"U Hai" - narrensicher und doch gesunken
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"U Hai" - narrensicher und doch gesunken
Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 „U Hai“ - narrensicher und doch gesunken Jetzt wird die Krise der Marine offenbar - Mangelhafte Seemannschaft und altes Material Von Alexander Rost Seine komprimierte Wut suchte ihr Ventil im Zynismus. Was geschieht jetzt mit dem Unterseeboot „Hai“? Man ist dabei, es zu bergen. Es wird nach Helgoland und dann in eine Werft geschleppt. Und dann? „Dann“, sagte er, einer der Offiziere, mit denen wir in diesen Tagen sprachen, „dann wird’s instand gesetzt, damit es zum dritten Male versenkt werden kann.“ An Äußerungen solcher Art herrscht seit dem Unglück an der Doggerbank in der Marine kein Mangel. Ein U-Boot ist untergegangen; und der Unmut, der die Krise kennzeichnet, taucht auf. Am Montag, dem 12. September, hatte der U-Lehrverband unter dem Kommando von Fregattenkapitän Mahrholz, einem kriegserfahrenen U-Boot-Mann, in Neustadt an der Ostsee die Leinen losgeworfen. Aberdeen in Schottland sollte besucht werden. Der Verband bestand aus dem Tender „Lech“, dem Sicherheitsboot „Passat“ und den U-Booten „Hai“, „Hecht“ und „U 3“. Der Kiel-Kanal wurde passiert. Am Mittwoch, 25 Seemeilen westlich Helgoland, tauchten die U-Boote. Es war ein notwendiges Routinemanöver. In der Nordsee hat das Wasser, salzhaltiger, ein höheres spezifisches Gewicht als in der Ostsee. Die U-Boote mußten entsprechend getrimmt werden. Ungefähr zwölf Stunden darauf, 150 Seemeilen westlich Helgoland, am nördlichen Rand der Doggerbank, ist das U-Boot Hai etwa um 19 Uhr gesunken. Ein Mann wurde gerettet; 19 starben. Das U-Boot wurde nicht gerammt. Es hatte keine Tauchpanne. Es fuhr über Wasser. „Noch nie in der Geschichte der Seefahrt ist ein U-Boot bei Überwasserfahrt ohne Feindeinwirkung oder Kollision gesunken“, stellten die Experten alsbald fest. Das Rätsel, das heute fast jedes Unglück auf See aufgibt, wurde noch rätselhafter. Aber die lapidare Feststellung stimmt nicht. In den letzten Monaten des Krieges ereignete sich folgendes: Ein U-Boot der XXIIIer Serie, nicht im Einsatz, fuhr über Wasser. Damit frische Luft in die Räume gelange, hatte man das Turmluk geöffnet und in dieser offenen Stellung festgebunden. Das Boot mußte bei einem Manöver plötzlich mit voller Motorenkraft zurückgehen. Es „schnitt unter“. Man hatte keine Zeit mehr, das Turmluk zu schließen. Wasser brach herein. Das Boot sank. Einer der Männer, die sich daran noch erinnern, ist Uwe Christiansen, heute Dr. Christiansen und Flughafendirektor in Hamburg-Fuhlsbüttel. Er war Kommandant eines anderen XXIIIer-Bootes, von „U 2365“. Während des Kapitulations-Wirrwarrs versenkte er das Boot, nachdem die Mannschaft es verlassen hatte, nördlich der Insel Anholt im Kattegatt. Elf Jahre später, 1956, wurde „U 2365“ gehoben und bei den Kieler Howaldtswerken nicht bloß aufgefrischt, sondern „auf neu getrimmt“. Erheblich verändert wurde nur seine Bezeichnung: „U 2365“ wurde in „U Hai“, umgetauft. Jetzt ist das Boot zum zweiten Male untergegangen. Seite 1 von 6 Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 Auf der Werft gepfuscht?? Heben und „Aufmöbeln“ haben damals für den „Hai“ (wie für sein Schwesterboot „Hecht“) etwa 2,5 Millionen Mark gekostet. Für einen Neubau hätte man wahrscheinlich 18 Millionen Mark zahlen müssen. Später wurde das Boot bei Blohm & Voss in Hamburg um