Robert Doisneau - Informationsmittel für Bibliotheken

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Robert Doisneau - Informationsmittel für Bibliotheken
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KULTURWISSENSCHAFTEN
BF
ANGEWANDTE KÜNSTE
BFL
Photographie
Personale Informationsmittel
Robert DOISNEAU
BILDBAND
15-1
Robert Doisneau : 1912 - 1994 / Jean-Claude Gautrand.
[German transl. Michael Müller. Engl. transl.: Chris Miller]. Köln : Taschen, 2014. - 539 S. : überw. Ill. ; 35 cm. - ISBN 9783-8365-4714-7 : EUR 49.99
[#3943]
Robert Doisneau (1912 - 1994) gehört zu den bekanntesten französischen
Photographen, sein Werk umspannt seit seinen Jugendjahren vor allem das
Leben in der Stadt Paris, in vielen Auftragsphotographien und Bildreportagen das städtische Leben dort, dazu Kultur und Wirtschaft, daneben in eigenen Photoserien das alltägliche Leben der sog. kleinen Leute in den Vorstädten von Paris, in denen er selber geboren wurde und an denen sein
Herz hing.1 Nach einer Ausbildung zum Lithographen beginnt er als Photograph zu arbeiten, 1932 erscheint seine erste Bildreportage in einer Zeitung.
Von 1934 bis 1939 ist er als Werksphotograph in der Automobilfabrik Renault angestellt, nach seiner Entlassung wegen Unpünktlichkeit macht er
sich als Photograph selbständig, die Agentur „Rapho“ seines Freundes
Charles Rado vertritt ihn bis an sein Lebensende. Nach dem Krieg arbeitet
er vor allem im Auftrag von zahlreichen, französischen und internationalen
illustrierten Zeitschriften, auch als Werbephotograph und Porträtist; davon
unabhängig photographiert er als Flaneur kontinuierlich das Alltags- und
Arbeitsleben auf den Straßen, in den Betrieben und in den Kneipen von Pa1
So dürfte es nur wenige illustriere Bücher über Paris geben, die ohne Photos von
Doisneau auskommen. Zwei ganz neue Bildbände, die seine Photographien verwenden, seien genannt, stehen sie doch für seine Bildreportagen ebenso wie für
seine Bilder aus dem Alltagsleben: Paris libéré, photographié, exposé : Musée
Carnavalet - Histoire de Paris, 11 juin 2014 - 8 février 2015 / [Catherine Tambrun
... Responsable éd.: Hélène Studievic ...]. - Paris : Paris Musées, 2014. - 434 S. :
zahlr. Ill. - ISBN 978-2-7596-0246-9 - ISBN 978-2-7596-0245-2. - Maigrets Frankreich / Georges Simenon. Fotografiert von Brassaï, Cartier-Bresson, Doisneau
u.a. Zsgest. und hrsg. von Michel Carly. Mit einem Vorw. von Denis Tillinac. - Zürich : Diogenes, 2014. - 215 S. : zahlr. Ill. ; 30 cm. - Einheitssacht.: La France de
Maigret <dt.>. - ISBN 978-3-257-02128-8 : EUR 49.90. - Das erste und umfangreichste Kapitel gilt der Stadt Paris. [KS]
ris und seinen ärmlichen Vorstädten, so, wie es auf ihn zukommt, als abwartender Beobachter, nicht als Jäger. Ein Porträt-Auftrag führt ihn 1945 zu
Blaise Cendrars, der mit ihm das Interesse an den Banlieues teilt; 1949 entsteht Doisneaus erstes Buch La banlieue de Paris mit Texten von Blaise
Cendrars, dem viele weitere Photobücher über Paris und seine Straßen folgen.2 Nach 1960 photographiert er auf einigen Auslandsreportagen in den
USA und der Sowjetunion, sein wichtigstes Thema aber bleibt Paris. Spätestens seit Beginn der 1980er Jahre und bis zu seinem Tod und in den Jahren seither gehört er mit vielen Ausstellungen, Photobüchern und Auszeichnungen zu den bekanntesten und arriviertesten Photographen Frankreichs,
– sowohl mit seinen Pariser Auftragsbildern als auch mit seinem Hauptthema, den Banlieues von Paris in den Nachkriegsjahren, das seinen künstlerischen Ruf als einer der prominentesten Vertreter der „photographie humaniste“ der 1950er Jahre bis in die heutige Gegenwart trägt.3 Vor allem seine
Schwarzweiß-Aufnahmen zeichnen sich aus durch große Menschlichkeit,
Anteilnahme, Zuneigung, Optimismus, Humor und Schwermut zugleich.4
Doisneau liebt ein großes Bildformat, in dem seine Figuren oft von freien
Räumen umgeben sind, enge Nahsichten und angeschnittene Bildfiguren
vermeidet er. Seine späten und selteneren Farbphotographien, wirken im
Vergleich zu seinen Schwarzweißbildern weniger empathisch aufgeladen,
sondern eher distanziert und kühl.
