilzeitvertrag wählen, um die Rentenabschläge
möglichst zu minimieren. Damit wird der Beginn und das Ende der Lebensstrecke
„Altersteilzeit“ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Bei der dominanten Wahl
des Blockmodells markiert die magische Zahl „60“ gleichwohl weiterhin den Orientierungspunkt für das tatsächliche – nicht: das rechtliche – Ausscheiden aus dem
Betrieb.
Mit den Änderungen des Altersteilzeitgesetzes im Jahre 2000 sowie den darauf
aufbauenden Tarifverträgen haben sich die materiellen Bedingungen für die Altersteilzeit-Beschäftigten erheblich verbessert. Die Ausdehnung der Geltungsdauer des
Altersteilzeitgesetzes hat den Personalleitungen und Betriebs- und Personalräten – wie
auch den Beschäftigten selbst – einen weiten Planungshorizont eingeräumt. Als Folge
dieser gesetzlichen und tariflichen Entwicklung hat sich in den Jahren 2000 – 2002
die Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Beschäftigten erheblich gesteigert.
Bei der Ausgestaltung der Altersteilzeit besitzen die Beschäftigten im öffentlichen
Dienst mehr Wahlmöglichkeiten als die Beschäftigten in der privaten Wirtschaft: Im
öffentlichen Dienst können die Beschäftigten häufiger zwischen dem „Blockmodell“
und dem „Teilzeitmodell“ wählen; in vielen Branchen der privaten Wirtschaft wird die
Option des „Teilzeitmodells“ schon in den Tarifverträgen ausgeschlossen, in den
Betriebsvereinbarungen wird ausdrücklich des „Blockmodell“ vorgegeben. Selbst in
dem untersuchten Betrieb (BSAG), in dem zunächst das Teilzeitmodell favorisiert
wurde, setzt sich zunehmend das Blockmodell gegenüber dem Teilzeitmodell durch.
Bei der Entwicklung des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz zur Förderung eines gleitenden
Übergangs in den Ruhestand“) verfolgte der Gesetzgeber ursprünglich die Intention,
das Teilzeitmodell als allmählichen Übergang in den Ruhestand zu fördern. Auch die
WSI-Autoren haben in ihrer Betriebsräte- und Personalrätebefragung zur Altersteilzeit
den ausgeprägten Trend zum Blockmodell hinterfragt. Selbst wenn die Betriebsvereinbarungen sowohl das Block- als auch das Teilzeitmodell anbieten, wird doch im
allgemeinen das Blockmodell favorisiert:
130
Arbeitnehmerkammer Bremen
„Die Bevorzugung des Blockmodells ist bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen festzustellen. Die Arbeitgeber nennen als Vorteil der Blockzeit u. a. den
Umstand, dass auf dem bisherigen Arbeitsplatz keine größeren organisatorischen
Veränderungen erforderlich werden. Arbeitnehmer schätzen am Blockmodell, dass sie
bereits zur Hälfte der gesamten Zeitspanne der Altersteilzeit gänzlich freigestellt sind
und geben dieser Aussicht unter den gegebenen Umständen mehrheitlich den Vorrang
gegenüber der Möglichkeit, die Arbeitsbelastung während der letzten Berufsjahre zu
reduzieren.“57
Unsere Expertengespräche mit den Betriebsräten und Personalleitern haben gezeigt,
dass die männlichen Beschäftigten aus Industriebetrieben, die im Gegensatz zu vielen
weiblichen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in ihrem Berufsleben keine eigenen
Erfahrungen mit Teilzeitarbeit gemacht haben, mit der Wahl des Blockmodells „einen
Schnitt“ zwischen dem Arbeitsleben und dem Ruhestand machen wollen (Betriebsrat). Die meisten Beschäftigten wollen keinen „gleitenden Übergang“ in den Ruhestand in Form der Teilzeitarbeit, obwohl aus gerontologischer Perspektive der allmähliche Übergang allgemein empfohlen wird. Qualitative Untersuchungen zur Motivation
von Beschäftigten, für die Phase von Altersteilzeit das Block- oder das Teilzeitmodell
zu wählen, stehen unseres Wissens noch aus. Anzunehmen ist, dass normative
Vorstellungen über die Berufstätigkeit und den Übergang in den Ruhestand der
Entscheidung der Beschäftigten für das Blockmodell zugrunde liegen.