etwa anderthalb Meter verlängert. Seeleute liegen umgebauten Booten oder Schiffen gegenüber meist ein wenig Skepsis. In einer Zeit, in der Pfuscharbeit, nicht gerade, selten ist, wirkt solche Skepsis doppelt angebracht. In der Tat aber haben die Werften – unter Marinebauaufsicht – präzise gearbeitet. Die Schweißnähte wurden mit Röntgengeräten überprüft. Das Boot wurde durch Absenken (am Kran, ohne Bemannung) einer Druckprobe unterzogen. In den elf Jahren unter Wasser war es übrigens gleichsam konserviert worden. Das bei der Selbstversenkung ausgeflossene Öl hatte sich als Schutzfilm um das Metall gelegt. Selbst feine Maschinenteile waren intakt geblieben. Das U-Boot „Hai“, darüber ist man sich einig, ist nicht infolge Altersschwäche untergegangen. Ob es sinnvoll war, alte Boote zu heben und als Schulboote wieder in Dienst zu stellen und solange in Dienst zu halten, ist freilich umstritten. Auf diesen Booten muß praktisch alles von Hand bedient werden; Automatik gibt es nicht. Das macht sie ziemlich narrensicher; aber ihr Wert für die Ausbildung ist gering. Schließlich setzt man sich auch nicht auf einen Kutschbock, wenn man später am Autolenkrad sitzen soll. Ein alter U-Boot-Fahrer nannte den „Hai“ kurz „alter Kram“. Die XXIIIer-Boote sollten im Kriege vor der englischen Ostküste, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer eingesetzt werden. Ihr Fahrbereich war gering. Das bedeutet wiederum, daß für „Hai“ (wie für „Hecht“) die Reise gen Aberdeen keine Kleinigkeit war. Es wäre, wie manche Besatzungsmitglieder ganz richtig fühlten, eine „große Fahrt“ geworden, nicht zu vergleichen mit irgendwelchen Tauchproben „gleich um die Ecke“ von Neustadt. Man darf annehmen, daß daher an Bord besonders sorgfältig gearbeitet wurde. Darf man’s wirklich? Das U-Boot „Hai“ ging unter, als das U-Boot „Hecht“ manövrierunfähig war. Auf „Hecht“ war bei der Überwasserfahrt eine Trosse in die Schraube geraten. Das Boot mußte stoppen. Es kann schon vorkommen, daß beim An- oder Ablegemanöver eine Trosse so unglücklich fällt. Bei Marschfahrt gibt es dafür allenfalls eine Erklärung, aber keine Entschuldigung. Tampen in der Schraube Um den Turm des U-Bootes liegt außerhalb des Druckkörpers eine Blechverschalung, in die, ähnlich wie in einem Schrank, Fächer eingeschnitten sind. Sie werden mit sogenannten Vorreibern verriegelt. Ein Vorreiber sollte so fest sitzen, daß kein „Seeschlag“ ihn öffnen kann. Mag sein, daß dies unter besonders unglücklichen Umständen doch geschieht: Die Klappe sprang auf; ein Tampen wurde herausgewaschen und geriet prompt in die Schraube. Das wäre eine für die Besatzung von „Hecht“ noch schmeichelhafte Erklärung: Auf jeden Fall aber hätte das Tauverk in seinem Schapp „festgebändselt“ sein müssen. Und wie auch immer – daß man auf hoher See unversehens seinen Propeller durch einen Tampen blockiert sieht, ist ein Zeichen schlechter Seemannschaft. Seite 2 von 6 Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 „Seemannschaft“ heißt das richtige Verhalten, das sorgfältige Arbeiten in See. Fehler in der Seemannschaft sind die Todsünden des Seemanns. Um Seemannschaft zu lernen und im Wortsinne zu erfahren, hält die Marine das Segelschulschiff „Gorch Fock“ in Dienst. Hatte man auf „Hecht“ die simpelsten Lehren vergessen? War man überfordert? Das Wetter war rauh. Doch daß Brecher über das Boot kommen, ist, um einen ehemaligen Kommandanten von „Hai“ zu zitieren, „für den U-Boot-Fahrer nicht