Gleitend in den Ruhestand? - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
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Gleitend in den Ruhestand? - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
Gleitend in den Ruhestand? – Gesetzliche, tarifliche und tatsächliche Entwicklung der Altersteilzeit Gleitend in den Ruhestand? – Gesetzliche, tarifliche und tatsächliche Entwicklung der Altersteilzeit Verfasser: Dr. Heiner Stück Arbeitnehmerkammer Bremen Herausgeberin Arbeitnehmerkammer Bremen Körperschaft des öffentlichen Rechts Bürgerstraße 1, 28195 Bremen Tel. 0421 . 36 30 10 Fax 0421 36 30 189 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.arbeitnehmerkammer.de Bremen, Juni 2003 Schutzgebühr 5,50 Euro. Für Mitglieder der Arbeitnehmerkammer kostenlos. ISBN: 3-89156-070-2 Vorwort Das Thema „Arbeitszeit“ ist seit langem ein zentrales Thema der Arbeitnehmerkammer – spätestens seit dem Schwerpunktprogramm „teilZeit – Lebensqualität trotz Beschäftigungskrise“ im Jahr 1998. Denn für die Arbeitnehmerkammer ist die Frage der Gestaltung von Arbeitszeit und die mögliche Umverteilung von Arbeit durch Teilzeit-Modelle eine zentrale Strategie bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Deshalb hat sich die Arbeitnehmerkammer auch im Bündnis sehr engagiert dafür eingesetzt, die Chancen neuer Arbeitszeitmodelle und entsprechender Vereinbarungen zwischen den gesellschaftlichen Akteuren für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu nutzen. Die jetzt vorliegende Studie zur Praxis der Alters-Teilzeit ist ebenfalls diesem Interesse verpflichtet. Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer darf es bei der Realisierung des Altersteilzeit-Gesetzes nicht darum gehen, dass Betriebe ihre älteren Mitarbeiter kostengünstig möglichst frühzeitig loswerden. Das ArbeitnehmerInneninteresse kommt dann zum Zuge, wenn ältere ArbeitnehmerInnen dank dieses Gesetzes den Übergang in den Ruhestand stärker an eigenen biografischen Interessen orientiert organisieren können – und wenn gleichzeitig durch die Inanspruchnahme dieses Gesetzes arbeitslose und/oder jüngere ArbeitnehmerInnen den Zutritt in Beschäftigung finden. Die Studie macht deutlich, wie wenig selbstverständlich dieses „gleichzeitig“ ist. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Studie nüchtern die aktuelle Situation in Bremer Betrieben untersucht, um so auch der betrieblichen Interessenvertretung insgesamt Orientierungswissen bei der Umsetzung des Altersteilzeit-Gesetzes an die Hand zu geben. In diesem Sinne verstehen wir die vorliegende Studie als Dienstleistung für die ArbeitnehmerInnen im Lande Bremen und ihre jeweilige Interessenvertretung – und als Merkposten für die Politik im Hinblick auf Möglichkeiten einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Dr. Hans-Ludwig Endl Geschäftsführer Heinz Möller Geschäftsführer Arbeitnehmerkammer Bremen Inhaltsverzeichnis Vorwort........................................................................................................ 3 Fragestellung der Untersuchung ..................................................................... 5 Teil I Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung der Altersteilzeit Problemstellung ...................................................................................... 6 Rückgang der Erwerbsbeteiligung älterer Erwerbspersonen ........................... 8 Entwicklung der Altersteilzeit als alternativer Vorruhestand ........................... 9 Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000)............................... 15 Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit .......................................... 16 Zusammenfassung: Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit .............. 29 Ergebnisse der Betriebs- und Personalrätebefragung (WSI) zur Nutzung der Altersteilzeit in Betrieben und Behörden (Deutschland)......................... 31 Teil II Nutzung der Altersteilzeit in Bremer Betrieben Bremer Straßenbahn AG......................................................................... 41 Siemens AG, ZN Bremen........................................................................ 63 Stahlwerke Bremen GmbH ..................................................................... 68 Airbus Deutschland GmbH ..................................................................... 78 Brauerei Beck & Co, Bremen................................................................... 90 Teil III Nutzung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst des Landes Bremen Rechtsgrundlagen ................................................................................ 101 Rahmenbedingungen ........................................................................... 102 Entwicklung der Altersstruktur............................................................... 104 Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung .................................................... 109 Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung ........................................................................ 111 Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst ....................... 115 Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen .......... 119 Altersstruktur und Personalplanung........................................................ 124 Nachwort ................................................................................................. 130 Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen ............................... 132 4 Arbeitnehmerkammer Bremen Fragestellung der Untersuchung Die Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes wie auch der Abschluss von neuen Tarifverträgen zur Altersteilzeit haben in vielen Branchen dazu geführt, dass die Inanspruchnahme von Altersteilzeit in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. In vielen Betriebsvereinbarungen werden die gesetzlichen und tariflichen Bedingungen für das vorzeitige oder allmähliche Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für die Beschäftigten noch erheblich verbessert. Wurde mit dem „Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“ (Altersteilzeitgesetz) die frühere Praxis der Frühverrentung tatsächlich abgelöst oder lediglich verändert? Altersteilzeit bildet heute in vielfältiger Form einen wichtigen Bestandteil der betrieblichen Realität und ein zentrales Arbeitsfeld der Betriebs- und Personalräte sowie Betriebs- und Personalleiter. Wird Altersteilzeit als Instrument des Personalabbaus oder als Chance eines Austausches von älteren durch jüngere Beschäftigte genutzt? Welche Faktoren bestimmen das Niveau der Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die älteren Beschäftigten sowie das Ausmaß der Wiederbesetzung von frei werdenden Arbeitsplätzen? Welche Gründe lassen sich ausmachen für die unterschiedliche Ausgestaltung der Altersteilzeit in den Betrieben? Bestehen tatsächlich gleiche Möglichkeiten für die Beschäftigten, zwischen den konkurrierenden Varianten „Blockmodell“ und „Teilzeitmodell“ zu wählen? Viele Tarifverträge schließen das Teilzeitmodell grundsätzlich aus. Welche Präferenzen haben Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte sowie die Beschäftigten hinsichtlich der unterschiedlichen Ausgestaltung der Altersteilzeit? Welche Laufzeiten der Altersteilzeitverträge werden in Verbindung mit dem Lebensalter von den Beschäftigten gewählt? Viele Fragen stellen sich beim Thema der betrieblichen Umsetzung von Altersteilzeitgesetz und Altersteilzeit-Tarifvertrag. Durch die Vorstellung von verschiedenen Ansätzen zur Anwendung des personalpolitischen Instruments „Altersteilzeit“ sollen Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Ausgangspunkt dieser Untersuchung war ein im Mai 2002 von der Arbeitnehmerkammer Bremen veranstalteter Workshop („Altersteilzeit und Personalpolitik“), auf dem die Betriebs- und Personalräte sowie die Personalverantwortlichen aus einigen Betrieben und Behörden über ihre Altersteilzeitmodelle berichteten. Mit Expertengesprächen (Personalleitung, Betriebsrat) sowie der Auswertung von betrieblichen Statistiken zur Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Beschäftigten konnten diese Berichte aus den Betrieben und Behörden weiter vertieft werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf Bremer Großbetriebe – anzunehmen ist, dass in Mittelund Kleinbetrieben andere Strukturen der Nutzung von Altersteilzeit anzutreffen sind. Den Betriebs- und Dienstvertragsparteien soll an dieser Stelle nochmals ausdrücklich für ihre Kooperation mit der Arbeitnehmerkammer Bremen Dank gesagt werden. 5 Arbeitnehmerkammer Bremen Teil I Gesetzliche, tarifliche und faktische Entwicklung der Altersteilzeit Problemstellung Die Kluft zwischen dem Lebensalter beim Austritt aus dem Erwerbsleben und der Regelaltersgrenze von 65 Jahren hat sich vergrößert. Bisher bestehende Wege zur Überbrückung dieser Kluft sind aufgrund der Rentenreform, die auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit abzielt, inzwischen eingeschränkt oder sogar abgeschafft worden (wie z. B. die so genannte 59er-Regelung). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschärft demgegenüber das Beschäftigungsrisiko der älteren Arbeitnehmer/innen, so dass die Schere zwischen dem Berufsaustrittsalter und dem regulären Rentenzugangsalter sich noch vergrößern wird. Auf der einen Seite werden die älteren Erwerbspersonen zur Verlängerung ihrer Lebensarbeitszeit gesetzlich verpflichtet – und inzwischen mit Rentenabschlägen „bestraft“, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen –, auf der anderen Seite sind die meisten älteren Erwerbspersonen aus objektiven Gründen – Zunahme der Arbeitsbelastungen, Absenkung der betrieblichen Altersgrenzen – nicht mehr in der Lage, dieser gesetzlichen Pflicht nachzukommen. Bisher konnten die Unternehmen sich der alternden Belegschaften durch die Praxis der Frühverrentung „entledigen“. Der mit dem „Kostendruck“ allseits legitimierte Personalabbau wurde vor allem über die Ausgliederung älterer Beschäftigter im Rahmen von Vorruhestandsregelungen in den Unternehmen bewältigt. Die betriebliche Praxis der Frühverrentung wurde durch die korrespondierende Inanspruchnahme des Vorruhestandes durch die älteren Beschäftigten zudem zu einem gesellschaftlich akzeptierten Modell der Lebensplanung: Die gesetzliche Regelaltersgrenze für den Übergang in den Ruhestand bildet für die Beschäftigten schon lange nicht mehr den Zielpunkt ihrer Orientierung. Vielmehr hat die Praxis der Frühverrentung dazu geführt, dass die Absenkung der betrieblichen Altersgrenze für den (vorzeitigen) Austritt aus dem Erwerbsleben von den älteren Beschäftigten selbst als gesellschaftliche Norm akzeptiert wird. Das Lebensalter von 60 Jahren hat sich für die meisten Angestellten als „magische Zahl“ für den angestrebten Übergang in den Ruhestand etabliert. Demgegenüber bildet die Altersgrenze von 55 Jahren für die Arbeiter bereits eine kritische Schwelle, so dass die Nutzung der Altersteilzeit in Form des Blockmodells eine Fortsetzung der Praxis der Frühverrentung mit anderen Mitteln ermöglicht, insbesondere in den Industriebetrieben mit belastender Schichtarbeit (Stahlindustrie, Automobilindustrie). Gleichwohl sind in den 90er-Jahren trotz des massiven Personalabbaus – insbesondere durch die vorzeitige Ausgliederung älterer Beschäftigter – die Anteile der älteren Erwerbstätigen an den Belegschaften weiter angestiegen, weil aufgrund des gleichzeitigen Einstellungsstopps kaum noch Neueinstellungen von jüngeren Erwerbspersonen 6 Arbeitnehmerkammer Bremen stattfanden, so dass die Belegschaft in vielen Betrieben sich ausschließlich auf die mittlere Altersgruppe (35 – 55 Jahre) konzentriert. Diese in den Unternehmen noch unzureichend thematisierte Altersstruktur („gestauchte Alterspyramide“) wird daher in diesem Jahrzehnt zur weiteren Alterung der Belegschaften in vielen Betrieben führen. Gleichzeitig wird der „demographische Umbruch“, d. h. die Alterung der Wohnbevölkerung, auch zur Alterung der Erwerbsbevölkerung führen1. Während die Belegschaften altern, rücken aus demographischen Gründen gleichzeitig weniger Nachwuchskräfte nach. In den Unternehmen wird diese demographische Entwicklung in langfristiger Perspektive noch kaum thematisiert. Werden die Unternehmen in der Lage sein, die steigenden Anteile älterer Arbeitnehmer/innen überhaupt zu beschäftigen (ohne die Arbeits-, Leistungs-, Weiterbildungsbedingungen grundlegend zu verändern)? Viele Unternehmen stecken bereits in der „demographischen Falle“ (zu viele Frührentner/zu wenig Nachwuchs): Die Kernbelegschaft im mittleren Alter wächst allmählich in die Kategorie der „älteren Arbeitnehmer“ hinein. Bereits in zehn Jahren werden nur noch 20 Prozent der Erwerbspersonen jünger als 30 Jahre sein, während ein Drittel der Erwerbstätigen bereits die Altersgrenze von 50 Jahren überschritten haben wird. Die Situation ist paradox: Einerseits klagen schon jetzt viele Unternehmen über Fachkräftemangel, andererseits sind das Erwerbsleben und die Laufbahnen in den Unternehmen darauf ausgerichtet, Mitarbeiter bereits ab 55 Jahren in den Vorruhestand zu schicken. Vielleicht lässt sich diese Entwicklung mit dem Bild einer „Grundsee“ vergleichen, die durch das Zusammentreffen zweier entgegengesetzter Strömungen entsteht: Während auf der einen Seite auf betrieblicher Ebene die Frühverrentung fortgesetzt und durch die hohe Arbeitslosigkeit legitimiert wird, wird auf der anderen Seite auf gesellschaftlicher Ebene aufgrund des demographischen Wandels eine längere Berufstätigkeit der älteren Beschäftigten gefordert. Dabei wird jedoch nicht die Frage beantwortet, welche Arbeits- und Gesundheitsbedingungen sowie Weiterbildungsmaßnahmen für eine längere Beschäftigung „älterer Arbeitnehmer“ eigentlich notwendig wären, damit diese die Regelaltersgrenze wieder erreichen können. Eine „altersgerechte“ Personalpolitik, die sich den Herausforderungen des demographischen Wandels stellt, müsste gegenüber der vorherrschenden „jugendzentrierten“ Personalpolitik erst noch entwickelt werden. Der Aufforderung des Gesetzgebers, bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren erwerbstätig zu bleiben, steht die betriebliche Praxis der Ausgliederung der älteren Beschäftigten ab 55 Jahren entgegen. Damit entsteht objektiv die Schwierigkeit – wenn nicht sogar Unmöglichkeit – für die älteren Erwerbspersonen, bis zur Regelaltersgrenze erwerbstätig zu bleiben. Da sich die Kluft zwischen dem Lebensalter beim Austritt aus dem Erwerbsleben und dem gesetzlich normierten Rentenzugangsalter weiter vertieft, wird auch der Übergang in den Ruhestand immer „prekärer“, die Zeitspanne zwischen dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und der 1 Vgl. dazu das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt „Demographischer Wandel und Zukunft der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“. 7 Arbeitnehmerkammer Bremen gesetzlichen Regelaltersgrenze (ohne Rentenabschläge) wird immer länger (10 Jahre bei vielen Beschäftigten in der Industrie). Es stellt sich die Frage, wie weit das Instrument der Altersteilzeit (ATZ) den „prekär“ gewordenen Übergang in den Ruhestand in sichere Bahnen lenken kann, einen institutionell und finanziell abgesicherten Übergang in den Ruhestand ermöglichen kann. Rückgang der Erwerbsbeteiligung älterer Erwerbspersonen Die Erwerbsbeteiligung der älteren Menschen ist in der Bundesrepublik bzw. im früheren Bundesgebiet im Zeitraum 1970 – 2000 insgesamt zurückgegangen. Die Aufschlüsselung der „Erwerbsquoten“2 nach Alters- und Geschlechtsgruppen zeigt für diesen Zeitraum einen drastischen Rückgang der Erwerbsbeteiligung der rentennahen Altersgruppen (von 60 bis unter 65 Jahren). Während 1970 noch drei Viertel der Männer dieser Altersgruppe „Erwerbspersonen“ (Erwerbstätige und Erwerbslose) waren, betrug die „Erwerbsquote“ der Männer dieser Altersgruppe 1985 nur noch ein Drittel – und diese Erwerbsquote stagniert bis zum Jahr 2000 auf diesem Niveau (vgl. Tabelle 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kategorie „Erwerbspersonen“ sowohl Erwerbstätige als auch Erwerbslose umfasst. Somit fällt die Erwerbstätigkeit der älteren abhängig Beschäftigten noch geringer aus, als mit den altersspezifischen Erwerbsquoten ausgewiesen. Die Erwerbsquote der Frauen im Alter von 60 bis unter 65 Jahren lag immer weit unter der entsprechenden Erwerbsquote der Männer: Nach einem kontinuierlichen Rückgang von 22 Prozent (1970) auf 11 Prozent (1985) ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen dieser rentennahen Altersgruppe jedoch wieder gestiegen: auf 15 Prozent im Jahr 2000 (vgl. Tabelle 1). Die allgemein gestiegene Erwerbsbeteiligung der westdeutschen Frauen schlägt sich seit Mitte der 80er-Jahre auch bei den Frauen in der Spätphase des Erwerbslebens nieder: Die Erwerbsquote der Frauen im Alter von 50 bis unter 55 Jahren ist von 50 Prozent im Jahr 1985 kontinuierlich bis auf nahezu 70 Prozent im Jahr 2000 angestiegen. Während die Erwerbsquote der Frauen im Alter von 55 bis unter 60 Jahren im Zeitraum 1970 – 1985 relativ konstant bei ca. 38 Prozent lag, ist sie seitdem gleichfalls kontinuierlich angestiegen – bis auf ca. 54 Prozent im Jahr 2000. Bei den westdeutschen Frauen ist also in der Spätphase des Erwerbslebens eine ansteigende Erwerbsbeteiligung festzustellen, allerdings nimmt diese Entwicklung ihren Ausgang – im Vergleich zu den westdeutschen Männern – auf einem viel niedrigeren Niveau (vgl. Tabelle 1). Die Altersgrenze von 55 Jahren markiert eine kritische Schwelle für die Beschäftigung von Männern: Die Erwerbsquote der Männer im Alter von 55 bis unter 60 Jahren ist in den letzten drei Jahrzehnten von 89 Prozent (1970) mehr oder minder stetig auf 78 Prozent (2000) zurückgegangen. 2 Die Erwerbsquoten bezeichnen die relativen Anteile der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Erwerbslose) an der Wohnbevölkerung der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppen. Die Erwerbspersonen umfassen nach der Stellung im Beruf: Selbständige, mithelfende Familienangehörige, abhängig Beschäftigte (Arbeiter, Angestellte, Beamte). 8 Arbeitnehmerkammer Bremen Dramatischer fällt jedoch der Rückgang der Erwerbsbeteiligung bei der rentennahen Altersgruppe der Männer (60 bis unter 65 Jahre) in diesem Zeitraum aus: von 75 Prozent im Jahr 1970 bis auf 33 Prozent im Jahr 2000. Die Betrachtung dieser Erwerbsquoten verdeutlicht die Schwierigkeit – sowohl für Männer als auch für Frauen –, gegenwärtig noch bis zum 65. Lebensjahr im Erwerbsprozess zu verbleiben. Tabelle 1: Erwerbsquoten von Männern und Frauen nach Altersgruppen (BRD/früheres Bundesgebiet) Alter von ... bis unter ... Jahren 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 50 – 55 ➣ Männer ➣ Frauen 95,1 44,8 93,1 47,4 93,3 47,1 93,2 50,2 93,2 57,8 92,2 63,8 91,5 69,2 55 – 60 ➣ Männer ➣ Frauen 89,2 37,2 85,7 38,4 82,3 38,7 79,1 37,8 81,1 43,8 79,0 48,8 77,9 53,5 60 – 65 ➣ Männer ➣ Frauen 74,7 22,5 58,3 16,4 44,2 13,0 33,0 10,9 35,0 12,5 33,0 13,0 33,2 14,9 Erwerbsquote: Anteil der Erwerbspersonen an der Wohnbevölkerung entsprechenden Alters und Geschlechts. Die Kategorie „Erwerbspersonen“ umfasst sowohl Erwerbstätige als auch Erwerbslose. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistische Jahrbücher. Entwicklung der Altersteilzeit als alternativer Vorruhestand Gegenwärtig überwiegt in der Praxis die Nutzung der Altersteilzeit als Instrument der Frühverrentung, als Brückenschlag zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben und dem Übergang in das Rentnerleben. Im Folgenden soll nachgezeichnet werden, mit welchen Intentionen der Gesetzgeber ursprünglich die Altersteilzeit eingeführt hat. Mit dem Vorruhestandsgesetz, das von Mai 1984 bis Dezember 1988 galt, wurden Regelungen getroffen, die zur „Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand“ beitragen sollten. Auf der Grundlage dieses Gesetzes konnten tarifliche Vereinbarungen über einen vorzeitigen Übergang in den Ruhestand abgeschlossen werden. In einzelnen Branchen wurden Vorruhestandstarifverträge vereinbart, welche die gesetzlichen Mindestleistungen teilweise verbesserten. Etwa 165.000 Beschäftigte haben damals auf der Basis dieser Tarifverträge den Vorruhestand in Anspruch 9 Arbeitnehmerkammer Bremen genommen. Die relativ geringe Inanspruchnahme wurde dadurch erklärt, dass nur für ein Drittel der abhängig Beschäftigten überhaupt ein Vorruhestandstarifvertrag abgeschlossen worden war. Dieses Gesetz wurde Anfang 1989 durch das Gesetz zur „Förderung eines gleitenden Überganges älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand“ abgelöst, das bis Ende 1992 befristet worden ist. Dieses Altersteilzeitgesetz erwies sich in der Praxis als wirkungslos: Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit wurden lediglich in ca. 500 Fällen erbracht. Die Inanspruchnahme dieses ATZ-Gesetzes war so gering, weil damals mit der so genannten 59er-Regelung eine konkurrierende Regelung bestand, die für die älteren Beschäftigten attraktiver war. So besaßen damals die Versicherten einen Anspruch auf die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hatten und vor Rentenbeginn mindestens ein Jahr lang arbeitslos waren; außerdem mussten in den letzten 10 Jahren vor Rentenbeginn mindestens 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten vorliegen und die Wartezeit von 15 Jahren (Beitragszeiten, Ersatzzeiten, usw.) musste erfüllt sein. Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde insbesondere von den Großbetrieben dazu genutzt, über eine zumeist einjährige Phase von Arbeitslosigkeit – mit anschließendem Rentenbezug – die älteren Arbeitnehmer bereits mit 59 Jahren aus dem Erwerbsleben auszugliedern. Die so genannte 59er-Regelung war mit geringen Renteneinbußen verbunden, so dass der Anreiz für die Beschäftigten, mit 60 Jahren in die Rente zu wechseln, stark ausgeprägt war. Das Lebensalter von 60 Jahren entwickelte sich unter den Beschäftigten als „magische Zahl“ für den Übergang in den Ruhestand; diese Altersgrenze etablierte sich als gesellschaftliche Norm für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. In vielen Großbetrieben setzte der Personalabbau noch früher ein, nachdem die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges schrittweise von 12 auf maximal 32 Monate verlängert worden war. Ab 57 Lebensjahren und vier Monaten konnten die älteren Beschäftigten nach Abschluss eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrages maximal 32 Monate lang Arbeitslosengeld und mit vollendetem 60. Lebensjahr die „Rente wegen Arbeitslosigkeit“ beziehen. Rentenabschläge wegen vorzeitigem Rentenbezug fielen damals auf Basis der so genannten 59er-Regelung nicht an. Es ergaben sich lediglich gewisse Renteneinbußen dadurch, dass die Beitragszahlungen der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung während der Arbeitslosigkeit 80 Prozent des Bruttoeinkommens betrugen (Lohnersatzleistung). Das Arbeitslosengeld wurde von den Großbetrieben im Rahmen der abgeschlossenen Sozialpläne noch durch Ausgleichszahlungen vielfach erheblich aufgestockt. Ab dem Jahr 1992 wurde diese Praxis der Frühverrentung immer häufiger von den Großbetrieben angewandt. Die gestiegene Inanspruchnahme der Altersrente wegen 10 Arbeitnehmerkammer Bremen Arbeitslosigkeit3 verursachte für die Rentenversicherung und die Bundesanstalt für Arbeit enorme – für die Arbeitgeber jedoch vergleichsweise geringe – Kosten. Die Kosten der von den Arbeitgebern bevorzugten Frühverrentung auf Basis der 59erRegelung verblieben also weitgehend bei der Solidargemeinschaft der Versicherten. Der Gesetzgeber nahm diese Praxis der Frühverrentung aus finanz- und sozialpolitischen Gründen – angesichts der absehbaren demographischen Entwicklung und deren finanziellen Auswirkungen auf die Rentenversicherung – zum Anlass, um eine Kehrtwende in der Rentenpolitik einzuläuten: Anstelle der bisher praktizierten Verkürzung sollte nunmehr eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit angestrebt werden. Die Kosten der Frühverrentung sollten zudem von der Sozialversicherung auf die Betriebe und die Beschäftigten verlagert und damit die Rentenversicherung entlastet werden. Mit dem Rentenreformgesetz von 1992 wurden die Altersgrenzen für die verschiedenen Rentenzugangsarten angehoben, um die Anreize für den Übertritt in den vorzeitigen Ruhestand zu verringern bzw. durch Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der jeweiligen Altersrenten zu „bestrafen“. Im Jahre 1996 wurde zur „Korrektur der Frühverrentungspraxis“ das Instrument der Altersteilzeit in neuer Form wieder eingeführt, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde in eine „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ umgewandelt. Das „Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“ (Altersteilzeitgesetz) ist am 1. August 1996 in Kraft getreten. Im § 1 dieses Gesetzes werden als Grundsätze formuliert: „(1) Durch Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. (2) Die Bundesanstalt für Arbeit fördert durch Leistungen nach diesem Gesetz die Teilzeitarbeit älterer Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres (...) vermindern, und damit die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglichen.“ Die Intention des Gesetzgebers besteht also eindeutig darin, den allmählichen Ausstieg aus dem Erwerbsleben mittels Teilzeitarbeit von älteren Arbeitnehmern zu fördern und damit zugleich eine „Beschäftigungsbrücke“ zwischen jungen und alten Beschäftigten herzustellen: Der durch Altersteilzeitarbeit frei werdende Teil-Arbeitsplatz soll mit einem sonst arbeitslosen oder sonst arbeitslos werdenden Beschäftigten (nach Abschluss der Ausbildung) wieder besetzt werden. Die rentenrechtlichen Änderungen, die im Zusammenhang mit dem ATZ-Gesetz vorgenommen wurden, zielen zwar darauf ab, eine Brücke zwischen Arbeitsleben und Ruhestand zu schlagen, andererseits wird diese Brücke aufgrund der kontinuierlichen Anhebung der Altersgrenzen durch die Rentenreform – gestaffelt nach Jahrgängen der Beschäftigten – zunehmend „brüchig“ (zumindest in finanzieller Hinsicht). Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde in eine „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ umgewandelt. Die Voraussetzung einer einjährigen 3 Im Jahre 1992 bezogen 54.000 Versicherte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, im Jahre 1993 bereits mehr als doppelt so viele, im Jahre 1994 sogar über 200.000 und schließlich im Jahre 1995 nicht ganz 300.000 Versicherte. 11 Arbeitnehmerkammer Bremen Arbeitslosigkeit wurde für diese Altersrente beibehalten, für den Anspruch auf die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit werden dagegen mindestens 24 Monate von Altersteilzeitarbeit vorausgesetzt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen sind: Die Versicherten müssen vor Rentenbeginn in den letzten 10 Jahren 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten vorzuweisen sowie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. Die Altersgrenze für die „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ wird gemäß dem Rentenreformgesetz (1992) sowie dem ATZ-Gesetz (1996) in den Jahren 1997 bis 2001 schrittweise (nach Geburtsmonaten) von 60 auf 65 Lebensjahre angehoben4. Diese schrittweise Anhebung der Altersgrenze ist inzwischen für die Geburtsmonate/-Jahrgänge von Januar 1937 bis Dezember 1941 abgeschlossen (Männer). Die Beschäftigten dieser Altersgruppen können die „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit vollendetem 60. Lebensjahr zwar weiterhin vorzeitig in Anspruch nehmen, sie müssen jedoch, um „die Mehraufwendungen der Rentenversicherung aufgrund der längeren Rentenbezugsdauer auszugleichen“, für jeden Monat des vorgezogenen Rentenbezugs einen Abschlag von 0,3 Prozent hinnehmen (3,6 % pro Jahr). Aufgrund der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze von 60 auf 65 Jahre in den letzten Jahren (1997 – 2001) wirkt sich diese Regelung für die jüngeren nachteiliger als für die älteren Jahrgänge aus: Bei der vorzeitigen Inanspruchnahme dieser Altersrente (ohne Vertrauensschutz)5 ab Vollendung des 60. Lebensjahres hat ein/e Beschäftigte/r mit Geburtsdatum Dezember 1937 lediglich 3,6 Prozent, mit Geburtsdatum Dezember 1938 demnach 7,2 Prozent, mit Geburtsdatum Dezember 1939 schon 10,8 Prozent, mit Geburtsdatum Dezember 1940 immerhin 14,4 Prozent und schließlich mit Geburtsdatum Dezember 1941 den vollen Rentenabschlag von 18,0 Prozent hinzunehmen. Ab Geburtsdatum Januar 1942 haben also Beschäftigte, die die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (ohne Vertrauensschutz) mit vollendetem 60. Lebensjahr in Anspruch nehmen, eine dauerhafte Rentenminderung um 18 Prozent hinzunehmen6. Auf die Aufnahme und Bearbeitung dieses Problems in 4 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Hg., Altersteilzeit ab 55 – Arbeit in ATZ, Förderung durch das Arbeitsamt, Übergang zur Rente, Ausgabe: Januar 2002, Tab. auf S. 32/33: Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit „ohne Vertrauensschutz“. 5 Die zentrale Voraussetzung für die Altersrente mit Vertrauensschutz, die nur geringfügige Rentenabschläge enthält, kann von der Mehrheit der Beschäftigten nicht erfüllt werden: „Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1942, die mindestens 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Zeiten mit Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zählen dabei nicht) haben“. Demnach müsste ein Versicherter nach Abschluss der damals 8-jährigen Volksschule mit 15 Jahren eine Lehre begonnen und nach Abschluss seiner Ausbildung ohne Unterbrechung bis zum 60. Lebensjahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. 6 Vom 1. Januar 2000 an wird auch die Altersgrenze bei den Renten für langjährig Versicherte von 63 Jahren und bei der Altersrente für Frauen von 60 Jahren auf jeweils 65 Jahre angehoben. Auch diese Rentenarten können vorzeitig in Anspruch genommen werden – allerdings ebenfalls mit Abschlägen. Zum prozentualen Ausmaß der jeweiligen Rentenabschläge bei diesen beiden Rentenarten vgl. die 12 Arbeitnehmerkammer Bremen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen wird daher an späterer Stelle einzugehen sein. Die sich durch die längere Rentenbezugsdauer ergebenden Rentenabschläge können zwar theoretisch durch zusätzliche Beitragszahlungen der Versicherten ausgeglichen werden, jedoch würden solche Zahlungen zum Ausgleich von Rentenminderungen praktisch enorme Summen erfordern, über die die Beschäftigten entweder nicht verfügen oder die sie – falls verfügbar – attraktiver in anderen Formen anlegen könnten. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Sozialplanmittel für solche Beitragszahlungen zum Ausgleich von Rentenminderungen einzusetzen. Auch hier stellt sich die Frage, wie weit die Betriebe von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Im Folgenden werden die wichtigsten Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes von 1996 vorgestellt: – Zu Beginn der Altersteilzeitarbeit muss der/die Arbeitnehmer/in zumindest das 55. Lebensjahr vollendet haben. – Der/die Arbeitnehmer/in muss innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens drei Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein (Arbeitslosenversicherung). – Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen eine Vereinbarung vor Beginn der Altersteilzeitarbeit abschließen. – Die Dauer der Altersteilzeitarbeit soll gemäß Vereinbarung bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt reichen, zu dem der/die Arbeitnehmer/in eine – ggfs. auch geminderte – Altersrente in Anspruch nehmen kann. – Die Arbeitszeit muss auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert werden. Auch nach dieser Verminderung der Arbeitszeit muss der/die Arbeitnehmer/in sozialversicherungspflichtig, also mehr als geringfügig beschäftigt sein. – Die Verteilung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit-Phase bleibt den Vertragsparteien überlassen. Möglich sind eine durchgängige Halbtagsbeschäftigung, ein regelmäßiger Wechsel (täglicher, wöchentlicher, monatlicher Wechsel) zwischen Arbeitszeit und Freizeit, selbst eine (in der Praxis selten genutzte) degressive Arbeitszeitverteilung wäre möglich sowie das – in der Praxis dominierende – Blockmodell. Bei dem „Blockmodell“ werden innerhalb des vereinbarten Verteilzeitraumes zwei gleich große Zeitblöcke gebildet: Arbeitsphase und Freistellungsphase von jeweils gleicher Dauer. Allerdings dürfen beim Blockmodell diese beiden Zeitblöcke ohne tarifvertragliche Grundlage jeweils nicht länger als eineinhalb Jahre, insgesamt also höchstens drei Jahre betragen. Die Vereinbarung von mehr als drei Jahre umfassenden Verteilzeiträumen ist nur dann möglich, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dieses zulässt (Tarifvorbehalt). Gemäß Gesetz kann der Zeitraum der Altersteilzeit-Phase auf bis zu zehn Jahren erweitert werden, also 5 Jahre Tabellen, S. 36 ff., in: BMAS, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Ausgabe: Januar 2002. 13 Arbeitnehmerkammer Bremen Arbeitsphase und 5 Jahre Freistellungsphase, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dieses zulässt. – Der Arbeitgeber muss das Bruttoarbeitsentgelt des/der ATZ-Beschäftigten um mindestens 20 Prozent aufstocken. Der Aufstockungsbetrag muss allerdings eine bestimmte Höhe erreichen: Der/die Arbeitnehmer/in soll im Monat mindestens 70 Prozent des bisherigen (pauschalierten) Nettoarbeitsentgeltes erhalten. Diese einzuhaltenden Mindestnettobeträge werden jährlich vom Bundesarbeitsministerium festgelegt. Der Aufstockungsbetrag in Höhe von mindestens 20 Prozent des Bruttoarbeitsentgeltes ist zwar steuer- und sozialabgabenfrei, unterliegt jedoch – wie andere Sozialleistungen – bei der Einkommenssteuerveranlagung dem Progressionsvorbehalt. – Der Arbeitgeber muss zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten – und zwar mindestens in Höhe des Beitrags, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 Prozent des bisherigen Arbeitsentgelts und dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt. Damit werden einem Vollzeitbeschäftigten, der mit dem Wechsel in Altersteilzeitarbeit seine wöchentliche Arbeitszeit auf die Hälfte vermindert, Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet, die sich auf 90 Prozent des vorherigen Vollzeiteinkommens beziehen. – Der Gesetzgeber hat einen Überforderungsschutz für die Betriebe festgelegt, wonach ein Anspruch der einzelnen Beschäftigten nicht gegeben ist, wenn fünf Prozent aller Beschäftigten des Betriebes bereits in Altersteilzeit beschäftigt sind. Das Arbeitsamt erstattet dem Arbeitgeber diese Aufstockungsleistungen für die Dauer der Altersteilzeitarbeit (Förderhöchstdauer gemäß ATZ-Gesetz von 1996: fünf Jahre), sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden: – Wiederbesetzung des durch Altersteilzeitarbeit frei gemachten oder durch Umsetzung frei gewordenen (Teil-)Arbeitsplatzes durch die Einstellung eines arbeitslos gewordenen Arbeitnehmers oder durch die Übernahme eines Arbeitnehmers nach Abschluss der Ausbildung auf dem frei gemachten Arbeitsplatz. Bei der Wiederbesetzung sind verschiedene Formen möglich: So kann der Wiederbesetzer ebenfalls eine Teilzeittätigkeit ausüben, wenn der Arbeitnehmer in Altersteilzeit tatsächlich Teilzeitarbeit verrichtet. Bei der verblockten Altersteilzeit kann der Wiederbesetzer erst nach Abschluss der Arbeitsphase, also zum Beginn der Freistellungsphase, den vollen Arbeitsplatz übernehmen. – Bei Kleinunternehmen bis zu 50 Beschäftigten kann anstelle der Wiederbesetzung auch ein/e Auszubildende/r versicherungspflichtig beschäftigt werden. Die gesetzlichen Regelungen zur Altersteilzeit erwiesen sich für die älteren Beschäftigten finanziell nicht als attraktiv: Der gesetzliche Anspruch auf eine Absicherung von 70 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens bildete keinen ausreichenden Anreiz für die älteren Beschäftigten. Das mehrheitlich präferierte – auf 5 Jahre verteilte – Blockmodell (2 ½ Jahre Arbeitsphase/2 ½ Jahre Freistellungsphase) war wegen des 14 Arbeitnehmerkammer Bremen Tarifvorbehalts ohnehin nur bei Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages möglich. In der Folge des ATZ-Gesetzes wurden daher in verschiedenen Branchen Tarifverträge abgeschlossen, die eine Aufstockung der gesetzlichen ATZ-Leistungen vorsehen. Fortentwicklung des ATZ-Gesetzes (Jahr 2000) Im Jahre 2000 hat der Gesetzgeber wesentliche Änderungen des ATZ-Gesetzes vorgenommen, um die Beschäftigungswirksamkeit dieses Gesetzes zu erhöhen. Das 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ist am 1. Januar 2000 in Kraft getreten. – War zuvor der Wechsel in Altersteilzeitarbeit nur Vollzeitbeschäftigten möglich, die in den letzten fünf Beschäftigungsjahren zumindest drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt waren, so wird nunmehr der Wechsel in Altersteilzeitarbeit auch Teilzeitbeschäftigten ermöglicht. Damit wurden viele weibliche Beschäftigte – nach erfolgreichen Protesten insbesondere der Gewerkschaft ÖTV –, die bisher keinen Anspruch auf Altersteilzeitarbeit besaßen, in die gesetzliche Regelung einbezogen7. – Bei der Wiederbesetzung, der zentralen Voraussetzung für die Erstattungsleistungen des Arbeitsamtes an den Arbeitgeber, reicht bei Arbeitgebern mit mehr als 50 Beschäftigten der Nachweis einer Umsetzungskette zwischen dem Beschäftigten in Altersteilzeit und dem „Wiederbesetzer“. Wenn für einen in Altersteilzeit gehenden Mitarbeiter ein anderer Mitarbeiter auf dessen frei gewordenen Arbeitsplatz „nachrückt“ und ein „Wiederbesetzer“ (Arbeitsloser oder Ausgebildeter) im selben Funktionsbereich (z. B. Produktion, Einkauf, Vertrieb) eingestellt wird, liegt nunmehr eine Wiederbesetzung vor. – Der Nachweis der Wiederbesetzung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten gegenüber dem Arbeitsamt wurde wesentlich erleichtert: Arbeitgeber mit bis zu 50 Beschäftigten erhalten die Förderung, wenn sie aus Anlass der Altersteilzeit eines älteren Mitarbeiters einen arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung „an beliebiger Stelle des Unternehmens“ beschäftigen (oder aber eine/n Auszubildende/n einstellen). 7 Für die vollzeitbeschäftigten Angestellten und Arbeiter/innen von Bund, Ländern und Gemeinden bestand seit dem 1. Mai 1998 ein Anspruch auf Altersteilzeitarbeit (Tarifvertrag ATZ). Im „Bündnis für Arbeit“ haben sich die Gewerkschaften für die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten erfolgreich eingesetzt. Das Altersteilzeitgesetz ermöglicht ab 1. Januar 2000 auch den Teilzeitbeschäftigten den Wechsel in Altersteilzeitarbeit. Nach dieser Änderung des Gesetzes hat die Gewerkschaft ÖTV eine schnelle Anpassung der tarifvertraglichen Regelungen gefordert. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes waren jedoch vor der Tarifrunde 2000 nicht bereit, Gespräche über die Änderung des Tarifvertrages ATZ zu führen. Daher konnte eine Einigung über die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in den Tarifvertrag ATZ erst in der Tarifrunde 2000 erreicht werden. Ab 1. Juli 2000 haben nunmehr auch Teilzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst einen tarifvertraglichen Anspruch auf Altersteilzeitarbeit. 15 Arbeitnehmerkammer Bremen Das 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ist am 1. Juli 2000 in Kraft getreten. Mit diesen Änderungen soll die Beschäftigungswirksamkeit des ATZGesetzes weiter erhöht werden. – Die Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes, die zuvor nur bis zum 31. Juli 2004 ausgelegt war, wurde bis zum 31. Dezember 2009 ausgedehnt. Damit erhalten die Tarifvertragsparteien sowie die Betriebs- bzw. Dienstvertragsparteien einen weiteren Planungshorizont und damit auch größere Planungssicherheit für die Personalentwicklung. Förderleistungen des Arbeitsamtes können demnach für die Zeit ab 1.1.2010 nur noch erbracht werden, wenn die Arbeitnehmer/innen mit der Altersteilzeitarbeit vor dem 1. Januar 2010 beginnen. – Die Förderhöchstdauer wird von fünf auf sechs Jahre erhöht. Parallel dazu wird die „Mindestnachbesetzungsdauer“ um ein Jahr von drei auf vier Jahre erhöht. Bisher hatte der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei der Förderhöchstdauer von fünf Jahren für einen Beschäftigten in Altersteilzeit die Förderleistungen des Arbeitsamtes zu erhalten, sofern der „Wiederbesetzer“ zumindest für drei Jahre im Betrieb beschäftigt war (im Falle von Halbtagsarbeit: Einsparung einer halben Stelle für zwei Jahre). Nunmehr hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei der Förderhöchstdauer von sechs Jahren für einen Beschäftigten in Altersteilzeit die Förderleistungen des Arbeitsamtes zu beziehen, wenn der „Wiederbesetzer“ zumindest für vier Jahre beschäftigt wird (im Falle von Halbtagsarbeit gleichfalls Einsparung einer halben Stelle für zwei Jahre). Mit dieser Änderung wurde das bisherige Verhältnis der Dauer der Wiederbesetzung zur Dauer der Förderung geringfügig verbessert. – Das Arbeitsamt erstattet dem Arbeitgeber die Aufstockungsleistungen für den Zeitraum, in dem die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf die Hälfte vermindert wurde, höchstens für sechs Jahre. Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit Das Altersteilzeitgesetz enthält nur Mindestbedingungen – insbesondere keinen individuellen Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit – sowie nur Mindestleistungen (insbesondere nur die Garantie von 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens). Daher nimmt es nicht wunder, dass die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung der Altersteilzeit in Tarifverträgen sich vor allem auf die Aufstockung der gesetzlichen Leistungen konzentriert haben, um die Attraktivität der Altersteilzeit für die Beschäftigten zu steigern. Seit Einführung des Altersteilzeitgesetzes (August 1996) ist die Anzahl der Tarifverträge zur Altersteilzeit beständig gestiegen. Ende 1999, also unmittelbar vor Inkrafttreten des 1. Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, lagen 360 tarifliche Regelungen zur Altersteilzeit vor – mit einem Geltungsbereich von ca. 12,7 Millionen Arbeitneh- 16 Arbeitnehmerkammer Bremen mern8 (von denen ca. 1,4 Millionen 55 Jahre und älter waren). Ende 2000, also ein Jahr nach Inkrafttreten des 1. Gesetzes sowie ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, waren bereits 580 Tarifverträge zur Altersteilzeit abgeschlossen worden – mit einem Geltungsbereich von ca. 15,5 Millionen Arbeitnehmern. Die beiden im Jahre 2000 in Kraft getretenen Gesetze haben also mit ihren wesentlichen Änderungen und Verbesserungen einen nachhaltigen Schub beim Abschluss von zahlreichen Verbands- und Firmentarifverträgen zur Altersteilzeit ausgelöst. Ende 2001 waren beim Bundesarbeitsministerium ca. 690 Tarifverträge zur Förderung von Altersteilzeit gemeldet – mit einem Geltungsbereich von ca. 16,2 Millionen Beschäftigten9. Die Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit ist nach Branchen sehr unterschiedlich und kann hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden. Wir beschränken uns in diesem Bericht weitgehend auf diejenigen Branchen, denen die von uns in Bremen untersuchten Betriebe und Behörden angehören. Für die IG Metall hatte der im Sommer 1997 mit VW abgeschlossene Tarifvertrag zur Altersteilzeit (Bezirksleitung Hannover) eine Vorbildfunktion. Hinter diesem Tarifvertrag steht die Idee eines betrieblichen Generationenvertrages, mit dem Konflikte zwischen den Generationen minimiert werden sollen. Nach dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, den die IG Metall bei VW durchgesetzt hatte, der betriebsbedingte Kündigungen gänzlich ausschließt, müssen die Auszubildenden nach Abschluss ihrer Lehre in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Durch die Abschaffung der sog. Vorruhestandsregelung durch die Bundesregierung (1996) war jedoch den älteren VW-Beschäftigten das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb „verbaut“. Die gesetzliche Regelung der Altersteilzeit (1996) ist mit zu großen finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden. Die IG Metall und VW haben das gesetzliche Modell tariflich so ausgestattet, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Erwerbsleben über die Altersteilzeit einen zumutbaren Ausweg für die Beschäftigten darstellt. Damit wird zugleich die Übernahme der Ausgebildeten nach Abschluss ihrer Lehre gesichert. Das ATZ-Modell der IG Metall bei Volkswagen10 beinhaltet weitreichende tarifliche Aufstockungen der gesetzlich vorgesehenen ATZ-Leistungen, die in den späteren Verbandstarifverträgen der IG Metall nicht im selben Umfang realisiert werden konnten: So wird das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit von 70 auf 85 Prozent aufgestockt und der Rentenversicherungsbeitrag sogar von 90 auf 100 Prozent 8 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Stand: Mai 2000. Diese Broschüre, die ständig aktualisiert wird, listet sämtliche Branchen- und Firmentarifverträge zur Altersteilzeit auf, die beim Bundesministerium gemeldet werden. 9 BMAS, Hg., Altersteilzeit ab 55, a.a.O., Stand: Januar 2002. 10 Vgl. IG Metall, Bezirksleitung Hannover, Altersteilzeit – Das Modell der IG Metall bei Volkswagen, November 1997, S. 20 ff. 17 Arbeitnehmerkammer Bremen angehoben. Bereits 1997 wurde in diesem Firmentarifvertrag das Problem der gesetzlichen Rentenabschläge (beim Renteneintrittsalter von 60 Jahren: 18 Prozent) in Kenntnis der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit aufgenommen und paritätisch geregelt: Der Arbeitnehmer muss beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Jahren nur 9 Prozent Rentenverlust hinnehmen, weil der Arbeitgeber gleichfalls 9 Prozent Rentenabschlag übernimmt (als Zuschuss zur Werksrente). Damit ist ein weiterer Baustein zur Altersvorsorge angesprochen, der in Deutschland als betriebliche Altersvorsorge nur in Großbetrieben (wie z. B. Volkswagen, DaimlerChrysler, Siemens, RWE) überhaupt existiert: die Werksrente. Die bei Volkswagen bestehende Werksrente bleibt auch während der Altersteilzeitarbeit in voller Höhe bestehen (vgl. Schaubild 1). Im Herbst 1997 folgte der Durchbruch für die Metallindustrie – nach vorheriger Streikdrohung der IG Metall – für den Pilotbezirk im Südwesten (Bezirksleitung Stuttgart). Die Bedingungen dieses Tarifkompromisses waren zwar schlechter als die des Firmentarifvertrages von VW, aber doch wesentlich besser als die gesetzlichen Mindestleistungen: Aufstockung des Arbeitsentgeltes auf mindestens 82 Prozent des bisherigen Netto-Vollzeitentgeltes sowie des Rentenversicherungsbeitrags auf 95 Prozent. (Bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit – ab 60. Lebensjahr – auf Wunsch des Arbeitgebers wird dem Arbeitnehmer eine Abfindung von maximal drei Brutto-Vollzeitentgelten gezahlt.) Grundsätzlich sollte der Abschluss von ATZVerträgen ab dem 55. Lebensjahr auf Basis dieses Tarifvertrages den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung voraussetzen. Diese Regelung ergab sich aus den konfliktuellen Verhandlungen, welche das Problem eines Rechtsanspruchs auf Altersteilzeit zum Gegenstand hatten. Ohne Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung haben die Beschäftigten gemäß diesem Tarifvertrag erst mit 61 Lebensjahren einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit (über 4 Jahre hinweg bis zum 65. Lebensjahr, d. h. nach dem Blockmodell: Beginn der Freistellungsphase mit 63. Lebensjahr). 18 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 1: DAS ALTERSTEILZEIT-MODELL DER IG METALL BEI VOLKSWAGEN NORM. ARBEITSPHASE ALTERSTEILZEIT TARIFMODELL VW (VERSORGUNGSGRAD) Aufstockung VW Werksrente Entgelt tarifl. Rentenbaustein 85 % Aufstockung VW netto (statt 70 %) Rentenbeitrag 100 % gesetzliche Rente (Blüm-Modell) (statt 90 %) 55 Lebensalter ARBEITSZEIT VOLL Arbeitszeit: Die Arbeitszeit kann geblockt werden. Die Altersteilzeiter arbeiten im Regelfall voll bis zum 57,5. Lebensjahr, dann bleiben sie zu Hause. Mit 60 scheiden sie dann auch de jure aus dem Erwerbsleben aus und gehen in die Rente. Blüm-Modell: Die Bundesregierung verfügt mit der gesetzlichen Regelung, dass der Altersteilzeiter eine Rentenminderung von 18 % erleidet, wenn er mit 60 in Rente geht. Das Modell wird auch kaum genutzt: Es ist unattraktiv u. niemandem zuzumuten. 57,5 60 ARBEITSZEIT NULL Blüm-Modell: In den fünf Jahren der Altersteilzeit bekommt jeder nur 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Tarifmodell: Die Altersteilzeiter bei VW erhalten durch Aufstockung des Unternehmens durchschnittlich 85 % des letzten Nettoeinkommens für den Zeitraum von fünf Jahren. Blüm-Modell: Die Altersteilzeiter arbeiten im Durchschnitt in den fünf Jahren von 55 bis 60 nur die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Rentenbeitrag erfolgt in dieser Zeit nur auf der Basis von 90 % des Einkommens. Tarifmodell: Während des gesamten Zeitraumes der Altersteilzeit werden die Beiträge zur Rentenversicherung von 90 auf 100 % angehoben. 65 RUHESTAND Renten-Aufstockung von VW: Der gesetzl. Minusabschlag bis zu 18 % wird im Tarifmodell um die Hälfte gemildert. Er beträgt bei einem Renteneintrittsalter von 60 Jahren nur noch 9 %. Die Aufstockung durch VW erfolgt über einen Zuschuss bei der Werksrente. Werksrente: Die Werksrente bleibt in voller Höhe erhalten – sie verringert sich durch die Altersteilzeit nicht. Tariflicher Rentenbaustein: Um die Einkommenslücken im Alter zu mindern, haben VW und IG Metall 1995 im System der Beschäftigungssicherung die betriebliche Altersversorgung um einen weiteren Rentenbaustein ergänzt und damit tarifliches Neuland beschritten. Die monatlich 52 Mark vermögenswirksamen Leistungen wurden umgewandelt und fließen in die neue Beteiligungsrente. Quelle: IG Metall, Bezirksleitung Hannover, Altersteilzeit – Das Modell der IG Metall bei Volkswagen, Nov. 1997, S. 24/25. 19 Arbeitnehmerkammer Bremen Der Tarifvertrag zur Altersteilzeit wurde von der IG Metall im Bezirk Küste erst im Sommer 1998 abgeschlossen, weil einige Probleme, die im Tarifvertrag ATZ des Pilot-Bezirks Nordwürttemberg/Nordbaden enthalten waren, noch zu lösen waren. Für alle regionalen Bereiche der Metallindustrie (in Westdeutschland) gilt als Voraussetzung einer ATZ-Regelung der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sowie als Anspruchseinschränkung die Festsetzung der Anzahl der ATZ-Arbeitnehmer im Rahmen der betrieblichen Personalplanung (Stand 1998)11. Da beim Blockmodell für über drei Jahre hinausgehende Verteilzeiträume im ATZ-Gesetz ein Tarifvorbehalt besteht, sind Tarifverträge eine unabdingbare Voraussetzung für die Vereinbarung langfristiger Blockmodelle. Daher hat die IG Metall in ihren Bezirken Tarifverträge über ein 5-Jahres-Blockmodell abgeschlossen (Beispiel: Arbeitsphase von 55 bis 57 ½ Jahren, Freistellungsphase von 57 ½ bis 60 Jahren). Gemäß diesem Beispiel würden die Beschäftigten in einem Lebensalter ihre Erwerbsarbeit faktisch beenden, in dem sie früher über die sog. Vorruhestandsregelung aus dem Erwerbsprozess ausschieden. Die Tarifrunde 2000 wies für die Gewerkschaften – nicht nur für die IG Metall – eine doppelte Struktur der Forderungen auf: Einerseits schlossen die Tarifvertragsparteien Lohn- und Gehaltsabkommen mit bescheidenen Tarifsteigerungen ab, andererseits konnten die Gewerkschaften in einigen Branchen tarifliche Regelungen nicht nur zur Altersteilzeit, sondern auch zur Altersvorsorge durchsetzen12. Eine Besonderheit der Tarifrunde 2000 bestand darin, dass eigentlich die IG Metall gemäß dem Tariffahrplan im Frühjahr die Vorreiterrolle in der Metall- und Elektroindustrie übernehmen sollte. Jedoch hat durch das Vorziehen der Verhandlungen in der chemischen Industrie der frühzeitige Abschluss in dieser Branche (zweistufige Tariferhöhung, Verbesserung des Tarifvertrages zur Altersteilzeit, teilweiser Ausgleich der Rentenabschläge durch eine gestaffelte Abfindungssumme, Möglichkeit zur tariflichen Altersvorsorge) die tarifpolitische Ausrichtung der anderen Gewerkschaften maßgeblich geprägt. Die IG Metall hat kurz nach dem Abschluss in der chemischen Industrie zunächst in der nordrhein-westfälischen Metallindustrie einen Tarifvertrag abgeschlossen (zweistufige Tariferhöhung, Verbesserung der bestehenden tariflichen ATZRegelungen, Ausgleichszahlung zur Minderung von Rentenabschlägen). In der Tarifrunde 2000 wurden die tariflichen ATZ-Regelungen in einigen Branchen inhaltlich verbessert bzw. auf weitere Bereiche ausgedehnt. Außerdem wurden die bestehenden Tarifverträge an die im Jahre 2000 geänderten gesetzlichen Bestimmungen angepasst (Einbeziehung von Teilzeitkräften, Verlängerung der Förderhöchstdauer sowie parallel dazu der Mindestnachbesetzungsdauer, Verlängerung der Geltung des 11 Vgl. WSI-Tarifarchiv: Tarifliche Altersteilzeit – Ein Überblick über tarifliche Regelungen in 25 Wirtschaftsbereichen, Düsseldorf, November 1998. 12 Vgl. Reinhard Bispinck, WSI-Tarifarchiv, Tarifpolitischer Jahresbericht 2000: Moderate Lohnabschlüsse plus „Beschäftigungsbrücke“, Düsseldorf, Januar 2001, Übersicht auf Seite 3: Ausgewählte Tarifabschlüsse 2000. 20 Arbeitnehmerkammer Bremen Altersteilzeitgesetzes bis Ende 2009). Insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der chemischen Industrie wurden die bereits bestehenden ATZRegelungen verbessert. Ende 2000 gab es damit ca. 185 Verbandstarifverträge sowie ca. 320 Unternehmenstarifverträge für insgesamt ca. 15 Millionen Beschäftigte, die auf dem neuen ATZ-Gesetz aufbauen. In der westdeutschen Metallindustrie stand neben der Förderung nach Einkommenserhöhung die Durchsetzung der „Rente mit 60“ (Klaus Zwickel) im Zentrum der Auseinandersetzung. Im „Bündnis für Arbeit“ verständigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften nach heftigen Konflikten Anfang 2000 schließlich darauf, dass die Tarifvertragsparteien betriebs- und branchenbezogene Regelungen anstreben sollen, welche „ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben ebenso wie eine verstärkte Nutzung der Altersteilzeit“ einschließen. Neben der Erhöhung der Vergütung stellte der IG Metall-Vorstand die Forderung nach einer „Beschäftigungsbrücke zwischen Jung und Alt“ auf. Der erste Abschluss wurde in der Metallindustrie in NordrheinWestfalen getätigt (März 2000). Neben der zweistufigen Tariferhöhung sowie der Erhöhung der Ausbildungsvergütungen wurde eine Verlängerung des Tarifvertrages zur Altersteilzeit (bis zum 30.4.2003) unter Anpassung an das geänderte ATZ-Gesetz vereinbart. Außerdem soll nunmehr die Entgeltumwandlung der vermögenswirksamen Leistungen für die Altersvorsorge ermöglicht werden. Schließlich wurde der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ abgeschlossen (NWR, Küste usw.). Während nach dem Tarifvertrag ATZ ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit erst ab dem vollendeten 61. Lebensjahr besteht (in Form des Blockmodells/maximal vier Jahre), erhalten nach dem „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ (TV BB) nunmehr Beschäftigte bereits ab dem vollendeten 57. Lebensjahr (bis zum vollendeten 60. Lebensjahr) einen Rechtsanspruch auf eine maximal bis zu 6 Jahre dauernde verblockte Altersteilzeit13. Das bedeutet – bei der Halbierung eines 6-jährigen Verteil- 13 Arbeitnehmer zwischen 57 und 60 Jahren haben nach § 2 TV BB einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit in Form des Blockmodells für mindestens zwei, höchstens sechs Jahre. Der Anspruch wird allerdings durch das sog. „Drehkreuz“, durch eine Zugangsquote sowie eine Bestandsquote (Jahrgangsquote) begrenzt. Der TV BB schreibt vor, dass – im tariflichen Anspruchsmodell – die Freistellungsphase spätestens mit dem auf die Vollendung des 60. Lebensjahres folgenden Monatsersten („Drehkreuz“) beginnen muss. Das „Drehkreuz“ führt zu einer Einschränkung des Rechtsanspruchs: Nur ein Arbeitnehmer, der das ATZ-Arbeitsverhältnis mit seinem 57. Geburtstag beginnt, kann die vollen 6 Jahre beanspruchen (57-60-63). Beginnt ein Arbeitnehmer mit 58 J. die Altersteilzeit, besteht nur noch ein Anspruch auf ein 4-jähriges ATZ-Arbeitsverhältnis (58-60-62). Bei einem Arbeitnehmer mit bereits 59 Jahren führt die Drehkreuz-Regelung dazu, dass er nur noch ein zweijähriges ATZ-Arbeitsverhältnis rechtlich durchsetzen kann. (Der Arbeitgeber kann allerdings auf die Anwendung des „Drehkreuzes“ verzichten.) 59- und 60-jährige Arbeitnehmer haben gemäß TV BB einen besonderen zweijährigen Anspruch auf Altersteilzeit. 55- und 56-jährige Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Altersteilzeit (weder nach TV ATZ noch nach TV BB). Allerdings kann auf freiwilliger Basis auch für Arbeitnehmer in diesem Lebensalter ein ATZ-Arbeitsvertrag abgeschlossen werden. Vgl. IG Metall, Bezirksleitung Küste, Altersteilzeit – Beschäftigungsbrücke in der Metall- und Elektroindustrie Nord (Arbeitshilfe). 21 Arbeitnehmerkammer Bremen zeitraumes auf Arbeits- und Freistellungsphase –, dass die Beschäftigten faktisch nach ihrem 60. Geburtstag aus dem Erwerbsprozess ausscheiden können. Auf diese Weise wurde zwar nicht die von Zwickel ursprünglich angestrebte „Rente mit 60“ erreicht, aber doch die Möglichkeit für die Beschäftigten geschaffen, nach dem Blockmodell faktisch (wenngleich nicht arbeitsrechtlich gemäß dem ATZArbeitsverhältnis) mit 60 Jahren das Arbeitsleben zu beenden. Zum Ausgleich für die Rentenminderung aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens erhalten die Beschäftigten eine Abfindung von 450 DM für maximal 48 Kalendermonate, also insgesamt maximal 21.600 DM für vier Jahre vorgezogenen Ruhestand. Um die maximale Abfindung von 21.600 DM zu erhalten, müsste ein Beschäftigter ab dem vollendeten 57. Lebensjahr eine 4-jährige verblockte Altersteilzeit wählen – dieser „Metaller“ müsste demnach für vier Jahre vorgezogenen Ruhestand eine dauerhafte Rentenminderung um 14,4 Prozent hinnehmen. (Die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente für Frauen ist zeitlich „nach hinten“ (um drei Jahre) – im Vergleich zu den Männern – verschoben.) 57 ALTERSTEILZEIT 59 Arbeitsphase RENTENANSPRUCH 61 Freizeitphase 65 14,4 % Abschlag 48 Monate tarifliche Abfindung 48 x 450 DM = 21.600 DM ALTERSTEILZEIT 60 57 Arbeitsphase 63 Freizeitphase RENTENANSPRUCH 65 7,2 % Abschlag 24 Monate tarifliche Abfindung 24 x 450 DM = 10.800 DM Nimmt jedoch ein Metall-Beschäftigter den Rechtsanspruch gemäß dem Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke auf eine 6-jährige verblockte Altersteilzeit ab dem vollendeten 57. Lebensjahr wahr, würde er ab dem vollendeten 63. Lebensjahr zum Ausgleich der dauerhaften Rentenminderung (Männer ab Jahrgang 1942: Rentenabschlag für 2 Jahre vorgezogenen Ruhestand = 7,2 %) lediglich eine Abfindung von 10.800 DM (24 Monate x 450 DM) erhalten. Bei dem 6-jährigen Blockmodell fällt demnach die tarifliche Abfindung nur halb so hoch aus wie bei dem 4-jährigen Blockmodell (jeweils Altersteilzeit ab 57 Jahren); 22 Arbeitnehmerkammer Bremen dafür wird beim 6-jährigen gegenüber dem 4-jährigen Blockmodell die – dauerhafte – Rentenminderung (7,2 % statt 14,4 %) halbiert, so dass gemäß der Dauer des Rentenbezugs sowie dem Niveau der Rente die 6-jährige gegenüber der 4-jährigen verblockten Altersteilzeit in finanzieller Hinsicht langfristig attraktiver ausfallen kann. Eine gegenüber dem Tarifvertrag ATZ neue Regelung im Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke besteht darin, dass der/die Beschäftige nach der Altersteilzeitarbeit grundsätzlich eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält (§ 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke). Der Abfindungsanspruch gemäß § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke wird nicht zu dem Abfindungsanspruch nach § 9 Tarifvertrag ATZ hinzugezählt. Nach § 9 Tarifvertrag ATZ haben Beschäftigte einen Abfindungsanspruch, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63. Lebensjahres endet. Beruht ein ATZ-Vertrag auf der Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, kommt § 9 Tarifvertrag ATZ zum Zuge (maximale Abfindung in Höhe von drei Monatsentgelten beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Jahren/Begrenzung auf das dreifache der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung/Verringerung der Abfindung um 1/36 mit jedem vollen Monat des Ausscheidens nach Vollendung des 60. Lebensjahres – bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres). Wenn der ATZ-Vertrag auf den Bestimmungen des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke beruht, gilt § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke. Werden die Regelungen des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke in eine freiwillige Betriebsvereinbarung integriert, dann muss die Abfindung mindestens das Niveau der beiden in Frage kommenden Tarifverträge erreichen (unter bestimmten Voraussetzungen). Die Abfindungsregelung nach § 9 Tarifvertrag ATZ wird in vielen Fällen hinter die Abfindungsregelung des § 6 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke (450 DM x maximal 48 Monate = maximal 21.600 DM) zurücktreten. Die Betriebsräte müssen im Einzelfall jeweils prüfen, welche der beiden Abfindungsregelungen für den Beschäftigten günstiger ausfällt. Der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ enthält eine wesentliche Anspruchseinschränkung: Der Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ist dann ausgeschlossen, wenn 4 Prozent (ab 1. Mai 2000) bzw. 5 Prozent (ab 1. Mai 2002) aller Beschäftigten des Betriebes von der Altersteilzeit Gebrauch machen oder wenn mehr als 40 Prozent der 57-jährigen, mehr als 50 Prozent der 58-jährigen, mehr als 60 Prozent der 59jährigen, mehr als 70 Prozent der 60-jährigen Beschäftigten einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben. Außerdem ist der Anspruch auch dann ausgeschlossen, wenn eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit besteht. In diesem Falle sind die Betriebsvertragsparteien dazu verpflichtet, die Zugangskriterien sowie die materielle Ausstattung gemäß den Regelungen des Tarifvertrages Beschäftigungsbrücke in die Betriebsvereinbarung zu integrieren. Der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ermöglicht es, die Altersgrenze für den Beginn der Altersteilzeit weiter abzusenken (im Vergleich zum Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke sowie zum Tarifvertrag ATZ): In Betrieben mit Betriebsräten kann Altersteilzeit ab Vollen23 Arbeitnehmerkammer Bremen dung des 55. Lebensjahres durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeführt werden (Betriebsvereinbarungsmodell). Kommt eine Betriebsvereinbarung zu Stande, werden sowohl das Anspruchsmodell gemäß § 2 Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke als auch das 61er-Modell (Tarifvertrag ATZ) verdrängt. Eine Verbesserung der materiellen Ausstattung der Altersteilzeit durch Betriebsvereinbarungen wird in der Praxis von den Betriebsvertragsparteien angestrebt (Erhöhung des Aufstockungsbetrages, Regelung für den Fall der Langzeiterkrankung in der Arbeitsphase nach Ablauf der Entgeltfortzahlung, höhere Abfindungszahlung). Im Gegenzug zum Abschluss des Tarifvertrages „Beschäftigungsbrücke“ wurden die tariflichen Arbeitszeitbestimmungen (35-Stunden-Woche) um drei Jahre (bis zum 30.4.2003) verlängert. Eine Kündigung dieser Arbeitszeitbestimmungen hätte die zeitgleiche Beendigung der tariflichen Regelungen zur Beschäftigungsbrücke (wie auch der Übernahmeregelungen für Ausgebildete) zur Folge. Diese Koppelung der Regelungen hat übrigens den 1. Vorsitzenden der IG Metall im Oktober 2002 auf der arbeitszeitpolitischen Konferenz seiner Gewerkschaft in Mannheim zur Erklärung veranlasst, in der Tarifrunde 2003 Verhandlungen über den auslaufenden Tarifvertrag „Arbeitszeit“ (35-Stunden-Woche) nur in ungekündigtem Zustand führen zu wollen. Die chemische Industrie hat schon in den 80er-Jahren eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung von Vorruhestandsregelungen gespielt. Aufgrund der ökonomischen Situation und der großbetrieblichen Strukturen wurden den Beschäftigten in der Chemie-Industrie, die vielfach im Schichtbetrieb arbeiten, von den Betriebsvertragsparteien vielfältige Möglichkeiten zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitslebens geboten. Die chemische Industrie (ca. 600.000 Beschäftigte) hat im Dezember 1998 einen Tarifvertrag zur Altersteilzeit für ganz Deutschland mit der Chemie-Gewerkschaft abgeschlossen. Das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit wird auf mindestens 85 Prozent des bisherigen Netto-Vollzeitentgelts aufgestockt. Dagegen findet keine Anhebung des Rentenversicherungsbeitrags über die gesetzlich vorgeschriebene Leistung (90 %) hinaus statt. In der Tarifrunde 2000 hat die IG BCE mit dem Arbeitgeberverband der chemischen Industrie bereits im März einen Abschluss vereinbart, der eine zweistufige Tariferhöhung sowie eine Verbesserung der Regelungen zur Altersteilzeit einschließt. Nach Auffassung der IG BCE wurden die Vereinbarungen aus dem „Bündnis für Arbeit“ aufgenommen und branchenspezifisch umgesetzt. Parallel zur Verlängerung der Geltungsdauer des ATZ-Gesetzes (vom 31. Juli 2004 zum 31. Dezember 2009) wurde die Laufzeit des Tarifvertrages ATZ in der chemischen Industrie verlängert. Entsprechend der Verlängerung der Förderhöchstdauer (von 5 auf 6 Jahre) im ATZGesetz wurde auch im Tarifvertrag die Dauer der Altersteilzeit auf sechs Jahre ausgedehnt. Entsprechend der gesetzlichen Einbeziehung der Teilzeitkräfte in das ATZ-Gesetz können gemäß Tarifvertrag ATZ auch die Teilzeitbeschäftigten in der chemischen Industrie nunmehr Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Die Anspruchseinschränkung nach Anteilen von Jahrgängen in Altersteilzeit (30/40/50/60 Prozent der 24 Arbeitnehmerkammer Bremen 55/56/57/58-jährigen Beschäftigten / 5 Prozent aller Beschäftigten) bleibt dagegen erhalten14. Neu an diesem Pilot-Tarifabschluss der Tarifrunde 2000 ist jedoch die erzielte „Lösung“ für die versicherungsmathematischen Abschläge bei einem vorzeitigen Renteneintritt: Für jeden Monat, den ein Arbeitnehmer Rentenabschläge in Kauf nimmt, erhält er bis zum 65. Geburtstag – für maximal 48 Monate – 450 DM bei Tagschicht, 550 DM bei teilkontinuierlicher Wechselschicht oder bei Zweischichtarbeit (mit regelmäßigen Spätschichten) bzw. 750 DM im vollkontinuierlichen Schichtsystem. Während gemäß Tarifvertrag der IG Metall zur Altersteilzeit (Jahr 2000) eine „Rentenaufstockung“ von maximal 21.600 DM (450 DM x 48 Monate) erreicht werden kann – diese Ausgleichszahlung für die Rentenminderung entspricht der maximalen Summe für die in Tagschicht Beschäftigten in der chemischen Industrie –, können die Beschäftigten im teilkontinuierlichen Schichtsystem als Ausgleichszahlung für die Rentenminderung maximal 26.400 DM sowie im vollkontinuierlichen Schichtsystem sogar maximal 36.000 DM vom Arbeitgeber erhalten (Abfindungsleistungen vor Vollendung des 65. Lebensjahres). Mit der Abfindungsregelung des Tarifvertrags ATZ (März 2000) wird für die Beschäftigten in der chemischen Industrie ein teilweiser Ausgleich der Abschläge bei der gesetzlichen Rente erreicht. Da die Altersgrenze der Arbeitnehmer für eine ungeminderte gesetzliche Altersrente durch das Rentenreformgesetz heraufgesetzt wurde, bietet die Regelung des Tarifvertrages ATZ einen finanziellen Anreiz, die Altersteilzeit möglichst frühzeitig zu beginnen. Diese Abfindungsregelung (§ 11) soll dem Zweck des teilweisen Ausgleichs von Rentenabschlägen dienen, sie wird aber in Form einer einmaligen Zahlung zum Zeitpunkt des Übergangs von Altersteilzeit in Altersrente vorgenommen; dadurch erhält diese Zahlung den Charakter einer Abfindung – nicht den einer Rentenzahlung. Die Abschläge bei der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich auf 3,6 Prozent für ein Jahr vorgezogenen Ruhestand. Bei der Ausgestaltung der Abfindungsregelung (§ 11) im „Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit“ für die chemische Industrie muss die Ausweitung des Anspruchs auf Altersteilzeit in seiner Dauer von fünf auf sechs Jahre gesehen werden. Dadurch kann der Abschlag bei der gesetzlichen Rente von 18 % auf 14,4 % reduziert werden, weil die geminderte Altersrente erst ein Jahr später (3,6 %) – mit 61 statt 60 Jahren – in Anspruch genommen wird. Der Abfindungsregelung (§ 11) liegt das folgende Grundmodell15 der Tarifvertragsparteien zugrunde: 14 Beide Einschränkungsregelungen stehen übrigens nebeneinander: Sind die Jahrgangsquoten (ATZ) bereits erschöpft, können in den einzelnen Jahrgängen selbst dann keine weiteren ATZArbeitsverhältnisse abgeschlossen werden, wenn die Belastungsgrenze von 5 % der Belegschaft noch nicht erreicht ist. 15 Vgl. Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit (mit Kommentar für die chemische Industrie), Hg. IG Bergbau, Chemie, Energie, Vorstandsbereich Tarifpolitik. 25 Arbeitnehmerkammer Bremen 55 ALTERSTEILZEIT 58 Arbeitsphase RENTENANSPRUCH 61 Freizeitphase 65 14,4 % Abschlag 48 Monate tarifliche Abfindung – Vollkonti-Schicht 48 x 750 = 36.000 DM – TK + Zweischicht 48 x 550 = 26.400 DM – Tagschicht 48 x 450 = 21.600 DM Aus Sicht der Chemie-Gewerkschaft handelt es sich bei dem Tarifpaket (Jahr 2000) um einen „Beschäftigungspakt“, mit dem die Förderung der Altersteilzeit und der Aufbau einer tariflichen Zusatzrente mit der gleichfalls beschlossenen Förderung der Ausbildungsplätze miteinander verbunden wird. Auch in der Eisen- und Stahlindustrie (Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen) wurde im Jahr 2000 ein neuer Tarifvertrag zur Altersteilzeit abgeschlossen, der auf einer Rahmenregelung für betriebliche Vereinbarungen aus dem Jahr 1998 aufbaut. Die ursprüngliche tarifliche Vereinbarung (März 1998) enthielt keine weitere Leistungsaufstockung, sie sollte lediglich alle Formen von Altersteilzeit durch Betriebsvereinbarungen ermöglichen – einschließlich der Anwendung des Blockmodells nach dem ATZ-Gesetz. In der Tarifrunde 2000 wurde in der Eisen- und Stahlindustrie neben der zweistufigen Einkommenserhöhung auch eine Verbesserung der ATZRegelungen sowie (im Westen) die Einrichtung von Langzeit-Arbeitskonten vereinbart. Ab 1. Juni 2000 haben Beschäftigte nach vollendetem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Altersteilzeit über eine Dauer von zwei bis zu sechs Jahren. Das ATZArbeitsentgelt wird auf 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens aufgestockt und der Rentenversicherungsbeitrag auf 95 Prozent angehoben. Wie schon in der chemischen Industrie (März 2000) wurde – mit den selben Beträgen – auch in der Eisen- und Stahlindustrie ein Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt vereinbart (Juni 2000). Für maximal 48 Monate wird eine nach Schichtsystem gestaffelte „Abfindung“ vom Arbeitgeber geleistet: Pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs erhalten Beschäftigte mit regelmäßiger Wechselschicht 750 DM, Beschäftigte in Wechselschicht mit regelmäßiger Nachtarbeit 550 DM sowie die übrigen Beschäftigten 450 DM. Weiterhin werden die Beträge ab 1. Januar 2002 dynamisiert und jährlich um ein Prozent angehoben (Laufzeit dieses Tarifvertrages: 31. Dezember 2006). Auch der Insolvenzschutz der Arbeitnehmer-Ansprüche ist in diesem Tarifvertrag geregelt worden. Außerdem kann gemäß Tarifvertrag eine freiwillige Betriebsvereinbarung zwecks Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen für die langfristige Vermögensbildung zur Alterssicherung abgeschlossen werden. Der Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Eisen- und Stahlindustrie enthält eine Anspruchseinschränkung: 4 Prozent aller Beschäftigten können die Altersteilzeit in Anspruch nehmen. 26 Arbeitnehmerkammer Bremen Im öffentlichen Dienst besaßen die Angestellten und Arbeiter/innen mit dem „Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit“ bereits ab dem 1. Mai 1998 Anspruch auf Altersteilzeitarbeit. Dieser Tarifvertrag enthielt sogar einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Eine Anspruchseinschränkung bestand darin, dass der Arbeitgeber die Altersteilzeit verweigern konnte, „wenn dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dagegen stehen“. Die Arbeitnehmer/innen hatten die üblichen Voraussetzungen zu erfüllen: Sie mussten das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren zurückgelegt haben, weiterhin mussten sie in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt gewesen sein. Das individuelle Nettoarbeitsentgelt muss zusammen mit der steuer- und sozialversicherungsfreien Aufstockungsleistung den Mindestnettobetrag von 83 Prozent des bisherigen Vollzeit-Nettoarbeitsentgeltes erreichen. Die Beiträge des Arbeitgebers an die Rentenversicherung werden gemäß der gesetzlichen Regelung auf 90 Prozent des Vollzeitarbeitsentgeltes angehoben. Die teilweise Kompensation für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug fällt dagegen gering aus: Gemäß Tarifvertrag ATZ (Mai 1998) erhält ein/e Beschäftigte/r im öffentlichen Dienst für je 0,3 Prozent Rentenabschlag eine Abfindung von 5 Prozent des Entgelts im letzten Monat vor Ende der Altersteilzeit. So stehen bei einer um zwei Jahre vorzeitig in Anspruch genommenen Rente 1,2 Monatsbezüge (24 Monate x 5 % = 120 % des letzten Monatsentgelts) als Abfindung zu. Diese geringe Kompensation von Rentenabschlägen ist in der Tarifrunde 2000 im Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV erhalten geblieben. Im Gegensatz zu vielen Tarifverträgen von Industriegewerkschaften, die ausschließlich das Blockmodell vorgeben, zeichnet sich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV (Mai 1998) bei der Verteilung der Arbeitszeit dadurch aus, dass während der Altersteilzeitarbeit alle Formen der Verteilung möglich sind. Außer dem – wegen Tarifvorbehalt im ATZ-Gesetz gegenüber einem mehr als dreijährigen Verteilzeitraum beim Blockmodell – tariflich geregelten langfristigen Blockmodell (maximale Dauer: bis zu zehn Jahren) können die Arbeitnehmer/innen auch andere, den Vorschriften des ATZ-Gesetzes entsprechende Gestaltungsformen wählen: Neben der traditionellen „Halbtagsbeschäftigung“ kann auch ein variables „Teilzeitmodell“ gewählt werden, bei dem im täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Rhythmus Arbeit und Freizeit einander abwechseln. Diese Wahlmöglichkeit ist im Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Tarifrunde 2000 erhalten geblieben. 27 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Tarifrunde 2000 war im öffentlichen Dienst vor allem durch die Forderung nach Tariferhöhung (5 %) bestimmt. Die Tarifverhandlungen endeten mit einer Schlichtung (Juni 2000)16. Wie schon zuvor in den Tarifrunden der Metallindustrie sowie der chemischen Industrie wurde auch im öffentlichen Dienst eine zweistufige Einkommenserhöhung vereinbart (Laufzeit bis zum 31. Oktober 2002). Hinsichtlich der ATZRegelung ist hervorzuheben, dass es den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ÖTV, DAG, usw.) in der Tarifrunde 2000 gelang, die Änderungen des ATZ-Gesetzes im Tarifvertrag zur Altersteilzeit zügig aufzunehmen. Während die Teilzeitbeschäftigten gemäß dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ab dem 1. Januar 2000 einen gesetzlichen Anspruch auf Altersteilzeit haben, haben gemäß Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV die Teilzeitbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ab dem 1. Juli 2000 erstmals einen tariflichen Anspruch auf Altersteilzeit. Die Laufzeit des Tarifvertrages zur Altersteilzeit ist im öffentlichen Dienst – im Gegensatz zu den Tarifverträgen in der privaten Wirtschaft – unbefristet. Die Altersteilzeit kann weiterhin auf bis zu zehn Jahren verteilt werden. Die Förderhöchstdauer ist mit dem 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft ab 1. Juli 2000) von fünf auf sechs Jahre – und die Mindestnachbesetzungsdauer gleichfalls um ein Jahr von drei auf vier Jahre – erhöht worden. Selbst wenn keine Förderung der Bundesanstalt für Arbeit über diesen Zeitraum hinweg erfolgt, haben die Arbeitnehmer/innen Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsbeträge für die gesamte Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Das ATZ-Arbeitsverhältnis muss für die Dauer von mindestens zwei Jahren vereinbart werden, um den Anspruch auf die „Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit 60 Jahren zu erwerben. Nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit ist es ansonsten aber auch möglich, eine kürzere Dauer der Altersteilzeit zu vereinbaren. Aufgrund der Ausdehnung der Geltungsdauer des ATZGesetzes (in Kraft ab 1. Juli 2000) vom 31. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2009 muss demnach gemäß der aktuellen Gesetzeslage ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis noch vor dem 1. Januar 2010 beginnen. Damit wird den Beschäftigten und den Dienstvertragsparteien ein weiter Planungshorizont für die individuelle und betriebliche Personalentwicklung eingeräumt. Die von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ende 2002/Anfang 2003 geführte Tarifrunde war eine reine Lohn- und Gehaltsrunde. Der im Januar 2003 im öffentlichen Dienst erzielte Tarifkompromiss sieht eine Erhöhung der Löhne und Gehälter in drei Stufen um nominal 4,4 Prozent bis Anfang 2005 vor (Laufzeit bis Ende Januar 2005 = 27 Monate). Umgerechnet beträgt diese Lohn- und Gehaltserhöhung rund 2 Prozent pro Jahr. Zur Entlastung der Arbeitgeber wird ein freier Tag gestrichen (AZVTag). Die Einkommenserhöhung wird also teilweise durch Verlängerung der Arbeitszeit kompensiert. Die Tarifpolitische Grundsatzabteilung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft hat nach Abschluss dieser Lohn- und Gehaltsrunde die Arbeitszeitpolitik 16 Vgl. im einzelnen dazu: R. Bispink, WSI – Tarifarchiv, Tarifpolitischer Jahresbericht 2000, a.a.O., S. 20 ff. 28 Arbeitnehmerkammer Bremen wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Mit einer neuen arbeitszeitpolitischen Initiative (Jahre 2003/2004) will die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ab dem Jahr 2005 eine Tarifbewegung zur Verkürzung und Gestaltung der Arbeitszeit in Gang bringen. Zusammenfassung: Entwicklung der Tarifverträge zur Altersteilzeit Die tarifvertraglichen Regelungen setzen zumeist an der Aufstockung der gesetzlich vorgesehenen ATZ-Leistungen an, um die Altersteilzeitarbeit in finanzieller Hinsicht für die Beschäftigten attraktiv zu machen. Diese Aufstockung bezieht sich vor allem auf das Arbeitsentgelt: So wurden für die Metallindustrie 82 Prozent des bisherigen NettoVollzeitentgelts, für den öffentlichen Dienst 83 Prozent, für die Eisen- und Stahlindustrie sowie für die chemische Industrie 85 Prozent des Netto-Vollzeitentgelts tarifvertraglich vereinbart. Eine Aufstockung des Rentenversicherungsbeitrages über die gesetzlich vorgeschriebenen 90 Prozent hinaus findet i.d.R. nicht statt (Ausnahmen: Eisen- und Stahlindustrie = 95 %, Metallindustrie = 95 %). Erst in der Tarifrunde 2000 wurden in Verbandstarifverträgen anteilige Erstattungen für die späteren Rentenabschläge vorgesehen. Im Firmentarifvertrag der IG Metall mit der Volkswagen AG ist bereits im Jahre 1997 das Problem der gesetzlichen Rentenabschläge beim vorzeitigen Ruhestand nach Altersteilzeit großzügig geregelt worden (paritätische Aufteilung der Rentenabschläge auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Offenbar waren jedoch diese günstigen Bedingungen des „Sonderfalls“ Volkswagen nicht verallgemeinerbar für die gesamte Metallindustrie. Erst in der Tarifrunde 2000 konnte die IG Metall in den Verbandstarifverträgen zur Altersteilzeit einen teilweisen Ausgleich der Rentenabschläge durch eine in der Höhe begrenzte Abfindung (maximal 21.600 DM) tarifvertraglich vereinbaren. Eine weiter gehende Kompensation von Rentenabschlägen nach der Altersteilzeit ist in der Tarifrunde 2000 insbesondere in denjenigen Branchen vereinbart worden, die – mehr noch als die Metallindustrie – durch kontinuierliche Schichtsysteme geprägt sind: Sowohl in der Stahlindustrie als auch in der chemischen Industrie werden gemäß Schichtsystem gestaffelte Abfindungen gezahlt (minimal 21.600 DM/maximal 36.000 DM). Weiterhin werden in den Tarifverträgen zur Altersteilzeit die Anspruchsvoraussetzungen der Beschäftigten wie auch die Anspruchseinschränkungen geregelt. Bei den Anspruchsvoraussetzungen (Mindestalter, Anspruch an das vorherige Beschäftigungsverhältnis) orientieren sich die Tarifverträge weitgehend an den Bestimmungen des ATZ-Gesetzes: Mindestalter von 55 Jahren, bis zur Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten: mindestens 3 Jahre (1080 Kalendertage) Vollzeitbeschäftigung in den letzten 5 Beschäftigungsjahren (ausnahmsweise wird auch – wie im Versicherungsgewerbe – eine Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren vorausgesetzt). Die Anspruchseinschränkungen enthalten i. d. R. Überforderungsschutzklauseln für die Betriebe, die einen Anspruch der Beschäftigten dann ausschließen, wenn ein bestimmter Anteil aller Beschäftigten (4 % oder 5 %) oder bestimmter Altersjahrgänge – wie in der chemischen Industrie sowie in der Metallindustrie – sich bereits in Altersteilzeitarbeit befindet. Dabei steigen die Quoten für die älteren Beschäftigten, die gemäß Tarifver29 Arbeitnehmerkammer Bremen trag Altersteilzeit beanspruchen dürfen, i. d. R. mit den Jahrgängen an (z. B. in der Metallindustrie: 40/50/60/70 % der 57/58/59/60-jährigen Beschäftigten). Bei den Betriebsfallstudien wird sich zeigen, in wieweit die Betriebsvertragsparteien sich an diese Anspruchseinschränkungen halten oder aber – was ihnen offen steht – auf die Überforderungsschutzklausel einfach verzichten, um z. B. einen größeren Personalabbau über das Instrument ATZ vornehmen zu können. Während in vielen Tarifverträgen lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gesetzlichen Regelungen, insbesondere der Bildung eines über 3 Jahre hinausgehenden Verteilzeitraums von „verblockter“ Altersteilzeit, geregelt wird, wird in einigen Tarifverträgen den älteren Beschäftigten ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit eingeräumt. So enthält der Tarifvertrag der chemischen Industrie einen allgemeinen Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Altersteilzeit, einen „unmittelbaren tariflichen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell Ι“, d. h. nach dem „Teilzeitmodell“ (Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit); jedoch können „betriebliche, insbesondere arbeitsorganisatorische Gründe einer Beschäftigung des älteren Arbeitnehmers in Teilzeitarbeit entgegenstehen“ (Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit, IG BCE, März 2000). Deshalb kann der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers nach „Teilzeitarbeit“ aus betrieblichen Gründen ablehnen, wenn er dem Arbeitnehmer stattdessen eine „Beschäftigung nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell ΙΙ anbietet“, d. h. nach dem „Blockmodell“. Diese tarifvertraglichen Bestimmungen sind mit dafür verantwortlich, dass die Beschäftigten in der chemischen Industrie nahezu ausschließlich die „verblockte“ Altersteilzeit wählen. Der allgemeine Rechtsanspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages wird in der chemischen Industrie gemäß Tarifvertrag in doppelter Hinsicht eingeschränkt: Entsprechend der „Überforderungsschutzklausel“ kann der Arbeitgeber den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, wenn 5 Prozent der Beschäftigten des Betriebes von der Altersteilzeit bereits Gebrauch machen; der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages wird zudem durch die Festlegung besonderer Jahrgangsquoten eingeschränkt (der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn mehr als 30 % der 55-jährigen, mehr als 40 % der 56-jährigen, mehr als 50 % der 57-jährigen, mehr als 60 % der 58-jährigen Beschäftigten ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis abgeschlossen haben). Allerdings steht es dem Arbeitgeber frei, auf den Überforderungsschutz zu verzichten: Jenseits der 5 %-Klausel können auf freiwilliger Grundlage jederzeit ATZ-Arbeitsverträge abgeschlossen werden; es besteht nur in solchen Fällen kein durchsetzbarer Rechtsanspruch mehr (Freiwilligkeitsvorbehalt). Im Rahmen des Tarifvertrages (März 2000) haben die Beschäftigten in der chemischen Industrie einen „unmittelbaren“ tarifvertraglichen Anspruch auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis von zwei bis zu sechs Jahren. Die Möglichkeit, für die Dauer von bis zu zehn Jahren ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis abzuschließen, besteht nur auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder auf einem Einzelarbeitsvertrag, der mit Zustimmung des Betriebsrates abgeschlossen wird. Damit gibt es für die Verein30 Arbeitnehmerkammer Bremen barung von ATZ-Arbeitsverhältnissen mit mehr als sechs Jahren Laufzeit in der chemischen Industrie keinen „direkten“ tarifvertraglichen Anspruch. Einen allgemeinen Rechtsanspruch enthalten die wenigsten Tarifverträge zur Altersteilzeit; jedoch sind in den Tarifverträgen einzelner großer Branchen Rechtsansprüche der Beschäftigten ab einem bestimmten Lebensalter geregelt worden: Bereits der erste Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit (Mai 1998) enthält einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Dieser Rechtsanspruch ist im zweiten Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit (Juni 2000) erhalten geblieben. Auch in der Metallindustrie enthält der Tarifvertrag zur Altersteilzeit (Laufzeit bis zum 30. April 2003) einen nach Lebensalter geregelten Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit: Während nach dem Manteltarifvertrag ATZ die Beschäftigten ab vollendetem 61. Lebensjahr einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit haben, erhalten die Beschäftigten nach dem „Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke“ (März 2000) bereits ab vollendetem 57. Lebensjahr einen Anspruch17 auf eine – maximal sechsjährige – „verblockte“ Altersteilzeit. Damit können die Metall-Beschäftigten ihr Arbeitsleben faktisch – wenngleich nicht arbeitsrechtlich – mit dem vollendeten 60. Lebensjahr beenden. Ergebnisse der Betriebs- und Personalrätebefragung (WSI) zur Nutzung der Altersteilzeit in Betrieben und Behörden Die Umsetzung der gesetzlichen und tariflichen ATZ-Regelungen in den Betrieben und Behörden über Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen bildet ein noch weitgehend unbekanntes Feld von ATZ-Regelungen18. Einen ersten – halbwegs repräsentativen – Überblick bietet die Ende 1999/Anfang 2000 vom WSI durchgeführte Betriebs- und Personalrätebefragung, die einige Fragen zur Altersteilzeit enthält. Diese Befragung richtete sich an Betriebe bzw. Dienststellen ab 20 Beschäftigten mit Betriebs- bzw. Personalrat, d. h. Arbeitsstätten ohne betriebliche Interessenvertretung sowie Betriebe und Dienststellen mit weniger als 20 Beschäftigten sind in dieser Betriebs- und Personalrätebefragung nicht enthalten. Aufgrund des Erhebungszeitpunktes konnten 17 Wie bereits ausgeführt, wird in der Metallindustrie der Anspruch auf Altersteilzeit ausgeschlossen, wenn 4 Prozent (ab 1. Mai 2000) bzw. 5 Prozent (ab 1. Mai 2002) aller Beschäftigten des Betriebes bereits von der Altersteilzeit Gebrauch machen bzw. wenn mehr als 40 % der 57-jährigen, mehr als 50 % der 58-jährigen, mehr als 60 % der 59-jährigen, mehr als 70 % der 60-jährigen Beschäftigten bereits einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben. 18 Eine Untersuchung der betrieblichen Umsetzung von ATZ-Tarifverträgen in der Metall- und Elektroindustrie wurde am Beispiel der Tarifbezirke in Baden-Württemberg sowie in NordrheinWestfalen auf Basis von freiwilligen Betriebsvereinbarungen im Jahre 1999 im Auftrag der HansBöckler-Stiftung durchgeführt (vgl. C. Barkholdt, u.a., Evaluation der betrieblichen Umsetzung von Altersteilzeittarifverträgen am Beispiel der Tarifbezirke Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg, Manuskript, Dortmund 2001). Im Unterschied zum Tarifvertrag in der Chemieindustrie setzte der zum Untersuchungszeitpunkt gültige Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung voraus, wenn die Altersteilzeit bereits ab dem 55. Lebensjahr der Beschäftigten beginnen sollte. 31 Arbeitnehmerkammer Bremen zudem die Auswirkungen der gesetzlichen Altersteilzeit-Regelungen des Jahres 2000 sowie der darauf aufbauenden tarifvertraglichen Altersteilzeit-Regelungen (Tarifrunde 2000) noch nicht mit dieser Befragung erfasst werden. Mit der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung wurden alle wichtigen Branchen und Organisationsbereiche in West- und Ostdeutschland erfasst. Auf die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland gehen wir in unserer Zusammenfassung nicht näher ein, weil wir den Vergleich Westdeutschland – Land Bremen im Blickfeld unserer Untersuchung haben. Unsere Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Befragung zur Nutzung der Altersteilzeit in Deutschland (Ende 1999/Anfang 2000) beruht auf der Auswertung und Darstellung von Ute Klammer und Helmut Weber in ihrer Abhandlung in den WSI-Mitteilungen19. Altersteilzeit als Arbeitsfeld der Betriebs- und Personalräte Die Altersteilzeit bildet ein wichtiges Thema für die Betriebs- und Personalräte in ihrer alltäglichen Arbeit. 54 Prozent der Betriebsräte und sogar 68 Prozent der Personalräte gaben in der Befragung an, sich in den letzten Jahren mit dem Thema „Altersteilzeit“ beschäftigt zu haben. Im öffentlichen Dienst war die Altersteilzeit sogar das am häufigsten genannte Arbeitsfeld der Personalräte, in der Privatwirtschaft bildete die Altersteilzeit nach dem „Personalabbau“ das zweithäufigst genannte Arbeitsfeld der Betriebsräte. Aufgrund der Mehrstufigkeit der Regelungen (Gesetz – Tarifvertrag – Betriebs-/Dienstvereinbarung – Einzelarbeitsvertrag) kommt den Betriebs- bzw. Personalräten bei der betrieblichen und individuellen Ausgestaltung der Altersteilzeit eine bedeutende Rolle zu. „Sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für die Privatwirtschaft gilt dabei: je größer die Dienststelle bzw. der Betrieb, desto eher ist die Altersteilzeit ein Thema.“20 Für die Betriebsräte ist die Altersteilzeit eine Erfolgsgeschichte: Ein knappes Drittel der Betriebsräte gibt an, auf diesem Feld „viel“ erreicht zu haben, ein gutes Drittel meint, es sei immerhin „einiges“ erreicht worden, lediglich ein Drittel gibt an, „wenig“ erreicht zu haben (Westdeutschland). Bei den Personalräten überwiegt eine mittlere Zufriedenheit: Etwa die Hälfte der Personalräte gibt an, immerhin „einiges“ erreicht zu haben, während eine positive sowie eine negative Einschätzung jeweils von einem Viertel der Personalräte angegeben wird. 19 20 Ute Klammer, Helmut Weber, Flexibel in den Ruhestand? – Ergebnisse und Überlegungen zur Altersteilzeit , in: WSI-Mitteilungen, 2/2001, S. 102 – 112. Ute Klammer, Helmut Weber, Flexibel in den Ruhestand?, a. a. O., S. 104. 32 Arbeitnehmerkammer Bremen Verbreitung und Ausgestaltung der Altersteilzeit Während in nicht ganz der Hälfte der westdeutschen Betriebe (46 %) AltersteilzeitRegelungen bestehen, weisen nahezu zwei Drittel der westdeutschen Dienststellen (65 %) Altersteilzeit-Regelungen auf. Die Aufgliederung nach Betriebsgrößenklassen zeigt bei den Betrieben in Deutschland einen signifikanten Zusammenhang: In der Tendenz steigt mit der Betriebsgröße der Anteil der Betriebe mit Altersteilzeit-Regelungen (vgl. Schaubild 2). Während von den Betrieben zwischen 50 und 100 Beschäftigten etwa jeder vierte Betrieb Altersteilzeit anbietet, ist dieses bei den Betrieben zwischen 100 und 500 Beschäftigten etwa bei jedem dritten Betrieb der Fall. Über 60 Prozent der Betriebsräte aus Betrieben mit 500 bis 1000 Beschäftigten und sogar 85 Prozent der Betriebsräte aus Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten haben angegeben, dass in ihrem Betrieb eine Altersteilzeit-Regelung existiert. Schaubild 2: Anteil der Betriebe und Dienststellen mit Altersteilzeitregelung (in %) Privatwirtschaft 100 85 80 60 61 45 46 40 38 27 20 37 33 9 0 Gesamt West Ost 20-50 AN 51-100 AN 101-200 201-500 500über AN AN 1000 AN 1000 AN Öffentlicher Dienst 100 80 67 81 77 65 60 49 51 20-50 AN 51-100 AN 83 80 57 40 20 0 Gesamt West Ost 101-200 201-500 500über AN AN 1000 AN 1000 AN Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 33 Arbeitnehmerkammer Bremen Man kann davon ausgehen, dass die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Änderung des Altersteilzeitgesetzes (1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit) die Nutzung der Altersteilzeit nunmehr auch für Kleinbetriebe attraktiv macht, weil seitdem der Nachweis der Wiederbesetzung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten gegenüber dem Arbeitsamt wesentlich erleichtert worden ist. „Im öffentlichen Sektor ist Alterssicherung insgesamt weiter verbreitet als in der Privatwirtschaft: In rund zwei Drittel der Dienststellen existiert nach Angabe der Personalräte eine Regelung zur Altersteilzeit. Die stärkere Verbreitung von Altersteilzeit im Vergleich zur Privatwirtschaft ist dabei vor allem in kleinen und mittelgroßen Dienststellen augenfällig (vgl. Schaubild 2). Wie die Differenzierung nach Dienststellenbereichen offenbart, ist Altersteilzeit besonders verbreitet im Bereich des Sozialund Gesundheitswesens (Deckungsgrad: über 90 %).“21 45 Prozent der Betriebsräte sowie 67 Prozent der Personalräte in Deutschland haben in der WSI-Befragung angegeben, dass in ihrem Betrieb bzw. in ihrer Dienststelle eine Altersteilzeit-Regelung existiert. Diese Betriebs- und Personalräte sollten Angaben zu den jeweils praktizierten Formen der Altersteilzeit machen. Dabei ergibt sich das interessante Ergebnis, „dass im öffentlichen Dienst den Beschäftigten häufiger die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden konkurrierenden Varianten „Blockmodell“ und „Teilzeitmodell“ eingeräumt wird“.22 Nahezu drei Viertel der Dienststellen (74 %) bieten ihren Beschäftigten nach Angaben der Personalräte eine Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Varianten an, während nicht ganz die Hälfte der Betriebe (48 %) nach Angaben der Betriebsräte ihren Beschäftigten eine solche Wahlmöglichkeit einräumt (vgl. Schaubild 3). Auch bei dieser Frage ergibt sich ein signifikanter Zusammenhang mit der Betriebsgrößenklasse: Je größer die Dienststelle bzw. der Betrieb mit Altersteilzeit-Regelung, umso mehr können die Beschäftigten zwischen Block- und Teilzeitmodell wählen. Bedenkenswert scheint uns, dass fast jeder zweite Betrieb mit Altersteilzeit-Regelung in der privaten Wirtschaft ausschließlich das Blockmodell vorsieht (47 %), während diese, die Wahlmöglichkeit ausschließende, Vorgabe des Blockmodells lediglich von jeder fünften Dienststelle im öffentlichen Dienst gemacht wird (20 %). Insgesamt betrachtet, wird also dem eigentlichen Teilzeitmodell, welches der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers bei der Entwicklung des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“) als Modell zugrunde lag, in der betrieblichen Praxis gegenüber dem mehrheitlich favorisierten Blockmodell lediglich eine nachgeordnete Bedeutung eingeräumt. 21 U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 105. 22 U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 105. 34 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 3: Angebotenes Modell der Altersteilzeit (in %) Privatw irtschaft Öffentlicher Dienst nurTeilzeit 5% beide Modelle 48 % nur Blockzeit 20 % nurTeilzeit 6% beide Modelle 74 % nur Blockzeit 47 % Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 Schaubild 4: Ausgleich für den späteren Rentenabschlag nach Altersteilzeit (in %) nein 61 % Privatw irtschaft Öffentlicher Dienst ja, vollständig 4% ja, vollständig 7% ja, anteilig 35 % nein 58 % ja, anteilig 35 % Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 Auch bei der Dauer der individuellen Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Beschäftigten zeigt sich, dass der vom Gesetzgeber eingeräumte beträchtliche Zeitraum von bis zu 10 Jahren (Altersteilzeit zwischen 55 und 65 Jahren) keineswegs umfassend ausgeschöpft wird. „Die maximale Dauer der individuellen Inanspruchnahme liegt im Durchschnitt in der Privatwirtschaft bei etwas über fünf Jahren, im öffentlichen Dienst mit über sieben Jahren deutlich höher.“23 Faktisch beträgt die Mindestdauer der Altersteilzeit, welche den Beschäftigten in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst vorgeschrieben wird, im Durchschnitt etwas mehr als zwei Jahre. Dieses Ergebnis beruht sicherlich auf der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen 23 U. Klammer, H. Weber, a. a. O., S. 106. 35 Arbeitnehmerkammer Bremen Mindestdauer von 24 Monaten Altersteilzeitarbeit als Bedingung für den Anspruch auf den Bezug einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers für die in Altersteilzeit Beschäftigten übersteigen die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Aufstockungen des Netto-Einkommens, teilweise auch der Rentenversicherungsbeiträge, in relevantem Ausmaß. Auf der betrieblichen Ebene werden die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsleistungen teilweise noch verbessert. Diese Leistungen beziehen sich v. a. auf den Lohn bzw. das Gehalt. Gemäß den Angaben der Betriebsund Personalräte ergibt sich eine durchschnittliche Aufstockung des Nettolohnes der „Altersteilzeiter“ auf rund 83 Prozent (öffentlicher Dienst) bzw. 84 Prozent (Privatwirtschaft). Mehr als die Hälfte der Betriebe und fast die Hälfte der Dienststellen zahlt den „Altersteilzeitern“ mehr Lohn bzw. Gehalt als die vom Gesetzgeber geforderten 70 Prozent. Bei den Rentenversicherungsbeiträgen wird die gesetzlich geregelte Aufstokkung von 90 Prozent nur vereinzelt in Tarifverträgen noch verbessert. „Erhebliche Unterschiede zeigen sich in der Behandlung der versicherungstechnischen Rentenabschläge, die bei den Altersteilzeitern durch den früheren Rentenzugang beträchtlich sein können, nämlich bis zu 18 Prozent bei Rentenzugang mit 60 statt 65 Jahren betragen. Hierfür hat der Gesetzgeber keine Ausgleichsregelung vorgesehen.“24 Wie unsere Analyse der Tarifverträge gezeigt hat, sind insbesondere in der Tarifrunde 2000 Abfindungsleistungen zum Ausgleich der gesetzlichen Rentenabschläge bei einem vorzeitigem Ruhestand des „Altersteilzeiters“ vereinbart worden. Diese Leistungen werden ausschließlich vom Arbeitgeber getragen. Nach den Angaben der Betriebs- und Personalräte können die „Altersteilzeiter“ in etwa 40 Prozent der Betriebe und Dienststellen mit einem teilweisen Ausgleich für den späteren Rentenabschlag rechnen (vgl. Schaubild 4). Dadurch ist die Attraktivität eines vorzeitigen Ruhestandes in vielen Betrieben und Dienststellen für die älteren Arbeitnehmer/innen sicherlich gesteigert worden. Die seit dem Jahr 2000 deutlich gestiegene Inanspruchnahme der Altersteilzeit lässt sich sicherlich auf die Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens durch Tarifverträge und Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen erklären. Beschäftigte in Großbetrieben profitieren am meisten von der tariflichen und betrieblichen Verbesserung der Aufstockungsleistungen: „Je größer der Betrieb oder die Dienststelle, desto eher gehen die gewährten Aufstockungsleistungen über die gesetzlichen Regelungen hinaus.“25 Inanspruchnahme und Wiederbesetzung Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit kann durch den Arbeitgeber beschränkt werden. Der Gesetzgeber hat zum Schutz der Betriebe eine Überforderungsschutzklausel verabschiedet, wonach der Anspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit auf 5 24 Dies., a. a. O., S. 106 f. 25 Dies., a. a. O., S. 107. 36 Arbeitnehmerkammer Bremen Prozent aller Beschäftigten eines Betriebes eingeschränkt wird. In vielen Tarifverträgen wird die gesetzliche Regelung noch weiter spezifiziert, indem jahrgangsbezogene Quoten für die „Altersteilzeiter“ festgelegt werden (wie in der chemischen Industrie sowie in der Metallindustrie). Damit kann ein tarifvertraglich vereinbarter Rechtsanspruch auf Altersteilzeit – wie im Tarifvertrag „Beschäftigungsbrücke“ in der Metallindustrie enthalten – für bestimmte Beschäftigtengruppen eingeschränkt werden. Allerdings können die Betriebe auf die Überforderungsschutzklausel in Gänze verzichten. „In der WSI-Befragung verneinten die Frage, ob die Inanspruchnahme der Altersteilzeit quantitativ beschränkt sei, 63 Prozent der antwortenden Betriebsräte und sogar 78 Prozent der antwortenden Personalräte, nur rund 37 Prozent der Betriebs- und sogar nur 22 Prozent der Personalräte gaben an, dass in ihrem Betrieb/ihrer Dienststelle die Inanspruchnahme von Altersteilzeit quantitativ begrenzt sein.“26 Soweit die Betriebs- und Personalräte Angaben zur Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die älteren Beschäftigten ihres Betriebes bzw. ihrer Dienststelle gemacht haben, betrug der Anteil der „Altersteilzeiter“ an den über-55-jährigen Beschäftigten Ende 1999/Anfang 2000 in der Privatwirtschaft immerhin 28 Prozent (Westdeutschland: 28 %), im öffentlichen Dienst lediglich 19 Prozent (Westdeutschland: 17 %). „Die Frage, ob Altersteilzeit in erster Linie zum Personalabbau genutzt wird oder tatsächlich einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leistet, ist vor allem aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive zentral. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem Anteil der Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse, für die die Betriebe/Dienststellen sich die gesetzlichen Aufstockungsleistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit erstatten lassen, da diese Erstattung an die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes geknüpft ist.“27 Die Frage nach der Inanspruchnahme der Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit wurde in der WSI-Befragung von einer hohen Anzahl von Betriebsräten mit Altersteilzeit im Betrieb (19 %) sowie von Personalräten aus Dienststellen mit Altersteilzeit (24 %) nicht beantwortet. Von einem Viertel der Betriebe (25 %) wurden keine Erstattungsleistungen in Anspruch genommen. Die Mehrheit der Betriebe (56 %) nimmt nach den Angaben der Betriebsräte dagegen die Erstattungsleistungen in Anspruch. Im öffentlichen Dienst werden die Erstattungsleistungen viel häufiger nicht in Anspruch genommen (40 %) als in der privaten Wirtschaft (25 %). Entsprechend fällt die Inanspruchnahme der Erstattungsleistungen in den Dienststellen (36 %) wesentlich niedriger aus als in den Betrieben (56 %). 26 Dies., a. a. O. S. 107. 27 Dies., a. a. O. S. 108. 37 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 5: Inanspruchnahme von Erstattungen durch die Bundesanstalt für Arbeit für die Altersteilzeit-Aufstockungen (in %) Privat wirtschaft (insgesamt: 56 %) Öffentlicher Dienst (insgesamt: 37 %) ja, für einen Teil 10 % ja, aber keine Angabe zum Anteil 26 % keine Inanspruchnahme von Erstattungen 25 % ja, aber keine Angabe zum Anteil 4% ja, für alle 20 % keine Inanspruchnahme von Erstattungen 40 % ja, für einen Teil 8% ja, für alle 24 % keine Angabe 24 % keine Angabe 19 % Quelle: WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 Wenn also in der privaten Wirtschaft mehr als die Hälfte der Betriebe die Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen, wird ein gewisser Anteil der durch Altersteilzeit frei werdenden Stellen wieder besetzt. Der hohe Anteil der Betriebs- und Personalräte, der keine Angaben zur Frage der Inanspruchnahme machen kann, verweist wahrscheinlich darauf, „dass für die Betriebe häufig zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Altersteilzeit-Verhältnisses noch nicht definitiv feststeht, ob sie den Arbeitsplatz wiederbesetzen werden und sich die gesetzlichen Aufstockungen erstatten lassen können. Dies ist eine Folge der hohen Präferenz des Blockmodells, da bei Altersteilzeit-Fällen mit Blockmodell zunächst nur Anträge auf Vorausentscheidung an die BA gestellt werden können, über die tatsächliche Wiederbesetzung und damit auch die Förderungsfähigkeit aber erst zu Beginn der Freistellungsphase entschieden wird“28. Seit der Einführung des Altersteilzeitgesetzes August 1996 ist die Anzahl der Erstattungsanträge an die Bundesanstalt für Arbeit beständig gestiegen (vgl. Tabelle 2). Bis Ende 2000 waren insgesamt fast 83.000 Anträge gestellt worden, von denen nahezu 72.500 bewilligt worden sind (= 87 %). Im gleichen Zeitraum sind nicht ganz 84.000 Anträge auf Vorabentscheidung – gemäß dem Blockmodell – gestellt worden, von denen die große Mehrheit (ca. 92 %) gleichfalls bewilligt worden ist. Die Steigerung der im Jahre 2000 gestellten Altersteilzeit-Anträge wie auch der Anträge auf Vorabentscheidung gegenüber dem Jahr 1999 ist augenfällig; sie lässt sich sicherlich 28 Dies., a. a. O., S. 109. 38 Arbeitnehmerkammer Bremen auf die Fortentwicklung des Altersteilzeitgesetzes im Jahre 2000 zurückführen. Als Reaktion auf die zwei Änderungen des Altersteilzeitgesetzes (1. Januar/1. Juli 2000) wie auch auf die darauf aufbauenden Tarifverträge in wichtigen Branchen (Tarifrunde 2000) lässt sich die weitere Steigerung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge im Jahre 2001 verstehen: Wurden im Jahre 2000 rund 38.900 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa 34.600 bewilligt wurden, so wurden im Jahre 2001 bereits rund 50.000 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa 46.200 bewilligt wurden. Im Jahre 2002 ist eine weitere Steigerung festzustellen: Nunmehr wurden über 54.000 Altersteilzeit-Erstattungsanträge gestellt, von denen etwa 49.500 bewilligt wurden (vgl. Tabelle 2). Die Anzahl der gestellten Anträge auf Vorabentscheidung erhöhte sich von etwa 33.000 im Jahre 2000 auf nahezu 37.800 im Jahre 2001, verringerte sich jedoch im Jahre 2002 wieder auf ca. 31.750 Anträge (vgl. Tabelle 2). Die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für die Altersteilzeit-Zuschüsse haben sich gegenüber dem Jahre 2000 im Jahre 2001 mehr als verdoppelt. Als Hauptgrund für den Kostenanstieg gilt die hohe Zahl der Förderanträge durch die Arbeitgeber. Offenbar wird mittlerweile die Wiederbesetzung aufgrund der Erleichterungen des neuen Altersteilzeitgesetzes (1. Januar 2000) vermehrt von den Betrieben praktiziert. Während die Anzahl der bewilligten Altersteilzeit-Anträge (incl. der bewilligten Anträge auf Vorabentscheidung) kumuliert Ende 2000 etwa 150.000 Fälle betrug, so hat sich diese Anzahl der bewilligten Anträge bis Ende 2001 auf ca. 230.000 AltersteilzeitFälle kumuliert, bis Ende 2002 sogar auf insgesamt ca. 310.400 Altersteilzeit-Fälle. Damit hat sich die Anzahl der bewilligten Anträge in den beiden Jahren nach der Änderung des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000) mehr als verdoppelt. Aufgrund der Daten im Meldeverfahren zur Sozialversicherung geht die Bundesanstalt für Arbeit davon aus, dass die Zahl aller in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmer etwa 3 ½ bis 4 mal höher ist als die Zahl der geförderten Fälle nach der Bestandsstatistik. „Die Differenz zwischen existierenden und geförderten Altersteilzeit-Fällen bedeutet nicht unbedingt, dass nur jeder dritte oder gar vierte AltersteilzeitArbeitsplatz wiederbesetzt wird, da die Betriebe sich nur für die Erstattung qualifizieren, wenn der freigewordene Arbeitsplatz durch einen Arbeitslosen oder einen nach der Ausbildung übernommenen Arbeitnehmer wiederbesetzt wird.“29 Gleichwohl zeigt uns die Beobachtung der Personalpolitik in Großbetrieben, dass Altersteilzeit vielfach dazu genutzt wird, den Personalbestand sozialverträglich zu reduzieren. Die Betriebs- und Personalräte-Befragung des WSI weist nach, dass zwischen den Variablen „Altersteilzeit“ und „Personalabbau“ ein signifikanter Zusammenhang besteht: „In der Privatwirtschaft bauten 58 Prozent aller Betriebe mit AltersteilzeitRegelung regulär beschäftigtes Personal ab, während in Betrieben ohne Altersteilzeit dies nur bei 36 Prozent der Fall war. Auch im öffentlichen Dienst ist der Personalab29 Dies., a. a. O., S. 110. 39 Arbeitnehmerkammer Bremen bau in Dienststellen mit Altersteilzeit überdurchschnittlich hoch. Allerdings fällt in der Personalrätebefragung der Unterschied nicht so deutlich aus wie in der Betriebsrätebefragung, da im öffentlichen Dienst auch in Dienststellen ohne Altersteilzeit in den letzten Jahren viel Personal abgebaut wurde.“30 Die Vorruhestandsregelungen spielen eine besondere Rolle beim Personalabbau in den Betrieben. Der Personalabbau über Vorruhestand spielt dabei in Betrieben mit Altersteilzeit-Regelungen – im Vergleich zu Betrieben ohne Altersteilzeit-Regelung – eine große Rolle. Daher wird Altersteilzeit häufig auch im Zusammenhang mit Beschäftigungssicherung von den Betriebsräten genannt. Der Schluss liegt nahe, dass vor allem Großbetriebe das Instrument der Altersteilzeit nutzen, um einen sozialverträglichen Personalabbau durchführen zu können. „Von der Europäischen Kommission ist Deutschland (...) dafür gerügt worden, dass der Ausgliederung älterer Arbeitnehmer faktisch Priorität eingeräumt wird gegenüber Bemühungen, Ältere länger im Erwerbsleben zu halten. Allerdings ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass eine beträchtliche (...) Zahl der Arbeitnehmer ohne die Altersteilzeit arbeitslos geworden wäre oder Formen der Frühverrentung (wie z. B. die Erwerbsunfähigkeitsrente) genutzt hätte. Im Vergleich zu Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit ist Altersteilzeit – auch im Blockmodell – für ältere Arbeitnehmer sicherlich die sinnvollere Alternative.“31 Tabelle 2: Entwicklung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge an die Bundesanstalt für Arbeit (8/1996 – 12/2002) seit 1.8.1996 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 1.213 7.226 13.202 22.450 38.879 49.953 54.080 187.003 – alte Bundesländer – neue Bundesländer 883 330 5.475 1.751 10.163 3.039 18.214 4.236 33.234 5.645 42.751 7.202 46.454 7.626 157.174 29.829 bewilligte Anträge 544 6.062 11.443 19.781 34.623 46.188 49.480 168.121 – alte Bundesländer – neue Bundesländer 367 177 4.449 1.613 8.890 2.553 15.889 3.882 29.818 4.805 39.424 6.764 42.191 7.289 141.038 27.083 gestellte Anträge auf Vorabentscheidung 761 6.637 14.778 28.674 33.022 37.795 31.745 153.412 – alte Bundesländer – neue Bundesländer 728 33 6.415 222 13.244 1.534 22.727 5.947 25.214 7.808 27.860 9.935 23.452 8.293 119.640 33.772 gestellte Anträge Quelle: Daten der Bundesanstalt für Arbeit. 30 Dies., a. a. O., S. 111. 31 Dies., a. a. O., S. 111. 40 Arbeitnehmerkammer Bremen Teil II Nutzung der Altersteilzeit in Bremer Betrieben Bremer Straßenbahn AG Altersteilzeit: Weitergabe des Staffelholzes Zielsetzung Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat nach Einführung des Altersteilzeitgesetzes (Aug. 1996) frühzeitig die Chance ergriffen, ihren Beschäftigten einen gleitenden Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen. Bereits im Juni 1997 wurde von dem Vorstand und dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit“ abgeschlossen. Die Änderungen des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000) wurden gleichfalls zügig in einem „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ (März 2001) zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft ÖTV für die Bremer Straßenbahn AG aufgenommen. Das Unternehmen bemüht sich, den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten entgegenzukommen und gleichzeitig personalpolitische Ziele mit der Anwendung der Altersteilzeit zu erreichen. Weiterhin enthält die Unternehmensphilosophie eine beschäftigungspolitische Verantwortung für die Arbeitsmarktlage im Lande Bremen: Im Rahmen eines betrieblichen „Bündnisses für Arbeit“ konnten – nicht zuletzt auf Basis der Altersteilzeit-Vereinbarungen – viele Auszubildende übernommen und zusätzliche Neueinstellungen vorgenommen werden. Der Personalleiter und der Arbeitsdirektor der BSAG haben in ihrem Beitrag für das Hattinger Forum „Neue Zeiten – neue Gewerkschaften“ (Febr. 2000) als Ziele des Altersteilzeitmodells der BSAG formuliert: „Verringerung der gesundheitlichen Belastungen im Schichtdienst durch Einführung des Altersteilzeitmodells (76 % der Mitarbeiter arbeiten im Schichtdienst.) Sicherung des Know-how-Transfers durch gleitenden Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Bevorzugt wurden von Anfang an individuelle Arbeitszeitmodelle. Das Blockmodell wurde von Arbeitgeberseite aus gesundheitspolitischen Gründen eher nicht favorisiert. Erweiterung des personalpolitischen Instrumentariums. In Einzelfällen soll die Altersteilzeit zur Lösung von personalpolitischen Problemen (z. B. Fahrdienstuntauglichkeit bei gleichzeitiger Rentenablehnung) und zur Durchführung organisatorischer Veränderungen genutzt werden. Reduzierung der Personalkosten. Dieses Ziel kann erreicht werden, da im Zuge tarifpolitischer Anpassungen als Folge erhöhten Wettbewerbs für Nahverkehrsunternehmen niedrigere Einstiegslöhne vereinbart wurden. (...) Gleichzeitig konnte durch Neueinstellungen von Arbeitslosen und die Übernahmen von Auszubildenden die Förderung des Arbeitsamtes in Höhe von 20 Prozent in Anspruch genommen werden. 41 Arbeitnehmerkammer Bremen Förderung des Nachwuchses. Neben den sogenannten „normalen“ Arbeitnehmern gingen auch Vorgesetzte bis hin zu stellvertretenden Abteilungsleitern (dritte Ebene des Unternehmens) in Altersteilzeit. Aufgrund einer sogenannten Kettenbildung konnten Auszubildende „nachrücken“ und Aufstiegschancen eröffnet werden. Förderung der Beschäftigung in Bremen. Durch Einstellungen von Arbeitslosen und Übernahmen von Auszubildenden konnte das Unternehmen – unter Beachtung der Kostenneutralität – einen Beitrag zum Abbau der regionalen Arbeitslosigkeit leisten.“32 Beschäftigtenstruktur (1999 – 2002) Ende 1999 waren bei der BSAG ca. 2.500 Mitarbeiter/innen beschäftigt (davon ca. 1.900 im Schichtdienst). Das Unternehmen ist bestrebt, insbesondere durch Nutzung der Altersteilzeit, die hohen Anforderungen des Schichtbetriebes, insbesondere für die älteren Beschäftigten, und den daraus resultierenden hohen Krankenstand zu vermindern. Ende 1999 waren 65 Prozent der Mitarbeiter/innen im Fahrdienst beschäftigt, 20 Prozent in den Werkstätten, 10 Prozent in der Verwaltung, 5 Prozent waren Auszubildende/Praktikanten. Die große Mehrheit der Beschäftigten besteht aus Lohnempfängern. Eine Besonderheit der BSAG liegt in dem relativ hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten: In den Jahren von 1994 bis 1999 betrug die Teilzeit-Quote (ohne Altersteilzeit) beständig ca. 16 Prozent, nach der Einführung der Altersteilzeit sind über 20 Prozent der Mitarbeiter/innen insgesamt in Teilzeit (incl. Altersteilzeit) beschäftigt. Die anfänglich hohe Nutzung der Altersteilzeit in Form individueller und flexibler Arbeitszeitmodelle, auf die noch näher eingegangen wird, erklärt sich u. a. auch dadurch, dass selbst im Fahrdienst (mit einem komplizierten Schichtsystem) neben den Vollzeitdiensten schon seit langem Teilzeitdienste mit unterschiedlichem Arbeitszeitumfang existieren. Sowohl die Personalabteilung und Fahrdienstplanung als auch die Beschäftigten im Fahrdienst konnten demnach bei der Umsetzung der Altersteilzeit auf konkreten Erfahrungen mit unterschiedlichen Teilzeitmodellen aufbauen. Seit dem neuen Tarifvertrag können nun auch Teilzeit-Beschäftigte in Altersteilzeit wechseln. 32 Axel Kohfeldt, Hubert Resch, Das Staffelholz weitergeben – ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell, in: M. Steinrücke, u. a., Neue Zeiten – neue Gewerkschaften, Berlin 2001, S. 85 f. 42 Tabelle 1: Personalstruktur (1999 – 2002) 1999 Kategorien Lohnempfänger Angestellte VZ TZ Azubis/ Stud. VZ TZ 2001 Azubis/ Stud. VZ TZ 2002 Azubis/ Stud. VZ TZ 1.492 379 1.446 377 1.417 341 1.375 332 337 22 345 20 340 24 343 29 ATZ-Mitarbeiter 157 43 Azubis Studenten/Praktikanten Summe 2000 1.829 558 143 144 Azubis/ Stud. 157 106 86 84 78 9 4 2 26 115 1.791 540 90 1.757 509 86 1.718 518 2.387 2.331 2.266 2.236 Mitarbeiterbestand gesamt 2.502 2.421 2.352 2.340 Arbeitnehmerkammer Bremen Mitarbeiterbestand o. Azubis 104 600 543 558 540 500 389 395 518 509 468 412 400 407 401 397 365 361 300 420 44 200 389 395 412 100 136 157 143 144 157 1998 1999 2000 2001 2002 48 0 1994 1995 1996 1997 Teilzeitbeschäftigte Beschäftigtenzahl jeweils zum 31.12. (ohne Auszubildende) Altersteilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerkammer Bremen Abbildung 1: Entwicklung der Teilzeitarbeit bei der BSAG Arbeitnehmerkammer Bremen Anspruchsvoraussetzungen / Anspruchseinschränkungen Die am 15. Juni 1997 in Kraft getretene „Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit“ wurde bis zum 31. Juli 2001 befristet. Der später abgeschlossene „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ trat am 1. Juli 2000 in Kraft, also zeitgleich mit dem 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, und wurde – entsprechend zur Ausdehnung der Geltungsdauer dieses Gesetzes – bis zum 31. Dez. 2009 befristet. Die Anspruchsvoraussetzungen in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) und im Tarifvertrag (Juli 2000) entsprechen der jeweils aktuellen Gesetzeslage: Arbeitnehmer/innen, die das 55. Lebensjahr vollendet und noch keinen Anspruch auf Rente haben, die innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 3 Jahre beitragspflichtig in Vollzeit beschäftigt waren (Betriebsvereinbarung 1997) bzw. die – nach Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten durch das 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft ab 1. Jan. 2000) – innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 1080 Kalendertage (d. h. 3 Jahre) in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung standen (Tarifvertrag 2000). Während nach der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) allein die Vollzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der „tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ reduzieren konnten, so können nach Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten nunmehr alle Arbeitnehmer/innen ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der „bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit“ (Tarifvertrag 2000) reduzieren. Die Anspruchseinschränkungen bestehen im Ausschluss eines Rechtsanspruches auf Altersteilzeit sowie in der Formulierung einer Überforderungsschutzklausel (5 %): „Es besteht kein Rechtsanspruch auf Leistungen gemäß dieser Betriebsvereinbarung. Es bedarf vielmehr sowohl der Zustimmung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters als auch der Zustimmung der Personalabteilung. In strittigen Fällen entscheidet eine paritätisch besetzte Kommission mit je zwei Vertretern des Arbeitgebers und des Betriebsrates. Bei einer Inanspruchnahme von über 5 % der Gesamtbeschäftigtenzahl des Unternehmens entscheidet der Arbeitgeber über die Vergabe weiterer Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse ohne Hinzuziehung der paritätischen Kommission. Sollte diese 5 %-Grenze überschritten werden, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vorrang, die einem früheren Geburtsjahrgang angehören. Bei gleichem Geburtsjahrgang haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit Vorrang.“ (Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit, Juni 1997) Im Tarifvertrag über Altersteilzeit (Juli 2000) wird ein Rechtsanspruch nicht explizit, aber doch implizit ausgeschlossen: „Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.“ Gemäß diesem Tarifvertrag entscheidet der Arbeitgeber allein, ob die Inanspruchnahme von Altersteilzeit die 5-Prozent-Grenze der Gesamtbeschäftigtenzahl des Unternehmens überschreiten darf. Jahrgangsbezogene AltersteilzeitQuoten werden weder in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) noch im Tarifvertrag (Juli 2000) festgelegt. 45 Arbeitnehmerkammer Bremen Aufstockungsleistungen Die Aufstockung des Arbeitsentgelts nach Halbierung der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit auf mindestens 85 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens bildet für die Beschäftigten der BSAG ein finanziell akzeptables Altersteilzeitmodell.33 Diese 85 %-Garantie des bisherigen Nettoeinkommens war gemäß der anfänglichen Beschränkung des Altersteilzeitgesetzes (Aug. 1996) auf Vollzeitbeschäftigte in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) bereits formuliert worden: „Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter erhält für die Dauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses Entgelt entsprechend der reduzierten tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Zusätzlich zum tariflichen Entgelt erhält die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % des tariflichen Entgelts für Altersteilzeit; mindestens aber 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Vollzeitarbeitsentgeltes. Vollzeitarbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, das die/der altersteilzeitarbeitende Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter für eine Arbeitsleistung bei tariflicher regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte, soweit es im jeweiligen Monat die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (...) nicht überschreitet. Grundlage für die Berechnung des Vollzeitarbeitsentgeltes ist das in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Beginn des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses erzielte beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt. Zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählen: Funktionszulagen, soweit sie regelmäßig Bestandteil des Bruttoarbeitsentgeltes darstellen, Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, soweit sie steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen, monatliche anteilige Weihnachts- und Urlaubszuwendungen.“ (Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit, Juni 1997) Diese 85 %-Garantie des bisherigen Nettoeinkommens ist gemäß der gesetzlichen Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in den Kreis der Anspruchsberechtigten (Jan. 2000) im Tarifvertrag (Juli 2000) für die BSAG-Beschäftigten unabhängig von ihrem Status als Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigte formuliert worden: „Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für die Dauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses Entgelt entsprechend der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit. Zusätzlich zum tariflichen Entgelt erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % des tariflichen Entgelts für Altersteilzeit; mindestens aber 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern 33 Aufstockung des Arbeitsentgelts gemäß aktuellem Altersteilzeitgesetz: „Das Arbeitsentgelt muss mindestens um 20 Prozent des für die Altersteilzeitarbeit gezahlten Bruttoarbeitsentgelts aufgestockt werden. Die Aufstockung muss mindestens so hoch sein, dass der Arbeitnehmer dadurch 70 Prozent des pauschalierten Nettoarbeitsentgelts erhält, das er erhalten würde, wenn er seine Arbeitszeit nicht im Rahmen der Altersteilzeit vermindert hätte. (...) Die Leistungen des Arbeitgebers sind von Steuern und Sozialabgaben freigestellt, die Aufstockungsbeträge unterliegen allerdings – wie das Arbeitslosengeld, die Arbeitslosenhilfe und die übrigen Lohn- und Einkommensersatzleistungen – dem Progressionsvorbehalt.