Der Faktorraum - mathematik

Transcription

Der Faktorraum - mathematik
www.mathematik-netz.de
© Copyright, Page 1 of 5
Der Faktorraum
Ein sehr wichtiges Konstrukt, welches überall in der Mathematik Verwendung findet, ist der Faktorraum,
oft auch Quotientenraum genannt. Dieser ist selbst ein Vektorraum, wird aber auch aus Vektorräumen
gewonnen. Elemente der Faktorräume nennt man Nebenklassen. Doch alles der Reihe nach:
Definition:
Sei nun U ein Unterraum eines K-Vektorraumes V. Für einen bestimmten Vektor v  V sei
v+U:={v+u | u  U},
d.h. wir halten einen Vektor v aus dem K-Vektorraum V fest und addieren zu diesem Vektor alle Elemente
u aus dem Unterraum U.
Wir nennen v+U die Nebenklasse von U durch v und v ein Repräsentanten der Nebenklasse v+U. Eine
Nebenklasse ist eine Menge von Vektoren.
,
Beispiel:
⎛ x⎞
Sei V= \2 und U={ ⎜ ⎟ | x  \ } die eindimensionale Teilmenge, die x-Achse also eine Gerade. Nach dem
⎝ 0⎠
Unterraumkriterium ist U ein Unterraum. Es gilt
⎛ 0⎞
ƒ
Das Nullelemente aus V liegt in U für x=0 gilt ⎜⎜ ⎟⎟  U,
⎝ 0⎠
ƒ
für u1, u2  U gilt u1+u2  U, d.h. ⎜⎜ 1 ⎟⎟ + ⎜⎜ 2 ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎟⎟  U,
⎝ 0 ⎠ ⎝ 0 ⎠ ⎝0⎠
für alle a  K und alle u  U gilt au  U.
ƒ
⎛u ⎞
⎛u ⎞
⎛y⎞
⎛ 0⎞
Um eine Nebenklasse v+U von U zu bilden, wählen wir einen Vektor aus dem Vektorraum V, z.B. v= ⎜⎜ ⎟⎟ .
⎝1⎠
⎛ 0⎞
⎛ 0⎞
Es gilt ⎜⎜ ⎟⎟ +U:={ ⎜⎜ ⎟⎟ +u | u  U}, d.h. sämtliche Vektoren aus x werden um eine Einheit in y-Richtung
⎝1⎠
⎝1⎠
verschoben.
Links ist der Vektorraum \2
visualisiert dargestellt.
Der Unterraum U wird also
durch die x-Achse symbolisiert.
y-Achse
Die Nebenklasse von U wird
durch die rote Gerade dargestellt. Hier wird auch deutlich
warum man dieses Konstrukt
Nebenklasse nennt.
x-Achse
,
www.mathematik-netz.de
© Copyright, Page 2 of 5
Sind Nebenklassen selbst Unterräume von V?
⎛ 0⎞
In der Regel sind Nebenklassen keine Unterräume. Die Nebenklasse N1:={ ⎜⎜ ⎟⎟ +U} ist kein Unterraum. Wir
⎝1⎠
verifizieren diese Behauptung mit Hilfe der Unterraumkriterien.
⎛ 0⎞
(i)
Offensichtlich liegt das Nullelement aus V nicht in N1, außerdem ist die Menge ⎜⎜ ⎟⎟ +U weder
⎝1⎠
additiv noch multiplikativ abgeschlossen.
(ii)
Sei dazu n’=( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ ), n’’=( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ )  N1 dann gilt für die Nebenklasse N1 von U ( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ )+
⎝1⎠ ⎝ 0⎠
⎝1⎠ ⎝ 0⎠
⎝1⎠ ⎝ 0⎠
⎛ 0⎞
⎛ 0⎞
⎛2⎞
⎛ 3⎞
⎛ 0⎞
⎛2⎞
⎛ 0⎞
⎛ 3⎞
⎛5⎞
( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ ) = ⎜⎜ ⎟⎟ 
N1 .
⎝ 1⎠ ⎝ 0⎠
⎝2⎠
(iii)
,
⎛ 0⎞
⎛2⎞
⎛ 0⎞
⎛2⎞
⎛6⎞
Sei a=3  K und sei n=( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ )  N1 dann gilt 3( ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ )= ⎜⎜ ⎟⎟ 
N1 .
⎝1⎠ ⎝ 0⎠
⎝1⎠ ⎝ 0⎠
⎝3⎠
Wir können genau bestimmen, ob eine Nebenklasse ein Unterraum ist, oder nicht.
Bemerkung:
Eine Nebenklasse v+U ist genau dann ein Unterraum (und dann gleich U), wenn v in U liegt.
,
Nebenklasse (v+U) ist Unterraum