mehr als Regen für den Autofahrer“. Der Verband steuerte einen Generalkurs zu einem Rendezvous-Point irgendwo vor Aberdeen. Man hatte fünf bis sechs Seemeilen Abstand untereinander. U-Boote, die auch bei Überwasserfahrt kaum aus dem Wasser ragen, sind dann außer Sicht. Man hielt Radar- und Funkkontakt. Auf der „Lech“, wo sich der Kommandeur des Geschwaders an Bord befand, hatte man jetzt aber nur eine Sorge: es galt, „Hecht“ in Schlepp zu nehmen. Das gelang ohne große Mühe. Die Schlepptrosse wurde vom Turm des Bootes aus angeschlagen. Niemand brauchte in der rauhen See an Oberdeck herumzuturnen. Da man auf den alten XXIIIer-Booten nur einen einzigen Dieselmotor hat (und diese Maschine durchaus einmal „in die Knie“ gehen kann), trifft man vor jeder größeren Seereise Vorsorge für ein Schleppmanöver. Und vielleicht war hier dann die Seemannschaft durchaus in Ordnung. Unterdessen aber kümmerte man sich nicht mehr um „Hai“. Hatte die „Lech“ wirklich den Radarkontakt zu dem Boot verloren? Man stellt die Frage und traut bei der Antwort seinen Ohren kaum: Auf „Hai“ gab es überhaupt kein Radar. Die Rheinfähre zwischen Bad Godesberg und Königswinter hat selbstverständlich Radar – die deutschen Schul-UBoote „Hai“ und „Hecht“ haben es nicht. Sie haben nicht einmal ein Gerät, an dem sie feststellen können, daß sie geortet werden, keine Art Biskaya-Kreuz, eine Antennenanlage, die einmal bei den deutschen U-Boot-Kommandanten so begehrt war wie ein Orden (damals, als die Engländer ihre Angriffe mit Radar fuhren oder flogen) und daher „Deutsches Kreuz in Holz“ genannt wurde. Auch der Funkkontakt war unterbrochen. Es kann sein, daß auf „Hai“ die Peitschenantenne abgebrochen war; aber es kann nicht länger als ein, zwei Stunden dauern, bis eine Ersatzantenne ausgebracht ist. Man gerät ins Fachsimpeln, wenn man darüber mit U-Boot-Offizieren spricht. Mag sein, daß auch das Antennenanpassungsgerät versagt hat. Fehlerquellen gibt es genug; und doch klingt es grotesk, wenn man sich eingestehen muß, daß heute zwar Fernsehbilder vom Mond gefunkt werden, eine Funkverbindung auf ein paar Seemeilen aber nicht zustande kommt – auch wenn man bedenkt, daß bei Sonnenuntergang die Funkverhältnisse allgemein ungünstiger werden, und selbst wenn man kosmische Geschehnisse wie die zur Zeit rege Sonnenfleckentätigkeit mit ihren funkstörenden Folgen bemühen sollte. Daß „Hai“ untergegangen war, wußte man erst, als der einzige Überlebende von einem britischen Fischdampfer gerettet wurde. Am Donnerstag um 7.22 Uhr zog man den Obermaat Peter Silbernagel auf dem Trawler an Bord. Um 8. 10 Uhr gab Norddeich-Radio SOS. Inzwischen hatte die Marine schon Suchaktionen anlaufen lassen. Im Ernst aber hatte niemand auf den Schiffen und in den Stäben an einen Untergang des Bootes geglaubt. Seite 3 von 6 Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 „Mit diesem Boot kann man noch in See bleiben, wenn Zerstörer und andere Schiffe längst einlaufen müssen“, erklärte uns ein ehemaliger Kommandant von „Hai“. In einigen Reportagen, die mit Seemannsgarn verknüpft waren, hat man von unglaublich schlechtem Wetter lesen können. Es gibt Augen- und Ohrenzeugen, die auf dem Sicherungsbot „Passat“ gehört haben wollen, wie der Kommandeur des Verbandes „beschworen“ wurde, die Reise abzubrechen. Doch der Kommandeur hat sich gar nicht auf der „Passat“, sondern auf der „Lech“ befunden. Und es gibt Leute, die dem Kommandeur „Naßforschheit“ vorwerfen. Tatsächlich hat es keinerlei Grund gegeben, sich des Wetters wegen Sorgen um „Hai“ zu machen. Von Orkan konnte keine Rede sein. Der Wind wehte in Böen bis Stärke neun (zur selben Zeit war eine Segeljacht bei Helgoland unterwegs). Der Seegang hatte etwa Stärke vier. Da geht eigentlich kein U-Boot unter. In die Tiefe gespült Bislang hatte die deutsche Marine in Friedenszeiten nur zwei Boote verloren. 