“ BMAS, Altersteilzeit ab 55, a. a. O., S. 9 (Stand: Jan. 2002). 46 Arbeitnehmerkammer Bremen gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Entgeltes. Bisheriges Entgelt ist das Arbeitsentgelt, das der/die altersteilzeitarbeitende Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit vor der Altersteilzeit zu beanspruchen hätte, soweit es im jeweiligen Monat die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung nicht überschreitet. Grundlage der Berechnung für das Altersteilzeitentgelt ist bei bislang vollbeschäftigten Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen das in den letzten drei Monaten vor Beginn des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses erzielte bisherige beitragspflichtige Bruttoentgelt ohne Berücksichtigung von Überstunden; bei bislang teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen wird das zugrunde zulegende Bruttoentgelt auf der Basis des Stundendurchschnitts der letzten 24 Monate (...) ermittelt.“ Zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählen gemäß Tarifvertrag (Juli 2000) weiterhin die schon in der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) aufgeführten Zulagen und Zuwendungen. Die vom Personalleiter und vom Arbeitsdirektor der BSAG aufgestellte Abbildung zeigt anschaulich, wie sich die 85 %-Garantie des Nettoeinkommens – am Beispiel eines Vollzeitbeschäftigten – sowohl von der finanziellen Belastung für das Unternehmen (vgl. Abbildung 2) als auch für die Höhe des Arbeitnehmereinkommens darstellt. „Das fiktive Vollzeitnetto wird ermittelt aus dem durchschnittlichen Entgelt der letzten drei abgerechneten Monate ohne Überstunden und ohne steuerfreie Zuschläge sowie je ein Zwölftel des tariflichen Weihnachtsgeldes und des Urlaubsgeldes. Hinzu kommen 20 % Aufstockungsbeiträge durch das Arbeitsamt und die zusätzliche, maximal 15%ige Aufstockung durch das Unternehmen bis auf 85 % des VollzeitNettoentgelts.“34 Abbildung 2: Akzeptable 85 %-Einkommensgarantie (BSAG) BSAG-Aufstockung bis 85 % des Vollzeit-Netto (max. 15 %) Entspricht 85 % des fiktiven Vollzeit-NettoEinkommens 20 % Aufstockung* vom 50 %-ATZ-Brutto 50 % des Vollzeitlohns für geleistete Altersteilzeitarbeit (unterliegt der SV und der Lohnsteuer) *bei Wiederbesetzung Erstattung durch die Bundesanstalt für Arbeit 34 A. Kohfeldt, H. Resch, Das Staffelholz weitergeben – ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell, a. a. O., S. 89. 47 Arbeitnehmerkammer Bremen Betriebsrente und Rentenabschläge Entsprechend der gesetzlichen Regelung entrichtet die BSAG zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Basis von 90 Prozent des bisherigen Arbeitsentgeltes (maximal bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung). Im Falle der Wiederbesetzung erstattet das Arbeitsamt der BSAG gemäß der gesetzlichen Regelung die zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge (40 %). Ein Ausgleich der Rentenabschläge für die davon bereits betroffenen Geburtsjahrgänge ist bei der BSAG nicht vorgesehen. Von der Personalleitung wurde eine Kompensation für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand nach Altersteilzeitarbeit aus Kostengründen nicht ins Auge gefasst. Die Beschäftigten erhalten vom Unternehmen aber eine Betriebsrente („betriebliches Ruhegeld“). Sie können in Altersteilzeit gehen und Rentenabschläge anschließend in Kauf nehmen, weil sie zusätzlich zur gesetzlichen Rente noch das „betriebliche Ruhegeld“ beziehen. Nach Darstellung der Personalverantwortlichen werden die Rentenabschläge bei längerer Betriebszugehörigkeit durch die Betriebsrente vollständig ausgeglichen: „Die Mitarbeiter, die die Altersteilzeit nutzten, wurden in ihrer Entscheidung positiv beeinflusst, da sie mit Beginn der Altersrente eine zusätzliche Betriebsrente beziehen. Diese Betriebsrente konnte die entstandenen Rentenabschläge ausgleichen. So kann z. B. nach 25 Jahren ein Fahrdienstmitarbeiter rd. 545 DM, ein Werkstattmitarbeiter rd. 540 DM, ein kaufmännischer Angestellter rd. 592 DM Ruhegeld beziehen. Der Rentenverlust in der gesetzlichen Rentenversicherung von bis zu 450 DM im Monat wurde dadurch ausgeglichen.“35 Nach dem „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ werden den BSAG-Beschäftigten die während der Altersteilzeit-Phase sich ergebenden Leistungen der „Ruhegeldkasse“ nicht gemäß der halbierten wöchentlichen Arbeitszeit ermittelt, sondern auf rund zwei Drittel aufgestockt: „Das betriebliche Ruhegeld eines bisher vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin in Altersteilzeit wird für den Zeitraum der Altersteilzeit mit dem Faktor 0,65 ermittelt. Bei der Ruhegeldberechnung für bisher teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen wird der sich bei Beginn der Altersteilzeit (...) ergebende Teilzeitfaktor ermittelt. Dieser Beschäftigungsgrad wird für die Altersteilzeitjahre ebenfalls mit dem Faktor 0,65 bewertet.“ (Tarifvertrag über Altersteilzeit, Juli 2000) Dauer der Inanspruchnahme und Form der Altersteilzeit (Betriebsvereinbarung/Tarifvertrag) Die maximale Dauer der Inanspruchnahme von Altersteilzeit ist von der BSAG auf die jeweilige Förderhöchstdauer durch das Arbeitsamt (Erstattungsleistungen im Fall der Wiederbesetzung) beschränkt worden, also auf fünf Jahre in der Betriebsvereinbarung 35 A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 88. 48 Arbeitnehmerkammer Bremen (Juni 1997), seit der gesetzlichen Verlängerung der Förderhöchstdauer von fünf auf sechs Jahre (1. Juli 2000) im Tarifvertrag (1. Juli 2000) gleichfalls auf 6 Jahre. Während die Laufzeit der Betriebsvereinbarung bis zum 31. Juli 2001 befristet war, wurde mit der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes (seit 1. Juli 2000 in Kraft) im Tarifvertrag die Laufzeit parallel zum Gesetz bis zum 31. Dez. 2009 befristet (gleichfalls seit 1. Juli 2000 in Kraft). Diejenigen AltersteilzeitArbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Juli 2000 vereinbart worden sind, bleiben in Bezug auf die Dauer (5 Jahre) allerdings bestehen, eine nachträgliche Erhöhung auf sechs Jahre wird im „Tarifvertrag über Altersteilzeit“ ausgeschlossen. Die Betriebsvereinbarung (Juni 1997) enthielt nicht die Möglichkeit, Altersteilzeit in Form des Blockmodells zu wählen. Seit August 1999 gibt es einen Haustarifvertrag, der die Blockung der Altersteilzeit in einem Fünf-Jahres-Zeitraum zulässt. Der am 1. Juli 2000 in Kraft getretene Tarifvertrag über Altersteilzeit ersetzt diesen Haustarifvertrag (Aug. 1999). Die Änderung dieser Rahmenbedingung ist ein zentraler Faktor für die Abkehr vieler Beschäftigter, die in Altersteilzeit gehen, vom Teilzeit- zum Blockmodell (seit 1. Juli 2000 im 6-Jahres-Zeitraum möglich). Im gültigen Tarifvertrag (Juli 2000) wird den BSAG-Beschäftigten die Wahlmöglichkeit zwischen Teilzeit- und Blockmodell angeboten: „Einzelvertraglich können alle Formen von Arbeitszeitmodellen in Altersteilzeit vereinbart werden. Maximal kann vereinbart werden, dass die während der Gesamtdauer des AltersteilzeitArbeitsverhältnisses anfallende Arbeitszeit in einem Zeitraum bis zu sechs Jahren so verteilt wird, dass sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses geleistet und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin anschließend von der Arbeit unter Fortzahlung entsprechender Bezüge freigestellt wird (Blockarbeitszeitmodell).“ Das Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis muss mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden und darf die Dauer von sechs Jahren nicht überschreiten. Inanspruchnahme der Altersteilzeit (Umfang) Nach der Einführung der Altersteilzeit (Mitte 1997) waren Ende 1997 erst 48 Beschäftigte in Altersteilzeit, Ende 1998 bereits 136 und Ende 1999 schon 157 Beschäftigte; Ende 2000 und Ende 2001 war die Anzahl der Beschäftigten in Altersteilzeit etwas geringer, sie erreichte jedoch mit 157 Beschäftigten Ende 2002 wieder das Niveau von Ende 1999. (vgl. Abbildung 1). Im Februar 2000 lagen insgesamt 278 Anträge auf Altersteilzeit vor: 52 Mitarbeiter/innen waren nach Altersteilzeitarbeit bis Ende Januar 2000 bereits in Rente gegangen36, 157 Mitarbeiter/innen befanden sich im Febr. 2000 in Altersteilzeitarbeit 36 Da 48 Beschäftigte sich Ende 1997 in Altersteilzeit befanden, 52 Beschäftigte Ende Jan. 2000 nach Altersteilzeit bereits im Ruhestand waren, muss dieser Personenkreis weitgehend die Mindestdauer von zwei Jahren Altersteilzeit für den Bezug der Altersrente nach Altersteilzeit in Anspruch genommen haben (vorzeitiger Ruhestand). 49 Arbeitnehmerkammer Bremen und 69 Mitarbeiter/innen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Anträge auf AltersteilzeitArbeitsverhältnisse gestellt (Beginn noch bis zur damaligen Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes: Juli 2004). Eine wesentliche Voraussetzung für die hohe Nachfrage der Beschäftigten nach Altersteilzeit wie auch für die Umsetzung der Altersteilzeit durch das Unternehmen war die vorhandene Altersstruktur im Unternehmen. Altersteilzeit kann nur dann angewandt werden, wenn genügend Beschäftigte in der entsprechenden Altersgruppe vorhanden sind. Bei dem Abschluss der Altersteilzeit-Betriebsvereinbarung waren Mitte 1997 rund 720 Mitarbeiter/innen der BSAG in der Altersgruppe, die bis Mitte 2004 Altersteilzeit in Anspruch nehmen konnte (Juli 2004 = 55 Lebensjahre, d. h. Geburtsjahrgänge bis Juli 1949). Mit der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes von Ende Juli 2004 bis Ende Dez. 2009 (in Kraft seit 1. Juli 2000) wurde nicht nur die Beschäftigungswirksamkeit des Gesetzes erhöht, sondern auch der Planungshorizont für die Personalabteilung und die Beschäftigten wesentlich erweitert. Durch die Verlängerung des Altersteilzeitgesetzes bis zum Ende dieses Jahrzehnts hat sich der Kreis der Anspruchsberechtigten auf ca. 1000 BSAG-Beschäftigte erhöht. Die Personalleitung schätzt, dass ca. 700 Beschäftigte insgesamt die Altersteilzeit in Anspruch nehmen werden. Förderleistungen des Arbeitsamtes können für die Zeit ab 1. Jan. 2010 nur dann noch erbracht werden, wenn die Arbeitnehmer/innen mit der Altersteilzeitarbeit vor diesem Stichtag beginnen. Somit kann auf Basis der 6-jährigen Förderhöchstdauer ein am 15. Dez. 2009 begonnenes Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis sich noch bis zum 15. Dez. 2015 erstrecken. Wie die Personalplanung der BSAG zeigt, liegen bereits gegenwärtig (Stand: Mai 2002) zahlreiche Altersteilzeitanträge vor, die noch nach dem Jahr 2010 wirksam werden (vgl. Tabelle 3: Zeitraum 1997 – 2015). Die Personalabteilung ermittelt gleichfalls, wie viele Beschäftigte in welchem Jahr ihr Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis mit der BSAG beenden (vgl. Tabelle 2): Bereits auf Basis der Betriebsvereinbarung (Juni 1997) sind 165 Beschäftigte bis Ende 2002 in den Ruhestand gegangen. Diese Tabelle enthält nicht die Beschäftigten, die gemäß Blockmodell nach Abschluss der Arbeitsphase mit Beginn der Freistellungsphase faktisch den Betrieb verlassen, aber rechtlich noch Beschäftigte sind, sondern ausschließlich Personen, deren Beschäftigungsverhältnis mit dem Betrieb endet (Ausscheiden über Altersteilzeit in die Rente). Die Zahl der auf diese Weise in den Ruhestand gegangenen Mitarbeiter/innen könnte bei Inanspruchnahme der Mindestdauer von Altersteilzeit (2 Jahre) seit Inkrafttreten des Tarifvertrages (Juli 2000) inzwischen sogar noch höher ausfallen. Wie die Aufgliederung der Beschäftigten, die nach Ende ihres AltersteilzeitArbeitsverhältnisses in den Ruhestand wechseln, nach Funktionsbereichen zeigt (vgl. Tabelle 2), sind es keineswegs nur die im Fahrdienst Beschäftigten, deren belastende Tätigkeit als Bus- oder Straßenbahnfahrer im Schichtdienst von der Personalleitung 50 Arbeitnehmerkammer Bremen als Begründung für die hohe Inanspruchnahme von Altersteilzeit hervorgehoben wird, die mit Hilfe der Altersteilzeit in den Ruhestand gegangen sind oder noch gehen werden. Die 130 Beschäftigten aus dem Fahrdienst bilden 45 Prozent der 290 Beschäftigten, die ihr Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis bei der BSAG bereits beendet haben oder noch beenden werden (Stand: 31. Mai 2000). Bei der bis zum Jahr 2015 inzwischen reichenden Projektion werden aus dem Fahrdienst 210 Beschäftigte ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis beendet haben oder noch beenden (von insgesamt 513 bereits beantragten Altersteilzeit-Arbeitsverhältnissen demnach 41 Prozent). Der Fahrdienst enthält im übrigen auch Angestellte im Schichtdienst. Auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer Bremen (Mai 2002) „Altersteilzeit und Personalpolitik“ wurde vom Personalleiter die folgende Bilanz gezogen (Stand: April 2002): Insgesamt lagen bis zu diesem Zeitpunkt bei der BSAG 413 Altersteilzeitanträge vor; von diesen Beschäftigten befanden sich bereits 153 in Rente, 147 waren zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit aktuell beschäftigt und 113 Mitarbeiter hatten für die Zukunft Altersteilzeitverträge abgeschlossen, die noch beginnen werden. Von Mitte 1997 bis Ende 2009 können aufgrund des Altersaufbaus theoretisch 1050 Mitarbeiter/innen Altersteilzeitverträge abgeschlossen haben – die gesamte Inanspruchnahme (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) wird vom Personalleiter auf ca. 700 Personen geschätzt, das wären zwei Drittel aller Anspruchsberechtigten. Bisher (April 2002) haben ca. 40 Prozent aller theoretisch Anspruchsberechtigten (Mitte 1997 – Ende 2009) bei der BSAG bereits Altersteilzeit-Arbeitsverträge abgeschlossen – in der Tat ein erfolgreiches Altersteilzeitmodell mit hoher Resonanz bei den Beschäftigten! Die in den letzten Jahren jeweils aktuell in Altersteilzeit Beschäftigten machen 7 bis 8 Prozent der gesamten Belegschaft aus, d. h. die Überforderungsschutzklausel des Tarifvertrages (5 %) wird vom Arbeitgeber nicht beansprucht (Freiwilligkeitsvorbehalt). In der Praxis werden alle Altersteilzeitanträge vom Arbeitgeber genehmigt. Die Notwendigkeit, vielleicht im Laufe dieses Jahrzehnts die Überforderungsschutzklausel noch beanspruchen zu müssen, wird vom Personalleiter zurzeit aufgrund der Personalplanung nicht gesehen: „Der Arbeitgeber kann Anträge ablehnen, wenn fünf Prozent der Beschäftigtengesamtzahl erreicht sind. Wir sind laufend über fünf Prozent, wir sind immer bei sieben/acht Prozent, von der 5-Prozent-Klausel haben wir bisher noch nicht Gebrauch gemacht.“ 51 52 Altersteilzeit bis 07.05.2003 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Ergebnis BSAG Ergebnis Delbus Gesamtergebnis Angestellte 3 15 12 12 2 8 8 6 6 8 10 6 1 6 5 1 4 113 2 115 Fahrdienst inkl. Hofdienst 15 21 29 10 13 7 16 11 15 7 18 6 12 5 2 3 8 198 12 210 Sonstige 2 3 5 3 1 4 3 2 1 1 5 1 1 1 3 36 36 Werkstatt 1 12 5 6 6 6 5 9 6 7 8 10 7 7 2 7 4 11 119 1 120 Teilzeit 3 2 4 1 4 7 3 1 1 1 1 1 29 3 32 Gesamtergebnis 4 44 41 52 24 28 26 38 26 35 33 42 16 27 14 10 11 24 495 18 513 Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 2: Entlassungsjahrgänge bei den beantragten Altersteilzeit-Arbeitsverhältnissen (Stand: 7.5.2003) Arbeitnehmerkammer Bremen Vom Teilzeit- zum Blockmodell: Praktizierte Formen der Altersteilzeit Die Betriebsvereinbarung (Juni 1997) enthielt nicht die Möglichkeit, das Blockmodell zu wählen. Das Blockmodell wurde ursprünglich von den Betriebsvertragsparteien aus gesundheitspolitischen Gründen nicht favorisiert. Die aus dem Schichtdienst resultierenden gesundheitlichen Belastungen sollten durch die Einführung der Altersteilzeit in Form des Teilzeitmodells verringert werden. Damit entsprach die Zielsetzung der Betriebsvereinbarung der ursprünglichen Intention des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“). Wegen dieser Umsetzung der Altersteilzeit, die mit einer Vielfalt von individuellen und flexiblen Arbeitszeitmodellen verbunden war, fand das BSAG-Modell auch über die Region Bremen hinaus Beachtung. „Da die Bremer Straßenbahn AG als Nahverkehrsunternehmen eine große Erfahrung mit flexiblen Schichtplanmodellen hat, konnten die Wünsche der Mitarbeiter – unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange – in die Zeitplanungen einbezogen werden. (...) Diese individuellen, flexiblen Modelle sind unserer Ansicht nach ein wichtiger Grund für die erfolgreiche Einführung des Altersteilzeitmodells.“37 37 A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 89. 53 Tabelle 3: Vom Teilzeit- zum Blockmodell – Entwicklung der Altersteilzeit bei der BSAG nach Jahren 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Blockmodell 0 0 8 57 96 116 121 121 121 105 98 73 56 44 37 21 14 10 5 prozentual 0 0 4,3 30,0 49,2 63,4 66,1 73,8 76,1 78,4 79,0 81,1 82,3 89,8 94,9 95,4 93,3 90,9 100 48 144 179 133 99 67 62 43 38 29 26 17 12 5 2 1 1 1 0 100 100 95,7 70,0 50,8 36,6 33,9 26,2 23,9 21,6 21,0 18,9 17,7 10,2 5,1 4,6 6,7 9,1 0 48 144 187 190 195 183 183 164 159 134 124 90 68 49 39 22 15 11 5 Teilzeit-Modell 54 prozentual Summe Die Zeilensummen können nicht kumuliert werden – mit Blick auf die Anzahl der Beschäftigten, die entweder das Block- oder das Teilzeitmodell wählen, da eine Person mit einer mehrjährigen Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses in dieser Statistik in mehreren Jahren als Fall auftaucht. Arbeitnehmerkammer Bremen Die Statistik umfasst drei Kategorien von Altersteilzeit-Beschäftigten: 1) Beschäftigte, die nach Altersteilzeit im jeweiligen Jahr aus dem Betrieb ausscheiden, 2) Beschäftigte, die sich im jeweiligen Jahr aktuell in Altersteilzeit befinden, 3) Beschäftigte, die für das jeweilige Jahr einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt haben (Personalstatistik der BSAG/Mai 2002). Schaubild 1: Block- und Konti-Modell bei der BSAG ausgeschiedene & aktive ATZ-Mitarbeiter 200 180 160 140 55 120 100 80 60 20 0 1997 1998 1999 Blocker 2000 2001 2002 2003 2004 kontinuierlich 2005 2006 2007 2008 Arbeitnehmerkammer Bremen 40 Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 4: Praktizierte Altersteilzeit-Modelle (Febr. 2000) absolut % 34 22 8 5 72 46 Teilzeitmodell: 2 Wochen Arbeit / 2 Wochen Freizeit 8 5 Teilzeitmodell: 4 Wochen Arbeit / 4 Wochen Freizeit 11 7 Teilzeitmodell: 3 Tage/Woche Arbeit (Verwaltung) 16 10 8 5 157 100 Blockmodell: 1 Jahr Vollzeit / 1 Jahr Freistellung Blockmodell: 2 ½ Jahre Vollzeit / 2 ½ Jahre Freistellung Teilzeitmodell: 1 Woche Arbeit / 1 Woche Freizeit (davon 54 Beschäftigte im Fahrdienst: „6 Tage arbeiten – 8 Tage frei“) Restl. Teilzeitmodelle (3-, 5-, 6-, 8-Wochen-Wechsel) Die Beschäftigten, die das zweijährige Blockmodell (1 Jahr Arbeitsphase/1 Jahr Freistellung) gewählt haben (22 %), waren bereits ältere Beschäftigte, die mit Hilfe der Altersteilzeit sobald wie möglich in den vorzeitigen Ruhestand wechseln wollten. Die Rentenabschläge, die bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit mit 60 Jahren anfallen, waren wegen der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze in den Jahren 1997 – 2001 (Jahrgänge 1937 – 1941) für die älteren Jahrgänge noch vergleichsweise gering. Einige Beschäftigte konnten zudem noch von der Vertrauensschutzregelung (45 Jahre Pflichtbeitragszeiten/vor Jahrgang 1942) profitieren (Altersrente für langjährig Versicherte mit 60 Jahren ohne Rentenabschläge). Bei diesen Personen spielten also nicht die Rentenabschläge die entscheidende Rolle, sondern die gesundheitliche Verfassung, um „früher aufzuhören“: „Die fragen sich: Wie fühle ich mich? Wie gesund bin ich noch? Weil, unser größtes Klientel ist einfach der Fahrdienst. Und man kann sich vorstellen, wenn die 25 und mehr Jahre hier gefahren sind, dann sind die manchmal gesundheitlich wirklich am Ende, so dass sie sagen: „Ich möchte möglichst schnell aufhören, ich möchte das beenden.“ Und dazu nutzen die dann das Blockmodell.“ (für Altersteilzeit zuständige Referentin der Personalabteilung) Nicht ganz die Hälfte der „Altersteilzeiter“ (46 %) befand sich im Februar 2000 im wöchentlichen Rhythmus des Wechsels von voller Arbeit und voller Freizeit, wobei die Beschäftigten im Fahrdienst aus arbeitsorganisatorischen Gründen (Schichtpläne) das Muster „6 Tage arbeiten – 8 Tage frei“ praktizierten. Die älteren Beschäftigten bleiben innerhalb des Schichtsystems im Fahrdienst zudem von den arbeitszeitlichen Sonderformen der Nachtdienste und Sonntagsdienste verschont. 56 Arbeitnehmerkammer Bremen „Wir erleben auch in den Gesprächen, wenn wir die Leute verabschieden, da sitzen immer, sagen wir mal, der Betriebsratsvorsitzende, der Personalchef, der zuständige Vorgesetzte und der Betroffene zusammen, und dann hören wir, dass dieses 6 Tage/8 Tage-Modell, was das kontinuierliche Modell im Fahrdienst schlechthin ist, dass dieses Modell bei den Leuten unheimlich gut ankommt. Die es machen und gemacht haben, sind echt froh, weil sie dadurch erleben, ich komme hier mal eine Woche, habe dann eine Woche frei und dann arbeite ich wieder eine Woche, ich komme hier so Stück für Stück raus in den Ruhestand. Und die fühlen sich dabei auch wohl!“ (Personalleiter) Bei der BSAG wird das Teilzeitmodell der Altersteilzeit als „kontinuierliches Modell“ bezeichnet. Auch wenn gegenwärtig (seit 2002) mehr Beschäftigte sich gegen das Teilzeitmodell und für das Blockmodell in der Altersteilzeit entscheiden, praktiziert immer noch ein erheblicher Anteil der „Altersteilzeiter“ den wöchentlichen Wechsel von voller Arbeit und voller Freizeit: „Es gibt natürlich weiterhin diese kontinuierlichen Modelle. Bei dem Fahrdienst gibt es eben auch noch immer Leute, die sich entscheiden: 6 Tage/8 Tage, also 6 Tage fahren, 8 Tage frei. Das halten wir als Arbeitgeber auch weiterhin für die beste Lösung.“ (Personalleiter) Ein nicht unerheblicher Anteil der „Altersteilzeiter“ (17 %) hat darüber hinaus im Februar 2000 einen Wechsel von voller Arbeit und voller Freizeit praktiziert, welcher über den Rhythmus einer Woche hinausgeht (2/3/4 und mehr Wochen Arbeit im Wechsel mit 2/3/4 und mehr Wochen Freizeit). Im Februar 2000 waren erst 27 Prozent aller „Altersteilzeiter“ gemäß dem Blockmodell bei der BSAG beschäftigt, Ende 2000 hatten bereits 30 Prozent das Blockmodell gewählt. Als mit dem Tarifvertrag (seit 1. Juli 2000 in Kraft) die Möglichkeit geschaffen wurde, auch die „verblockte“ Altersteilzeit zu wählen, wurde das Blockmodell zunehmend von den Beschäftigten gewählt: Im Jahre 2001 hielten sich die beiden Varianten der Altersteilzeit noch die Waage, im Jahre 2002 überwog bereits (mit nicht ganz zwei Dritteln) das Blockmodell (Jahr 2003: zwei Drittel). Allerdings muss bei dieser Statistik der BSAG zur Entwicklung der Altersteilzeit berücksichtigt werden, dass diese nach Jahren gegliederte Statistik (vgl. Tabelle 3) drei unterschiedliche Kategorien von „Altersteilzeitern“ pro Jahr zusammenfasst: (1) Beschäftigte, die nach Altersteilzeit im jeweiligen Jahr aus dem Betrieb ausscheiden, (2) Beschäftigte, die sich im jeweiligen Jahr aktuell in Altersteilzeit befinden, (3) Beschäftigte, die für das jeweilige Jahr bereits einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt haben. Motive für die Wahl des Teilzeit- oder Blockmodells Um die Motive der Beschäftigten für die zunehmende Wahl des Blockmodells in Erfahrung zu bringen, müssten diese eigentlich selbst befragt werden. Gleichwohl haben die Gespräche mit der Personalleitung und dem Betriebsratsvorsitzenden einige Anhaltspunkte für die veränderte Motivation der Beschäftigten ergeben. Eine große Rolle spielt dabei die Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit dem Lebensalter, in dem die Beschäftigten faktisch ihre Berufstätigkeit beenden 57 Arbeitnehmerkammer Bremen können. Während beim Teilzeitmodell faktisches und rechtliches Austrittsalter zusammenfallen, fallen beim Blockmodell faktisches und rechtliches Austrittsalter auseinander. In Verbindung mit den Rentenabschlägen, die nunmehr die Beschäftigten ab Jahrgang 1942 (ohne Vertrauensschutz) zu gewärtigen haben (18 %), nehmen die Beschäftigten im Blockmodell eine Lebensplanung für den Zeitpunkt ihres tatsächlichen Ausscheidens aus dem Betrieb vor, welche gleichzeitig die Höhe der Rentenabschläge beim späteren rechtlichen Ausscheiden mit berücksichtigt. „Es ist festzustellen, dass die Mitarbeiter mittlerweile zunehmend das Blockmodell favorisieren, da es dadurch möglich ist, mit 60 Jahren nicht mehr im Schichtdienst tätig zu sein und trotzdem den Rentenverlust zu begrenzen. Die Mitarbeiter gehen zunehmend dazu über, mit 57,5 Jahren die Altersteilzeit zu beginnen, zweieinhalb Jahre zu blocken und ab 60 in den Freizeitblock zu gehen, um somit mit 62,5 Jahren Rente zu erhalten.“38 Diese Anfang 2000 von den Personalverantwortlichen formulierte Feststellung bestätigt unsere Aussage, dass sich die Zahl „60“ als magische Zahl für das – in diesem Falle: tatsächliche – Ausscheiden aus dem Berufsleben etabliert hat. Die Streckung der Altersteilzeit auf die Lebensphase 57 ½ – 62 ½ gemäß dem Blockmodell ermöglicht es den Beschäftigten, mit 60 Jahren faktisch die Berufstätigkeit zu beenden. Das durchschnittliche Lebensalter der „Altersteilzeiter“ beim Übergang in den Ruhestand betrug bei diesen BSAG-Beschäftigten im Jahre 1998 etwa 60 ½ Jahre (durchschnittliche Dauer des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses = 3,2 Jahre), im Jahre 2000 etwa 61 ½ Jahre (durchschnittliche Laufzeit = 4 Jahre) und im Jahre 2002 etwa 62 ½ Jahre (durchschnittliche Laufzeit = ca. 5 Jahre). Wegen der Verlängerung der Förderhöchstdauer von 5 auf 6 Jahre (seit 1. Juli 2000 in Kraft) können nunmehr die Beschäftigten die Dauer der Altersteilzeit-Phase noch weiter strecken und damit auch die Rentenabschläge (1 Jahr = 3,6 %) etwas mindern. Eine bedeutende Rolle spielt bei dieser Kalkulation natürlich auch die Betriebsrente als Kompensation für die Rentenabschläge. „Es ist bei uns nie so gewesen, dass da die Rentenabschläge kompensiert worden sind. Unser betriebliches Ruhegeld, das es schon immer gab, hat nur dazu geführt, dass die Arbeitnehmer leichter sagen konnten: „OK, ich gehe in Altersteilzeit und nehme die Rentenabschläge in Kauf.“ (...) Jetzt, wo die Möglichkeit besteht, die Blockung, sagen wir mal, vom 57. bis zum 63. Lebensjahr zu ziehen, und der Mitarbeiter trotzdem mit 60 ausscheiden kann, das nutzt er dann natürlich. Bei dem Konti-Modell kann er das ja eher nicht, da müsste er ja, wenn er das auf sechs Jahre macht, sagen wir mal, mit 55 anfangen und bis 61 arbeiten, hat dann aber die Rentenabschläge noch, 2 Jahre mehr bei den Rentenabschlägen.“ (Personalleiter, Mai 2002) 38 A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 89 f. 58 Arbeitnehmerkammer Bremen Im Güterkalkül werden offenbar das Ausmaß der Rentenabschläge (rechtliches Austrittsalter) und – gemäß Blockmodell oder Konti-Modell – der jeweilige Zeitpunkt des Abschieds vom Arbeitsleben (faktisches Austrittsalter) gegeneinander abgewogen. Unterstellt man die gleiche Laufzeit der Altersteilzeit-Phase (57. bis 63. Lebensjahr), so dass die gleichen Rentenabschläge (7,2 %) anfallen, und vergleicht man Blockund Konti-Modell hinsichtlich des Zeitpunkts des faktischen Ausscheidens aus dem Betrieb, dann beendet der Arbeitnehmer im „Blockmodell“ schon mit 60 Jahren die Berufstätigkeit, der Arbeitnehmer im „Konti-Modell“ dagegen erst mit 63 Jahren. Offenbar ist dieser Zeitpunkt des „Abschieds vom Arbeitsleben“ für die Beschäftigten wichtiger als der Umstand, im Blockmodell immerhin drei Jahre voll arbeiten zu müssen, während der Beschäftigte im „Konti-Modell“ seine Sollarbeitszeit auf 6 Jahre verteilen kann. Abbildung 3: Block- und Teilzeitmodell (57 – 63 Jahre) 57 volle Arbeit BLOCKMODELL 60 volle Freizeit RENTENANSPRUCH 63 65 7,2 % Abschlag 24 Monate 57 TEILZEITMODELL halbe Arbeit / halbe Freizeit RENTENANSPRUCH 63 65 7,2 % Abschlag 24 Monate Die Verlängerung der Altersteilzeit-Phase von fünf auf sechs Jahre (Juli 2000) hat zudem dazu geführt, dass der Beginn der Altersteilzeit-Phase um ein Jahr nach vorne gezogen wird, um über das Blockmodell möglichst noch früher das Arbeitsleben beenden zu können. Während im Jahre 2000 die „Altersteilzeiter“ im Blockmodell im Durchschnitt das Muster „57 ½ – 59 ½ – 61 ½“ praktizierten, hat sich im Jahre 2002 bei den „Blockern“ folgendes Muster etabliert: „56 – 59 – 62“. „Ich führe die Beratungsgespräche, und ich kann sagen, wer so weit seine finanzielle Situation zu Hause geklärt hat, wo vielleicht eine Frau mitgearbeitet hat, der entscheidet sich meistens mit 61 bzw. 62, bei uns ganz auszuscheiden. Das ist im Moment die Tendenz. (...) Die kriegen dann schon mit 62 ihre Rente.“ (für Altersteilzeit zuständige Referentin der Personalabteilung) Einige „Blocker“ praktizieren sogar das Muster „55 – 58 – 61“: „Dadurch, dass jetzt die Möglichkeit gegeben ist, Blockungen zu machen über Tarifvertrag, sagen die Neuen: „Nein, ich will lieber früher aufhören, fange mit 55 an, mache drei Jahre Arbeit noch voll, und dann bin ich weg.“ (Personalleiter) Zielpunkt dieser Orientierung ist demnach das frühe tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb, das häufig mit 59 Arbeitnehmerkammer Bremen positiven Erwartungen an den vorzeitigen Ruhestand verbunden wird: „Es gibt auch viele, die sich im Nachhinein etwas vorgenommen haben. Ich finde, die sind immer aktiver geworden, die älteren Mitarbeiter. Das heißt, die haben sich vorgenommen, nach Spanien zu ihrem Häuschen zu gehen oder Hobbys zu verwirklichen. Das höre ich im Moment ganz viel. Also, da hat sich scheinbar auch irgendwas getan bei unseren Mitarbeitern." (für Altersteilzeit zuständige Referentin der Personalabteilung) Im Oktober 2001 wurden im Auftrage der BSAG vom Hamburger Soziologen Jürgen Prott (HWP) 89 der 138 „Altersteilzeiter“ schriftlich und 23 von ihnen nochmals intensiv befragt. Ergebnisse dieser Befragung wurden in einer Sonderausgabe (März 2002) der Betriebszeitung der Bremer Straßenbahn AG veröffentlicht. Die Sorge um die Gesundheit steht im Mittelpunkt der Motive: 88 Prozent der von Jürgen Prott Befragten haben angegeben, sie wollten durch die Altersteilzeit ihre „Gesundheit schonen“. Zwischen den „Kontinuierlichen“ und den „Blockern“ hat Prott die folgenden Unterschiede festgestellt: „Wer sich für die erste Variante entschieden hat, verweist häufig vor dem Hintergrund einer langen Betriebszugehörigkeit auf seine angeschlagene Gesundheit, die möglichst rasch durch verringerte Arbeitsbelastung stabilisiert werden soll. Das ist das eine. Andererseits heben diese Personen im Interviewgespräch häufig die Sorge vor dem „tiefen Loch“ hervor, in das man beim abrupten Ausscheiden aus dem Betrieb fallen kann. Die „langsame Gewöhnung“ an die Zeit jenseits der Berufstätigkeit wird als schrittweise Einübung in einen veränderten Lebensrhythmus empfunden.“ Im Vordergrund der Motive der „Blocker“ steht nach Prott folgende Einschätzung: „Auch sie wollen ihre Belastungen in gesundheitsschonender Weise verringern, aber sie fühlen sich offenbar noch nicht derart verbraucht, dass sie nicht noch ein paar Jahre durchzuhalten verstünden. Diese Personen geben unumwunden zu, so schnell wie möglich das Ende ihrer Berufstätigkeit erreichen zu wollen. Man begreift die aktive Phase der Blockzeit gewissermaßen als einen letzten Kraftakt, an dessen Ende der vorzeitige Übergang in die berufliche Freistellung lockt.“ Prott vermutet, dass die Wahl zwischen dem Block- und dem Teilzeit-Modell Ausdruck einer unterschiedlichen Identifikation mit der Arbeit und dem Betrieb sein könnte: „Diejenigen, die sich für das Blockzeit-Modell entscheiden, bilanzieren die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit und dem Betrieb häufiger ungünstig als diejenigen, die den gleitenden Übergang favorisieren. „Blocker“ identifizieren sich wahrscheinlich seltener mit ihrer Arbeit und mit dem Betrieb als es die „Kontinuierlichen“ tun.“ Wiederbesetzung als Regelfall Das Unternehmen hat es verstanden, mit der Anwendung der Altersteilzeit seiner beschäftigungspolitischen Verantwortung nachzukommen und gleichzeitig durch Nutzung der Zuschüsse des Arbeitsamtes eine kostenneutrale Umsetzung der Altersteilzeit zu erreichen. 60 Arbeitnehmerkammer Bremen „Das Modell der Altersteilzeit bei der Bremer Straßenbahn AG konnte unter anderem dadurch für das Unternehmen kostenneutral gestaltet werden, dass Neueinstellungen vorgenommen und dadurch die Zuschüsse von 20 % des Arbeitsamtes genutzt werden. Die Einstellungen neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden nochmals dadurch begünstigt, dass die Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre niedrigere Einstiegsgehälter und damit niedrigere Kosten für das Unternehmen ermöglichen. Daraus ergibt sich eine Kostenersparnis für das Unternehmen, wenn die Entgelte von zwei Altersteilzeitmitarbeitern und einem Neueingestellten verglichen werden mit den Kosten für zwei „Alt-Beschäftigte“. Bis zum Mai 2000 konnte das Unternehmen durch die offensive Nutzung der Altersteilzeit 79 Arbeitslose und 21 Auszubildende neu einstellen. Die Bremer Straßenbahn AG stellt vor allem Langzeitarbeitslose sowie Jugendliche nach dem Sonderprogramm der Bundesregierung ein, so dass Ausbildungskosten vom Arbeitsamt übernommen und Einstellungszuschüsse in Anspruch genommen werden können. Die Erfahrungen mit dem Sonderprogramm für Jugendliche und Langzeitarbeitslose sind zu 95 % positiv. Bis Mai 2000 wurden 30 Jugendliche und 23 Langzeitarbeitslose eingestellt.“39 Die Aufstockung von 70 auf 85 Prozent des Nettolohnes bzw. Nettogehaltes fällt aus drei Gründen für das Unternehmen kostenneutral aus: (1) Ältere mit einer hohen Lohngruppe werden durch jüngere Beschäftigte mit einer niedrigen Lohngruppe ersetzt, (2) die Lohn- und Gehaltstarife für die neu eingestellten Beschäftigten sind um 6 Prozent abgesenkt worden. (3) Durch die Verringerung der Belastungen für die „Altersteilzeiter“ (insbesondere im kontinuierlichen Modell) sind die Krankheitskosten für das Unternehmen gesunken. Die Wiederbesetzung der durch Altersteilzeit frei gemachten Arbeitsplätze ist allerdings in den letzten Jahren nicht mehr vollständig erfolgt; seit dem Jahr 2000 muss die BSAG aufgrund des Kontraktes mit der Stadt (Senkung der Zuschüsse) Personal abbauen: „So haben wir zum Beispiel im letzten Jahr, also in 2001, um 65 Mitarbeiter abgebaut. Und da wird zum Teil natürlich auch die Altersteilzeit genutzt, aber wir machen auch Wiederbesetzung vor allen Dingen über Auszubildende.“ (Personalleiter, Mai 2002) Das Qualifizierungsprogramm für Langzeitarbeitslose und Jugendliche ist mittlerweile abgeschlossen, weil das Unternehmen nicht mehr so viel Personal benötigt. Gleichwohl stellt die BSAG Auszubildende immer noch über den eigenen Bedarf hinaus ein, welche nach Abschluss ihrer Ausbildung auch weitgehend übernommen werden. Bis zum Mai 2003 konnte das Unternehmen durch die Nutzung der Altersteilzeit 163 Arbeitslose einstellen und 56 Auszubildende übernehmen. 39 A. Kohfeldt, H. Resch, a. a. O., S. 92 f. 61 Arbeitnehmerkammer Bremen Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden „Die Entwicklung und Umsetzung des Altersteilzeitmodells bis hin zu einem ausgereiften Tarifvertrag wird in der Belegschaft als wichtiger Bestandteil unserer Sozialpolitik in einem Wechselschichtbetrieb anerkannt. Von Beginn an waren wir sicher, dass Altersteilzeit für unseren Betrieb mit 3-Schicht und Wechselschicht genau das richtige Instrument zur Entlastung im Alter ist. So war uns wichtig, nicht nur Altersteilzeit an sich zu ermöglichen, sondern damit verbunden auch Entlastungen in den Dienstplänen der Altersteilzeitler, die kein Blockmodell fahren, mit Erfolg umzusetzen. Ein weiterer zentraler Punkt ist festzuhalten: Trotz eines fortschreitenden Personalabbaus haben wir jungen Kolleginnen und Kollegen nach der Ausbildung eine Weiterbeschäftigung bei der BSAG durch das Altersteilzeitmodell ermöglicht – und das auch im Jahr 2003. Und für die jüngere Generation haben wir mittlerweile im Rahmen des Altersvermögensgesetzes einen Tarifvertrag zur flexiblen Entgeltumwandlung geschaffen, damit auch diese Kolleginnen und Kollegen trotz steigendem Rentenalter über ein früheres Ausscheiden im Rentenalter nachdenken können – mit oder ohne Altersteilzeitgesetz. Die Entgeltumwandlung schafft aber auch noch den anstehenden Altersteilzeitlern Ansparmöglichkeiten, um über den Zeitpunkt der beginnenden Altersteilzeit neu nachdenken zu können. Hier können Rentenpunktverluste noch abgemildert werden. Wir tun hier viel, da wir wissen, keiner, der 30 – 40 Jahre Schichtdienst macht, hält das bis zum 65. oder gar, nach den neuen Rentenplänen, bis zum 67. Lebensjahr durch. Hier hat auch das Unternehmen eine soziale Verantwortung, immer wieder Gestaltungsspielräume zu nutzen, um Menschen nicht nur, wie man heute sagt, als „Humankapital“ zu nutzen.“ Weitere Informationen Bremer Straßenbahn AG (BSAG) Flughafendamm 12 28199 Bremen Tel.: 0421 / 559 62 23 Geschäftsleitung Herr Resch Personalleitung Herr Kohfeldt Betriebsrat Herr Hünig 62 Arbeitnehmerkammer Bremen Siemens AG, Zweigniederlassung Bremen Altersteilzeit ab dem 55. Lebensjahr mit teilweisem Ausgleich der Rentenabschläge Ziele Die Siemens AG verfolgt mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel, den älteren Beschäftigten vorzeitig den Übergang aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand zu ermöglichen und bei Bedarf die frei gewordenen Arbeitsplätze mit jüngeren Beschäftigten zu besetzen. Wegen des aus Kostengründen notwendigen Personalabbaus konnte die Siemens AG die durch Altersteilzeit frei gemachten Arbeitsplätze nur zu einem Drittel wieder besetzen – insbesondere mit Auszubildenden und Fachhochschul-Ingenieuren nach Abschluss ihrer Berufsausbildung (Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit). Vorrangiges Ziel bei der Nutzung der Altersteilzeit ist nach Ansicht der Personalabteilung nicht der Personalabbau, sondern das Angebot an die älteren Beschäftigten, freiwillig früher in den Ruhestand gehen zu können. Regelung der Altersteilzeit Altersteilzeit wird ab dem 55. Lebensjahr den Beschäftigten angeboten. Die Betriebsvereinbarung (Nov. 1997) bestimmt den Personenkreis der Anspruchsberechtigten gemäß dem Altersteilzeitgesetz (Aug. 1996): mindestens drei Jahre beitragspflichtige Vollzeitbeschäftigung während der letzten fünf Jahre, im Regelfall sollen mindestens zehn „pensionsfähige Dienstjahre“ zum Austrittszeitpunkt erreicht sein, damit ein Anspruch auf „Firmenpension“ besteht. Die Laufzeit der Altersteilzeit beträgt zwischen zwei und fünf Jahren: Die Mindestdauer ergibt sich daraus, dass eine Altersrente wegen Altersteilzeit ab dem 60. Lebensjahr mindestens 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit voraussetzt, die Höchstdauer beruht darauf, dass die Förderungsdauer durch das Arbeitsamt (vor der Verlängerung auf 6 Jahre) auf fünf Jahre begrenzt war. Die gesetzlichen Änderungen (1. Jan. 2000) wurden von der Siemens AG zügig umgesetzt (Juli 2000): Die Vollzeitbeschäftigung als Voraussetzung für den Abschluss eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses wird durch die „bisherige wöchentliche Arbeitszeit“ ersetzt. Es existiert zum einen ein Blockmodell, nach dem der/die Beschäftigte 2 ½ Jahre vollzeitig tätig und im Anschluss 2 ½ Jahre freigestellt ist; zum anderen können die Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit verkürzen. Das unverblockte Modell (Halbtagsarbeit) wurde bislang jedoch kaum beansprucht (2 % der Altersteilzeit-Verträge). Die Betriebsvereinbarung ermöglicht – auf der Basis des Tarifvertrages – eine Laufzeit von 5 Jahren für die verblockte Altersteilzeit. Bei der Siemens AG besteht eine „VollzeitKultur“, auch bei den Frauen (Anteil von rund 20 % an der Belegschaft) bildet Teilzeitarbeit eine Ausnahme. 