Die Khan Academy

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Die Khan Academy
Die Khan Academy
Die Khan Academy, eine Non Profit Organisation, welche Schullektionen im grossen
Stil global online stellt, setzt sich erfolgreich durch.
Die Khan Academy – eine Success Story, eine Bildungsrevolution, eine wirtschaftliche
Mission oder ein Zug ins Bildungsmittelmass? Die Khan Academy als „die virtuelle
Erweiterung einer globalen Dorfschule“ – für kostenlose, erstklassige Bildung für jedermann
an jedem Ort der Welt – so lautet die Vision ihres Gründers Salman Khan. Die Massstäbe
dafür setzt er zunächst selbst. Nach vier Abschlüssen vom MIT und Harvard in Mathematik,
Informatik, Engineering und Business begann Salman Khans Story, als er 2004 am Telefon
Mathe-Nachhilfe an seine jüngere Cousine gab und dazu einige Lektionen als Clips auf
YouTube stellte. Dieses Prinzip und vor allem Khans enorme Entschlossenheit und
Unkompliziertheit, liess den Hausaufgabencoach zum virtuellen Hauptlehrer für die ganze
Welt mutieren. 2008 gründete er die Khan Academy, 2009 entschied er sich von seinem
Finanzanalystenjob ganz auf die Bildung umzusteigen und den gesamten Schulstoff der
Mathematik in Form von Online-Lektionen aufzubereiten. Innerhalb von 5 Jahren wird seine
Bildungsplattform nun von mehr als sechs Millionen Schüler/innen genutzt, bietet 4500
Unterrichts-Videos für Mathematik und Naturwissenschaften, Informatik, Medizin, Wirtschaft,
Geschichte und Kunstgeschichte und beinhaltet auch verschiedene Einführungs- und
Auswertungs-Werkzeuge für Lehrpersonen.
Das Material wird nach und nach in 28 Sprachen übersetzt. Mittlerweile ist das Team auf
etwa 50 Leute angewachsen und wird als Non-Profit Organisation u.a. von Google und der
Bill und Melinda Gates Foundation finanziell getragen. Sein heutiges Konzept, welches Bill
Gates 2010 als Pionierleistung und Beginn einer Bildungsrevolution bezeichnete. (Khan
Academy: Gates Notes und Apen Festival), möchte Fachpersonen aus der Wirtschaft in der
Bildung engagieren und Lehrpersonen künftig direkter als individuelle Live-Coaches für die
Kinder und als Partner für die Khan Academy involvieren. In USA hat das Konzept bereits in
Hunderten von Schulen den Unterricht verdreht: Die Schullektionen laufen zu Hause als
Video, die Hausaufgaben werden mit Lehrpersonen und Mitschüler/innen gemeinsam in den
Stunden gelöst. Dies scheint gemäss den Pilotstudien ein vielversprechender Ansatz zu
sein. Offline Versionen der Khan-Lektionen werden selbst in ländlichen Versionen in Asien,
Lateinamerika und Afrika verteilt. Heute liegt erst Mathematik und Physikunterricht in vollem
Umfang aufbereitet vor, doch Salman Khan's langfristiges und hochgreifendes Ziel ist, mit
zehntausenden von Clips die Schulbildung einschliesslich gewisser Bereiche höherer
Schulbildung abzudecken - ("Tens of thousands of videos in pretty much every subject" …
„to create the world's first free, world-class virtual school where anyone can learn anything"
Quelle aus Wikipedia). Dass noch manche menschlichen, pädagogischen und
gesellschaftlichen Komponenten in dieser Version der virtuellen Schule fehlen, liegt auf der
Hand. Bill Gates sieht die Revolution primär darin, dass der unternehmerische und der R&D
Geist aus der Wirtschaft an die Schulen fliesst. Doch eigentlich sind nun auch die
Bildungsfachleute gefragt, die aufkommenden Bildungskonzepte mitzuformen.
Während Salman Khan alle Mathematikmodule selbst virtuell unterrichtete, werden heute
auch andere Fächer von (jeweils nur 1-2) fachkompetenten Mitarbeiter/innen aufbereitet.
Zahlreiche profilierte Ingenieure/-innen und die Projektschmiede von Google und McKinsey
sind dabei aber nur vereinzelte e-Learning Fachpersonen, praktizierende Lehrpersonen und
Didaktiker/innen – als wäre deren Kompetenz für die pädagogische Revolution der Academy