1911 war „U 3“, ebenfalls ein Schulboot, im Kieler Hafen bei einer Tauchpanne unter Wasser liegengeblieben. Das U-Boot-Hebeschiff „Vulcan“ (heute hat die Marine kein Schiff dieser Art) hob das Boot soweit an, daß die eingeschlossenen Leute, bis auf drei, die den Tod fanden, durch ein Torpedoausstoßrohr gerettet werden konnten. Der Mann, der sie herausholte und dafür den Kronenorden am Bande der Rettungsmedaille erhielt, war Max Valentiner; im Ersten Weltkrieg wurde er, ausgezeichnet mit dem Pour le Mérite, einer der erfolgreichsten deutschen U-Boot-Kommandanten. 1936 ging „U 18“ nach einem Rammstoß mit demBegleitboot „T 156“ unter; acht Mann kamen ums Leben. Es wurde gehoben und 1944 im Schwarzen Meer von den Sowjets versenkt. Während des Ersten Weltkrieges gingen 17 deutsche U-Boote durch Unfälle verloren, während des Zweiten Weltkrieges im Heimatgebiet und in den Einsatzhäfen 42. Dabei hat es einige hundert Tote gegeben. U-Boot-Fahren war stets mit Risiken verbunden. Und wenn man schon Traditionspflege in der Marine betreibt, sollte man auch alte Erfahrungs-Storys wie diese nicht vergessen: „U 1206“, eines der VII-C-Boote mit Tauchtiefen bis 280 und, wenn es unbedingt sein mußte, auch 400 Metern, ist untergegangen, weil der Kommandant auf dem WC Fehler machte. In zweihundert Meter Tiefe kam er mit. dem Pumpmechanismus nicht klar. Das war auch gar nicht seine Sache; dafür gab es Heizer, also Maschinenpersonal, mit entsprechender „Spezialausbildung“. So lächerlich es klingen mag, aber in zweihundert Meter Tiefe, bei einem Druck von 200 Atü, ist Wasserspülung eine komplizierte Angelegenheit. Der „LI“, der Leitende Ingenieur, dem Böses schwante, beorderte einen der Spezialisten zu seinem Kommandanten. Zu spät. Ein schenkeldicker Wasserstrahl schoß ins Boot. Der LI „schaltete“ zwar, brachte „U 1206“ auch ohne Befehl auf Sehrohrtiefe, in einen Bereich geringeren Wasserdrucks. Doch auch das war zu spät. Inzwischen war schon soviel Seewasser ins Boot gelaufen, daß aus den Batterien weiße Gasschwaden aufstiegen. Chlorgas drohte die Besatzung zu vergiften. Man tauchte auf. Sofort waren zwei Bomber über dem Boot. „U 1206“ war verloren. Die Geschichte hat durchaus ihre Moral. Auf einem U-Boot kann jeder Verstoß gegen die,, Vorschrift“ verhängnisvoll sein; hier gilt eben nicht, was der Großadmiral Köster einmal, seine Stabsoffiziere anfauchend, behauptete: „Vorschriften sind nur für die Dummen da.“ Hat man auf „Hai“ gegen eine Vorschrift, gegen einen Nebensatz in irgendeiner Anweisung verstoßen? Seite 4 von 6 Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 Der Kommandant, der mit 28 Jahren keineswegs ein „junger Mann“ war, der Schiffstechnische Offizier, wie heute der LI heißt, der WO, der Torpedooffizier, alle Unteroffiziere und Mannschaften, bis auf den geretteten Kochsmaaten, sind tot. Vorerst bleibt man auf Vermutungen angewiesen. Daß die Elektrobatterie auf „Hai“ giftige Gase entwickelt haben könnte, ist ausgeschlossen. Sie ist gegen eindringendes Spritzwasser geschützt und liegt so weit vorn im