Doisneaus Freund, der Photograph und Ausstellungskurator Jean-Claude
Gautrand5 (geb. 1932), hat aus den über 450.000 Photographien in Dois2
So sind Photobücher von Doisneau natürlich auch in folgendem Band zahlreich
vertreten: Eyes on Paris : Paris im Fotobuch ; 1890 bis heute ; [zur gleichnamigen
Ausstellung im Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg vom 16.
September 2011 bis zum 8. Januar 2012] / Hans-Michael Koetzle. Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg. [Mit Beitr. von Hans-Christian Adam ... Gestaltung: Detlev Pusch]. - München : Hirmer, 2011. - 418 S. : zahlr. Ill. ; 31 cm. - ISBN
978-3-7774-4131-3 : EUR 49.90 [#2755]. - Rez.: IFB 14-2 http://ifb.bszbw.de/bsz349868530rez-1.pdf
3
Als große Übersicht über seine Photographien aus Paris erschien 2005: Paris /
Robert Doisneau. [Aus dem Franz. von Christine Diefenbacher]. - Paris : Flammarion, 2005. - 393 S. : überw. Ill. ; 31 cm. - Einheitssacht.: Doisneau Paris <dt.>. ISBN 2-08-021042-4. - Broschiert und in kleinerem Format als: Mein Paris / Doisneau. [Aus dem Franz. von Christine Diefenbacher]. - München : Schirmer Mosel,
2010. - 393 S. : überw. Ill. ; 26 cm. - ISBN 978-3-8296-0502-1 : EUR 29.80.
4
Da auf der deutschen Wikipedia-Website für Doisneau prominent auf sein vielleicht bekannteste Photo Le baiser de l’Hôtel de Ville von 1950 (S. 392/393) eingegangen wird (http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Doisneau [2015-01-11]), sei
auf den dort nicht erwähnten Aufsatz von Nina Lager Vestberg über die Entstehung und Ästhetik dieser für die Zeitschrift Life gestellten Auftragsphotographie
hingewiesen: Robert Doisneau and the making of a universal cliché / Nina Lager Vestberg. // In: History of photography. - 35 (2011),2, S. 157 - 165.
5
Im selben Großformat des Taschen-Verlags hat Gautrand 2011 ein photographisches Porträt der Stadt Paris zusammengestellt, in dem Doisneau unter gezählt
133 Photographen mit 43 Bildern am stärksten vertreten ist: Paris : portrait d'une
ville / ed. by Jean Claude Gautrand. Directed and produced by Benedikt Taschen.
neaus Nachlaß, der von seinen Töchtern Francine Deroudille und Annette
Doisneau aufgearbeitet und vermarktet wird,6 über 400 Bilder ausgewählt.
