AdVoice 4_14 Web neu - Forum Junge Anwaltschaft

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AdVoice 4_14 Web neu - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte
G 48742
04/14
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
Thema:
Marken
Garant für Schöpfergeist
Auch Uniformen sind geschützt
Abmahnfalle Plagiat
Tödliche Verhandlungsfehler
Wie wollen wir sterben?
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w . d a v f o r u m . d e
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Editorial
Eine Marke setzen
Liebe AdVoice-Leserschaft,
unter dem Weihnachtsbaum wird es uns allen
immer wieder deutlich vor Augen geführt. Marken
regieren unsere Leben. Eine Welt ohne ist, wenn
wir ehrlich sind, auch gar nicht mehr vorstellbar.
Der wirtschaftliche Erfolg eines Landes hängt
maßgeblich davon ab, wie Handelsmarken gehegt
und gepflegt werden. „Made in Germany“ ist zwar
keine eingetragene Marke, es ist aber im übertragenden Sinne ein „Label“, das vielen inländischen
Marken das Image der Wertigkeit und Zuverlässigkeit weltweit einbrachte. Zurück geht dieses Positivbild auf den Erfindungsgeist kluger Ingenieure
und den Fleiß tausender Arbeiter. Mit der Industrialisierung ging es schwunghaft aufwärts, was
Patente, Gebrauchsmuster und Marken betraf. Der
Gewerbliche Rechtsschutz, unter den die vermarktbare Seite des Immaterialgüterrechts fällt,
wurde zu einer tragenden Säule der modernen
Konsumwelt. Schlaue Erfindungen rufen aber auch
Konkurrenten auf den Plan, die nicht nur Inspirationen für eigene Schöpfungen suchen. Plagiatoren werkeln hüben wie drüben in Hinterhofgaragen, um ungefragt und unerlaubt die fremden
Früchte zu ernten. Was das für eine Volkswirtschaft bedeutet, vermögen Wirtschaftswissenschaftler nur in groben Zahlen anzugeben. Von
jährlichen Schäden in Milliardenhöhe ist die Rede.
Das Spannungsfeld zwischen dem genialen Einfall,
der zur nachweisbaren geistigen Schöpfungsleistung wird, und der Vermarktungsebene in ihren
vielfältigen rechtlichen Facetten ist diesmal unser
Schwerpunktthema. Dabei interessiert uns unter
anderem, was es mit Patenten auf sich hat und
warum Patentanwälte so knackige Vergütungen
verlangen können. Weil die Mehrzahl der jungen
Kolleginnen und Kollegen den Einstieg in die Berufswelt über die allgemeinrechtlichen Themen
sucht, wollen wir mit einer überblicksartigen Darstellung Interesse für dieses „shopping-nahe“
Rechtsgebiet wecken. Mit Markenrecht lässt sich
gutes Geld verdienen. AdVoice zeigt, wie das geht.
AdVoice
Redaktionsteam
Selbstverständlich bleiben wir gewohnt lebensnah
in der anwaltlichen Praxis und fragen uns, was mit
„gefakten“ Handtaschen passiert, die Mandanten
online zum Hammerpreis ergattern. Auch Rechtsanwälte setzen heutzutage auf den Schutz ihrer
individuellen Kanzleimarke. Ein Blick in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt unterstreicht diese These eindrücklich. AdVoice berichtet über den kreativen Vorgang der
Markensuche bis hin zur Markeneintragung. In der
Rubrik JuraInfos setzen wir den Beitrag zum
Schmerzensgeld fort, lenken den Fokus auf die
immer wichtiger werdende Patientenverfügung,
verraten, wie Erfolgsvergütungen richtig getroffen
werden, und liefern Aktuelles rund um die Prozesskostenhilfe. Von den Regionalbeauftragten
gibt es wie üblich neue Meldungen aus den Kammerbezirken. Die Jura News und die Buchbesprechungen runden das kompakte Service- und Informationsangebot ab. Einen besonderen Dank richten
wir an dieser Stelle an Rechtsanwalt Jens Jenau, der
seit vielen Jahren der AdVoice-Redaktion als gewiefter Buchrezensent treu zur Seite steht. Ohne
seinen Einsatz wäre manch neues Rechtskompendium kommentarlos an uns vorübergezogen. Das
Dankeschön richten wir hiermit aber auch an alle
anderen Autoren, die Zeit und Mühe investiert
haben. Zuletzt danken möchten wir Euch, den Leserinnen und Lesern, die Ihr AdVoice kritisch und
konstruktiv begleitet habt. Wenn wir Euch das eine
oder andere Aha-Erlebnis bei der Lektüre verschaffen konnten, dann hat sich unser Einsatz wahrlich
gelohnt. Wir wünschen allen einen guten Ausklang
des Jahres 2014 und einen erfolgreichen Start in
das Jahr 2015. Bleibt uns auch im neuen Jahr treu
und gewogen!
Alles Gute wünscht
Euch Euer Patrick Ruppert
Tobias Sommer
Berlin
Rechtsanwalt
Chefredakteur
Patrick Ruppert
Köln
Rechtsanwalt
Redakteur und Autor
Stefanie Salzmann
Eschwege
Journalistin
Zentralredaktion
Lea Hogrefe-Weichhan
Mönkeberg
Rechtsanwältin
Redakteurin und Autorin
Jens Jenau
Schloß Holte-Stukenbrock
Rechtsanwalt
Bücherforum
Andrea Vollmer
Berlin
Fotografin und
Bildredakteurin
AdVoice 04 /14
1
Thema
Thema: Marken
Magazin
4
Garant für Schöpfergeist
Gewerblicher Rechtsschutz ist eine
komplexe Sache
19
Stolperfallen im Markenrecht
Von Regelstreitwerten und
Patentanwaltsgebühren
32
Drauflosrattern kann tödlich sein
Anwaltstrainerin Busmann nennt
typische Verhandlungsfehler
7
Auch Uniformen sind geschützt
Über Unternehmenskennzeichen
und Geschäftsbezeichnungen
20
Uns verbindet Persönlichkeit
Immer mehr Kanzleien definieren ihren
Markenkern als Wertschöpfer
35
Gedicht des Monats
Als strenger Richter tilgst du aus –
von Franz Grillparzer
8
Marken kommen nicht aus dem Nichts
Orientierung auf einem immer
komplexer werdenden Markt
23
Film: Der Krieg der Patente
Hannah Prinzler fragt: Brauchen
Innovationen Schutzrechte?
36
Streit um Einigungsgebühr
Aus der Schlichtungsstelle
der Rechtsanwaltschaft
10
Geklaut und abgekupfert
Produktpiraterie stark angestiegen –
Deutschland auf Platz zwei
24
Lego, Tesa, Google & Co
Das Problem des Erfolgs:
Wenn die Marke zur Gattung wird
37
Achtung, Unternehmerfallen!
Wenn die Mandantschaft
Marketinggaunern auf den Leim geht
12
Täuschend echt
Abmahnfalle Plagiat macht Kunden
zu Opfern
26
Imagekiller für Kanzleimarken
Schmaler Grat zwischen genialer
Geschäftsidee und Verlust an Profil
38
Gericht des Monats
Der Bundesgerichtshof Karlsruhe
40
14
Ein Leuchtturm lotst zum Recht
Wie eine Anwältin zur Marke
„Die Kü§tenkanzlei“ kam
27
Das ist ja 'ne Marke
WikiLeaks lässt Spendenverkauf
von T-Shirts unterbinden
380.000 Seiten im Ausdruck
Gericht entschied: Die E-Akte reicht aus
41
Mann in Zelle verbrannt
BGH bestätigt Urteil gegen Polizisten
Gestatten, unser Name ist Marke!
So innovativ kann Kanzleimarketing sein!
28
Der Kauf von Marken lohnt sich
Markenwirtschaft in Zahlen und Fakten
30
Die Kanzlei als Marke
Wie aus Mandanten
„Brand Advocates“ werden
16
2
AdVoice 04 /14
Fotos v. l. n. r.: AARGON_pixelio.de / Bernd Kasper_pixelio.de / Andrea Vollmer / Rasmus Sievers / Thommy Weiss_pixelio.de
Thema
JuraInfos
42
Der Weg durch die Instanzen
45
Fehler, die Geld kosten
Bücherforum
!
58
Info + Service
Gesamtes Medizinrecht
62
Auflösung des AdVoice-Markenquiz
Handbuch Vertragsverhandlung 63
Autorenverzeichnis
64
Das letzte Wort
64
Impressum
65
Aufruf
zur Mitarbeit für JuraNews
und Vertragsmanagement
46
Geduld und Verständnis gefragt
48
Wie wollen wir sterben?
49
Alles auf Anfang
50
JuraNews
Europäisches Wettbewerbsrecht
59
Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge
AGB-Recht Kommentar
Beweisrecht der StPO
Euer FORUM
60
Arbeitsrecht Kommentar
Münchener Anwaltshandbuch
GmbH-Recht
54
Eine Nische optimal nutzen
Sozialrecht hat auch Vorzüge
55
Stolpersteine im Mietrecht
Nachtrag zur FORUM-Jahrestagung
56
ARGE IT-Recht im DAV
56
Termine
57
Regionalbeauftragte stellen sich vor
_ Christina Reuther LG Arnsberg !
61
!
Beck´sches Formularbuch Arbeitsrecht
Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht
Verteidigung in Straßenverkehrssachen
BGB Paket 2014
Kennzeichnungskraft,
Zeichen- und Warenähnlichkeit, Verwechslungsgefahr – Das Markenrecht hat
viele unbestimmte Rechtsbegriffe und lebt von Fällen.
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kurze Fälle oder Fachfragen
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Seite 62.
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3
Thema
Garant für Schöpfergeist
Gewerblicher Rechtsschutz ist eine komplexe Sache
Gewerblicher Rechtsschutz klingt zunächst
reichlich hölzern, für Laien und für Juristen anderer Fachrichtungen gar wie ein böhmisches
Dorf. Dabei verdiente dieses sehr praxisrelevante Rechtsgebiet ein wenig mehr Politur für
sein Image, vermeintlich Distanz wegen Unverständlichkeit zu erwecken.
Stellen wir uns schlicht dumm oder besser: auch
gut ausgebildete Juristen dürfen zu ihren Wissenslücken stehen, gehörte gerade der gewerbliche
Rechtsschutz lange nicht zum klassischen Fächerkanon, der an den Unis gelehrt wird. Inzwischen
aber haben die Hochschulen verstanden und bieten
Studenten im Schwerpunktbereich eine frühzeitige
Spezialisierung im gewerblichen Rechtsschutz an.
Die Begriffsbedeutung für sich betrachtet mag zunächst irreführend sein, denn die Definition ist vom
Wortlaut her lediglich auf den Schutz des Gewerbes
beschränkt. Tatsächlich aber reicht der Zweck deutlich weiter.
Ein kurzer Blick in die Geschichte dient der Aufklärung. Die Basis ist die geistige Tätigkeit, ein Denkprozess, der im Diskurs mit anderen oder allein zu
einer Idee, zu einer geistigen Schöpfung, einer Erfindung wird. So waren es vornehmlich die universalgelehrten Philosophen der Antike, die sich erstmals in der Tiefe genau mit diesen geistigen Schöpfungsakten befassten. Wir denken an die vielen
mathematischen Gesetze, die bis heute ihre Gültigkeit besitzen und die unzweifelhaft mit berühmten
Namen in Verbindung gebracht werden, Archime-
des, Pythagoras oder Euklid, um nur einige wenige
zu nennen. Die Philosophen waren ihrer Zeit weit
voraus und galten als Innovatoren, die wiederum
andere zur Befassung mit deren Theoremen veranlassten, woraus wiederum neue, eigenständige,
geistige Schöpfungen wurden. Ein notwendigerweise gewerblicher Zusammenhang war diesen
frühen Schöpfungsakten nicht zwingend zu entnehmen. Klar war aber, dass sie einen Urheber im
weiteren Sinne besaßen und dieser sich darauf verlassen sollte, dass ihm die Meriten seiner Schöpfung
zustanden, wenn es auch zunächst nur der Ruhm
der Forschung und Wissenschaft war. Jene Philosophen genossen in aller Regel besondere Ehre und
Respekt, war doch der Großteil der Bevölkerung
nicht nur arm, sondern ohne jedwede Bildung. Geistige Betätigung gehörte in der Antike in die Aristokratie. Für die „Plebs“, also die einfache Bevölkerung, gab es nur den Kampf ums Überleben.
Es ist eine Errungenschaft der Neuzeit, dass Bildung
breite Teile der Gesellschaft erreichen sollte. Bildung war und ist Macht. Bis heute fürchten Diktatoren und autokratisch regierende Machthaber, die
ihren Untertanen lieber jeden Zugang zu Bildung
und Wissen blockieren wollen, genau diesen Umstand. Mit der Entmachtung des Adels und der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Deutschen
Reich, spätestens mit Verabschiedung des Artikels
145ff. der Weimarer Verfassung 1919, war der
Grundstein für breite geistige Betätigung gelegt –
letztlich der Garant für mannigfaltigen Erfindungsreichtum und Schöpfergeist.
Wo die Zahl der Schöpfer sprunghaft ansteigt, ist
es naheliegend, dass Auseinandersetzungen um
die Urheberschaft an jenen geistigen Schöpfungen zunehmen. Somit war die Notwendigkeit
geboren, „große Ideen“ einerseits beweiskräftig
kenntlich zumachen und zum anderen sie einer
Person zuzuordnen. Und dieses Anliegen folgte
wirtschaftlichen, eben gewerblichen Motiven,
konnte nämlich bereits mit einer Erfindung im
fortschreitend industrialisierten Deutschen Reich
gutes Geld verdient werden. Nach der Reichsgründung wurde am 1. Juli 1877 das Kaiserliche
Patentamt errichtet, in dem neben Erfindungen
auch bereits Marken zum Schutz eingereicht
werden konnten.
Kurzum: Gewerblicher Rechtsschutz befasst sich
mit dem Schutz geistiger Schöpfungen, die bestimmten Schöpfern zugeordnet werden. Obgleich Eigentum im rechtlichen Sinne etwas
Dingliches meint, wurde hieraus das „immaterielle“ geistige Eigentum abgeleitet.
Laut der Definition des Gabler Wirtschaftslexikon
meint „gewerblicher Rechtsschutz“ im engeren
Sinne den Schutz der gewerblich verwertbaren
technischen und ästhetischen Leistung sowie den
Schutz der geschäftlichen Kennzeichnungsrechte. Im weiteren Sinne gehören hierzu auch
das Urheberrecht und das Recht zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs.
Konzentrieren wir uns auf die enger gefasste Definition, konkret auf Patente, Gebrauchs- und
Geschmacksmuster und auf Marken.
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Foto: Lutz Stallknecht_pixelio.de / Grafik: gudman.de
Thema
PATENTE
Ein Patent ist ein verliehenes Schutzrecht, welches
für eine neue Erfindung für eine Zeitdauer von maximal 20 Jahren erteilt wird. Gemeint sind allerdings Erfindungen auf dem Gebiet der Technik, die
gewerblich anwendbar sind. Nachzulesen ist das in
§ 1 des Patentgesetzes (PatG). Das klingt irgendwie
simpel, ist es aber nicht, weil bereits die Vokabel
Technik darauf hindeutet, dass juristischer Sachverstand allein nicht ausreicht, um die Schutzfähigkeit
von Erfindungen überhaupt erfassen zu können.
Weil das Patentrecht eben überaus komplex ist,
sollte die Prüfungsarbeit einer bestimmten Berufsgruppe vorbehalten bleiben. Patentanwälte sind
studierte Ingenieure, Chemiker, Biologen oder Physiker mit einer qualifizierten juristischen Zusatzausbildung. Letztere ist ganz schön happig und dauert
gemäß der Patentanwaltsausbildungsordnung
(PAO) zwischen drei und zehn Jahren. Die immense
Ausbildungsdauer erklärt auch, warum der Gang
zum Patentanwalt nicht aus der Portokasse bezahlt
werden kann. Es ist zwar nicht zwingend erforderlich, rechtlichen Beistand für die Anmeldung von
Patenten hinzuziehen. Jeder Bürger mit Wohnsitz in
Deutschland ist befugt, beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) eine Erfindung selbst anzumelden. Die Erfolgsaussichten für eine gelungene
Patenteintragung wachsen erfahrungsgemäß allerdings mit der Beauftragung von Experten. Besonders die Klärung, inwieweit die Erfindung nach dem
gegenwärtigen Stand der Technik neu ist, verlangt
erhebliches Spezialwissen, denn die Prüfung umfasst im Patentrecht die Recherche in schriftlichen
und mündlichen Beschreibungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Anmeldung eines Patents ist nicht kostenfrei. Zu berücksichtigen sind
neben den Honoraren des rechtlichen Vertreters
eine amtliche Anmelde-, eine Recherche- und eine
Prüfungsgebühr. Ist ein Patent erst einmal eingetragen, werden ab dem dritten Jahr Jahresgebühren
fällig, die bis zur maximalen Schutzdauer jährlich
von 70 Euro bis 1.940 Euro ansteigen. Für den Weg
zur Patenteintragung sollten Mandanten genug
Zeit einkalkulieren, nämlich zwischen ein und drei
Jahren. War die Patentanmeldung vor dem DPMA
erfolgreich, und wurde die Eintragung bekannt gemacht, müssen Erfinder weitere neun Monate ausharren, in denen jedermann mittels Einspruch den
Widerruf des Patents anstreben kann, sofern die
Voraussetzungen hierfür vorliegen. Patente gelten
jeweils in dem Land, in dem sie eingetragen wurden. Es ist je nach Wunsch der Mandanten aber
auch möglich, den Patentschutz auf andere Länder
auszudehnen.
GEBRAUCHSMUSTER
Das Gebrauchsmuster weist in weiten Teilen Ähnlichkeit zum Patent auf. Es geht auch hierbei um
eine neue, technische Erfindung, die gewerblich
anwendbar sein muss. Der Unterschied zum Patent
liegt in der vereinfachten Prüfung der „Neuheit“, bei
der nur das auf dem Stand der Technik als bekannt
gewertet wird, was schriftlich vorbeschrieben oder
im Inland vorbenutzt wurde, so § 3 des Gebrauchsmustergesetzes (GebrMG). Dies führt unter anderem dazu, dass die Anmelde- und Eintragungsprozedur des Gebrauchsmusters beim DPMA üblicherweise innerhalb eines guten Jahres abgeschlossen
werden kann. Die Schutzdauer für ein Gebrauchsmuster liegt entgegen dem des Patents bei maximal
10 Jahren. Auch die Prüfung der Eintragungsfähigkeit eines Gebrauchsmusters gehört in versierte
Hände, so dass interessierten, aber nicht speziell
ausgebildeten Berufsträgern davon abzuraten ist,
derartige Mandate hauptverantwortlich ohne Expertenunterstützung zu betreuen.
MARKE
Anders als die Betreuung von Patenten und Gebrauchsmustern ist die Beratung im Markenrecht
ein ideales Betätigungsfeld für Rechtsanwälte. Eine
fachanwaltliche Spezialisierung ist nicht nur wegen
des Werbeeffekts, sondern auch wegen der historisch wenig stringenten Rechtsprechung gewiss
nützlich. Heranwagen sollten sich aber auch die
Kolleginnen und Kollegen, denen eine Weiterbildung fehlt, die aber einen ausgeprägten fotografischen Sinn für Marken – quasi mit der Muttermilch
aufgesogen – besitzen. In der Kindheit erworbenes
Katalogwissen, eine breite Kenntnis über Produkte
aus allerlei Vermarktungssegmenten wie etwa
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Thema
Lebensmittel, Bekleidung, Konsumartikel, Fahrzeuge und Industrieprodukte, kann wegen einer
ersten, unverbindlichen Einschätzung äußerst hilfreich sein, wenn Mandanten ihre zu schützende
Marke, sei es ein Wort oder ein Logo, präsentieren.
helfen da nicht weiter. Wie in allen anderen Rechtsgebieten bringen nur handfeste Beweise ein verwertbares Ergebnis. Typischerweise wird der Beweis
mittels demoskopischer Gutachten geführt. Das ist
vergleichsweise zeitintensiv und teuer.
Doch was genau sind Marken? Klar und präzise ist
es im Großen Brockhaus formuliert:
„Marken sind im Geschäftsverkehr benutzte Mittel
zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen
eines bestimmten Unternehmens mit dem Ziel, diese
Produkte von denen anderer zu unterscheiden.“
c) Notorische Bekanntheit
1. MARKENRECHTLICHER BEGRIFF
Als Marke (früher Warenzeichen) kommen alle die
Zeichen in Betracht, nämlich Wörter (auch Personennamen) Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich
der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie
sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und
Farbzusammenstellungen, die geeignet sind, Waren
oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Das
ergibt sich aus dem Markengesetz (§ 3 MarkenG).
Es besteht also grundsätzlich eine sehr breite Auswahl dabei, was als Marke im rechtlichen Sinn gelten kann. Entscheidend ist hier die Frage der Unterscheidungskraft, was in der Praxis nicht immer
leicht zu bewerten ist.
2. MARKENSCHUTZ
Eine Marke kann rechtlich geschützt sein, muss es
aber nicht. Damit Schutz entsteht, gibt es nach § 4
MarkenG drei Möglichkeiten.
a) Eintragung in das Markenregister
Ist eine Marke notorisch bekannt, kann ihr auch
Markenschutz zukommen. Klassische Anwendungsfälle gibt es in der Regel bei Marken, die aus dem
Ausland nach Deutschland gelangen und bereits
über eine immense Bekanntheit verfügen. Damit
eine Marke „notorisch“ bekannt wird, ist ein Bekanntheitsgrad von mindestens 70 Prozent erforderlich. Notorisch bekannt sind Marken wie Tempo,
Coca Cola, OBI oder McDonald's, die auch ohne
Eintragung in das Markenregister Schutz wegen
ihrer überragenden Bekanntheit genießen.
Wichtig hierbei ist, dass das Design zum Zeitpunkt
der Anmeldung neu sein muss. Außerdem muss sich
das Design von seinem Gesamteindruck von den bereits bestehenden Designs durch seine Eigenart erkennbar abheben. Diese Bewertung ist nicht mit
Laienaugen oder denen eines Gestalters zu treffen.
Der „informierte Benutzer“ steht bei der Beurteilung
im Mittelpunkt. Da das DPMA die genannten Kriterien nicht vor der Eintragung prüft, gehört das Geschmacksmuster zu den „ungeprüften Schutzrechten“. Es ist aber in jedem Fall vor einer jeden Anmeldung eines Designs ratsam, im Datenbestand des
DPMA eine Recherche vorzunehmen, um nach der
Eintragung das Risiko eventueller Kollision mit anderen Geschmacksmustern zu minimieren. Ähnlich zum
Patent und Gebrauchsmuster hält der Geschmacksmusterschutz nicht ewig. Mit jedoch max. 25 Jahren
liegt dieser recht hoch, vorausgesetzt, die anfallenden Aufrechterhaltungsgebühren wurden entrichtet.
3. SCHUTZFRIST
RECHERCHE UND ÜBERWACHUNG
Mit der Eintragung in das Markenregister läuft die
Schutzfrist von zehn Jahren, gerechnet ab dem Anmeldedatum der Marke. Der Markenschutz kann
mit Zahlung entsprechender Verlängerungsgebühren beliebig oft um jeweils weitere zehn Jahre verlängert werden.
Zum Handwerkszeug im gewerblichen Rechtsschutz
gehört eine gründliche Recherche. Diese kann für
alle Schutzrechte im online verfügbaren Datenbestand des DPMA vorgenommen werden. Damit die
Suche nach ähnlichen oder gar identischen Marken
und Designs erfolgreich ist, bedarf es aber notwendiger Fachkenntnisse, die man sich mit gängigen
Lehrbüchern im Selbststudium aneignen kann. Sehr
nützlich sind auch die Seminare, die der DAV oder
Weiterbildungsinstitute anbieten. Wer nahezu ausschließlich markenrechtliche Mandate bearbeitet,
wird nicht umhin kommen, Dienstleister mit ins
Boot zu holen, die sich um die Recherche kümmern.
Diese können auch sehr spezifisch mit allerhand
Überwachungstätigkeiten beauftragt werden, die
sich nicht nur auf die Daten des DPMA, sondern
auch Firmennamen aus Handelsregistern beziehen.
Kleiner Tipp: Das DPMA bietet über „DPMA kurier“
einen kostenfreien Überwachungsdienst an, der per
E-Mail registrierte Nutzer informiert.
Die obigen Ausführungen gelten für das Inland.
Wenn Mandanten größere, internationale Ziele verfolgen, kann einerseits eine sogenannte EU-Marke
(„Gemeinschaftsmarke“) ein geeignetes Instrument
für sie sein, um einen umfassenderen Schutz zu erlangen. Ein Anmeldeverfahren müsste dann über das
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM)
in Alicante (Spanien) beantragt werden. Andererseits
besteht auch die Möglichkeit, auf eine „IR-Marke“
(international registrierte Marke) zu setzen.
Die für Rechtsanwälte besonders relevante Alternative ist die Eintragung der Marke in das Markenregister des DPMA. Wie das Anmeldeverfahren konkret funktioniert und was es kostet, erfährt man
äußerst gut erklärt im Internetangebot des DPMA.
Sogar juristische Laien haben so eine Chance, eine
Anmeldung selbst vorzunehmen. Aber Obacht, denn
mit dem Ausfüllen des vorgesehenen Formulars ist
es in den aller meisten Fällen nicht getan. Und deswegen kommen wieder Experten ins Spiel. Sie müssen nämlich prüfen, ob ein Zeichen überhaupt eintragungsfähig ist, und ob es ähnliche oder gar identische älteren Zeitrangs im Markenregister gibt.
Anders als bei der Gemeinschaftsmarke, die für den
kompletten EU-Raum gilt, muss bei der IR-Marke
das jeweilige Land ausgewählt werden, in dem das
Zeichen Markenschutz erhalten soll. Grundvoraussetzung ist hierfür eine erfolgreiche nationale Markenanmeldung als „Basismarke“. Erst dann kann der
Schutz auf eines der Länder erweitert werden, die
dem Madrider Markenabkommen (MMA) beigetreten sind. Das sind aktuell 56 Staaten. Zuständig für
die IR-Marke ist das WIPO (World Intellectual Property Organization, auch OMPI Organisation mondiale de la propriété intellectuelle) in Genf (Schweiz).
b) Benutzung
GESCHMACKSMUSTER
Schutz erhält das Zeichen auch durch die Benutzung im geschäftlichen Verkehr, soweit es innerhalb
der beteiligten Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat. Gerade mit der Verkehrsgeltung ist das so eine Sache. Reine Behauptungen
Bei Geschmacksmustern geht es um das ästhetische
Erscheinungsbild, das ein Designer geschaffen hat.
Dies kann sich auf eine zwei- oder dreidimensionale
Sache beziehen. Um rechtlichen Schutz zu erlangen,
kann es beim DPMA gleichsam registriert werden.
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RA Patrick Ruppert, Köln
Kann der Slogan
„Vorsprung durch Technik“
in das Markenregister
eingetragen werden,
auch wenn es ein
Werbeslogan ist,
ja oder nein?
Auflösung auf Seite 62!
01
Thema
Die Geheimnisse „geschäftlicher Bezeichnungen“
Über Unternehmenskennzeichen und besondere Geschäftsbezeichnungen
Nach einem weitverbreiteten Irrglauben müssen
Begriffe in ein Markenregister eingetragen werden,
um geschützt zu sein. Ein wichtiger Bereich des
Kennzeichenrechts wird dabei völlig ausgeblendet,
denn auch „geschäftliche Bezeichnungen“ sind
vom Markengesetz erfasst, vgl. §§ 5, 15 MarkenG.
Per Definition sind das sowohl Unternehmenskennzeichen und besondere Geschäftsbezeichnungen
als auch Geschäftsabzeichen und Werktitel.
Die Fachbegriffe wie Verkehrsgeltung, Freihaltebedürfnis, Verwechslungsgefahr oder Unterscheidungskraft sind zwar die gleichen wie bei Marken. Doch
inhaltlich gibt es einige Besonderheiten. Zwar gilt
auch für „geschäftliche Bezeichnungen“ das Prioritätsprinzip, ebenso wie die Regelungen zur Verjährung, Verwirkung und Erschöpfung. Doch die Unterschiede treten bei Themen wie Benutzungsschonfrist,
also der Zeitspanne für die ein Schutz auch ohne Benutzung eines Zeichens besteht, der räumlichen Geltung, bei Beweisfragen, der Priorität, der Nachwirkung
eines Schutzes beispielhaft zu Tage. Generell gilt: Eingetragene Marken haben eine höhere Durchschlagskraft und können auch in Gebieten Schutz entfalten,
in denen ein Unternehmen noch gar nicht aktiv ist.
Jede Tätigkeit, die einer wirtschaftliche Betätigung
gleichkommt, löst dann den Kennzeichenschutz aus.
Zwar kann es sein, dass ein Eintrag in das Handelsregister zwingend vorgeschrieben ist, etwa weil die Gesellschaftsform es vorschreibt, für den Schutz einer
„geschäftlichen Bezeichnung“ ist jedoch keine zusätzliche Anmeldung zu einem Register erforderlich. Solange der Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten wird,
dauert der Schutz auch an. Verlängerungen samt Verlängerungsgebühr, wie es für eingetragene Marken
üblich ist, fallen nicht an. Umstritten sind aber die
Fälle von Geschäftsunterbrechungen.
Ein Kriterium, mit dem der Schutz von Unternehmenskennzeichen steht und fällt, ist die Unterscheidungskraft. In Abgrenzung zur markenmäßigen Unterscheidungskraft liegt die Betonung hier auf „namensmäßig“. Es genügt, wenn ein Begriff wie ein
Name wirken oder sich als schlagwortartiger Hinweis
durchsetzen kann. Dabei sind nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG Unternehmenskennzeichen solche Zeichen, die im geschätlichen
Verkehr als Name, Firma oder besondere Geschäftsbezeichnung eines Unternehmens benutzt werden. Das
können auch Zahlen oder Buchstaben sein.
KOSTENVORTEIL
HÜRDE DER
VERKEHRSGELTUNG FÜR LOGOS
Der große Vorteil von „geschäftliche Bezeichnungen“
ist der Kostenfaktor. Der Schutz entsteht bereits mit
der Inbenutzungsnahme des Begriffs im geschäftlichen Verkehr, z. B. für Unternehmenskennzeichen
bei Aufnahme des Geschäftsbetriebs, für Titel mit
Veröffentlichung eines Werks, wobei dieser Schutz
mittels Titelschutzanzeige vorverlagert werden kann.
Logos und Bildzeichen müssen Verkehrsgeltung besitzen, um den besonderen Schutz für „geschäftliche Bezeichnungen“ zu erlangen. Für solche Zeichen ist idR ein Markeneintrag unumgänglich. Slogans, Claims und Schlagworte orientieren sich an
den genannten Kriterien, hier dürfte sich dann alles
um die so genannte Namensfunktion drehen.
Eine besondere Geschäftsbezeichnung ist jede Kennzeichnung, die einem Geschäft einen Namen gibt. Das
können Domains sein, wenn sie als Geschäftsbezeichnung aufgefasst und nicht nur als Adresse gesehen
werden. Typischerweise sind das abgegrenzte Bereiche eines Geschäfts, wie z. B. „Intercity“ oder die sogenannten Etablissementsbezeichnungen für Gaststätten oder Theater.
AUCH UNIFORMEN GENIESEN SCHUTZ
Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung
des Geschäftbetriebs bestimmte Zeichen, so der Gesetzeswortlaut, wiederum weisen auf ein Geschäft hin,
benennen es aber nicht. Sie können auch nicht wie ein
Name ausgesprochen werden. Sie existieren in großer
Vielfalt, von Signets über die Uniform eines Unternehmens bis hin zur Telefonnummer. Wesentliche Hürde
für diese Zeichen ist die gesetzliche Forderung nach
der Verkehrsgeltung.
Werktitel, die letzte Kategorie „geschäftlicher Bezeich­
nungen“ bieten Schutz für geistige Werke jeglicher Art
wie Filme, Bücher oder Zeitschriften. Der Schutz ist
eher inhaltsbezogen, die Werke sollen voneinander
unterscheidbar sein. Aber das ist ein anderes Thema.
RA Tobias Sommer, Berlin
Auch Uniformen eines Unternehmens können Geschäftszeichen sein.
Wie viele Klassen
(Schubladen) hat die
Nizzaklassifikation, in der
nationale und internationale
Marken eingetragen werden
können? Wie viele
sind Dienstleistungsklassen?
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Auflösung auf Seite 62!
Foto: Paul-Georg Meister_pixelio.de
AdVoice 04 /14
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Thema
Marken kommen nicht aus dem Nichts
Orientierung für den Verbraucher in einem immer komplexer werdenden Markt
Marken verschaffen dem Verbraucher eine Orientierung in einem immer komplexer werdenden
Markt. Das zumindest meint RA Dr. Alexander
Dröge, Leiter der Abteilung Recht/Verbraucherpolitik, Finanzen und Controlling beim Deutschen
Markenverband im Interview mit der AdVoice.
Der Verband vertritt 400 Markenunternehmen.
wir uns von einem Produkt versprechen. Und das ist
immer die Marke, die uns das ermöglicht. Kinder tun
instinktiv das, was sie typischerweise, auch sinnvollerweise, ihr Leben lang tun. Sie orientieren sich an
gewissen Parametern, wenn sie Produkte kaufen. Und
die Parameter wie etwa Qualität und Design laufen
häufig auf Markenprodukte hinaus.
nichtsdestotrotz hat eine Vorauswahl stattgefunden.
Man kann nur zwischen dem wählen, was da ist. Im
Internet ist die Auswahl im Grunde unbegrenzt. Das
heißt, wenn man dann Orientierungspunkte benötigt, hilft einem nur die Marke. Man würde gnadenlos untergehen, hielte man sich etwa beim TV-Kauf
im Internet lediglich an den Suchbegriff „Fernseher“.
AdVoice: Sind Sie verwundert, wenn heute Menschen noch sagen, die Ausrichtung nach Marken
sei unsinnig?
A: Marke bedeutet oftmals ein Qualitätsplus, andererseits aber auch einen höheren Preis. Und
genau das kann doch rasch zu Problemen führen.
Dr. Alexander Dröge: Ja, absolut, denn Marken
kommen ja nicht aus dem Nichts, sondern bekommen ihre Wiedererkennung in den Köpfen der Verbraucher erst durch die Erfahrung, die Verbraucher
mit der Marke machen. Das heißt, eine Marke ist
zunächst nur ein Name. Wenn man den nicht
kennt, hat der Name für einen keine Bedeutung. Er
gewinnt an Bedeutung, wenn man das Produkt
kennen- und schätzen lernt. Es funktioniert in der
Regel nur, wenn das Produkt für einen mehrwertig
ist. Ansonsten vergessen wir Produkte einfach.
Marken, besonders bekannte, sind deshalb im Kopf
des Verbrauchers, weil sie etwas für den ihn geleistet haben. Mir ist völlig unklar, wie man in der
heutigen Zeit ohne Marken auskommen wollte.
D: Kinder müssen, wenn es um den Kauf von Produkten geht, im Leben zwei Dinge lernen. Und davor kann
man sie nicht bewahren. Ganz im Gegenteil, das kann
man ihnen gar nicht früh genug beibringen. Zum
einen müssen sie die Produkte, die sie kaufen, vernünftig kaufen. Und da gehört ganz oft einfach ein Qualitätsaspekt dazu, zum Wohlfühlen auch ein Design­
aspekt. Und sie müssen lernen, dass man Geld nur
einmal ausgeben kann. Das müssen wir aber auch alle
jeden Tag berücksichtigen. Wir können zumeist nicht
immer das kaufen, was wir uns wünschen. Wir müssen immer überlegen: Wo setze ich meine Schwerpunkte? Und das müssen Kinder ebenso begreifen. Es
ist absolut berechtigt, dass Kinder den Wunsch haben,
ein gutes, qualitativ hochwertiges Produkt zu bekommen, was häufig Marken sind. Der Grundgedanke ist
richtig. Als Eltern muss man den Kindern dann beibringen, was es bedeutet, mit seinem Geld zu haushalten. Das muss man lernen, so oder so. Es sind nicht
die Marken daran schuld, dass Menschen nicht mit
ihrem Geld umgehen können. Ohne Marken hätte man
mit Kindern das gleiche Problem. Auch dann würden
Kinder gern mehr kaufen, als sie sich leisten können.