v  U.
Beispiel:
⎛ x⎞
Sei V= \3 und U=( ⎜⎜ y ⎟⎟ | x,y  \ ) der zweidimensionale Unterraum, d.h. die Ebene die von der x- und y⎜ 0⎟
⎝ ⎠
Achse aufgespannt wird. Sei
⎛1⎞
⎜ ⎟
v= ⎜ 0 ⎟
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
und sei N2:={v+u | u  U }. Da v  U ist sind N2 und U identisch, d.h.
U ist ein Unterraum von V.
v hellgrün
x-y-Ebene im IR3 violett
Salopp formuliert könnte man sagen, dass die „Verschiebung“ durch v verpufft.
www.mathematik-netz.de
© Copyright, Page 3 of 5
⎛ 0⎞
Sei v’= ⎜⎜ 0 ⎟⎟ , dann kann man die Nebenklasse v’+U wie folgt darstellen. Hierbei wird der UR, also die Ebene
⎜1⎟
⎝ ⎠
um 1 in z-Richtung verschoben, also eine parallele Ebene erzeugt. Diese Ebene bildet keinen Unterraum
von V!
,
Als nächstes wenden wir uns den Repräsentanten einer Nebenklasse zu. Sind diese eindeutig bestimmt,
oder existieren mehrere? Wenn es viele Repräsentanten der Nebenklasse v+U gibt, wie sehen dann die
anderen aus? Exakt formuliert: Gibt es Vektoren v’ { v mit
v’+U = v+U ?
Gibt es also zwei Vektoren aus dem ursprünglichen Vektorraum um dieselbe Nebenklasse zu erzeugen?
Beispiel:
⎛ x⎞
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜1⎟
⎝ ⎠
Sei dazu V= \3 und U=( ⎜⎜ y ⎟⎟ | x, y  \ ) der zweidimensionale Unterraum. Sei v1= ⎜ 0 ⎟ und sei v2= ⎜ 1 ⎟
Elemente aus V. Wir bilden zu beiden Vektoren die Nebenklassen. Es gilt also
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛x⎞
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜0⎟
⎝ ⎠
N1:={ ⎜ 0 ⎟ +u | u  U} und N2:= { ⎜ 1 ⎟ +u | u  U}. Sei ⎜⎜ y ⎟⎟  U, da U ein Unterraum und somit ein Vektorraum
⎛ x⎞
⎛ x ⎞
⎜
⎟
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜ 0 ⎟
⎝
⎠
ist gilt ⎜⎜ y ⎟⎟  U aber auch ⎜ y 1⎟  U, d.h. beide Vektoren spannen denselben Raum auf. Diese Tatsache
www.mathematik-netz.de
© Copyright, Page 4 of 5
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛x⎞
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛ x ⎞
⎜
⎟
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜0⎟
⎝ ⎠
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜ 0 ⎟
⎝
⎠
analog auf Nebenklassen umgelegt erklärt, warum span< ⎜ 0 ⎟ + ⎜⎜ y ⎟⎟ > und span< ⎜ 0 ⎟ + ⎜ y 1⎟ > denselben
Faktorraum aufspannen. Hier sind also zwei Repräsentanten v1 und v2 ein und derselben Nebenklasse
gefunden worden.
,
Betrachtet man sich die Vektoren v1 und v2 etwas genauer, so stellt man fest, das gilt:
Proposition: (Kriterium für die Gleichheit von Nebenklassen)
Sei V ein K-Vektorraum, und sei U ein Unterraum von V. Seien v, v’  V. Dann gilt
v+U = v’+U

