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Mediävistisches Kolloquium
Fernando CARMONA RUIZ
«Die frühe Celestina-Ikonographie: Text und Bild im Vergleich»
La Celestina ist der gebräuchliche Kurztitel für die Tragicomedia de Calisto y
Melibea, ein Lesedrama, das zu den bedeutendsten literarischen Werken des Spätmittelalters
gehört. Die Celestina erschien während der Regierungszeit der katholischen Könige (14791516) und wieder spiegelt unter anderem die Kulturbeziehung zwischen Spanien und Italien.
Die italienische Kultur wird weit über das folgende Jahrhundert hinaus zum wesentlichen
Bezugspunkt der kulturellen Bildung der spanischen Eliten, was zu einer Erneuerung der
Orientierung an antiken Quellen ebenso beiträgt, wie zu einem wachsenden Einfluss der
italienischen Literaturtradition (insbesondere Boccaccio und Petrarca). Die Celestina, als
tragisch endende Geschichte zweier Liebenden, ruft die Literaturtradition von Hero und
Leander, Pyramus und Tisbe in Erinnerung, aber auch die späteren Liebesgeschichten von
Eneas Silvio Piccolomini (Historia de duobus amantibus) und Boccaccios Fiammeta.
Die Forschergemeinde ist sich bis heute über viele Fragen zur Celestina nicht einig:
Verfasserschaft, Gattung und Absicht werden weiterhin eifrig diskutiert. Die Problematik ist
besonders gross, da die Erstausgabe der Celestina nicht überliefert worden ist. Die Druck- und
Textgeschichte sind im Falle der Celestina sehr kompliziert miteinander verbunden. Die
Publikationsgeschichte der Celestina beginnt vermutlich im Jahre 1499 in Burgos. Diese
editio princeps umfasst 16 Akte. 1500 und 1501 erscheinen in Toledo bzw. Sevilla zwei
weitere Ausgaben, bei denen, wie schon in der Erstausgabe, explizite Verfasserangaben
fehlen. Ihr Titel: Comedia de Calisto y Melibea. Diese zwei letzten enthalten zusätzlich ein
Widmungsschreiben El auctor a un su amigo (Der Autor an einen Freund), eine Abfolge von
11 Oktaven, die akrostisch auf den Dichter Fernando de Rojas hinweisen, eine kurze
Inhaltsangabe des ganzen Werkes, und am Ende abermals einige Oktaven, diesmal allerdings
aus der Feder des “Korrektors” Alonso Proaza, eines in Valencia wirkenden humanistischen
Gelehrten. Das ist eine erste Gruppe von wenigen erhaltenen Exemplaren der Comedia.
Die zweite Gruppe weist den fortan verwendeten Titel Tragicomedia de Calisto y
Melibea auf. Der früheste bekannte spanische Druck wurde 1507 von Jorge Coci in Zaragoza
angefertigt. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass der früheste Beweis der
Tragicomedia eigentlich die italienische Übersetzung von 1506 ist. Diese Ausgaben der
Tragicomedia bringen eine wesentliche Erweiterung des Textes mit sich. Zwischen den 14.
und 15. Akt der alten Editionen wird der so genannte Tratado de Centurio eingeschaltet, der
in der neueren Zählung von der Mitte des 14. Aktes bis zur Mitte des 19. Aktes reic ht.
Auffällig ist, dass die angebliche editio princeps (Burgos, 1499) bereits mit 19
Holzschnitten illustriert ist, deren Stil an die Terenz-Bilder der 1496 in Strassburg von Johann
Grüninger gedruckten Komödien erinnert. Auch nennenswert ist, dass die Bildqualität von
Burgos 1499 besser als bei anderen späteren spanischen Ausgaben dieser Zeit ist. Diese von
einem anonymen Künstler geschaffenen Xilographien haben denn auch eine grosse Wirkung
auf die weitere Celestina-Druckgeschichte.
In diesem Vortrag möchte ich mich mit der Wirkung und Weiterentwicklung der
frühen Celestina-Ikonographie beschäftigen. Dabei steht die ikonographische Tradition der
Burgos-Ausgabe im Zentrum, genauer noch die Frage, auf welche Art und Weise sie die
Holzschnitte bedeutenderer Ausgaben beeinflusst hat: so zum Beispiel die Cromberger
Ausgaben von Sevilla (1514-1518) und die Valencianer Ausgaben von Juan Joffré (1514) und
Juan Viñao (1529). Während all diese Holzschnitte nach einem soliden Text-Bild-Verhältnis
streben, soll auch das Gegenteil – ein sehr loses Text-Bild-Verhältnis – vorgestellt werden:
die erste Ausgabe der französischen Übersetzung (1527). Schliesslich werden die
Holzschnitte der ersten deutschen Übertragung (Ain hipsche Tragedia, 1520) untersucht, die
zusammen eines der schönsten Bücher des 16. Jahrhunderts gestalten (MUTHER 1884: 137).
Der Künstler, Hans Weiditz auch bekannt als „Petrarka-Meister“, schafft eine Reihe von
Holzschnitten, die als Ausnahmeerscheinungen zu betrachten sind. Nicht nur weil sie
technisch sehr detailliert ausgeführt sind, sondern weil es sich hier um die strengste TextBild-Beziehung überhaupt in der frühen europäischen Celestina-Ikonographie handelt.
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