63 Arbeitnehmerkammer Bremen Es können alle Beschäftigen ab dem 55. Lebensjahr teilnehmen, auch die außertariflichen Angestellten. Bundesweit sind rund 5000 Altersteilzeitverträge abgeschlossen worden. Im Bereich Hamburg, Bremen, Kiel und Rostock, der von der Niederlassung Hamburg betreut wird, sind 200 Altersteilzeitverträge abgeschlossen worden (Stand: März 2002); damit beträgt die Altersteilzeitquote in diesem Bereich (ca. 3.500 Mitarbeiter) immerhin 5,7 Prozent aller Beschäftigten, überschreitet somit die im Tarifvertrag vorgesehene Quote von 5 Prozent (ab 1. Mai 2002). Nach Reduktion der Arbeitszeit auf 50 Prozent werden die Altersteilzeit-Bruttoeinkommen um 25 Prozent des Altersteilzeit-Bruttoverdienstes aufgestockt. Dieser Aufstockungsbetrag ist steuer- und sozialversicherungsfrei. Entsprechend der Regelung des Tarifvertrages werden 82 Prozent des bisherigen Netto-Vollzeitentgeltes in der Altersteilzeit erreicht. Die Siemens AG entrichtet außerdem zusätzliche Rentenversicherungsbeiträge auf der Basis von 95 Prozent des früheren Brutto-Vollzeitentgeltes (entsprechend der Regelung des Tarifvertrages). Bei Neueinstellung eines Arbeitslosen oder bei Übernahme eines Auszubildenden erhält die Siemens AG ihre Aufstockungsleistungen größtenteils vom Arbeitsamt erstattet. Betriebsrente und Abfindungen Während bei den Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld) für die Beschäftigten in Altersteilzeit keine Ausgleichszahlungen für die Einkommenseinbußen vorgenommen werden, werden bei der von der Siemens AG geförderten betrieblichen Altersvorsorge die Beschäftigten in Altersteilzeit den Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt. Das 13. Gehalt wird auf Basis des Altersteilzeit-Bruttoeinkommens (ohne die Aufstokkungsleistungen) berechnet: Hälfte des tariflichen Teils des 13. Gehaltes (Basis: Teilzeit). Bei der verblockten Altersteilzeit erhält der Mitarbeiter den tariflichen Teil des 13. Gehaltes auf Basis der Teilzeitarbeit nur während der Arbeitsphase – während der Freistellungsphase besteht auf das anteilige 13. Gehalt kein Anspruch. Entsprechend wird bei der Berechnung des zusätzlichen Urlaubsgeldes verfahren (Halbierung/Arbeitsphase). Demgegenüber wird bei den vermögenswirksamen Leistungen keine Halbierung vorgenommen: Die vermögenswirksamen Leistungen werden vom Arbeitgeber für die „Altersteilzeiter“ zu 100 Prozent entrichtet. Bei der Betriebsrente der Siemens AG, der sog. „Siemens-Rente“, findet gleichfalls keine Absenkung der Beiträge für diese betriebliche Altersvorsorge – während der gesamten Laufzeit der Altersteilzeit – statt. Die Betriebsrente bildet für die Siemens-Beschäftigten einen bedeutenden Baustein ihrer Altersvorsorge: So erhält eine Schreibkraft etwa 400,-DM/Monat an „Siemens-Rente“, ein Ingenieur etwa 800,-- DM/Monat. Wenn der/die Beschäftigte mit 60 Lebensjahren aus dem Betrieb ausscheidet, wird eine Abfindung von drei Vollzeit-Monatsentgelten gezahlt. Diese Regelung beruht auf dem Manteltarifvertrag Altersteilzeit: Abfindung von maximal drei BruttoVollzeitentgelten bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit für Beschäftigte ab dem 60. Lebensjahr auf Wunsch des Arbeitgebers. Die Siemens AG zahlt ihren Beschäf64 Arbeitnehmerkammer Bremen tigten, die vor dem 1.10.1983 bei Siemens eingetreten sind, sogar sechs VollzeitMonatsentgelte als Abfindung beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Betrieb. Immer noch haben große Anteile der älteren Beschäftigten nach ihrer Berufsausbildung ihr gesamtes Arbeitsleben bei Siemens verbracht. Die Betriebsrente bildet einen wichtigen Bestandteil dieser „lebenslangen“ Betriebsbindung. Der im Frühjahr 2000 abgeschlossene Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie (Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke) sieht für Beschäftigte ab dem 57. Lebensjahr mit Rechtsanspruch auf Altersteilzeit eine Abfindung – sog. Rentenaufstockung – von maximal 21.600,-- DM vor (450,-- DM/Monat x maximal 48 Monate) – und zwar für die Zeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres (maximal 48 Monate). Dieser Monatsbetrag für die Abfindung (450,-- DM = 230,-- Euro) ist von der Siemens AG um 20 Euro erhöht worden (250 Euro). Außerdem wird von der Siemens AG gemäß Betriebsvereinbarung beim Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Lebensjahren die ganze Strecke bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres – also fünf Jahre und nicht nur vier Jahre wie im Tarifvertrag – für die Berechnung der Abfindung berücksichtigt (60 Monate x 250 Euro = 15.000 Euro). Im Vergleich zur tarifvertraglich geregelten maximalen Abfindung (230 Euro x 48 Monate = 11.040 Euro) können die Siemens-Beschäftigten also eine wesentlich höhere Abfindung erzielen (maximal 15.000 Euro). Diese maximale Abfindung wird bei Siemens „Mindestabfindung“ genannt, weil gemäß Günstigkeitsprinzip diejenigen Beschäftigten, die pro Monat mehr als 5.000 Euro Bruttogehalt verdienen, die Abfindungsregelung des Tarifvertrages Altersteilzeit weiterhin in Anspruch nehmen können: Abfindung von drei Brutto-Vollzeitentgelten bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit für Beschäftigte ab dem 60. Lebensjahr, so dass sich eine Abfindung von mehr als 15.000 Euro für die höher verdienenden Angestellten ergeben kann. Der monatliche Betrag der Abfindung für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb beträgt 250 Euro mit Vollendung des 60. Lebensjahres, so dass sich eine Abfindung von 15.000 Euro ergibt (60 Monate x 250 Euro). Beim Ausscheiden mit Vollendung des 61. Lebensjahres ergibt sich ein monatlicher Betrag der Abfindung von 240 Euro, so dass die Abfindung insgesamt 11.520 Euro beträgt (48 Monate x 240 Euro). Beim Ausscheiden mit Vollendung des 62. Lebensjahres wird ein monatlicher Betrag der Abfindung von 230 Euro zugrunde gelegt, so dass die Abfindungssumme 8.280 Euro beträgt (36 Monate x 230 Euro). Die maximale Abfindung von 15.000 Euro muss nicht als Abfindung ausgezahlt werden, sondern kann von den Beschäftigten auch in die Siemens-Rente „umgewandelt“ werden, d. h. als Baustein für die Aufstockung der Betriebsrente benutzt werden. Die meisten Siemens-Beschäftigten verwenden tatsächlich ihre jeweilige Abfindungssumme für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb als „Rentenaufstockung“ ihrer Betriebsrente, so dass ein gewisser Ausgleich der Rentenabschläge beim vorzeitigen Rentenbezug erfolgt. Gemäß dem von der Personalabteilung gegebenen Beispiel der 65 Arbeitnehmerkammer Bremen durchschnittlichen aktuellen Lebenserwartung von Männern (knapp 73 Jahre) würde die Abfindung von 15.000 Euro geteilt durch 153 Monate (Rentenbeginn mit 60 Jahren) demnach eine Aufstockung der Betriebsrente um 98 Euro/Monat für die kalkulierte Dauer des Rentenbezugs erbringen. Verteilzeitraum der Altersteilzeit Der Abschluss eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses soll spätestens mit 63 Lebensjahren erfolgen (Mindestdauer von zwei Jahren als Bedingung für den Bezug der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit). Anfang und Ende der Altersteilzeit nach Lebensjahren sowie die Dauer der Inanspruchnahme der Altersteilzeit nach dem Blockmodell werden von den Beschäftigten gemäß ihrer Lebenslage unterschiedlich gewählt. Etwa die Hälfte der Beschäftigten wählt das in vielen Industriebetrieben praktizierte Muster der fünfjährigen verblockten Altersteilzeit im Lebensabschnitt von 55 bis zu 60 Jahren: 55 bis 57 ½ Jahre = Arbeitsphase, 57 ½ bis 60 Jahre = Freistellungsphase, vorzeitiger Ruhestand mit 60 Lebensjahren. Der vorzeitige Rentenbeginn mit 60 Lebensjahren (Rentenabschläge = 18 % ab Geburtsdatum 1.1.1942) bildet für die meisten männlichen Siemens-Beschäftigten die „Zielgröße“ (magische Zahl für den Übergang in den Ruhestand). Die andere Hälfte der Siemens-Beschäftigten verteilt sich auf andere Muster der Inanspruchnahme der Altersteilzeit: Viele Angestellte erfüllen lediglich die Mindestdauer von 2 Jahren Altersteilzeit (58 – 60 Jahre), um mit 60 Lebensjahren die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (mit nunmehr 18 % Rentenabschlägen) beziehen zu können, viele höhere Angestellte, die ihr Berufsleben z. B. als Ingenieur relativ spät begonnen haben und deren Kinder sich noch in der Ausbildung bzw. im Studium befinden, wählen dagegen einen späteren Beginn und ein späteres Ende der Altersteilzeit-Phase (5 Jahre verblockte Altersteilzeit im Lebensabschnitt von 60 bis 65 Jahren: 60 – 62 ½ Jahre = Arbeitsphase, 62 ½ – 65 Jahre = Freistellungsphase, Rentenbezug (ohne Rentenabschläge) mit 65 Lebensjahren). Wer entscheidet über Altersteilzeit? Die Abteilungsleitung und die Bereichsleitung treffen letztendlich die Entscheidung, ob Altersteilzeit beansprucht werden kann. In Streitfällen bestimmt der Betriebsrat mit; ein erzwingbarer Rechtsanspruch auf Altersteilzeit existiert aber nicht. Der im Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie enthaltene Rechtsanspruch auf Altersteilzeit (ab 61. Lebensjahr) wurde in der Betriebsvereinbarung nicht übernommen, weil die Quote des Tarifvertrages für „Altersteilzeiter“ an der Belegschaft bereits „übererfüllt“ war. Diese Anspruchseinschränkung sollte in der Siemens AG nach Auffassung des Gesamtbetriebsrates nicht gelten. Den Wünschen der älteren Beschäftigten nach Wechsel in Altersteilzeit wird i. d. R. unabhängig von derem jeweiligem Lebensalter stattgegeben. Eine Einigung wird i. d. R. zwischen Personalabteilung und dem/der Beschäftigten ohne Beteiligung des Betriebsrates erzielt. 66 Arbeitnehmerkammer Bremen Rechtsgrundlagen Gesamtbetriebsvereinbarung vom 1. Nov. 1997 mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli 2004 (verlängert bis zum Jahr 2006). Voraussetzung für die Anwendung der Betriebsvereinbarung war zunächst der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie zur Altersteilzeit vom Juni 1998, später dann der im Jahre 2000 abgeschlossene Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke. Stellungnahmen Personalabteilung „Altersteilzeit ist eine gute Regelung, um den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, früher auszuscheiden, auch unter akzeptablen finanziellen Bedingungen. Die Belastungen in der Arbeitswelt werden immer stärker, und dass dann nicht bis 65 durchgearbeitet werden muss, sondern hier die Möglichkeit besteht, einen Ausstieg ab 60 zu finden, ist positiv. Auch können ältere Mitarbeiter früher durch jüngere ersetzt werden, was Innovationen im Unternehmen beschleunigen kann. Nachteilig sind die hohen Kosten für das Unternehmen, wenn es keinen Zuschuss vom Arbeitsamt gibt. Für einen Mitarbeiter, der 40.900 Euro Jahreseinkommen verdient, entstehen etwa 59.000 Euro Kosten im Jahr ohne Zuschuss vom Arbeitsamt. Bei reduzierter Arbeitszeit und mit Zuschuss vom Arbeitsamt verbleiben 23.000 Euro Kosten für das Unternehmen.“ Betriebsrat „Die Vereinbarung ist ein „Entlastungsventil“. Sie ist gut für Kollegen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können oder Probleme am Arbeitsplatz haben, weil sie die Leistung nicht mehr bringen. Für das Unternehmen ist von Vorteil, dass die Altersteilzeit das Unternehmen wenig kostet, weil ein jüngerer Beschäftigter mit einer niedrigen Lohngruppe ins Unternehmen kommt und Gelder vom Arbeitsamt fließen. Problematisch ist hingegen, dass bei der Berechnung der Altersteilzeitgehälter nicht die Beteiligung am Betriebserfolg mit eingerechnet wird.“ Weitere Informationen Siemens AG Zweigniederlassung Bremen Universitätsallee 16 28359 Bremen Personalabteilung Herr Westphal Lindenplatz 2 20099 Hamburg Tel.: 040 / 28 89 28 59 Betriebsrat Herr Krone, ZN Bremen Tel.: 0421 / 364 – 0 67 Arbeitnehmerkammer Bremen Stahlwerke Bremen GmbH Altersteilzeit: vom Personalumbau zum Personalabbau Regelungen des Tarifvertrages In der Stahlindustrie (Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen) wurde im Jahr 2000 ein neuer Tarifvertrag zur Altersteilzeit abgeschlossen, der auf einer Rahmenregelung für betriebliche Vereinbarungen aus dem Jahr 1998 aufbaute. Diese tarifliche Vereinbarung (März 1998) verfolgte das Ziel, eine Grundlage für Betriebsvereinbarungen zur Altersteilzeit zu ermöglichen – einschließlich der Anwendung eines langfristigen Blockmodells nach dem ATZ-Gesetz. In der Tarifrunde 2000 wurde in der Stahlindustrie neben der zweistufigen Einkommenserhöhung auch eine Verbesserung der ATZ-Regelungen vereinbart. Ab 1. Juni 2000 haben Beschäftigte nach vollendetem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Altersteilzeit über eine Dauer von zwei bis zu sechs Jahren. Das ATZ-Arbeitsentgelt wird auf 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens aufgestockt und der Rentenversicherungsbeitrag auf 95 Prozent angehoben. Wie schon in der chemischen Industrie (März 2000) wurde auch in der Stahlindustrie ein Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt vereinbart (Juni 2000). Gleichfalls für maximal 48 Monate wird eine nach Schichtsystem gestaffelte „Abfindung“ vom Arbeitgeber geleistet: Pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs erhalten Beschäftigte mit regelmäßiger Wechselschicht 750 DM, Beschäftigte in Wechselschicht mit regelmäßiger Nachtarbeit 550 DM sowie die übrigen Beschäftigten 450 DM. Weiterhin werden die Beträge ab 1. Januar 2002 dynamisiert und jährlich um ein Prozent angehoben (Laufzeit dieses Tarifvertrages: 31. Dez. 2006). Auch der Insolvenzschutz der Arbeitnehmer-Ansprüche ist in diesem Tarifvertrag geregelt worden. Außerdem kann gemäß Tarifvertrag eine freiwillige Betriebsvereinbarung zwecks Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen für die langfristige Vermögensbildung zur Alterssicherung abgeschlossen werden. Der Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Stahlindustrie enthält eine Anspruchseinschränkung: 4 Prozent aller Beschäftigten können die Altersteilzeit in Anspruch nehmen; bei mehreren geltend gemachten Ansprüchen erhalten die Vollkonti-Beschäftigten Vorrang (sofern nicht abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarungen bestehen). Regelungen der Betriebsvereinbarung Bei den Stahlwerken Bremen bestand auf Basis der tariflichen Vereinbarung (März 1998) eine Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit (Okt. 1998), welche bereits das Blockmodell ermöglichte. Auf Basis des neuen Tarifvertrages (1. Juni 2000) wurde von den Betriebsvertragsparteien die Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit neu geregelt (1. Okt. 2000). Die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung entspricht der des Tarifvertrages (31. Dez. 2006). 68 Arbeitnehmerkammer Bremen Geltungsbereich Gemäß der gesetzlichen Regelung können Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden haben, Altersteilzeit beanspruchen. Die Betriebsvereinbarung enthält einen Anspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit. Allerdings kann der Anspruch ausgeschlossen werden, wenn 4 Prozent der Belegschaftsmitglieder sich bereits in Altersteilzeit befinden bzw. schon einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben. Die 4-Prozent-Quote kann allerdings „durch freie Entscheidung des Arbeitgebers überschritten werden“. Wenn diese Quote nicht überschritten werden soll und gleichzeitig die Nachfrage der Beschäftigten nach Altersteilzeit das Angebot des Betriebes übersteigt, wird die Auswahl nach einem „Rangreihenverfahren“ von einem paritätisch besetzten Ausschuss vorgenommen: „Erklären sich in einem Jahr mehr Belegschaftsmitglieder zur Inanspruchnahme der Altersteilzeit bereit, als Plätze zur Verfügung stehen, erfolgt die Auswahl der Belegschaftsmitglieder nach einem Rangreihenverfahren. Kriterien sind Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Einsatzmöglichkeiten. Schwerbehinderte und Schichtarbeiter werden vorrangig berücksichtigt.“ (Betriebsvereinbarung). Das Unternehmen hat sich verpflichtet, die „Belegschaftsmitglieder“ nicht nur allgemein über das betriebliche Altersteilzeit-Modell zu informieren, sondern darüber hinaus das einzelne Mitglied auch individuell zu beraten: „Der Arbeitgeber berät das Belegschaftsmitglied individuell vor einer Vereinbarung der Altersteilzeit über die sozialrechtlichen Auswirkungen der Altersteilzeitvereinbarung sowie über die Höhe des Einkommens zu Beginn der Altersteilzeit. Diese Berechnung erfolgt als Beispiel auf Basis der letzten 12 abgerechneten Monate und wird dem Belegschaftsmitglied durch den Arbeitgeber vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung schriftlich ausgehändigt.“ (Betriebsvereinbarung) Die Frage der Wiederbesetzung wird von den Betriebsvertragsparteien im Rahmen der Personalplanung entschieden: „Für jedes Kalenderjahr beraten der Arbeitgeber und der Betriebsrat oder ein von ihm beauftragter Ausschuss darüber, ob und wie die Wiederbesetzung im übrigen sichergestellt werden kann. Durch Altersteilzeit freiwerdende Arbeitsplätze werden vorrangig durch übernommene Auszubildende wiederbesetzt. Auszubildende, die auf einem Arbeitsplatz eingesetzt werden, der durch Altersteilzeit frei geworden ist, werden unbefristet übernommen. Die Nachbesetzung erfolgt nur dann, wenn der Arbeitgeber durch das Arbeitsamt die gesetzliche Teilerstattung der Aufwendungen erhält, die durch das über Altersteilzeit ausscheidende Belegschaftsmitglied entstehen.“ (Betriebsvereinbarung) Die Betriebsvereinbarung (Okt. 2000) gibt das Blockmodell als Regelmodell vor und orientiert die maximale Dauer der Altersteilzeit an der Förderhöchstdauer (6 Jahre gemäß 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit sowie 6 Jahre gemäß Tarifvertrag der Stahlindustrie – Jahr 2000): „Die Altersteilzeit wird in der Regel als Blockmodell mit gleichdauernder Arbeits- und Freistellungsphase vereinbart. Sie dauert 69 Arbeitnehmerkammer Bremen mindestens 2 Jahre, maximal 6 Jahre. Die Dauer von 2 Jahren kann unterschritten werden, soweit das Belegschaftsmitglied keine Altersrente nach Altersteilzeit (...) in Anspruch nehmen will. Soll die Altersteilzeit über die Dauer von 6 Jahren im Einzelfall ausgedehnt werden, reduzieren sich die Leistungen des Arbeitgebers insoweit, dass die Altersteilzeit je Fall nicht teurer wird, als in vergleichbaren Fällen mit einer maximalen Laufzeit von 6 Jahren.“ (Betriebsvereinbarung) Aufstockung der ATZ-Leistungen Gemäß Tarifvertrag wird in der Betriebsvereinbarung gleichfalls das ATZ-Arbeitsentgelt auf 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens aufgestockt. In der Betriebsvereinbarung ist sogar der mögliche Fall geregelt, dass ein Beschäftigter durch kurzfristigen Wechsel seiner Lohnsteuerklasse vor dem Wechsel in Altersteilzeit sein tariflich garantiertes Nettoeinkommen nachhaltig erhöht: „ Das regelmäßige Arbeitsentgelt ohne Sonderzahlungen und ohne Mehrarbeit setzt sich während der Altersteilzeit zusammen aus: (1) dem steuerpflichtigen Altersteilzeitentgelt für die verkürzte Arbeitszeit, d. h. die Hälfte der bei Vollzeitarbeit anfallenden steuerpflichtigen Vergütungsbestandteile inklusive der Hälfte der steuerpflichtigen Zuschläge, (2) einem Aufstockungsbetrag nach Maßgabe (...) des Altersteilzeitgesetzes auf das Altersteilzeitentgelt. Der tarifliche Aufstockungsbetrag ist (...) so zu bemessen, dass das monatliche Nettoentgelt 85 % des fiktiven Vollzeitnettoentgelts, ohne Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts, beträgt. Die Berechnung des Nettobetrages erfolgt anhand der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Merkmale Steuerklasse und Familienstand. Ein Wechsel der Lohnsteuerklasse – auch kurz vor Eintritt in Altersteilzeit – kann nur bei ausreichendem sachlichen Grund berücksichtigt werden (Missbrauchskontrolle).“ (Betriebsvereinbarung) Die Jahresabschlusszahlung wird den Beschäftigten in Altersteilzeit durchgängig auf immerhin 60 Prozent des vorgängigen Weihnachtsgeldes aufgestockt und in der Regel mit dem monatlichen Altersteilzeit-Nettoentgelt ausgezahlt: „Die Jahresabschlusszahlung wird durchgängig in Höhe von 50 % der Vollzeit-Jahresabschlusszahlung gezahlt. Zusätzlich wird ein Aufstockungsbetrag von 20 % der hälftigen Jahresabschlusszahlung gezahlt, dieser ist jedoch auf die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt. Die Zahlungsweise ist in der Regel ratierlich.“ (Betriebsvereinbarung) Gemäß Tarifvertrag wird in der Betriebsvereinbarung die Aufstockung des Rentenversicherungsbeitrages auf 95 Prozent geregelt: „Der Arbeitgeber wird für die Belegschaftsmitglieder in Altersteilzeit zusätzlich Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gemäß Altersteilzeitgesetz entrichten. Die Rentenversicherungsbeiträge werden auf 95 % des Vollzeitbruttomonatsentgelts (max. bis zur Beitragsbemessungsgrenze) einschließlich der Jahresabschlusszahlung aufgestockt.“ 70 Arbeitnehmerkammer Bremen Betriebsrente und Abfindungen Bei der Berechnung der Betriebsrente werden die Altersteilzeit-Beschäftigten den Vollzeit-Beschäftigten vollständig gleichgestellt, so dass die Betriebsrente aufgrund des Wechsels in Altersteilzeit nicht vermindert wird: „Für die Berechnung der Werksrente eines Belegschaftsmitglieds, das sich in Altersteilzeit befindet, wird das rentenfähige Einkommen ermittelt, als wenn er/sie weiterhin in Vollzeit beschäftigt wäre. Für die Berechnung des rentenfähigen Einkommens wird das fiktive Vollzeitbruttoentgelt der letzten 12 Monate vor Altersteilzeitbeginn zugrunde gelegt. Das fiktive Vollzeitbruttoentgelt nimmt an den Tariferhöhungen teil. Der vorzeitige Bezug der betrieblichen Altersversorgung führt nicht zu versicherungsmathematischen Abschlägen. Für die Berechnung der Werksrente wird die ungekürzte gesetzliche Vollrente zugrunde gelegt.“ (Betriebsvereinbarung) Der Teilausgleich für die Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand wird den Beschäftigten gemäß Tarifvertrag für maximal 48 Monate gewährt: „Endet das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Belegschaftsmitglieds, erhält dieser für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung errechnet sich aus einem monatlichen Abfindungsbetrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate – maximal 48 – multipliziert wird, die zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem das Belegschaftsmitglied Anspruch auf eine ungeminderte Rente gehabt hätte, liegen.“ (Betriebsvereinbarung) Die im Schichtdienst beschäftigten Belegschaftsmitglieder erhalten gemäß jeweiligem Schichtplan die Abfindung, wenn sie innerhalb der letzten 5 Jahre vor Antragstellung mindestens 3 Jahre nach Schichtplan eingesetzt waren: 750 DM pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs für Beschäftigte mit kontinuierlicher Wechselschicht, 550 DM pro Monat für Beschäftigte in Wechselschicht mit regelmäßigen Nachtschichten. Alle anderen Beschäftigten erhalten als Abfindung 450 DM pro Monat des vorzeitigen Rentenbezuges. Die in der Betriebsvereinbarung geregelten Abfindungsbeträge entsprechen denen des Tarifvertrages – gleichfalls gemäß Tarifvertrag wird in der Betriebsvereinbarung geregelt, dass die Abfindungsbeträge ab 1.1.2002 jährlich um ein Prozent erhöht werden. Demnach beträgt die höchste Abfindung im Jahr 2002 immerhin 387 Euro, die mittlere 284 Euro und die niedrigste Abfindung 232 Euro/ Monat des vorzeitigen Rentenbezugs (maximal 48 Monate). Ein Beschäftigter der Stahlwerke, der im Jahre 2001 mit vollendetem 61. Lebensjahr nach der Altersteilzeit-Phase in den vorzeitigen Ruhestand wechselte, konnte gemäß jeweiligem Schichtplan für vier Jahre (bis zum vollendeten 65. Lebensjahr) die folgenden Höchstsummen von Abfindungen erhalten: 36.000 DM (kontinuierliche Wechselschicht), 26.400 DM (Wechselschicht mit regelmäßigen Nachtschichten) sowie 21.600 DM (alle anderen Beschäftigten). Diese Beschäftigten hätten „ohne Vertrauensschutz“ eine dauerhafte Verminderung ihrer gesetzlichen Rente um 14,4 % hinzunehmen. Zumindest für die Phase des vorzeitigen Rentenbezuges (maximal 48 Monate) bilden diese Abfindungen eine Kompensation für die Rentenabschläge. 71 Arbeitnehmerkammer Bremen Bezüglich der Auszahlung der Abfindung wird den „Belegschaftsmitgliedern“ die folgende Wahlmöglichkeit eingeräumt: „Die Abfindung wird bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fällig. Das Belegschaftsmitglied hat wahlweise die Möglichkeit, sich die Abfindungssumme ratierlich über 14 Jahre auszahlen zu lassen. Der Betrag wird mit einem Zinssatz von 5 % p.a. verzinst.“ (Betriebsvereinbarung) Dabei sind die Betriebsvertragsparteien von Durchschnittswerten ausgegangen: Ein „Stahlwerker“, der mit 60 Lebensjahren nach der Altersteilzeit-Phase (Blockmodell: 55 – 57 ½ - 60) in den vorgezogenen Ruhestand geht, würde gemäß durchschnittlicher Lebenserwartung (74 Lebensjahre) 14 Jahre lang sich die Abfindung in monatlichen Raten auszahlen lassen. Demnach werden die Beschäftigten angehalten, sich Gedanken über ihre eigene Lebenserwartung zu machen, ein ökonomisches Kalkül in Antizipation ihrer individuellen „Rentenlaufzeit“ und ihrem individuellen „Sterblichkeitsrisiko“ anzustellen: „Wenn ich nur 70 werde, verliere ich 4 Jahre bei der monatlichen Auszahlung, dann kann ich doch gleich die ganze Abfindung nehmen und selber irgendwo mit 5 Prozent anlegen.“ Inanspruchnahme der Altersteilzeit Die hohe Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist auf dem Hintergrund der Beschäftigtenstruktur sowie der belastenden Arbeitsbedingungen im Schichtsystem der Stahlwerke zu verstehen. Zum Zeitpunkt unserer Erhebung (Ende 2001) waren im Werk Bremen 4570 Mitarbeiter beschäftigt: 1440 Angestellte (31,5 %), darunter 1000 tarifliche Angestellte, 400 außertarifliche und 40 leitende Angestellte, sowie 3130 Lohnempfänger (68,5%). Im Produktionsbereich befindet sich etwa die Hälfte der Beschäftigten im Schichtsystem. Die Altersstruktur der Beschäftigten ist auf dem Hintergrund der belastenden Schichtarbeit sowie des früheren Personalabbaus über Vorruhestandsregelungen (55 Jahre) und Sozialpläne (ungekürzte Rente mit 60 Jahren) zu verstehen: Die Hälfte aller Beschäftigten der Stahlwerke Bremen ist bis zu 40 Jahren alt (15 %: bis zu 30 Jahren, 36 % von 31 bis zu 40 Jahren); 26 % aller Beschäftigten befinden sich im Alter von 41 bis zu 50 Jahren, 22 % im Alter von 51 bis zu 60 Jahren (1% über 60 Jahre). Im Vergleich zu den alternden Belegschaften in anderen Wirtschaftsbereichen handelt es sich demnach um eine „junge“ Belegschaft: Das Durchschnittsalter beträgt 41 Jahre (Gewerbliche: 40,5 Jahre, Angestellte 42,5 Jahre). Die betriebliche Altersgrenze von 60 Jahren ist vollständig etabliert. 72 Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 5: Altersstruktur der Belegschaft (Jahr 2002)* Gewerbliche (3167) % Angestellte (1461) % unter 31 18,4 7,2 15 31 – 40 34,6 39,8 36 41 – 50 25,1 28,6 26 51 – 60 21,1 22,9 22 über 60 0,8 1,5 1 100,0 100,0 100 Altersgruppe Belegschaft insgesamt (4628) % *Quelle: Personal- und Sozialbericht 2002 der Stahlwerke Bremen (Anhang: abs. Zahlen) Im Alter von mehr als 50 Jahren befinden sich bei den Arbeitern ca. 22 Prozent, bei den Angestellten ca. 24 Prozent. Auf die Beschäftigten im Alter von über 50 Jahren bezogen: 10 Prozent aller Beschäftigten befinden sich noch in einem Lebensalter, in dem sie zur Zeit noch nicht in Altersteilzeit wechseln können, 13 Prozent aller Beschäftigten gehören bereits zum Kreis der Anspruchsberechtigten (55 Jahre als Mindestalter). Die Altersteilzeit wurde seit ihrer Einführung im Werk Bremen (1.10.1998) bisher bereits von 320 Mitarbeitern in Anspruch genommen (Jahr 2001): 80 von ihnen befinden sich bereits in Rente, 240 befinden sich aktuell in einem AltersteilzeitArbeitsverhältnis (davon etwa die Hälfte bereits in der Freistellungsphase), weitere 130 Mitarbeiter sind zur Zeit am Abschluss eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses interessiert (Aussage der Personalabteilung auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer im Mai 2002). Etwa 40 bis 50 Prozent der Anspruchsberechtigten haben bisher von der Altersteilzeit Gebrauch gemacht. Dabei befinden sich – wie zu erwarten – die älteren häufiger als die jüngeren Jahrgänge unter den Anspruchsberechtigten in Altersteilzeit. (Eine statistische Auswertung der Inanspruchnahme der Altersteilzeit nach Geburtsjahrgängen liegt uns leider nicht vor.) Diese Form der „Frühverrentung“ über das Instrument der Altersteilzeit – mehr oder minder ausschließlich in Form des Blockmodells – findet demnach eine hohe Resonanz unter den „Stahlwerkern“. Die im Personal- und Sozialbericht 2002 der Stahlwerke Bremen genannten Zahlen (31.12.2001) weichen etwas von den auf dem Workshop genannten Zahlen ab: Demnach befanden sich rund 230 Mitarbeiter aktuell in einem AltersteilzeitArbeitsverhältnis (nicht ganz die Hälfte bereits in der Freistellungsphase), 70 Mitarbeiter hatten bereits für die Zukunft Altersteilzeit-Verträge abgeschlossen. Die Alters73 Arbeitnehmerkammer Bremen teilzeitquote (Gesamtbelegschaft) beträgt im Jahr 2001 fünf Prozent (aktuell in Altersteilzeit: Arbeits- und Freistellungsphase), also ohne Berücksichtigung der bereits ausgelaufenen und der für die Zukunft abgeschlossenen Altersteilzeit-Verträge. Der Anspruch auf Altersteilzeit kann gemäß Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden, wenn vier Prozent der Gesamtbelegschaft sich aktuell in Altersteilzeit befinden bzw. einen Altersteilzeit-Vertrag abgeschlossen haben. Gemäß dieser Bestimmung beträgt die Altersteilzeitquote sogar 6,5 Prozent (Jahr 2001). Das Unternehmen kann durch „freie Entscheidung“ die 4-Prozent-Quote überschreiten. Im Jahre 2002 fällt diese Altersteilzeitquote mit 4,7 Prozent etwas niedriger aus als im Jahre 2001. Von der Personalabteilung wird eine Altersteilzeitquote von fünf Prozent als „maximale Zielgröße“ bezeichnet. Verteilzeitraum der Altersteilzeit Nach der Einführung der Altersteilzeit (1.10.98) haben die älteren „Stahlwerker“, um mit 60 Jahren die Altersrente nach Altersteilzeit zu beziehen, lediglich die Mindestdauer von zwei Jahren Altersteilzeit in Anspruch genommen (gemäß Blockmodell: Beginn mit 58 Lebensjahren, ein Jahr Arbeitsphase, ein Jahr Freistellungsphase, Beginn des Rentenbezugs mit 60 Lebensjahren). Diese älteren „Stahlwerker“ konnten zudem häufig noch die Vertrauensschutzregelung in Anspruch nehmen: Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1942, die mindestens 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung vorweisen konnten, waren von der Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit nicht betroffen. Nachdem die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit „ohne Vertrauensschutz“ für die Geburtsjahrgänge 1937 – 1941 bereits abgeschlossen ist, haben die Versicherten ab Geburtsjahrgang 1942 bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Altersrente gegenwärtig eine dauerhafte Rentenminderung um 18 Prozent hinzunehmen. Aufgrund dieser erheblichen Rentenabschläge haben die „Stahlwerker“, die zur Zeit sich in einem Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis befinden, eine längere Laufzeit des Altersteilzeit-Vertrages gewählt, um mit einem späteren Rentenbeginn das Ausmaß der Rentenabschläge in noch vertretbaren Grenzen zu halten. Die Mehrheit der Altersteilzeit-Beschäftigten beginnt gemäß Blockmodell mit 58 Lebensjahren die Altersteilzeit-Phase (Laufzeit: 4 oder 5 Jahre) und bezieht dann mit 62 oder 63 Lebensjahren die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Der tatsächliche (nicht: rechtliche) Abschied vom Arbeitsleben erfolgt dann mit 60 oder 60 ½ Jahren (Freistellungsphase). Bei einer Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses von fünf Jahren hätten diese „Stahlwerker“, die mit 58 Lebensjahren die Altersteilzeit-Phase beginnen, mit 63 Lebensjahren einen dauerhaften Rentenabschlag von 7,2 Prozent hinzunehmen. Die Abfindung würde für die Beschäftigten in kontinuierlicher Wechselschicht 18.000 DM betragen (24 Monate x 750 DM/Monat), für die Beschäftigten in Wechselschicht mit regelmäßigen Nachtschichten 13.200 DM (24 Monate x 550 DM/Monat), für die 74 Arbeitnehmerkammer Bremen anderen Beschäftigten noch 10.800 DM (24 Monate x 450 DM). Die Rentenabschläge werden durch die Betriebsrente, die vom Unternehmen ungeschmälert bei vorzeitigem Rentenbeginn ausgezahlt wird, teilweise ausgeglichen. Im Durchschnitt beträgt die Betriebsrente gegenwärtig 120 Euro/Monat. Abbildung 4: Blockmodell/Rentenanspruch/Abfindung 58 ALTERSTEILZEIT 60 Arbeitsphase RENTENANSPRUCH 62 Freizeitphase 65 10,8 % Abschlag / 36 Monate tarifliche Abfindung Vollkonti-Schicht 36 x 750 = 27.000 DM Teilkonti-Schicht 36 x 550 = 19.800 DM Tagesschicht 36 x 450 = 16.200 DM 58 ALTERSTEILZEIT 60 ½ Arbeitsphase 63 Freizeitphase RENTENANSPRUCH 65 7,2 % Abschlag / 24 Monate tarifliche Abfindung Vollkonti-Schicht 24 x 750 = 18.000 DM Teilkonti-Schicht 24 x 550 = 13.200 DM Tagesschicht 24 x 450 = 10.800 DM Die in der Abbildung genannten Beträge für die Abfindung (DM/Monat) beziehen sich auf den Tarifvertrag (Juni 2000). Die Abfindungsbeträge werden ab 1.1.2002 jährlich um ein Prozent erhöht (siehe die Euro-Beträge für das Jahr 2002 im Text). Vom Personalumbau zum Personalabbau Bei Wiederbesetzung des mit Beginn der Freistellungsphase durch Altersteilzeit frei gemachten Arbeitsplatzes entstehen dem Betrieb bei einer vier- bis fünfjährigen Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsvertrages Zusatzkosten von ca. 20.000 Euro. Ohne Wiederbesetzung entstehen dem Betrieb immerhin Zusatzkosten von ca. 40.000 Euro (bei gleicher Laufzeit). Bis zum Jahr 2002 haben die Stahlwerke Bremen keinen Personalabbau über das Instrument Altersteilzeit vorgenommen. Für die ausscheidenden „Altersteilzeiter“ wurden bisher Arbeitslose eingestellt und Auszubildende nach Abschluss ihrer Ausbildung übernommen. 75 Arbeitnehmerkammer Bremen Im Jahre 2001 wurden ca. 50 vom Betrieb Ausgebildete unbefristet übernommen. Der Tarifvertrag garantiert nach Abschluss der Ausbildung eine auf 12 Monate befristete Beschäftigung. Für die neu eingestellten Arbeitskräfte gelten die gleichen Entgeltbestimmungen wie bei den bisherigen Beschäftigten. Gleichwohl fallen die Personalkosten für den Betrieb niedriger aus, weil z. B. ein Facharbeiter nach der Ausbildung mit der Lohngruppe 7 (Ecklohn) beginnt, der nach Altersteilzeit ausscheidende Facharbeiter sich aber bereits in der Lohngruppe 10 befindet. Die bisherige Praxis von Altersteilzeit in den Stahlwerken Bremen entspricht beschäftigungspolitisch vollständig der Intention des Gesetzgebers: Wiederbesetzung von durch Altersteilzeit frei werdenden Arbeitsplätzen durch Arbeitslose bzw. Ausgebildete. Gleichzeitig wird damit ein allmählicher Austausch von älteren durch jüngere Beschäftigte personalpolitisch gesteuert, insbesondere durch die Übernahme von im Betrieb ausgebildeten Arbeitskräften. Im September 2002 hat der Vorstand der Stahlwerke Bremen beschlossen, bis Anfang 2005 die Belegschaft von derzeit ca. 4800 auf ca. 3100 Beschäftigte zu „schrumpfen“, also 1700 Stellen abzubauen, um den Betrieb wieder profitabel zu machen. Die Schere zwischen steigenden Personal- und Sachkosten und fallenden Verkaufspreisen klafft zunehmend auseinander. Die neue Arcelor-Strategie lautet: „Preis vor Menge“. Der Personalabbau soll sozialverträglich über Altersteilzeitverträge und Abfindungen erfolgen. Nach langen Verhandlungen haben sich Vorstand und Betriebsrat der Stahlwerke Bremen auf ein Bündel von Maßnahmen geeinigt (Dez. 2002), um den geplanten Personalabbau „sozial abfedern“ zu können. Die Streichung von 1700 Stellen bildet den zentralen Ansatzpunkt eines umfassenden Sanierungsprogramms, mit dem das Unternehmen wieder in die Gewinnzone gebracht und der Standort langfristig abgesichert werden soll. Es sollen sowohl Personal- als auch Sachkosten eingespart werden. Die neue Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit (1.12.2002) tritt ab 1.9.2002 in Kraft, sie kann erstmalig zum 31.12.2005 gekündigt werden. Die Altersteilzeit wird i. d. R. als Blockmodell mit gleicher Dauer von Arbeits- und Freistellungsphase vereinbart (minimal 2 Jahre, maximal 6 Jahre). In der Zusatzvereinbarung zur bisherigen Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit wird in der Präambel die neue Zielsetzung der Betriebsvertragsparteien – Altersteilzeit als Instrument zum Personalabbau – eindeutig formuliert: „Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass die Altersteilzeit ein wesentliches Instrument zum Personalabbau sein wird, mit dem der Beschluss des Aufsichtsrates vom 19.09.2002 umgesetzt werden kann. Damit der Personalabbau zügig und möglichst sozialverträglich vollzogen werden kann, sollen die Belegschaftsmitglieder in der Regel ihre Altersteilzeit mit 60 Jahren beenden und in Rente gehen. Zum Ausgleich von damit verbundenen Rentenverlusten erhalten sie Abfindungen. Die Zusatzvereinbarung zielt auf einen frühest möglichen Rentenbeginn ab.“ 76 Arbeitnehmerkammer Bremen Aus Sicht des Betriebsrates muss keinem einzigen Beschäftigten betriebsbedingt gekündigt werden. Durch die Umsetzung der Altersteilzeit werden in den nächsten vier Jahren allein 736 Beschäftigte aus dem Betrieb ausscheiden (diese Stellen werden nicht wieder besetzt werden). Das Angebot gilt für alle Mitarbeiter der Jahrgänge 1940 – 1948. (Die Angehörigen des Jahrgangs 1948 werden im Laufe dieses Jahres 55 Jahre alt.) Bisher (Mai 2003) haben bereits ca. 600 Stahlwerker dieses Angebot angenommen (Altersteilzeit/Personalabbau). Ende 2002 wurde die Belegschaft über Einzelheiten der neuen Altersteilzeit-Regelung informiert (vgl. Weser-Kurier: „Die Älteren sollen alle gehen“, 7. Nov. 2002). Danach sollen alle 55-jährigen Stahlwerker bereits in Altersteilzeit gehen. Nach 2 ½ Jahren Arbeitsphase und 2 ½ Jahren Freistellungsphase sollen diese Stahlwerker bereits mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen. Die Beschäftigten, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand gehen, bekommen bis zur Vollendung ihres 74. Lebensjahres (durchschnittliche Lebenserwartung von Männern) eine Zusatzrente von 185 Euro/Monat, um die Abschläge bei der gesetzlichen Rente (18 %) weitgehend auszugleichen. Alternativ können sich die Beschäftigten auch die Abfindung von 22.500 Euro auf einmal auszahlen lassen (bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Diese Abfindungssummen wurden einheitlich für alle Lohn- und Gehaltsgruppen ausgehandelt. Damit profitieren die Bezieher niedriger Renten mehr von dieser Regelung als die Bezieher hoher Renten (185 Euro/Monat als relativer Anteil am gesamten Renteneinkommen betrachtet). Im Rahmen eines Sozialplanes sind die Beschäftigten aufgefordert, das AltersteilzeitAngebot anzunehmen. Der Betriebsrat appelliert an die älteren Kollegen, das Altersteilzeit-Angebot für den anstehenden Personalabbau – im Sinne eines betrieblichen Generationenvertrages – freiwillig mitzutragen: „Die Älteren müssen gehen, um die Arbeitsplätze der Jüngeren für die Zukunft zu sichern!“ Weitere Informationen Stahlwerke Bremen Auf den Delben 35 28237 Bremen Personalabteilung Herr Pfeifer Tel.: 0421 / 648 29 26 Betriebsrat Herr Ravens Tel.: 0421 / 648 26 85 77 Arbeitnehmerkammer Bremen Airbus Deutschland GmbH Altersteilzeit als Mittel des Personalaustausches: „Jung gegen Alt“ In der Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung werden von den Betriebsvertragsparteien als Ziele der Altersteilzeit formuliert: „Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat setzen mit dieser Unternehmensregelung zur Altersteilzeit einen zeitgemäßen Weg für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fort, in den vorzeitigen Ruhestand einzutreten. Darüber hinaus bietet dieses Instrument Chancen, die Alters- und Qualifikationsstruktur auf die heutigen Anforderungen einzustellen, die Auszubildenden in feste Dauerarbeitsverhältnisse zu übernehmen und die Entwicklungs- und Aufstiegschancen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern bzw. zu eröffnen.“ Rechtsgrundlagen Die EADS Airbus GmbH und der Gesamtbetriebsrat der EADS Airbus GmbH haben auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen des Altersteilzeitgesetzes (Jahr 2000) und des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 12.07.2000 die zuvor bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit geändert (in Kraft seit 1.10.2000). Der Tarifvertrag über Altersteilzeit wurde zwischen der IG Metall, Bezirksleitung Hamburg, und den Arbeitgeberverbänden „Nordmetall“ (Hamburg), „Metall Unterweser“ (Bremen) sowie „Nord-West-Metall“ (Wilhelmshaven) vereinbart (12. Juli 2000). Dieser Tarifvertrag trat mit Wirkung vom 1. Mai 2000 in Kraft (kündbar erstmals zum 30. April 2003). Die neue Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000) kann frühestens zum 31. Juli 2004 gekündigt werden. Regelung der Altersteilzeit Altersteilzeit wird den Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, vom Unternehmen angeboten. Gemäß dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft seit 1. Jan. 2000) wird in der Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000) der Kreis der Anspruchsberechtigten von den Vollzeit- auf die Teilzeitbeschäftigten erweitert: Vor Beginn der Altersteilzeit müssen die Beschäftigten innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren mindestens 1080 Kalendertage eine „versicherungspflichtige Beschäftigung“ ausgeübt haben. Als Form der Altersteilzeit wird in der Gesamtbetriebsvereinbarung ausschließlich das Blockmodell vorgegeben: „Die Vereinbarung regelt das Blockmodell der Altersteilzeit. Im Blockmodell wird die während der vereinbarten Dauer der Altersteilzeit zu leistende Arbeitszeit vollständig im ersten Abschnitt geleistet (Arbeitsphase), und im zweiten Abschnitt wird die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses vollständig von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase). Mit der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter wird ein Altersteilzeit78 Arbeitnehmerkammer Bremen Arbeitsvertrag geschlossen.