Boot, daß Brecher, die durch das Turmluk hereinstürzen, sie nicht erreichen. Daß der Druckkörper geborsten ist, erscheint höchst unwahrscheinlich. Vielleicht drang Wasser durch das Zuluftventil in den Dieselraum. Aber man kann das Ventil drosseln und mit einem Fußtritt schließen. Und es ist schwer vorstellbar, daß der Kommandant das Turmluk offen ließ, falls wirklich mehrere Brecher über den Turm gekommen sind. „Wir werden alle überrascht sein“, meinte ein alter U-Boot-Fahrer; man weiß nur nicht, wovon. Das Boot soll „wie ein Stein“ weggesackt sein. Und soweit genaueres von Silbernagels Aussagen bekannt geworden ist, hat es den Wasser-, einbrach offenbar im Dieselraum gegeben. Der Dieselraum ist von der Zentrale und dem vorderen Raum des Bootes nur durch ein Lärmschott getrennt. Das Boot ist nicht wasserdicht in mehrere Sektionen unterteilt. Und bei dem geringen Restauftrieb von „Hai“ (Wasserverdrängung über Wasser 232, unter Wasser 256 tons) genügt verhältnismäßig wenig Wasser, das Boot auf den Grund zu zwingen. Aber alle Vermutungen bleiben vage. Fest steht, hier ist ein U-Boot untergegangen, ohne Funksignal, ohne Notsignal überhaupt. Nicht einmal eine Sternsignalpistole wurde abgeschossen. Wer einmal in einem U-Boot gesteckt hat, der ahnt, wie blitzschnell das Verhängnis hereinbrechen kann. Aber so schnell? War man im Boot, war man auf den Begleitschiffen zu arglos? Der bisher härteste Vorwurf gilt dem Kommandeur und den Marinestäben an Land. Sie hätten die Rettungsaktionen zu spät, viel zu spät anlaufen lassen. Dagegen spricht, daß es durchaus nicht üblich ist, nahezu pausenlos Funkkontakt mit einem U-Boot zu halten. Amerikanische, britische und auch deutsche Vorschriften besagen, daß ein U-Boot auf längerem Marsch sich einmal in 24 Stunden melden muß. Nun gut, aber die Marine hatte schon beim Starfighter-Absturz vor Helgoland „nichts gehört“. Ihre Nachrichtentechnik bedarf zumindest der Überprüfung, ihr Funkverfahren nicht weniger. Spricht man in diesen Tagen Marineoffiziere auf solche Probleme an, dann ist man nach dem dritten Satz in der großen Debatte: über die mangelhafte Zivilcourage von Stabsoffizieren, über gute Beamte und andere, die man lieber hinter irgendeinem Schalter sähe, über Erprobungen, bei denen festgestellt wird, nicht ob, sondern wie „die Sache funktioniert“; über pyrotechnische Signalgeräte, die auch unter Wasser nicht ausfallen und für angelsächsische Marinen seit 1958 angefertigt werden, aber der deutschen Marine noch fehlen; über Personal- und Sachfragen ... „Nun sind wir seit zehn Jahren dabei, irgendetwas aufzuholen; und statt zwölf haben wir ganze vier U-Boote („U 4“ bis „U 8“) einsatzbereit“, zog ein Kapitän im Gespräch, im privaten Gespräch, versteht sich, die bittere Bilanz. Dreißig Boote sind nötig, damit die Marine ihre taktische Aufgabe in der Ostsee und vor den Osseeausgängen erfüllen kann. Etwa dreihundert U-Boot-Fahrer sind ausgebildet. Die meisten sind gern zur U-Boot-Waffe gekommen, einige jedoch voller Skepsis. Ihre Skepsis ist vorerst nicht ganz unberechtigt. Seite 5 von 6 Quelle: DIE ZEIT, 23.9.1966 Nr. 39 Mißmut macht sich breit. „Wenn das so weiter geht, sollten wir einpacken“, bekommt man zu hören. Vielleicht sollte man endlich zupacken. Der Prestigeverlust ist groß. Nicht nur bei den NATO-Marinen hatte man Respekt vor den deutschen U-Booten. Allein mit der Bergung von „Hai“ ist dieser verlorene Respekt nicht wiederzugewinnen. Seite 6 von 6