v-v’  U.
Die Proposition besagt also, dass die Differenz zweier Repräsentanten ein und derselben Nebenklasse
stets Element von U ist. Überprüfen wir das an unserem obigen Beispiel.
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛ 0⎞
⎜ ⎟
⎛0⎞
⎜ ⎟
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜1⎟
⎝ ⎠
⎜0⎟
⎝ ⎠
v1-v2= ⎜ 0 ⎟ - ⎜ 1 ⎟ = ⎜ 1⎟  U.
,
Seien nun v, v’  V. Wir definieren ~:  v-v’  U. Dadurch haben wir eine Relation, genauer, eine
Äquivalenzrelation erklärt:
Reflexivität:
v-v= 0  U.
Symmetrie:
Wenn v-v’  U, so folgt v’-v=-(v-v’), d.h. wenn v~v’ so folgt v’~v.
Transitivität:
Wenn v-v’= u1  U und v’-v’’=u2  U, so gilt v-v’’= u0+u1
d.h. wenn v~v’ und v’~v’’ so folgt v~v’’
 U,
Die Äquivalenzklassen bezüglich ~ sind die Nebenklassen v+U. Die Nebenklassen v+U liefern eine
Klasseneinteilung auf V, und zwei Nebenklassen v+U und w+U sind entweder gleich oder disjunkt.
Definition:
Sei V ein K-Vektorraum, und sei U ein Unterraum von V. Die Menge
V/U={v+U|v  V}
wird Faktorraum von V nach U oder Quotientenraum V modulo U genannt. Ausgesprochen wird V/U
als „V nach U“ oder „V modulo U“.
,
Proposition:
Sei V ein K-Vektorraum, und sei U ein Unterraum von V. Dann ist V/U ein K-Vektorraum.
Dabei sei für a  \ , (v+U)+(v’+U)= (v+v’)+U die Vektoraddition und a(v+U)=(av)+U die
Skalarmultiplikation.
Fassen wir also alle Nebenklassen eines Vektorraumes V und eines Unterraumes U zu einer Menge
zusammen und definieren darauf noch die entsprechenden Verknüpfungen wie Addition oder
Skalarmultiplikation (siehe oben) dann erhalten wir daraus den Faktorraum, einen Vektorraum. Um dies
zu beweisen, müssen sich sämtliche Axiome der Vektorräume bewahrheiten.
www.mathematik-netz.de
© Copyright, Page 5 of 5
Das die Definition der Vektoraddition tatsächlich Sinn macht, kann man sich an einfachen Beispielen klar
mache, jedoch muss man im Kopf behalten, dass wir hier mit Mengen hantieren.
Basen von Faktorräumen
Wir wollen uns den Faktorraum an einem natürlichen Beispiel vor Augen führen.
Beispiel:
⎛ x⎞
⎛x⎞
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜0⎟
⎝ ⎠
Sei V= \3 und U1={ ⎜⎜ 0 ⎟⎟ | x  \ }. Wir bilden daraus den Faktorraum V/U1, also V/ ⎜⎜ 0 ⎟⎟ . Sei weiter
a,b,c,x,y,z  \ .
⎛ a⎞
Wählen wir Vektoren v  V der Form v1= ⎜⎜ 0 ⎟⎟  V und bilden dazu die Nebenklassen, so ist V/U1 gerade der
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎛ a⎞
⎛x⎞
⎛ a x ⎞
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜0⎟
⎝ ⎠
⎜ 0 ⎟
⎝
⎠
Unterraum U1 selbst. Das liegt auf der Hand, denn ⎜⎜ 0 ⎟⎟ + ⎜⎜ 0 ⎟⎟ = ⎜⎜ 0 ⎟⎟  U und die Addition in einem
⎛0⎞
Unterraum ist bekanntlich abgeschlossen. Das Bild(v1+U1) ist also U1 und der Kern(v1+U1)={ ⎜⎜ y ⎟⎟ |y,z  \ }.
⎜z⎟
⎝ ⎠
Interessant wird der Faktorraum also erst dann, wenn wir Vektoren aus V wählen, die nicht in span(U)
liegen. Ist dies der Fall, so werden Nebenklassen erzeugt, die nicht unmittelbar aus dem Unterraum selbst
entspringen können.
⎛ a⎞
⎛ a⎞
⎛ x⎞
⎛ a x ⎞
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜ 0 ⎟
⎝
⎠
Sei dazu v2= ⎜⎜ b ⎟⎟  V, so ergibt sich für den Teilfaktorraum V/U1 = v2+U1 = ⎜⎜ b ⎟⎟ + ⎜⎜ 0 ⎟⎟ = ⎜⎜ b ⎟⎟ . Hier wird also
⎛ x⎞
⎛ 0⎞
⎜ 0⎟
⎝ ⎠
⎜ z⎟
⎝ ⎠
ein Raum der Dimension 2 erzeugt, das Bild(v2+U1)={ ⎜⎜ y ⎟⎟ |x,y  \ } und Kern(v2+U1)={ ⎜⎜ 0 ⎟⎟ |z  \ }.
⎛ a⎞
Treibt man das Spiel weiter und wählt v3= ⎜⎜ b ⎟⎟  V, so ist der erzeugte Raum ja nun gerade der komplette
⎜c⎟
⎝ ⎠
Faktorraum V/U1.
,
Sei U der durch das Bild eines Endomorphismus f:VÆV erzeugte Unterraum. Man kann erkennen, dass die
Basis eines Faktorraumes V/U gerade dem Kern von f entspricht!
Diese Tatsache wird v.a. bei den nilpotenten und jordanschen Normalformen der Schlüssel zum
Verständnis sein.
Viel Spaß mit der Mathematik!
http://www.mathematik-netz.de
http://www.mathering.de

Documents pareils