“ Eine von der Verblockung abweichende Ausnahme (Teilzeitmodell) wird allenfalls im Einzelfall genehmigt. Gemäß der gesetzlichen Regelung (Überforderungsschutzklausel) soll der Anteil der in Altersteilzeit Beschäftigten auf maximal fünf Prozent der Belegschaft des jeweiligen Betriebes (Standortes) begrenzt werden. Innerhalb des Betriebes (Standortes) soll zudem die Beteiligung der Beschäftigten an Altersteilzeit „möglichst ausgewogen auf die Bereiche verteilt werden“. Zeichnet sich ab, dass die Inanspruchnahme von Altersteilzeit die Quote von fünf Prozent überschreiten wird, sind die Betriebsvertragsparteien des jeweiligen Betriebes dazu verpflichtet, über Auswahlkriterien zu verhandeln. Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit sollen „betriebliche und soziale Belange“ gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Beschäftigten haben keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages. Abgelehnte Altersteilzeitanträge sollen auf Wunsch des/r Beschäftigten gemeinsam zwischen Betriebsrat, Personalleitung und Fachbereich mit dem Ziel einer „einvernehmlichen Lösung“ behandelt werden. Die Phase der Altersteilzeit darf gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung „in der Gesamtdauer von Arbeitsphase und Freistellungsphase einen Zeitraum von zwei Jahren nicht unter- und von fünf Jahren nicht überschreiten“. Die Mindestdauer von zwei Jahren ergibt sich daraus, dass eine Altersrente wegen Altersteilzeit ab dem 60. Lebensjahr mindestens 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit voraussetzt. Obwohl zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung die Förderhöchstdauer der Altersteilzeit vom Gesetzgeber bereits von 5 auf 6 Jahre erhöht worden war (in Kraft seit 1. Juli 2000), haben die Betriebsvertragsparteien in ihrer Gesamtbetriebsvereinbarung (in Kraft seit 1. Okt. 2000) gleichwohl an der vorgängigen Begrenzung der Höchstdauer von 5 Jahren für die Laufzeit eines Altersteilzeit-Arbeitsvertrages festgehalten. (Demgegenüber sieht der zuständige Tarifvertrag (Juli 2000) eine Höchstdauer von 6 Jahren für ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis vor.) Offenbar wird das Lebensalter von 60 Jahren von den Betriebsvertragsparteien als betriebliche Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem Berufsleben definiert: Die Altersteilzeit beginnt frühestens mit Vollendung des 55. Lebensjahres und darf den Zeitraum von 5 Jahren nicht überschreiten, so dass spätestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres der vorzeitige Übergang in den Ruhestand ansteht. Die Betriebsvertragsparteien gehen davon aus, „dass nach Ende der Altersteilzeit das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter das gesetzliche Altersruhegeld nach Altersteilzeit in Anspruch nimmt.“ „Sollte in Ausnahmefällen die Altersteilzeit über das 60. Lebensjahr hinaus andauern, gelten folgende maximale Laufzeiten: • • • Mit Vollendung des 56. Lebensjahres bis zur Vollendung des 61. Lebensjahres Mit Vollendung des 57. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres Mit Vollendung des 58. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres 79 Arbeitnehmerkammer Bremen • • Mit Vollendung des 59. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres Mit Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres“ Bei einer fünfjährigen Laufzeit eines Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses wird also das Blockmodell „55 – 57 ½ – 60“ angestrebt; bis zum vollendeten 58. Lebensjahr wird noch eine fünfjährige Laufzeit (bis zum vollendeten 63. Lebensjahr) ermöglicht, während mit vollendetem 59. bzw. 60. Lebensjahr nur noch eine drei- bzw. zweijährige Laufzeit des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses bis zum vollendeten 62. Lebensjahr toleriert wird. Allerdings sollte nach Aussage der Betriebsvertragsparteien die Altersteilzeit nur in Ausnahmefällen über das 60. Lebensjahr hinaus andauern. Diese Definition der betrieblichen Altersgrenze entspricht der Sichtweise der meisten Angestellten, welche in ihrer Lebensplanung gleichfalls die „magische Zahl“ 60 als Zeitpunkt für ihren Übergang in den Ruhestand zugrunde legen. Aufstockung der Altersteilzeit-Leistungen Die Höhe des Altersteilzeit-Entgeltes beträgt die Hälfte des bisherigen Bruttomonatsentgeltes. Bei der Berechnung des Bruttomonatsentgeltes werden gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung (wie auch gemäß Tarifvertrag) das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht berücksichtigt: „Zur Bemessungsbasis zählen nicht tarifliches Urlaubsgeld, tarifliche Sonderzahlung, AT-Jahressondervergütung, Überstundenvergütung und Pauschalvergütung von Mehrarbeit, Vermögenswirksame Leistungen gemäß Tarifvertrag, Jubiläumsgeld und andere einmalige geldliche Zuwendungen, wohl aber regelmäßige Zulagen, die bei der Berechnung des tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes berücksichtigt werden.“ Der Aufstockungsbetrag soll gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung so bemessen werden, „dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter mindestens 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die gewöhnlich anfallen, verminderten Bruttomonatsentgelts erhält“. Während der zuständige Tarifvertrag über Altersteilzeit ein monatliches Nettoentgelt von mindestens 82 Prozent vorsieht, ist also mit der Gesamtbetriebsvereinbarung das monatliche Nettoentgelt noch etwas – auf mindestens 85 Prozent – verbessert worden. Auch bei der Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes werden gegenüber den Bestimmungen des Tarifvertrages über Altersteilzeit die Airbus-Beschäftigten in Altersteilzeit nach Aussage des Betriebsrates bessergestellt: Während der Arbeitsphase erhalten sie – auf Basis ihres Altersteilzeit-Bruttomonatsentgeltes – 85 Prozent des Weihnachtsgeldes sowie 85 Prozent des Urlaubsgeldes (also von 50 Prozent jeweils 85 Prozent), während der Freistellungsphase erhalten sie noch 60 Prozent des Weihnachtsgeldes auf Basis ihres Altersteilzeit-Bruttomonatsentgeltes. Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden vom Unternehmen – entsprechend zur Regelung des Tarifvertrages – während der Dauer der Altersteilzeit auf insgesamt 95 Prozent des bisherigen Bruttomonatsentgeltes aufgestockt (das Altersteilzeitgesetz sieht 90 % vor). Die Bestimmung des Tarifvertrages, dass bei 80 Arbeitnehmerkammer Bremen vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrente kein Ausgleich von Rentenabschlägen stattfindet, ist von den Betriebsvertragsparteien in die Gesamtbetriebsvereinbarung übernommen worden. Bereits im Tarifvertrag über Altersteilzeit ist für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses – auf Wunsch des Arbeitgebers – die Zahlung einer Abfindung vereinbart worden: „Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63. Lebensjahres des Beschäftigten, erhält dieser für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung (...) nach folgender Regelung: Die Abfindung beträgt bei einem Ausscheiden mit 60 Jahren das 3fache des bisherigen Bruttomonatsentgeltes. Sie vermindert sich für jeden vollen Monat des Ausscheidens nach dem vollendeten 60. Lebensjahr um 1/36.“ (Tarifvertrag) Diese Abfindungsregelung ist von den Betriebsvertragsparteien des Unternehmens noch verbessert worden: „Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters, erhält diese/dieser für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung beträgt bei einem Ausscheiden mit 60 Jahren das Vierfache des Bruttomonatsentgeltes. Sie vermindert sich für jeden vollen Monat des Ausscheidens nach dem vollendeten 60. Lebensjahr um 1/36.“ (Gesamtbetriebsvereinbarung) Auch hinter dieser betrieblichen Abfindungsregelung steht offenbar – wie schon bei der Bestimmung von über das 60. Lebensjahr hinausgehenden AltersteilzeitArbeitsverhältnissen als „Ausnahmefälle“ – die Vorstellung der Betriebsvertragsparteien, dass die Beschäftigten spätestens mit vollendetem 60. Lebensjahr aus dem Betrieb ausscheiden sollten (oder zumindest in diesem Alter mit der Freistellungsphase beginnen). Die Gesamtbetriebsvereinbarung von Airbus stützt sich – mit einigen betrieblichen Verbesserungen – weitgehend auf den Tarifvertrag über Altersteilzeit, so dass die Abfindungsregelung von Airbus beim Ausscheiden des „Altersteilzeiters“ mit vollendetem 60. Lebensjahr (das Vierfache des Bruttomonatsentgeltes) eine gewisse „Entschädigung“ für die Rentenabschläge (18 Prozent mit 60 Jahren) darstellt. (Auf den Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke, der gleichfalls im Jahre 2000 von der IG Metall abgeschlossen worden ist, der eine andere Abfindungsregelung als der Tarifvertrag Altersteilzeit vorsieht, wurde von Seiten des Betriebsrates nicht verwiesen.) Diese Abfindung – um ein Beispiel zu geben – gleicht keineswegs die erhebliche Rentenminderung (18 Prozent mit 60 Jahren) aus: Bei einem durchschnittlichen Bruttogehalt von 5000 DM/Monat würde die Abfindung insgesamt 20.000 DM betragen. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung eines männlichen Beschäftigten (75 Jahre) würde mit dem Ausscheiden des „Altersteilzeiters“ mit vollendetem 60. Lebensjahr (15 Jahre = 180 Monate) sich eine monatliche Aufstockung der Rente auf Basis der Abfindung um 111,11 DM ergeben. 81 Arbeitnehmerkammer Bremen Ins Gewicht fällt demgegenüber die von den Betriebsexperten als „komfortabel“ eingestufte Betriebsrente: Etwa 12 Prozent des Einkommens könnten im Durchschnitt als Betriebsrente kalkuliert werden. Der Berechnung der Betriebsrente liegt sowohl die Dauer der Betriebszugehörigkeit als auch die Höhe des Einkommens zugrunde. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Ein Beschäftigter in der Lohngruppe 11, also der höchsten Lohngruppe im Arbeiterbereich, mit einer 25-jährigen Betriebszugehörigkeit, würde eine Betriebsrente von 400 Mark bzw. 200 Euro erhalten. Bei der Berechnung der Betriebsrente werden die Altersteilzeit-Beschäftigten den normalen Beschäftigten gleichgestellt, d. h. sie müssen aufgrund ihrer Altersteilzeit keine Nachteile bei der Betriebsrente hinnehmen. Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Airbus-Werk Bremen Zum Zeitpunkt der Befragung (Mai 2002) hatten ca. 150 Airbus-Beschäftigte im Werk Bremen Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Die Gesamtbelegschaft umfasst ca. 3000 Beschäftigte, so dass sich ein Anteil der in Altersteilzeit Beschäftigten von fünf Prozent ergibt. Diese Quote bildet nach Ansicht der Betriebsvertragsparteien die angestrebte „Zielgröße“, sie kann jedoch durchaus überschritten werden: „Also, wir haben diese fünf Prozent auch in der Betriebsvereinbarung stehen, aber wir haben sie nicht als eine maximale Obergrenze drin, sondern wir haben definiert, dass das so eine Ziellinie ist, die aber auch im Einvernehmen mit beiden Parteien überschritten werden kann, sie ist sozusagen nicht als eine absolute Mauer definiert, sondern es ist definiert, dass man da im Prinzip diese fünf Prozent halten würde.“ (Betriebsrat) Nach Aussage der Personalabteilung befanden sich (Mai 2002) im Werk Bremen 16,6 Prozent Anspruchsberechtigte, also Beschäftigte im Alter von 55 u. m. Jahren; 3,8 Prozent der Gesamtbelegschaft befanden sich aktuell in Altersteilzeit, so dass sich – auf den Personenkreis der Anspruchsberechtigten bezogen – eine Altersteilzeitquote von 23 Prozent ergibt. Diese Quote enthält nicht die Beschäftigten, die nach Abschluss ihrer Altersteilzeitarbeit bereits ihre Rente beziehen. Wegen des unterschiedlichen Altersaufbaus im Produktions- und im Entwicklungsbereich ist im Fertigungsbereich (mit jüngeren Beschäftigten) eine geringe Nutzung der Altersteilzeit festzustellen, im Entwicklungsbereich (mit älteren Beschäftigten) dagegen eine hohe Inanspruchnahme. Die Gesamtbetriebsvereinbarung hat vorgegeben, dass die Beteiligung der Beschäftigten an Altersteilzeit „möglichst ausgewogen auf die Bereiche verteilt werden (soll)“. Bei einer ungleichen Verteilung versuchen Personalleitung und Betriebsrat, durch die Bildung von Umsetzungsketten („Ringtausch“) eine gleichmäßige Verteilung der „Altersteilzeiter“ auf die Bereiche zu erreichen. „Das Zweite, was noch in der Betriebsvereinbarung definiert ist, dass es in Fachbereichen nicht dazu kommen sollte, dass so eine halbe Abteilung sich auflöst, so ist das auch noch mal definiert. (...) Also, wir haben im Moment überhaupt kein Problem damit, dass es keine Anwendung mehr gäbe, weil der Arbeitgeber sagt, wir haben zu 82 Arbeitnehmerkammer Bremen viele Altersteilzeitverträge abgeschlossen insgesamt. Wir hatten einmal ein einziges Problem, da hatten wir in einem Bereich eines damaligen Entwicklungsbereiches, wo ca. 100 Leute beschäftigt waren, fast 30 Prozent in Altersteilzeit. Das war ein bisschen zu viel. Da ist das gestoppt worden. Allerdings haben wir das dann wieder hingekriegt, indem wir da auch ein bisschen versetzt haben, neu eingestellt haben. (...) Wir haben eigentlich die Chance, dass jeder, der will, hier auch irgendwie zu einem Vertrag kommt in der Regel.“ (Betriebsrat) Im Werk Bremen entfallen zwei Drittel der Beschäftigten auf den „Verwaltungsbereich“ (insbesondere auf die verschiedenen Entwicklungsbereiche), lediglich ein Drittel der Beschäftigten arbeitet im „Produktionsbereich“. Die Masse der Anspruchsberechtigten und der Beschäftigten, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen, befindet sich im Entwicklungsbereich: „Die Masse der Beschäftigten ist im Entwicklungsbereich. Und das hat einfach damit zu tun, dass wir im Entwicklungsbereich eine richtig große Gruppe von Beschäftigten haben, die eben in diesem Alter waren. Und wo auch, was eigentlich unheimlich gut gepasst hat, wir mussten jetzt ja auch viele Entwicklungsingenieure einstellen, und insofern hat das Modell wirklich geklappt. Es sind Ältere rausgegangen, es sind neue Entwicklungsingenieure dafür eingestellt worden. Also, es war wirklich das Prinzip, wie es eigentlich funktionieren soll, es gab richtig Wiederbesetzung. Wir haben im Prinzip mit Altersteilzeit keinen Personalabbau gemacht. Also, ich will jetzt nicht sagen, dass alle Arbeitsplätze wieder besetzt werden, es gibt natürlich Bereiche, wo man in der Regel einen solchen Arbeitsplatz nicht mehr wiederbesetzt hat, weil dieser Bereich ausstirbt.“ (Betriebsrat) In solchen Fällen dient die Altersteilzeit auch als Mittel der Umorganisation von Bereichen sowie der Personalentwicklung in einzelnen Bereichen: „Wenn man z. B. fünf Werkzeugausgaben hatte, hatte man demnächst nur noch drei, weil das wirklich nicht mehr gebraucht wird, und dann hat man den Werkzeugausgeber als Werkzeugausgeber in Altersteilzeit nicht mehr neu besetzt. Aber man hatte dann zumindest, weil die Wiederbesetzer ja auch eine Ausbildung hatten, in der Regel als Fluggerätebauer, die Möglichkeit, eine Kette zu bilden. Das heißt, man hat den nach Altersteilzeit ausscheidenden Werkzeugausgeber dort nicht wiederbesetzt, hat eine Fluggerätestelle dafür neu geschaffen und den über Altersteilzeit, also über Ringtausch besetzt. Ringtausch ist also da gemacht worden. So dass wir eigentlich sagen können, im Prinzip ist das Modell voll aufgegangen. Es hat hier de facto eigentlich keinen Personalabbau mittels Altersteilzeit gegeben, sondern es hat tatsächlich Personalaustausch gegeben: Jung gegen Alt.“ (Betriebsrat) Personalaustausch mittels Altersteilzeit Mitte der 90er Jahre wurde am Standort Bremen infolge der Dolores-Konzeption der damaligen DASA-Konzernleitung der Personalbestand von ca. 3500 auf ca. 2500 Beschäftigte reduziert. Gegenwärtig arbeiten ca. 3000 Beschäftigte im Werk Bremen. 83 Arbeitnehmerkammer Bremen Der Personalabbau wurde damals über die sog. 55er-/58er-Regelungen vollzogen. Weil gleichzeitig keine Neueinstellungen von jüngeren Ingenieuren erfolgten, die älteren Ingenieure über Vorruhestandsregelungen ausschieden, verengte sich der Altersaufbau im Entwicklungsbereich auf die Altersgruppen zwischen 35 und 55 Jahren („gestauchte Alterspyramide“). Daraus resultierte das Problem, dass die älteren Ingenieure, die durchaus noch arbeitsfähig waren, ihr Erfahrungswissen nicht mehr an jüngere Ingenieure, die neu in den Betrieb kommen, weitergeben konnten. Damals gab es eine hohe Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen aus dem Ingenieurbereich; diese kamen in den Betrieb nicht hinein, der notwendige Wissenstransfer zwischen Jüngeren und Älteren fand im Betrieb nicht mehr statt. Damals konnte das Instrument der Altersteilzeit noch nicht als Mittel des Personalaustausches zwischen den Generationen eingesetzt werden. Während in anderen Industriebetrieben gegenwärtig das Instrument der Altersteilzeit genutzt wird, um sozialverträglich Personal abzubauen, befindet sich das Airbus-Werk Bremen in der glücklichen Lage, aufgrund der aktuell günstigen Auftragslage, den Personalaufbau – unter Einsatz des Instrumentes Altersteilzeit – als Generationswechsel zu vollziehen. Der Betriebsrat äußert gleichwohl Verständnis dafür, dass andere Industriebetriebe gegenwärtig über das Instrument der Altersteilzeit Personal „abbauen“: „So, natürlich müssen wir das sagen, wenn wir noch Dolores gehabt hätten, wie vor, ich sag mal, so acht Jahren, dann wären wir natürlich in einer ganz anderen Situation gewesen, dann kann man nicht aufbauen, und dann kann ich verstehen, dass in Betrieben, die in solchen Situationen sind, wo Personal abgebaut wird, wo keine anderen Themen als Altersteilzeit mehr da sind, auch das benutzt wird, um Personal abzubauen. Weil, wie soll man es sonst sozialverträglich machen?“ (Betriebsrat) Nach dem drastischen Personalabbau Mitte der 90er Jahre konnte mit dem allmählichen Personalaufbau in den letzten Jahren das Instrument der Altersteilzeit im AirbusWerk Bremen personalpolitisch hervorragend genutzt werden, um sozusagen einen „Ringtausch“ zwischen den Generationen im Betrieb kostengünstig (Wiederbesetzung) zu organisieren. „Wir haben damals im Prinzip keine Neuen gehabt, unter Dolores sind Ältere gegangen, aber keine Neuen gekommen. Und jetzt ist natürlich diese Chance gewesen, wir haben ja, auch in unserem Engineeringbereich, über 1000 Beschäftigte wieder aufgebaut hier in Bremen. Und da war die Altersteilzeit ein hervorragendes Modell. Es hat hier tatsächlich Personalaustausch gegeben: Jung gegen Alt. Und damit hat eine Verjüngung der Belegschaft stattgefunden.“ (Betriebsrat) Motive der Inanspruchnahme von Altersteilzeit (Blockmodell) Nach Aussage des Betriebsrates handelt es bei dem im Werk Bremen ausschließlich praktizierten Blockmodell um ein „relativ attraktives Modell“: 84 Arbeitnehmerkammer Bremen „Und dann gibt es den Grund, das muss man ja auch einmal sagen, es gibt ja auch Menschen, die wollen Altersteilzeit nicht in Anspruch nehmen oder Modelle, die wesentlich später greifen. Es gibt ja auch noch die Chance, wenn man so mit 59 beginnt und nach zwei Jahren Altersteilzeit dann mit 61 aufhört, solche Modelle gibt es auch. Wir lassen das ja noch zu. Weil ja es auch nicht so ist, dass man hier sagen muss, unsere Arbeit ist unattraktiv. Es gibt ja auch manchmal Momente, wo sich viele Beschäftigte sagen: „Bloß raus aus der Bude.“ Das hat man zum Beispiel bei den Entwicklungsingenieuren auch nicht, trotzdem haben wir da einen hohen Anteil, wo auch viele sagen: „Na gut, jetzt reicht‘s, okay“, aber es gibt nicht so eine Stimmung: „Bloß raus aus der Bude“. Als Ingenieur kann man ja auch im höheren Alter noch arbeiten. Es gibt hier auch Kollegen, die eben sagen, okay, ich arbeite länger oder höre dann mit 63 oder 62 dann so auf, ohne eine Vereinbarung. Das geht ja auch! Also, das ist unterschiedlich. Und es gibt auch welche, die eben durcharbeiten. Es kommt auch immer darauf an, in welcher Situation sich jeder Einzelne befindet.“ (Betriebsrat) Nach Aussage des Betriebsrates nehmen die Beschäftigten in Altersteilzeit eine Güterabwägung zwischen Einkommenseinbußen aufgrund des vorzeitigen Ruhestandes und den im Ruhestand angestrebten Lebenszielen vor. Das Ausmaß der Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit interveniert zudem als Variable bei der Entscheidung über den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben: „Ja, ich sag mal so, es gibt alles, meiner Einschätzung nach, nur was ich von Gesprächen kenne, ich habe jetzt, wie gesagt, keine Statistiken. Statistiken sind aber auch immer so eine Sache. Ich habe so das Gefühl, dass es hier Kollegen und Kolleginnen gibt, die einfach sagen: „So, ich habe ein persönliches Lebensziel. Ich habe noch etwas vor. Ich komme aus mit dem Geld.“ Und das ist ja auch immer ein wichtiger Faktor, das ist ja das andere. Diejenigen, die in schlechten Arbeitsbedingungen sind und nicht gut verdienen, sagen sich: „Ich möchte eigentlich aufhören, aber ich kann es mir eigentlich nicht leisten, weil bei 12 Prozent Abschlag meiner Rente bleibt mir nicht genug zum Leben. Das ist für mich nicht leistbar.“ Deswegen gibt es hier alles. Wir haben hier Kollegen, die sich sagen: „So, ich habe noch etwas vor. Ich will noch die Welt kennen lernen!“, oder noch eine Reise machen, alles das, was man noch vielleicht so machen kann. Und dann gibt es noch Kollegen, die sich sagen: „Ich mag meine Arbeit. Ich weiß gar nicht so recht, was ich machen soll, wenn ich jetzt schon mit 60 zu Hause wäre.“ Oder Kollegen, die noch früher zu Hause wären, mit 57,5 ist ja das Frühstmögliche nach unserem Modell, die würden ja mit 55 die Altersteilzeit beginnen, dann zweieinhalb Jahre noch voll arbeiten, also 5-JahresVertrag mit zweieinhalb Jahren Arbeit, und dann würden sie ja schon mit 57,5 zu Hause sein und dann mit 60 in Rente frühzeitig gehen mit dem vollen Abschlag.“ (Betriebsrat) Im Gegensatz zu manchen Montagebereichen in der Automobilindustrie, wo häufig das Blockmodell „55 – 57 ½ - 60 Jahre“ aufgrund der belastenden Arbeitsbedingungen (Schichtarbeit) gewählt wird, wählen die Entwicklungsingenieure im Airbus-Werk 85 Arbeitnehmerkammer Bremen aufgrund ihrer interessanten beruflichen Tätigkeit häufig einen späteren Anfang – und häufig auch ein späteres Ende – ihrer Altersteilzeit (gemäß dem Blockmodell), wobei die magische Zahl 60 als Zielpunkt der tatsächlichen – noch nicht der rechtlichen – Beendigung der Berufstätigkeit den meisten Ingenieuren vor Augen steht. „Deswegen sage ich, die meisten Beschäftigten nehmen eher so Modelle, sag ich mal, so mit 56, 57, 58 Beginn der Altersteilzeit. Also, dieses volle Ausschöpfen, so früh wie möglich raus mit dem höchsten Abschlag, ist seltener. Aus den Gründen, wo ich so sage, die Arbeit ist hier nicht so verhasst, deswegen gibt es mehr oder weniger Momente, wo man sich sagt: „Na ja, ein bisschen Abschlag, bisschen eher in „Rente“ oder in Freizeit.“ Das ist eher das Gängige. Deswegen gibt es auch eine hohe Attraktivität des Modells, weil das ja auch sehr selbstbestimmt ist. Es rechnen sich das viele aus, viele kennen ja ihre Rente, man kann sich das ja darstellen lassen, und man weiß im Prinzip, wo man sich drauf einlässt. Und dann gibt es viele, die so mit 54, 55 anfangen, sich zu erkundigen, und dann sagen, „für mich ist es eher so, ich mache mit 57 einen Vertrag oder mit 58, und fange dann an mit der Arbeitsphase und höre dann faktisch mit 60 auf“, dann beginnen sie mit der Ruhephase.“ (Betriebsrat) Das Teilzeitmodell der Altersteilzeit ist im Betrieb gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung im Prinzip ausgeschlossen. Der Betriebsrat hat von den Kollegen nicht gehört, dass ein Interessse am Teilzeitmodell bestünde: „Die meisten Leute nehmen sowieso das Blockmodell. Ich habe noch nicht einmal Nachfragen gehört nach dieser Möglichkeit, sag ich mal so, des soften Ausscheidens.“ Allerdings gibt es im Betrieb eine ausgesprochene „Vollzeitkultur“. Die Teilzeitquote ist sehr gering, selbst unter den wenigen weiblichen Beschäftigten. Die männlichen Beschäftigten sind es gewohnt, voll zu arbeiten, sie haben selbst keine Erfahrung mit Teilzeitarbeit in ihrem Berufsleben gemacht und können sich daher auch nicht so recht vorstellen, Altersteilzeit als Halbtagsarbeit zu verrichten: „Man fällt dann so halb raus, ist nur noch halb drin.“ (Ingenieur aus dem Entwicklungsbereich) Die Einbindung in Projektarbeit macht es zudem unmöglich, als Entwicklungsingenieur die Altersteilzeit als Halbtagsarbeit zu organisieren: „Nein, es gibt überhaupt kein Interesse daran, ich habe wirklich noch keine Beratung gehabt, wo jemand gesagt hat: „Ich würde gerne langsam hinaus gleiten.“ So, da muss man einfach bei berücksichtigen, wie Sie schon sagen, natürlich ist das so, dass es auch davon abhängt, wie sehe ich meine Arbeit. Und wenn Sie sowieso sieben Stunden am Tag hier sind und einen attraktiven Job haben, dann gibt es eigentlich so ein „Gefühl“, insbesondere im Entwicklungsbereich, zu sagen: „Ich mache jetzt nur meine 3,5 Stunden am Tag oder meine drei Stunden am Tag.“ Dann sind Sie in einer Situation, wo Sie einfach kaum noch was machen können, es gibt ja so ein hohes Kommunikationsniveau, wenn ich, sag ich mal, Ingenieur bin und arbeite in Projekten, wenn hier und da eine Besprechung ansteht, dann sind Sie kaum noch in der Lage, da was umzusetzen.“ (Betriebsrat) 86 Arbeitnehmerkammer Bremen Laufzeit der Altersteilzeitverträge und Wahl der Lebensstrecke für die Altersteilzeit Von den Betriebsvertragsparteien wurde ursprünglich als Regelfall des fünfjährigen Blockmodells die Lebensstrecke „55 – 57,5 – 60“ Jahre angestrebt. Tatsächlich weisen aber nur 30 von 165 bisher abgeschlossenen Altersteilzeitverträge dieses Muster auf (18 %). Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung definierten „Ausnahmefälle“ (Festlegung von maximalen Laufzeiten für über das 60. Lebensjahr hinaus andauernden Altersteilzeitverträgen) bilden jedenfalls gemäß der von der Personalabteilung erstellten Statistik die Mehrheit aller Altersteilzeitverträge (nur 42 von 165 Personen beziehen mit 60 Jahren ihre Rente = 25 %). Offenbar werden in der betrieblichen Praxis die Wünsche der Beschäftigten nach einem späteren Beginn und einem späteren Ende der Altersteilzeitphase von dem Betriebsrat und der Personalabteilung angenommen. Auf unseren Wunsch hin hat die Personalabteilung eine Auswertung der im Werk Bremen abgeschlossenen Altersteilzeitverträge (Stand: Mai 2003) vorgenommen, mit der die jeweilige Laufzeit des Altersteilzeitvertrages (2 – 5 Jahre) in Verbindung mit der Lebensstrecke des Beschäftigten (Lebensalter bei Beginn der Arbeitsphase, bei Beginn der Freistellungsphase, bei Beginn des Rentenbezugs) dargestellt werden kann (vgl. Tabelle 6). Die Einschätzung des Betriebsrates, der über diese Statistik nicht verfügte, bezüglich der dominanten Wahl der „Lebensstrecke“ für die Altersteilzeitphase wird durch diese Auswertung bestätigt. Von 85 Altersteilzeitverträgen mit fünfjähriger Laufzeit entfallen nur 30 Verträge auf die Lebensstrecke „55 – 57,5 – 60“ Jahre, 55 Verträge weisen einen späteren Beginn und ein späteres Ende auf, davon allein 40 die Lebensstrecke „58 – 60,5 – 63“ Jahre. Diese Beschäftigten beenden also faktisch mit ca. 60 Jahren ihre Berufstätigkeit, gleichzeitig können sie durch diese Streckung die Rentenabschläge minimieren (Rentenbezug mit vollendetem 63. Lebensjahr: Rentenabschlag = 7,2 Prozent). Auch bei den Beschäftigten, die Laufzeiten von zwei bis zu vier Jahren Altersteilzeit gemäß dem Blockmodell gewählt haben, überwiegt die Orientierung an einem Rentenbeginn mit 62 oder 63 Jahren gegenüber dem frühest möglichen Rentenbeginn (mit 60 Jahren Altersrente nach Altersteilzeitarbeit). Diese Beschäftigten, insbesondere die Entwicklungsingenieure, beginnen bei diesen Laufzeiten in ihrer Mehrheit erst mit 61 oder 62 Jahren mit der Freistellungsphase (54 Altersteilzeitverträge). Das Interesse an der beruflichen Tätigkeit sowie das Kalkül eines akzeptablen Rentenabschlags, der womöglich noch durch die Betriebsrente ausgeglichen wird, mögen zu dieser Entscheidung dieser Beschäftigten beigetragen haben. 87 Anzahl Verträge 30 Laufzeit 5 Jahre Laufzeit 4 Jahre Laufzeit 3 Jahre Laufzeit 2 Jahre Alter bei Beginn der Arbeitsphase Freistellung Alter bei Beginn der Arbeitsphase Freistellung Alter bei Beginn der Arbeitsphase Freistellung Alter bei Beginn der Arbeitsphase Freistellung 55 57,5 Rente 56 56 58,5 58 61 57 88 57 59,5 11 58 60,5 58,5 60 62 14 40 58 60 62 59 61 63 63 4 12 27 165 Rente 60 3 6 Rente 60 9 9 Rente 60 61,5 60 61 62 61 62 63 63 Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 6: Abgeschlossene Altersteilzeitverträge - Stand Mai 2003 Arbeitnehmerkammer Bremen Weitere Informationen Airbus Deutschland GmbH Hünefeldstr. 1 – 5 28199 Bremen Personalabteilung Frau Alke Tel.: 0421 / 538 25 13 Betriebsrat Herr Dahnken Tel.: 0421 / 538 41 58 89 Arbeitnehmerkammer Bremen Brauerei Beck & Co, Bremen Altersteilzeit ohne Grenzen: Ausstieg der Älteren – Einstieg der Jüngeren Rechtsgrundlagen Die Bremer Brauer-Societät und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten haben bereits auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vom August 1996 einen Tarifvertrag zur Einführung von Altersteilzeit im März 1998 abgeschlossen (in Kraft seit 1. März 1998). Für den – im Jahre 2000 eingetretenen – Fall, dass das Altersteilzeitgesetz verlängert wird, verlängert sich entsprechend dieser Tarifvertrag. Die Betriebsvertragsparteien der Brauerei Beck & Co (Bremen) haben auf der Grundlage dieses Tarifvertrages gleichfalls im März 1998 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen (gleichfalls in Kraft seit 1. März 1998). Die Laufzeit der Betriebsvereinbarung ist an die Laufzeit des Tarifvertrages gebunden. Regelung der Altersteilzeit Altersteilzeit wird den Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr vollendet und eine Vollzeitbeschäftigung von 1080 Kalendertagen innerhalb der letzten 5 Jahre vor Beginn der Altersteilzeit vorzuweisen haben, gemäß dem damaligen Altersteilzeitgesetz angeboten. Das Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis darf die Dauer von zwei Jahren nicht unter- und von fünf Jahren nicht überschreiten. „Eine kürzere Laufzeit muß durch Betriebsvereinbarung vereinbart werden. Sie ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluß an das Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Altersruhegeld hat und insoweit das Altersruhegeld nach Altersteilzeit (...) nicht in Anspruch nehmen muß.“ (Tarifvertrag) Die Umsetzung der Altersteilzeit soll gemäß Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung erfolgen. Auch die Verteilung der in Altersteilzeit zu leistenden Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit soll durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Gemäß Tarifvertrag kann während des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit so verteilt werden, „daß sie innerhalb eines Jahreszeitraumes im Durchschnitt die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet. Einzelheiten sind durch Betriebsvereinbarung zu regeln.“ (Tarifvertrag) Nach dem ATZ-Gesetz dürfen beim Blockmodell die beiden Zeitblöcke ohne tarifvertragliche Grundlage jeweils nicht länger als 1 ½ Jahre betragen. Die Vereinbarung von mehr als 3 Jahre umfassenden Verteilzeiträumen ist nur dann möglich, wenn ein Tarifvertrag dieses zulässt (Tarifvorbehalt). Der zwischen der Bremer Brauer-Societät und der Gewerkschaft NGG abgeschlossene Tarifvertrag ermöglicht es den Betriebsvertragsparteien, für ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis einen Zeitraum von mehr als drei Jahren „verblockte“ Altersteilzeit abzuschließen. 90 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Betriebsvereinbarung ermöglicht den Altersteilzeit-Beschäftigten bei der Verteilung ihrer Arbeitszeit eine Vielfalt von Optionen: „Die wöchentliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in Altersteilzeit beträgt die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitzeit. Die Verteilung der Arbeitszeit erfolgt nach zwei Modellen. Altersteilzeit Arbeitsmodell 1 Soweit die Arbeitszeit innerhalb eines Jahreszeitraumes im Durchschnitt die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet, kann gem. den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes einzelvertraglich vereinbart werden, daß der Arbeitnehmer – täglich mit der hälftigen Arbeitszeit, – nur eine bestimmte Anzahl von Tagen pro Woche, – im wöchentlichen Wechsel, – im monatlichen Wechsel arbeitet. Altersteilzeit Arbeitsmodell 2 Es kann einzelvertraglich vereinbart werden, daß die während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anfallende Arbeitszeit in einem Zeitraum bis zu 5 Jahren so verteilt wird, daß diese in der ersten Hälfte des Zeitraumes in Vollzeit geleistet wird (Arbeitsphase) und der Arbeitnehmer in der zweiten Hälfte von der Arbeitsleistung freigestellt wird (Freistellungsphase).“ (Betriebsvereinbarung, § 3) Aufstockung der Altersteilzeit-Leistungen Die Berechnung des Arbeitsentgeltes für die Altersteilzeit-Beschäftigten wird gemäß Tarifvertrag auf Jahresbasis vorgenommen: „Die Vergütung für die Altersteilzeit errechnet sich auf der Basis des Entgeltes, das der Arbeitnehmer bei einer Vollzeitbeschäftigung im Kalenderjahr erzielt hätte. Einzelheiten sind durch Betriebsvereinbarung zu regeln.“ (Tarifvertrag) Gemäß Betriebsvereinbarung werden auf Jahresbasis die tariflichen Sonderzahlungen bei der Berechnung des monatlichen Arbeitsentgeltes für die AltersteilzeitBeschäftigten mit eingeschlossen. „Das monatliche Arbeitsentgelt errechnet sich nach Maßgabe der gemäß dieser Vereinbarung reduzierten Arbeitszeit wie folgt: Monatsentgelt x 12 + Urlaubsgeld + Jahressonderzahlung + VL 12 x 2 Die Vergütung ist unabhängig von dem gewählten Arbeitszeitmodell während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu zahlen.“ (Betriebsvereinbarung) Wie ein Muster-Altersteilzeit-Arbeitsvertrag des Betriebes zeigt, werden das Urlaubsgeld (etwa ein Drittel eines Monatsentgeltes) und die Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld = 13. Monatsentgelt) sowie die vermögenswirksamen Leistungen zusam91 Arbeitnehmerkammer Bremen men mit dem Monatsentgelt in voller Höhe für die Berechnung des VollzeitJahresentgeltes herangezogen, um anschließend das monatliche Vollzeit-Bruttoentgelt (1/12) zu ermitteln. Das monatliche Altersteilzeit-Bruttoentgelt beträgt davon die Hälfte. Gemäß Tarifvertrag wird das Altersteilzeit-Entgelt auf 85 Prozent des bisherigen monatlichen Nettoentgeltes aufgestockt: „Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhält der Arbeitnehmer eine Aufstockungszahlung auf die Altersteilzeitvergütung. Diese ist so zu bemessen, daß das monatliche Nettoentgelt 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelts beträgt. Höhere Aufstockungszahlungen können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden.“ (Tarifvertrag) Diese Aufstockungszahlung (85 % des bisherigen Nettoentgelts) ist gleichfalls in der Betriebsvereinbarung enthalten. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge auf 90 Prozent wird gemäß Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung sogar noch auf 95 Prozent erhöht: „Neben den Sozialversicherungsbeiträgen auf die Vergütung (während der Altersteilzeitarbeit) entrichtet Beck & Co zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Beitrag für die Altersteilzeitvergütung und dem Beitrag, der auf 95 % des Entgelts (entfällt), das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn seine Arbeitszeit nicht durch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vermindert worden wäre, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.“ (Betriebsvereinbarung) Ein Ausgleich für Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand nach der Altersteilzeitarbeit ist weder in dem Tarifvertrag noch in der Betriebsvereinbarung vorgesehen. Allerdings erhalten die Beschäftigten – unabhängig von der Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit – eine monatliche Betriebsrente in Abhängigkeit von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit (Niedrigstwert nach 10 Jahren: 75 DM, nach 20 Jahren: 130 DM, nach 25 Jahren: 200 DM, Höchstwert nach 40 Jahren: 250 DM). Weiterhin werden zusätzliche Treue-Zahlungen, die die Betriebsrente monatlich noch aufstokken, vom Unternehmen den Beschäftigten ausgezahlt (z. B. nach 25 Jahren: 25 DM, nach 40 Jahren: 75 DM). Die Betriebsrente wird bereits mit Beginn der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit gezahlt, also auch vor dem 65. Lebensjahr. Inanspruchnahme der Altersteilzeit in der Brauerei Beck & Co Zum Zeitpunkt der Befragung (März 2002) hatten (seit März 1998) ca. 200 Beschäftigte Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Bezogen auf eine – in diesen vier Jahren relativ konstant bleibende – Gesamtbelegschaft von ca. 1450 Beschäftigten ergibt sich somit eine Altersteilzeitquote von rund 14 Prozent. Der Tarifvertrag enthält keine allgemeine Überforderungsschutzklausel – auch keine Anspruchseinschränkungen nach Jahrgängen der älteren Beschäftigten. Obwohl kein Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Altersteilzeit im Tarifvertrag besteht, werden in der betrieblichen Praxis der Brauerei die Anträge auf Altersteilzeit 92 Arbeitnehmerkammer Bremen umfassend genehmigt. Der Grundsatz des Unternehmens besteht darin, „freiwillige Entscheidungen“ der Beschäftigten zu akzeptieren und „individuelle Lösungen“ zu ermöglichen (Leiter Personalmanagement). Auch im „Grundsatz“ der Betriebsvereinbarung wird das Moment der „Freiwilligkeit“ in der gegenseitigen Vereinbarung hervorgehoben: „Aufgrund dieser Betriebsvereinbarung kann zwischen Beck & Co und dem Arbeitnehmer eine freiwillige Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Einführung von Altersteilzeit und der in dieser Betriebsvereinbarung genannten Rahmenbedingungen geschlossen werden.“ Obwohl die Betriebsvereinbarung vielfältige Teilzeitmodelle (auf täglicher, wöchentlicher, monatlicher Ebene) ermöglicht (Arbeitsmodell 1), wird im Betrieb nahezu ausschließlich das Blockmodell (mit Laufzeiten zwischen 2 und 5 Jahren) praktiziert (Arbeitsmodell 2). Die Wahl des Blockmodells ist auf dem Hintergrund der Organisation von Schichtarbeit wie auch der Struktur der Belegschaft zu sehen. Der Frauenanteil beträgt ca. 10 Prozent; die weiblichen Beschäftigten arbeiten vorwiegend im Verwaltungsbereich. Von 1450 Beschäftigten sind ca. 900 Gewerbliche (62 %), ca. 550 sind Angestellte (38 %). In der Brauerei wird weitgehend im traditionellen DreiSchicht-System (6 – 14 Uhr, 14 – 22 Uhr, 22 – 6 Uhr) gearbeitet – mit der Abfolge für die Beschäftigten: Nacht-, Spät-, Frühschicht im wöchentlichen Wechsel. In einigen Bereichen gibt es auch ein Zwei-Schicht-System. Das Teilzeitmodell wird nur vereinzelt gewählt, nahezu alle Beschäftigten der Brauerei entscheiden sich für das Blockmodell: „Wir haben, muss ich überlegen, eins, zwei, drei, wo ich Ihnen jetzt definitiv sagen kann, die haben nicht das Blockmodell gewählt. Also von den 200 wählen alle das Blockmodell. (...) Wir hatten hier zwei Tischler, da hat der eine gesagt: „Ich arbeite einen Monat.“, und der andere hat gesagt: „Dann arbeite ich den Monat, wo du nicht da bist.“. Und dann hatten wir einen, der hat das, glaube ich, im Wochenwechsel gemacht. Aber das sind die Drei, die mir jetzt einfallen. Alle anderen habe diese Blockmodelle gewählt zwischen 24 und 60 Monaten. (Gründe für die Wahl des Blockmodells?) Das geht von den Beschäftigten aus. Ja. Das geht von den Beschäftigten aus, die dann einfach sagen: „OK, jetzt habe ich noch 2 ½ Jahre, und dann bereite ich mich 2 ½ Jahre auf das Rentnerdasein vor, indem ich schon zu Hause bin, nehme aber immer noch an Betriebsversammlungen teil, bin hier im Betrieb noch integriert.“ Wir kriegen ja auch hier unseren Freitrunk, die kommen denn auch mal in unseren Mitarbeitershop. Das heißt also, die ziehen sich langsam zurück, in der Freistellungsphase. Es gibt welche, die sagen: „Ich komme gar nicht mehr.“, und manche, die turnen dann noch hier herum, die sind immer noch Mitarbeiter, dürfen sich auch auf dem Gelände bewegen. Das bedeutet, die können hier Mittagessen gehen, auch mal mit den Kollegen schnacken, welche kommen überhaupt nicht mehr, die sehen Sie dann nicht mehr. Die sehe ich dann in 2 ½ Jahren wieder bei der Rentenantragstellung. Aber beim Blockmodell sagen die meisten: „Dann weiß ich, was hier ist, ich habe dann noch 2 ½ Jahre hier zu arbeiten, und ab da bleibe ich dann zu Hause. Habe dann immer noch das Gehalt 93 Arbeitnehmerkammer Bremen aus der Berechnung des Unternehmens, und dann habe ich mich fünf Jahre darauf eingestellt, weil die Rente ist ja im Vorfeld auch schon pi mal Daumen besprochen worden.