A: Kann das dazu führen, dass eine Marke so viel
schneller an Bekanntheit gewinnt, aber auch im
umgekehrten Weg zum Beispiel durch den einen
oder anderen Skandal schneller beschädigt wird
oder gar vom Markt verschwindet?
A: Verbirgt sich hinter der Eingangsfrage nicht
eine Menge, vielleicht berechtigte, Kritik etwa
an der Konsumhaltung und einem durch Marken
ausgelösten Konsumdruck. Denken wir an das
Markenbewusstsein im frühen Schulalter, wenn
Eltern sprichwörtlich die Pistole auf die Brust
gesetzt bekommen, für ihre Kinder Turnschuhe
eines bestimmten Herstellers kaufen zu müssen.
D: Das ist kurzsichtig gedacht. Es gibt einfach Produkte – und dazu gehören die meisten Waren, die wir
kaufen – die wir so oder so brauchen. Niemand
würde sein Kind ohne Hose herumlaufen lassen.
Wenn man sich für ein Markenprodukt entscheidet,
dann in aller Regel deshalb, weil man mit diesem Produkt schon gute Erfahrungen gemacht hat. Dann ist
die Marke Garant dafür, dauerhaft die erwartete
Qualität zu bekommen. Zum anderen weiß man bei
mangelnder Produktkenntnis über andere, dass viele
ein spezielles Produkt, eben diese Marke empfehlen.
Das ist auch ein Weg, Fehlkäufe zu vermeiden. Wir
haben ja alle kein Interesse daran, Dinge zu kaufen,
die uns nicht gefallen, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen, die qualitativ nicht das halten, was
8
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„Die Chancen, aber auch die Risiken
sind für eine Marke heutzutage durch
das Internet größer geworden.“
A: Welche Bedeutung haben Marken in der digitalisierten Unternehmenswelt?
D: Marken besitzen eine noch größere Bedeutung
als früher, und das aus einem ganz einfachen
Grund. Wenn man in ein ganz normales Geschäft
geht, dann bekommt man dort ein Sortiment vorgesetzt. Dieses Sortiment hat der Händler vorausgewählt. Das ist im Zweifel, wenn es ein großes Geschäft ist, immer noch ein großes Sortiment. Aber
D: Das Internet spielt in der Kommunikation der
Unternehmen eine wichtige Rolle. Eine Marke wird
durch zwei Aspekte bekannt. Einmal durch die Unternehmenskommunikation, zum anderen durch
einen Denkprozess beim Konsumenten. Wir alle
sehen täglich so viele Marken, so viel Werbung, dass
ein Werbespot allein gar nicht ausreicht, um eine
Marke tatsächlich in unseren Gedanken zu verfestigen. In aller Regel kommen noch eigene positive
Erlebnisse mit einer Marke dazu, um sie zu verstetigen. Insoweit ist das Internet ein zusätzlicher Kanal
für Unternehmen, um den Verbraucher auf ein Produkt aufmerksam zu machen. Es ist ein sehr anspruchsvoller Kanal. Im TV kann man zwar über die
Mediaplanung verhältnismäßig gut feststellen, wo
für „mein“ Produkt welche Zielgruppe erreichbar ist.
Im Internet ist das erheblich schwerer und diverser.
Umgekehrt ist jeder echte oder vermeintliche Skandal für die Marke zu einer echten Herausforderung
geworden. Früher lag die Herausforderung einzig in
dem, was über die Presse berichtet oder über TV gesendet wurde. Das konnte für eine Marke auch sehr
schädigend sein. Die schlechte Berichterstattung
wurde allerdings auch schnell wieder vergessen.
Heute kommt schlechte Berichterstattung nicht nur
durch die Medien, sondern zusätzlich durch die Benutzer selbst. Eine Vielzahl von Nutzern kann somit
zu einem erheblichen Imageverlust einer Marke beitragen. Gleichzeitig vergisst das Internet nichts. Die
Chancen, aber auch die Risiken sind für eine Marke
heutzutage durch das Internet größer geworden.
A: Wie erklärt man Unternehmern den Schutz
ihrer Marken vor Nachahmung und Fälschung?
D: Sie können gegen einige Entwicklungen in der
digitalen Welt nur sehr schwer vorgehen, gerade
was Nachahmungen und Fälschungen anbelangt.
Thema
Wir haben mit Ernest und Young schon vor Jahren
eine repräsentative Verbraucherbefragung durchgeführt und wissen hieraus, dass das Internet für Fälschungen inzwischen der Verkaufskanal Nummer eins
ist. Das liegt daran, dass man als Krimineller problemlos unentdeckt bleiben kann. Als Verbraucher ist es
zudem leicht, gefälschte Ware zu finden, wenn man
aktiv danach sucht. Jedoch kaufen zwei Drittel der
Verbraucher unbewusst Fälschungen. Sie werden also
betrogen, was unsere Umfragen auch ergeben haben.
Das Geschäft mit Fälschungen funktioniert wie eine
Art Ameisenverkehr. Man hat es hierbei eher selten
mit dem großen Container an Fälschungen zu tun. Es
sind die Hunderttausend von Kleinstsendungen, die
jeden Tag über die Post transportiert werden, die von
Fälschungsverkäufern aus aller Welt nach Europa hineinfluten. Dem nachzugehen, ist wahnsinnig mühsam. Eine wichtige Empfehlung an Unternehmen ist
in jedem Fall, bekannte Verkaufsplattformen zu überwachen. Ein besonderes Augenmerk sollten Unternehmen auch auf die leicht auffindbaren Fälschungsshops legen. Je bekannter die Unternehmen sind, desto
häufiger kommen Fälschungsverkäufe vor. Dann gibt
es da noch Marken, die besonderen Fälschungszyklen
unterliegen. Sprechen sie mal mit Adidas oder Nike
über das Thema Fußballweltmeisterschaft.
A: Was halten Sie von der Bestrebung, den Markenbegriff noch weiter als bisher auszudehnen,
denken wir etwa an die Fühl- oder Tastmarke?
D: Die Erweiterung ist richtig und wichtig. Es ist nicht
einfach, manche Entwicklung rechtlich vorab zu denken. Jede Marke muss von sich aus unterscheidungskräftig und fähig sein, die Herkunft eines Produktes
oder einer Dienstleistung zu einem Unternehmen
darzustellen. Das sind normale Farben, Gerüche oder
viele Formen, Dinge, die wir ertasten können, per se
häufig nicht. Aber in dem Moment, in dem die Menschen anhand beispielsweise einer ganz bestimmten
Haptik eines Produktes denken, „jawohl“, es kommt
von dem Unternehmen X, ist das wunderbar tauglich
als Marke. Dies ist der Hauptzweck einer Marke: die
Produkte von anderen im Hinblick auf ihre Herkunft
zu unterscheiden. Da sollte man nicht von rechtlicher
Seite Grenzen ziehen, wie wir das früher in Bezug auf
die Darstellbarkeit im Register gemacht haben. Wir
müssen das Markenrecht entsprechend anpassen,
was mit der neuen Markenrechtsrichtlinie und der
Gemeinschaftsmarkenverordnung gerade geschieht.
Das Gespräch führte
RA Patrick Ruppert, Köln
ZUR PERSON
Rechtsanwalt Dr. Alexander Dröge studierte an
der Philipps-Universität in Bonn, Freiburg und
Marburg Rechtswissenschaften. Der im Wettbewerbsrecht promovierte Jurist setzt sich besonders für den Schutz von Markenprodukten ein
und begrüßt die Verschärfung des Strafrechts
bei Produkt- und Markenpiraterie. Seit 2005 ist
er Leiter Recht/Verbraucherpolitik, Finanzen und
Controlling beim Markenverband. Er war auch
Mitglied des FORUMs Junge Anwaltschaft.
Foto: privat / Die Hoffotografen Berlin
03
DER MARKENVERBAND
Der Markenverband ist ein branchenunabhängiger Wirtschaftsverband, der die gewerblichen und ideellen Interessen seiner
rund 400 Mitgliedsunternehmen im Bereich
des Absatzes von Markenprodukten fördert.
Er verfügt über besondere Kompetenzen in
der Bewertung von Marken auf die entsprechenden Zielmärkte, ist Ansprechpartner in
Kernfragen rund um das gewerbliche Recht
und fungiert als politisches Sprachrohr, was
die Entwicklung von Marktchancen, aber
auch Marktbeschränkungen anbetrifft.
Zudem setzt er sich für die Belange des Umweltschutzes und Nachhaltigkeit ein, außerdem hilft er bei der Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie. Der Markenverband wurde 1903 gegründet und hat seinen
Sitz in Berlin.
Die Marke „Bull cap“
soll in die Klasse 28, u. a.
Fruchtsäfte und Softdrinks,
in das Markenregister
eingetragen werden. Die
Inhaberin der älteren Marke
„Red Bull“ legt Widerspruch
ein und beantragt die
Löschung, sie ist für
identische und ähnliche
Waren geschützt.
Wird die Marke wieder
gelöscht, ja oder nein?
Auflösung auf Seite 62!
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9
Thema
Geklaut, gefälscht und abgekupfert
Produktpiraterie stark angestiegen – Deutschland auf Platz zwei
Dass auf dem Warenmeer des Weltmarktes für
erfolgreiche Marken eine Gefahr Namens Produktpiraterie lauert, ist allgemein bekannt. Für
den Wert und die Integrität der Marke stellen
Plagiate ein erhebliches Risiko dar, insbesondere,
wenn die Kopien nicht Qualitätsmerkmale wie
Zuverlässigkeit oder Sicherheitsfunktionen des
Originals erfüllen. Wo 2014 der Fokus im Kampf
um das geistige Eigentum lag und welches Land
im Ranking der Plagiatshersteller gleich hinter
China steht, erläutert der folgende Bericht.
Streit um die Adlerschwinge
FOKUS DEUTSCHLAND
„Produktpiraterie made in Germany“
„Produktpiraterie made in Germany“ – ein Widerspruch in sich? Vollkommen absurd? Ganz im Gegenteil! Die Studie Produktpiraterie 2014 des VDMA
(Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau)
kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Erstmals führen Hightech-Plagiate ganzer Maschinen
das Ranking der Plagiatsarten aus Deutschland an.
In diesem Jahr habe man laut VDMA erstmals die
Zahlen zu ausgewertet – mit einem alarmierenden
Ergebnis. Denn ausweislich der Studie liegt Deutsch­
land trotz der erstmals rückläufigen Zahlen mit
23,4 Prozent als Herkunftsland von Plagiaten nach
wie vor auf Platz zwei hinter der Volksrepublik
China mit 71,7 Prozent.
In den letzten Jahren sei man davon ausgegangen,
dass es bei Plagiaten aus Deutschland grundsätzlich
um „weiche Plagiate“ handeln muss. Darunter verstehen wir vor allem Plagiate um das Produkt herum,
also Bedienungsanleitungen, Produktfotos, Kataloge
etc., so der VDMA. Diese Aussage müsse man nach
Auswertung der vorliegenden Daten komplett revidieren. Die Hightech-Plagiate zeigten, dass die Gefahr im
eigenen Land sehr ernst zu nehmen sei.
Branchenwechsel – auch der Jeans-Hersteller Levi´s
sieht sich nach eigener Auffassung mit deutscher
Produktpiraterie konfrontiert. Er warf der deutschen
Modekette New Yorker vor, die berühmte „Adlerschwingen-Ziernaht“ auf den Gesäßtaschen abgekupfert und entsprechend gestaltete Jeans der Eigenmarke zu günstigen Preisen auf den Markt geworfen
zu haben. 1943 hatte Levi´s die spezielle Naht erstmals markenrechtlich schützen lassen.
Nachdem zunächst das LG Hamburg die Markenrechtsverletzung bestätigt hatte, kam auch das
Hanseatische Oberlandesgericht zu dem Ergebnis,
dass das Braunschweiger Unternehmen bestimmte
Jeansmodelle nicht weiter verkaufen dürfe und
zum Schadensersatz verpflichtet sei (OLG Hamburg, Urteil vom 18.9.2014, Az. 3 U 96/12). Da das
OLG eine Revision nicht zugelassen hat, bliebe
New Yorker nun lediglich die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH. Zuletzt hatte sich die deutsche Modekette kämpferisch gezeigt und angekündigt, bis zur letzten Instanz gehen zu wollen.
Das berühmte Nahtmuster, das die amerikanische
Freiheit symbolisieren soll, steht nicht zum ersten
Mal im Mittelpunkt eines Markenrechtsstreits.
FOKUS EU
EU-Produktpiraterie-Verordnung
Nach Angaben der EU-Kommission hat sich die Zahl
der neuen europäischen Patentanmeldungen, eingetragenen Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern zwischen 2003 und 2012 mehr
als verdoppelt. Allerdings hätten die Grenzkontroll­
behörden in der EU allein im Jahre 2012 in 90.000
Fällen Waren registriert, bei denen der Verdacht auf
Schutzrechtverletzung bestand – gegenüber weniger
als 27.000 Fällen im Jahr 2005.
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Fotos: Lea Hogrefe-Weichhan
Thema
Eine alarmierende Entwicklung, die auch auf EUEbene zum Handeln zwingt. Seit dem 1.1.2014 ist die
neue EU-Produktpiraterie-Verordnung (VO (EU) Nr.
608/2013) in Kraft. Folgende neue Regelungen sollen
für einen noch umfassenderen Schutz sorgen und das
Abwicklungsverfahren nach dem Auffinden von Fälschungen für Zoll und Antragsteller vereinfachen:
Die neue Verordnung hat weitere Schutzrechte
aufgenommen, beispielsweise für Gebrauchsmuster und die Halbleitertopografien. Auch im Bereich
der geografischen Angaben wurden Abkommenswaren zwischen der EU und anderen Staaten aufgenommen.
Das Einverständnis von Rechtsinhaber und Besitzer vorausgesetzt war es bisher mit dem „vereinfachte Vernichtungsverfahren“ möglich, rechtsverletzende Waren unter Aufsicht des Zolls zu
vernichten. Dieses Verfahren wird künftig nicht
mehr optional möglich, sondern die Regel sein.
Normalerweise können die Zollbehörden bei gefälschten Waren nur tätig werden, wenn der betroffene Rechtsinhaber einen Antrag auf Tätigwerden bei der Zollverwaltung gestellt hat. Für
diese Antragstellung hatte der Rechtsinhaber
bisher nach Eingang der Mitteilung drei Tage Zeit
– nach neuer Verordnung sind es nun vier Tage.
Neu ist die Aufnahme eines sogenannten „Kleinsendungsverfahrens“ in die Verordnung. Ziel dieses Verfahrens ist es, den Abwicklungsaufwand
auf Seiten des Antragsstellers wie auch des Zolls
bei Aufgriffen im Postverkehr oder bei Kuriersendungen zu minimieren. (Quelle: www.zoll.de)
Kommission und Beobachtungsstelle in Aktion
Auch die Europäische Kommission und die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von
Rechten des geistigen Eigentums blieben nicht untätig. Während die EU-Kommission im Juli dieses
Jahres einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums in
der EU und eine Strategie für den Schutz und die
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
in Drittländern verabschiedete, begann die Beobachtungsstelle mit der Umsetzung eines mehrjährigen Arbeitsplans. Zu den Höhepunkten gehörten
der weitere Ausbau der Durchsetzungsinstrumente,
die Ausweitung der Studie zum wirtschaftlichen
Beitrag auf den Aspekt, den Rechte des geistigen
Eigentums auf Ebene des einzelnen Unternehmens
leisten, sowie die anstehende Studie zur Quantifizierung der Kosten von Verletzungen von Rechten
des geistigen Eigentums.
FOKUS ÜBERSEE
Risikofaktor Teileplagiat
Nach wie vor stammen die meisten Plagiate aus
Übersee. Noch immer ist China mit großem Abstand
das führende Herkunftsland für Billigkopien minderwertiger Qualität. Das Geschäft mit gefälschten
Autoteilen boomt besonders. Hier sind die Margen
verlockend groß. Das Risiko für den Verbraucher ist
es auch. Sicherheits- und Produktionsstandards
spielen bei der Herstellung keine Rolle. Da die Teile
der Beanspruchung oft nicht Stand halten, sind Unfälle und Ausfälle programmiert. Der Hersteller des
Originalteils sieht sich im schlimmsten Fall nicht nur
mit der Markenrechtsverletzung, sondern auch mit
Haftungsvorwürfen konfrontiert. Der Nachweis, dass
ein Teil nicht von ihm stammt, kann bei guten Plagia­
ten schwierig werden.
Der Zoll hat den Autoteilefälschern daher den Kampf
angesagt und auch auf der diesjährigen „Automechanika“ in Frankfurt, der weltgrößten Messe für
Automobilteile, eine umfangreiche Razzia durchgeführt. Im Rollcontainer der Beamten landeten neben
Wischerblättern und Luftfiltern auch größere Teile
wie Stoßdämpfer oder ganze Auspuffanlagen.
Seit 2006 gibt es die Serviceinitiative „Messe Frankfurt against Copying“. Ziel der Initiative ist es, Aussteller und Besucher umfassend über die Eintragung und
Durchsetzung von gewerblichen Schutzrechten zu
informieren und zu beraten. Ein Informationsstand
dient als Anlaufstelle für Betroffene und Interessierte.
Bei akutem Bedarf vermittelt die Messe Frankfurt juristische Unterstützung. Ein rechtsanwaltlicher Notdienst bietet Ausstellern während der Messen eine
kostenlose Erstberatung an.
Markenzeichen Gummikappe
Ebenfalls in Übersee holt der US-Konzern Converse
derzeit zu einem markenrechtlichen Rundumschlag
aus. Das Unternehmen, das zum Nike-Imperium gehört, verklagt derzeit 31 Firmen wegen Verletzung des
Markenrechts an den weltberühmten „Chuck Taylor
All Stars“ kurz „Chucks“. Nach Angaben der New York
Times beanstandet Converse, dass die Firmen ihre
nachgemachten Turnschuhe mit den typischen
schwarzen Streifen am dicken weißen Sohlenrand
und der Gummikappe an der Schuhspitze versehen
würden. Der Vorwurf richtet sich unter anderem
gegen die US-Unternehmen Walmart und Ralph Lauren. Auch der schwedische Moderiese H&M ist betroffen. Converse hat außerdem eine Untersuchung der
US-Handelskommission wegen Verstößen gegen das
Markenrecht beantragt. Hier bahnt sich ein Markenrechtsstreit der Mode-Giganten an.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Bei Graumarktware bzw.
bei Parallelimporten steht
oft der Vorwurf der Markenpiraterie im Raum, gestritten
wird dann u. a. um die
Erschöpfung nach § 24
MarkenG. Wer trägt bei
einem Parallelimport die
Beweislast dafür, dass es
sich um Originalware
handelt, Parallelimporteur
oder Markeninhaber?
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Auflösung auf Seite 62!
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Thema
Täuschend echt
Abmahnfalle Plagiat macht Kunden zu Opfern
Melanie S. aus Köln hat sich in einem Outlet-Internetshop eine Handtasche einer französischen
Luxusmarke für Lederwaren bestellt. Doch anstelle des freudig erwarteten Pakets bekommt
sie Post von einer überörtlichen Kanzlei. Überschrift: Abmahnung!
In dem zweiseitigen Anschreiben wird ihr mitgeteilt,
dass es sich bei der von ihr erworbenen Tasche um
ein Plagiat handelt und sie mit der Einfuhr gegen
Markenrechte des französischen Designerlabels verstoßen hätte. Das Hauptzollamt Frankfurt am Main
habe ihr Paket daher einbehalten.
Es folgen zwölf Seiten zur Markenanmeldung, Auszüge aus der Akte des Harmonisierungsamtes für
den Binnenmarkt (HABM, engl. OHIM), die EU-Behörde mit Sitz in Alicante, die für die Eintragung
von Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern zuständig ist. Für Melanie S. sind
das unverständliche Details zu Prioritäten, Zeitrang,
Widersprüchen etc.
Die darauf folgenden drei Seiten des Anwaltsschreibens versteht sie jedoch, diese sind sehr eingängig
formuliert.
Daraus geht hervor, dass sie eine Erklärung unterschreiben soll, mit der sie sich unter Meidung einer
Vertragsstrafe in Höhe von 2.000 Euro verpflichtet,
es in Zukunft zu unterlassen, Waren aus Leder, die
ohne Zustimmung des Markeninhabers mit dem
Kennzeichen des französischen Luxuslabels versehen sind, in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen.
Ebenfalls verpflichten soll sie sich, die Kosten des
Grenzbeschlagnahmeverfahrens und der Rechtsanwaltsgebühren zu tragen, welche die Kanzlei mit
einer Pauschale „zugunsten von Melanie S.“ in Höhe
von 200 Euro ansetzt.
FORDERUNG: DIE TASCHE VERNICHTEN
Mit einer dritten Erklärung, die dem Zollamt Fracht
weitergeleitet würde, müsse sie der Vernichtung der
Tasche unter zollamtlicher Aufsicht zustimmen.
Erschrocken und verängstigt ruft Melanie S. den
Anwalt ihres Vertrauens an. Dieser kann sie schnell
beruhigen. In ihrem konkreten Fall sind alle gegen
sie erhobenen Ansprüche unbegründet.
Der Handel mit Marken- und Produktfälschungen
ist jedoch eine ernstzunehmende Bedrohung für die
Volkswirtschaft und macht laut Schätzung der
OECD mit 450 Milliarden Dollar einen Anteil von
fünf bis neun Prozent am Welthandel aus. Nach
Angaben des Deutschen Industrie- und Handels-
12 AdVoice 04 /14
kammertags (DIHK) liegt der durch Markenpiraterie
verursachte Schaden in Deutschland allein bei 30
Milliarden Euro pro Jahr. Mit der Überprüfung verdächtiger Sendungen und
der Vernichtung gefälschter Waren kommt dem Zoll
eine der Hauptaufgaben im Kampf gegen die Produktpiraterie zu. Allein das Hauptzollamt Frankfurt
am Main führte im Jahr 2013 12.552 Grenzbeschlagnahmeverfahren (Vorjahr 9.488) durch. Hierbei wurden 333.138 einzelne Waren (Vorjahr
202.645) aus dem Verkehr gezogen und damit ein
wirtschaftlicher Schaden von rund 26,2 Millionen
Euro verhindert. Die Volksrepublik China bzw.
Hongkong waren dabei mit über 80 Prozent der angehaltenen Waren erneut Hauptherkunftsland.
Aber auch Rechtsanwälte übernehmen mit der
Ahndung von Markenrechtsverletzungen wichtige
Aufgaben zum Schutz von Urheberrechten, eingetragenen Designs und Gebrauchsmustern. Einige
Kanzleien haben den Kampf gegen den Handel mit
Plagiaten als lukratives Geschäft auf dem Gebiet
des gewerblichen Rechtsschutzes für sich entdeckt.
GUTGLÄUBIGE KÄUFER WERDEN OPFER
Abmahnungen mit Unterlassungserklärungen unter
Androhung hoher Vertragsstrafen sind im Fall von ge­
schäftlichem Handel mit Plagiaten das Mittel der Wahl.
Nicht jedoch im Fall von Melanie S., die wie viele andere gutgläubige Käufer zu Opfern dieser Abmahnwelle werden.
Eine Markenrechtsverletzung setzt laut § 14 MarkenG bzw. Art. 9 der Gemeinschaftsmarkenverordnung (Nr.40/94 des Rates) das Handeln im geschäftlichen Verkehr voraus. Der Europäische
Gerichtshof hat diesen als eine „auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtete kommerzielle Tätigkeit“ definiert. Dieses Kriterium muss auch auf
Käuferseite gegeben sein.
Melanie S. wollte sich mit dem Kauf der Designertasche etwas gönnen und dachte in dem vermeintlichen Outletshop ein Schnäppchen gemacht zu
haben. Mit der Einfuhr der Produktfälschung hat sie
jedoch nicht die Markenrechte des französischen Luxuslabels verletzt, da es an dem Tatbestandsmerkmal
des Handelns im geschäftlichen Verkehr fehlt.
Mangels Markenrechtsverletzung muss Melanie S.
auch keine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
Bleibt die von ihr eingeforderte Zustimmungserklärung hinsichtlich der Vernichtung unter zollamtlicher Aufsicht. Auch diese wurde im Fall von
Melanie S. zu Unrecht verlangt.
Nach § 150 Abs.4 MarkenG gilt die Zustimmung zur
Vernichtung der von den Zollbeamten zurückbehaltenen Ware als erteilt, wenn der Anmelder, der Besitzer oder der Eigentümer der Ware der Vernichtung nicht innerhalb von 10 Tagen widerspricht
(sog. Zustimmungsfiktion). Einer aktuellen Anfrage
beim Hauptzollamt Frankfurt am Main zufolge liegt
die Quote der Vernichtungen auf Grund der Zustimmungsfiktion bei 70 Prozent. Der Zoll kann die von
Melanie S. eingeführte Tasche also 10 Tage nach
ihrer Unterrichtung vernichten, auch wenn diese
nicht ausdrücklich zugestimmt hat.
Die Kosten des Grenzbeschlagnahmeverfahrens
trägt nach § 150 Abs.5 MarkenG der Rechtsinhaber,
im Fall von Melanie S. das französische Luxuslabel.
Fazit: Die Produktpiraterie bietet für Rechtsanwälte
ein Betätigungsfeld auf zwei Seiten. Zum einen
können Unternehmen im Kampf um den Schutz
ihrer Marken und gegen den Handel mit Plagiaten
auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes
beraten werden. Zum anderen führt eben dieses
Tätigwerden einiger (Groß-)Kanzleien, die ihre Abmahnungen in einer Art Gießkannensystem versenden, ohne im Einzelfall die Begründetheit ihrer Ansprüche zu prüfen, zu unberechtigten Abmahnungen, die den gutgläubigen Erwerber mit einer Flut
von Forderung überschwemmen, die ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für ihn nicht zu
bewältigen sind.
RAin Fee Rahel Schlaegel, Köln
Wie lange dauert
die Benutzungsschonfrist
für eingetragene Marken
und was passiert nach
Ablauf dieser Zeit?
Auflösung auf Seite 62!
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Ein Leuchtturm lotst zum Recht
Wie eine Anwältin zur Marke „Die Kü§tenkanzlei“ kam
Am Anfang einer jeden Kanzleigründung steht
die Frage nach dem Konzept. Kiel im Sommer
2013: Die typisch salzige Brise weht mir um die
Nase, während ich die Seegelboote dahingleiten
sehe, im Hintergrund der Leuchtturm.
Diese Frage war jetzt meine Frage – keine leichte
Frage, aber vielleicht einfacher zu beantworten,
wenn ich sie Step-by-Step angehen würde. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an meinen Artikel aus der Advoice 01/14 „In zehn
Steps zur eigenen Kanzlei“ – ich mag Steps. Eine
klare Erkenntnis hatte ich bereits ganz zu Anfang: Die Basis meines Konzepts sollte die Kanzleimarke darstellen.
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VERTRAUENSVORSCHUSS
LICHTSCHEIN AM HORIZONT
Marken finde ich nahezu genauso faszinierend wie
Steps. Laut den treffenden Worten Wikipedias verschafft die Marke dem Dienstleister einen allgemeinen Vertrauensvorschuss, der mehr oder weniger in jedem Einzelfall zum Tragen kommt. Das
wäre ja großartig! Mandate mit Vertrauensvorschuss wollte ich auch. Ganz richtig, intuitiv googelte ich damals „Dienstleistungsmarken“. Rückblickend würde ich sagen, dass dies der erste
Schritt zur Findung meiner Kanzleimarke war. Es
sollte sich herausstellen, dass die Fragen nach dem
Konzept und der Markenfindung immer wieder
ineinandergreifen würden.
Ich bin definitiv der „Mutti-Typ“, ein „Kümmerer“.
Dienstleistung ist mein Ding, und bereits als angestellte Anwältin habe ich mich stets als Dienstleisterin gesehen. Auch der Begriff Problemlöserin gefällt
mir. Recht ist kompliziert, gibt es mit dem Recht dann
noch Probleme, ist der Mandant meist verloren. Er
treibt mit ausgefallenem Motor auf dem Paragraphenmeer. Die Dunkelheit des Unverständnisses umgibt ihn. Kein Land in Sicht – dann plötzlich ein Lichtschein am Horizont, dass kann nur eine kompetente
Rechtsberatung sein. Sie geleitet den Mandanten sicher in den nächsten Hafen. Perfekt, meine Kanzleimarke würde ein Bild enthalten, einen Leuchtturm!
Fotos: Lea Hogrefe-Weichhan
Thema
BUCHSTABIERALPTRÄUME
LIEBE ZUM ARTIKEL
NEBENJOB MARKETING
Auf zum nächsten Step! Bild schön und gut, aber
ich würde dem Ganzen nun einen Namen geben
müssen. Der Klassiker Nachname gleich Kanzleiname oder sogar Kanzleimarke kam für mich nicht
in Frage. Mein Doppelname ist so furchterregend
lang und kompliziert, dass so mancher Richter, vor
dem ich kurzfristig in Untervollmacht aufgetreten
bin, seither unter Buchstabieralpträumen leidet.
Als Marke also definitiv ungeeignet. Zudem wollte
ich es mir von Anfang an offen halten, ob die
Kanzlei noch wachsen würde. Die Tätigkeit als Einzelanwältin war nur für den Einstieg geplant. Es
würde also eine „Kanzlei“ werden.
Nur kurz machten meine Gedanken einen Ausflug
in die Welt der Anglizismen. Ein weiter Aspekt des
Konzepts sprach dagegen, ich würde es weder im
beschaulichen Mönkeberg noch in meinen Zweigstellen in Kiel und Kappeln mit Global Playern zu
tun haben, vielmehr war es ja gerade beabsichtigt
die Nische der „Kanzleienperipherie“ auszunutzen.
Sparen ist als Gründer Trumpf, und so ersetzte ein
einfacher Logobuilder aus dem Netz die Agentur. Ein
klassischer Leuchtturm ist bei uns rot-weiß. Eine Signalfarbe dürfte ausreichen, also ein dunkleres Grau als
Kontrast. Meinen zunächst gefeierten Slogan „Rechtsberatung zwischen den Meeren“ ersetzte ich in letzter
Sekunde durch www.kuestenkanzlei.de. Auch zu dieser Idee brachte mich eine erneute Abstimmung mit
dem Gesamtkonzept. Die Website sollte der wichtigste
Marketingfaktor werden und da aus dem „Küsten-Ü“
ein „UE“ werden musste, erschien es sinnvoll, diesen
kleinen Website-­Wegweiser ins Logo zu integrieren.
Zuletzt noch schnell den Segen der Kammer eingeholt
und die Kü§tenkanzlei konnte Fahrt aufnehmen.
„Mein Doppelname ist
so furchterregend lang und
kompliziert, dass so mancher
Richter, vor dem ich kurzfristig
in Untervollmacht aufgetreten
bin, seither unter Buchstabieralpträumen leidet.“
Was Muttersprachliches musste also her. Die neuerfundene Liebe zum Artikel ist definitiv ein aktueller Trend, dem ich zugegebener Maßen verfallen
bin. Die drei Buchstaben vorne weg – wie es der
Nord­­deutsche sagt – wären also auch mit an Bord.
Eine Radiosendung über unsere Küsten-Koalition
ließ es mir dann ganz plötzlich und unerwartet wie
Schuppen von den Augen fallen: Küste – regionalgenial und für alle drei Standorte passend, eine
Alliteration – eingängig-raffiniert, ein s – der Ersatz durch ein Paragraphenzeichen würde der
Kü§tenkanzlei jetzt noch den letzten anwaltlichen
Schliff geben.
Schnell noch die richtige Domain gesichert und
schon konnte die eigentliche bildliche Gestaltung
der Marke beginnen.
Bisher ist das Feedback durchweg positiv, und ich
muss gestehen, dass mir der Bereich Marketing von
all den Nebenjobs, die eine Selbstständigkeit mit
sich bringt, mit Abstand am besten gefällt. Mittlerweile gibt es Flyer und schicke rote Logokulis. Meine
neuste Errungenschaft ist ein schnittiger grauer
Werbe-Pferdeanhänger, der – bedruckt mit dem
Kanzleilogo – potenzielle Pferderechts- und Verkehrsrechtsmandanten zur Kü§tenkanzlei lotsen soll.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Kann der Titel
„Die schönsten
Wanderwege der
Wanderhure“ für ein
Buch verwendet werden,
auch wenn es bereits
mehrere Bestseller
mit dem Titel bzw.
Titelbestandteil
„Die Wander­hure“
gibt, ja oder nein?
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Thema
Gestatten, unser Name ist Marke!
So innovativ kann Kanzleimarketing sein
Die Zeiten, in denen ein aktives Kanzleimarketing
White & Case, Freshfields und Co. vorbehalten
war, sind längst vorbei. In einem hart umkämpften
Rechts­beratungsmarkt ist ein gut gewähltes Alleinstellungsmerkmal nahezu überlebenswichtig.
Zeit, kreativ zu werden – ein vielversprechender
Nachname ist längst nicht mehr alles, was Kanzleien jenseits der Marktführer zu bieten haben.
Meist ist die Kanzleimarke in diesem Sektor sogar
viel mehr als Name und Logo. Sie beinhaltet ein
Gesamtkonzept, ein Statement, unendlich viel Gehirnschmalz und nicht zuletzt das Herzblut der
Gründer. Ich durfte in den vergangenen Wochen
drei innovative Kanzleimarken kennenlernen.
DIE FEINE KLEINE KANZLEI –
DER ERFOLG IST BESIEGELT
Die feine kleine kanzlei von Rechtsanwalt Andreas
Barth auf der Hamburger Fleetinsel bietet eine umfassende Beratung im Internetrecht, gewerblichen
Rechtsschutz sowie im Urheber- und Medienrecht
an. Etwas ganz Besonderes ist das „fkk-Siegel“ – ich
kann versichern, der Kollege Barth freut sich über
jeden Schmunzler. Die Mandanten erhalten dieses
Siegel nach der rechtlichen Prüfung ihres Onlineauftritts. Bei einem Milchkaffee im Strandkorb
durfte ich die Geschichte der feinen kleinen kanzlei
erfahren. Ganz der Medienprofi, bietet mir der Kollege an, unser Gespräch aufzuzeichnen und mir
eine Audiodatei zu übersenden. Ich bin begeistert.
Die Idee
Rechtsanwalt Barth war einige Zeit im Marketing zu
Hause. In der Hamburger Agentur eines Frankfurter
Online-Shopping-Anbieters betreute er nach dem
zweiten Staatsexamen verschiedene Projekte, unter
anderem Kooperationen mit Fernsehsendern und
Onlineportalen. Die Idee, noch einmal zu einer Werbeagentur zu wechseln, wurde recht schnell von der
Vorstellung abgelöst, eine eigene Kanzlei zu gründen.
Die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung
der Kanzlei konnte der Kollege Barth schnell mit
seiner Erfahrung aus der Marketing-Tätigkeit beantworten. Es stehe, so Rechtsanwalt Barth, die
Frage der rechtlichen Zulässigkeit zu häufig erst
am Ende einer Medien- oder sonstigen Produktion.
Diese Frage wollte er für seine Mandanten daher
frühzeitig beantworten und entsprechende Lösungen aufzeigen. So startete er in die Selbstständigkeit, zunächst allerdings unter einem anderen
Kanzleinamen.