Sie werden hier im bekannten übergroßen Taschen-Format eines „Coffee
table book“7 von 34,8 x 26 cm und im Gewicht von 2,5 kg meist ganzseitig
auf schwerem Kunstdruckpapier in exzellenter Drucktechnik reproduziert;
Gautrand hat sie mit Annotationen (Titel, Ort und Entstehungsjahr) versehen, die er offensichtlich von Doisneau übernommen hat (S. 487), immer
wieder werden die Bilder mit ausgewählten (aber leider nicht belegten) Zitaten von Doisneau erläutert, so daß manchmal ein erläuterndes Zwiegespräch zwischen dem Photographen und dem Betrachter entsteht. Hinzu
kommt ein biographischer Kommentar, der durch die zeitliche Gliederung
des Bandes hindurch läuft, unterbrochen von kürzeren bis ausführlichen
Bildstrecken, die gewissermaßen die photographischen Belege liefern. Da
das Buch konsequent international ausgerichtet ist, werden praktisch alle
Texte gleichrangig, zuerst in englischer, dann in französischer und deutscher Sprache gedruckt. Die Kapitel umfassen 1. die Jugendjahre 1912 1939 (dreimal 3 Seiten Kommentar und ca. 20 Seiten Bilder), 2. den Krieg
1939 - 1945 (dreimal 3 Seiten Kommentar und ca. 60 Seiten Bilder), 3.
Hunger nach Bildern 1945 - 1960 (dreimal 5 Seiten Kommentar und über
200 Seiten Bilder), 4. Schwierige Jahre 1960 - 1980 (dreimal 3 Seiten
Kommentar und ca. 40 Seiten Bilder) und 5. Anerkennung 1980 - 1994
(dreimal 5 Seiten Kommentar und ca. 25 Seiten Bilder); die Bildstrecken
sind jeweils noch unterteilt in thematische Gruppen von 8 bis zu 40 Photographien, in denen die chronologische Folge nicht strikt eingehalten wird, –
eingeleitet jeweils durch ein dunkelrot farbiges Blatt mit Überschriften und
Zitaten: Allein im Buch zu blättern, ist optisch und haptisch ein Genuß! Im
Anschluß an den Bild- und Textteil folgen noch dreisprachig ausführliche
biographische Daten, die Bibliographie mit den Umschlagbildern der 75
Buchveröffentlichungen Doisneaus von 1949 bis 2013, darunter 32 seit seinem Tod, wieder dreisprachig der 1978 von Doisneau beantwortete Proustsche Fragebogen8 zu seinen Vorlieben und Überzeugungen, die Fußnoten
zum Fließtext und ein Personenregister zu Text und Photographien mit über
200 Eintragungen.
Gautrand hat schon 2003 bei Taschen ein gleichnamiges, anderes Buch mit
Photographien von Doisneau herausgegeben, das von Format und Umfang
her wesentlich bescheidener und unprätentiöser als der neue Band erscheint.9 Die hier wie dort zeitliche Gliederung ist nahezu identisch (nur der
[German translation: Stefan Barmann ...]. - Köln : Taschen, 2011. - 623 S. : zahlr.
Ill., Kt. ; 35 cm. - Text franz., engl., dt. - ISBN 978-3-8365-0293-1 : EUR 49.99
[#2766]. - Rez.: IFB 14-2 http://ifb.bsz-bw.de/bsz356085163rez-1.pdf
6
http://www.robert-doisneau.com/fr/ [2015-01-03] dazu ihr Vorwort (S. 9).
7
Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1055918442/04
8
Auch hier fehlt eine exakte Quellenangabe; zum Fragebogen selbst vgl.:
http://fr.wikipedia.org/wiki/Questionnaire_de_Proust
resp. http://en.wikipedia.org/wiki/Proust_Questionnaire [2015-01-05].