Gleichwohl sollte das Ziel einer weiteren Flexibilisierung des Übergangs in den
Ruhestand unstrittig sein. Viel zu wenig wird beachtet, dass das Altersteilzeitgesetz
auch eine degressive Verteilung der Arbeitszeit im Laufe der Altersteilzeitphase
zulässt. So wären „Mischtypen“ zwischen der Vollzeitarbeit im Blockmodell und der
Halbtagsarbeit im Teilzeitmodell denkbar (wie von einem Personalrat erwogen): Auf
Basis von Dreiviertel- oder Zweidrittel-Stellen könnten ältere Beschäftigte in Altersteilzeit ihr vorgängiges Vollzeitarbeitsvolumen reduzieren und entsprechend dem
Ausmaß der Reduktion den Beginn des Ruhestandes vorziehen. Solche „Mischtypen“
zwischen voller und halber Wochenarbeitszeit könnten auch für männliche Beschäftigte in Altersteilzeit attraktiv sein. Allerdings müsste zunächst die Akzeptanz von
Teilzeitarbeit bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiter gesteigert werden, um solche
„Mischtypen“ von Altersteilzeitarbeit als reale Wahlmöglichkeit für die Beschäftigten
zu entwickeln.
57
U. Klammer, H. Weber, Flexibel in den Ruhestand?, a. a. O., S. 110.
131
Arbeitnehmerkammer Bremen
Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen
Teil I
Tabelle 1:
Erwerbsquoten von Männern und Frauen nach Altersgruppen
Schaubild 1:
Das Altersteilzeitmodell der IG Metall bei Volkswagen
Schaubild 2:
Anteil der Betriebe und Dienststellen mit Altersteilzeitregelung
Schaubild 3:
Angebotenes Modell der Altersteilzeit
Schaubild 4:
Ausgleich für den späteren Rentenabschlag nach Altersteilzeit
Schaubild 5:
Inanspruchnahme von Erstattungen durch die
Bundesanstalt für Arbeit
Entwicklung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge an die Bundesanstalt für Arbeit
Tabelle 2:
Teil II
Tabelle 1:
Personalstruktur (BSAG)
Abbildung 1:
Entwicklung der Teilzeitarbeit (BSAG)
Abbildung 2:
Akzeptable 85 % – Einkommensgarantie (BSAG)
Tabelle 2:
Entlassungsjahrgänge bei den Altersteilzeit- Arbeitsverhältnissen
(BSAG)
Tabelle 3:
Vom Teilzeit- zum Blockmodell (BSAG)
Schaubild 1:
Block- und Konti-Modell (BSAG)
Tabelle 4:
Praktizierte Altersteilzeitmodelle (BSAG)
Abbildung 3:
Block- und Teilzeitmodell (57 – 63 Jahre)
Tabelle 5:
Altersstruktur der Belegschaft (Stahlwerke Bremen)
Abbildung 4:
Blockmodell/Rentenanspruch/Abfindung (Stahlwerke Bremen)
Anhang:
Zahlenwerke (Stahlwerke)
Tabelle 6:
Abgeschlossene Altersteilzeitverträge (Airbus)
Abbildung 5:
Dauer der Altersteilzeit in Verbindung mit dem Lebensalter
(Brauerei Beck & Co)
132
Arbeitnehmerkammer Bremen
Teil III
Tabelle 1:
Entwicklung der Personalkennzahlen im Kernbereich
Tabelle 2:
Soll-Ist-Vergleich der Personalkennzahlen im Kernbereich
Schaubild 1:
Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Schaubild 2:
Beschäftigte im öffentlichen Dienst nach Alter und Geschlecht
Schaubild 3:
Altersstruktur der Beschäftigten nach Statusgruppen
Schaubild 4:
Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen
Tabelle 3:
Beschäftigte nach Vollzeit- und Teilzeitarbeit
Schaubild 5:
Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Beschäftigten nach Lebensjahren
Tabelle 4:
Altersteilzeitfälle nach Alter und Form des Altersteilzeitmodells
Tabelle 5:
Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht
Tabelle 6:
Altersteilzeitfälle nach Alter und Statusgruppen
Tabelle 7:
Altersteilzeitfälle nach Personalgruppen und Form des Altersteilzeitmodells
Tabelle 8:
Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht
Schaubild 6:
Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppe Lehrpersonal
Schaubild 7:
Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppen Verwaltungspersonal einschließlich Textverarbeitung
Tabelle 9:
Altersteilzeitfälle nach ausgewählten Personalgruppen und Form des
Altersteilzeitmodells
Tabelle 10:
Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Altersteilzeitmodell
Tabelle 11:
Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Geschlecht
Schaubild 8:
Soll-Ist-Vergleich der Altersstruktur
Schaubild 9:
Altersstruktur der Beschäftigten des Lehrpersonals
Schaubild 10: Altersstruktur der Beschäftigten des Verwaltungspersonals (einschließlich Textverarbeitung)
Tabelle 12:
Personalplanung 2001 - 2005
133

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