Nach drei Jahren erfolgreicher Tätigkeit war ihm
klar, dass seine Kanzleimarke eine Designänderung
vertragen konnte. Den letzten Anstoß gab jedoch
die Abmahnung einer Großkanzlei wegen vermeintlicher Titelschutzverletzung. Trotz der Überzeugung, ein entsprechender Prozess werde zu
seinen Gunsten ausgehen, unterzeichnete Barth
die Unterlassungserklärung. „Mir war ja ohnehin
klar, dass ich etwas anderes machen wollte“, berichtet er. Die Klage der Großkanzlei auf Ersatz der
Anwaltskosten aufgrund der Abmahnung wurde
übrigens einen Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen …
„In einem langen Gespräch mit einer guten Freundin nahm die neue Kanzleimarke langsam Form an“,
schildert Barth den Gedankengang. Sofort überprüfte er die Verfügbarkeit der URLs – alle noch zu
haben. Er war überrascht: „Grundsätzlich ist man
niemals der Erste oder Einzige, der eine bestimmte
Idee hat – es gibt regelmäßig immer jemanden, der
bereits zuvor daran gedacht hat!“, so Barth. In diesem Fall jedoch scheint die berühmte Ausnahme
von der Regel eingetreten zu sein.
Die Umsetzung
Rechtsanwalt Barth traute sich trotzdem: im ersten
Schritt wurden die Wortbestandteile mehrmals umgestellt. „kleine feine kanzlei“ - abgekürzt „kfk“, das
erinnerte doch sehr an die Künstlersozialkasse. Also
„feine kleine kanzlei“ – „fkk“. Den Aufschrei der konservativen Kollegen konnte er bereits hören. „Mir
war klar, dass die Abkürzung polarisieren würde,
und dass man durch die grafische Darstellung der
Marke eine klare Abgrenzung zu allem vermeintlich
Unseriösen erreichen musste“, erläutert Barth. Mit
der Unterstützung seines Grafikers ist dies erstaunlich gut gelungen. Elegante, vorab per Hand kaligraphierte Buchstaben zieren das unverkennbare runde
Siegel. So stehen Seriosität und Wertigkeit im Vordergrund. „Meine Vorgabe war lediglich, dass die
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Foto: Andrea Vollmer
Thema
Buchstaben ineinander übergehen und nach unten
abfallen sollten.“ erinnert sich Barth. Auch hier ein
Bruch mit den klassischen Marketing- und Designregeln, nach denen eine derartige Anordnung der
Buchstaben Abstieg symbolisiert.
Zudem wunderten sich einige Kolleginnen und
Kollegen: Wer nennt sich denn bitte freiwillig
„klein“? Die Frage, ob ihn die gewisse Provokation
reize, bejaht er umgehend – er ist Medienmensch
durch und durch. Die Spezialität der Marke habe
den angenehmen Nebeneffekt, dass der Mandantenkreis bereits im Vorfeld selektiert werde, berichtet Barth. Die klare Abgrenzung von Großkanzleien
ist beabsichtigt. Dass Barth die Kanzlei alleine
führt, gehört genauso zum Konzept wie das Gegen-den-Strom-Schwimmen.
Eine professionelle und durchdesignte Website
rundet das Konzept des medienaffinen Anwalts ab.
Ein befreundeter Webdesigner entwickelte die
Seite nach den neusten technischen Standards.
Für die Mandanten dürfte bereits auf den ersten
Blick sichtbar sein, dass Barth ein Branchen-Kenner ist. Das Kanzlei-Logo entwickelte im weiteren
Verlauf noch eine ganz eigene, im Logo selbst bereits angelegte Funktion. Barth hat es zu einem
Prüfsiegel für Onlineauftritte weiterentwickelt,
dem „fkk-Siegel“. In den Paketen „Basis“, „Business“ und „Premium“ bietet die feine kleine kanzlei
die rechtliche Prüfung und Betreuung des Onlineauftritts zu monatlichen Pauschalpreisen an. Bei
der Entwicklung des Siegels und des Paketsystems
gab es gestalterisch und rechtlich einiges zu beachten, gesteht Barth. Das Angebot wird von der
Mandantschaft gut angenommen. Da die Kanzlei
aber eben fein und klein ist, nimmt sich Barth sehr
viel Zeit für die „Siegelkundinnen und Siegelkunden“. Ein Massengeschäft, wie es vergleichbare
Anbieter dieser Rechtsdienstleistung betreiben,
liegt ihm fern. Zu guter Letzt wird das Marketing
der feinen kleinen kanzlei von hochwertigen Flyern
zum „fkk-Siegel“ unterstützt, die Barth in ausgewählten Restaurants und Läden auslegt sowie von
schlichten Visitenkarten mit Prägestempel.
„Ich denke, die feine kleine kanzlei spiegelt auch
meine eigene Einstellung zum Beruf wieder – wer
oder was möchte ich als Anwalt sein?“, so Barth. Es
sei an der Zeit, sich selbst mehr als Dienstleister
denn als Anwalt zu verstehen. Dazu gehöre neben
einer transparenten Beschreibung der eigenen Arbeit und deren Kosten auch das tiefgehende Verständnis für die Persönlichkeit und die Probleme
der Mandantschaft, die regelmäßig nicht Jura studiert habe. Zurückkommend auf das Thema
„Marke“ schließt Barth: „Eine Marke ist nicht nur
das Aussehen des Logos oder der Webauftritt – das
Ganze muss mit Leben erfüllt werden und authentisch sein – und es muss von Herzen kommen!“
Ich persönlich kann genau das erkennen …
LEGITAS –
GEMEINSAM SIND WIR STARK
Wir bleiben in Hamburg, denn hier hat auch LEGITAS seinen Ursprung. Es handelt sich um einen
überregionalen Verbund ausgewählter kleinerer
Kanzleien. LEGITAS-Gründer Rechtsanwalt Dr. Fabian Heintze setzte seine Vision der Rechtsberatung mit einer starken Marke in die Tat um, zum
Vorteil für Anwalt und Mandant. In einem sympathischen und entwaffnend ehrlichen Gespräch
erfuhr ich alles über die LEGITAS-Philosophie und
durfte mit Dr. Heintze einen wahren Experten zum
Thema Kanzleimarke kennenlernen.
Die Idee
Dass auch Dr. Heintze bereits bei seinen ersten Berufserfahrungen direkte Einblicke in professionelles
Marketing gewann, wundert mich in Anbetracht
des Konzepts und der Aufmachung nicht. Im Referendariat absolvierte er eine Station bei Arthur Andersen, einer der damals weltweit führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Ähnlich wie heute
E&Y und PWC unterhielt das Unternehmen eine
große Marketingabteilung, in der hochprofessionell
an dem umfassenden Marketingkonzept gearbeitet
wurde. Auch wenn die Materie sehr interessant gewesen sei und ihn die durchstrukturierte Umsetzung des Unternehmensmarketings stark beeindruckt habe, sei für ihn schnell klar gewesen, dass
diese Art zu arbeiten keine Option für in darstellte,
so Heintze.
Es folgte die Promotion im Bereich Franchiserecht
an der Universität Hamburg. Die Idee, eine kanzleiübergreifende Marke für Einzelanwälte zu schaffen, nahm mehr und mehr Gestalt an.
Vom Begriff Franchising distanziert sich LEGITAS
heute jedoch deutlich. Vielmehr handelt es sich
um eine überörtliche Kooperation von kleinen
Kanzleien und Einzelanwälten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das Marketing ist zwar aufeinander abgestimmt und die teilnehmenden
Kanzleien leisten einen finanziellen Beitrag, etwaige Vorgaben für die Bearbeitung der Mandate, die
Preisgestaltung oder Ähnliches gibt es jedoch
nicht. „Uns war wichtig, dass die Bindung zum Anwalt selbst nicht verloren geht.“ erläutert Dr.
Heintze. Dementsprechend setzen sich die Namen
der einzelnen Kanzleien aus LEGITAS und dem
Nachnamen des Anwalts zusammen, so zum Beispiel LEGITAS Heintze.
Die Umsetzung
Im Focus der Idee stand vor allem auch die Qualitätssicherung. „Kennst du einen guten Anwalt?“
Eine Frage, die für den Normalbürger oftmals
schwer zu beantworten ist, ist doch die wahre
Kompetenz für jemanden, der nicht vom Fach ist,
nur schwer zu beurteilen. Praktisch also, wenn jemand mit ebendieser Kompetenz die Vorauswahl
trifft und durch eine Marke für den Mandanten
kennzeichnet. „Die Kooperationskanzleien werden
sehr sorgfältig ausgewählt“, erklärt Dr. Heintze.
Allerdings arbeite man nun bereits seit fünf Jahren
in mehr oder weniger gleicher Besetzung. Demnach eine Zusammensetzung, die sich bewährt
hat. Die in Hamburg ansässigen LEGITAS-Anwälte
treffen sich zwei- bis dreimal im Jahr. Ein überregio­
nales Treffen findet alle zwei Jahre statt. Selbstverständlich stünde man fachlich und die Organisation
betreffend im ständigen Austausch.
In die professionelle Gestaltung des Logos wurde
viel Zeit und große Sorgfalt investiert. Man beauftragte zwei Agenturen, um einen Entwurf und
einen Gegenentwurf zu erhalten. Klare Formen,
angelehnt an den Bauhausstil, lautete die Vorgabe,
die in den zwei dunkelblauen Quadraten mit der
edlen gelben Schrift eine gelungene Umsetzung
erfahren hat. Für die einzelnen Kanzleien wurde
jeweils ein passendes eigenes Logo entwickelt.
Hier steht der Name des Rechtsanwalts im zweiten
Quadrat in blauer Schrift auf gelbem Hintergrund.
Selbstverständlich findet sich das Logo auch im
Internetauftritt, auf Briefbögen und bedruckten
Briefumschlägen wieder. Das kleine i-Tüpfelchen
des Corporate Designs bildet ein hochwertiges,
eigens angefertigtes, Kaffeeservice, mit dem jede
der Kooperationskanzleien ausgestattet ist.
Die Marke LEGITAS und das Konzept dahinter
überzeugen insbesondere durch die Funktionalität
für beide Seiten. Für den Mandanten schafft die
Marke hier die Sicherheit, einen gewissen Qualitätsstandard zu erhalten, der Anwalt wiederum profitiert von diesem Vertrauensvorschuss des Mandanten. Genau das ist es doch, was eine erfolgreiche
Marke leisten soll.
Ihren Namen erhielt die Marke LEGITAS in zahlreichen Abendsitzungen der Gründer. Zahlreiche Markennamen wurden auf der Homepage des Markenamtes durchgeprüft. „Wir wollten eine Assoziation
mit den Begriffen ‚Lex‘ und ‚Legal‘ schaffen, durften
aber gleichzeitig nicht zu sehr an bestehende Begriffe heranrücken“, so Dr. Heintze.
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Thema
WESAVEYOURCOPYRIGHTS –
HIER IST DER NAME PROGRAMM
Unsere kleine Kanzleimarkenexpeditionsreise endet
in Frankfurt am Main, und wie ich bereits vermutet
habe, haben wir es auch hier mit einem unglaublich kreativen Kollegen zu tun. Der Gründer und
Geschäftsführer der WeSaveYourCopyrights Rechts­
anwaltsgesellschaft mbH, Rechtsanwalt Christian
Weber, hat in der Vergangenheit selbst erfolgreich
Musik gemacht und produziert. Voller Enthusiasmus nahm er mich in unserem Gespräch mit auf
einen Ausflug ins Urheberrecht und schilderte, wie
sich aus den Bedürfnissen seiner Mandanten seine
Kanzleimarke entwickelte.
mit der Kanzleimarke ein klares Ziel: Es müsse für
Künstler und kreativ Schaffende wieder möglich
werden, von ihrer Arbeit zu leben. Dies setze voraus, dass geistiges Eigentum geschützt wird,
Rechte durchgesetzt werden und langfristig die
Früchte des geistigen Schaffens von Seiten derjenigen, die die Inhalte konsumieren, wieder respektiert würden. Ein Recht, dass sich gegen Ausbeutung nicht zur Wehr setzt, würde ins Leere laufen.
Auch dieser Leitgedanke war von Anfang an Teil
der Idee. Dennoch betrachtete Weber seine Ausgangslage am Kanzleistandort Frankfurt realistisch: „Mir war klar, dass ein Alleinstellungsmerkmal zwingend notwendig ist, wenn ich mich
auf dem Markt behaupten will.“
Die Idee
Die Umsetzung
Rechtsanwalt Weber hatte sich bereits während
des Studiums und Referendariats auf den Bereich
Urheber- und Medienrecht spezialisiert. Nach seiner Zulassung im Jahre 2007 berichteten ihm
mehrere Mandanten, dass deren geistige Schaffensprodukte im Internet in großer Zahl und illegal
verbreitet würden und massive Umsatzrückgänge
die Folge seien. In einem Fall wurde beispielsweise
ein Musiktitel, der in den aktuellen Charts war und
sich in einer Woche 700 Mal verkauft hatte, über
sog. Tauschbörsen innerhalb nur weniger Sekunden für über 900 Nutzer illegal zum Herunterladen
verfügbar gemacht. Die Erkenntnis, dass im Netz
ein Urheberrechtsmissbrauch in einer Größenordnung stattfindet, welche die Zahl der legal Verkäufe von Tonträgern etc. weit übersteigt, brachte
Weber direkt auf die Idee für seine Spezialisierung
und seine Kanzleimarke. „Wegen der Digitalisierung von Inhalten und der damit verbundenen
verlustfreien Vervielfältigung und Verbreitung insbesondere über das Internet, bedarf das Urheberrecht eines besonderen Schutzes und einer engagierten Durchsetzung“, erklärt Rechtsanwalt Weber.
Das war es, was er tun wollte.
Von dem aussagekräftigen Logo, dass zwei Hände
zeigt, die sich schützend um das bekannte Copyright-Zeichen legen, hatte der kreative Urheberrechtler selbst bereits eine klare Vorstellung als er es
von einem Designer nach seiner Vorgabe gestalten
ließ. „Ist man als Anwalt im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes oder des Urheberrechts tätig
und bearbeitet eine Vielzahl von Mandaten wegen
der Verletzung geistiger Schutzrechte, wird dies auf
Seiten der Inanspruchgenommenen bzw. Rechtsverletzer oft zu Unrecht als missbräuchlich empfunden, obwohl die zu Grunde liegenden Ansprüche
berechtigt sind“, erklärt Weber.
WeSaveYourCopyrights als Kanzlei, die sich dem
Schutz und der Durchsetzung von Immaterialgüterrechten widmen wollte, war geboren. „Ich habe
mich damals bewusst gegen den Begriff ‚protect‘
entschieden“, erinnert er sich. „Ich wollte, dass der
Markenname nicht zu hart klingt und da erschien
mir die Bedeutung von ‚to save‘ im Sinne von ‚bewahren‘ passender“, so Weber.
Als er sich nach der Zulassung zunächst als Einzelanwalt selbstständig machte, war Weber sofort
klar, dass er im Bereich Urheber- und Medienrecht
tätig sein wollte. WeSaveYourCopyrights sollte
eine klare Ausrichtung in Richtung Mandant
haben, die Selektion des Mandantenkreises sei klar
beabsichtigt gewesen, erläutert der Frankfurter
Anwalt. Da er eine Zeit lang selbst im Musikbusiness tätig war, kannte er die Bedürfnisse und Belange der Branche. Der engagierte Kollege verfolgt
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„Es geht mir darum, im beruflichen Alltag meinen
kreativen Hintergrund zu bewahren und dabei
neben allen rechtlichen Aspekten nicht aus den
Augen zu verlieren, dass es bei dem Schutz geis­
tigen Eigentums vor allem auch um den Erhalt
kultureller Vielfalt und um die Sensibilisierung für
den Wert geistigen Eigentums und kreativen
Schaffens geht.“
Ich glaube ihm aufs Wort und mein Gründerherz
macht einen Sprung.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Es sei ihm daher wichtig gewesen, dass das Logo
eine gewisse Freundlichkeit, sogar Sanftheit ausstrahlt. Erstaunlich, wie gut das gelungen ist. Dem
Betrachter ist sofort klar, dass der Schutzgedanke
vorrangig ist. Seit 2011 ziert ein Farbakzent in
Magenta die Grafik und das Schriftbild. „Mit der
Farbe wollte ich jugendliche Dynamik und und
etwas Positives einbringen“, berichtet Weber. Bewegung hat es auch in der Kanzleistruktur gegeben. Aus der Einzelkanzlei ist seit 2011 die WeSaveYourCopyrights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
geworden. Derzeit sind dort neben dem Geschäftsführer vier weitere Rechtsanwälte tätig und betreuen neben Mandanten aus sämtlichen kreativen Berufen in allen berufsrelevanten Rechtsgebieten, auch zahlreiche Freiberufler, Selbstständige
und mittelständische Unternehmen in den Bereichen IP (Intellectual Property), Urheberrecht, Verlagsrecht, Medienrecht, Presserecht, IT-Recht, Internetrecht, eCommerce, gewerblicher Rechtsschutz (Marken- und Wettbewerbsrecht) und
Veranstaltungsrecht. Die Geschichte von WeSave­
YourCopyrights zeigt eindrucksvoll, wie sich eine
Kanzleimarke entwickeln und wachsen kann, ohne
ihre Kernaussage aus den Augen zu verlieren.
Kann aus der Marke
„Aida“ (eingetragen u. a.
für Veranstaltungen von
Reisen, Transportwesen,
Beherbergung von Gästen
sowie sportliche und
kulturelle Aktivitäten)
erfolgreich gegen die
Vermittlung von Reisen
über das Internet
unter dem Zeichen
„Aidu“ vorgegangen
werden, ja oder nein?
Wie meine vorherigen Gesprächspartner lässt auch
der Kollege Weber kurz durchblicken, wie viel ihm
seine Kanzleimarke bedeutet und welchen tiefen
Sinn er in der Berufung Anwalt sieht:
Auflösung auf Seite 62!
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Thema
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Stolperfallen im Markenrecht
Von Regelstreitwerten und Patentanwaltsgebühren
Marken werden leicht verletzt. Oft auch aus Unwissenheit. Das Rechtsgebiet hat, bedingt durch
das Internet, eine regelrechte Karriere hingelegt.
Angebliche Regelstreitwerte und zusätzliche Patentanwaltsgebühren – das sind nur einige Themen und Stolperfallen, die das Markenrecht für
Anwälte bereit hält, die in diesem Rechtsgebiet
gar nicht oder nur gelegentlich tätig sind.
Der BGH-Beschluss am 16.3.2006, Az.: I ZB 48/05, ist
eines der größten Missverständnisse des Kennzeichenrechts. Das Bundespatentgericht hatte den Wert
für ein Rechtsbeschwerdeverfahren auf 50.000 Euro
festgesetzt. Vorausgegangen war ein Widerspruchsverfahren aus der Marke „Red Bull“ gegen die Eintragung der Marke gegen die Marke „Bull-cap“, das zur
Löschung identischer und ähnlicher Waren in der
Nizzaklasse 32 geführt hatte, vgl. BPatG, Beschluss
vom 16.2.2005 · Az. 29 W (pat) 286/02. Nur gegen die
Wertfestsetzung zog der Markeninhaber vor den
BGH und wollte durchsetzen, dass der Wert „nur“
10.000 Euro betrage.
Der BGH hat für die Amtsverfahren in Markensachen
klargestellt: Die Festsetzung des Gegenstandswerts auf
50.000 Euro entspräche billigem Ermessen. Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandswerts sei das
wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der
Aufrechterhaltung seiner Marke. Dieses Interesse läge
„im Regelfall“ bei 50.000 Euro. Weiter heißt es in dem
Beschluss: „Besondere Umstände, die im vorliegenden
Fall eine niedrigere oder höhere Wertfestsetzung
rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Auf das Interesse
des Inhabers der Widerspruchsmarke an der Löschung
des prioritätsjüngeren Zeichens oder der gewerblichen
Bedeutung der Widerspruchsmarke kommt es nicht an.“
Die gerichtliche Welt des Markenrechts ist aber in
Amtsverfahren, bei denen es um die Eintragung von
Marken in das Markenregister geht und in Verletzungsverfahren, bei denen Kennzeichen tatsächlich
benutzt werden, getrennt. Das spielt auch für den
Streitwert eine erhebliche Rolle. Immer wieder wird
nun dieser „BGH-Regelstreitwert“ für Amtsverfahren
auch auf Verletzungsfälle übertragen. Eine verbindliche Aussage der Gerichte, welcher Wert hier angemessen ist, gibt es jedoch nicht. 50.000 Euro sind lediglich
ein Anhaltspunkt, der in der Praxis oft auch festgesetzt
wird. Die Werte könnten jedoch leicht auch weit darüber liegen, z. B. bei bekannten Marken, gelegentlich
aber auch darunter. Werte unter 20.000 Euro kommen
in der Praxis kaum vor. Jedoch sieht das Markengesetz
unter strengen Voraussetzungen eine sogenannte
Streitwertherabsetzung vor, vgl. § 142 MarkenG.
Ein ganz anderes Thema in Markensachen sind die
Gebühren für mitwirkende Patentanwälte. In § 140
Abs. 3 MarkenG ist geregelt: „Von den Kosten, die
durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer
Kennzeichenstreitsache entstehen, sind die Gebühren
nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und
außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten.“ Früher wurden für Markenverletzer daher oft doppelte Kosten in Markensachen bereits bei Abmahnungen fällig. Dem hat der BGH mit
insgesamt drei Entscheidungen einen Riegel vorgeschoben, vgl. BGH, Urteil vom 3.4. 2003 - I ZB 37/02,
Urteil vom 24.2.2011 - I ZR 181/09, Urteil vom 21.12.
2011 – I ZR 196/10. In Gerichtsverfahren oder wenn
die Mitwirkung tatsächlich erforderlich ist und nachgewiesen werden kann – und das ist ein zusätzliches
Kostenrisiko, über das markenverletzende Mandanten
aufzuklären sind – bleibt es jedoch in der Regel dabei,
dass ein mitwirkender Patentanwalt seine Kosten, z. B.
für Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage ebenfalls erstattet bekommt. Die zu erstattenden Anwaltsgebühren der Gegenseite sind dann
schlichtweg doppelt so hoch.
RA Tobias Sommer, Berlin
Dr. Vossius war aus seiner
Kanzlei „Vossius & Partner“
ausgestiegen und in einer
neuen namens „Dr. Volker
Vossius ...“ tätig. Er widerrief
gegenüber Vossius & Partner
die Gestattung, den Namen
Vossius zu führen. Sein
Schwiegersohn registrierte für
die neue Kanzlei die Domains
„vossius.de und vossius.com“.
Hat die alte Kanzlei einen
Unterlassungsanspruch auf
die Nutzung der Domains, ja
oder nein? Durfte Dr. Vossius
den Gebrauch des
Namens widerrufen,
ja oder nein?
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Auflösung auf Seite 62!
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Thema
Uns verbindet Persönlichkeit
Kanzleien gestalten ihren Markenkern – Spielarten aus der Praxis
Immer mehr Kanzleien definieren ihren Markenkern als Wertschöpfer und vermitteln mit stetiger
PR- und Öffentlichkeitsarbeit das, wofür sie stehen. Die Marke symbolisiert Einzigartigkeit, vorausgesetzt, Rechtsanwälte folgen einer einleuchtenden Strategie und bleiben ihrer Linie treu. Spielarten aus der Praxis.
Marken gewinnen, wenn Kanzleien ihre Werte und
Kompetenzen glaubwürdig vorleben und professionell kommunizieren. Markenbewusste Anwälte nehmen sich selbst und ihre Position am Markt genau
unter die Lupe. Sie definieren ihre Stärken und bekennen sich dazu: in einer langfristig ausgerichteten
Strategie, mit Maßnahmen, die zu ihnen und ihren
Zielgruppen passen. Und sie realisieren Kommunikationsinstrumente, die ihr Profil gestalten und ihre
(Kanzlei-)Persönlichkeit erlebbar machen. So entsteht
Loyalität: Menschen, die sich verstanden und verbunden fühlen, empfinden Wohlwollen und entwickeln
Vertrauen – auch dann, wenn die Geschäftsbeziehung einmal leidet.
KLARHEIT LEBEN,
UNTERNEHMERISCH ENTSCHEIDEN
Für Rainer Metschke sind es Augenhöhe und Perspektivwechsel, die Türen öffnen: sowohl im Beratungsgeschäft, als auch in der Markenstrategie. Metschke ist
Partner und Gründer der Kanzlei Röhrich Metschke
Rechtsanwälte in Schwäbisch-Hall. Die Region Ho-
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henlohe ist bekannt für einen einflussreichen, weltweit anerkannten Mittelstand: Eine Zielgruppe, die
ganz klar unternehmerisches Denken voraussetzt.
„Wir haben schnell verstanden, dass wir flexibel sein
müssen und nur dann punkten, wenn wir die Sprache
unserer Mandanten sprechen“, sagt Metschke, der seit
2010 am Standort aktiv ist. Und: „Es kommt darauf
an, Klarheit zu vermitteln und Komplexität zu reduzieren.“ Sein Anspruch: Verträge so prägnant und so kurz
wie möglich zu fassen, kurzum: zuerst das Problem
und dann die Lösung auf den Punkt zu bringen. Die
Kunden honorieren das. Schließlich motivierte der
Startschuss für eine Zweigstelle in Crailsheim Rainer
Metschke und Elko Röhrich dazu, diese Positionierung
in einem Claim klarer zu fassen und stringent in der
Kanzleikommunikation zu führen: Auf den Punkt.
SINNE ANSPRECHEN UND QUERDENKEN
Ulrike Berger, Rechtsanwältin und Partnerin bei der
Kanzlei Arfmann & Berger in Karlsruhe, fokussierte bei
ihrer Gründung 2012 ganz entschlossen ein hochwertiges Corporate Design und realisierte einen hohen
Anspruch in ihrer Geschäftsausstattung. „Erstens sind
wir Menschen mit Sinn für Ästhetik, zweitens Jungunternehmer, die anders sind und auch so wahrgenommen werden wollen“, berichtet Berger. Das heißt
konkret: Arfmann und Berger verstehen sich als
Rechtsberater, die auch die Geschäftsprozesse und
wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten ihrer Mandanten
verstehen.
„Wir werden tatsächlich
wahrgenommen und ernten Lob
für unser Erscheinungsbild.“
Hinzu käme, so die Spezialistin für IT- und Markenrecht, dass ihre Mandanten selbst Experten in professioneller Markenführung sind. „Kompromisse konnten und wollten wir uns nicht leisten“, so Berger über
die Wertigkeit ihres Looks inklusive der Haptik. Das
Ergebnis: Logo, hochformatige Visitenkarten, Briefpapier und Blöcke in Pantone Sonderfarben: blau mit
einem leicht glänzenden Kupferton. „Wir werden
tatsächlich wahrgenommen und ernten Lob für
unser Erscheinungsbild – immer noch“, freut sich die
Karlsruher Anwältin. Der Auftritt der Kanzlei stößt
auf Resonanz, nicht nur weil Nico Arfmann und Ulrike Berger erklärte Netzwerker sind. Die Experten für
IT- und Markenrecht haben sich in der Medienregion
ein bemerkenswertes „Standing“ erarbeitet. Ganz
gleich, ob sie bei offenen Veranstaltungen, etwa
„Netzstrategen machen Feierabend“, referieren, Inhouse-Seminare und Workshops durchführen, mit
Medien- und Kunstschaffenden Ausstellungen veranstalten oder eine Kanzleiparty feiern: Sie verlassen
ihren Kanzleikosmos und tauschen sich mit Querdenkern aus. Ihren Anspruch, jung, aktiv, digital und nahbar zu sein, führt Berger in einer konsequenten Medien- und Pressearbeit weiter. „Wir nutzen Reichweite und teilen praxisnahe Impulse“, vertieft die
AUF DEN PUNKT.
KLARHEIT IST UNSER BEKENNTNIS.
UND IHR VORSPRUNG.
2
WIR NENNEN ES BERATUNG. SIE NENNEN ES PUNKTLANDUNG.
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Auf den Punkt
Rechtsanwälte
1. Die Sprache der Mandanten sprechen und die Dinge auf den Punkt bringen hat Rainer Metschke von der Kanzlei Metschke-Röhrich zu seinem
Markenzeichen gemacht. / 2. Ulrike Berger von Arfmann und Berger will als Mensch mit Sinn für Ästhetik und Jungunternehmerin wahrgenommen werden.
Thema
Fachautorin. Ulrike Berger hat Verlage recherchiert,
viele Themenplanungen eingesehen und die Redaktionen mit Vorschlägen für Fachartikel oder Rechtskolumnen kontaktiert: „Ja, das ist eine Entscheidung,
die Konsequenz einfordert und Zeit kostet“, so Berger
überzeugt, „und es lohnt sich“. Die Bandbreite der
Platzierungen reicht vom e-Commerce-Magazin
über IT Mittelstand bis hin zu einem Personalmagazin. Die Artikel oder die Hinweise auf die Publikationen werden dann auch Teil der Kanzleiwebseite sein,
die bis dato noch in Arbeit ist.
AUTHENTISCH UND KONSEQUENT SEIN:
ONLINE UND OFFLINE
Als beispielhaft für eine Webseite, die als „Sprachrohr“ einer so klaren wie direkten Bildsprache und
starken Schlüsselbotschaften Schule machen kann,
ist der Internetauftritt der Düsseldorfer Kanzlei Austmann & Partner zu nennen. „Vor zwei Jahren sind
wir als Spin-Off einer Großkanzlei gestartet, deren
Düsseldorfer Büro wir zuvor aufgebaut hatten“, so
Partnerin Dr. Nina Böttger und sagt: „Von Anfang
an haben wir unsere Online-­Präsenz in das Zentrum
unseres Marktauftritts gestellt.“ Dabei hatte die Juristin auch die Zielgruppe der jungen Nachwuchstalente im Auge. Es folgten intensive Brainstormings
im Team: Der Kern waren zentrale Bekenntnisse, die
modern und klug eine Brücke zu Beweggründen
schlagen, nicht irgendwelche Juristen, sondern
genau Austmann & Partner zurate zu ziehen: „Wollten Sie nur wissen, wie es nicht geht, kämen Sie
nicht zu uns“ oder „Wenn Sie hier sind, suchen Sie
vermutlich keine Hundertschaft von Anwälten, sondern eine Lösung“ vermitteln den Kanzleispirit
ebenso selbstbewusst wie: „Wer den Kopf in den
Sand steckt, wird von anderen immer noch gesehen.“ Hinzu kommen großflächige Fotos, die Nähe
und Authentizität vermitteln. Insgesamt besticht
der Auftritt, weil er sehr clean, klar strukturiert und
in der blauen Farbwelt der Kanzlei systematisch
durchdekliniert ist.
„Es macht immer wieder Spaß, die
positiven Reaktionen und Stimmen
zu unserer Kanzleimarke zu hören.“
Diese Struktur und individuelle Linie findet der Besucher vor Ort auch in der Kanzleiausstattung wieder:
anspruchsvoll geplant und vom Schreiner nach Maß
gefertigt. Das Blau „klingt“ in Transparenten aus modernen Filmplakaten in den Meeting-Räumen Casablanca, Fitzcarraldo, Metropolis und im Casino Royal,
der Kanzleibar „nach“. Insgesamt resümiert Böttger:
„Es macht immer wieder Spaß, die positiven Reaktionen und Stimmen zu unserer Kanzleimarke zu hören.
Gefühlt ist Austmann & Partner nicht erst seit zwei
Jahren am Markt.“
STRATEGIE MIT TIEFENWIRKUNG:
VON MENSCH ZU MENSCH
Ob Anwälte ihre Mandanten in geschäftlichen Besprechungen treffen oder informell Kontakte intensivieren: „Es sind die verlässlichen menschlichen
Begegnungen, die langfristig Vertrauen aufbauen
und eine Marke erlebbar machen“, sagt Christiane
Legler, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Redeker Sellner Dahs in Bonn. Keine Frage:
Ein Eins-a-Corporate Design, das sich durch alle
Kommunikationsmaßnahmen zieht, ist für die international tätige Sozietät mit neunzig Rechtsanwälten Standard. Denn es geht immer darum, anwaltliche Qualität gepaart mit wissenschaftlicher
Exzellenz, Seriosität, Fleiß, Engagement und Integri-
tät als starke Werte zu kommunizieren. Der Fokus
auf Event- und Life-Kommunikation, wie Legler das
Kanzleiengagement bei eigenen Veranstaltungen
oder Hochschulmessen bezeichnet, ist ein prägnanter Anker in der Markenstrategie. „Wir haben unsere
eigenen Events sehr sorgfältig konzipiert und strategisch ausgerichtet“, erklärt die Politikwissenschaftlerin, die viele Jahre in Kommunikationsagenturen gearbeitet hat. „Markenpflege ist eine strategische Aufgabe. Ernst nehmen, strategisch angehen
und durchdeklinieren, flankierende PR-Maßnahmen
inklusive“, beschreibt sie, „dann muss man auch
nicht jedes Mal das Rad neu erfinden.“ Laut Legler
geht es immer darum, den einzelnen Mandanten zu
sehen und zu schätzen, also: so kontinuierlich wie
seriös ins Gespräch zu kommen. Dann kommen
Emotionen ins Spiel, die fruchtende Geschäftsbeziehungen nähren. Das Eventkonzept: Redeker Sellner
Dahs präsentiert sich exklusiv mit hochkarätigen
Referenten, wie etwa Anfang 2013 mit Georg Mascolo, seinerzeit Chefredakteur des Spiegel. Die Mandanten goutieren das, auch weil sie in diesem Rahmen ungezwungen mit ihren Rechtsberatern ins
Gespräch kommen. Und genau deshalb betont
Legler eindringlich, könne dieses Prinzip auch für
kleine und junge Kanzleien fruchten. „Veranstaltungen zu initiieren, die Stil und Klasse mit Wertschätzung verbinden, ist unabhängig von der Größe eines
Büros machbar und bietet Potenzial, das häufig
ungenutzt bleibt“, bemerkt sie. Und das funktioniere
auch mit regionalen Größen als Magneten.
SOCIAL WEB KONTAKTE
UND DIE MARKE PFLEGEN
Mit ihrem Bekenntnis „Was uns verbindet – ist Persönlichkeit“ überschreibt die Sozietät Redeker Sellner
Dahs folgerichtig ihre Recruiting Aktivitäten. „Auch
hier investieren wir in hochqualifizierte Kontakte und
3
3. Direkte Bildsprache, starke Botschaften: Die Online-Präsenz steht für Nina Böttger von Ausmann & Partner (li.) im Mittelpunkt
des Markenauftritts. / 4. Christiane Legler von Redeker-Sellner-Dahs setzt auf ein Eins-a-Corporate Design auf allen Ebenen.
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Thema
pflegen unser Erscheinungsbild online und offline“, erklärt Legler, die mit viel Herzblut in Hochschulen oder auf Hochschulmessen mit dem Berufsnachwuchs kommuniziert, und zwar persönlich sowie vor- und nachbereitend in den sozialen
Netzwerken. „Wir sind ein modernes und zugleich
traditionelles Haus und gehen ganz bewusst den
Generationenwechsel auch kommunikativ mit. So
führen wir den Dialog mit Studenten und Mandanten auch auf Facebook“, schildert sie. Junge
Kanzleien warnt die Kanzleikommunikatorin jedoch eindringlich vor Schnellschüssen im Social
Web. „Social Media und Markenpflege gehören
zusammen und kommen ohne Strategie und absolut professionelle Umsetzung nicht aus“, unterstreicht sie.