9
Robert Doisneau : 1912 - 1994 / by Jean-Claude Gautrand. [Engl. transl.: Chris
Miller. German transl.: Bettina Blumenberg]. - Köln [u.a.] : Taschen, 2003. - 191 S.
letzte zeitliche Abschnitt wurde für den neuen Band aufgeteilt), der Kommentar ist zwar zum Teil übernommen, aber doch erheblich ausgeweitet
worden, auch war er anders, auf nur drei Blöcke aufgeteilt. Der wesentliche
Unterschied liegt in den Bildern, die jetzt nicht nur im Format drei- bis viermal größer und schon von daher viel eindrucksvoller reproduziert worden
sind,10 sondern vor allem in der viel umfangreicheren, fast dreimal so großen Auswahl, zu der jetzt auch 48 Farbbilder gehören. Doisneau begann
1959 auch farbig zu photographieren, berühmt ist seine Reportage über die
Pensionärsstadt Palm Springs in Kalifornien für die Zeitschrift Fortune.11
Dem Vorwort des großen Taschen-Bandes ist zu entnehmen, daß die Farbphotographien von Doisneau aus den 1960er Jahren derzeit dokumentarisch erfaßt werden (S. 9), – wahrscheinlich werden sie in kommenden Veröffentlichungen stärker berücksichtigt werden. Da sich die Ästhetik von
Doisneaus Farbphotographien wie erwähnt deutlich von der seiner
Schwarzweiß-Bilder abhebt, ist hier sicher noch Neuland zu entdecken.
Bis dahin zeichnet sich die Auswahl von Gautrand gegenüber früheren
Auswahlbänden insbesondere durch die Übernahme von Farbphotographien aus, während die Auswahl der Scharzweiß-Bilder stark auf die bekannten Bilder und Bildserien von Doisneau zurückgreift. Da seit der letzten
vergleichbar großen, an seiner Biographie orientierten Auswahlveröffentlichung aber inzwischen fast zwanzig Jahre vergangen sind,12 wird der Band
verdientermaßen hoffentlich viele Käufer finden. Sie werden die derzeit umfangreichste und wohl auch weiteste Auswahl von Photographien von Robert Doisneau in großformatigen, hervorragend reproduzierten Abbildungen
vor sich liegen haben. Eine dringende Empfehlung für alle nostalgischen
Paris-Liebhaber und Verehrer des wohl bekanntesten Vertreters der französischen photographie humaniste!
Wilbert Ubbens
QUELLE
: überw. Ill. ; 20 cm. - ISBN 3-8228-1612-4 : EUR 6.99. - Daß der Verlag den alten
Titel für die neue Veröffentlichung von 2014 völlig unverändert übernommen hat,
wird mit Sicherheit unnötige Verwirrung stiften, ein „extended edition“ o.ä. hätte
zur Unterscheidung gut getan.
10
Puristischere Liebhaber der Photographie werden vielleicht die Reproduktionsgrößen im Auswahlband von 2003 bevorzugen, da die Bilder dort – zumindest in
der Mehrzahl – dem beabsichtigten Veröffentlichungsformat in illustrierten Zeitschriften näher stehen als die großformatigen Reproduktionen von 2014.
11
2010 als Buch veröffentlicht: Palm Springs / Robert Doisneau. Introd. by JeanPaul Dubois. - Paris : Flammarion ; London : Thames & Hudson, 2010. - 155 S. :
überw. Ill. ; 20 cm. - ISBN 978-2-08-030129-1.
12
Robert Doisneau : a photographer’s life / Peter Hamilton. - New York : Abbeville Press, 1995. - 384 S. : überw. Ill. - ISBN 0-7892-0020-1. - Französ. Ausg.:
Robert Doisneau : la vie d’un photographe / Peter Hamilton. - Paris : Hoëbeke,
1996. - 380 S. - ISBN 2-905292-87-3. Eine deutschsprachige Ausgabe ist nicht
erschienen. Der Band enthält mehr Text als der neue Band von Gautrand, zeigt
aber ansonsten ähnlich in Auswahl, Aufmachung, Format und Umfang nur
Schwarzweiß-Abbildungen.
Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und
Wissenschaft
http://ifb.bsz-bw.de/
http://ifb.bsz-bw.de/bsz419923330rez-1.pdf

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