eher eine Last. Die Schnittstellen zu Schulen und Lehrpersonen sind erst dünn angelegt,
dies dürfte sich künftig jedoch ändern.
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In der Informatik ist das Kursangebot der Khan Academy derzeit auf einfache JavascriptProgramme und einen Python-Lehrgang beschränkt, wird aber künftig weiter ausgebaut. Die
Mitarbeit von kompetenten Informatikdidaktik- und e-Learning Zentren sowie von erfahrenen
Lehrpersonen und Didaktikern und die Mitwirkung von Modellschulen ist in diesem Prozess
notwendig und bestimmt erwünscht.
Zu der Story von Salman Khan erscheint nun ein Buch auf Französisch L'Education
réinventée (Ed. JC Lattès, Sept. 2013).
Informatik-Lektionen der Khan Academy
In der Informatik ist das Kursangebot der Khan Academy derzeit auf einfache JavascriptProgramme und einen Python-Lehrgang, welcher gewisse Informatik-Grundbegriffe
behandelt, beschränkt, wird aber künftig bestimmt weiter ausgebaut.
Mit einer integrierten JavaScript Programmierumgebung können schon jüngste Kinder
grafische Zeichnungen, Animationen oder physikalische Simulationen programmieren lernen,
indem sie direkt online bestehende Programmbeispiele modifizieren und selber neue
Programme für grafische Gestaltung schreiben. Die Resultate erinnern an einfache GrafikProgrammierbeispiele mit XLogo, (Khan Adacemy: Zeichenprogramm) beinhalten aber auch
Anwendungsbeispiele für ältere Kinder, etwa die Simulation physikalischer Pendel oder
Fraktal-Berechnungen. (Youtube: Koch Snowflake Fractal, Khan Academy: Mandelbrot set,
Fractal Fractions). Eigens erstellte Programme werden innerhalb der Community geteilt und
weiter verwendet.
Der andere Zweig der Khan-Academy-Informatikkurse besteht in der Einführung in die
Programmiersprache Python für ältere Kinder, welche schon mit Platzhaltern und Kategorien
operieren können. (Khan Academy: Python Einführung). Hier finden sich Anfänger/innen
mitten in den Fluss des Programmierens in einer universellen höheren Programmiersprache
reingeworfen, doch diese Unmittelbarkeit und der typisch explorative Ansatz haben Erfolg.
Bedenklich ist, dass hier didaktisch die Kinder zur Programmierung im Open-Source Stil
nach dem Copy-Paste-Modify Verfahren angeleitet werden, anstatt von Anfang an klar
umrissene Konzepte aufzubauen. Dass dies mit den gleichen Mitteln auch ginge, wird in der
Schweiz seit Jahren vom Ausbildungs-und Beratungszentrum für Informatikunterricht der
ETH demonstriert. Allerdings werden ihre Kurse bisher nicht online vermittelt, sondern
ausschliesslich live an den Schulen.
Typisch für die Khan Academy sind abspielbare Programmiertutorials mit AudioKommentaren, kombiniert mit der dynamisch interaktiven Funktionalität, mit der die Kinder
jederzeit selbst ins Programm-Beispiel eingreifen können. So lösen sich Barrieren zwischen
der Erklärung und der Übung noch mehr auf, als dies im üblichen Schulunterricht möglich
wäre. Das Tempo und die explorativen Möglichkeiten beim Lernen werden weitgehend
individualisiert, ohne die Vorteile der strukturierten Vermittlung und Leistungskontrolle über
Bord zu werfen.
Bei der Khan Academy überzeugte von Anfang an die Einfachheit ihrer e-Learning-Technik:
Die Lektionen wurden als Zeichnungen mit einfachen Mitteln mit einem Tablet gezeichnet
und mit einem Screen Capture Programm aufgenommen. Das anfangs eingeschlagene
„virtuelle Frontalunterrichtsmodell“ ist für höhere pädagogische Ansprüche allerdings nicht
genügend. Die Khan Academy baut daher auch innovative Interventions- und
Interaktionsmöglichkeiten für Lehrpersonen, Kinder und Eltern aus und holt sich dabei
Kompetenzen vom zukunftsorientierten e-Learning und Didaktik-Bereich.
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Links Khan Academy Informatik:
https://en.khanacademy.org/cs