Transparenz und befähigt Menschen, bewusst und
selbstbestimmt zu entscheiden.“ Im Mandantengespräch gewinnen Anwälte dann, so Allmann, wenn
sie aktiv zuhören und die Betroffenen dort abholen,
wo sie stehen. So entsteht Vertrauen. Sie erkennt
deshalb in weichen Kompetenzen wie Gesprächsführung und Konfliktdeeskalation wichtige Treiber für
Kanzleiwerte, die neben all dem „schönen Schein“
eine Marke mit Leben füllen – ganz unabhängig von
Rechtsgebieten und Kanzleigrößen. „In der Realität
treffen oft nüchterne, sachliche und kühle Anwälte
auf hoch emotionale Themen“, vertieft sie, „hier gibt
es in der Branche Handlungsbedarf, damit Rechtsberater nicht nur mit einem treffenden Logo und wirkungsvoller PR-Arbeit punkten, sondern in persönliche Beziehungen investieren.“
MIT WORTEN BARRIEREN ÜBERWINDEN
VORAUSSCHAUEN UND UNTERSTÜTZEN
Den richtigen Ton zu treffen und eine emotionale
Ebene zu „bedienen“ versteht auch Liane Allmann als
absolut erfolgsentscheidend für Rechtsanwälte. Und
das vor allem im Bank- und Kapitalmarktrecht, dem
hart umkämpften Markt, in dem sich die Betriebswirtin als Business-Developerin und strategische Kommunikationsexpertin bei Rössner Rechtsanwälte in
München bewegt. „Geschädigte Verbraucher und
Entscheidungsträger bei Institutionen oder Kommunen sind emotional extrem beansprucht. Viele empfinden eine Mitschuld, wenn sich Kapitalanlageprodukte als Flop erweisen“, führt Allmann aus. Und sie
schlussfolgert: „Wer emotionale Peaks erzeugt, kann
Akzente setzen.“ Dabei misst die Business-Developerin der schriftlichen und gesprochenen Sprache eine
große Bedeutung bei: „Ich sehe mittlerweile besonders in einer leicht verständlichen und Bilder erzeugenden Wortwahl einen wertvollen Mehrwert, den
der Mandant direkt spürt. Einfache Sprache schafft
Und: Eine Markenführung setzt auch immer unternehmerisches Denken voraus. Der Start einer
Medienstrategie bei Rössner Rechtsanwälte war
beispielsweise ein Jahr im Vorfeld vorbereitet. Eine
vorausschauende Entscheidung, die einem erwarteten BGH-Urteil geschuldet war und eine allgemeingültige Erkenntnis offenbart: Medien- und
Pressearbeit bedarf einer klaren Themenstrategie,
einer langfristigen Planung und stringenten Umsetzung. Das BGH Urteil 2011: Die Deutsche Bank
muss Schadensersatz an Rössners Mandanten Ille
zahlen, weil sie die Aufklärungspflichten beim Verkauf von Zinswetten verletzt hat. Rössner Rechtsanwälte im Scheinwerferlicht. Eine Vorlage, die
Allmann bis heute nutzt, um den Mehrwert und
den Nachdruck herauszuarbeiten, die „ihre“ Kollegen stark machen. Die Kanzlei gibt regelmäßig
Leitfäden, Kompendien oder Breviers heraus, die
anlegerorientiert Sicherheit bei Kapitalanlagen
Ist der Widerspruch der
Marke „BLUMARIN“ gegen
die Marke Wortmarke
„MARINE BLEU“ für ähnliche
und identische Waren der
Klasse 18, 24 und 25, die
als Gemeinschaftsmarke
eingetragen werden
soll, erfolgreich,
ja oder nein?
09
5
vermittelt. Dazu Allmann überzeugt: „Die Kunst
besteht darin, nicht zu verkaufen, sondern Mandanten beim Einkaufen zu helfen.“
TEILEN UND SICH ENGAGIEREN
Sympathiepunkte sammelt auch die Stuttgarter
Kanzlei BRP Renaud & Partner: und zwar nicht nur
dank der Mitarbeiter, die als Markenbotschafter zu
unterschiedlichen Rechtsthemen sprechen und
sich einem breiten Publikum präsentieren. Genauso
wenig ist das Bekenntnis zum Standort Stuttgart
das einzige Plus für die Kanzlei mit Sitz im Königsbau; das Logo greift die Fassade dieses markanten
Gebäudes im spätklassizistischen Stil auf. Es ist das
soziale Engagement, das BRP Renaud & Partner in
der baden-württembergischen Landeshauptstadt
vorlebt. Die Kanzlei unterstützt zwei Kindertagesstätten in sozialen Brennpunkten. Das Ziel ist es,
den Kindern jeden Tag ein gesundes Frühstück zu
ermöglichen. Mit den Spendengeldern wird direkt
auf dem Großmarkt oder auf Biobauernhöfen eingekauft. „Wir wollen etwas von dem zurückgeben,
was wir haben“, begründet der Partner Dr. Thomas
Weimann, der das Kanzleimarketing mitsteuert.
Wichtig sei es dabei, nicht nur die Geldspenden
bedürftigen Kindern vor Ort in Stuttgart zukommen zu lassen. „Für uns ist es sehr bereichernd, die
persönlichen Kontakte zu den Kindern und Erzieherinnen zu pflegen wie jedes Jahr zum Sommerfest.“
Ein Mandant hat die Initiative ins Leben gerufen
und konnte BRP direkt dafür begeistern.
Susanne Kleiner, München
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Auflösung auf Seite 62!
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5. Liane Allmann von Rössner Rechtsanwälte München setzt auf die emotionale Schiene. /
6. Thomas Weinmann von BRP bevorzugt Klassizismus und soziales Engagement.
Thema
Film: Der Krieg der Patente
Hannah Prinzler fragt: Brauchen Innovationen Schutzrechte?
Filme über das Patentrecht werden nicht
für Anwälte gemacht. Leider. Fachkundiges
Publikum ist daher kritisch. Wir haben den
Münchner Patentanwalt Ludwig Lindermayer gebeten, sich den Film anzusehen.
Seine Anmerkungen veröffentlichen wir in
der kommenden Ausgabe.
Regisseurin Hannah Prinzler (l.), hier mit Darstellerin Suman Sahi bei Dreharbeiten in Indien.
Marken und Patente gehören eng zusammen.
Das hat historische Gründe und kommt schon im
Namen der deutschen Behörde Deutsches Patent- und Markenamt (DPMA) zum Ausdruck. In
Deutschland sind daher Patentanwälte auch für
Marken zuständig und können Anmeldungen
vornehmen und Amtsverfahren führen. Sie müssen sogar in den Markenabteilungen beim DPMA
eine Ausbildung absolvieren. Doch die Schutzrechte werfen zahlreiche Fragen auf. Mit einem
Fokus auf Patente hat die Regisseurin Hannah
Leonie Prinzler einen Film vorgelegt, der im Juli
2014 auf Arte lief und einige der zentralen Fragen der internationalen Patentgemeinde aufgreift und sich auch mit Kritik am bestehenden
System nicht zurückhält.
In der Programmankündigung bei Arte heißt es
u. a.: „Microsoft gegen Google, Apple gegen Nokia,
Samsung und HTC, Motorola gegen Apple, Oracle
gegen Google: Patentklagen sind in der IT-Industrie in den vergangenen Jahren in Mode gekommen. Wir befinden uns mitten in einem globalen
Krieg, in dem Patente als strategische Waffen eingesetzt werden. Technologiekonzerne wie Apple
und Google geben jedes Jahr mehr Geld für Patente
aus als sie in die Entwicklung neuer Produkte investieren. Sie wollen sich damit die Marktherrschaft
sichern.“
Als die Filmemacherin Hannah Prinzler erfährt, dass
in Amerika mittlerweile auch Patente auf menschliche Gene erteilt werden, fragt sie sich, ob da nicht
etwas schiefläuft mit dem Patentsystem, und begibt
sich auf eine Suche nach Antworten. Auf ihrer Recherchereise besucht sie den englischen Erfinder
James Dyson, Patentanwälte und Business-Gurus
im Silicon Valley und trifft Lisbeth Ceriani, um von
ihr die unglaubliche Geschichte von dem Gen ihres
Körpers zu erfahren, das ihr nicht gehört.
Prinzler reist nach Genf zur „Weltorganisation für
geistiges Eigentum“ (WIPO) und nach Indien, um die
globalen Konflikte um den Zugang zu patentierten
Medikamenten zu verstehen. In Indien erfährt sie,
wie sich die Inder gegen eine Patentierung von Reis
oder Yogahaltungen zu schützen versuchen, und
trifft Anil Gupta, den „Gandhi der Innovation“. Braucht
die Welt wirklich Patente, damit Dinge erfunden
werden? Eine Antwort hofft sie am Ende ihrer Reise
in der Wüste von Arizona zu finden, wo ein Team
begeisterter Autobauer die weltweit ersten „OpenSource-Autos“ entwickelt.
Ein User postete bei Heise seine Lieblingsaussage
aus dem Film, die eine Grundaussage für Erfinder
auf den Punkt bringt:
„Was ist, wenn jemand die Maschine kopiert?“
Gelächter.
„Er wäre traurig, wenn man sie kopiert.“
Schweigen, Erklärungen und dann Freude,
weil er ergänzt:
„Aber wenn man sie beim Kopieren verbessert, wäre er glücklich.“
Der Film setzt bewusst auf die Absurditäten des
Patentrechts und prangert Missbrauch an. Leider
Foto: Rasmus Sievers
schafft er es aber nicht, das gesamte System in
den Blick zu nehmen. Die Vorteile, die Patente bieten, der Mehrwert oder auch der für die Industrie
und Forschung wichtige Schutz des Innovationsvorsprungs und die damit zusammenhängende
Sicherung des Lebensstandards bleiben damit auf
der Strecke. Natürlich kann man das kritisch sehen
und muss es auch. Denn nur so kann es gelingen,
das System zu verbessern. Dient das System von
Schutzrechten auch der Allgemeinheit? Soll es das
überhaupt? Die Kritik liegt sicherlich in der völlig
berechtigten Fragestellung, mit der sich die Regisseurin dem Thema nähert. Sehenswert ist der Film
aber dennoch, denn er legt den Finger in Wunden
und wirft damit aktuelle, auch ethische Fragen
auf. Fragen, die in der Rechtsphilosophie schon
seit Jahren diskutiert werden, werden damit für
ein breites Publikum verständlich. Genau darin
liegt der Verdienst dieses Films.
Der Film erläutert auch Gegenmodelle zum bestehenden Patentsystem, wie die immer beliebteren
„CC“-Modelle (Creative Commons) und blickt hinter die Türen von wichtigen Institutionen. An
manch einer Stelle hätte man gerne auch die Argumente eines Apple- oder Rice-Tech-Managers
zu dem Thema gehört. Doch leider ist die Sendezeit
begrenzt. Wir sind gespannt, ob es eine Fortsetzung gibt.
Fazit: Ein fundierter und breit recherchierter Aufriss
aktueller Fragen des Patentsystems. Sehenswert.
RA Tobias Sommer, Berlin
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Thema
Lego, Tesa, Google & Co
Das Problem des Erfolgs: Wenn die Marke zur Gattung wird
„Tempo“ hat es. „Lego“ hat es. „Aspirin“ hat es.
Und ebay hat es vielleicht auch. Das Problem
der Erfolgreichen. Die Marken haben einen
guten Namen. Zu gut vielleicht, denn die Kunden unterscheiden nicht mehr. Es wird kalt, die
Nase läuft und das Volk greift zu „Tempos“.
Kopfschmerzen bekämpft man nur noch mit
„Aspirin“ . Und das kleine Geschwisterkind verschluckt „Legos“ und nicht kleine bunte Plastik­
bausteine mit Zusammensteckfunktion.
Juristisch ist die Sache klar: Ein Gattungsbegriff kann
keine Marke sein. Bier und Wein werden niemals zu
Marken, genau wie Zahnarzt, Steuerberater oder Winzer. Schwieriger ist die Sache, wenn der Markenname
neu ist und später eine Gattung prägt. Dann droht
eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch
beschreibende Verwendung sowie Verfall, aus der
Marke kann ein Freizeichen werden. Vielleicht wären
Billig-Tempo, Zick-Zack-Lego oder Mini-Aspirin die
Folge. Der Konkurrenz stünden die Markennamen zur
Verwendung frei und der Werbeaufwand würde verpuffen. Eine Gratwanderung für die Unternehmen.
In Österreich urteilte der oberste Gerichtshof in
Wien im Jahr 2002 beispielsweise, dass sich der
Begriff „Walkman“ als gängige Bezeichnung für
tragbare Kassettenabspielgeräte durchgesetzt
habe und somit nicht mehr als Marke geschützt
werden könne. Ravensburger versucht die Marke
„Memory“ derzeit mit Abmahnungen zu schützen.
Auch die Pressesprecherin Nina Knecht von Procter & Gamble versichert, dass das Unternehmen
für seine Marken „Pampers“ und „Tempo“ alles tun
werde, um der „Entwicklung zum Gattungsbegriff
konsequent entgegenzuwirken“.
Detaillierte Gebrauchsanweisungen für seine Marke
hat beispielsweise Lego in sein Company-Profil gedruckt: „Stets in Großbuchstaben“ heißt es da und
Mehrzahl ist verboten. Auch eine Alleinstellung des
Begriffs soll vermieden werden; also bittet das Unternehmen um den Gebrauch zusammen mit einem
weiteren Substantiv wie „LEGO Steine“ oder „LEGO
Universum“.
Aspirin Schmerztabletten
Ata Scheuerpulver
Autan Insektenspray
Duden Nachschlagewerk
Edding Marker
Filofax Organizer
Hansaplast Wundpflaster
Jeep Geländewagen
Kaba Kakaopulver
Kärcher Hochdruckreiniger
Kleenex Hygienetücher
Knirps Taschenregenschirm
Labello
Lippenpflegestift
Maggi Speisewürze
Nivea Hautcreme
Nutella Nougatcreme
o.b. Tampons
Ohropax Geräuschschützer
Pampers Babywindeln
Plexiglas Plexiglas
Polaroid Sofortbildkamera
Post-it Haftnotizzettel
Pril Geschirrspülmittel
Sagrotan Desinfektionsmittel
Selters Mineralwasser
Styropor Polystyrol
Tempo Papiertaschentücher
Tesa Klebestreifen
Tesafilm
Klebestreifen
Tipp-Ex Korrekturstift
UHU Klebstoff
Velotaxi Fahrradtaxi
Vespa Motorroller
Weck Einweckgläser
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Fotos v. o. l. n. u. r.: Andreas Carjell_pixelio.de / Andrea Vollmer / Lupo_pixelio.de / Andrea Vollmer / designritter_pixelio.de
Thema
Die Geschichte wollte es, dass Bayer die Markenrechte für Aspirin nach dem Ersten Weltkrieg verloren hatte, mit der Folge, dass das Wort heute vor
allem im angelsächsichen Raum als Synonym für
den Wirkstoff gebraucht wird. Da die Berichterstattung zumeist positiv ist und die Bekanntheit
besonders groß, schätzt Bayer-Sprecher Hartmut
Alsfasser die Gefahr einer Markenverwässerung
aber als „nicht übermäßig“ ein.
Die Vorteile einer Gattungsmarke liegen auf der
Hand: Hohe Bekanntheit und ein positives Image.
Die Psyche des Konsumenten wird direkt angesprochen. Der Werbeeffekt der Quasigattung ist
enorm und eigentlich unbezahlbar. Dagegen steht
die ständige Konkurrenz zum eigenen Produkt,
dass als Messlatte empfunden wird.
Doch wie kommt es, dass eine Marke eine Gattung
stiftet? Priorität, „First Mover Advantage“ oder Innovationsvorsprung heißt die Antwort. Ein neues
Produkt kann sich – gut beworben, versteht sich
– in den Köpfen der Verbraucher fest setzen. Der
Marketingexperte Professor Manfred Bruhn von
der Universität Basel verrät in einem Interview mit
der Zeitung „Die Welt“ eine ungeschriebene Regel
des Marketing: Als Erster auf dem Markt zu sein,
sei häufig besser, als später der Bessere zu sein.
„Mit der Nr. 1 verbindet sich immer etwas Einmaliges, eine besondere Innovation, die man schätzt
– und diese Einmaligkeit ist bei der Nr. 2 nicht
mehr gegeben. Für eine bisher nicht benannte
Gattung von Leistungen tritt dann der Markenname des Innovators.“
Seit Aspirin als eine der ältesten deutschen Marken noch im 19. Jahrhundert den Markt eroberte,
haben ganze Generationen von Branding-Managern gute Arbeit geleistet: Tesa, Kleenex, Zewa,
Tipp-Ex und Isostar reihen sich in die Erfolgskette
arrivierter Marken ein.
Und natürlich gibt es sie auch in Amerika, die ganz
erfolgreichen Produktmanager. „Xerox it“ versteht
jeder als Synonym fürs Kopieren. Als neuere Innovation wurde „to google“ wurde von der Amercian
Dialect Society 2002 zu einem der Worte des Jahres gewählt. Da blinken die Gattungswarnleuchten
ebenfalls ganz gewaltig.
Deutsche Juristen sprechen mittlerweile vom sogenannten ebay-Recht. Vielleicht werden wir zukünftig etwas weniger bei online-Auktionen einkaufen:
„Ebay it“.
Kann Verwechslungsgefahr
zwischen den beiden folgenden Zeichen bestehen oder
scheitert der Markeninhaber
des Zeichens Davidoff
(für Tabakwaren & Raucherbedarfsartikel eine bekannte
Marke) mit Unterlassungsund Löschungsansprüchen
gegen die Wort-Bild-Marke
Durffee (z. B. für Edelmetalle)
an der fehlenden Zeichen­
ähnlichkeit, ja oder nein?
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RA Tobias Sommer, Berlin
Fotos v. o. l. n. u. r.: N. Schmitz_pixelio.de / Maclatz_pixelio.de / Wikipedia / Helene Souza_pixelio.de / Sandor Somkuti_pixelio.de / Wikipedia
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Thema
Imagekiller für Kanzleimarken
Schmaler Grat zwischen genialer Geschäftsidee und Verlust an Profil
Foto: Tony Hegewald_pixelio.de
Warum nicht auch mal die Filesharing-Abmahnung als neuen lukrativen Geschäftszweig in Erwägung ziehen? Warum die Mandanten nicht
auch mal mit aggressiven Preisbrecher-Angeboten in die Kanzlei locken? Warum nicht auch mal
einen theatralischen Imagefilm bei YouTube einstellen? Das sind Überlegungen, mit denen sich
der Anwalt auf einem gefährlich schmalen Grat
bewegt. Auch eine Kanzleimarke lebt von ihrem
Image, einem zarten Pflänzchen, das durch einen
Fehltritt ganz schnell Schaden nehmen kann.
ABMAHNUNG
Fleißig von der Presse unterstützt, assoziiert der potenzielle Mandant mit dem Begriff Abmahnung in
der Regel Abzocke, Wahn und Massengeschäft. Die
Begriffe Schutz des geistigen Eigentums, Urheberrechtsverletzung und Medienkompetenz kommen
vermutlich nur den wenigsten ist den Sinn. Hier
haben wir es mit einem Imageschaden zu tun, der,
unabhängig von einer bestimmten Kanzleimarke, bereits für einen ganzen Geschäftszweig eingetreten
ist. Einige Kollegen haben hier mit Dollarzeichen in
den Augen ganze Arbeit geleistet. Erstaunlich, wie
schnell das Interesse an einem positiven Image der
eigenen Kanzleimarke oder sogar des gesamten Geschäftszweiges ins Hintertreffen geraten kann.
Auf der anderen Seite gilt es, den Kollegen, die im
Abmahnwesen tätig sind und es geschafft haben, das
positive Image ihrer Kanzleimarke zu wahren, beson-
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deren Respekt zu zollen. Durch eine faire und kooperative Abwicklung der Mandate kann man auch das
erreichen. Mit einem positiven Nebeneffekt: Hat der
Abgemahnte wirklich verstanden, warum illegale
Downloads im schlimmsten Fall Existenzen vernichten, wird er in Zukunft den kostenpflichtigen Download vorziehen.
DISCOUNTKANZLEI
Spätestens seit der Werbekampagne des bekannten
Elektronikriesen ist Geiz ja bekanntlich eine positive
Eigenschaft. Auch an der potenziellen Mandantschaft
ist diese neue Erkenntnis sicher nicht vorübergegangen. Aber lohnt es sich, mit laut kommunizierten Discountangeboten in den Preiskampf zu ziehen? Gilt
auch auf dem Rechtsberatungsmarkt, der beste Preis
macht das Rennen? Zur Beantwortung dieser Frage
sollte sich die Anwältin ins Gedächtnis rufen, dass der
Preis nicht nur über den Wert, sondern auch die Wertigkeit der anwaltlichen Leistung eine Aussage trifft.
Die Kanzleimarke steht ebenfalls unter dem Einfluss
der Preisgestaltung. Ein „Billig“-Image schadet dieser
in der Regel mehr als das es ihr nützt. Der Preis als
Marketinginstrument ist daher aus markenpsychologischer Sicht stets behutsam und wohlüberlegt einzusetzen. Preisaktionen, die etwas Besonderes bleiben,
z. B. für besonders treue Mandanten, können dann
sogar imagefördernd sein. Generell ist es jedoch viel
sinnvoller zu kommunizieren, warum gerade die Arbeit der eigenen Kanzlei ihren Preis unbedingt wert ist.
IMAGEFILM
Die neuen Medien haben endlich auch die manchmal etwas verstaubte Anwaltschaft erreicht und
wir sind stolz darauf. Doch der Umgang mit den
neuen Medien will gelernt sein. Ein ganz heikles,
aber gleichzeitig unglaublich amüsantes Thema ist
das Onlinemarketing mit Videos. Da ein Imagefilm
eben das Image einer Kanzleimarke darstellen soll,
ist es höchst problematisch, wenn dies nicht richtig gelingt.
Bereits kleine Einzelheiten, wie eine schlechte Beleuchtung, ungünstige Hintergrundmusik oder ein
unprofessionelles „Schauspiel“ der Protagonisten
können dafür sorgen, dass der teure Imagefilm mehr
Likes und Kommentare für die unfreiwillige Komik
als für die gelungene Darstellung der eigentlichen
Kanzleimarke erhält.
Leider ist auch professionelle Unterstützung nicht
immer ein Garant dafür, dass ein Video den gewünschten Marketingerfolg erzielt.
Der Anwalt sollte sich eingestehen, dass er in einer
eher kreativitätsfernen Branche tätig ist und ein potenzieller Mandant mit mehr Kompetenz das Video
eventuell ganz anders beurteilt. Dass sich über Geschmack nicht streiten lässt, gilt auch hier ganz besonders. Unproblematischer als ein Imagefilm sind
Videos zu konkreten Themen oder ein Videoblog.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Thema
Das ist ja 'ne Marke
Markenrecht vs. Moral – WikiLeaks lässt Spendenverkauf von T-Shirts unterbinden
Foto: getdigital
Mit der Whistleblower-Plattform WikiLeaks assoziieren wir in der Regel Informationsfreiheit,
Enthüllungen und Netzaktivismus. An Markenrechte, Lizensierung und Kommerz denkt in der
Regel niemand. Doch offensichtlich weiß auch
Julian Assange seine Marke in Bares zu verwandelt. So erhielt der selbsternannte „Geek Stuff
Supplier“ getDigital am 13.10.14 eine überraschende E-Mail.
Die Bavaria-Film GmbH forderte getDigital auf, die
im Onlineshop angebotenen T-Shirts „WikiLeaks Revolucion“ mit Julian-Assange-Konterfei und „WikiLeaks Support“ mit WikiLeaks Logo aus dem Verkauf
zu nehmen. Besonders prägnant: getDigital hatte
die Shirts zum Support von WikiLeaks verkauft und
nahezu den kompletten Gewinn gespendet. Fünf
Euro pro T-Shirt gingen an die Wau-Holland-Stiftung, die das Geld wiederum an WikiLeaks weiterleitete. Über die Spendenaktion war bereits ein Betrag in Höhe von 7.500 Euro erzielt worden.
Hierauf nahm die Bavaria-Film GmbH jedoch zunächst keinerlei Bezug, zu den Marken- und Lizenzrechten jedoch umso ausführlicher. Das WikiLeaks-­
Logo sei als europäische Wort- und Bildmarke beim
europäischen Patentamt angemeldet worden und
somit vor unbefugter Nutzung durch Dritte in der
Europäischen Union rechtlich geschützt. Außerdem
sei bei einer Verwendung des Bildes bzw. Konterfeis
von Herrn Assange aufgrund seiner Persönlichkeitsrechte die Zustimmung von Herrn Assange zwingend erforderlich.
Diese Rechte an der Marke und seinem Bild lasse
Assange durch die Agentur Just Licensing (Rejkjavik, Island) vertreten.
Just Licensing habe wiederum die Bavaria-Film mit
der Wahrnehmung der Rechte in den Lizenzgebieten
Deutschland, Österreich und der Schweiz beauftragt,
insbesondere mit der Vermarktung/Lizensierung und
rechtlichen Verfolgung unbefugter Nutzungen. GetDigital reagierte mit einem höflichen Hinweis auf die
Spendenaktion und bat um einen Vorschlag für einen
Lizenzvertrag. Mit dem Hinweis, dass Julian Assange
Wert darauf lege, gefragt zu werden, ob und wie man
sein Konterfei auf T-Shirts druckt, bestand die Bavaria-Film GmbH weiterhin auf die Löschung.
Ziemlich starker Tobak für die Netzgemeinde, die über
den getDigital-Blog auf dem Laufenden gehalten
wurde. Die Enttäuschung darüber, dass nun auch die
Marke WikiLeaks einem exklusiven Lizenzdeal zugeführt werden soll und dagegen das Engagement der
Unterstützer offensichtlich wertlos ist, war groß. Auch
wenn die rechtliche Situation klar sei, müsse die moralische Bewertung dem nicht folgen, so Philipp Stern,
einer der beiden Geschäftsführer der Stern & Schatz
GmbH, die getDigital betreibt.
Wahre Worte, denn wie in allen anderen Rechtsgebieten stehen auch im Markenrecht Recht und Moral
mitunter im Konflikt und bei der Durchsetzung seines
Rechts weicht so mancher von gewohnten Pfaden
ab. Umso besser, wenn man in solchen Situationen
trotzdem in der Lage ist, einen Konsens zu finden Die
Bavaria Film GmbH hat sich recht schnell für das Vorgehen entschuldigt. Man wolle nun schauen, wie ein
Lizenzerwerb oder eine Zusammenarbeit ausgestaltet
werden könne. Vorab müsse jedoch mit größeren
Unternehmen verhandelt werden, die eine größere
Vertriebsmacht haben als getDigital.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Besteht zwischen den
Zeichen „MIDAS“ und
„medAS“ für identische
und ähnliche Waren
Verwechslungsgefahr,
können also Ansprüche
auf Unterlassung,
Auskunft, Schadenersatz
durchgesetzt werden,
ja oder nein?
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Thema
Markenmarkt – Zahlen & Fakten
Auflösung auf Seite 62!
zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin
Umsatz der deutschen Markenwirtschaft jährlich in Milliarden Euro: knapp 900 l Anteil der Markenwirtschaft an der Bruttowertschöpfung Deutschlands 2010: 14 Prozent l Erwerbstätige in Markenunternehmen 2010: 2,1 Millionen l Anteil, den die Markenwirtschaft
zu öffentlichen Einnahmen beiträgt: 13 Prozent l Umfrageergebnis bei deutschen Verbrauchern 2012: Kauf von Marken lohnt sich
(meistens): ja 38 Prozent, nein 28 Prozent l Marken sagen oft etwas über die Qualität der Produkte aus: ja 57 Prozent, nein 17 Prozent
l Es gibt Produkte, da bin ich auf eine Marke festgelegt: ja 55 Prozent, nein 27 Prozent l Es gibt unverwechselbare, starke Marken, die
mich beeindrucken: ja 41 Prozent, nein 16 Prozent l Einnahmen des Deutschen-Patent- und Markenamts (DPMA) 2013 in Millionen
Euro: 340,7 l Ausgaben: 268,2 l Zahl der Beschäftigten: 2.518 l Markenbestand im deutschen Markenregister Ende 2013: 789.589 l
Deutsche Designs: 297.132 l Gebrauchsmuster: 90.450 l Patente: 124.432 l Anträge auf Eintragung einer Marke im Jahr 2013 beim
DPMA einschließlich Schutzrechtserstreckungen: 64.966 l Markeneintragungen beim DPMA im Jahr 2013: 43.507 l Marken, die direkt
beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet wurden 2013: 60.161 l davon aus Deutschland 2013: 94,8 Prozent l 2007:
76.302, Schutzrechtserstreckungen: 7.508 l Zahl der Widerspruchsverfahren: 2013: 3200 l 2007: 5377 l Durchschnittliche Verfahrensdauer bis zur Markeneintragung beim DPMA: 2,8 Monate l Bei Zurückweisung: 6,9 Monate l Bei Antrag auf beschleunigte Anmeldung: 2,1 Monate l Zusätzliche Kosten für beschleunigte Anmeldung: 200 € (Beschleunigungsgebühr!) l Bei elektronischer Anmeldung 2,6 Monate l Zahl der Farbmarken im deutschen Markenregister: 1310 l Einnahmen des HABM (EU-Markenamts) 2013 in
Millionen Euro: 189 l Ausgaben: 209 l Zahl der registrierten Marken beim EU-Markenamt Ende 2013: 986,563 l Anmeldungen von
Gemeinschaftsmarken 2013: 114.468 l 2009: 88.289 l davon aus Deutschland 2013: 20.059, davon registriert: 17.613 l davon aus
Deutschland 2009: 16.247, davon registriert: 15.825 l davon elektronisch: 95,5 Prozent l davon Internationale Anmeldungen, nicht
aus der EU: 18.200 l Zahl der registrierten EU-Marken für 2013: 98,074 l Zahl der EU-Markenanmeldungen insgesamt: 1,352,078 l
davon aus Deutschland: 17,31 Prozent l davon aus USA: 16,79 Prozent l davon aus GB: 10,35 Prozent l Italien: 7,88 Prozent l Spanien: 7,66 Prozent l Frankreich: 6,77 Prozent l davon in englisch: 41,67 Prozent l davon in deutsch: 18,82 l davon in französisch:
9,62 Prozent l davon in ungarisch und maltesisch: je 0,01 Prozent l Zahl der Widerspruchsverfahren 2013: 17.006 l Zahl der Löschungsanträge 2013: 1.398 l Zahl der Beschwerden für das amtsinterne Beschwerdeverfahren 2013: 2.602 l Zahl der Verfahren beim
EuG 2013 aus der Zuständigkeit des HABM: 291 l Zahl der Verfahren beim EuGH 2013 aus der Zuständigkeit des HABM: 38 l Bestätigungsquote des Gerichts (ganz oder teilweise): 86,5 Prozent. l Zahl der EU-Geschmacksmuster: 96.588 l Beliebteste Warenklassen
(der insgesamt 45 sogenannten Nizzaklassen) der Deutschen Anmelder beim EU-Markenamt: Klasse 9 – 2013: 5.869 mal benannt,
insgesamt: 69.220: enthält u. a. die Waren: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger,
Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Hardware für die Datenverarbeitung, Computer; Computersoftware; Feuerlöschgeräte l Klasse 35 – 2013: 5.949 Mal benannt, insgesamt: 56.939: enthält die Dienstleistungen: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten l Klasse
42 – 2013: 4.979 Mal benannt, insgesamt: 59.715: enthält die Dienstleistungen: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen
und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf
und Entwicklung von Computerhard- und -software l Unbliebteste Warenklassen (der insgesamt 45 sogenannten Nizzaklassen) der
Deutschen Anmelder beim EU-Markenamt: Klasse 13 – 2013: 71 Mal benannt, insgesamt: 884, enthält die Waren: Schusswaffen;
Munition und Geschosse; Sprengstoffe; Feuerwerkskörper l Klasse 15 – 2013: 92 Mal benannt, insgesamt: 1.324, enthält die Ware:
Musikinstrumente l Klasse 23 – 2013: 81 Mal benannt, insgesamt: 907, enthält die Waren: Garne und Fäden für textile Zwecke l
Juristische Dienstleistungen: Klasse 45: 2013: 884 Mal benannt, insgesamt: 6.733 l Markenbestand im internationalen Markenregister
Ende 2013: 508.412 l Das entspricht Marken in Zielländern: 5,6 Millionen l Zahl der Rechteinhaber an IR-Marken: 191.759 l Zahl der
Staaten, wo IR-Marken (internationale Marken) benannt werden können: 92 l Markenanträge für Eintragung von Marke im Jahr 2013
bei der WIPO (World Intellectual Property Organisation) für IR-Marken: 46.829 l Eingetragungen 2013: 44.414 l davon auch für
Deutschland: 4.638 l davon auch für China: 20.275 l davon auch für Russland: 18.239 l davon auch für EU (einschließlich Deutschland): 17.598 l davon auch für USA: 17.322 l davon Neuseeland als neues Mitglied 2012: 4.484 l davon aus Deutschland: 6,446 l
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Quellen: statista, interbrand, statistisches bundesamt, DPMA, GDV, HABM, WIPO, Zoll, Markenverband, ifd-allensbach
Thema
In welcher Datenbank können Marken schnell und kostenlos recherchiert werden?
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aus den USA: 5,856 l aus Frankreich: 3,973 l Zahl der pro Anmeldung im Durschnitte bannnten Zielländer: 6,9 l Insgesamt benannte
Zielländer, das entspricht am ehesten der Zahl der Markenanmeldungen: 306,046 l Größte Anmelder von IR-Marken 2013: Novartis
aus der Schweiz mit 228 Anmeldungen; Zentiva, Tschechien, 118; Egis Gyógyszergyár, Ungarn 111; Lóreal, Frankreich 109; Boehringer
Ingelheim, Deutschland 107; Boquoi Handels OHG, Deutschland 98; Nestlé , Schweiz 91; Actavis Group, Island 90; Koninklijke Philips
Electronics N.V., Niederlande 86; Henkel AG & Co. KGaA 79 l Beliebteste Nizza-Klassen für IR-Marken: 9, 35, 42, 28 l Zahl der Begriffe
in der einheitlichen Klassifikationsdatenbank, die auf 27 Sprachen vorliegt: ca. 60.000 l Zahl der Marken, die über das kostenlose Rechercheportal TMview recherchierbar sind: 24.511.036 l Die 10 größten Markenanmelder zum DPMA: Boehringer Ingelheim International GmbH: 138; Deutsche Telekom AG: 84; Vodafone GmbH: 67; VOLKSWAGEN AG: 60; Daimler AG: 59; Fraunhofer-Gesellschaft e.
V.: 58; Henkel AG & Co. KgaA: 58; Merck KgaA: 55; Bayer Intellectual Property GmbH: 44; MIP METRO Group Intellectual Property GmbH
& Co. KG: 44 l Zahl der Aufgriffe von Pirateriewaren durch den Zoll 2013: 26.127 l davon Sportschuhe: 9844 l Zahl der Artikel:
3.926.888 l davon Spielzeug und Spiele: 720.000 l Gesamtwert, geschätzt in Millionen Euro: 134 l Anteil der Waren, die der Zoll
kontroliert, vermutet vom Markenverband zur Bestimmung der Dunkelziffer: ca. 2-3 l Zahl der Anträge auf Tätigwerden der deutschen
Zollbehörden 2013: 1116 l Zahl der Anträge auf Tätigwerden der EU-Zollbehörden 2013: 3.731 l Diese Automarken wurden im Jahr
2013 in Deutschland am häufigsten gestohlen: VW 5.949 Stück; Audi 2.841 Stück; BMW 2.748 Stück; Mercedes 1.065 Stück; Skoda
und Toyota je 758 Stück
MARKEN-GRAFIKEN
schleswig holstein 1.783
mercedes benz
25.546
bmw
25.494
13.352
sap
mecklenburg vorpommern 516
12.335
deutsche telekom
8.904
volkswagen
6.808
siemens
6.474
basf
hamburg
3.172
6.219
audi
6.033
adidas
bremen
458
5.615
bayer
5.373
allianz
5.182
porsche
niedersachsen
3.885
berlin
4.260
3.213
hugo boss
3.036
bosch
3.032
deutsche bank
2.465
continental
sachsen anhalt 809
2.189
aldi
brandenburg
1.009
1.725
linde
1.719
man
nordrhein westfalen 12.726
0
hessen
4.718
sachsen
1.940
thüringen
837
DEUTSCHLAND
2.513
nivea
2.500
5.000
7.500
10.000
12.500
15.000
158,84
107,54
90,19
85,71
coca - cola
80,68
79,20
visa
at & t
77,88
amazon
64,26
verizon
63,46
56,69
general electric
54,26
wells fargo
53,62
tencent
49,90
china mobile
baden württemberg 7.436
WELTWEIT
47,74
ups
42,10
icbc
39,50
master card
36,39
sap
35,28
vodafone
0
Markenanmeldungen 2013 nach Bundesländern
v
67,34
marlboro
*
25.000 MIO. EUR
147,88
mc donalds
bayern
10.215
22.500
apple
ibm
rheinland pfalz 2.811
20.000
google
microsoft
saarland
456
17.500
20
40
60
80
100
120
140
160
MRD. $
Ranking der jeweils zwanzig wertvollsten Marken nach Markenwert 2014* *
* DPMA Jahresbericht 2013, S. 32 (www.dpma.de) / ** Statista 2014 (www.statista.com) / Grafiken: gudman.de
AdVoice 04 /14
29
Thema
Die Kanzlei als Marke
Auflösung auf Seite 62!