“ (Gründe für Ablehnung des Teilzeitmodells?) Die Gründe dafür, dass sie sagen: „Es ist ein Blödsinn, dass ich hier die nächsten fünf Jahre noch im Unternehmen rumturne, wenn ich das Modell wähle, ein Monat arbeiten, ein Monat zu Hause bleiben. Ich weiß, dass ich jetzt hier 40 Jahre gearbeitet habe, wähle noch die letzten 2 ½ Jahre als Arbeitszeit, und dann mache ich einen Schnitt. Dann will ich den Rest auch zu Hause bleiben. Ich will also nicht vom 60sten, 62sten Lebensjahr ab noch im Unternehmen verbringen, auch wenn ich im wöchentlichen Wechsel das mache, sondern ich möchte dann schon sagen: „Jawohl, mit 62 ½ Jahren verlasse ich den Betrieb“, das ist so ein psychologischer Grund bei den meisten, die dann sagen: „Mit 62 bin ich raus.“, „Mit 60 bin ich raus.“, und nicht: „Mit 65 bin ich noch da.“ Die wollen einen Schnitt machen.“ (Betriebsrat) Das Durchschnittsalter der Beschäftigten liegt bei ca. 40 Jahren. Etwa 300 Beschäftigten (ca. 21 %) befinden sich im Alter von über 50 Jahren. Bedenkt man, dass ca. 200 Beschäftigte (ca. 14 %) bereits Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse abgeschlossen haben, die zumindest das Alter von 55 Jahren bei Beginn der Altersteilzeit haben müssen, so lässt sich der Schluss ziehen, dass die Anspruchsberechtigten umfassend von der Altersteilzeit Gebrauch machen. (Den Anteil der Beschäftigten im Alter der Anspruchsberechtigten – 55 und mehr Jahre – konnten wir leider nicht ermitteln.) „Es gibt einige wenige, die es nicht machen. Wir haben ja auch in die Vereinbarung hinein geschrieben, dass es auf freiwilliger Basis ist. Das Unternehmen macht eine freiwillige Vereinbarung mit dem Mitarbeiter, damit haben wir bezwecken wollen, dass nicht das Unternehmen kommt und sagt dem 60-Jährigen, dem bieten wir nun eine Altersteilzeit an, und er muss sie dann machen. Wir haben jetzt hier noch sehr wenige, die das eigentlich noch in Anspruch nehmen können.“ (Betriebsrat) „Also, wir haben das auf freiwilliger Basis gestellt. Es gibt auch diese Quotierung nicht. Ich habe es in diesen vier Jahren, März 98 haben wir damit begonnen mit der Vereinbarung, habe ich es nicht erlebt, dass einer Altersteilzeit machen möchte und diese Altersteilzeit abgelehnt bekommt. Ich habe auch schon vielfach mitbekommen, dass Kollegen, die angesprochen worden sind auf Altersteilzeit, die sagen: „Das mache ich nicht.“ Daher die Freiwilligkeit, dass das Unternehmen nicht sagen kann: „Komm, du bist jetzt in dem Alter, du musst.“ Es gibt keinen Druck von der Betriebsleitung auf ältere Kollegen, in Altersteilzeit zu gehen.“ (Betriebsrat) Nach Einführung der Altersteilzeit (März 1998) stellte sich den älteren Jahrgängen, die noch unter die Vertrauensschutzregelung fielen, das Problem der Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand noch nicht: „Das haben wir auch damals, als wir ’98 anfingen, gar nicht mit berücksichtigt. Weil, es waren ja die Leute, die hier die Vertrauensschutzregelung hatten: über 45 Jahre Pflichtbeiträge, die mit 60 ohne Abschläge in Rente gegangen sind. Ich sag mal, ’98 94 Arbeitnehmerkammer Bremen haben sie uns damit überfallen. Die Leute haben uns überfallen und haben gesagt: „Jawohl, nach diesem System, das hätte ich gerne.“ Jetzt kommt es nach und nach so, dass die Kollegen sagen: „Mensch, da habe ich ja Abschläge in der Rente.“ Aber ich sagte ja eingangs, das ist auf freiwilliger Basis, und derjenige, der dann diese Altersteilzeit machen möchte, dem können wir auch gleich errechnen, wie viel Abschläge er in Rente hat. Und dann kann er sagen: „Jawohl, mache ich.“ Oder aber, wir haben ja die Höchstlaufzeit von 60 Monaten, da könnte er rein theoretisch auch sagen: „Ich fange mit 60 einen Altersteilzeitvertrag an, der endet dann eben mit 65, und ich habe keine Abschläge.“ Aber wir sagen auch, wenn ein 55-Jähriger zu uns kommt und sagt: „Ich möchte das!“, dann sagen wir dem aber auch: „Dann hast du 18 Prozent Abschläge in Rente.“ Und dann ist es für ihn die Frage: Mach ich es, lass ich es bleiben, oder ich komme im nächsten Jahr noch mal. Daher die Freiwilligkeit.“ (Betriebsrat) Dauer der Inanspruchnahme von Altersteilzeit Die Altersteilzeit wird aufgrund der Rentenabschläge von den jüngeren Jahrgängen gemäß ihrem jeweiligen Lebensalter „zögerlicher“ genutzt – der Beginn erfolgt in einem höheren Lebensalter: „Da sind die in der Tat zögerlicher. Die dann sagen, ich schieb den Beginn bis zum 57sten, 58sten, 59sten, den Beginn, um das weiter bis zu 65 Jahren zu schieben, um die Rentenabschläge noch zu minimieren, auf 7,2 Prozent zum Beispiel mit 63 Jahren. Das ist das Hauptmotiv für den späteren Beginn, das Hauptmotiv sind die Abschläge in der Rente.“ (Betriebsrat) Die Personalabteilung hat uns für die abgeschlossenen Altersteilzeitverträge eine nach Geburtsjahrgängen gegliederte Liste (Stand: Mai 2003) zur Verfügung gestellt, in der pro Einzelvertrag (ohne Namensnennung) die Daten für Beginn und Ende der Altersteilzeit (incl. Ende der Arbeitsphase gemäß Bockmodell) enthalten sind. Auf dieser Basis konnten wir für die einzelnen Geburtsjahrgänge (keine Nennung des Geburtsmonats in der Liste) das Lebensalter kalkulieren, in dem die Beschäftigten jeweils die Arbeitsphase und die Freistellungsphase sowie den Rentenbezug beginnen – jeweils in Verbindung mit der jeweiligen Laufzeit ihres Altersteilzeitvertrages. Die statistische Auswertung lässt eine Systematik in der Nutzung der Altersteilzeit durch die Geburtsjahrgänge 1937 – 1945 erkennen, die zum einen durch die veränderten Rahmenbedingungen (Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit), zum andern durch die – betrieblich und gesellschaftlich geprägten – Vorstellungen über den „richtigen“ Zeitpunkt für das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bestimmt sind. 95 Arbeitnehmerkammer Bremen Abbildung 5: Dauer der Altersteilzeit in Verbindung mit dem Lebensalter (Brauerei Beck & Co) Jahrgang 1937 (16 Fälle) Jahrgang 1938 (21 Fälle) Jahrgang 1939 (25 Fälle) Jahrgang 1940 (40 Fälle) Jahrgang 1941 (25 Fälle) Jahrgang 1942 (32 Fälle) Jahrgang 1943 (16 Fälle) Jahrgang 1944 (23 Fälle) Jahrgang 1945 (14 Fälle) 212 Laufzeit 2 Jahre Laufzeit 3 Jahre Laufzeit 4 Jahre Laufzeit 5 Jahre Alter bei Beginn ArbeitsFreiRente phase stellung Alter bei Beginn ArbeitsFreiRente phase stellung Alter bei Beginn ArbeitsFreiRente phase stellung Alter bei Beginn ArbeitsFreiRente phase stellung 61 13 Fälle 62 63 61 16 Fälle 60 61 1 Fall 62,5 64 61 2 Fälle 63 65 – – – 5 Fälle 62 60 61,5 63 – – – – – – 59 60 62 9 Fälle 60,5 61,5 63,5 62 63 65 59 4 Fälle 61 63 – – – 58 59 61 4 Fälle 60 61 63 62 63 65 – – – 57 58 59 60 61 6 Fälle 59 60 60 62 63 61 62 61 64 65 57 3 Fälle 59,5 62 59 60 12 Fälle 60 61 61 62 58 59 60 61 26 Fälle 59 60 61 62 60 61 62 63 58 59 10 Fälle 59,5 61 60,5 62 58 59 4 Fälle 59 60 60 61 57 58,5 60 12 Fälle 58,5 60 60 61,5 61,5 63 58 59 2 Fälle 59 60 60 61 57 60 3 Fälle 58,5 61,5 60 63 56 58 59 60 9 Fälle 58 60 61 62 60 62 63 64 56 57 58 59 60 18 Fälle 58,5 59,5 60,5 61,5 62,5 61 62 63 64 65 56 1 Fall 57 58 55 57 60 3 Fälle 56,5 58,5 61,5 58 60 63 56 59 2 Fälle 58 61 60 63 55 56 57 58 60 10 Fälle 57,5 58,5 59,5 60,5 62,5 60 61 62 63 65 – – – – – – 56 58 6 Fälle 58 60 60 62 55 56 57 58 17 Fälle 57,5 58,5 59,5 60,5 60 61 62 63 – – – – – – 56 57 3 Fälle 58 59 60 61 55 56 57 58 11 Fälle 57,5 58,5 59,5 60,5 60 61 62 63 74 43 36 Die Schwerpunkte der Phasen in den Feldern sind unterstrichen. 96 59 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Jahrgänge 1937 und 1938 haben nach Einführung der Altersteilzeit im Betrieb (1. März 1998) als ältere Beschäftigte die Chance ergriffen, mehrheitlich die minimale Laufzeit von zwei Jahren zu wählen, um mit 61 oder 62 Jahren das Arbeitsleben beenden zu können (Rentenbezug mit 62 oder 63 Jahren). „Der Regelfall ist in den letzten zwei, drei Jahren fünf Jahre Laufzeit. Als wir damit begonnen hatten, war der Regelfall zwei Jahre Laufzeit. Da gab es eben noch diese Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, die noch eine Vertrauensschutzregelung hatten. Das heißt, einer der ´98 58 war, hat natürlich einen 2-Jahres-Zeitraum gewählt, klar, um schnell zu gehen, man hat die Abschläge damals nicht gehabt. Aber heute haben Sie sehr viele, die fünf Jahre wählen, oder die meisten eigentlich, die wollen fünf Jahre machen.“ (Betriebsrat) Bezogen auf die Lebensstrecke, die die Beschäftigten sich für die 5-jährige verblockte Altersteilzeit aussuchen, „dominiert das Cluster 58 bis 63 Jahre“ (Leiter Personalmanagement) – mit der Absicht, mit ca. 60 Lebensjahren den „Abschied vom Arbeitsleben“ zu nehmen, sowie mit dem Kalkül, die Rentenabschläge zu minimieren (7,2 % mit vollendetem 63. Lebensjahr). Beim Jahrgang 1939 überwiegt bei den Altersteilzeitverträgen gleichfalls die magische Zahl „60“ als Zeitpunkt des tatsächlichen (nicht: rechtlichen) Ausscheidens aus dem Betrieb. Bei diesem Jahrgang treten neben der zweijährigen Laufzeit zunehmend dreijährige Laufzeiten auf, mit denen der Rentenbeginn auf 62 – 63 Jahre gelegt wird (Einsetzen der Rentenabschläge/Beschäftigte ohne Vertrauensschutz). Beim Jahrgang 1940 dominieren gleichfalls noch zweijährige Laufzeiten gegenüber den dreijährigen Laufzeiten – mit dem Schwerpunkt von 59 und 60 Lebensjahren für das tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb. Damit hat sich das Durchschnittsalter, in dem die Beschäftigten ihr Arbeitsleben tatsächlich beenden, vom Jahrgang 1937 bis zum Jahrgang 1940 von 62 bis zu 59 Jahren kontinuierlich abgesenkt. Die hohe Anzahl der Altersteilzeitverträge im Jahrgang 1940 (40 Fälle) könnte dadurch sich erklären, dass die Beschäftigten mit Vertrauensschutz noch keine Rentenabschläge hinnehmen mussten (Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1942, mindestens 45 Jahre Pflichtbeiträge). Beim Jahrgang 1941 dominieren drei- und vierjährige Laufzeiten der Altersteilzeitverträge – wiederum mit dem Schwerpunkt von 60 Lebensjahren für das tatsächliche Ausscheiden aus dem Betrieb. Gleichzeitig wird erkennbar, dass zunehmend mehr Beschäftigte ohne Vertrauensschutz – aufgrund der Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente – den Zeitpunkt des Rentenbeginns „nach hinten“ verlegen (62 bzw. 63 Jahre). Bei den Jahrgängen 1942 und 1943 kommen zwei- und dreijährige Laufzeiten der Altersteilzeitverträge kaum noch vor, es dominieren nunmehr vier- und fünfjährige Laufzeiten. Die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit „ohne Vertrauensschutz“ ist nunmehr (Jahrgang 1937 – Jahrgang 1941) voll „durchgereicht“. Ab Jahrgang 1942 müssen die Beschäftigten 18 Prozent dauerhafte 97 Arbeitnehmerkammer Bremen Rentenminderung hinnehmen, wenn sie mit 60 Lebensjahren die Rente vorzeitig in Anspruch nehmen. Damit wird gegenüber der vierjährigen zunehmend die fünfjährige Laufzeit von den Beschäftigten gewählt, beim Jahrgang 1943 schon wesentlich häufiger als beim Jahrgang 1942, um eine Streckung des Rentenbeginns bis zum vollendeten 63. Lebensjahr zu erreichen (7,2 % Rentenabschläge). Bei der 5-jährigen Laufzeit entfällt bei den Jahrgängen 1942 und 1943 jeweils exakt die Hälfte dieser Altersteilzeitverträge auf die Lebensstrecke „58 – 60,5 – 63“ Jahre (Blockmodell). Bei den Jahrgängen 1944 und 1945 kommen zwei- und dreijährige Laufzeiten der Altersteilzeitverträge überhaupt nicht mehr vor; weiterhin überwiegen – wie schon bei den Jahrgängen 1942 und 1943 – die fünfjährigen deutlich gegenüber den vierjährigen Laufzeiten. In Verbindung mit dem Lebensalter dominiert bei der fünfjährigen Laufzeit die Lebensstrecke „57 – 59,5 – 62“ bzw. „58 – 60,5 – 63“ Jahre. Bei den Jahrgängen 1946 und 1947 lagen nur noch fünfjährige Laufzeiten vor (zusammen 12 Altersteilzeitverträge). Die magische Zahl „60“ hat sich offenbar bei den Beschäftigten als Zielpunkt ihres tatsächlichen „Abschieds vom Arbeitsleben“ etabliert. Die Streckung der Laufzeit des Altersteilzeitvertrages auf das (gemäß Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung) zulässige Maximum von fünf Jahren ermöglicht es den Beschäftigten, die dauerhaften Rentenabschläge in noch vertretbaren Grenzen zu halten (Rentenbezug mit vollendetem 62. Lebensjahr (10,8 %) bzw. mit vollendetem 63. Lebensjahr (7,2 %). Der Anteil der Betriebsrente am zu erwartenden Renteneinkommen dürfte bei einer langen Betriebszugehörigkeit der Brauerei-Beschäftigten diese Abschläge bei der gesetzlichen Rente in etwa ausgleichen. Zusammenfassung Die hohe Nutzung der Altersteilzeit in der Brauerei Beck & Co (Bremen) ist auch auf dem Hintergrund eines relativ hohen Gehaltsniveaus zu sehen. Der Ecklohn (Lohngruppe 4) eines Facharbeiters liegt bei 2500 Euro (Leiter Personalmanagement). „Die 100-Prozent-Gruppe, da sind also alle drinne, die weiter ausgebildet worden sind, bzw. die die ungelernt sind, die ist bei 4750 Mark Grundlohn. Das Ende der Fahnenstange ist im gewerblichen Bereich bei 5600 Mark. Das ist der Grundlohn, dazu kommen dann noch diese 25 Prozent Zulagen für Schichtarbeit.“ (Betriebsrat) Das relativ hohe Gehaltsniveau, die im höheren Lebensalter belastende Schichtarbeit, die vom Betrieb praktizierte „Freiwilligkeit“ der Inanspruchnahme von Altersteilzeit – wie auch der Verzicht des Betriebes auf eine Quotenregelung – führen zu einer umfassenden Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Brauerei-Beschäftigten (95 % der Geburtsjahrgänge gemäß Aussage des Leiters Personalmanagement). „Sie müssen davon ausgehen, dieses Altersteilzeitgesetz ist ja eine schöne Sache, wenn man das erstens auf freiwillige Füße stellt, wenn es zweitens keine Quotierung gibt. Und diese ganzen Dinge, Altersteilzeit zu machen, das können sich nur die großen Firmen leisten, also die Firma kann es sich leisten. Und dann müssen Sie sich 98 Arbeitnehmerkammer Bremen mal das Gehaltsniveau angucken. VW, Beck’s, Mercedes, große Betriebe, die können sich das leisten, die haben auch ein hohes Gehaltsniveau. Jetzt gehe ich mal in den Einzelhandel und sage, eine Verkäuferin mit 3200 Mark, die sollte Altersteilzeit machen, selbst mit den Werten, die wir haben, 85 Prozent, die kann sich das nicht leisten. Wenn Sie dann auch noch einen Tarifvertrag über die betriebliche Altersvorsorge haben, wo die betriebliche Altersvorsorge erst mit 65 ausgezahlt wird, dann kann es doch für die schon gar nicht möglich sein, in Altersteilzeit zu kommen, während das hier relativ problemlos ist. Hier muss man nicht bis 65 warten, bis die Betriebsrente ausgezahlt wird, hier wird die Betriebsrente fällig, sobald es eine gesetzliche Rente gibt, also schon mit 60 wird die Betriebsrente einsetzen, wenn einer mit 58 anfängt, zwei Jahre Altersteilzeit zu machen, und dann mit 60 die Altersrente nach Altersteilzeit bezieht.“ (Betriebsrat) Aus beschäftigungspolitischer Sicht ist hervorzuheben, dass der Betrieb die Stellen der über Altersteilzeit ausscheidenden Mitarbeiter umfassend wieder besetzt (sowohl mit Arbeitslosen als auch mit Ausgebildeten). Der Betrieb hat eine Ausbildungsquote von 6 Prozent (Facharbeiter/Fachangestellte). Die vom Betrieb Ausgebildeten werden vom Betrieb weitgehend übernommen (Erstattung der gesetzlichen Altersteilzeitleistungen durch das Arbeitsamt im Falle der Wiederbesetzung). „Ja, als wir ´98 damit angefangen hatten, da hatten wir ja diese 1440 Mitarbeiter noch, und die haben wir heute auch. Das heißt, diese 200 Leute sind ersetzt worden, selbstverständlich dann aber auch durch die Jüngeren. Hier wird Altersteilzeit nicht für Personalabbau benutzt. Wir hatten hier, als wir damit begonnen hatten, im März 98, wohl so 1440 Mitarbeiter, die haben wir heute auch. Das heißt, die 200, die, wenn Sie so wollen, nicht mehr im Betrieb sind, bzw. die jetzt nicht mehr in der aktiven Phase sind, die sind ersetzt worden. Da hat sich nichts an der Gesamtzahl geändert. Es mussten Neueinstellungen vorgenommen werden.“ (Betriebsrat) Weitere Informationen Brauerei Beck & Co Am Deich 18/19 28199 Bremen Personalabteilung Herr Mailand Tel.: 0421 / 50 94 43 06 Betriebsrat Herr Beneke Tel.: 0421 / 50 94 48 18 99 Arbeitnehmerkammer Bremen Teil III Nutzung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst des Landes Bremen Rechtsgrundlagen Rahmenbedingungen Entwicklung der Altersstruktur Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen Altersstruktur und Personalplanung 100 Arbeitnehmerkammer Bremen Öffentlicher Dienst des Landes Bremen Rechtsgrundlagen Im öffentlichen Dienst besaßen die Angestellten und Arbeiter/innen mit dem „Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit“ bereits ab dem 1. Mai 1998 Anspruch auf Altersteilzeitarbeit. Dieser Tarifvertrag enthielt sogar einen individuellen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit ab vollendetem 60. Lebensjahr. Eine Anspruchseinschränkung bestand darin, dass der Arbeitgeber die Altersteilzeit verweigern konnte, „wenn dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dagegen stehen“. Die Arbeitnehmer/innen hatten die üblichen Voraussetzungen zu erfüllen: Sie mussten das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren zurückgelegt haben, weiterhin mussten sie in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre lang vollzeitbeschäftigt gewesen sein. Das individuelle Nettoarbeitsentgelt muss zusammen mit der steuer- und sozialversicherungsfreien Aufstockungsleistung den Mindestnettobetrag von 83 Prozent des bisherigen Vollzeit-Nettoarbeitsentgeltes erreichen. Die Beiträge des Arbeitgebers an die Rentenversicherung werden gemäß der gesetzlichen Regelung auf 90 Prozent des Vollzeitarbeitsentgeltes angehoben. Die teilweise Kompensation für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug fällt dagegen äußerst gering aus: Gemäß Tarifvertrag ATZ (Mai 1998) erhält ein/e Beschäftigte/r im öffentlichen Dienst für je 0,3 Prozent Rentenabschlag eine Abfindung von 5 Prozent des Entgelts im letzten Monat vor Ende der Altersteilzeit. Diese geringe Kompensation von Rentenabschlägen ist im neuen Tarifvertrag Altersteilzeit der Gewerkschaft ÖTV erhalten geblieben (Jahr 2000). Im Gegensatz zu vielen Tarifverträgen von Industriegewerkschaften, die ausschließlich das Blockmodell vorgeben, zeichnet sich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV (Mai 1998) bei der Verteilung der Arbeitszeit dadurch aus, dass während der Altersteilzeitarbeit alle Formen der Verteilung möglich sind. Außer dem tariflich geregelten langfristigen Blockmodell (maximale Dauer: bis zu zehn Jahren) können die Arbeitnehmer/innen auch andere, den Vorschriften des Altersteilzeit-Gesetzes entsprechende Gestaltungsformen wählen: Neben der traditionellen „Halbtagsbeschäftigung“ kann auch ein variables „Teilzeitmodell“ gewählt werden, bei dem im täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Rhythmus Arbeit und Freizeit einander abwechseln. Diese Wahlmöglichkeit ist im Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Tarifrunde 2000 erhalten geblieben. Hinsichtlich der Altersteilzeit-Regelung ist hervorzuheben, dass es den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ÖTV, DAG, usw.) in der Tarifrunde 2000 gelang, die Änderungen des Altersteilzeit-Gesetzes im Tarifvertrag zur Altersteilzeit zügig aufzunehmen. Während die Teilzeitbeschäftigten gemäß dem 1. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit ab dem 1. Januar 2000 einen gesetzlichen Anspruch auf Altersteil101 Arbeitnehmerkammer Bremen zeit haben, haben gemäß Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV die Teilzeitbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ab dem 1. Juli 2000 erstmals einen tariflichen Anspruch auf Altersteilzeit. Die Laufzeit des Tarifvertrages zur Altersteilzeit ist im öffentlichen Dienst – im Gegensatz zu den Tarifverträgen in der privaten Wirtschaft – unbefristet. Die Altersteilzeit kann weiterhin auf bis zu zehn Jahre verteilt werden. Die Förderhöchstdauer ist mit dem 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (in Kraft ab 1. Juli 2000) von fünf auf sechs Jahre – und die Mindestnachbesetzungsdauer gleichfalls um ein Jahr von drei auf vier Jahre – erhöht worden. Selbst wenn keine Förderung der Bundesanstalt für Arbeit über diesen Zeitraum hinweg erfolgt, haben die Arbeitnehmer/innen Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungsbeträge für die gesamte Dauer des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses. Das Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis muss für die Dauer von mindestens zwei Jahren vereinbart werden, um den Anspruch auf die „Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit“ mit 60 Jahren zu erwerben. Nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit ist es ansonsten aber auch möglich, eine kürzere Dauer der Altersteilzeit zu vereinbaren. Aufgrund der Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeit-Gesetzes (in Kraft ab 1. Juli 2000) vom 31. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2009 muss demnach gemäß der aktuellen Gesetzeslage ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis noch vor dem 1. Januar 2010 beginnen. Damit wird den Beschäftigten und den Dienstvertragsparteien ein weiter Planungshorizont für die individuelle und betriebliche Personalentwicklung eingeräumt. Im öffentlichen Dienst des Landes Bremen bildet ausschließlich der Tarifvertrag der Gewerkschaft ÖTV zur Altersteilzeit die Rechtsgrundlage für die Angestellten und Arbeiter/innen. Vom Gesamtpersonalrat wurde keine zentrale Regelung (Dienstvereinbarung) mit dem Arbeitgeber für diese Beschäftigten abgeschlossen. Rahmenbedingungen Aufgrund der „Haushaltsnotlage“ des Landes Bremen bilden „Personaleinsparungen“ im öffentlichen Dienst eine zentrale Steuerungsgröße für die Entwicklung des Personalbestandes. Während im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 die Personalausgaben in den westlichen Bundesländern im Durchschnitt um 10 Prozent gestiegen sind, sind sie demgegenüber im Lande Bremen um 10 Prozent gesunken. Diese Senkung der Personalausgaben beruht zu einem großen Anteil auf der Ausgliederung von Betrieben und Sonderhaushalten aus dem Kernbereich der öffentlichen Verwaltung. Etwa seit 1995 liegen die Personalausgaben auf nahezu konstantem Niveau – bei gleichzeitig rückläufigem Personalbestand im öffentlichen Dienst (Land Bremen). „Die Konstanz der Personalausgaben bedeutet, dass alle kostensteigernden Faktoren wie wachsende Versorgungsausgaben oder Tarif- und Besoldungserhöhungen vor allem durch die Reduzierungen des Beschäftigungsvolumens kompensiert werden. Darum war es erforderlich, das Beschäftigungsvolumen gegenüber 1994 um 3.017 Vollkräfte zu reduzieren. (...) Während das Sanierungsziel im Jahre 2000 voll erreicht wurde, bleiben bei der Realisierung personalwirtschaftlicher Ziele die Probleme der Vorjahre weiterhin bestehen, auch wenn eine leichte Verbesserung eingetreten ist. 102 Arbeitnehmerkammer Bremen Das personalwirtschaftliche Ziel besteht darin, dass trotz Personalabbaus der Umfang von öffentlicher Beschäftigung und Ausbildung im gesamten „Konzern Bremen“ (nach Kopfzahlen) kostenneutral tendenziell aufrecht erhalten wird, unter Einsatz neuer personalwirtschaftlicher Instrumente sowie bei erheblichen Veränderungen in den Strukturen und (auch tarifvertraglichen) Bedingungen von Beschäftigung und Ausbildung. Der Prozess der Haushaltskonsolidierung bedeutet demnach nicht nur eine sozialverträgliche Reduzierung der Personalausgaben, sondern vor allem auch die Sicherstellung beschäftigungs- und ausbildungspolitischer Effekte zur Revitalisierung des Personalkörpers im Konzern Freie Hansestadt Bremen.“40 Als Kennzahl für die Messung der Zielerreichung wird die Zahl der Beschäftigten pro Beschäftigungsvolumen genommen. Zwischen 1993 und 1995 hat sich diese Kennzahl verschlechtert, seit 1996 wieder verbessert. Der Zuwachs der Teilzeitquote hat wesentlich zu dieser Verbesserung beigetragen, sie stieg zwischen 1995 und 2000 von 27,4 Prozent auf 32,5 Prozent. Dieser Anstieg wurde seit 1998 wesentlich durch die wachsende Inanspruchnahme der Altersteilzeit verursacht. „Ein weiteres personalwirtschaftliches Ziel besteht in der Realisierung einer differenzierten und ausgewogenen Personalstruktur. Dazu dienen die Personalkennzahlen (...). Fünf Kennzahlen stehen hierbei im Vordergrund, die im folgenden in der zeitlichen Entwicklung und im Soll-/Ist-Vergleich für das Jahr 2000 dargestellt werden sollen.“41 Tabelle 1: Entwicklung der Personalkennzahlen im Kernbereich insgesamt (in %) Personalstruktur 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Alter unter 35 Jahren 16,3 15,6 15,2 14,6 14,2 13,7 13,0 12,7 Alter über 55 Jahren 11,8 13,5 14,3 16,1 17,0 17,8 19,6 20,6 Frauenquote 50,4 50,1 50,2 50,1 50,2 50,3 50,3 50,5 Teilzeitbeschäftigte 27,8 27,4 27,4 27,8 28,5 28,6 30,7 32,5 5,7 5,6 5,6 5,8 5,9 6,0 5,9 Schwerbehindertenquote Der Anteil der weiblichen Beschäftigten an den Beschäftigten ist konstant bei 50 Prozent geblieben. Die Teilzeitquote der Beschäftigten ist von ca. 27 Prozent auf 32,5 Prozent gestiegen. Der Anteil der Beschäftigten im Alter von unter 35 Jahren ist 40 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, Personalentwicklung, Band I, Hrsg. vom Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Einleitung. 41 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 5. 103 Arbeitnehmerkammer Bremen kontinuierlich gesunken, während parallel dazu der Anteil der Beschäftigten im Alter von über 55 Jahren kontinuierlich gestiegen ist (von 11,8 % im Jahr 1993 auf 20,6 % im Jahr 2000). Gemäß der Darstellung der Behörde zeigt der Soll-IstVergleich Diskrepanzen bei den Anteilen der jüngeren und älteren Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf (vgl. Tab. 2). Tabelle 2: Soll-Ist-Vergleich der Personalkennzahlen im Kernbereich insgesamt (2000) (in %) Personalstruktur Soll Ist Alter unter 35 Jahren 16,0 12,7 Alter über 55 Jahren 18,0 20,6 Frauenquote 50,0 50,5 Teilzeitbeschäftigte 32,0 32,5 6,0 5,9 Schwerbehindertenquote Verteilung der Beschäftigten im Jahr 2000: „Von den 37.603 Mitarbeiter/innen entfielen 22.415 auf den Kernbereich der bremischen Verwaltung, 2.290 auf die Betriebe, 4.302 auf die Sonderhaushalte, 81 auf die Stiftungen des Öffentlichen Rechts, 102 auf die Bremer Entsorgungsbetriebe und 8.251 auf die Zentralkrankenhäuser. 40,4 Prozent aller Beschäftigten sind demnach in Organisationseinheiten tätig, die entweder nach kaufmännischen Prinzipien geleitet und durch Wirtschaftspläne gesteuert werden oder zumindest im Rahmen der Zuschussgewährung der öffentlichen Haushalte über eine erhöhte Autonomie im Haushaltsvollzug verfügen.“42 Zwischen 1993 und 2000 ist die Zahl der Beschäftigten von 24.517 auf 20.911 gesunken (Rückgang um 14,7 %), zwischen 1993 und 2001 ist der Personalbestand um 3.788 Personen gesunken (Rückgang um 15,5 %). Entwicklung der Altersstruktur Die „restriktive Einstellungspraxis“ hat im Zusammenhang mit der Verringerung des Beschäftigungsvolumens (PEP-Quote = 2 Proz./Jahr) im Sanierungszeitraum zur Alterung der Belegschaft geführt: Von 1993 bis 2001 ist das Durchschnittsalter der Beschäftigten im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung von 44,5 Jahren auf 47,1 Jahre gestiegen. 42 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 12. 104 Arbeitnehmerkammer Bremen Das folgende Schaubild zeigt die Verschiebung der Alterskurve nach oben (Sanierungszeitraum 1993 – 2000). Beide Kurven weisen jeweils zwei Gipfel mit einem dazwischen liegenden Tal auf: Der Geburtsjahrgang 1948 (im Jahre 1993 im Alter von 45 Jahren, im Jahre 2000 im Alter von 52 Jahren) bildet den ersten Gipfel, der Geburtsjahrgang 1943 (im Jahre 1993 im Alter von 50 Jahren, im Jahre 2000 im Alter von 57 Jahren) bildet den zweiten Gipfel – dazwischen liegt das Tal mit dem Geburtsjahrgang 1945 (Geburtenrückgang nach Kriegsende): im Jahre 1993 im Alter von 48 Jahren und im Jahre 2000 im Alter von 55 Jahren. In den nächsten sieben Jahren (2003 – 2010) werden gemäß dem aktuellen Abgangsverhalten der älteren Beschäftigten die geburtenstarken Kriegsjahrgänge aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden (2. Gipfel). Der erste Gipfel (Geburtsjahrgang 1948) würde im Jahre 2010 (Alter von 62 Jahren) den Endpunkt einer mehr oder minder stetig ansteigenden Kurve bilden – das absolute Gegenbild zu einer Gauß’schen Normalverteilung! Schaubild 1: Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (1993 und 2000) 105 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Entwicklung der Altersstruktur im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 wird im Jahresbericht 2000 von der Behörde wie folgt kommentiert: „Auffallend ist die Schere auf der linken Seite der Kurve bis zum Alter von 48 Jahren. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf die Wirkungen einer restriktiven Einstellungspraxis der vergangenen Jahre gegenüber dem hohen Einstellungsniveau der 60er- und 70erJahre. Die Rechtsverlagerung der Kurve ist nicht auf ein verändertes Abgangsverhalten zurückzuführen, sondern auf eine stärkere Besetzung der einzelnen Jahrgänge. Eine systematische Altersabhängigkeit der Abgänge beginnt mit 56 Jahren. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden im Durchschnitt immer älter. 1993 betrug das Durchschnittsalter 44,5 Jahre; 2000 ist es auf 46,8 Jahre angestiegen.“43 Auch in der Sicht des Arbeitgebers bildet die Altersstruktur im öffentlichen Dienst „ein Problem“44 – Antworten zur Lösung dieses Problems werden im Jahresbericht 2000 jedoch nicht gegeben, auch wenn die Notwendigkeit zur „Revitalisierung des Personalkörpers“ hervorgehoben wird. Die Aufgliederung der Beschäftigten nach Alter und Geschlecht (vgl. Schaubild 2) zeigt, dass im Jahre 2000 die Beschäftigten im Alter von unter 50 Jahren häufiger Frauen als Männer sind, während bei den Beschäftigten im Alter von über 50 Jahren die Männer gegenüber den Frauen überwiegen (Gipfel der männlichen Beschäftigten: 57 Lebensjahre im Jahre 2000, demnach im Jahre 2003 bereits 60 Jahre alt). 43 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 22. 44 Vgl. den Artikel im Weser-Kurier von W. Gerling: „Auffälliger Reifegrad unter Staatsdienern“ (27. Nov. 2002), in dem über die Vorstellung des Jahresberichtes 2001 berichtet wird: „Bürgermeister Perschau machte keinen Hehl daraus, dass die Altersstruktur „ein Problem“ sei – nicht zuletzt bei den Lehrkräften.“ 106 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 2: Beschäftigte im öffentlichen Dienst nach Alter und Geschlecht (2000) ◆ männlich weiblich Die Aufgliederung der Altersstruktur nach den drei Statusgruppen (vgl. Schaubild 3) zeigt ein überraschendes Ergebnis: Das Problem der schiefen Altersverteilung ist in erster Linie ein „Beamtenproblem“ (Gipfel bei 51 – 52 Lebensjahren sowie bei 56 – 57 Lebensjahren im Jahre 2000). Die Unkündbarkeit von Beamten nimmt dem öffentlichen Arbeitgeber die Möglichkeit, die schiefe Altersverteilung in Richtung einer normalen Altersstruktur zu verändern. „Die Altersstruktur der Angestellten und Arbeiter ist relativ ausgewogen. Nur bei den Beamten ist eine relative „Überalterung“ zu verzeichnen. Dies gilt insbesondere für die männlichen Beamten. Ihr Durchschnittsalter beträgt 48,0 Jahre. Die hohe Zahl der Beamten,die 44 Jahre oder älter sind, ist die Ursache für die zunehmende Fluktuation und die wachsenden Versorgungslasten.“45 45 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 24. 107 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 3: Altersstruktur der Beschäftigten nach Statusgruppen (2000) Schaubild 4: Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen (2000) 108 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Aufgliederung der Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen (Schaubild 4) zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den vier Laufbahngruppen: „Im gehobenen und höheren Dienst existiert eine ungünstige Altersverteilung. Dies gilt insbesondere für die männlichen Bediensteten. Ihr Durchschnittsalter im gehobenen Dienst beträgt 49,0 Jahre und im höheren Dienst 52,5 Jahre. Dies zeigt, dass eine vordringliche Aufgabe des Personalmanagements in den nächsten zehn Jahren darin bestehen wird, die Führungsfunktionen des bremischen öffentlichen Dienstes neu zu besetzen (...) Die Altersstruktur der Bediensteten im mittleren Dienst ist ausgeglichen. Ihr Durchschnittsalter beträgt 42,5 Jahre.“46 Allein bei den Beschäftigten im mittleren Dienst überwiegen die unter-45-jährigen gegenüber den über-45-jährigen Beschäftigten, bei den Beschäftigten im gehobenen und im höheren Dienst überwiegen – mit ähnlichem Kurvenverlauf auf unterschiedlichem Niveau – massiv die über-45-jährigen „Bediensteten“ (vgl. Schaubild 4). Bei den Beschäftigten im gehobenen Dienst liegt das höchste Plateau zwischen zwei Gipfeln (48 und 52 Lebensjahre) und nach dem „Geburtenknick“ des Geburtsjahrgangs 1945 folgt nochmals ein – etwas niedrigerer – Gipfel (58 Lebensjahre). Ab 58 Jahren geht es dann „bergab“ (steiler Rückgang der Kurve der älteren „Bediensteten“ des gehobenen Dienstes). Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung Die Struktur der Teilzeitarbeit wird durch die Entwicklung der Altersteilzeitarbeit zunehmend modifiziert. Während im öffentlichen Dienst von 1993 – 1998 die Teilzeitquote relativ konstant bei ca. 28 Prozent lag, ist sie seit Einführung der Altersteilzeit (Tarifvertrag Altersteilzeit gilt seit 1. Mai 1998) deutlich gestiegen – auf nunmehr ein Drittel der Beschäftigten. Tabelle 3: Beschäftigte nach Vollzeit- und Teilzeitarbeit (1993 bis 2000) Voll-/Teilzeit insgesamt 1993 1994 1995 Anzahl 1996 1997 1998 1999 2000 24.517 24.044 23.400 23.017 22.522 21.918 21.442 20.911 davon: Vollzeitbesch. Teilzeitbesch. Teilzeit-Quote 46 17.702 17.466 16.999 16.624 16.111 15.659 14.852 14.105 6.815 6.578 6.401 6.393 6.411 6.259 6.590 6.806 27,8 % 27,4 % 27,4 % 27,8 % 28,5 % 28,6 % 30,7 % 32,5 % Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 24 f. 109 Arbeitnehmerkammer Bremen Bei den Vollzeitbeschäftigten ist im Sanierungszeitraum 1993 – 2000 die Anzahl der Beschäftigten beständig gesunken, bei den Teilzeitbeschäftigten ist von 1993 bis 1998 gleichfalls ein Personalabbau zu verzeichnen, nach der Einführung der Altersteilzeit steigt jedoch die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten auf ca. 6.800 Personen im Jahre 2000 (und erreicht damit wieder das Ausgangsniveau des Jahres 1993). Der Anstieg der Teilzeit-Quote ist demnach dem Wechsel von älteren Vollzeit-Beschäftigten in Altersteilzeit geschuldet. „Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter/innen ist zwischen 1993 und 2000 von 27,8 Prozent auf 32,5 Prozent angestiegen. Er betrug 1999 bei den Ländern 23,8 Prozent, bei den Gemeinden 29,8 Prozent, bei den Ländern und Gemeinden 26 Prozent. In Bremen ist dieser Anteil relativ hoch; vor allem wenn bedacht wird, dass der gesamte Hochschul- und Kliniksektor mit in der Regel höheren Teilzeitanteilen fehlt. Sehr ausgeprägt ist die geschlechtsspezifische Verteilung. Etwas mehr als die Hälfte aller Mitarbeiterinnen sind teilzeitbeschäftigt. Die Teilzeitquote der männlichen Beschäftigten liegt bei 10,4 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr, begünstigt durch die Effekte der Altersteilzeit, um 2,4 Prozentpunkte angestiegen.“47 Bei den Angestellten im öffentlichen Dienst des Landes Bremen beträgt die TeilzeitQuote im Durchschnitt 40 Prozent, bei den Beamten und Richtern im Durchschnitt 22 Prozent (Jahr 2000). Im Gegensatz zur „Vollzeitkultur“ der männlich dominierten Industriebetriebe besteht im öffentlichen Dienst (Frauen-Quote = 50 %) eine ausgeprägte „Teilzeitkultur“: Ab 25 Lebensjahren steigt mit zunehmendem Lebensalter die Teilzeit-Quote bis zum 45. Lebensjahr – mit gewissen Ausschlägen – tendenziell an: von ca. 10 Prozent bis auf ca. 40 Prozent (vgl. Schaubild 5). Diese Zunahme der Teilzeitarbeit dürfte weitgehend mit der Familienphase im Lebenslauf der weiblichen Beschäftigten korrespondieren. Vom 45. bis zum 54. Lebensjahr sinkt die TeilzeitQuote von ca. 40 Prozent auf ca. 25 Prozent: Dieser altersbedingte Rückgang der Teilzeit-Quote liegt v. a. an dem sinkenden Anteil der Frauen an den älteren Beschäftigten. Ab dem 55. Lebensjahr – also mit dem Mindestalter für den Einstieg in die Altersteilzeit – steigt wieder die Teilzeit-Quote (Gipfel: 60 – 61 Lebensjahre), nach diesem Gipfel (Teilzeit-Quote: ca. 47 %) sinkt sie in der Tendenz (Ausscheiden von Altersteilzeit-Beschäftigten ). Das Problem der alternden Belegschaft wird also durch den Übergang von vielen älteren Beschäftigten in Altersteilzeit zumindest teilweise „entschärft“. 47 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 25. 110 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 5: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Beschäftigten nach Lebensjahren (2000) Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung Die Auswertung der Behörde (Referat 32) für das Jahr 2000 zeigt, dass bereits gegenüber dem Vorjahr (1999) eine erhebliche Steigerung der Altersteilzeitfälle zu verzeichnen ist: Im Jahre 1999 haben insgesamt 535 Personen die Altersteilzeit in Anspruch genommen (78 % dieser Personen haben das Blockmodell und 22 % das Teilzeitmodell gewählt), im Jahre 2000 haben bereits 865 Personen die Altersteilzeit in Anspruch genommen (80 % haben das Blockmodell und 20 % das Teilzeitmodell gewählt). Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben gemäß Tarifvertrag zur Altersteilzeit (1998) die Möglichkeit, zwischen Block- und Teilzeitmodell zu wählen. „Mit der Altersteilzeit, die 1998 für die Arbeitnehmer und mit Wirkung zum 01. April 1999 auch für den Beamtenbereich eingeführt wurde, steht für den gesamten Öffentlichen Dienst ein neues personalwirtschaftliches Instrument zur Regelung des Abgangsverhaltens zur Verfügung.“48 Unabhängig von den beiden Modellen der Altersteilzeit „bleiben die Beschäftigten während des gesamten Zeitraums der Alters- 48 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 28. 111 Arbeitnehmerkammer Bremen teilzeit als Teilzeitbeschäftigte im Beschäftigungsverhältnis, die Ausgaben für die Beschäftigten in Altersteilzeit betragen während dieser Zeit rd. 70 Prozent der vorherigen Ausgaben.“49 Waren Ende 1999 von den 417 im Blockmodell Beschäftigten erst 7 Personen in der Freistellungsphase (1,7 %), so befanden sich Ende 2000 von den 689 im Blockmodell Beschäftigten bereits 88 Personen in der Freistellungsphase (12,7 %). Während die Altersteilzeitquote der Beschäftigten im Alter von 55 bis zu 64 Jahren Ende 1999 lediglich 10,4 Prozent betrug, ist diese Altersteilzeitquote Ende 2000 bereits auf 17,4 Prozent angestiegen. Während der Anteil der Beamten an den Altersteilzeitfällen Ende 1999 ca. 74 Prozent betrug, ist dieser Anteil Ende 2000 bereits auf 80 Prozent angestiegen. Dieser hohe Anteil der Beamten an der Altersteilzeit wird auf die hohe Nutzung der Altersteilzeit durch das Lehrpersonal zurückgeführt. Tabelle 4: Altersteilzeitfälle nach Alter und Form des Altersteilzeitmodells (2000) ALTERSTEILZEIT Alter 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 Insgesamt Blockmodell Aktiv Abwesend 35 96 106 91 86 75 69 31 11 1 601 3 2 10 36 12 13 12 88 Teilzeitmodell Insgesamt 12 16 22 24 20 29 25 20 6 1 1 176 50 114 128 125 142 116 107 63 17 2 1 865 Betrachtet man das Lebensalter, in dem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sich (im Jahre 2000) in Altersteilzeit befanden, so zeigt sich, dass die Lebensjahre von 56 bis zu 61 Jahren den Schwerpunkt der Altersteilzeitfälle ausmachen (pro Lebensjahr mehr als 100 Personen). Aus dieser Statistik ist noch nicht ersichtlich, über welche Laufzeit die jeweilige Altersteilzeitphase dieser Personen sich erstreckt. 49 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 28. 112 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Aufgliederung der Altersteilzeit-Beschäftigten nach Alter und Geschlecht (Jahr 2000) zeigt gleichfalls, dass die Beschäftigten im Alter von 58 bis zu 62 Lebensjahren überdurchschnittlich von der Altersteilzeit Gebrauch machen (Durchschnitt der Altersteilzeitquote = 17,4 %), wobei der höchste Wert (31,3 %) im 61. Lebensjahr erreicht wird (vgl. Tab. 5). Auch hier gilt, dass in Abhängigkeit von der Laufzeit des Altersteilzeitvertrages die Altersverteilung sich weiter „nach oben“ verschieben kann, während gleichzeitig „von unten“ (ab 55. Lebensjahr) neue Jahrgänge in Altersteilzeit nachrücken. Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist weiter gestiegen: Vom zuständigen Leiter des Referates Personalcontrolling und Personalplanung des Senators für Finanzen sind auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer Bremen (Mai 2002) die folgenden Zahlen genannt worden (Durchschnittswerte von Altersteilzeitfällen pro Jahr; diese Zahlen fallen wegen des unterschiedlichen Abgangsverhaltens im Jahresverlauf etwas anders aus als die in den Jahresberichten jeweils für das Jahresende genannten Zahlen): 522 Personen befanden sich im Durchschnitt im Jahre 1999 in Altersteilzeit, im Jahre 2000 bereits 682 Personen und im Jahre 2001 lagen sogar insgesamt 1417 Altersteilzeitfälle vor. Welche Zahlen man auch immer nimmt: Die Inanspruchnahme von Altersteilzeit steigt – auf dem Hintergrund des hohen Lebensalters insbesondere der höheren Beamten – unaufhörlich an! Tabelle 5: Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht (2000) Alter 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 Insgesamt Beschäftigte insges. männlich weiblich 372 471 522 392 368 290 229 170 98 53 4 2.969 296 348 360 294 252 190 113 87 42 21 3 2.006 Altersteilzeit insges. männlich weiblich 26 83 96 82 85 79 79 41 10 1 0 582 24 31 32 43 57 37 28 22 7 1 1 283 113 Altersteilzeitquote männlich weiblich insgesamt 7,0 % 17,6 % 18,4 % 20,9 % 23,1 % 27,2 % 34,5 % 24,1 % 10,2 % 1,9 % 0,0 % 19,6 % 8,1 % 8,9 % 8,9 % 14,6 % 22,6 % 19,5% 24,8 % 25,3 % 16,7 % 4,8 % 33,3 % 14,1 % 7,5 % 13,9 % 14,5 % 18,2 % 22,9 % 24,2 % 31,3 % 24,5 % 12,1 % 2,7 % 14,3 % 17,4 % Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 6: Altersteilzeitfälle nach Alter und Statusgruppen (2000) Alter 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 Insgesamt Beschäftigte in Altersteilzeit Beamte Angestellte Arbeiter Summe 42 8 50 95 17 2 114 103 22 3 128 102 22 1 125 91 40 11 142 90 22 4 116 93 11 3 107 60 3 63 16 1 17 2 2 1 1 695 146 24 865 Der Anteil der Beamten an den Beschäftigten in Altersteilzeit fällt mit 695 Beschäftigten am höchsten aus (80,3 %). „Dieser Anteil ist auf die hohe Zahl der Altersteilzeitfälle aus dem Lehrpersonal zurückzuführen; hier waren Ende 2000 345 Altersteilzeitfälle zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass im Arbeitnehmerbereich durch vorangegangene Regelungen, wie die 58er-Regelung, bereits potentielle Altersteilzeitkandidaten ausgeschieden sind.“50 Im öffentlichen Dienst des Landes Bremen konnten die Angestellten und Arbeiter/innen weiterhin mit der sog. 58er-Regelung vorzeitig aus ihren Arbeitsverhältnissen ausscheiden: „Durch eine mit dem Gesamtpersonalrat am 27. Mai 1994 getroffene Vereinbarung sind Möglichkeiten für eine einvernehmliche vorzeitige Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Verbindung mit einer Absicherung der ausscheidenden Mitarbeiter/innen durch Arbeitslosengeld und Rente (58er-Regelung) geschaffen und in den Folgejahren wiederholt neu aufgelegt worden. Nach der o.g. Vereinbarung konnten Angestellte und Arbeiter, die mindestens 58 Jahre alt sind, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen unter Zahlung einer Abfindung (Überbrückungshilfe) vorzeitig aus ihren Arbeitsverhältnissen ausscheiden.“51 Insgesamt sind im Jahre 2000 138 Beschäftigte aufgrund dieser Regelung ausgeschieden (ca. 20 % Angestellte und ca. 80 % Arbeiter/innen). Die Nutzung der Altersteilzeit ist in den einzelnen Personalgruppen unterschiedlich ausgeprägt (vgl. Tabelle 7): Über dem Durchschnitt der Altersteilzeitquote (17,4 %/Jahr 2000) liegen das Strafvollzugspersonal (25 %), das Lehrpersonal (25 %) 50 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 29. 51 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 35. 114 Arbeitnehmerkammer Bremen sowie das Steuerpersonal (27 %). Betrachtet man die Personalgruppen, die die höchsten Beschäftigtenzahlen von Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten aufweisen, nämlich das Lehrpersonal mit ca. 2000 Personen sowie das Verwaltungspersonal mit nicht ganz 1100 Personen, dann machen die Altersteilzeit-Beschäftigten aus diesen beiden Personalgruppen 77 Prozent aller Altersteilzeitfälle im öffentlichen Dienst aus (während die Beschäftigten aus dem Verwaltungs- und Lehrpersonal im Alter von 55 bis zu 65 Jahren insgesamt nur 62 Prozent aller Beschäftigten dieser Altersgruppe im öffentlichen Dienst bilden). Während das Teilzeitmodell insgesamt von 20 Prozent aller in Altersteilzeit Beschäftigten gewählt wurde (Jahr 2000), weist das Lehrpersonal eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme (28 %) des Teilzeitmodells auf. Tabelle 7: Altersteilzeitfälle nach Personalgruppen und Form des Altersteilzeitmodells (2000) Personalgruppe Verwaltungspersonal in Altersteilzeit Blockmodell TeilzeitAktiv Abwesend modell Beschäftigte zw.55 u.65 J. insgesamt 161 14,8 % 1.087 111 29 Polizei 1 1 2 0,6 % 347 Feuerwehr 9 9 18 18,6 % 97 21 2 25 11,4 % 219 8 2 10 25,0 % 40 345 16 143 504 25,2 % 1.997 4 2 2 8 8,2 % 98 Technisches Personal 21 6 1 28 14,7 % 190 Steuerpersonal 37 4 3 44 27,0 % 163 0,0 % 271 Justizpersonal/ordentl. Gerichte Strafvollzugspersonal Lehrpersonal Erziehungspersonal 21 insgesamt AltersteilzeitQuote 2 Raumpflegerinnen Sonstige Personalgruppen insgesamt 44 17 4 65 13,9 % 466 601 88 176 865 17,4 % 4.975 Inanspruchnahme der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst Zum Zeitpunkt unserer Erhebung im öffentlichen Dienst (Ende 2001/Anfang 2002) hat das Referat 32 auf unseren Wunsch hin eine statistische Auswertung zur Altersteilzeit im bremischen öffentlichen Dienst vorgenommen. Diese Auswertung beruht auf den Gehaltsdaten (Nov. 2001). Im Gegensatz zur Auswertung im Jahresbericht 2000, welche ausschließlich das Personal im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung enthält, umfasst diese Auswertung nicht nur das Personal dieses Kernbereiches, sondern auch das Personal der Betriebe (ohne Zentralkrankenhäuser und ohne Bremer Entsorgungsbetriebe), sowie das Personal der Sonderhaushalte und der 115 Arbeitnehmerkammer Bremen Stiftungen des öffentlichen Rechts. Damit ergibt sich eine größere Grundgesamtheit: Waren Ende 2000 im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung insgesamt 4.975 Beschäftigte im Alter zwischen 55 und 65 Jahren, so waren Ende 2001 unter Berücksichtigung der weiteren Bereiche insgesamt 6.385 Beschäftigte in dieser Altersgruppe, die den Kreis der Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten bildet. Betrug die Altersteilzeitquote der älteren Beschäftigten im Kernbereich (Ende 2000) im Durchschnitt 17,4 Prozent, so beträgt sie (allerdings nahezu ein Jahr später: Nov. 2001) unter Einschluss der weiteren Bereiche im Durchschnitt 25,1 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten in Altersteilzeit fällt im weiteren Bereich des öffentlichen Dienstes mit 1.603 Personen (Nov. 2001) fast doppelt so hoch aus wie im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung (Ende 2000: 865 Personen). Damit ergeben sich nicht nur andere Niveaus in der Nutzung der Altersteilzeit, sondern auch andere Strukturen – mit Blick auf das Alter und das Geschlecht der Altersteilzeit-Beschäftigten im öffentlichen Dienst: Während im engeren Personalbereich (Ende 2000) die Altersteilzeitquote der männlichen Beschäftigten (19,6 %) deutlich über der der weiblichen Beschäftigten (14,1 %) lag, lässt sich im weiteren Personalbereich (Nov. 2001) dagegen eine etwas höhere Teilnahme der weiblichen Beschäftigten an Altersteilzeit (27 %) gegenüber der Beteiligung der männlichen Beschäftigten (24 %) feststellen. Wie der Blick auf die folgende Tabelle zeigt, konzentriert sich die Nutzung der Altersteilzeit auf die Jahrgänge vom 57. bis zum 62. Lebensjahr. Mit 55 und 56 Lebensjahren wechseln noch nicht so viele Beschäftigte in Altersteilzeit, vom 57. bis zum 58. Lebensjahr befindet sich bereits ein Viertel der Anspruchsberechtigten in Altersteilzeit, vom 60. bis zum 62. Lebensjahr befindet sich sogar ein Drittel der Anspruchsberechtigten in Altersteilzeit, mit dem 63. Lebensjahr wird – sowohl absolut als auch relativ betrachtet – eine Zäsur erkennbar (Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst). Das durchschnittliche geplante Abgangsalter der aktuell in Altersteilzeit Beschäftigten beträgt ca. 63 Jahre, das durchschnittliche tatsächliche Abgangsalter der bisher in Altersteilzeit Beschäftigten (Nov. 2001) beträgt demgegenüber nur ca. 61 Jahre (Ausscheiden nach Altersteilzeit, Erreichen der Altersgrenze, Dienst-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, 62 Jahre flexible Altersgrenze als wichtigste Abgangsgründe). Die durchschnittliche geplante Dauer der Altersteilzeit beträgt ca. 6 Jahre (kein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Altersteilzeit-Beschäftigten). Diese geplante Laufzeit liegt bei den Beamten im Durchschnitt bei 6 ½ Jahren, bei den Angestellten bei 5 ¹/3 Jahren (bei den Arbeitern nur bei 4,2 Jahren). Das von den Altersteilzeit-Beschäftigten geplante Abgangsalter (Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst) liegt im Durchschnitt bei 63 – 64 Lebensjahren (Männer: 64,0 Jahre, Frauen: 63,5 Jahre). Hinter dieser Planung steht die Kalkulation, die Rentenabschläge zu minimieren. Die geplante Dauer der Altersteilzeitphase ist zudem vom jeweiligen Lebensalter der Beschäftigten beim Wechsel in Altersteilzeit abhängig: die 116 Arbeitnehmerkammer Bremen älteren Beschäftigten wählen eine kürzere Dauer, die jüngeren dagegen eine längere Dauer der Altersteilzeitphase. Beiden Gruppen steht gleichwohl als Zielpunkt ihres tatsächlichen – nicht rechtlichen – Ausscheidens aus dem aktiven Berufsleben (Blockmodell) die magische Zahl „60“ vor Augen: Bei einer sechsjährigen Laufzeit des Altersteilzeitvertrages (Beginn der Arbeitsphase mit 57 Lebensjahren, Beginn der Freistellungsphase mit 60 Lebensjahren, Beginn des Rentenbezugs mit 63 Lebensjahren) beenden die Beschäftigten faktisch ihre Berufstätigkeit mit 60 Jahren. Bisher betrug das durchschnittliche Lebensalter, in dem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den Ruhestand traten (ohne Altersteilzeit) 60 Jahre. Damit orientieren sich die meisten Altersteilzeit-Beschäftigten im öffentlichen Dienst hinsichtlich ihres tatsächlichen Ausscheidens aus dem aktiven Dienst (mit 60 Jahren) weiterhin an der bisherigen Praxis des Übergangs in den Ruhestand. Gleichzeitig können sie durch die Streckung der Altersteilzeitphase (Blockmodell) die Rentenabschläge in vertretbaren Grenzen halten. Obwohl die Auswertung keine Kombination der Laufzeiten der Altersteilzeitverträge mit dem jeweiligen Lebensalter der Beschäftigten (Alter beim Anfang und beim Ende der Altersteilzeitphase) enthält, lässt sich aus der Verteilung der Altersteilzeitverträge nach Alter und Geschlecht die Folgerung ziehen, dass die Beschäftigten im Alter von 56 bis zu 61 Jahren den Schwerpunkt der bestehenden Altersteilzeitverträge bilden (von den 1.603 Altersteilzeitfällen befinden sich 194 Personen bereits in der Freistellungsphase, von 1.603 Altersteilzeitfällen sind 192 Personen im Alter von 62 u. m. Jahren; diese beiden Personengruppen dürften weitgehend identisch sein). „Insgesamt ist es so, dass das Blockmodell in der Regel sehr viel stärker genutzt wird als das Teilzeitmodell, und zwar hauptsächlich deswegen, weil die Altersteilzeit eigentlich als eine Maßnahme des geplanten Ausscheidens begriffen wird. Ein 55Jähriger überlegt sich halt, zu welchem Zeitpunkt er ausscheiden will, und wählt dann entsprechend das Blockmodell. Ich glaube, das ist das Hauptmotiv, darum wird das Teilzeitmodell so selten genutzt im großen Ganzen.“ (Referatsleiter) Die Laufzeit des Altersteilzeitvertrages wird von den Beschäftigten in Verbindung mit ihrem Lebensalter und ihrer Kalkulation der Rentenabschläge bestimmt: „Die meisten wählen Blockmodelle, und wenn einer mit 58 Altersteilzeit zum Beispiel macht, überlegt er es sich sehr genau, wegen der Rentenversicherung bei Angestellten, ob er seine Phasen nicht so legt, dass er dann mit 65 ausscheidet ohne Rentenabschläge zu bekommen, und Beamte, wenn sie es wählen, tun das genau so. Also, die dann quasi kalkulieren, also welche Versorgungsabschläge sind sie eigentlich bereit, in Kauf zu nehmen, und wählen dadurch die Dauer der Phasen.“ (Referatsleiter) 117 Alter BESCHÄFTIGTE INSGESAMT männlich weiblich insges. DAVON: IN ALTERSTEILZEIT männlich weiblich insges. ALTERSTEILZEITQUOTE männlich weiblich insges. 118 55 471 390 861 72 69 141 15,3 % 17,7 % 16,4 % 56 472 343 815 78 100 178 16,5 % 29,2 % 21,8 % 57 589 425 1.014 143 111 254 24,3 % 26,1 % 25,0 % 58 612 394 1.006 140 119 259 22,9 % 30,2 % 25,7 % 59 475 314 789 122 95 217 25,7 % 30,3 % 27,5 % 60 389 254 643 127 79 206 32,6 % 31,1 % 32,0 % 61 330 168 498 111 45 156 33,6 % 26,8 % 31,3 % 62 282 101 383 94 35 129 33,3 % 34,7 % 33,7 % 63 173 61 234 38 13 51 22,0 % 21,3 % 21,8 % 64 96 35 131 7 4 11 7,3 % 11,4 % 8,4 % 65 7 4 11 0 1 1 0,0 % 25,0 % 9,1 % 3.896 2.489 6.385 932 671 1.603 23,9 % 27,0 % 25,1 % Insgesamt Arbeitnehmerkammer Bremen Tabelle 8: Altersteilzeit nach Alter und Geschlecht (Nov. 2001) Arbeitnehmerkammer Bremen Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch einzelne Personalgruppen Die Altersteilzeit wird jeweils von einem Drittel des Lehrpersonals sowie des Steuerpersonals in Anspruch genommen (Nov. 2001). Das Verwaltungspersonal entspricht mit einem Viertel der durchschnittlichen Altersteilzeitquote (25 %) der anspruchsberechtigten Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die hohe Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch das Lehrpersonal ist auf dem Hintergrund des hohen Durchschnittsalters der Lehrkräfte zu sehen (zur Zeit: 52 Jahre insgesamt, bei den Studienräten an Gymnasien sogar 54 Jahre). Wie das Schaubild zeigt, lag der höchste Wert (nach Lebensjahren) bei den Lehrkräften im Jahre 2000 bei exakt 50 Jahren. Schaubild 6: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppe Lehrpersonal (2000) Diese Lehrkräfte sind jetzt im Durchschnitt 52 Jahre alt. Die stark besetzten älteren Jahrgänge nutzen ab 55 Lebensjahren zunehmend die Altersteilzeit als Brücke zum Ruhestand. Der Wechsel in Altersteilzeit kann unter Umständen eine Alternative zur häufig beanspruchten Dienstunfähigkeit bilden.52 So sind im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung die Abgänge aufgrund der Dienst-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit 52 Das Erlanger Institut für Arbeitsmedizin hat in einer Studie ermittelt, dass von 7100 Beamten, die zwischen 1994 und 1999 im Freistaat Bayern einen Antrag auf Dienstunfähigkeit gestellt hatten, 63 Prozent Lehrer waren, die im Durchschnitt 54 Jahre alt waren – und schon am Ende ihrer Berufslaufbahn. Die meisten Antragsteller litten unter Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 78 Prozent der Anträge auf Dienstunfähigkeit sind genehmigt worden. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 24./25. Mai 2003, Seite 2. 119 Arbeitnehmerkammer Bremen von 1993 (291 Personen) bis 1998 (194 Personen) zwar gesunken, jedoch folgte 1999 ein sprunghafter Anstieg auf 250 Abgänge (insbesondere im Bereich des Lehrpersonals). Im Jahre 2000 hat die Anzahl der Abgänge aufgrund der Dienst-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sich drastisch auf 326 Personen erhöht (im Jahre 2000 bestand für Beamte noch die Möglichkeit, im Falle von Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand ohne Pensionsabschläge zu gehen). Demgegenüber spielt im Jahre 2000 der Abgangsgrund „Erreichung der Altersgrenze“ (91 von insgesamt 1.261 Abgängen) nur eine zu vernachlässigende Rolle (7 %). Zwei Drittel aller Abgänge entfallen übrigens auf die über-50-jährigen Beschäftigten. Auch im Verwaltungspersonal gibt es gemäß der Altersstruktur viele AltersteilzeitAnspruchsberechtigte, allerdings – im Gegensatz zum Lehrpersonal – auch viele Beschäftigte im mittleren und jüngeren Lebensalter. Schaubild 7: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppen Verwaltungspersonal einschl. Textverarbeitung (2000) Das Lehrpersonal bildet die Hälfte (51 %) der Altersteilzeitverträge im öffentlichen Dienst. Die Lehrkräfte nehmen überdurchschnittlich das Teilzeitmodell in Anspruch (21 %). Rechnet man das Lehrpersonal aus der Gesamtheit heraus, dann wird von den anderen Personalgruppen (49 % aller Altersteilzeitverträge) das Teilzeitmodell nur von rund sechs Prozent der Beschäftigten in Anspruch genommen. Außerhalb des Lehrpersonals spielt demnach die Variante „Teilzeitmodell“ keine Rolle. 120 Tabelle 9: Altersteilzeitfälle nach ausgewählten Personalgruppen und Form des Altersteilzeitmodells (Nov. 2001) Personalgruppe Insgesamt 121 Altersteilzeitquote 25,1 % 1.454 264 60 25 349 24,0 % 344 99 22 22 6 8 2 30 30 8,7 % 30,3 % 227 44 6 2 52 22,9 % 59 2.460 9 595 4 53 174 13 822 22,0 % 33,4 % 121 15 2 4 21 17,4 % 419 166 315 721 74 45 17 83 18 6 1 30 1 5 93 56 18 119 22,2 % 33,7 % 5,7 % 16,5 % 6 Arbeitnehmerkammer Bremen 01/02 Verwaltungspersonal. einschl. Textverarbeitung 03 Polizei 04 Feuerwehr 05/06 Justizpersonal/ ordentliche Gerichte 07 Strafvollzugpersonal 10 Lehrpersonal Erziehungspersonal für 14 Kinder und Jugendliche 21/22 Technisches Personal 25 Steuerpersonal 30 Raumpflegerinnen Sonstige Personalgruppen davon: in Altersteilzeit Beschäftigte zw. 55 und 65 Jahren Blockmodell Teilzeit- insgeinsgesamt samt Aktiv Abwesend modell 6.385 1.190 194 219 1.603 d a v o n: Arbeitnehmerkammer Bremen Es gibt in der Behörde keine Untersuchung darüber, warum die Lehrer/innen das Teilzeitmodell mehr als die Verwaltungskräfte nutzen. Während in den industriellen Bereichen die Männer, die immer Vollzeitarbeit gewohnt waren, in Altersteilzeit das Blockmodell wählen und damit den vorzeitigen vollständigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben, könnte man die Hypothese aufstellen, dass die Lehrkräfte, die häufig Frauen sind, ohnehin häufig in Teilzeit schon gearbeitet haben, sich dann in Altersteilzeit auch ein Teilzeitarbeitsverhältnis eher vorstellen können. Ohne auf die besonderen Arbeitsbelastungen von Lehrkräften im höheren Lebensalter eingehen zu wollen, lässt sich jedenfalls feststellen, dass diese Beschäftigten die Altersteilzeit intensiv nutzen: „Die Altersteilzeit wird intensiv genutzt von den Lehrern, das ist ja keine Frage. Und die Frage ist ja, warum es so intensiv genutzt wird. Und ich denke schon, es hat einen Grund, weil es eine relativ mit finanziellen Anreizen oder Konditionen verknüpfte Regelung ist, die mir mein Ausscheideverhalten, also wenn ich aus dem aktiven Dienst rausgehe, erlaubt zu steuern. Ich glaube, das ist der Hauptgrund eigentlich, also, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine bestimmte Autonomie bekommen in dem, was sie quasi für sich selbst als Abgangsalter wirklich haben wollen.“ (Referatsleiter) Tabelle 10: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Altersteilzeit-Modell Alter Anzahl Alter Anzahl Alter Anzahl Altersteilzeit-Verträge des Lehrpersonals (Nov. 2001) Blockmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt 60 75 110 104 80 75 62 55 19 7 1 648 Teilzeitmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt 13 19 15 25 16 26 25 22 12 1 0 174 insgesamt 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 insgesamt 73 94 125 129 96 101 87 77 31 8 1 822 Die Tabelle zeigt das Lebensalter, in dem die im November 2001 in Altersteilzeit beschäftigten Lehrkräfte – gemäß Block- oder Teilzeitmodell – sich befanden. Leider erlaubt die Auswertung keine Verbindung des jeweiligen Lebensalters mit der jeweiligen Laufzeit des Altersteilzeitvertrages. Gleichwohl könnte bei einer 6-jährigen Laufzeit des Altersteilzeitvertrages (Beamte im Blockmodell = 6 ½ Jahre im Durchschnitt) ein dominantes Muster der – vorwiegend verbeamteten – Lehrkräfte sich herausbilden: Beginn der Altersteilzeit mit 56 oder 57 Jahren, gemäß Blockmodell demnach Beginn der Freistellungsphase mit 59 oder 60 Jahren, Bezug der Pension bzw. der Rente mit 62 oder 63 Jahren. Noch ist nicht abzusehen, ob die Nutzung der Altersteilzeit durch die Lehrkräfte dazu führen wird, dass der vorzeitige Ruhestand 122 Arbeitnehmerkammer Bremen nicht mehr so früh wie zur Zeit – sondern in höherem Alter – begonnen wird.53 Für den Vorruhestand liegt der früheste Zeitpunkt für Beamte beim 63. Lebensjahr: Der sog. Antragsruhestand kann mit 63 Lebensjahren – sofern keine Dienstunfähigkeit vorliegt – in Anspruch genommen werden (7,2 % Pensionsabschläge für 2 Jahre vorzeitigen Ruhestand). Damit bietet sich als 6-jährige Laufzeit eines Altersteilzeitvertrages für verbeamtete Lehrkräfte die Spanne zwischen 57 und 63 Jahren an. Tabelle 11: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Geschlecht Alter Anzahl Alter Anzahl Alter Anzahl Prozent Alter Anzahl Alter Anzahl Altersteilzeit-Verträge des männlichen Lehrpersonals (Nov. 2001) Blockmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 30 32 64 53 44 39 41 37 13 5 0 Teilzeitmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 6 10 12 14 7 15 15 11 9 0 0 insgesamt 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 36 42 76 67 51 54 56 48 22 5 0 7,9 9,2 16,6 14,7 11,2 11,8 12,3 10,5 4,8 1,0 - Altersteilzeit-Verträge des weiblichen Lehrpersonals (Nov. 2001) Blockmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 30 43 46 51 36 36 21 18 6 2 1 Teilzeitmodell 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 7 9 3 11 9 11 10 11 3 1 0 insgesamt 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 37 52 49 62 45 47 31 29 9 3 1 Alter Anzahl Prozent 10,1 14,2 13,4 17,0 12,3 12,9 8,5 8,0 2,5 0,8 0,3 insges. 358 insges. 99 insges. 457 100,0 insges. 290 insges. 75 insges. 365 100,0 Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit ist im übrigen auch von der Einkommenssituation der Beschäftigten im öffentlichen Dienst abhängig: Die niedrigen Gehaltsgruppen können sich die mit der Altersteilzeit verbundenen Einkommenseinbußen finanziell weniger leisten als die höheren Einkommensgruppen. Während die Beschäftigten des einfachen Dienstes nur zu sieben Prozent von der Altersteilzeit Gebrauch 53 Im Freistaat Bayern gehen 50 Proz. der Lehrer/innen aus Gesundheitsgründen vor dem 60. Lebensjahr in Pension (im öffentlichen Dienst liegt diese Quote ansonsten bei 29 %). Weitere 38 Proz. verabschieden sich vom Dienst zwischen 60 und 64 Jahren. Nur 12 Proz. der Lehrkräfte bleiben bis zur offiziellen Altersgrenze (65 Jahre) im Dienst. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 24./25. Mai 2003. 123 Arbeitnehmerkammer Bremen machen, beträgt die Altersteilzeitquote bei den Beschäftigten des mittleren Dienstes bereits 20 Prozent. Von den Beschäftigten des gehobenen Dienstes (31 %) sowie des höheren Dienstes (32 %) hat bisher nahezu ein Drittel Altersteilzeit in Anspruch genommen (Durchschnitt für alle Altersteilzeit-Anspruchsberechtigten = 27,6 Prozent – Angaben des Referatsleiters auf dem Workshop der Arbeitnehmerkammer – Mai 2002). Altersstruktur und Personalplanung Die Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst bildet eine zentrale Bedingung für die Personalplanung und die – über Kosten, nicht Stellen – gesteuerte Personalwirtschaft. Die Alterung der Belegschaft – als Folge eines sozialverträglichen Personalabbaus sowie als Folge des Beamtenrechts (Unkündbarkeit) – ist sektoral unterschiedlich ausgeprägt: Die höchsten Anteile von Beschäftigten im Alter von 50 u. m. Jahren sind unter den männlichen Beamten im gehobenen und höheren Dienst festzustellen. Dieser Altersaufbau ist allerdings auch durch die früheren Einstellungswellen bedingt, die in diesem Jahrzehnt zu großen Ausstellungswellen führen werden (z. B. im „Produktplan“ Bildung: Abgangsquote = 25 % im Zeitraum 2001 – 2005, Abgänge aufgrund von Dienst- und Erwerbsunfähigkeit sowie aus Altersgründen). Diese Problematik wird von der Behörde thematisiert: „Von besonderer Bedeutung ist die Altersstruktur. Die Altersstruktur der Beschäftigten ist eine Folge der Einstellungszyklen und des Abgangsverhaltens der Beschäftigten. Eine schubweise Expansion der Beschäftigtenzahl, die zeitlich limitiert ist, wird stets zu einem hohen Durchschnittsalter der Beschäftigten führen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben eine sehr geringe Neigung, das Beschäftigungssystem freiwillig zu verlassen. Die Wahrscheinlichkeit ist demnach sehr groß, dass ein Beschäftigter bis zum Ende seines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst verbleibt, wenn nicht gesundheitsbedingte Gründe dagegen sprechen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, führt dies dazu, dass ein Altersjahrgang ab einem bestimmten Alter, wenn die Zugänge, die durch unterschiedliche Ausbildungsdauern bestimmt sind, abgeschlossen sind, eine konstante Zahl von Beschäftigten aufweist. In der Regel dürfte dies ab 35 Jahren der Fall sein.“54 Bei den Beschäftigten im Alter von 35 bis zu 55 Jahren findet praktisch keine Fluktuation statt. Ab 55 Jahren nimmt die Fluktuation (Personalabgänge aus verschiedenen Gründen) ein relevantes Ausmaß an. Der von der Behörde vorgenommene Soll-Ist-Vergleich zeigt, dass das Problem der „Überalterung“ der Belegschaft nicht zuletzt aus der Nicht-Einstellung von jüngeren Beschäftigten resultiert. 54 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 39. 124 Arbeitnehmerkammer Bremen „Bei der Sollverteilung handelt es sich nicht um eine Normalverteilung, sondern um eine trapezähnliche Form, die im linken Teil durch die „Rekrutierungsphase“ bis 35 Jahre und im rechten Teil durch eine Phase des altersbedingten Ausscheidens ab 56 Jahre charakterisiert wird. Die „Rekrutierungsphase“ zeichnet sich durch bereichsund personalgruppenspezifische Charakteristika aus, die sich zum Beispiel durch Art und Dauer der Rekrutierung beschreiben lassen. Ob die gegebene Altersstruktur ein Problem darstellt oder nicht, hängt von der zukünftigen Beschäftigungsmenge ab. Sie bildet die Basis für die Beurteilung der Gegenwart. In dem folgenden Soll-Ist-Vergleich wurde unterstellt, dass bis zum Jahr 2005 die Zahl der Beschäftigten jährlich um 1,5 Prozent sinken wird und ab 2006 konstant bleibt. Der Soll-Ist-Vergleich zeigt, dass die „Rekrutierungsphase“ nicht optimal besetzt ist. Je nach Rekrutierungsstrategien, die in einzelnen Berufsgruppen unterschiedlich sind, liegt der optimale Wert der Quote der Beschäftigten bis 35 Jahren an den Beschäftigten insgesamt zwischen 20 und 24 Prozent. 2000 betrug er 14,4 Prozent. Der Soll-Ist-Vergleich zeigt darüber hinaus, dass die Altersjahrgänge der gegenwärtig über 45-Jährigen deutlich überbesetzt bleiben werden. Sie können über die natürliche Fluktuation abgebaut werden. Bei der Altersgruppe der gegenwärtig 36- bis 40Jährigen sind relativ unschädliche Sollwertunterschreitungen festzustellen. Damit dieses Unterschreiten der Sollwerte nicht größere Ausmaße erreicht, sollte im Falle von Neurekrutierungen gezielt der Bereich jüngerer Jahrgänge (bis 35 Jahre) berücksichtigt werden, um eine Entwicklung entsprechend der Soll-Vorstellung zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, so führt dies mittelfristig zu einer Altersstruktur, die durch hohes Durchschnittsalter und Neueinstellungen sowie durch das Fehlen mittlerer Altersstufen gekennzeichnet ist. Langfristig resultiert daraus eine Überbesetzung der mittleren Altersstufen, die aufgrund fehlender Abgänge keinen Spielraum für Rekrutierungen zulässt.“55 Wahrscheinlich wird sich mittelfristig im öffentlichen Dienst eine Altersstruktur ergeben – nach dem Ausscheiden der geburtenstarken Kriegsjahrgänge –, die durch ein hohes Durchschnittsalter charakterisiert wird: Der höchste Gipfel wird durch den Jahrgang 1948 gebildet (vgl. Schaubild 8: 52 Jahre alt im Jahre 2000, im Jahre 2003 bereits 55 Jahre), ein niedriger Gipfel könnte im Bereich der 30- bis 35Jährigen entstehen, wenn die in diesem Jahrzehnt anstehenden Personalabgänge durch Neueinstellungen kompensiert werden. 55 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 39 f. 125 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 8: Soll-Ist-Vergleich der Altersstruktur Die Altersstruktur ist in den einzelnen Personalgruppen allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Die bremische Verwaltung unterscheidet 48 Personalgruppen: ca. 90 Prozent der Beschäftigten des Kernbereiches verteilen sich auf 10 Personalgruppen. Die stärkste Personalgruppe bildet das Lehrpersonal (26,5 %), die zweitstärkste Personalgruppe stellt das Verwaltungspersonal (einschl. Textverarbeitung) mit rund 23 Prozent. Diese beiden Personalgruppen weisen eine unterschiedliche Altersstruktur auf: das Verwaltungspersonal (einschl. Textverarbeitung) eine relativ altersheterogene, das Lehrpersonal eine absolut altershomogene Zusammensetzung (vgl. die Schaubilder). Obwohl auch beim Verwaltungspersonal die Beschäftigten im Alter von Mitte 50 überwiegen, sind gleichwohl die Beschäftigten im Alter von Mitte 40 sowie von Mitte 30 stark vertreten. Dieser Altersaufbau erklärt, dass die Altersteilzeitquote der Anspruchsberechtigten aus dem Verwaltungspersonal (24 %) der durchschnittlichen Altersteilzeitquote aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (25 %) entspricht. Demgegenüber hat die Nicht-Einstellung von jüngeren Lehrkräften zur „Überalterung“ des Lehrpersonals geführt: Der höchste Gipfel wird im Jahre 2000 von den 50Jährigen (ca. 400 Personen) gebildet, gefolgt von den 51- und 52-jährigen Lehrkräften (Jahrgang 1950 → 1948). Nach dem „Geburtenknick“ (Jahrgang 1945: im Jahre 2000 55 Jahre alt) folgt ein niedrigerer, zweiter Gipfel mit den im Jahre 2000 56und 57-jährigen Lehrkräften (jeweils mehr als 300 Personen), also mit den Kriegsjahrgängen 1944 und 1943.Diese Jahrgänge werden in diesem Jahr bereits 59 bzw. 60 Jahre alt. Daher nimmt nicht Wunder, dass ein Drittel der anspruchsberechtigten Lehrkräfte bereits einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen hat (Nov. 2001). 126 Arbeitnehmerkammer Bremen Schaubild 9: Altersstruktur der Beschäftigten des Lehrpersonals (2000) Schaubild 10: Altersstruktur der Beschäftigten des Verwaltungspersonals (einschl. Textverarbeitung) (2000) 127 Arbeitnehmerkammer Bremen Die Personalplanung des öffentlichen Arbeitgebers beruht auf drei Bausteinen: (1) Bestimmung des Soll-Personalbestandes, (2) Prognose der Personalabgänge (2000 – 2005), (3) Festlegung der Personalzugänge (insbesondere Ausbildungsplanung). Die Personalplanung mündet in die Bestimmung des Netto-Personalbedarfs. Bei der Bestimmung des Soll-Personalbestandes wurde für den Kernbereich der öffentlichen Verwaltung für die Jahre 2000 bis 2005 auf Gesamtebene ein jährlicher Personalabbau von 250 Vollzeitäquivalenten vereinbart. Allein im Jahre 2000 hat sich das Volumen im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung aufgrund der Altersteilzeit insgesamt um fast 100 Vollzeitäquivalente reduziert (ohne dabei den Personalbestand zu verringern). Auf Basis der Fluktuationsprognosen (Abgangswahrscheinlichkeiten einzelner Personalgruppen und Jahrgänge) hat die Personalplanung im Jahre 2000 für den Zeitraum bis zum Jahr 2005 trotz der weiteren Absenkung des Soll-Personalbestandes („Beschäftigungszielzahlen“) unter dem Strich einen stark ansteigenden Netto-Personalbedarf prognostiziert, weil der Vergleich von prognostizierten Abgängen und geplanten Zugängen eine Absenkung des voraussichtlichen Personalbestandes signalisiert (vgl. Tabelle 12). Auf diese Weise ergeben sich in den nächsten Jahren Wiederbesetzungsmöglichkeiten, unter Umständen sogar Rekrutierungsprobleme (z. B. beim Lehrpersonal). Tabelle 12: Personalplanung 2001 – 2005 (insgesamt) Ist Beschäftigungszielzahlen Voraussichtlich Dez 93 Dez 96 Dez 99 Dez 00 19.102 18.042 17.090 16.696 16.451 16.175 15.925 15.675 15.425 prognostizierte Abgänge geplante Zugänge voraussichtlicher Personalbestand 19.339 Dez 01 Dez 02 Dez 03 Dez 04 Dez 05 -647 -649 -711 -672 -666 287 147 176 168 103 18.435 17.065 16.577 16.217 15.716 15.181 14.677 14.114 Nettopersonalbedarf 233 459 744 998 1.311 „Ab 2000 haben sich Wiederbesetzungsmöglichkeiten ergeben. Diese werden sich in dem Umfang erhöhen, wie fluktuationserhöhende (z. B. 58er-Regelung) oder volumenssenkende (z. B. Altersteilzeit) personalwirtschaftliche Maßnahmen wirken. In den Jahren 2003 bis 2005 können sich die entstehenden Ersatzbedarfe in dem Umfang reduzieren, wie zusätzliche personalwirtschaftliche Maßnahmen zum Ausgleich kumulierender kostensteigernder Effekte erforderlich werden. Personalwirtschaftliche Spielräume sollen dazu genutzt werden, strukturelle personalwirtschaftliche Ziele zu realisieren, um die Qualität des Personalkörpers und damit die Leistungsfähigkeit des bremischen öffentlichen Dienstes zu optimieren.“56 56 Jahresbericht Personalstruktur und Personalausgaben im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung 2000, a. a. O., S. 94. 128 Arbeitnehmerkammer Bremen Weitere Informationen Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen Schillerstr. 1 28195 Bremen Personalcontrolling und Personalplanung Herr Dr. Zech Tel.: 0421 / 361 62 86 Gesamtpersonalrat Herr Schmidt Knochenhauerstr. 20/25 28195 Bremen Tel.: 0421 / 361 26 29 129 Arbeitnehmerkammer Bremen Nachwort Die Frage, ob das Instrument „Altersteilzeit“ den prekär gewordenen Übergang in den Ruhestand institutionell und finanziell absichern kann, lässt sich zumindest für die Beschäftigten aus Großbetrieben positiv beantworten: Auf Basis der Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen werden die Rentenabschläge beim vorzeitigen Ruhestand nach Altersteilzeitarbeit durch Abfindungen sowie durch Betriebsrenten weitgehend kompensiert. Die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (Jahrgang 1937 – Jahrgang 1941) ist inzwischen abgeschlossen. Diese Rentenreform hat offenbar – zumindest nach den Ergebnissen unserer Untersuchung in Bremer Großbetrieben – entgegen der bisherigen Praxis der weiteren Absenkung der betrieblichen Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem Betrieb dazu geführt, dass die Beschäftigten längere Laufzeiten für ihren Altersteilzeitvertrag wählen, um die Rentenabschläge möglichst zu minimieren. Damit wird der Beginn und das Ende der Lebensstrecke „Altersteilzeit“ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Bei der dominanten Wahl des Blockmodells markiert die magische Zahl „60“ gleichwohl weiterhin den Orientierungspunkt für das tatsächliche – nicht: das rechtliche – Ausscheiden aus dem Betrieb. Mit den Änderungen des Altersteilzeitgesetzes im Jahre 2000 sowie den darauf aufbauenden Tarifverträgen haben sich die materiellen Bedingungen für die Altersteilzeit-Beschäftigten erheblich verbessert. Die Ausdehnung der Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes hat den Personalleitungen und Betriebs- und Personalräten – wie auch den Beschäftigten selbst – einen weiten Planungshorizont eingeräumt. Als Folge dieser gesetzlichen und tariflichen Entwicklung hat sich in den Jahren 2000 – 2002 die Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch die Beschäftigten erheblich gesteigert. Bei der Ausgestaltung der Altersteilzeit besitzen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr Wahlmöglichkeiten als die Beschäftigten in der privaten Wirtschaft: Im öffentlichen Dienst können die Beschäftigten häufiger zwischen dem „Blockmodell“ und dem „Teilzeitmodell“ wählen; in vielen Branchen der privaten Wirtschaft wird die Option des „Teilzeitmodells“ schon in den Tarifverträgen ausgeschlossen, in den Betriebsvereinbarungen wird ausdrücklich des „Blockmodell“ vorgegeben. Selbst in dem untersuchten Betrieb (BSAG), in dem zunächst das Teilzeitmodell favorisiert wurde, setzt sich zunehmend das Blockmodell gegenüber dem Teilzeitmodell durch. Bei der Entwicklung des Altersteilzeitgesetzes („Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand“) verfolgte der Gesetzgeber ursprünglich die Intention, das Teilzeitmodell als allmählichen Übergang in den Ruhestand zu fördern. Auch die WSI-Autoren haben in ihrer Betriebsräte- und Personalrätebefragung zur Altersteilzeit den ausgeprägten Trend zum Blockmodell hinterfragt. Selbst wenn die Betriebsvereinbarungen sowohl das Block- als auch das Teilzeitmodell anbieten, wird doch im allgemeinen das Blockmodell favorisiert: 130 Arbeitnehmerkammer Bremen „Die Bevorzugung des Blockmodells ist bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen festzustellen. Die Arbeitgeber nennen als Vorteil der Blockzeit u. a. den Umstand, dass auf dem bisherigen Arbeitsplatz keine größeren organisatorischen Veränderungen erforderlich werden. Arbeitnehmer schätzen am Blockmodell, dass sie bereits zur Hälfte der gesamten Zeitspanne der Altersteilzeit gänzlich freigestellt sind und geben dieser Aussicht unter den gegebenen Umständen mehrheitlich den Vorrang gegenüber der Möglichkeit, die Arbeitsbelastung während der letzten Berufsjahre zu reduzieren.“57 Unsere Expertengespräche mit den Betriebsräten und Personalleitern haben gezeigt, dass die männlichen Beschäftigten aus Industriebetrieben, die im Gegensatz zu vielen weiblichen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in ihrem Berufsleben keine eigenen Erfahrungen mit Teilzeitarbeit gemacht haben, mit der Wahl des Blockmodells „einen Schnitt“ zwischen dem Arbeitsleben und dem Ruhestand machen wollen (Betriebsrat). Die meisten Beschäftigten wollen keinen „gleitenden Übergang“ in den Ruhestand in Form der Teilzeitarbeit, obwohl aus gerontologischer Perspektive der allmähliche Übergang allgemein empfohlen wird. Qualitative Untersuchungen zur Motivation von Beschäftigten, für die Phase von Altersteilzeit das Block- oder das Teilzeitmodell zu wählen, stehen unseres Wissens noch aus. Anzunehmen ist, dass normative Vorstellungen über die Berufstätigkeit und den Übergang in den Ruhestand der Entscheidung der Beschäftigten für das Blockmodell zugrunde liegen. Gleichwohl sollte das Ziel einer weiteren Flexibilisierung des Übergangs in den Ruhestand unstrittig sein. Viel zu wenig wird beachtet, dass das Altersteilzeitgesetz auch eine degressive Verteilung der Arbeitszeit im Laufe der Altersteilzeitphase zulässt. So wären „Mischtypen“ zwischen der Vollzeitarbeit im Blockmodell und der Halbtagsarbeit im Teilzeitmodell denkbar (wie von einem Personalrat erwogen): Auf Basis von Dreiviertel- oder Zweidrittel-Stellen könnten ältere Beschäftigte in Altersteilzeit ihr vorgängiges Vollzeitarbeitsvolumen reduzieren und entsprechend dem Ausmaß der Reduktion den Beginn des Ruhestandes vorziehen. Solche „Mischtypen“ zwischen voller und halber Wochenarbeitszeit könnten auch für männliche Beschäftigte in Altersteilzeit attraktiv sein. Allerdings müsste zunächst die Akzeptanz von Teilzeitarbeit bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiter gesteigert werden, um solche „Mischtypen“ von Altersteilzeitarbeit als reale Wahlmöglichkeit für die Beschäftigten zu entwickeln. 57 U. Klammer, H. Weber, Flexibel in den Ruhestand?, a. a. O., S. 110. 131 Arbeitnehmerkammer Bremen Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder und Abbildungen Teil I Tabelle 1: Erwerbsquoten von Männern und Frauen nach Altersgruppen Schaubild 1: Das Altersteilzeitmodell der IG Metall bei Volkswagen Schaubild 2: Anteil der Betriebe und Dienststellen mit Altersteilzeitregelung Schaubild 3: Angebotenes Modell der Altersteilzeit Schaubild 4: Ausgleich für den späteren Rentenabschlag nach Altersteilzeit Schaubild 5: Inanspruchnahme von Erstattungen durch die Bundesanstalt für Arbeit Entwicklung der Altersteilzeit-Erstattungsanträge an die Bundesanstalt für Arbeit Tabelle 2: Teil II Tabelle 1: Personalstruktur (BSAG) Abbildung 1: Entwicklung der Teilzeitarbeit (BSAG) Abbildung 2: Akzeptable 85 % – Einkommensgarantie (BSAG) Tabelle 2: Entlassungsjahrgänge bei den Altersteilzeit- Arbeitsverhältnissen (BSAG) Tabelle 3: Vom Teilzeit- zum Blockmodell (BSAG) Schaubild 1: Block- und Konti-Modell (BSAG) Tabelle 4: Praktizierte Altersteilzeitmodelle (BSAG) Abbildung 3: Block- und Teilzeitmodell (57 – 63 Jahre) Tabelle 5: Altersstruktur der Belegschaft (Stahlwerke Bremen) Abbildung 4: Blockmodell/Rentenanspruch/Abfindung (Stahlwerke Bremen) Anhang: Zahlenwerke (Stahlwerke) Tabelle 6: Abgeschlossene Altersteilzeitverträge (Airbus) Abbildung 5: Dauer der Altersteilzeit in Verbindung mit dem Lebensalter (Brauerei Beck & Co) 132 Arbeitnehmerkammer Bremen Teil III Tabelle 1: Entwicklung der Personalkennzahlen im Kernbereich Tabelle 2: Soll-Ist-Vergleich der Personalkennzahlen im Kernbereich Schaubild 1: Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Schaubild 2: Beschäftigte im öffentlichen Dienst nach Alter und Geschlecht Schaubild 3: Altersstruktur der Beschäftigten nach Statusgruppen Schaubild 4: Altersstruktur der Beschäftigten nach Laufbahngruppen Tabelle 3: Beschäftigte nach Vollzeit- und Teilzeitarbeit Schaubild 5: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Beschäftigten nach Lebensjahren Tabelle 4: Altersteilzeitfälle nach Alter und Form des Altersteilzeitmodells Tabelle 5: Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht Tabelle 6: Altersteilzeitfälle nach Alter und Statusgruppen Tabelle 7: Altersteilzeitfälle nach Personalgruppen und Form des Altersteilzeitmodells Tabelle 8: Altersteilzeitfälle nach Alter und Geschlecht Schaubild 6: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppe Lehrpersonal Schaubild 7: Altersstruktur der Beschäftigten der Personalgruppen Verwaltungspersonal einschließlich Textverarbeitung Tabelle 9: Altersteilzeitfälle nach ausgewählten Personalgruppen und Form des Altersteilzeitmodells Tabelle 10: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Altersteilzeitmodell Tabelle 11: Altersteilzeit des Lehrpersonals nach Alter und Geschlecht Schaubild 8: Soll-Ist-Vergleich der Altersstruktur Schaubild 9: Altersstruktur der Beschäftigten des Lehrpersonals Schaubild 10: Altersstruktur der Beschäftigten des Verwaltungspersonals (einschließlich Textverarbeitung) Tabelle 12: Personalplanung 2001 - 2005 133