Beispielprogramme zu Grafiken, Animationen, Simulationen, Spielen etc.:
https://en.khanacademy.org/cs/browse-programs

Roboter-Hardwarebau:
https://www.khanacademy.org/science/discoveries-projects/robots

Khan Academy Informatikansatz:
https://www.khanacademy.org/talks-and-interviews/our-vision/v/khan-academycomputer-science-launch

Einführung in die Informatikwelt:
http://en.khanacademy.org/cs/programming/intro-to-programming/v/programmingintro

Intro zum Khan Academy Ansatz für Informatik:
https://en.khanacademy.org/cs/programming/intro-to-programming/v/programmingtour
Das Team und künftige Partner für Informatikunterricht
In den ersten Jahren produzierte Salman Khan alle Unterrichtsclips selbst. Heute besteht
das Team aus etwa 50 Personen, darunter zahlreiche Informatik-Ingenieure für die
technische Umsetzung und relativ wenige Leute aus dem Bildungsbereich für die didaktische
Aufbereitung. Nur jeweils 1-2 Chemiker, Mediziner, Kunsthistoriker, Informatiker sind für die
entsprechenden Unterrichtsinhalte zuständig. Für die Computer Science Inhalte ist John
Resig zuständig, welcher MIT’s Processing (beliebte kreativer Programmierumgebung für
visuelle Anwendungen und Prototypen-Design: http://processing.org/) zwecks Interaktionsund Webtauglichkeit nach JavaScript portiert hat. Er hat ebenfalls die jQuery JavaScript
Library kreiert. Mit ihm arbeitet Pamela Fox an den Informatikinhalten, eine erfahrene eLearning und Informatikvermittlerin. Dazu kommen etwa 60 Freiwillige, die sich etwa um
spezielle Übungsmodule, um Auswertungen der Nutzung und um Übersetzungen kümmern.
Jedermann ist willkommen, sich an weiteren Übersetzungen zu beteiligen.
Jobs und Aufruf zur Mitarbeit: http://www.khanacademy.org/contribute
Das Team: https://www.khanacademy.org/about/the-team
Zwei Ingenieure/-innen übersetzen für die Französische Bibiliothèque sans Frontières nun
den gesamten Schulstoff der Mathematik (Französische Khan Academy:
https://fr.khanacademy.org/ sowie http://www.khan-academy.fr/). Finanziert wird dieses
Projekt von der Orange Foundation.
Die meisten Kurse in Computer Science sind erst auf Englisch vorhanden und zu manchen
Videos findet man unter „Optionen“ übersetzte Untertitel. Auf Deutsch gibt es erst eine
Handvoll an Lektionen, welche von Andy Petsch übersetzt werden. Diese Arbeit wurde erst
letztes Jahr gestartet und bietet in didaktischer, sprachlicher und inhaltlicher Sicht
unbeschränktes Optimierungspotenzial. (Informatiklektionen Deutsch:
https://de.khanacademy.org/). Kompetente Mitarbeiter/innen und Partner in diesem Bereich
dürfte die Khan Academy begrüssen.
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Partner in Europa:
http://www.schulen-der-zukunft.org/projektpartner/khan-academy-serlo/
http://www.khan-academy.fr/
Qualitätssicherung?
Die Informatiklektionen der Khan Academy fördern einen unmittelbar praktischen
explorativen Ansatz. Man kann denn auch kritisieren, dass bei diesem Format von 10-15
minütigen, teilweise dicht und unklar kommentierten Beispielen, die Kinder gleichzeitig überund unterfordert werden. Zwar lernen sie praktisch kleine Programme zu schreiben, aber die
konzeptuellen Grundlagen der Informatik und damit auch die Kunst des präzisen
konstruktiven Denkens kommt auf diese Art nicht rüber. Dies wird in der Deutschen Version
besonders deutlich: Da heisst es etwa anlässlich der Einführung von Parametern, das
Wichtigste sei, sich ihre Reihenfolge zu merken. Und das Rätsel der Bildschirmfarben wird
so erklärt: „Gelb ergebe sich aus Grün und Rot, da der Computer die Mischfarben heller
darstellt.“ (Youtube: Lektion Farben). Solche Erklärungen mögen die Kinder zu praktischen
Handgriffen am Computer befähigen, Informatik oder Physik verstehen werden sie so aber
kaum. Khans Mathematikniveau ist im Original von deutlich besserer inhaltlicher und
didaktischer Qualität. Doch auch hier kann hinterfragt werden, ob sein virtueller
Frontalunterricht, seine inhaltliche Auswahl und seine Art von Kompetenzvermittlung dem
zukunftsorientierten Unterricht genügt. Diese wichtige Fragen der Qualitätssicherung im
inhaltlichen und didaktischen Bereich löst die Khan Academy nicht nur mit dem Einbezug
weiterer Partner und Bildungs-Fachpersonen, sondern auch mittels der Möglichkeit von
Mitarbeit, Verbesserungsvorschlägen und nicht zuletzt mittels „Likes“.
Irena Kulka, 1. Oktober 2013
Links zur Khan Academy:
https://www.khanacademy.org/

Tutorials:
https://www.khanacademy.org/cs/tutorials/all-tutorials

Vorstellungsreferat von Salman Khan:
http://www.youtube.com/user/khanacademy

Artikel in der Zeitschrift Le Point Nr. 2137, August 2013:
http://www.lepoint.fr/societe/education-salman-khan-le-petit-genie-qui-bouscule-lesprofs-28-08-2013-1718622_23.php

Kritische Buchrezension:
http://www.letudiant.fr/educpros/actualite/l-education-reinventee-de-salman-khan.html

Neues Buch von Salman Khan « L'éducation réinventée », Sept. 2013 :
https://itunes.apple.com/ch/book/leducation-reinventee/id681089784?mt=11

Lobreicher Artikel:
http://content.time.com/time/magazine/article/0,9171,2118298,00.html
http://ideas.time.com/2011/11/16/salman-kahn-the-new-andrew-carnegie/

MOOC-Businessmodelle an Hochschulen:
http://www.insidehighered.com/news/2011/12/13/stanfords-open-courses-raisequestions-about-true-value-elite-education
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