Wie aus Mandanten „Brand Advocates“ werden
Zum Thema „Marke“ fallen einem Juristen wohl
zunächst Stichworte wie Markenschutz, Markenanmeldung, Geschmacksmuster oder Warenzeichen ein. Wir denken an Markenrecht
und wie wir die Marke eines Mandanten bestmöglich gegenüber Nachahmern schützen können. Dabei sind Kanzleien selbst auch Träger
einer Marke. Marken kennzeichnen nicht nur
uns bekannte Produkte wie den Marsriegel im
Supermarktregal sondern auch Dienstleistungen wie die Rechtsberatung in der Anwaltskanzlei. Eine Marke ist zudem viel mehr als nur
ein formales Zeichen, das durch Wörter, Zahlen, Bilder oder Buchstaben markiert wird. Sie
besteht aus diversen Bausteinen wie Namen,
Farben, Schriften und Design sowie aus versteckten kognitiven und emotionalen Assoziationen. Insgesamt dient sie dazu, dem Bezugsobjekt eine einzigartige Identität zu verleihen.
WAS RECHTSBERATUNG
VOM SCHOKORIEGEL UNTERSCHEIDET
Die Besonderheit einer Marke im Bereich der Anwaltschaft besteht in der Intangibilität der verkauften Leistungen. Der Mandant erhält also
wenig Greifbares, anhand dessen er die Qualität
der Kanzlei und der Rechtberatung im Vorwege
beurteilen könnte. Selbst, wenn der Mandant bereits Erfahrungen mit den Leistungen der Kanzlei
sammeln konnte, wird er diese als Laie anhand
behelfsmäßig gewählter Maßstäbe beurteilen, die
nicht unbedingt der tatsächlichen Qualität gerecht
werden. Beispielsweise bezieht er sich auf die
Höhe der gezahlten Entschädigung oder darauf,
ob der Prozess gewonnen wurde oder nicht. Nach
einer informationsökonomischen Einordnung von
Rechtsberatung wird deshalb auch von einem
hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften gespro-
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DIE SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG
Ein bekannter Erklärungsansatz zur Entstehung
von Mundpropaganda stellt das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma dar. Es geht davon aus,
dass der Grad der Zufriedenheit aus einem Abgleichsprozess mit den an die Leistung gestellten
Erwartungen hervorgeht. Insbesondere Begeisterung als extreme Form der Zufriedenheit, bei der
die Erwartungen sogar übertroffen werden, wird
als Auslöser positiver Mundpropaganda betrachtet. Dennoch stellt das Hervorrufen von Begeisterung keinesfalls einen Erfolgsgaranten dar, sondern erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit, weiterempfohlen zu werden. Es sind mehrere Schlüssel, die zum Erfolg führen. Hierbei rücken die
Stärke der Bindung zwischen Kanzlei und Mandanten sowie die Identifikation des Mandanten
mit der Anwaltskanzlei in den Mittelpunkt. Um
dies zu erreichen, ist eine überzeugende Markenidentität erforderlich, die vom persönlichen Umgang mit den Mandanten über das Design des
Briefpapiers bis hin zu den Räumlichkeiten der
Kanzlei ein stimmiges Gesamtbild bietet. Aber wie
lässt sich eine solche Markenidentität kreieren?
VON BELIEBIGER
RECHTSBERATUNG ZUR MARKE
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AdVoice 04 /14
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chen. Diese Eigenschaften sind von Nachfragern,
potenziellen Mandanten, nicht direkt bewertbar.
Mandanten müssen sich daher auf die Empfehlungen vertrauenswürdiger Personen verlassen. Doch
wie können Rechtsanwälte und Kanzleien dafür sorgen, dass Empfehlungen ausgesprochen werden?
Wie können wir erreichen, dass Mandanten zu sogenannten Brand Advocates (auf Deutsch: Fürsprecher
für die Marke der Kanzlei) werden?
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Ein hilfreiches Modell zur Bildung der Markenidentität liefert das Markensteuerrad von Esch. Es erläutert
die fünf wesentlichen Elemente einer Markenidentität anhand prägnanter Fragen, die über die Komponenten der Marke beantwortet werden sollten.
1. Im Zentrum steht die Markenkompetenz. Die
Kanzlei sollte sich hierzu die zentrale Frage stellen:
„Wer bin ich?“ Ganz grob könnte eine Antwort hierauf z. B. „eine Münchner Kanzlei für Familienrecht“
lauten. Die gewählte Kompetenz stellt den dauerhaften Kern der Marke dar, an der sich die weiteren
Elemente orientieren.
Grafik: gudman.de
Thema
Wie viele Markenregister gelten in Deutschland? Welche sind das?
13
2. Darüber hinaus ist der Markennutzen anhand der
Frage „Was biete ich an?“ zu klären. Hierbei ist neben
dem rein funktionalen Nutzen, der beispielsweise
mit Rechtsberatung mit dem Schwerpunkt Familienrecht definiert werden könnte, auch ein psychosozialer Nutzen zu erörtern. Bietet eine Kanzlei für Familienrecht nicht auch Hilfe, Unterstützung und ein
offenes Ohr bei Schicksalsschlägen und Ehekrisen?
„Wie will ich sein?“ Insbesondere diese Komponente
bietet die Möglichkeit, sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Ist die etablierte Kanzlei um die Ecke
steif und verstaubt? Bin ich im Vergleich dann nicht
besser jung, dynamisch und innovativ? Sowohl Persönlichkeitsmerkmale als auch Merkmale der Beziehung zu den Mandanten und prägende Erlebnisse
dürfen in die Markentonalität einfließen.
3. Gestützt wird der Markennutzen durch die Markenattribute. Sie werden durch die Frage „Über welche Eigenschaften verfüge ich?“ erfasst. Gemeint
sind Eigenschaften der angebotenen Leistungen
und der Kanzlei selbst, über die der Kundennutzen
erzeugt wird. Beispiele wären Erfahrung im Bereich
der Rechtswissenschaften, Schnelligkeit bei der Bearbeitung der Akten, eine gute Erreichbarkeit usw.
5. Erlebbar wird die Tonalität durch das Markenbild.
Dazu passend lautet die Frage: „Wie trete ich auf?“
Im Wesentlichen fallen unter diesen Begriff Corporate Design, Communication, Behavior und Culture.
Welcher öffentliche Auftritt, Umgang untereinander
und mit den Mandanten passt zu der festgelegten
Markentonalität? Will ich als Kanzlei für Medienrecht jung und dynamisch sein, sollte ich beispielsweise auch in sozialen Netzwerken präsent sein und
einen eher lockeren Umgang mit meinen Mandanten pflegen. Bin ich als Anwaltskanzlei für Familien-
4. Des Weiteren ist eine Markentonalität festzulegen. Dazu stellt sich die Frage: „Wie bin ich?“ bzw.
recht auch Tröster in der Not, sollte ein einfühlsamer
Umgang mit den Mandanten geübt sein und die
Räumlichkeiten Wärme und Zuneigung ausstrahlen.
Die definierte Markenidentität bietet Mandanten
zusätzlich zu Empfehlungen von Freunden und Bekannten eine Orientierungshilfe bei der Wahl einer
passenden Kanzlei. Sie ist ein Substitut für fehlende
Informationen und Erfahrungswerte. Durch eine
eindeutige, erlebbare Markenidentität werden das
subjektive Risiko und die Hemmschwelle, eine falsche Entscheidung zu treffen, aus Sicht der Mandanten deutlich reduziert. Eine Markenidentität, in
der sich der Mandant selbst wiederfindet, stärkt die
Beziehung zur Kanzlei und die Bereitschaft, sich für
sie einzusetzen. Im Idealfall wird so der Grundstein
für eine langlebige Mandantenbeziehung geschaffen, in der Mandanten zu Brand Advocates werden.
Merle Hogrefe, Mönkeberg
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AdVoice 04 /14
31
Magazin
Typisch Anwalt: Drauflosrattern kann tödlich sein
Johanna Busmann gibt Tipps gegen Verhandlungsfehler
Weiß, wie ein Anwalt auftreten und was er besser vermeiden sollte: Anwaltstrainerin Johanna Busmann.
Die Anwaltstrainern Johanna Busmann hat bei
der FORUM-Jahrestagung nicht nur einen Vortrag gehalten, sondern stand uns zu ihrem
Thema „14 typisch anwaltliche Verhandlungsfehler – und wie man sie behebt“ auch für ein
Interview zur Verfügung. Besonders gefällt uns,
dass Frau Busmann nicht nur die Fehler aufzählt, sondern zahlreiche leicht lernbare Tipps
geben kann, wie die Fehler abgestellt werden
können. Wem das nicht genügt, dem empfehlen wir wärmstens einen der zahlreichen Kurse,
die die Anwaltstrainerin für Anwälte anbietet.
AdVoice: Frau Busmann, Sie sind ausgebildeter
Coach für Führungskräfte und seit 24 Jahren
Kommunikationstrainerin für Anwälte. Können
Sie sagen, wieso Anwälte überhaupt beim Verhandeln Fehler machen?
Johanna Busmann: Es scheint mir wohl drei Erklärungen zu geben. Der erste ist zutiefst menschlich:
Jeder macht Fehler, könnte daraus lernen und tut
32
AdVoice 04 /14
gut daran, keinen einzigen zu wiederholen. Der
zweite ist struktureller Natur: Anwälte haben Kommunikation in ihrer Ausbildung nicht gelernt. Dabei
ist gerade sie nachweislich für Erfolge und Misserfolge verantwortlich und durchzieht den Anwalts­
alltag in jeder Minute. Und der dritte Grund ist ein
taktischer: Ein Fehler liegt nur vor, wenn ein Ziel
nicht erreicht wird. Diese Sicht nimmt die „moralische Last“ von bestimmten Verhandlungstricks.
Foto: Michael Kuchinke-Hofer
bedingt einer sein muss. Was ein Fehler ist, ist also
stets subjektiv gefärbt und unterliegt keinen höchstrichterlichen Kriterien. Deshalb irren Verhandlungsbücher, die generell behaupten, rauszurennen, wütend zu werden oder zu schweigen seien
keine tauglichen Methoden. Auch diese Verhaltensweisen führen zu Ergebnissen.
A: Was ist bei der Vorbereitung einer Verhandlung wichtig?
A: Sie haben 14 Fehler ausgemacht, wie kommen Sie gerade auf diese Zahl, warum nicht
mehr, warum nicht weniger?
B: Diese 14 Fehler sind eher Fehlerkategorien. Sie
sind ganz grob unterteilt – etwa wie Verhandlungsphasen. Jede Kategorie hat Unterpunkte. Kein Anwalt macht alle Fehler auf einmal, nicht jeder
macht dieselben Fehler täglich, und das Wort „Fehler“ unterliegt allein subjektiven Bewertungskriterien: Für keinen Anwalt ist in der Verhandlung
etwas ein Fehler, das für seinen Kollegen auch un-
B: An der Basis jeder Verhandlung prallen zwei oder
mehr Welten mehr oder weniger wuchtig aufeinander. Der Mandant verlässt sich vollkommen auf den
Profi; er hat keine Wahl. Je mehr der Anwalt den
Mandanten einbindet, desto eher vertraut dieser
ihm die Lösung zu – und sein ganzes Problem an.
Der Anwalt muss das Ziel des Mandanten genau
kennen, um es sicher zu erreichen. Vorchecking und
Vorbereitung sind entscheidend; drauflos zu rattern
kann tödlich enden.
Magazin
Der Mandant muss im Vorfeld erfahren, was Plan
B ist. Plan A muss bereits realistisch sein; er geht
dennoch oft nicht auf: Zu viele Unwägbarkeiten
stehen dagegen. Was ist (alternativ) erreichbar,
unter welchen Bedingungen ist es das – und was
geht sicher nicht?
Der Mandant muss auch wissen, dass ein außergerichtliches Gespräch – verglichen mit der Gerichtsverhandlung – einen legeren Rahmen, eigene Regeln und weniger Unwägbarkeiten haben kann. Der
Anwalt muss neben Aussagen, Argumenten und
Zielen des Gegners auch dessen Einwände genau
kennen. Diese soll ein Referendar, der Aktenkenntnis hat, mit dem Mandanten schriftlich erarbeiten.
Die Antworten darauf dürfen nur offene Fragen sein.
Wenn der Mandant aus „prinzipiellen Gründen“
vor Gericht will und die Rechtslage nach seriöser
Prognose unterhalb von 60 zu 40 dahindümpelt,
könnte der Anwalt ihn z. B. fragen: „Und was wäre,
wenn wir am gemeinsamen Tisch viel mehr rausschlagen können für Sie? „Und was passiert, wenn
der Richter unserer Auffassung eben nicht folgt?“
„Was ist Ihrer Ansicht nach davon unser Vorteil?“
„Wie möchten Sie X schaffen, wenn die Verhandlung erst in acht Monaten beginnt?“ „Was genau
hindert Sie?“
Durch die offene Frage werden also Konflikte minimiert; Nachdenken und Lösungsbereitschaft
werden gefördert, besonders, wenn die Frage
schon eine Antwort für beide Seiten einfordert wie
etwa: „Wodurch könnten aus Ihrer Sicht beide Seiten profitieren?“
A: A propos offene Fragen: Was ist bei Einwänden wichtig?
B: Wichtiger als die Rhetorik ist mal wieder die Philosophie: Wer einen Einwand hat, ist mit der Sache
bereits befasst. Wer ihn auch noch laut äußert, ist
sogar relativ leicht führbar. Leichter jedenfalls als der
Mandant, der seine Einwände verschweigt und unerklärt zum Mitbewerber geht. Wer durch eine offene
Frage auf eine Attacke oder einen Einwand antwortet
(„Was sehen Sie als Alternative?“), zwingt den Gegner
zum Denken und deaktiviert dadurch sein animalisches Stammhirn mit den Impulsen „Flucht“ und
„Kampf“. Der „Gegner“ kann also weder abhauen
noch draufhauen. Er kann gar nicht mehr hauen.
Offene Fragen neutralisieren Einwände und machen auch unsachlichste Attacken zu gemütlichen
Spaziergängen. Zudem behalten Sie die Oberhand,
denn: „Wer fragt, führt“.
A: Das würden wir ganz gern an einem Beispiel
lernen ...
B: Drei Minibeispiele: In einer der Verhandlung
hören Sie vom Gegner etwa: „Das ist total unrealistisch“. Sie antworten: „Welche realistische Lösung
sehen Sie für beide Seiten?“
„Das können wir beim Personalvorstand nicht
durchsetzen“, führt zu Ihrer Frage: „Was würde
Ihre Argumentation dem Vorstand gegenüber
stützen?“ und
„Sie kennen sich in der Chemiebranche doch überhaupt nicht aus“, wird entmachtet durch: „Welche
Kenntnisse genau fehlen mir aus Ihrer Sicht?“
Sobald also der Gegner gezwungen ist zu denken,
hindern Sie ihn an Streitlust und dominieren ihn.
Das klappt übrigens auch bei sachlich gefärbten
Bedenken – und ist ein cooles Mittel zur Durchsetzung gegenüber Prinzipienreitern:
A: Wie wichtig ist es, Gastgeber zu sein und
nicht Gast?
B: Die eigene Rolle kann entscheidend sein für den
Verhandlungserfolg. Wer einlädt, hat die Macht
über Räume, Zeiten, Gepflogenheiten. Die Sitzordnung ist immer über Eck, also 90 Grad zum Gast.
Kampfeslust wird nämlich erhöht, wenn Sie den
„Gegner“ auf der Gegenseite sehen, statt Seite an
Seite mit ihm aus demselben Winkel auf „das Problem, den gemeinsamen Feind“ zu sehen.
Die Begrüßungszeremonie vergrößert den Gast! Der
Gastgeber sollte dazu den sogenannten Business
Knigge beachten. Dessen Regeln sind dem privaten
Knigge häufig entgegen gesetzt: Frauen und ältere
Herrschaften werden nie automatisch zuerst begrüßt,
außer wenn sie selbst bei der Begrüßung vorpreschen.
Als erster wird – sogar unabhängig von seiner Hierarchie (!) – derjenige begrüßt, der die Vorkontakte
zum Anwalt hatte. Wer Verhandlungsgegner in seiner Kanzlei begrüßt, geht also auf den Kollegen der
Gegenseite zu und begrüßt zunächst ihn herzlich,
bis er seinen Mandanten vorstellt. Ganz am Schluss
kommt der Mandant der Gastgeberseite dran.
A: Frau Busmann, wir haben während Ihres Vortrags das Wort „Moderatorenstatus“ gehört. Was
ist das?
B: Der Moderatorenstatus des Gastgebers sichert
diesem rhetorisch so eine Art „Head of Ceremony“Status. Statt parteiisch die Positionen des Mandanten zu verteidigen und zu postulieren, wird der
geübte Verhandler, wenn er Gastgeber ist, den
„Moderatorenstatus“ einnehmen.
Der Gastgeber fragt, fasst zusammen, wertet nicht,
verlangt vom Mandanten dasselbe wie vom Gegner und stellt sich wie ein Schlichter dar. Das Gast-
geberteam sichert dadurch ab, dass es die Fäden in
der Hand behält. Dieser Moderatorenstatus wird in
Verhandlungstrainings am meisten bestaunt und
vor allem beargwöhnt.
Ein geübter Verhandler hält diesen scheinbar neutralen Status, bis der gegnerische Anwalt beginnt,
rechtlich zu argumentieren. Ein geübter Anwalt
vermeidet solche Rechtsdebatten so lange wie
möglich. Er kann sogar nach einer Rechtsdebatte
wieder zurückkehren in den Moderatorenstatus.
A: Haben Sie auch Tipps für den richtigen Einstieg in eine Verhandlung?
B: Ungeübte Anwälte steigen bei außergerichtlichen Verhandlungen positionell in die Sache ein.
Das heißt, sie ersparen sich das Warm-up, den
Small Talk, das Erkunden von Interessen und das
Ausloten von Stimmungen. Sie halten gleich drauf
und sagen, was sie schon im Schriftsatz schrieben.
(„Sie wissen ja, weshalb wir hier sind: Wir wollen
10.000 Euro, und sonst gehen wir gleich wieder
nach Hause.“)
Eine solche Ansage ist bei einem außergerichtlichen Treffen immer gelogen und nicht mehr Wert
als jedes andere taktische Geplänkel. Die Gegner
kämen niemals an den außergerichtlichen Tisch,
wenn nicht ein höheres Interesse („Geschäftsbeziehung“, „Kindeswohl“) sie dazu bewegen würde,
bzw. wenn sie sich vor Gericht mit ihrer Forderung
locker durchsetzen könnten.
A: Vorhin erwähnten Sie Interessen und Positionen. Was ist darunter genau zu verstehen und
worin liegt der Unterschied?
B: Positionen werden in Verhandlungen schnell
wörtlich oder schriftlich offenbart; nach Interessen dagegen, lohnt es sich zu fahnden. Der Kläger
einer Summe von 10.000 Euro hat die Position:
„Ich möchte 10.000 Euro.“ Wenn die Verhandler
auf der Ebene dieser Position bleiben, können sie
nur feilschen, und die Kontrahenten gehen beide
unzufrieden vom Platz.
Der Kläger hat auch ein bestimmtes Interesse, das
er durch (genau) diese Summe verfolgt. Dieses Interesse gilt es zu erfragen, denn Interessen können
auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden, da
ihr „Dach größer“ ist.
Ein Beispiel: „Wenn ich die 10.000 Euro bekäme,
könnte ich endlich X tun.“ Sobald also der „Sinn“ der
positionellen Forderung ausgesprochen ist, können
Sie auf unterschiedlichen Wegen zu diesem ursprünglichen „Sinn X“ gelangen. Der Gegner will ja
gerade NICHT 10.000 Euro geben und wird sich also
an der Fahndung, wie X auf anderen Wegen zu
AdVoice 04 /14
33
Magazin
erreichen ist, beteiligen. Vielleicht zahlt er 7.000 Euro
und kümmert sich um eine bislang versteckte EUNorm, durch die Zuschüsse für X möglich werden.
Anders gesagt: Im Nachbarschaftsstreit will der
Kläger eben nie wirklich die zu hohen Bäume „umhauen“, sondern einfach nur in seiner Küche Licht
haben. Eine dort installierte Lichtanlage mit Bewegungsmelder wird sein Interesse befriedigen – und
die Bäume bleiben stehen. Alle gehen in einer interessengeleiteten Verhandlung als Gewinner vom
Platz; keiner wird „Sieger“, keiner wird „Verlierer“.
A: Anwälte müssen ja nicht nur in Kanzleiräumen verhandeln, sondern auch vor Gericht. Was
ist der anwaltliche Hauptfehler vor Gericht?
B: Anwälte brüskieren versehentlich oder absichtlich den Richter. Das tun sie mangels differenzierter Methoden, also aus Not. Diese Art von „Poltern“ kommt so gut wie immer wie eine sachlich
nicht gestützte Kampfeslust oder wie das Verdecken einer rechtlichen Schwäche an. Von wenigen
bewussten Marketingentscheidungen einiger rituell aufmüpfigen Einzelkämpfer abgesehen, wirkt
gewohnheitsmäßige Konfliktförderung vor Gericht
desaströs auf das eigene Ergebnis. Wer hat schon
Lust, einem Derwisch zuzuhören? Bereits 1969
weist das Harvard-Vehandlungskonzept darauf
hin, dass sich nur durchsetzt, wer zu den Menschen
weich und in der Sache hart ist – und nicht etwa
umgekehrt!
A: ... und was ist der Hauptfehler in Verhandlungen mit dem eigenen Mandanten?
B: Anwälte betrachten das, was sie tun und vor allem
das, was sie unterlassen, nicht aus Mandantensicht.
Sie klingen daher versehentlich häufig selbstverliebt,
sind oft vollkommen unverständlich für Laien und
bemerken beides nicht. Sie tun sozusagen so, als seien
sie – zusammen mit der Akte – in einem Vakuum.
Mandantenerstgespräche eines untrainierten Anwalts sind bisweilen ergebnisferne Zeitfresser, haben
selten Struktur, dauern viel zu lange und klären den
Mandanten nicht schlüssig über die „fünf W“ auf:
„Wer? Macht was? Bis wann? In welcher Art und
Weise? Und: Wie wird bezahlt?“
Wenn der Mandant die Antworten auf diese fünf
Fragen locker und fehlerfrei einem anderen Laien wei­tergeben kann, wird der Mandant die übliche hektische Telefonitis unterlassen. Der Satz „Ist in meiner
Sache schon was geschehen?“ wird Geschichte sein.
Besonders bei der Honorarinformation vergeben Anwälte Chancen durch Schachtelsätze, unklare Ansagen ohne Zahlen oder Margen, durch das Wort „müssen“, durch eine desaströse Einwandbehandlung,
durch Einknicken, fehlende, zu späte, unwirsche Informationen und – erneut – durch unerklärte Wörter.
Wir danken Ihnen für Ihre Informationen.
Das Gespräch führte
RA Tobias Sommer, Berlin
A: Was folgt daraus konkret vor Gericht?
B: Vor Gericht bedeutet das: Die Chefrolle im Gericht bleibt beim Richter – und: Je schwächer der
Richter dabei ist, desto wichtiger ist sie ihm.
Schwache Richter poltern genauso ungeschickt
wie schwache Anwälte. Schwache Richter rächen
sich für Nichtbeachtung!. Schwache Richter sind
eher unberechenbar! Durchbrechen Sie das!
Leiten Sie in Ihren Teil der Zeugenvernehmung ein
durch: „Herr Bergmann (Zeugen mit Nachnamen
anreden), die Frau Vorsitzende (Richter bitte mit
Position anreden) hat ja soeben schon einige Fragen zum Vertragsschluss vom 23.10. gestellt. Ich
habe Ihre Antworten alle verstanden. Ich habe mir
noch einige zusätzliche Fragen notiert, die ich
Ihnen nun gern stellen würde.“
TIPP
Kommunikation statt Konfrontation®
Techniken und Strategien
außergerichtlicher Verhandlung
27. und 28.11.2015 in Köln.
710 / 610 Euro + 2 x 22 Euro Lunch
maximal 14 Anwählte
Hinweise: http://busmann-training.de/
verhandlung-anwaltstraining/
JOHANNA BUSMANN
Die Vorteile einer solchen Einleitung liegen auf der
Hand. Der Richter wird bestärkt in seiner Fragestellung, Zeugen wiederum werden bestärkt in
ihrer Verständlichkeit und Wichtigkeit, der Richter
wird durch das Wort „zusätzliche“ gehindert, ständig zu unterbrechen. Ein solcher Einstieg dient
auch der Imagepflege, den es transportiert die
Aussage: „Ich bin super vorbereitet“.
34
AdVoice 04 /14
Johanna Bussmann ist etablierte Anwalts­
trainerin. Seit mehr als 24 Jahren gibt sie an­
waltsbezogene Seminare zu Akquise, Mit­ar­
beiterführung, Verhandlungen usw. Zudem
bietet sie individuelles Anwaltscoaching an.
14
TYPISCHE
VERHANDLUNGSFEHLER
Vorbereitung: Anwälte bereiten ihren Mandanten nicht konkret genug vor. Sie beziehen
ihn nicht ein in ihre Taktik.
Begrüßung: Anwälte preschen vor, begrüßen
in falscher Reihenfolge und stellen sich selbst
nicht vor.
Einstieg: Anwälte steigen ohne Small Talk
und Warm-up in die Sache ein. Sie klingen
dann bedrohlich und sorgen dadurch für
Streit.
Sprache: Anwälte reden zu viel und fragen
zu wenig. Sie haben (bzw. beweisen) kein Ge­spür für den Gegner.
Non-Sprachen: Anwälte nutzen die Körpersprachen ihrer Gegner nicht; sie müssten Teil
davon ins eigene Repertoire über­nehmen.
Position vs. Interesse: Anwälte verhandeln
positionell. Sie fragen: WAS? und: WIEVIEL?
und eben nicht: WOZU?
Einwände: Anwälte fürchten Einwände und
reagieren aggressiv, unterwürfig, sarkastisch
oder gar nicht, statt Einwände zu nutzen.
Vor Gericht: Anwälte verärgern den Richter
und ernten dadurch Schwierigkeiten.
Honorar-Information: Anwälte sind unwirsch, unklar und unsicher bei dem Thema.
Sie scheuen glasklare Zahlen, Fakten und Re­geln. Meist aus unbegründeter Furcht, Man­
danten zu verlieren.
Mandantengespräch: Anwälte haben im
Erstgespräch keine Struktur, brauchen viel
zu lange und reden unverständlich.
Mitarbeiterführung: Anwälte fürchten Hierarchien, gründen daher „Ausschüsse“, entscheiden nichts und nennen das „flache
Hierarchien“. Auch die Assistentin erhält
keine klaren Anweisungen.
Assistentin: Die Assistentin ist nicht in das
Akquiseteam integriert, dabei ist sie deren
Zentrum. Assistentinnen werden nicht geführt.
Vortrag: Anwälte sprechen nur VOR, nicht
FÜR Publikum. Keine Bilder, Beispiele, zu
lange Sätze, nix Konkretes. Zu wenig Dialog
im Monolog. Grauenhafte Visualisierungen.
Akquise-Gespräche: Leistungspräsentation
zu ruppig, zu schüchtern, zu ungenau.
Small Talk: Zu wenig, zu ungeschickt.
Tödlich: Anwaltsgruppen ohne einen Gast
oder Gästegruppen ohne einen Anwalt bei
Inhouse-Events.
Magazin
Epigramme – Franz Grillparzer,
15. Januar 1791 in Wien
*† 21.
Januar 1872 ebenda
Als strenger Richter tilgst du aus,
Was schlecht und hinderlich,
So wiederhole denn den Streich
Und tilg das Schlechtste – dich.
Epigramme (erweiterte Ausgabe) von Franz Grillparzer
GEDICHT DES MONATS
Als strenger
Richter tilgst
du aus
AdVoice 04 /14
35
Magazin
Streit um Einigungsgebühr
Aus der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
Hunderte Verfahren landen jährlich auf dem
Tisch der Schlichter bei der von der BRAK eingerichteten Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Nicht nur Mandanten können hier
bei Unstimmigkeiten aus dem Mandatsverhältnis einen Schlichtungsantrag stellen, auch Anwälte können sich an die Institution wenden.
Manche Fälle sind lehrreich und zeigen typische
Probleme und Fallen bei der Mandatsbearbeitung und der Abrechnung. In Ausgabe 2/2014
haben wir die Schlichtungsstelle ausführlich
vorgestellt. Seitdem berichten wir regelmäßig
aus der Arbeit der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.
Der nachfolgend abgedruckte anonymisierte Schlichtungsvorschlag wurde zur Beilegung eines Streites
über die Abrechnung der Einigungsgebühr in einer
familienrechtlichen Angelegenheit unterbreitet.
Der Schlichtungsvorschlag konnte aufgrund der
Aktenlage ohne Anhörung des Rechtsanwalts erstellt werden, da die Schlichtungsstelle die Richtigkeit der Abrechnung durch den Antragsgegner
bestätigen konnte und der Schlichtungsvorschlag
somit vollumfänglich zugunsten des Rechtsanwalts ausfiel. Beide haben den Schlichtungsvorschlag angenommen. Das Verfahren ist beendet,
der Mandant hat hoffentlich gezahlt.
SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
1. Der Antragsteller zahlt auf die Rechnung des
Antragsgegners vom 20.1.2014 einen Betrag in
Höhe von 669,38 Euro an den Antragsgegner.
2. Damit sind alle Ansprüche abgegolten und die
Angelegenheit „Mustermann ./. Mustermann,
nachehelicher Unterhalt“ erledigt.
GRÜNDE
Der Antragsteller beauftragte den Antragsgegner
mit der Vertretung in seiner Familiensache betreffend nacheheliche Unterhaltsansprüche. Der Antragsgegner hat den Antragsteller beraten, unter
anderem auch durch Besprechung der Entwürfe
der notariellen Urkunde sowie über inhaltliche Besonderheiten des schließlich am 9.5.2014 zu Urkundenrolle Nr. …/2014 des Notars geschlossenen
notariellen Unterhaltsverzichts.
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Für seine Tätigkeit verlangte der Antragsgegner
mit Kostenrechnung vom 20.1.2014 auf Grundlage
des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes eine Einigungsgebühr. Diese erklärte er für den Zeitpunkt
des tatsächlichen Abschlusses des notariellen Vertrages für fällig, welcher zum Datum der Rechnungsstellung noch nicht bekannt war. Die bereits
vorher in Rechnung gestellte Geschäftsgebühr
wurde vom Antragsteller beglichen.
Die vom Antragsgegner in Rechnung gestellte
Einigungsgebühr steht diesem zu.
Nach Nr. 1000 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr durch die Mitwirkung beim Abschluss eines
Vertrages, wenn der Streit oder die Ungewissheit
über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.
Vorliegend bestand zwischen dem Antragsteller
und seiner geschiedenen Ehefrau Streit bezüglich
der Scheidungsfolge nachehelicher Unterhalt. In
der notariellen Unterhaltsvereinbarung wurden
ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht sowie eine
Abfindungszahlung vereinbart. Dadurch wurde der
Streit zwischen dem Antragsteller und seiner geschiedenen Ehefrau abschließend geregelt und
damit beseitigt.
Als Besonderheit im Familienrecht entsteht nach
Nr. 1000 Abs. 5 VV RVG in Ehesachen und in Lebens­
­partnerschaftssachen (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 und 2
FamFG) keine Einigungsgebühr. Diese Regelung
gilt allerdings nicht für Folgesachen. Vielmehr
entsteht nach dem Verfahrenswert der Folgesachen eine Einigungsgebühr.
Die vorliegende notarielle Vereinbarung betrifft die
Scheidungsfolgensache nachehelicher Unterhalt,
sodass hierfür eine Einigungsgebühr anfällt.
GUT ZU WISSEN
1. In Ehesachen und Lebenspartnerschaftssachen, also bei Scheidung der Ehe und bei
Aufhebung der Lebenspartnerschaft, kann
eine Einigungsgebühr nicht abgerechnet
werden (Nr. 1000 Abs. 5 VV RVG).
2. In den familienrechtlichen Folgesachen
(z. B. Unterhalt, Kindschafts-, Wohnungs-,
Haushalts- und Güterrechtssachen) kann
hin­gegen eine Einigungsgebühr anfallen,
wenn der Rechtsanwalt beim Abschluss
eines Vertrages mitgewirkt hat, der den
Streit oder die Ungewissheit beseitigt.
3. Eine Einigungsgebühr für die Folgesachen
kann auch entstehen, wenn die Scheidung
und die Folgesachen im Verbund anhängig
sind. Der Gegenstandswert für die Einigungsgebühr bemisst sich auch dann nur
nach dem Wert der Folge­sachen; der Wert
der Ehesache bleibt bei der Berechnung der
Einigungsgebühr hingegen außer Betracht.
4. In Ehesachen kann eine Aussöhnungsgebühr nach Nr. 1001 VV RVG entstehen, wenn
die Ehepartner von der Scheidungsabsicht
Abstand nehmen, also die Ehe fortsetzen,
und der Rechtsanwalt an der Aussöhnung
mitgewirkt hat.
Die Kostenrechnung des Antragsgegners vom
20.1.2014 nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist daher nicht zu beanstanden.
Mein Schlichtungsvorschlag dient der endgültigen
Erledigung aller möglichen Streitpunkte.
Dr. h.c. Renate Jaeger, Schlichterin,
RAin Dr. Sylvia Ruge, Geschäftsführerin,
Schlichtungsstelle der
Rechtsanwaltschaft, Berlin
Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft ist eine unabhängige & neutrale Einrichtung zur Schlichtung vermögensrechtlicher Streitigkeiten zwischen Mandant und
Rechtsanwalt. > www.schlichtungsstelleder-rechtsanwaltschaft.de
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Achtung, Unternehmerfallen!
Wenn die Mandantschaft Marketinggaunern auf den Leim geht
Wer auch kleinere Unternehmen zur Mandantschaft zählen kann, hat sicher zumindest eine
von ihnen schon kennengelernt. Mit geschickten
Strategien entlocken die auf Firmenwerbung
spezialisierten Unternehmen dem vielbeschäftigten Kunden die entscheidende Unterschrift.
Meist mit fatalen Folgen, denn ehe er sich versieht, hat der Mandant in seiner Eigenschaft als
Unternehmer einen teuren Knebelvertrag geschlossen. Sogar für die anschließende anwaltliche Vertretung sind die findigen Anbieter bestens gewappnet. Die Vertretung gestaltet sich
um einiges einfacher, wenn man sich einen kurzen Überblick über Strategie und Rechtsprechung verschafft hat. In einer dreiteiligen Reihe
stellen wir klassische „Unternehmerfallen“ vor.
TEIL 1 EUROWEB
Die Düsseldorfer Euroweb Internet GmbH konzipiert
und gestaltet Webauftritte im Rahmen sogenannter
Internet-System-Verträge. Nach eigenen Angaben
richtet sich das Angebot an mittelständische Unternehmen. Doch sind oft auch Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. 2001 gegründet, hat der Internet-Dienstleister mittlerweile mehrere hundert
Mitarbeiter und erstaunlicherweise schon einige
Auszeichnungen erhalten.
Strategie
Euroweb beschäftigt speziell geschulte Vertriebsmitarbeiter, die auf Provisionsbasis tätig sind. Diese
kontaktieren den ausgewählten Unternehmer zunächst vorab telefonisch und versuchen, ihn zu
einem Gesprächstermin im Geschäft zu überreden.
Häufig wird bereits im Telefonat die „Referenzkundenmasche“ eingefädelt. Dem Unternehmer wird
vorgespiegelt, er sei als Einziger in der Branche ausgewählt worden. Dann im persönlichen Gespräch
wertet der Vertriebsmitarbeiter die bisherigen Mar-
ketingaktionen deutlich ab und erklärt die Vorzüge
einer Euroweb-Homepage. Zunächst wird suggeriert, das Angebot sei für sogenannte „Partner“
komplett kostenlos. Es sei lediglich erforderlich, den
Kontakt zu zehn weiteren Neukunden zu vermitteln.
Am Ende des Gesprächs zückt der Vertriebsmitarbeiter meist das Vertragsformular und füllt es nach
den Angaben des Unternehmers aus. Zu diesem
Zeitpunkt kommt dann eine einmalige Anschlussgebühr zur Sprache. Das Formular ist unübersichtlich ausgestaltet. Die entscheidenden Passagen sind
klein gedruckt. Mit der Unterschrift stimmt der neue
„Partner“ sodann gleich dem Lastschriftverfahren
zu. Tatsächlich hat er zudem einer vierjährigen
Laufzeit zu einer monatlichen Gebühr von knapp
200 Euro zuzüglich der einmaligen Anschlussgebühr zugestimmt. Das mündlich zunächst zugesicherte Rücktrittsrecht ist in den AGB nicht verankert. Die Strategie ist klar darauf aufgebaut, dass es
für das Anbahnungsgespräch keine Zeugen gibt.
Meist wird sich die Mandantschaft nach dem Verkaufsgespräch im Internet informieren und feststellen, dass sie einen nachteiligen Knebelvertrag unterzeichnet hat. Möchte sie sodann von ihrem vermeintlichen Rücktrittsrecht Gebrauch machen, wird von
Euroweb ein solches entschieden zurückgewiesen.
Auch gegen den Vorwurf einer arglistigen Täuschung
wird man sich wehren. Auf die hilfsweise Kündigung
des als Werkvertrages zu klassifizierenden Vertrages
reagiert Euroweb regelmäßig mit einer horrenden
Rechnung, in der die Gebühren für die gesamte Vertragslaufzeit in Rechnung gestellt werden. Im beigefügten Anschreiben wird damit argumentiert, dass es
durch die Kündigung des Werkvertrages keine Einsparungen gegeben hätte, die anzurechnen seien.
Rechtsprechung
Der BGH klassifiziert den Internet-Systemvertrag als
Werkvertrag BGH II ZR 79/09.
Der BGH stellt klar, dass auch ein Internet-Systemvertrag als Werkvertrag uneingeschränkt der Regelung des § 649 BGB unterfällt (BGH, Urteil vom
24.3.2011, Az.: VII ZR 111/10, vgl. auch BGH VII ZR
133/10; BGH VII ZR 134/10; BGH VII ZR 135/10;
BGH VII ZR 146/10; BGH VII ZR 164/10). Zahlreiche Revisionen wurden von der Euroweb-Internet
GmbH zurückgenommen. Zur arglistigen Täuschung gibt daher bisher keine höchstrichterliche
Stellungnahme.
Das Landgericht Düsseldorf versagt Euroweb mit
einer einstweiligen Verfügung die Referenzkundenmasche (LG Düsseldorf, Beschluss vom, Az. 34
O 67/14).
Dem Landgericht Kiel reichte zum Nachweis der
arglistigen Täuschung die glaubhafte Darstellung
eines betroffenen Imbissbetreibers. Die Klage der
Euroweb-Internet GmbH wurde vollumfänglich
abgewiesen (LG Kiel, Urteil vom 13.12.2011, Az: 2
O 135/11).
Zahlreiche Klagen (auch der Euroweb-Tochter
Webstyle GmbH) wurden zu 95 Prozent abgewiesen, da die umfangreichen Schlussrechnungen als
unschlüssig angesehen wurden (z.B. LG Berlin, Urteil vom 22.4.2014, Az.: 27 O 843/12; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 16.4.2013, Az.: I-5 U
164/12).
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
Dem anwaltlich vertretenen Mandanten wird dann
im weiteren Verlauf regelmäßig angeboten, sich
außergerichtlich vergleichsweise zu einigen.
Weitere Berichte über Unternehmerfallen
findet Ihr in den kommenden Ausgaben:
Teil 2 B2B; Teil 3 GWE – Gewerbeauskunftzentrale.
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Unser Gericht des Monats
Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Der Weg zum BGH ist in der Regel ein weiter. Die
allermeisten, besonders im Zivilrecht tätigen
Rechtsanwälte werden diesen nie gehen, weil die
Rechtsstreitigkeiten vorher ihr Ende gefunden
haben. Wer dennoch einmal mit einem übertragenen Mandant dort war, darf auch ein bisschen stolz
sein, an der Fortbildung des Rechts mitgewirkt zu
haben. Stolz kann vor allen Dingen die aus
Wuppertal stammende Juristin Bettina Limberg
sein. Sie ist seit dem 1. Juli dieses Jahres Präsi-
Foto: Joe Miletzki
dentin des Bundesgerichtshofs. Sie ist damit die
erste Frau an der Spitze des obersten Gerichtshofs
in Zivil- und Strafsachen – Grund genug, den BGH
zum Gericht des Monats zu küren.
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380.000 Seiten im Ausdruck
Gericht entschied: Die E-Akte reicht aus
E-Medien halten unaufhaltsam ihren Einzug
vor Gericht. Kein Wunder also, das sich die Instanzen damit beschäftigen, was eine E-Akte
leisten muss. Zwei aktuelle Fälle.
E-AKTE, DIE ERSTE
In einer Angelegenheit wegen Widereinsetzung in
den vorigen Stand wegen Fristversäumnis hat der
BGH mit Urteil vom 9.7.2014 zu Az. XII ZB 709/13
entschieden, dass, wenn die Handakte eines
Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, sie
ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten Papierakte entsprechen muss. Sie muss insbesondere
zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung
ebenso wie die Papierakte Auskunft geben können
und darf keine geringere Überprüfungssicherheit
bieten als ihr analoges Pendant. In dem Urteil
führt der BGH weiter aus, dass die Sorgfaltspflicht
in Fristsachen von einem Rechtsanwalt verlangt,
alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von
Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er
die Berechnung und Notierung von Fristen einer
gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und
sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch
geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten
und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung
einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen
im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte
notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige
Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind.
Im Ergebnis hat sich der Anwalt zur Fristenkontrolle die Akte entweder in Papierform vorzulegen
oder die digitale Akte am Bildschirm einzusehen.
Der Anwalt hatte gefordert, 380.000 Seiten ausdrucken zu lassen, was Kosten in Höhe von bis zu
67.000 Euro pro Pflichtverteidiger verursacht hätte.
Das Gericht sah es als zumutbar, sich zunächst mit
der E-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten. Auf
dieser Grundlage könne dann entschieden werden,
welche Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung in Papierform benötigt werden.
RAin Nadine Passenheim, Hannover
E-AKTE, DIE ZWEITE.
GUT ZU WISSEN
Kein Anspruch auf Ausdruck einer E-Akte
Werbung einer Kanzlei mit Ortsnamen ist
wettbewerbswidrig, wenn diese dort nicht
ortsansässig sind.
Mit Beschluss vom 22.9.2014 (III-WS 236/14) hat
das OLG Düsseldorf entschieden, dass ein Verteidiger in einem Strafverfahren keinen grundsätzlichen
Anspruch auf Ausdruck der E-Akte hat, wenn ihm
die Akte in digitalisierter Form zur Verfügung steht.
Dem Fall, den das LG Hamburg zu entscheiden
hatte, lag diese Werbung auf der Home­page
der betreffenden Anwaltskanzlei zu Grunde:
„HAMBURG, BERLIN, MÜNCHEN, KARLSRUHE, LEIPZIG … RECHTSANWÄLTE VERTRETEN IHREN FALL … Rechtsanwälte vertreten Mandanten, egal mit welchem Wohn­
sitz bundesweit. Wir setzen uns für Ihre
Rechte ein und klagen an jedem Land- oder
Oberlandesgericht, ganz egal, ob Sie in Köln,
München, Hamburg, Berlin, Chemnitz, Flens­
burg oder im Ausland wohnen.“
Das Problem war, dass die Rechtsanwälte in
den genannten Städten keine Niederlassung
unterhielten und auch sonst nicht physisch
vertreten waren. Das LG Hamburg stellte fest,
dass die Werbung in Verbindung mit den
Ortsnamen irreführend sei. Der angesprochene Verkehrskreis, hier der rechtsuchende
Verbraucher, habe ein Interesse an einer persönlichen Betreuung und leichten Erreichbarkeit ihres Rechtsanwalts. Diesem Interesse ist
nicht allein dadurch Genüge getan, dass die
betroffenen Rechtsanwälte vor den entsprechenden Landgerichten auftreten können.
LG Hamburg, Urt. v. 07.8.2014 – 327 O 118/14
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Foto: Andrea Vollmer
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Mann in Zelle verbrannt
BGH bestätigt Urteil gegen verantwortlichen Polizei-Dienstgruppenleiter
Der Fall war spektakulär und erregte bundesweit
Aufsehen. Oury Jalloh, ein damals 36 Jahre alter
abgelehnter Asylbewerber aus Sierra Leone, war am
7. Januar 2005 in einer Zelle des Polizeireviers
Dessau verbrannt. Obwohl er nach Polizeiangaben
an Händen und Füßen gefesselt war, war es ihm
gelungen, ein Loch in die Matratze zu bohren und
den Füllstoff in Brand zu setzten. Im Zuge der Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage
gegen den Dienstgruppenleiter des Polizeireviers
und einen weiteren Beamten. Ein anfänglicher
Freispruch des Landgerichts Dessau-­Roßlau für die
beiden Angeklagten wurde vom BGH im Falle des
Dienstgruppenleiters des Polizeireviers vom BGH
aufgehoben. Der Freispruch für den zwei­ten Beamten hatte inzwischen Rechtskraft erlangt. Das
Landgericht Magdeburg verurteilte 2012 den Leiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe
von 120 Tages­sätzen in Höhe von 90 Euro.
Der BGH bestätigte jetzt die Verurteilung, des als
Dienstgruppenleiter tätigen Polizeihauptkommissars wegen fahrlässiger Tötung, nicht aber wegen
der ebenfalls angeklagten Freiheitsberaubung mit
Todesfolge, nachdem im Gewahrsam des Polizeireviers ein Inhaftierter verbrannt war. Der Inhaftierte
war nicht unerheblich alkoholisiert und stand unter
Drogeneinfluss. Er war im Polizeigewahrsam zuvor
auf Empfehlung des zuständigen Arztes fixiert worden und hatte im weiteren Verlauf die Matratze, auf
der er fixiert worden war, in Brand gesetzt. Laut
Obduktionsergebnis erlitt er alsdann einen inhalativen Hitzeschock, der sofort zum Tod führte.
Der Angeklagte, der die Inhaftierung nicht selbst
vorgenommen hatte, dem allerdings das sowohl
aggressive als auch erheblich selbstschädigende
Verhalten des Inhaftierten bekannt war, hätte eine
durchgehende optische Überwachung der Zelle veranlassen müssen. Eine lediglich im 30-minütigen
Abstand durchgeführte Kontrolle genügt bei einer
derartigen Sachlage nicht, um den Gewahrsamsvollzug pflichtgemäß und damit so auszugestalten,
dass die Gefahr gesundheitlicher Schäden für den
Inhaftierten vermieden wird. Aufgrund dieser
Pflichtverletzung bestätigt der BGH den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung.
Den Vorwurf der Freiheitsberaubung mit Todesfolge
verneint der BGH. Zwar trug der Angeklagte in seiner Funktion als Dienstgruppenleiter die Verantwortung dafür, dass die Freiheitsentziehung des
Inhaftierten unrechtmäßig fortdauerte, indem er es
unterließ, unverzüglich eine Entscheidung des zu-
Foto: Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
FALL ERREGTE AUFSEHEN
Im Januar 2005 verbrannte im Polizeigewahrsam Dessau der aus Sierra-Leone stammende
36-jährige Asylbewerber Oury Jalloh. Der Fall
sorgte bundesweit für Aufsehen und (rechts-)
politische Diskussionen.
Jalloh war festgenommen worden, nachdem er
u. a. mehrere weibliche Personen massiv belästigt haben soll. Bei seiner Festnahme verhielt er
sich den damaligen Angaben der Polizei zufolge äußerst renitent und musste von mehreren Polizeibeamten davon abgehalten werden,
sich erhebliche Selbstverletzungen zuzufügen.
Eine spätere Untersuchung ergab eine Alkoholkonzentration von 2,98 Promille sowie Kokain-Metaboliten in seinem Blut. Auf Anraten des
zuständigen Arztes wurde er – zwecks Eigensicherung – auf dem Rücken liegend mit vier
Hand- bzw. Fußfesseln, in der Wand eingelassenen Metallbügeln fixiert. Dennoch gelang
es ihm mit einem Feuerzeug, die Matratze der
Pritsche in Brand zu setzen. Jalloh starb in
den Flammen.
Der 44-jährige angeklagte Polizeibeamte war
zu diesem Zeitpunkt als Dienstgruppenleiter
tätig. Er räumte ein, die einschlägigen Regelungen der Polizeigewahrsamsordnung gekannt zu haben, jedoch sei wegen Personalmangels eine Überwachung im Zellentrakt
nicht möglich gewesen. Zugleich gab er an,
irrtümlich davon ausgegangen zu sein, dass
die Ingewahrsamnahme ohne richterliche Anordnung bis zu zwölf Stunden andauern
dürfe. Bezüglich dieses Irrtums habe er auch
keine Aufklärung in einem früheren gegen ihn
gerichteten Ermittlungsverfahren erfahren,
als im Oktober 2002 während seiner Dienstschicht eine in die Ausnüchterungszelle verbrachte Person 16 Stunden später an den
Folgen eines Schädelbruchs verstorben war.
Oury Jalloh verbrannte in einer Polizeizelle in Dessau.
ständigen Richters über die Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen, jedoch verneint der
BGH letztlich unter äußerst präziser Differenzierung die Kausalität des Unterlassens des Angeklagten für eine rechtswidrige Freiheitsberaubung.
Bei erfolgsqualifizierten Delikten, wie der Freiheitsberaubung mit Todesfolge durch ein Unterlassen der rechtmäßigen Handlung ist im Rahmen
der hypothetischen Kausalitätsprüfung nur auf
den Erfolg des Grunddelikts und, damit vorliegend,
die Freiheitsentziehung und nicht die Todesfolge
abzustellen. Der BGH geht dabei davon aus, dass
der zuständige Richter den (Schutz-)Gewahrsam
des Inhaftierten angeordnet hätte und dadurch
die Kausalität des Angeklagten bereits bezüglich
des Grunddelikts, der rechtswidrigen Freiheitsentziehung, entfällt. (Urteil vom 4.9.2014, BGH StR
473/13)
RAin Dr. Britta Hansen, Kiel
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JuraInfos
Nach dem Amtsgericht ist noch lange nicht Schluss
Rechtsmittel als taktisches Instrumentarium der Verteidigung
Auf die richtige Taktik kommt es an: Ein guter Anwalt denkt wie beim Schachspiel immer mehrere Züge voraus.
Am Anfang der Überlegung, ob ein Rechtsmittel
eingelegt werden soll, steht immer das erstin­
stanzliche Urteil. Anders als im Zivilrecht, hat
man im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
nur eine Woche nach Verkündung des Urteils,
um ein Rechtsmittel einzulegen. Diese einwöchige Frist besteht selbstverständlich auch dann,
wenn eine Entscheidung im sogenannten Abwesenheitsverfahren ergeht. Lediglich der Beginn
der Wochenfrist verschiebt sich auf den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils. Unbedingt zu
beachten ist bei der Einlegung des Rechtsmittels
das Gericht, an das der Schriftsatz zu richten ist.
Im Gegensatz zum Zivilprozess ist im Strafprozess immer das Ausgangsgericht maßgeblich.
Hat man also ein Urteil des Amtsgerichts erwirkt, muss das Rechtsmittel auch gegenüber
diesem Amtsgericht eingelegt werden. Um sicherzugehen, dass der Schriftsatz bei Gericht
eingegangen ist, sollte dieser unbedingt vorab
per Fax gesendet werden.
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RECHTSMITTEL GEGEN AG-URTEIL
Foto: Sparkie_pixelio.de
Neben der Einlegungsfrist, die zwingend zu beachten ist, gilt es weiterhin zu klären, welches Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt
werden soll. Gegen ein Urteil des Amtsgerichts
besteht die Möglichkeit, Berufung oder aber
Sprungrevision einzulegen. Im OWi-Verfahren gibt
es nur die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde am
Oberlandesgericht. Bei den sogenannten Bagatell­
ordnungswidrigkeiten muss sogar zunächst ein
Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt werden.
koll hält er noch nicht in Händen. Das Dilemma der
Wahl des richtigen Rechtsmittels kann er dadurch
umgehen, dass es ihm die Strafprozessordnung
erlaubt, zunächst ein sogenanntes unbestimmtes
Rechtsmittel einzulegen. Er muss das Rechtsmittel
also noch nicht als Berufung oder Revision bezeichnen. Vielmehr reicht es aus, wenn er schreibt,
dass gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt wird.
Ist dann das Urteil zugestellt worden und liegt
zudem das Sitzungsprotokoll vor, kann nunmehr
nach entsprechender Prüfung entschieden werden, ob das Rechtsmittel als Berufung oder aber
als Revision bezeichnet werden soll.
Widmen wir uns aber hier den Angriffsmöglichkeiten gegen ein amtsgerichtliches Urteil im Strafprozess. Kein Verteidiger kann mit abschließender
Sicherheit zu diesem frühen Zeitpunkt vorhersagen, welches der beiden oben genannten Rechtsmittel das Richtige ist. Immerhin liegt ihm aktuell
noch kein Urteil vor und auch das Sitzungsproto-
Das Rechtsmittel muss allerdings zwingend innerhalb der einmonatigen Revisionsbegründungsfrist
als Berufung oder Revision bezeichnet werden.
Erfolgt innerhalb dieser Frist keine konkrete Bezeichnung, wird das Rechtsmittel immer als Berufung behandelt. Sollte sich nach entsprechender
Prüfung des Urteils und des Sitzungsprotokolls
JuraInfos
c
eine Revision möglicherweise als erfolgversprechend herausstellen, muss das zunächst unbestimmte Rechtsmittel unbedingt als Revision bezeichnet werden. Keinesfalls darf darüber hinaus
vergessen werden, einen entsprechenden Antrag
zu stellen, der für das Rechtsmittel der Revision
unumgänglich ist. Dieser Antrag kann jedoch recht
schlicht und einfach gehalten werden. Es reicht
völlig aus zu beantragen, das Urteil des Amtsgerichts … vom … aufzuheben. Im Rahmen eines
Berufungsverfahrens bedarf es wiederum keines
konkreten Antrages.
visionsgrund zu profitieren, weil ihre Revision aus
den genannten Gründen als Berufung behandelt
wird. Die Berufung der Staatsanwaltschaft sperrt
also die Revision der Verteidigung.
mal einen Fehler übersehen, den der Senat jedoch
erkennt. Dann muss das Urteil auch aufgehoben
werden, obwohl die Verteidigung diesen Fehler
nicht explizit gerügt hat.
TAKTIK BEI SPERRBERUFUNG
DIE REVISION:
SACH- UND VERFAHRENSRÜGEN
Da aber nicht nur der Beschuldigte/Betroffene
Rechtsmittel gegen das ihn beschwerende Urteil
einlegen kann, sondern insbesondere auch die
Staatsanwaltschaft, die bei jeder Gerichtsentscheidung beschwert ist, muss der Verteidiger innerhalb
der Rechtsmitteleinlegungsfrist dahingehend Überlegungen anstellen, zu welchem Zeitpunkt er innerhalb der Wochenfrist das Rechtsmittel einlegt und
vor allem, welches Rechtsmittel es sein soll.
Um dieser Problematik entgehen zu können, sollte
der Verteidiger in diesen Fällen, wenn er davon
ausgeht, dass auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen wird, sein eigenes Rechtsmittel
nicht unbestimmt einlegen, sondern vielmehr „tarnen“. Er hat nämlich das Recht, sein Rechtsmittel
zunächst als Berufung zu bezeichnen und innerhalb der Revisionsbegründungsfrist von der Berufung einmal zur Revision zu wechseln. Dies geht
selbstverständlich auch in die andere Richtung.
Bezeichnet der Verteidiger also sein Rechtsmittel
zunächst als Berufung, könnte es durchaus sein,
dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegt. Immerhin hat der Verteidiger bereits Berufung eingelegt. Im Übrigen sollte aus taktischen
Erwägungen heraus mit der Einlegung des Rechtsmittels bis zum letzten Tag der Wochenfrist gewartet werden. Legt der Verteidiger das Rechtsmittel zu früh ein, kann die Staatsanwaltschaft in
aller Ruhe darauf reagieren. Das soll sie aus Verteidigersicht aber gerade nicht können. Deshalb
empfiehlt es sich, am letzten Tag der Einlegungsfrist am späten Nachmittag oder aber am frühen
Abend das Rechtsmittel zu faxen. Um diese Zeit
darf zu Recht davon ausgegangen werden, dass es
bei Gericht und bei der Staatsanwaltschaft keiner
mehr mitbekommt.
Unter Berücksichtigung der oben bereits beschriebenen Problematik taucht hier also ein nächstes,
nicht zu unterschätzendes Problem bei der Wahl
des richtigen Rechtsmittels auf. Dieses Problem
wird vor allem dann deutlich, wenn die Staatsanwaltschaft mit der sogenannten „Sperrberufung“
operiert. Diese generiert ihre Existenz aus der Vorschrift des § 335 III StPO. Danach wird die von
einem Rechtsmittelführer eingelegte Revision als
Berufung behandelt, solange ein anderer Rechtsmittelführer – regelmäßig die Staatsanwaltschaft –
Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Hat also
der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der
Hauptverhandlung einen aus seiner Sicht gegebenen Revisionsgrund ausgemacht, wird er gegen das
Urteil Berufung einlegen, wenn er die Entscheidung
des Amtsgerichts für richtig hält. Die Verteidigung
ist dann daran gehindert, von dem gegebenen Re-
Hat man sich für die Revision entschieden, muss
immer im Hinterkopf behalten werden, dass diese
auch begründet werden sollte. Natürlich reicht für
die Sachrüge, mit der materiellrechtliche Fehler
gerügt werden, der Satz aus, dass die Verletzung
materiellen Rechts gerügt wird. Besser dürfte es
hingegen sein, die Sachrüge damit einzuleiten,
dass mit der allgemein erhobenen Sachrüge das
Urteil insgesamt zur Nachprüfung gestellt wird.
Insbesondere wird Folgendes gerügt – ohne die
Revision hierauf zu beschränken. Sodann erfolgen
konkrete einzelne Ausführungen, die das Urteil aus
Verteidigersicht rechtsfehlerhaft machen. Mit dem
Insbesondere-Zusatz gibt man zu verstehen, dass
nicht nur die konkreten Rügen berücksichtigt werden sollen, sondern das ganze Urteil angegriffen
wird. Der Senat muss also das gesamte Urteil
überprüfen. Immerhin kann die Verteidigung auch
Soll die Beweisaufnahme wiederholt werden, weil
man beispielsweise die Zeugen erneut hören
möchte, legt man selbstverständlich Berufung ein.
Dann wird die Berufungshauptverhandlung vor
der kleinen Strafkammer des zuständigen Landgerichts durchgeführt. Über die Revision entscheidet
hingegen der Senat des zuständigen Oberlandesgerichts.
ANDERE RECHTSMITTELFÜHRER –
EIGENE ÜBERLEGUNGEN
Bei der Begründung der Verfahrensrüge muss der
Verteidiger stets die sehr hohen Anforderungen
des § 344 II 2 StPO im Hinterkopf behalten. Da die
Ausführungen der Verteidigung diesen Anforderungen oftmals leider nicht gerecht werden, muss
der Verteidiger neben der erhobenen Verfahrensrüge ausnahmslos auch immer zumindest die allgemeine Sachrüge erheben. Ansonsten kann es
passieren, dass die Revision als unzulässig verworfen wird, wenn die Anforderungen des § 344 II 2
StPO nicht beachtet worden sind, weil das Urteil
dem Senat ohne die allgemein erhobene Sachrüge
verschlossen geblieben ist.
RA Stefan Busch, Lübeck und
RA Filip Siegert, Aschaffenburg
INSTANZEN
Die Instanz (gleichbedeutend mit Rechtszug) ist ein Verfahrensabschnitt vor einem
bestimmten Gericht aus dem hierarchischen
Aufbau der Gerichtsbarkeit eines bestimmten Gerichtszweigs. Der Begriff stammt vom
lateinischen „instantia“, was übersetzt „abgeschlossene Einheit“ bedeutet. Einen durch
die Verfassung garantierten Anspruch auf
mehrere Instanzen gibt es jedoch nicht. Ein
solcher Anspruch folgt auch nicht aus Art. 19
Abs. 4 GG, der den effektiven Rechtsschutz
garantiert. Nach Ansicht der Verfassungsgerichtsbarkeit setzt dies nämlich nicht mehrere Instanzen voraus.
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Fehler, die Geld kosten
Vortrag auf FORUM-Jahrestagung: Gläubigerrechte im Insolvenzverfahren
Kaum eine Anwältin, kaum ein Anwalt kann
sich den Berührungen mit dem Insolvenzrecht
entziehen. Egal, ob der Mandant Unterhaltsgläubiger, Lieferant oder Vermieter ist, allen
kann die Insolvenz ihres Schuldners drohen. Ein
Vortrag auf der Jahrestagung des FORUM
Junge Anwaltschaft gab Tipps zur Vertretung
von Gläubigern in einem Insolvenzverfahren.
Nach einer Einführung, in der die Referenten – RAin
Dr. Claudia R. Cymutta und RA/FA InsR Thomas Henz
– den Ablauf der einzelnen Verfahrensabschnitte und
die unterschiedlichen Rechte und Pflichten der Beteiligten erläuterten, lag der Schwerpunkt des Vortrags
auf der Forderungsanmeldung. RA Henz berichtete
aus seiner Praxis als Insolvenzverwalter, dass gerade
bei Forderungsanmeldungen von Rechtsanwälten
häufig Fehler gemacht würden, die die Mandanten
Geld kosten. Um diese zu vermeiden, gehört zur Vorbereitung der Forderungsanmeldung, das Eröffnungsdatum und die Anmeldefrist unter www.insolvenzbekanntmachungen.de zu prüfen, ein Forderungskonto zu fertigen (Zinsberechnung nur bis zum
Tag vor Insolvenzeröffnung), eine Vollmacht einzuholen, Kostennachweise zusammenzustellen und
Sicherungsrechte zu prüfen. Bei den Kosten ist zu
berücksichtigen, dass die Rechtsanwaltsgebühr für
die Forderungsanmeldung (Nr. 3320 VV RVG: 0,5 Gebühr) nachrangig ist und daher nicht mit angemeldet
werden darf.
0,5-GEBÜHR FÜR
FORDERUNGSANMELDUNG
Es bietet sich an, für die Forderungsanmeldung das
Formular zu nutzen, das der Insolvenzverwalter an
die Gläubiger verschickt, da so die Gefahr geringer ist,
etwas zu vergessen. Jede Hauptforderung ist gesondert mit Zinsen und Kosten zu erfassen. Falls das
Formular nicht ausreicht, kann es kopiert oder durch
ein Extrablatt ergänzt werden. Der Anmeldung sind
Unterlagen zur Glaubhaftmachung beizufügen, also
insbesondere Verträge, Kündigungen, Mahnungen,
die Zinsberechnung und die Kostennachweise.
Etwaige Titel müssen nur in Kopie eingereicht werden
(BGH, Urt. v. 1.12.2005, IX ZR 95/04). Ist alles fertig,
muss die Forderungsanmeldung unterschrieben und
an den Insolvenzverwalter übersandt werden. Da der
Insolvenzverwalter ein Exemplar der Forderungsanmeldung an das Insolvenzgericht übersenden muss,
wies RA Henz eindringlich darauf hin, dass Formular
und Anlagen in doppelter Ausfertigung einzureichen
Foto: Dieter Schütz_pixelio.de.tif
sind. Eine nachträgliche Anmeldung ist noch bis zum
Schlusstermin möglich; es können jedoch Gerichtskosten in Höhe von 20 Euro anfallen.
NUR „FESTGESTELLT FÜR DEN AUSFALL“
Sodann erläuterte RA Henz die möglichen Prüfungsergebnisse. Während für den Gläubiger bei dem Ergebnis „Festgestellt“ nichts mehr zu tun ist, muss der
Gläubiger bei dem Ergebnis „Festgestellt für den Ausfall“ unbedingt tätig werden, da eine Ausschüttung
nur erfolgt, wenn der Gläubiger nachweist, in welcher Höhe er mit seiner Sicherheit ausgefallen ist.
Hatte z. B. eine Bank eine Forderung in Höhe von
100.000 Euro angemeldet, aber auf ihre Forderung
bei einem Verkauf des mit ihrer Grundschuld besicherten Grundstücks 60.000 Euro erhalten, ist sie in
Höhe von 40.000 Euro ausgefallen. Obwohl die Forderung bereits festgestellt war, erhält die Bank bei
der Schlussverteilung am Ende des Insolvenzverfahrens nur eine Quote (auf 40.000 Euro), wenn sie dem
Insolvenzverwalter ihren Ausfall mitgeteilt hat. Bleibt
in der Insolvenztabelle das Ergebnis „Festgestellt für
den Fall des Ausfalls“, hat der Gläubiger zwar nach
Abschluss des Insolvenzverfahrens einen Vollstreckungstitel, erhält aber keine Quote. Und wenn der
Schuldner eine natürliche Person ist, die das Restschuldbefreiungsverfahren durchläuft, nützt der
Vollstreckungstitel letztlich nichts.
STOLPERSTEIN BEI
UNERLAUBTER HANDLUNG
Beruht die Forderung des Gläubigers auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung, kann der Gläubiger
diesen Deliktsgrund gesondert anmelden. Ideal ist
es, wenn der Deliktscharakter bereits in einem Zivil­
urteil gesondert tenoriert wurde, was der Anwalt
bereits im Ursprungsprozess im Blick behalten
sollte. Der Insolvenzverwalter darf den Deliktscharakter nicht prüfen, aber der Schuldner kann isoliert
gegen die Deliktseigenschaft Widerspruch einlegen.
War der Deliktsgrund zuvor nicht tituliert, muss der
Gläubiger gegen den Schuldner Feststellungsklage
erheben, um den Widerspruch zu beseitigen. Ist die
Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung
(ohne Schuldnerwiderspruch) festgestellt worden,
ist sie von der Restschuldbefreiung ausgenommen
(§ 302 Abs. 1 InsO), so dass der Gläubiger auch nach
der Restschuldbefreiung noch vollstrecken kann.
Dr. Claudia R. Cymutta, Mannheim
Punkten mit der Insolvenz.
Ein weiterer Sonderfall ist das Prüfungsergebnis „Vorläufig bestritten“, das von vielen Insolvenzverwaltern
benutzt wird, obwohl es im Gesetz nicht vorgesehen
ist. Auch eine vorläufig bestrittene Forderung ist bestritten, d. h. eine Quote wird nicht gezahlt. Die Ergänzung „vorläufig“ soll dem Gläubiger signalisieren, dass
die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist und die
Forderung bei Vorlage weiterer Unterlagen grundsätzlich feststellungsfähig ist. Der Gläubiger hat aber
keinen Vertrauensschutz dahingehend, dass tatsächlich noch eine weitere Prüfung erfolgt und muss notfalls Feststellungsklage erheben. Zu beachten ist aber,
dass der Insolvenzverwalter in dem Fall, dass die
Glaubhaftmachung der Forderung durch weitere Unterlagen erstmals in der Feststellungsklage erfolgt,
sofort anerkennen kann, um der Kostenlast zu entgehen. Anwälte sollte bei Erhebung einer Feststellungsklage beachten, dass der Streitwert nicht der Nennwert der angemeldeten Forderung ist, sondern lediglich das Quoteninteresse (§ 182 InsO). Wenn also keine
Quote zu erwarten ist, weil etwa bereits Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde, liegt der Streitwert der
Feststellungsklage im schlimmsten Fall bei Null Euro.
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JuraInfos
Geduld und Verständnis gefragt
Schmerzensgeld / Teil IV: – Abfindungserklärung & gerichtliche Geltendmachung
Ein Unfall ist schon schlimm genug. Ein zügiger Abschluss der Regulierung sollte daher im Fokus der Verhandlungen stehen.
Im Idealfall ist die Heilbehandlung des Opfers
eines Standardverkehrsunfalls nach etwa drei bis
vier Monaten vollständig abgeschlossen. Hier
sollte ein zügiger Abschluss der Regulierung im
Fokus stehen. Doch nicht selten geraten die außergerichtlichen Regulierungsverhandlungen ins
Stocken oder können nicht zufriedenstellend
abgeschlossen werden. Für den Mandanten besonders verunsichernd ist es zudem, wenn eine
Haftung und somit die Eintrittspflicht der gegnerischen Haftpflichtversicherung von vorneherein abgelehnt wird. Hier gilt es die jeweiligen
Interessen des Mandanten auszuloten und mit
den entsprechenden Instrumentarien außergerichtlich und gerichtlich zu vertreten.
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DIE ABFINDUNGSERKLÄRUNG
Grundsätzlich birgt sie viel mehr Möglichkeiten als
der Ruf, der ihr vorauseilt, vermuten lässt. Viele
Mandanten sind sehr skeptisch, wenn die gegnerische Versicherung im Laufe der außergerichtlichen
Korrespondenz ein Abfindungsangebot übersendet. Durchaus eine berechtigte Einstellung, denn
Chancen und Risiken müssen zwingend sorgfältig
abgewogen werden. Schließlich ist mit der Unterzeichnung die Geltendmachung jeglicher weiterer
Ansprüche aus dem Unfallereignis ausgeschlossen. Dennoch bietet ein Abfindungsangebot auch
immer die Möglichkeit, den Abfindungsbetrag individuell auszuhandeln, und so insbesondere ins
Foto: Kickaha_Pfalz_pixelio.de
Stocken geratene Regu­lierungs­verhandlungen
doch noch zugunsten des Mandanten zu entscheiden. Nahezu alle Versicherungen reagieren auf ein
persönliches Verhandlungsgespräch sehr positiv.
Geht es um größere Beträge, entsenden die meisten Versicherungen einen sogenannten Regulierungsbeauftragten. Die Gespräche mit dem extra
geschulten Personal verlaufen meist sehr konstruktiv. Des Weiteren ist der Faktor Kausalität nicht
zu verachten. Je weiter das Unfallereignis zurück
liegt, desto schwieriger ist es, die Unfallbedingtheit auftretender Folgeschäden nachzuweisen.
Gerade aus Haftungsgesichtspunkten sollten die
Konsequenzen einer Abfindungserklärung der
Mandantschaft schriftlich aufgezeigt werden. Es
JuraInfos
c
bietet sich an, das Angebot der Versicherung mit
einem entsprechenden Anschreiben weiterzuleiten.
Erscheint ein Abschluss mittels Abfindungserklärung sinnvoll und ist die Mandantschaft mit einem
solchen einverstanden, sollte der Wortlaut des
meist vorgefertigten Formulars genau unter die
Lupe genommen werden. Obacht ist insbesondere
im Hinblick auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geboten. Nach § 7 Abs. 1 Ziff. 2 EfzG ist
der Arbeitgeber berechtigt, die Fortzahlung des
Arbeitsentgelts zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadenersatzanspruches gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber
verhindert. Dies kann durch Unterzeichnung einer
ungünstig formulierten Abfindungserklärung geschehen. Vgl. hierzu LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.7.2006, Az.: U 2 Sa 155. Um derartige
Nachteile für den Mandanten zu vermeiden, sollte
die Formulierung unter diesen Gesichtspunkten
genau geprüft werden und gegebenenfalls durch
einen auf die Problematik abgestimmten Passus
ergänzt werden. Dieser könnte zum Beispiel wie
folgt lauten:
„Es wird vereinbart, dass mit dem Vergleich alle bestehenden und zukünftigen Ansprüche der Geschädigten, die auf ihren Arbeitgeber, auf Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger einschließlich
der Bundesagentur für Arbeit und auf private Versicherer kraft Gesetzes schon übergegangen sind
oder künftig übergehen werden, von der geschlossenen Vereinbarung unberührt bleiben und mit
dem Abfindungsbetrag nicht abgegolten werden.“
DIE GERICHTLICHE
GELTENDMACHUNG
Sicher einer der häufigsten Fälle, in denen eine umgehende gerichtliche Geltendmachung des Schmerzensgeldes notwendig wird, ist der, in dem bei Auffahrunfällen der Kausalitätszusammenhang zwischen Unfallereignis und Verletzung (meist der
Halswirbelsäule) bestritten wird. Daher soll die gerichtliche Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs kurz an diesem Beispiel erläutert werden.
Neben der sorgfältigen Aufbereitung des Sachverhalts verhilft eine klar strukturierte Auseinandersetzung mit den Argumenten aus der umfangreichen
Rechtsprechung zum Thema zu einer erfolgreichen
Klageschrift. Bei der Beweisführung ist ein besonderes Augenmerk auf die gerichtlichen Sachverständigengutachten zu legen.
Um die Kausalität eines Unfallereignisses für eine
bestimmte Verletzung des Geschädigten nachweisen zu können, ist neben dem medizinischen Sachverständigengutachten stets zusätzlich eine unfalltechnische Begutachtung notwendig. Die Erkenntnisse aus beiden Gutachten müssen dann anschließend in Abstimmung aufeinander ausgewertet
werden. Bedingt durch die Gutachterkosten kann
das Kostenrisiko einer solchen Klage deutlich erhöht
ausfallen. Dieser Umstand ist insbesondere mit der
nicht rechtsschutzversicherten Mandantschaft
zwingend vorab zu besprechen und abzuwägen.
„Nicht selten wird die
Durchsetzung seiner Ansprüche
für den Geschädigten zum
Lebensinhalt.“
In den meisten Fällen wird es vorteilhaft sein, die
Klage gegen alle infrage kommenden Beteiligten zu
richten. In Standardfällen ist hier an den Unfallfahrer, den Halter des Unfallfahrzeugs und die gegnerische Haftpflichtversicherung zu denken. Diese
treten als Gesamtschuldner auf. Dass es zudem
spezieller Anträge bedarf, dürfte den meisten noch
aus der Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen
bekannt sein. Bezüglich des Schmerzensgeldanspruchs ist kein bezifferter Klageantrag erforderlich. § 253 Abs. 2 BGB iVm § 287 ZPO überlassen
dem Gericht die Bemessung der „billigen“ Entschädigung. Es ist daher ausreichend, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Bemessung des Schmerzensgeldes genannt werden und im Antrag ein
Mindestbetrag angegeben wird. Ein entsprechender Antrag könnte beispielsweise lauten:
„... festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche
weiteren materielle nund immateriellen Schäden
aus dem Verkehrsunfall vom ... , der sich gegen ...
Uhr in der ....-straße ereignete, zu ersetzen, soweit
Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen werden oder
übergegangen sind.“
Selbstverständlich muss auch der Feststellungsantrag eigens begründet werden. Hier gilt es insbesondere das Feststellungsinteresse des Klägers herauszuarbeiten, schließlich gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage. Der Streitwert einer
Feststellungsklage beträgt 80 Prozent einer gedachten Leistungsklage (vgl. BGH, NJW 1997,1241; BGH,
NJW 2001,316).
Zu guter Letzt sei daran erinnert, dass ein Unfall mit
Personenschaden für den Geschädigten häufig ein
sehr einschneidendes Ereignis darstellt. Gerade bei
schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ändert sich sein Leben komplett – wohlmöglich für immer. Oftmals ist die Existenz bedroht.
Nicht selten wird die Durchsetzung seiner Ansprüche für den Geschädigten zum Lebensinhalt. Wir als
Anwälte sind dann automatisch ein Teil davon.
Diese Rolle erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis für die schwierige Situation. Der Mandant wird es letztendlich mit besten
Empfehlungen danken.
Interessierte Leser finden Teil I, II und III der
Serie in den vorangegangenen Ausgaben.
RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Mönkeberg
„... die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
an den Kläger ein angemessenes Schmerzens­geld,
mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von ... Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a.
über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,“
Ist die Heilbehandlung des Geschädigten noch nicht
abgeschlossen oder ist ein Dauerschaden verblieben, ist es im Hinblick auf die Zukunft von wesentlicher Bedeutung, eine Ersatzpflicht des Schädigers
für alle zukünftigen Schäden materieller oder immaterieller Art aus dem Unfallereignis gerichtlich
festgestellt zu bekommen. Ein entsprechender Feststellungsantrag könnte beispielsweise lauten:
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JuraInfos
Wie wollen wir sterben?
Patientenautonomie und Selbstbestimmung am Lebensende
Niemand spricht gerne über das eigene Ableben,
doch wie steht es wirklich um unser Selbstbestimmungsrecht bei eigener Einwilligungsunfähigkeit?
Dem Wunsch nach individueller Selbstbestimmung
im Hinblick auf Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher
Behandlungsmaßnahmen soll das Instrumentarium
der Patientenverfügung eine verbindliche Geltung –
vor allem in der Praxis – verschaffen.
Die Patientenverfügung, welche in § 1901a Abs. 1
BGB legal definiert ist, ist zusammenfassend eine
schriftliche Antizipation des eigenen Willens für oder
gegen ärztliche Behandlungsmaßnahmen für Fälle
der zukünftigen fehlenden Einwilligungsfähigkeit.
Verbindlichkeit erlangt die Patientenverfügung, wenn
sie hinreichend konkret und inhaltlich bestimmt ist.
Die Festlegungen in einer Patientenverfügung müssen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und dürfen nicht widerrufen worden
sein. Dies verlangt vom Ersteller möglichst konkrete
Entscheidungen im Voraus über Einwilligung bzw.
Nichteinwilligung in zukünftige ärztliche Behandlungsmaßnahmen. Liegen diese vor, ist der bestellte
Betreuer verpflichtet, dem Willen des Betreuten Geltung zu verschaffen. Die Umsetzung bereitet in der
Praxis nicht selten größere Schwierigkeiten. So eint
die Materie Patientenverfügung Medizin und Recht,
die Vielschichtigkeit der Fallkonstellationen in der
Praxis vernebelt den Durchblick.
Wie steht es um die Patientenautonomie und die
Rechte eines Betreuers, wenn eine solche Patientenverfügung fehlt?
Mit diesem Fragenkreis hatte sich der BGH in seinem aktuellen Beschluss vom 17.9.2014 – (Az.: XII
ZB 202 /13) – zu befassen. Dem Beschluss des BGH
lag folgender, vereinfachter Sachverhalt zugrunde:
Die 1963 geborene Betroffene erlitt im September
2009 unvorhersehbar eine Gehirnblutung mit der
Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines
Wachkomas. Jegliche Kontaktaufnahme mit ihr ist
unmöglich, die Ernährung der Betroffenen erfolgt
über eine so genannte PEG-Magensonde. Die Tochter
sowie der Ehemann der Betroffenen wurden durch
ein Amtsgericht zu ihren Betreuern bestellt.
Die Patientin hatte zu Zeiten ihrer vorhandenen Einwilligungsfähigkeit vorhandene Patientenverfügungsformulare nicht mehr ausgefüllt.
Die beiden bestellten Betreuer der Betroffenen beantragten beim Amtsgericht im Juli 2010, ihre Einwilligung in die künstliche Ernährung widerrufen zu
dürfen bzw. die Genehmigung zur Einstellung der
künstlichen Ernährung zu erteilen. Hilfsweise sollte
festgestellt werden, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung gem. § 1904 Abs. 4 BGB nicht genehmigungsbedürftig sei. Nachdem die beiden
Vorinstanzen für die Betreuer erfolglos blieben, gab
der BGH ihnen Recht und verwies die Rechtsbeschwerde zurück an das Landgericht.
Der BGH führt in seinem Beschluss de lege lata aus,
dass bei Vorliegen einer formell wirksamen Patientenverfügung eine betreuungsgerichtliche Genehmigung
gem. § 1904 Abs. 2 BGB für den Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen nicht notwendig sei. Vorliegend habe die Betreute jedoch gerade keine Patientenverfügung, sodass eine Genehmigungspflicht be-
Die Patientenverfügung soll dem Wunsch nach individueller Selbstbestimmung Geltung verschaffen – vor allem in der Praxis.
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stünde, da durch den Abbruch der Maßnahme die
Gefahr des Todes drohe. Eine solche Genehmigung ist
jedoch nach § 1904 Abs. 3 BGB zu erteilen, wenn dies
dem Willen des Betreuten entspricht.
Der BGH kam vorliegend zu dem Ergebnis, dass das
Beschwerdegericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt
habe, das der Abbruch der künstlichen Ernährung
nicht dem mutmaßlichen Willen der Betreuten entspreche. Das Beschwerdegericht hätte zunächst prüfen müssen, ob die Betreute einen entsprechenden
Behandlungswunsch gegenüber einer Zeugin geäußert habe, denn § 1901a Abs. 2 S. 1 differenziere
zwischen den Behandlungswünschen einerseits und
dem mutmaßlichen Willen andererseits. Hätte ein
solcher vorgelegen, wäre der Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen ausgeschlossen.
Des Weiteren stellt der BGH fest, dass für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens bei fehlender Todesnähe keine höheren Anforderungen zu stellen sind
als bei unmittelbarer Todesnähe. Denn auf das
Stadium der Erkrankung käme es dabei nicht an,
wie § 1901a Abs. 3 BGB eindeutig belege, es bestünden auf Grund der immensen Bedeutung der
Rechtsgüter immer gleich strenge Beweismaßstäbe.
In conclusio lässt sich festhalten, dass eine formell
wirksame Patientenverfügung zwar zur Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts nicht zwingend
notwendig ist, wer sich und seinem betreuungsrechtlich Auserwählten ein Prozessieren ersparen möchte,
sollte sich vorher durch eine schriftliche Abfassung
der eigenen Wünsche absichern.
RAin Sabrina Steller, Laboe
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JuraInfos
Alles auf Anfang
Bei Fristenversäumnis Einsetzung in den vorigen Stand möglich
Die Wahrung von Fristen nimmt in der anwaltlichen Tätigkeit eine besondere Stellung ein.
Hierfür hat der Anwalt eine gut organisierte und
sorgfältig durchgeführte Fristenkontrolle vorzuhalten, um Schaden von dem Mandanten und
damit letztendlich auch sich selbst abzuhalten.
Aber auch die beste Organisation kann nicht
verhindern, dass Fehler geschehen und Fristen
versäumt werden. In diesem Fall ermöglichen
viele Verfahrensordnungen unter bestimmten
Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand.
In der Literatur finden sich viele Fachaufsätze und
Veröffentlichungen höchstrichterlicher Entscheidungen, die sich mit der Wiedereinsetzung beschäftigen.
Nur beispielhaft seien erwähnt:
Born, Manfred, Die Rechtsprechung des BGH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, NJW 2005, 2042;
NJW 2007, 2088;
Bräuer, Jacqueline, Wiedereinsetzung: Der Wegfall des
Hindernisses, AnwBl. 2007, 621;
Goebel, Frank-Michael in: AnwF, Zivilprozessrecht, §
19, 3. Auflage 2010;
1. FRISTVERSÄUMNIS
Für den erfahrenen Anwalt mag die Stellung eines
Wiedereinsetzungsantrags kein großes Problem darstellen. Anwälte, die noch nie eine Frist versäumt
haben, sollten beim ersten Mal zunächst grundsätzliche Überlegungen anstellen und sich mit dem Thema
vertieft auseinandersetzen.
a) Grundsätzliche Überlegungen
aa) Die Versäumung einer Frist stellt zunächst eine
Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag dar
und löst damit gemäß § 5 AVB die Anzeigepflicht
binnen Wochenfrist bei dem eigenen Berufshaftpflichtversicherer aus. Es empfiehlt sich, den Versicherer so früh und so umfassend wie möglich zu
informieren. Nur dann kann er seinen Versicherungsnehmer optimal unterstützen.
bb) Oft lassen Zeit und andere Umstände es nicht
zu, sich mit dem eigenen Haftpflichtversicherer umfassend abzustimmen. In diesem Fall muss der
Rechtsanwalt mit seinem Mandanten entscheiden,
ob und wie die Wiedereinsetzung beantragt wird.
Dabei sollte zunächst beachtet werden, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Verfahrensordnungen nicht inhaltsgleich geregelt ist. Es sind
daher die einschlägigen Rechtsnormen zu prüfen, um
die Unterschiede zu den vielleicht schon bekannten
Vorschriften, wie z. B. §§ 233 ff. ZPO, zu erfassen.
cc) Für die weitere Vorgehensweise ist es ratsam, sich
mit der Materie vertiefend auseinanderzusetzen. Nur
dadurch kann der Anwalt vor der Antragstellung feststellen, worauf der Fokus bei der Bearbeitung des
Wiedereinsetzungsantrags zu legen ist.
Dr. Müller, Gerda, Typische Fehler bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, NJW 1993, 681.
a) Im Antrag muss der tatsächliche Fehler dargestellt und zusätzlich begründet werden, was die
Ursache hierfür ist. Kann er dies nicht oder geht
gar der Fehler auf sein oder das schuldhafte Verhalten der Partei zurück, geht der Fehler zulasten
des Anwalts. Ein einzelfallbezogenes Verschulden
von Kanzleimitarbeitern wird der Partei nicht zugerechnet.
Das Gericht prüft, wann das Hindernis weggefallen ist und inwieweit die Organisation der Fristenkontrolle im Büro, deren Überwachung sowie die
Anweisung des Anwalts im Einzelfall als Ursache
für das Fristversäumnis außer Frage stehen. Entsprechend ist alle Sorgfalt bei der Begründung des
Antrags angezeigt. Ein Nachtrag außerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist ist nicht möglich. Empfehlenswert ist bei Abfassung der Begründung, auch
die aktuelle Rechtsprechung zu überprüfen.
2. ANTRAG
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt
einen Antrag der Partei voraus. Der Antrag erfordert
eine vollständige, substanziierte und in sich schlüssige
Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen. Zusätzlich wird empfohlen, den Wiedereinsetzungsantrag im Tatbestand mit dem Sachantrag optisch hervorzuheben (Anders/Gehle, Das
Assessorexamen im Zivilrecht, 9. Aufl., F-59, S. 187).
b) Unter Umständen kann ein zurechenbarer Fehler, der normalerweise die Wiedereinsetzung ausschließt, gleichwohl die Gewähr rechtfertigen. Die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt
auch in Betracht, wenn es ohne das schuldhafte
Verhalten durch einen nicht zu verantwortenden
Umstand ohnehin zur Fristversäumung gekommen wäre. In diesem Fall ist zur Ursächlichkeit der
Säumnis erweitert auszuführen.
3. FRIST
5. GLAUBHAFTMACHUNG
Die Stellung des Antrags ist an eine bestimmte Frist
gebunden, die ab Wegfall des Hindernisses, das der
Fristwahrung entgegenstand, zu laufen beginnt. Zu
beachten ist, dass die Laufzeiten der jeweiligen Wiedereinsetzungsfrist unterschiedlich lang sind.
Ferner muss innerhalb dieser Frist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden.
Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, müssen bis zur Entscheidung über den
Antrag glaubhaft gemacht werden. Mitarbeiter des
Anwalts versichern den in eigenen Worten wiedergegebenen Sachverhalt an Eides statt. Der Sachvortrag, den der Anwalt aus eigener Wahrnehmung hält, muss nicht gesondert glaubhaft gemacht werden. Hierfür reicht die anwaltliche Versicherung.
4. WIEDEREINSETZUNGSANTRAG
Steffen Eube, HDI Versicherung AG
Es müssen alle die Wiedereinsetzung begründenden
Tatsachen, mithin also alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit des
Antrags, schlüssig dargelegt werden. Die weiteren
Einzelheiten des Inhalts hängen vom Einzelfall ab. Allgemein aber gilt, dass die Wiedereinsetzung nur gewährt wird, wenn die Partei die Frist unverschuldet
versäumt, diese also trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht eingehalten werden konnte.
> www.hdi.de
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JuraNews
JuraNews
zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe
Das Verschulden eines Anwalts
entfällt nicht durch ein darauf
folgendes Verschulden eines Gerichts
Es gehört zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf
Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung
innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen
Gericht eingeht; so der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 20.8.2014 – XII ZB
155/13.
An sich ist dieser Leitsatz wenig überraschend und
liegt auch auf der Linie der gefestigten Rechtsprechung. Dem Beschluss lag jedoch eine etwas eigentümliche Konstellation zugrunde.
Gegenstand der Entscheidung war ein zurückgewiesener Wiedereinsetzungsantrag. Der betroffene
Anwalt hatte für seinen Mandanten zunächst
rechtzeitig beim Familiengericht gegen einen Beschluss zur Zahlung von Kindesunterhalt Beschwerde eingelegt. Im Anschluss daran hat er aber
den Fehler gemacht, ebenfalls bei dem Familiengericht einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu stellen. Über einen solchen
Fristverlängerungsantrag entscheidet gemäß § 117
Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 S. 2,3 ZPO der
Vorsitzende des Beschwerdegerichts.
Haftungsfalle
bei PKH-Verfahren
Der Anwalt hatte den Fristverlängerungsantrag
also bei einem unzuständigen Gericht gestellt. Da
der Antrag auch nicht mehr innerhalb der Begründungsfrist an das Beschwerdegericht weitergeleitet
wurde, hat dieses die Beschwerde verworfen; einen
Antrag auf Wiedereinsetzung hat es abgelehnt.
Die Besonderheit des Falls lag nun darin, dass das
– unzuständige – Familiengericht den Verlängerungsantrag nicht einfach stillschweigend an das
Beschwerdegericht weitergeleitet oder den Rechtsanwalt auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat.
Die Abteilungsrichterin des Familiengerichts hat
stattdessen die Fristverlängerung bewilligt und dies
auch einer Kanzleiangestellten auf deren telefonische Nachfrage hin mitgeteilt. Die Kanzleiangestellte hat darauf die Beschwerdebegründungsfrist
im Fristenkalender gestrichen. Es lagen also zum
einen ein fehlerhafter Fristverlängerungsantrag
und zum anderen eine fehlerhafte – und somit unwirksame – Fristverlängerung durch das unzuständige Familiengericht vor.
Der BGH hat eine Wiedereinsetzung dennoch mit
der Argumentation abgelehnt, dass das Verschulden des Anwalts nicht durch die fehlerhafte Fristverlängerung durch das Familiengericht entfällt.
Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene
Irrtum, welcher sie letztlich zur Streichung der Frist
im Fristenkalender veranlasst hat, lässt nach Ansicht des BGH die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen, weil es sich dabei um eine
schlichte Folgewirkung der von dem Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung gehandelt hat.
Jeder Anwalt kennt die Konstellation: Man erleidet in
erster Instanz eine Niederlage. Da der Mandant aber
die Kosten für ein Berufungsverfahren nicht aufbringen kann, wird zunächst Prozesskostenhilfe beantragt. Die dafür notwendige Darlegung der Erfolgsaussichten erfolgt häufig dadurch, dass ein Entwurf
der Berufungsbegründung dem PKH-Antrag beigefügt wird. Die Berufung soll unter der Bedingung der
Gewährung von Prozesskostenhilfe eingelegt werden, insoweit wird zugleich für den Fall der Gewährung von PKH auch Wiedersetzung in die Berufungsund die Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Diese Vorgehensweise ist zwar grundsätzlich möglich. Dass man dabei aber die Augen offen halten
muss, zeigt ein Beschluss des II. Zivilsenats des BGH
vom 23.9.2014 - II ZB 14/13. Mit dem ersten Leitsatz
der Entscheidung bestätigt der BGH seine bisherige
gefestigte Rechtsprechung:
„Besteht das zur Fristversäumung führende Hindernis in der Mittellosigkeit der Partei, so fällt dieses
dann weg, wenn sich die Vermögensverhältnisse der
Partei in einer Weise ändern, dass sie objektiv in die
Lage versetzt wird, die Prozesskosten aus eigenen
Mitteln aufzubringen, und sie dies auch erkennt oder
jedenfalls bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt
erkennen könnte.“
Man darf also nicht den Fehler machen, sich darauf
zu verlassen, dass die zweiwöchige Frist für einen
Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO
erst mit Zustellung des PKH-Beschlusses beginnt;
kommt der Mandant im Laufe des PKH-Verfahrens zu
Geld, so kann – sofern er dadurch die Prozesskosten
aufbringen kann – bereits dadurch diese Frist ausgelöst werden.
Der BGH führt in der Entscheidung weiter aus, dass
dann, wenn der Lauf einer Frist nicht durch Zustellung, sondern durch den Eintritt eines sonstigen Ereignisses in Gang gesetzt wird, der Anwalt die zumutbaren Vorkehrungen zu treffen hat, um von diesem Ereignis anderweitig zu erfahren.
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JuraNews
Zur rechtlichen Beurteilung
eines „Mischmietverhältnisses“ –
Rechtsprechungsänderung
Mit dem zweiten Leitsatz der Entscheidung konkretisiert der BGH diese Pflichten des Anwalts noch
weiter für den Fall, dass dieses Ereignis in einem
Zahlungseingang auf dem Kanzleikonto liegt:
„Der Prozessbevollmächtigte, der eine Partei in
zwei Prozessen gegen denselben Prozessgegner
vertritt und aufgrund eines in einem der beiden
Prozesse erwirkten rechtskräftigen Titels mit einem
Zahlungseingang und einer dadurch bewirkten Beseitigung der Mittellosigkeit seiner Partei rechnen
kann, ist gehalten, sein Büropersonal anzuweisen,
ihm einen entsprechenden, den Zahlungseingang
im Parallelverfahren ausweisenden Kontoauszug
unverzüglich vorzulegen.“
Mit anderen Worten: Zahlungseingänge können
wegen des Wegfallens der Mittellosigkeit einer
Partei dazu führen, dass – auch in einer anderen
Sache – unverzüglich eine Wiedereinsetzungsfrist
zu notieren ist!
Das hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersehen und daher die Wiedereinsetzungsfrist verstreichen lassen.
Der Fall wies jedoch die Besonderheit auf, dass die
Auswirkungen einer Zahlung der Beklagten auf die
Leistungsfähigkeit der Klägerin bereits in den
Schriftsätzen der Parteien angesprochen worden
sind. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
hatten dabei auch selbst die Auffassung geäußert,
dass bei Überweisung des in dem anderen Verfahren ausgeurteilten Betrags die Bedürftigkeit wegfallen würde und die Klägerin die Kosten für das
Berufungsverfahren aufbringen könne.
Eine generelle Pflicht zur Überwachung der Vermögenssituation des Mandanten wird man daher aus
der Entscheidung nicht ableiten können.
Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 9.7.2014
– VIII ZR 376/13 dürfte für alle Anwälte interessant
sein, bei denen Kanzlei- und Wohnsitz in einem
Mietobjekt zusammenfallen. Der Bundesgerichtshof
hatte sich mit der Frage zu befassen, welchen Vorschriften ein sogenanntes „Mischmietverhältnis“
unterliegt, das sowohl eine Wohnnutzung als auch
eine freiberufliche Nutzung umfasst.
Gegenstand der Entscheidung war ein Mietverhältnis bezüglich eines mehrstöckigen Gebäudes; in dem
Mietvertrag wurde den Mietern gestattet, die Räume
im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen.
Der BGH hält in der Entscheidung zunächst an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und führt aus,
dass ein einheitliches Mietverhältnis über Wohnräume und Geschäftsräume zwingend entweder als
Wohnraummietverhältnis oder als Mietverhältnis
über andere Räume zu bewerten ist. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Räumen findet also
nicht statt – jedenfalls sofern nicht mehrere separate Mietverträge geschlossen wurden. Für die
rechtliche Einordnung ist maßgeblich entscheidend,
welche Nutzungsart nach den getroffenen Vereinbarungen überwiegt. Dabei ist maßgebend auf die
Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei der
Tatrichter beim Fehlen ausdrücklicher Abreden auf
Indizien zurückgreifen kann.
Berufstätigkeit nicht ausüben und die Geldmittel
erwerben könne, die er benötige, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zu denen auch die Miete für
die Wohnung gehöre.
Dieses Abgrenzungskriterium – das Bestreiten des
Lebensunterhaltes in dem Mietobjekt – hat der BGH
nunmehr ausdrücklich aufgegeben und betont, alleine der Umstand, dass die Vermietung nicht nur
zu Wohnzwecken, sondern auch zur Ausübung
einer gewerblichen/freiberuflichen Tätigkeit vorgenommen wird, durch die der Mieter seinen Lebensunterhalt bestreitet, lässt keine tragfähigen Rückschlüsse auf einen im Bereich der Geschäftsraummiete liegenden Vertragsschwerpunkt zu.
Zudem stellt der Senat noch klar, dass im Zweifel,
wenn sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein
Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen lässt, im Hinblick auf das Schutzbedürfnis
des Mieters von der Geltung der Vorschriften der
Wohnraummiete auszugehen ist.
Damit dürften viele Mietverhältnisse von Rechtsanwälten, die der alten Rechtsprechung nach als Mietverträge über Gewerberäume einzustufen gewesen
wären, nunmehr als Wohnraummietverträge einzustufen sein.
Besonders spannend an der Entscheidung ist, dass
der VIII. Zivilsenat sich hinsichtlich der maßgebenden
Umstände ausdrücklich von einer Entscheidung vom
16.4.1986 – VIII ZR 60/85 – abgrenzt. Der Senat hatte
in dieser Entscheidung noch entschieden, dass, wenn
ein Einfamilienhaus einem Rechtsanwalt zur Nutzung als Kanzlei und zugleich als Wohnung überlassen wird, im Allgemeinen anzunehmen sei, dass die
Vermietung in erster Linie gewerblichen Zwecken
dient. Das habe selbst für den Fall gegolten, dass die
für den Betrieb der Kanzlei zur Verfügung stehende
Fläche des Hauses geringer ist als die für Wohnzwecke gedachte. Denn die Kanzlei sei für den Rechtsanwalt die Stätte, ohne die er im Allgemeinen seine
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JuraNews
zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe
Verschulden bei Fristversäumnis – Fristenkontrolle bei jeder Prozesshandlung erforderlich
Gehaltsnachzahlung für Rechtsreferendare
Die „gut ausgebildete, als zuverlässig erprobte und
sorgfältig überwachte Bürokraft“ gilt zwar als
Wundermittel und letzter Rettungsanker, wenn es
um Wiedereinsetzungsanträge geht. Dass dieses
kleine Kanzleiwunder aber auch nicht immer hilft,
zeigt eine Entscheidung des III. Zivilsenats vom
25.9.2014 – III ZR 47/14.
Nach einem Urteil des OVG NRW in Münster vom
27.10.2014 (Aktenzeichen: 3 A 1217/14), mit dem es
eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden
vom 8.5.2014 (Aktenzeichen: 4 K 96/14) bestätigt
hat, haben Rechtsreferendare in NRW einen Anspruch auf Gehaltsnachzahlungen.
In der entschiedenen Konstellation berechnete die
Prozessbevollmächtigte selbst – und zutreffend –
direkt nach Zustellung eines erstinstanzlichen Urteils die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist und gab ihrer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten (usw.) Bürokraft auf, die Fristen zu
notieren. Aufgrund einer sofortigen Wiedervorlage
stellte die Rechtsanwältin fest, dass die Berufungsbegründungsfrist fehlerhaft notiert war –
statt dem 11.12.2012 war der 12.12.2012 notiert.
Sie erteilte ihrer Bürokraft darauf mündlich und
schriftlich auf einem DIN A4-Blatt mit den Hinweisen „Eilt“ und „Sofort“ die Anweisung, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist sofort
überall auf den 11. Dezember 2012 abzuändern.
Die Korrektur der fehlerhaft eingetragenen Frist
unterblieb jedoch, die schriftliche Anweisungwurde lediglich in der Akte abgeheftet. Einige Tage
später fertigte die Anwältin dann fristgerecht die
Berufungsschrift, ohne sich dabei aber die Handakte erneut vorlegen zu lassen. Die Berufungsbegründungsfrist wurde später überschritten.
Der BGH hat die Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung durch das Berufungsgericht bestätigt
und damit begründet, dass die sorgfältige Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung stets
auch die selbstständige Prüfung aller gesetzlichen
Anforderungen an ihre Zulässigkeit mit einschließe;
daher habe der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst ist, dies zum Anlass zu
nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Nach Ansicht des BGH hätte die Anwältin
also die richtige Notierung der Berufungsbegründungsfrist nochmals überprüfen müssen, als sie die
Berufungsschrift verfasst hat.
Auch die gut ausgebildete (usw.) Bürokraft konnte
die Anwältin diesmal nicht retten. Der BGH stellt in
der Entscheidung zwar zunächst unter Hinweis auf
seine ständige Rechtsprechung klar, ein Rechtsanwalt könne grundsätzlich darauf vertrauen, dass
eine ausgebildete und bisher zuverlässig tätige Bürokraft eine konkrete Einzelanweisung befolgt und
ordnungsgemäß ausführt; der Anwalt muss sich
auch von der Ausführung seiner Weisungen nicht
vergewissern. Diese Rechtsprechung ist aber – so der
BGH – in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägig. Denn für die Fristversäumung sei nicht nur
das Verhalten der Bürokraft ursächlich gewesen,
sondern auch die Pflichtverletzung der Anwältin, im
Rahmen der Vorbereitung der Einlegung der Berufung die richtige Notierung der Berufungsbegründungsfrist nicht nochmals zu überprüfen.
Für die Praxis gilt daher, dass in jedem Fall mit der
Einlegung eines Rechtsmittels sicherheitshalber
auch die richtige Notierung der Begründungsfrist
nochmals kontrolliert werden sollte.
Rechtsreferendare erhalten von dem Land, zu dem
sie in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehen, eine Unterhaltsbeihilfe. Nach dem
Wortlaut der bis zum 16.10.2014 in NRW geltenden
Verordnung (RRefBeihV NRW) betrug der Grundbetrag dieser Unterhaltsbeihilfe 85 Prozent des
höchsten nach dem Bundesbesoldungsgesetz gewährten Anwärtergrundbetrages. Das Land zahlte
den Rechtsreferendaren jedoch nur 85 Prozent des
niedrigeren nordrhein-westfälischen Anwärtergrundbetrages. Es hat sich dabei auf den Standpunkt gestellt, dass seit der Föderalismusreform im
Jahr 2006 nicht mehr der Bund, sondern das Land
für die gesetzliche Regelung der Besoldung der Beamten und damit auch der beamteten Referendare
zuständig sei, sodass die Verweisung in der Verordnung auf das Bundesbesoldungsgesetz im Licht
dieser Änderung zu interpretieren sei.
Das OVG hat sich dieser Ansicht jedoch nicht angeschlossen und entschieden, dass Rechtsreferendare
in NRW dem klaren Wortlaut der Verordnung nach
einen Anspruch auf den höheren Betrag haben und
das Land dementsprechend die Differenzbeträge
plus Zinsen nachzahlen muss. Es hat zudem auch
betont, dass der Zahlungsanspruch den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsregeln, mithin der
Regelverjährung von drei Jahren ab Kenntnis bzw.
grob fahrlässiger Unkenntnis unterliegt.
Die Entscheidungen des OVG NRW und des VG Minden sind abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de/
Bibliothek/nrwe2
Das Urteil des OVG war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht rechtskräftig. Das OVG
hat zwar die Revision nicht zugelassen; dagegen
ist jedoch grundsätzlich die Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
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JuraNews
JuraNews
zusammengestellt von RA Patrick Ruppert, Köln
Bisse und Beleidigungen
Strafrisiko bei Erfolgsvergütung
Der Schäferhund eines 66-jährigen Rechtsanwalts
soll in der Fußgängerzone von Gelsenkirchen zugebissen haben. Den Hundehalter schien das aber kaum zu
kümmern und verabschiedete sich vom Opfer mit den
Worten: „Ich bin in der Kanzlei S.“. Die zur Hilfe gerufene Polizei erschien daraufhin in seiner Kanzlei, um
die Anzeige aufzunehmen. Doch anstatt Auskunft
über den Vorfall zu erteilen, soll der Rechtsanwalt die
Beamten beleidigt haben. Laut dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen, das eine Geldstrafe von 9.000
Euro vorsah, hatte der Anwalt unter Applaus die Polizisten verhöhnt: „Da habt ihr auf der Polizeischule
aber gut aufgepasst, ihr Fuzzis.“ Nun wird der Fall in
zweiter Instanz vor dem Landgericht Essen neu aufgerollt. Laut Prozessbeobachtern soll sich der Anwalt
aber hierbei bislang auch nicht gentlemenlike aufgeführt haben. In der Hauptverhandlung soll er dem
vorsitzenden Richter mehrfach lautstark ins Wort
gefallen und trotz mehrfacher Ermahnung von seinem Sitzplatz aufgestanden sein. (Quelle: WAZ)
Rechtsanwälte sind bei Erteilung eines Mandats verpflichtet, Mandanten umfassend über die anwaltliche Vergütung aufzuklären. Unterlassen sie dies,
laufen sie Gefahr, sich strafbar zu machen. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom
25.9.2014 (Az. 4 StR 586/13) deutlich gemacht, dass
§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG eine Garantenstellung des
Rechtsanwalts begründet, der vor Abschluss einer
Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über
die voraussichtlichen gesetzlichen Gebühren aufklären muss. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein in
Vermögensschwierigkeiten geratener Rechtsanwalt
einen nachweislich geistig minderbegabten Mandanten in einer Erbschaftssache vertreten. Ohne
darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Vergütung
streitwertabhängig niedriger liegen könnte, schloss
er mit dem Mandanten eine erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarung ab, die bei Scheitern des Vorgehens einen Vergütungsverzicht des Rechtsanwalts
vorsah. In einem Vergleich erreichte der Rechtsanwalt, der allerdings wegen Vermögensverfalls seine
Zulassung verloren hatte, eine Bezahlung von
493.000 Euro aus dem Nachlass. Der nun nicht mehr
zur Anwaltschaft Zugelassene zog von dem vereinnahmten Betrag gemäß der prozentualen Erfolgsvergütungsvereinbarung 82.223,97 Euro ab und kehrte
den Rest an den Mandanten aus. In dem Verhalten
des ehemaligen Rechtsanwalts sah der vierte Strafsenat des BGH einen strafrechtlichen Betrug. Der
einstige Anwalt hatte durch Unterlassen der Aufklärung seinen Mandanten getäuscht, dass die Alternativberechnung des Honorars abhängig vom Streitwert vorgenommen wird.
Bewährungsstrafe für Abmahnanwalt
Rechtsanwalt Thomas Urmann aus Regensburg war
wegen zweifelhafter Massenabmahntätigkeit (Redtube) ins Kreuzfeuer der Justiz geraten. Etliche Betroffene sahen in seinem Vorgehen strafrechtlich relevantes Verhalten, woraufhin es Strafanzeigen gegen ihn
als Inhaber der Kanzlei U + C hagelte. Jetzt ist der
umstrittene Jurist vom Amtsgericht Augsburg zu
einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren, 80.000 Euro
Geldstrafe und 80 Sozialstunden verurteilt worden.
Der Grund ist allerdings nicht sein Auftritt als Abmahner. Urmann wurde der Insolvenzverschleppung und
des Sozialbetrugs schuldig gesprochen. Er hatte sich
nebenberuflich als Wurstfabrikant betätigt. Hierbei
hatte er es jedoch versäumt, rechtzeitig einen Insolvenzantrag für das marode Unternehmen zu stellen
und für die Beschäftigten Sozialabgaben abzuführen.
Wegen der Verurteilung muss Urmann auch um den
Erhalt seiner Anwaltszulassung bangen.
Syndikusanwälte rentenversicherungspflichtig
Die bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigten Syndikusanwälte können in ihrer abhängigen
Anstellung nicht anwaltlich tätig sein und daher nicht
von der Rentenversicherungspflicht befreit werden.
Das entspricht dem Tenor dreier Urteile, die das Bundessozialgericht im April dieses Jahres gefällt hatte
(s. BSG Urteil vom 3.4.2014, Az. B 5 RE 9/14).
Nun hat einer der betroffenen Rechtsanwälte, der zunächst als Vorstandsassistent und später als Compliance-Verantwortlicher in einem Versicherungsunternehmen arbeitete, Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Nach seiner Auffassung verstoße die Bundessozialgerichtsrechtsprechung gegen die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Es komme entgegen der
Auffassung der Sozialrichter nicht auf die Frage der
Weisungsabhängigkeit an, sondern auf die Frage, inwieweit der Syndikus anwaltlich fungiere. Zur Untermauerung seiner Argumentation verweist der Betroffene auf § 46 BRAO, wonach ausdrücklich Unternehmen- und Verbandsjuristen als Anwälte erwähnt sind.
Hausverbot gegen Rechtsanwalt rechtswidrig
In einer Entscheidung vom 4.9.2014 hat das Verwaltungsgericht Leipzig (Az. 5 K 15/13) ein Hausverbot
gegen einen Rechtsanwalt, verhängt vom dortigen
Jobcenter, für unrechtmäßig erklärt. Die Auseinandersetzung geht auf den Umzug des Jobcenters in andere
Räumlichkeiten zurück. Die Jobcentermitarbeiter hatten in Kartons gepackte Akten von Bürgern mit Sozialdaten unbewacht in den Fluren gestapelt. Diese
Zustände bewertete der vor Ort befindliche, klagende
Rechtsanwalt als unhaltbar und trug diese durch die
Stockwerke des Gebäudes, um sie am Eingang abzugeben. Dabei ließ er sich mit einer Handykamera filmen. Auf dem Video war auch Publikum zu sehen.
Aufgrund dieses Vorfalls verhängte das Jobcenter eine
Zutrittssperre von einem Jahr. Das Verwaltungsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass es kein
Recht zur eigenmächtigen Entfernung behördlicher
Unterlagen gab. Ebenso als illegal werteten die Verwaltungsrichter die Filmaufnahmen, die der Anwalt
zu Dokumentationszwecken angefertigt hatte und die
ungefragt Personen abbildeten. Allerdings hatte das
Jobcenter in der Begründung des Hausverbots fälschlich unterstellt, der Rechtsanwalt wollte die Akten
stehlen. Auch gab es entgegen den Angaben im Hausverbot zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der Mitarbeiter des Jobcenters. Von daher war das Hausverbot ermessensfehlerhaft ausgesprochen worden und
als rechtswidrig aufzuheben.
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Euer FORUM
Eine Nische optimal nutzen
Sozialrecht hat auch Vorzüge / Vortrag auf der FORUM-Jahrestagung
Zum Sozialrecht gehört eine Vielzahl von Leistungen – unter anderem Zuschüsse für die Wohnungsmiete.
Das Sozialrecht stand auf der FORUM-Jahrestagung im Mittelpunkt eines Vortrages der
Göttinger Rechtanwältin Jessica Kuhn-Aldea.
Hier die Kernpunkte ihrer Ausführungen.
Der Begriff des Sozialrechts ist in der Gesellschaft
vor allem negativ geprägt durch Hartz IV und das
Armenrecht. Der Titel des Fachanwalts für Sozialrecht ist im bundesweiten Vergleich der Bundesrechtsanwaltskammer vom 1.1. 2012 unterbesetzt,
vergleicht man ihn einmal mit den führenden
Fachanwaltstiteln etwa für Familienrecht oder Arbeitsrecht. Fragt man sich nach den Gründen,
könnte man meinen, das Sozialrecht werde von
der Anwaltschaft stiefkindlich behandelt. Oft wird
die anwaltliche Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts mit politischem und sozialem Engagement
gleichgesetzt, wobei der Anwalt dann entsprechend wenig für sein Engagement an Gebühren
bekommen soll. Freilich gibt es – wie in allen anderen Tätigkeitsgebieten – auch Mandanten mit
einer derartigen Ansichtshaltung. Nichtsdestotrotz
bietet das Sozialrecht einige Vorzüge, die im Einzelnen kurz dargestellt werden sollen.
Zum Sozialrecht gehört eine Vielzahl von Sozialleistungen, die in zwölf Gesetzbüchern umfassend ausgebaut und in verschiedene Teilbereiche untergliedert sind. Die zentralen Bereiche des materiellen
Sozialrechts, wie die wohl bekanntesten Bücher der
Grundsicherung, Arbeitsförderung und Sozialhilfe,
sind derart kompliziert, dass sich der Mandant ohne
Hilfe eines Experten nicht zurechtfinden kann.
Daher bietet das Sozialrecht – im Vergleich mit anderen Rechtsgebieten – für den Anwalt sehr gute
Möglichkeiten, sich auf Nischen der einzelnen Bücher
des Sozialgesetzbuchs zu spezialisieren und den
Mandanten somit im Dschungel der Geld-, Sach-
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und Dienstleistungen in den unterschiedlichen zentralen Bereichen des Sozialrechts fachspezifisch zu
beraten und die Interessen gegenüber den (Sozial-)
Leistungsträgern der öffentlichen Verwaltung entsprechend durchzusetzen.
Sogar bestandskräftige Entscheidungen
können überprüft werden
Zu beachten sind jedoch bei der Wahl einer der
Nischen die stets geltenden Besonderheiten des
Sozialrechts. Verfahrenstechnisch erwähnenswert
ist etwa § 44 SGB X, der es dem Mandanten erlaubt, auch eine bereits bestandskräftige und
damit unanfechtbare Entscheidung überprüfen zu
lassen, wenn er der Meinung ist, der Bescheid sei
nicht rechtskonform. Liegen die Voraussetzungen
des § 44 SGB X vor, so ist der entsprechende Verwaltungsakt vom Leistungsträger zurückzunehmen. Dies kommt in der Praxis sehr häufig vor und
bietet eine gute Überleitung in das dem Anwalt
zustehende Gebührenrecht im Sozialrecht.
Wie anfangs dargetan, scheint sich für den Anwalt
kein großer gebührenrechtlicher Spielraum zu bieten. Das RVG sieht für die sozialrechtliche anwaltliche Tätigkeit Rahmengebühren vor, die sich eben
nicht nach dem Gegenstandswert steigern. Da jedoch ein massiver Beratungsbedarf in sozialrechtlichen Angelegenheiten besteht, wird diese Nische
zum einen durch die Masse, zum anderen aber
auch durch die Sicherheit der Gebühren durch die
Landeskassen kompensiert, in der Beratung und
dem Widerspruchsverfahren über die (nachträgliche) Beratungshilfe und im Prozess über Prozesskostenhilfe. In der Abrechnungspraxis sollte man
sich allerdings folgender Fallstricke bewusst sein:
Foto: Rosi v. Dannen_pixelio.de
Massenhaft sichere Gebühren
Liegen die Voraussetzungen für Beratungshilfe vor
und wendet sich der Mandant sogleich unmittelbar an den Anwalt, so ist auf die Vierwochenfrist
des § 6 II 2 BerHG zu achten. Das RVG stellt den
beratenden Kollegen zudem vor die Frage, ob
einem Mandanten die Gebühr des 2500 VV-RVG in
Rechnung gestellt wird. Bei der Wahl sollte beachtet werden, dass diese Gebühr bereits die Bruttogebühr darstellt. Oft kommt es auch vor, dass dem
Mandanten bei Beantragung von Beratungshilfe
beim zuständigen Amtsgericht der „nette“ Hinweis
auf den oben erörterten § 44 SGB X gegeben wird
und, da die Leistungsträger hierauf im Rahmen der
§§ 13 bis 15 SGB I hinweisen müssen, ein anwaltliches Tätigwerden dann nicht notwendig erscheint. Hier hilft oftmals das Argument der Waffengleichheit.
Liegen die Voraussetzungen für Beratungshilfe oder
Prozesskostenhilfe nicht vor, so steht der Selbstzahler bei Vorhandensein einer Rechtsschutzversicherung vor der nächsten Hürde. Die Rechtschutzversicherer schließen des Öfteren das Sozialrecht komplett in den Versicherungsbedingungen aus oder
aber beschränken die Einstandspflicht auf das prozessuale Tätigwerden. Letzteres stellt aus anwaltlicher Sicht dann kein Problem dar, wenn es nach
Widerspruch einen Abhilfebescheid gibt und die
Kosten der Rechtsvertretung für notwendig erklärt
worden sind. Problematischer wird es, wenn bereits
im Antragsverfahren eine Interessenvertretung
erfolgt. Für den Ersatz der Kosten im Antragsverfahren gibt es auch bei Obsiegen leider keine Anspruchsgrundlage.
RAin Jessica Kuhn-Aldea, Göttingen
Euer FORUM
Stolpersteine im Gewerberaummietrecht
Nachtrag zur FORUM-Jahrestagung: Besonderheiten und Haftungsfallen
Das Mietrecht bietet besondere Haftungsfallen.
Dabei sind Wohnraummietrecht und Gewerbemietrecht streng zu trennen. Einige der wichtigsten Stolpersteine aus seinen Vortrag zum
Gewerbemietrecht bei der FORUM-Jahrestagung 2014 hat unser Referent RA Nils-Jasper
Schuler für die AdVoice zusammengefasst.
Nicht nur für die Beratung im Mietrecht sind
diese Grundkenntnisse wichtig und lesenswert,
sondern auch für alle Anwälte, die selbst einmal einen Gewerbemietvertrag abschließen.
Der Bundesgerichtshof und das BGB haben allerdings hohe formelle Anforderungen an die Ausgestaltung eines gewerblichen Mietvertrages mit langen Laufzeiten gestellt. Der entscheidende Punkt
dabei ist die Vorschrift des § 550 S.1 BGB. Diese sagt
sinngemäß aus, dass ein gewerblicher Mietvertrag,
der über einen langen Zeitraum abgeschlossen
wurde, auch vorher gekündigt werden kann, wenn
die Schriftform nicht eingehalten wurde.
Was ist nun die Schriftform?
Haftungsfalle Schriftform,
§§ 578, 550, 126 BGB
Nach § 550 Satz 1 BGB sind auch mündlich geschlossene Mietverträge wirksam. Soll ein Mietverhältnis
allerdings mit einer längeren Laufzeit als ein Jahr
begründet werden, so muss der Mietvertrag der gesetzlichen Schriftform entsprechen (§ 550 BGB). Hinsichtlich der Schriftform gilt der allgemeine Teil des
BGB. Die Schriftform ist in § 126 BGB geregelt.
Ein Verstoß gegen die Schriftform hat ausschließlich Auswirkungen auf die Laufzeit des
Mietvertrages. Im Gewerberaummietrecht können
die Verträge grundsätzlich eine Laufzeit bis zu 30
Jahren haben (§ 544 BGB). Ein Verstoß gegen die
Schriftform führt wiederum dazu, dass der Mietvertrag gemäß § 550 Satz 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Ist er auf unbestimmte Zeit geschlossen, geltend die Kündigungsfristen des § 580a BGB, bei der Geschäftsraummiete § 580a Abs. 2 BGB (ordentliche Kündigung
am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres bis
zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres).
Kürzere Kündigungsfristen können im Gewerberaum auch immer vereinbart werden. § 580a BGB
ist komplett abdingbar.
Vor diesem Hintergrund kann ein Verstoß gegen die
Schriftform dazu führen, dass ein auf 30 Jahre abgeschlossener Mietvertrag zum übernächsten Quartal gekündigt werden kann. Es besteht also eine
Laufzeitverkürzung von 29,5 Jahren. Dies hat erhebliche haftungsrechtliche Bedeutung.
Es ist üblich und zulässig, bei Gewerberaummietverhältnisse lange Laufzeiten bis zu 30 Jahren zu
vereinbaren. Dies ist einer der entscheidenden Unterschiede zum Wohnraummietrecht, in dem der
Mieter stärker vor langen Laufzeiten geschützt ist.
Schriftform ist ein komplexes Thema und füllt ganze
Bücherregale. Grundsätzlich kann man sagen, dass
sich die Unterschriften aller Vertragspartner auf ein
und derselben Urkunde befinden, sowie der Mietzins
und das Mietobjekt präzise schriftlich erfasst sein
müssen. Bei mehreren Personen auf Vermieterseite
oder Mieterseite müssen grundsätzlich alle Vertragsbeteiligten unterschreiben oder sich vertreten lassen.
Die Unterschrift als Vertreter muss deutlich aus der
Urkunde durch den Zusatz „i. V.“ hervorgehen. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass bei Firmen alle
gesetzlichen Vertreter mitunterschreiben oder eine
Vertretung durch Vertretungszusatz deutlich wird.
An fehlenden erforderlichen Unterschriften oder der
Kenntlichmachung von Vertretungszusätzen scheitert die Schriftform vieler Verträge. Beispielsweise
müssen bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
sämtliche Gesellschafter den Mietvertrag unterschreiben oder sich vertreten lassen. Über die
Schriftform können viele Mietverträge „geknackt
werden“.
Beispielsfall:
Sie entwerfen einen gewerblichen Mietvertrag für
ein Hotel mit einer Laufzeit von 30 Jahren unter
Verstoß gegen die Schriftform. Der monatliche
Mietzins beträgt 30.000 Euro. Dies ist eine Jahresmiete in Höhe von 360.000 Euro. Bei einer 30-jährigen Laufzeit sind dies Mieterträge in Höhe von
10,8 Millionen Euro.
Wenn Sie den Mietvertrag mit Schriftformverstoß
für den Vermieter entwerfen, haften Sie auf den
Mietausfallschaden. Entwerfen Sie den Mietvertrag
für den Mieter, haften Sie unter Umständen auf den
zu erzielenden Gewinn des Hotels in 29,5 Jahren.
Haftungsfalle verschuldensunabhängige
Garantiehaftung des § 536a Abs. 1, 1. Alt. BGB
Im Zusammenhang mit gewerblichen Mietverträgen ist die sogenannte verschuldensunabhängige
Garantiehaftung des § 536a I , 1. Alt. BGB von besonderer Bedeutung bei der Haftung. Es handelt
sich um einen Ausnahmefall im Haftungssystem
des BGB. Diese Haftungsnorm ist daher besonders
einschneidend, da es regelmäßig Vermietern nicht
gelingt, entsprechende Risiken zu versichern. In den
gängigen Vermieterhaftpflichtversicherungen findet sich ein diesbezüglicher Ausschluss. Umgekehrt
decken Gebäudeinhaltsversicherungen, Betriebsunterbrechungsversicherungen etc. des Mieters entsprechende Risiken ab. Nach BGH ist es aber im
Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
möglich, die verschuldensunabhängige Garantiehaftung für Sachmängel abzubedingen (Dr. Ulrich
Leo, aktuelle Rechtsprechung zur Gewerberaummiete, Skript Stand September 2012, S. 83.). Dies
sollte bei der Gestaltung von gewerblichen Mietverträgen berücksichtigt werden.
Haftung nach § 566 Abs. 2 BGB
Der bisherige Vermieter scheidet mit Eigentumsumschreibung aus dem Mietverhältnis aus nach § 566
I BGB. Seine Haftung dauert jedoch nach § 566 Abs.
2 BGB fort.
Der Mieter soll davor geschützt werden, dass ihm
ein zahlungsunfähiger Vertragspartner aufgrund §
566 Abs. 1 BGB aufgedrängt wird. Grund für die
strenge Regelung: Wird eine Immobilie zwangsversteigert, tritt der sonst übliche Grundsatz „Kauf
bricht nicht Miete“ nicht ein – der Ersteigerer kann
also Mieter kündigen. Der soll sich deshalb am Verkäufer schadlos halten können (Dr. Ulrich Leo und.
Marcus Creutz, Handelsblatt, Art. vom 14.2.2006).
Dies ist ebenfalls bei der anwaltlichen Beratung zu
berücksichtigen, und es sollte eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten einer Enthaftung erfolgen, die auch in § 566 II BGB geregelt sind.
RA Nils-Jasper Schuler, Hannover
Fazit: Es kommt nicht nur auf die vereinbarte Laufzeit, sondern auch auf Einhaltung der Schriftform an.
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Euer FORUM
ARGE IT-Recht im DAV
AG bietet für FORUM-Mitglieder viele Vorteile
Die Mitgliedschaft im FORUM junge Anwaltschaft im
DAV bringt viele Vorteile. Günstige Haftpflichtversicherung oder ein bundesweites und internationales
Netzwerk einschließlich des fachlichen Austauschs
mit Kolleginnen und Kollegen sind nur zwei Beispiele.
Wer sich spezialisieren will, kann die Chance nutzen
und über das FORUM in die meisten Arbeitsgemeinschaften des DAV hineinschnuppern. Viele ARGEn
bieten günstige Juniormitgliedschaften an. Veranstaltungen und Sonderkonditionen der Arbeitsgemeinschaften können besucht und genutzt werden. Mit
einer Serie wollen wir die Arbeitsgemeinschaften im
DAV nach und nach vorstellen. Übersicht aller Arbeitsgemeinschaften unter: http://anwaltverein.de/
ueber-uns/arbeitsgemeinschaften
ARBEITSGEMEINSCHAFT IT-RECHT (DAVIT)
Gegründet: 1999
Mitglieder: ca. 730
2015
Zielgruppe: Anwältinnen & Anwälte mit Schwerpunkt IT-Recht und angrenzende Rechtsgebiete.
Was bietet die ARGE? Die DAVIT fördert die Ausund Fortbildung sowie die Vernetzung der Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Fragen des ITKRechts, des Multimediarechtes und mit Rechtsfragen
im Bereich der digitalen Güter, Services und Medien
befassen. Mit der DAVIT-Reihe der IT-Rechtstage
trifft man sich im gesamten Bundesgebiet. Die
ARGE vermittelt durch Fachtagungen, Seminare,
Publikationen und intensiven Austausch unter den
Mitgliedern Basis- und Spezialwissen. Vielfältige
Kooperationen mit Verlagen und Lösungsanbietern
sowie der monatliche Newsletter und Pressedienst
runden das DAVIT-Mitgliederangebot ab. In der Anwaltschaft unterstützt DAVIT bei der Bewältigung
der Herausforderungen der elektronischen Kommunikation und IT-Sicherheit in der Anwaltskanzlei
durch Workshops, Informationen und die davit-ITK
Grundregeln.
> Website: www.davit.de/
Hier findet sich auch das Beitrittsformular.
Ausgewählte Vorteile: Fortbildungsveranstaltungen im ganzen Bundesgebiet in Kooperation mit Örtlichen Anwaltsvereinen, DGRI, OSE etc.; Fachanwaltskurse im IT-Recht in Kooperation mit der DeutschenAnwaltAkademie mit reduzierter Teilnehmergebühr;
Sechs Gebietsleiter als Ansprechpartner und mit Angeboten vor Ort; Messebeteiligungen an CeBIT, IT-SA,
DeGUT u. a.; Reduzierte Teilnehmergebühren für das
IT-Seminarprogramm des Verlags Dr. Otto Schmidt;
Preisreduzierung für Abonnements Der IT Rechts-Berater (itrb) und juris Online-Modul, MultiMedia und
Recht (MMR), Zeitschrift für Datenschutz (ZD) und
Beck Online-Module; 10 Prozent Preisvorteil bei Nutzung der Dokumentenmanagement-Lösung doculife
sowie attraktive Bundle- und Einzelpreise Elektronische Signaturkarte T-Systems, etc.
Anwaltssuche: www.davit.de/nc/it-anwaltsuche
Preis für FORUMsmitglieder: 40 Euro statt 80 Euro
bis fünf Jahre nach Zulassung.
Termine
21. Januar / Köln
13./14. März / Timmendorfer Strand
11.-13. Juni / Hamburg
Seminar
Social Media
und Arbeitsrecht
Forum
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Anwaltsberuf
Deutscher Anwaltstag (DAT)
Die wichtigste Veranstaltung des DAV –
jährlich in einem anderen Bundesland
Infos unter: www.anwaltverein.de
Infos unter: www.davforum.de
Infos unter: www.davforum.de
23. Januar / Frankfurt am Main
10. Juni / Hamburg
Seminar
Neues Mindestlohngesetz –
Auswirkungen in der Praxis
DAT für Einsteiger
Informationsveranstaltung für Berufseinsteiger, Referendare und Studenten
Infos unter: www.anwaltverein.de
Infos unter: www.davforum.de
Änderungen vorbehalten!
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Euer FORUM
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Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragte für den
LG-Bezirk Arnsberg ist Christina Reuther
Mein Name ist Christina Reuther. Ich bin die Regionalbeauftragte für den LG Bezirk Arnsberg.
Seit September 2012 bin ich in unserer Kanzlei in
Hüsten und Sundern tätig und beschäftige mich
schwerpunktmäßig mit Straf-, Vertrags- und ITRecht.
Konkurrenzdruck. So hoffe ich, auf den Aufbau
eines guten Netzwerkes, das auch in unserem
Beruf große Vorteile bringt.
Für Fragen, Vorschläge, Anregungen und Kritik
wendet Euch direkt per E-Mail an mich.
[email protected]
Mit frischem Engagement und Freude auf die Arbeit als Regionalbeauftragte werde ich mich auch
um die Neu-Einführung des Stammtisches kümmern und hoffe auf eine rege Teilnahme.
Foto: fly-picture.de_pixelio.de
Als junge Rechtsanwältin / junger Rechtsanwalt
steht man manchmal vor einem Problem, das im
Gespräch mit Kollegen schnell gelöst werden kann.
Bei dem Stammtisch steht das Kollegiale und
Freundschaftliche im Vordergrund und nicht der
Regionalbeauftragte gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMs-Kolleginnen und -Kollegen in den LG-Bezirken
Aachen, Amberg, Baden-Baden,
Bückeburg, Coburg, Kempten, Rottweil,
Schweinfurt, Schwerin, Stendal,
Waldshut-Tiengen, Weiden, Zwickau.
In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt Ihr
diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUMs Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monat­
lichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden
Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet.
Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und
bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter:
> www.davforum.de/469/
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Bücher-FORUM
Gesamtes Medizinrecht
Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.),
2. Aufl. 2014, 1.877 S., 198,00 EUR,
Nomos Verlag
Die dynamische Querschnittsmaterie Medizinrecht beinhaltet
Gesetze verschiedenster Rechtsgebiete. Geprägt von zwei Hauptzielen, soll es neben der möglichst optimalen medizinischen
Versorgung das in seiner Gesamtheit finanzierbare Gesundheitssystem in unserer Gesellschaft regeln. Dieses schnelllebige
Gebiet, das sehr von den im Sozialrecht häufigen – mehr oder
weniger sinnvollen – Gesetzgebungsaktivitäten beeinflusst ist,
verzeichnet stetig steigende Fall- und Beratungszahlen. Es handelt sich nicht nur um mehr Streitigkeiten im Verhältnis Patient/
Arzt sondern auch um Verfahren gegen Gesundheits- und Krankenhausverwaltungen.
Die 28 Autoren aus Anwalt-, Richter- und Wissenschaft sowie
Verbands- und Versicherungswesen bieten dem Praktiker ein
Nachschlagewerk, das neben wichtigen Gesetzen aktuelle
Rechtsfragen aufbereitet und Problemlagen herausarbeitet, um
Entscheidungs- und Argumentationshilfen für die Beratung
und Prozessführung zu offerieren. In dem Werk befinden sich
Erläuterungen z. B. des ApoG, Arzneimittelgesetzes, des BGB, des
KrankenhausentgeltG, des SGB V, des StGB bis zur ZPO.
Bei einem Rechts- und Literaturstand vom 1.1.2014 sind die gesetzlichen Neuerungen eingearbeitet. Das am 26.2.2013 in Kraft
getretene Patientenrechtegesetz mit der Neufassung der §§ 630a
– 630h BGB, das jetzt den explizit im BGB fixierten Behandlungsvertrag, die erhöhten Anforderungen an die Aufklärungs- und
Dokumentationspflichten für eine wirksame Einwilligung oder
das Recht auf Einsichtnahme des Patienten in die Patientenakte
(§630g BGB) regelt, erforderte eine vollständige Neukommentierung des Arzthaftpflichtrechts. Glanzmann passte verständlich die beweisrechtlichen Vorschriften der ZPO entsprechend
des neuen § 630h BGB an. Ferner sind die Konsequenzen des
Beschneidungsgesetzes, die neue Kommentierung des Embryonenschutzgesetzes, die Mediation oder die Musterberufsordnung
für Ärzte integriert. Weiterer Beleg für die aktuelle und vorausschauende Kommentierung ist die Bearbeitung der geplanten
Neuerungen zur Bestechlichkeit von Ärztinnen und Ärzten.
Lehrreich sind die Ausführungen zur Pflegebedürftigkeit und
-stufen (§§ 14,15 SGB XI), zum Personenschaden und sonstigen Schäden, § 249 BGB und von Wever zu den Pflichten der
§§ 630c-e BGB.
Fazit: Der Kommentar Gesamtes Medizinrecht ist ein
top­
aktuelles Nachschlagewerk, das Verständnis für das
Rechtsgebiet schafft. Den juristischen Berufsgruppen des
Medizin- und Gesundheitsbereichs ist dieser ernorm starke
Kommentar zu empfehlen!
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Handbuch Vertragsverhandlung
und Vertragsmanagement
Heussen/Pischel (Hrsg.),
4. Aufl. 2014, 1.499 S., 149,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Die Verhandlung von Verträgen gehört zur täglichen Arbeit eines
Rechtsanwalts – dennoch beschränken sich Anwälte dabei meist
auf Formularbücher, ohne nähere Überlegungen zu Taktik und
Psychologie. Abhilfe möchte das nunmehr in 4. Auflage erschienene Handbuch schaffen und durch stärkere Konzeptualisierung
der Verhandlung zu besseren Ergebnissen beitragen. Dies erfolgt
durch einen großen „allgemeinen Teil“, der ergänzt wird durch
Ausführungen zu gesellschaftsrechtlichen Verträgen, Vertragsenglisch, außergerichtlicher Konfliktbeilegung und einer umfassenden Darstellung der länderspezifischen Besonderheiten.
Das Ziel des Werkes gelingt meist, erscheint jedoch stellenweise
als zu ausführlich. So erscheinen die Ausführungen auf den
ersten knapp 200 Seiten zu Bedeutung von Verträgen sowie
deren Planung und Design als Erläuterung von Selbstverständlichkeiten, deren konkrete Umsetzung in der Praxis offen bleibt.
Interessant ist zum Beispiel die Beschreibung des „mexikanischen
Modells“ als mögliches formales Vorgehensmodell, dessen Umsetzung jedoch zu knapp beschrieben wird. Statt theoretischer
Ausführungen wären Tabellen und Musterschaubilder/-formulare zu begrüßen gewesen.
Praxisbezogen sind demgegenüber die Kapitel zu Austauschverträgen und gesellschaftsrechtlichen Verträgen, die dem Leser
praktische Umsetzungsmöglichkeiten und Musterformulierungen an die Hand geben. Eine überzeugende Zusammenfassung
bietet auch das Kapitel zum Rechtsenglisch, das auf nationale
Unterschiede in Verträgen ebenso eingeht wie auf unterschiedliche Bedeutungen von Wörtern wie may, shall oder is obliged
to. Dies wird ergänzt um ein interessantes Kapitel zur EU und
Verhandlungen in Brüssel, das neben einer knappen Skizze des
Rechtssystems viele praktische Tipps gibt.
Seine besondere Stärke zeigt das Handbuch in den Kapiteln zum
Verhandeln in verschiedenen Ländern. Die Beschreibungen der
kulturellen Unterschiede in Ländern wie USA, China und (neu)
Japan, Indien und Türkei umfassen kompakte Darstellungen der
Historie der Rechtssysteme, über das Design und Verhandlung
von Verträgen wie deren Durchführung. Diese werden nachvollziehbar ergänzt um die Beschreibung gesellschaftlicher und
politischer Komponenten.
Fazit: Auch wenn das Handbuch teilweise zu ausschweifend
ist, bietet es insgesamt ein hilfreiches Nachschlagewerk zur
Verhandlung von Verträgen. Insbesondere überzeugt die Erläuterung der internationalen Gepflogenheiten.
RA Matthias Lachenmann, Paderborn
Europäisches Wettbewerbsrecht
Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.),
2. Aufl. 2014, 2.657 S., 248,00 EUR,
Nomos Verlag
Das insgesamt siebenteilige Werk behandelt sämtliche nur
denkbaren Fragen zum europäischen Wettbewerbsrecht und
verschafft dem Leser durch seine Gliederung und verständliche
Darstellung einen sehr guten Überblick.
Dabei werden zunächst die Grundlagen übersichtlich vermittelt.
Danach befasst sich das Werk mit den Wettbewerbsregeln für
Unternehmen, worauf anschließend in mehreren Kapiteln eine
ausführliche Kommentierung der Verordnungen zur Durchführung der Artikel 101 und 102 AEUV folgt. In den nachfolgenden
Teilen werden die Fusionskontrolle, die Pflichten der Mitgliedstaaten zur Wahrung der EU-Wettbewerbsregeln und die Vorschriften über staatliche Beihilfen sowie die Wettbewerbsregeln
in internationalen Abkommen in ebenso übersichtlicher wie auch
ausführlicher Art und Weise behandelt.
Der Kommentar berücksichtigt in seiner Neuauflage unter anderem die Änderungen des Vertrags von Lissabon sowie die
grundlegenden Reformen des sekundären Gemeinschaftsrechts
im Kartellverfahrensrecht. Die Unternehmen müssen seit der Verordnung 1/2003 selbst beurteilen, ob ihre Vereinbarungen und
Verhaltensweisen rechtmäßig sind (Selbstveranlagungsprinzip).
Zudem wurden die Neuerungen im Fusionskontrollrecht, bei
der Kontrolle staatlicher Beihilfen und bei der GruppenfreistellungsVO für Technologietransfervereinbarungen eingearbeitet.
Somit ist das Werk auf dem neuesten Stand.
Die Anwendung und Handhabung des Europäischen Wettbewerbsrechts ist maßgeblich geprägt durch die Fallpraxis von
EuGH, EuG und EU-Kommission, sodass deren Kenntnis für die
rechtliche Bearbeitung wettbewerbsrechtlicher Fälle unerlässlich
ist. Daher ist hervorzuheben, dass der Schröter/Jakob/Klotz/Mederer alle bedeutsamen und relevanten Einzelfallentscheidungen
der letzten Jahre praxisnah veranschaulicht.
Bei den Herausgebern und Autoren handelt es sich ganz überwiegend um aktuelle sowie ehemalige Beamte der Europäischen
Kommission im Bereich Wettbewerb. Dies führt zu einer anschaulichen Darstellung der Entscheidungspraxis der Kommission und der europäischen Gerichte. Der Kommentar richtet sich
insbesondere an all diejenigen, die im Bereich des Wettbewerbsrechts tätig sind. Darüber hinaus eignet sich das Werk gleichermaßen aber auch für die wissenschaftliche Arbeit.
Fazit: Der Kommentar von Schröter/Jakob/Klotz/Mederer ist
aktuell sowie detailreich und damit für jeden mit dem Europäischen Wettbewerbsrecht befassten Praktiker aufgrund
seiner übersichtlichen Aufarbeitung ein hervorragendes
Nachschlagewerk.
RA Tilman Grieger, Stuttgart
Bücher-FORUM
Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge
AGB-Recht Kommentar
Beweisrecht der StPO
Bauer/Krieger/Arnold (Hrsg.),
9. Aufl. 2014, 747 S., 69,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.),
6. Aufl. 2013, 2.560 S., 199,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Ulrich Eisenberg,
9. Aufl. 2015, 1.136 S., 189,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Das vorliegende Handbuch vermittelt auf rund 750 Seiten alles
Wichtige rund um die einvernehmliche Beendigung von Arbeitsund Dienstverträgen unter Berücksichtigung steuerlicher und
sozialversicherungsrechtlicher Aspekte. Dabei wird auch auf weniger gängige Themen wie das der weiteren Handhabung einer
D&O-Versicherung oder der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach dem
Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds eingegangen.
Der Kommentar von Wolf, Lindacher, Pfeiffer behandelt alle
AGB-relevanten Vorschriften des BGB, UKlaG und der Richtlinie
93/13/EWG. Dabei werden auch das internationale Privat- und
Prozessrecht sowie das Arbeitsrecht, Versicherungsrecht und der
Bankenbereich einbezogen.
Die von Eisenberg verfassten Bücher, insbesondere seine Kommentierung des Jugendgerichtsgesetzes und das Beweisrecht der
StPO, sind aus Strafverfahren nicht wegzudenken, es handelt sich
schlicht um Standardliteratur. Letzteres Buch liegt nunmehr in
der mittlerweile 9. Auflage vor und ist auf dem Stand September
2014.
Von Kapitel A mit allgemeinen Bemerkungen (Voraussetzungen,
Prozessvergleich, Hinweispflichten Arbeitgeber, Anfechtung,
Beweislast) werden bis Kapitel K Grundzüge des Kündigungsschutzrechts und der mögliche Inhalt von Aufhebungsverträgen
ausführlich besprochen, Besonderheiten beim Ausscheiden von
Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern sowie Sonderkonstellationen wie Insolvenz, Umstrukturierung, Altersteilzeit und
(Schein-)Selbstständige erörtert, die steuerliche Optimierung sowie
sozialversicherungsrechtliche Folgen (ALG und Rente) behandelt
und auf Arbeitspapiere, Vertretung vor Gericht, Gebührenfragen
und Rechtsschutz eingegangen. Das letzte Kapitel L enthält eine
Vielzahl von Checklisten und Mustern, der folgende Anhang die
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur zur Sperrzeit.
Bei der Darstellung werden auch mögliche Folgen für andere Bereiche einbezogen wie etwa unterhaltsrechtliche Auswirkungen
(Stichwort fiktives Einkommen).
Neben den rechtlichen Ausführungen finden sich auch praktische und taktische Ratschläge, viele Beispielsfälle und Formulierungsvorschläge für einzelne Klauseln oder Erklärungen. So gibt
es Empfehlungen zum Vorgehen bei Massenentlassungen und
einen Kriterienkatalog für die Klärung der Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Bei besonders kritischen Punkten wird mit der
Überschrift „Achtung“ und einem grauen Balken am Rand auf die
besondere Gefahr aufmerksam gemacht, etwa in Bezug auf die
Frage der Auswirkung einer Freistellung auf das Wettbewerbsverbot oder einer widerruflichen Freistellung auf Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitausgleich.
Das Werk befindet sich auf dem Rechtsstand August 2013. In
Bezug auf das Ausscheiden von Organmitgliedern ist bereits das
Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsbezügen berücksichtigt.
Das Autorenteam besteht aus drei Rechtsanwälten, allesamt
Partner bei der Kanzlei Gleiss Lutz, darunter der bekannte Arbeitsrechtler Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer.
Fazit: Das Handbuch von Bauer/Krieger/Arnold ist eine hervorragende Arbeitshilfe beim Abschluss bzw. der Prüfung von
Aufhebungsverträgen.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
Nach einer Einleitung und Ausführungen zum internationalen
Geschäftsverkehr folgt auf rund 850 Seiten im 3. Teil des Buches
die Kommentierung der §§ 305-310 BGB. Im Anschluss wird auf
die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht eingegangen und dort zum
Schluss ausgewählte Vertragsklauseln in alphabetischer Reihenfolge besprochen. Im 5. Teil werden in der Praxis häufig verwendete Klauseln und Vertragstypen von A wie Abonnementvertrag
bis Z wie Zwangsvollstreckung in alphabetischer Reihenfolge
behandelt. Daran schließen sich Kommentierungen zum Unterlassungsklagengesetz und zur EU-Richtlinie zu missbräuchlichen
Klauseln in Verbraucherverträgen an.
Bereits berücksichtigt sind die neuen Banken-AGBs, das neue
Recht des Zahlungsverkehrs, die Änderungen beim VVG und
die Neuentwicklungen im Bereich Transparenzgebot und Ausschlussfristen im Arbeitsrecht.
Im Regelfall wird zunächst der Zweck der Norm bzw. der
Grundgedanke der Vorschrift erläutert. Danach folgen der Anwendungsbereich und die eigentliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Norm. Anschließend wird auf Besonderheiten
bei AGBs zwischen Unternehmern, auf das Verhältnis zu anderen
Vorschriften und auf Beweislastfragen eingegangen. Sofern von
Bedeutung, wird auch auf die Entstehungsgeschichte der Norm
eingegangen.
Zwar liegt bei der Erläuterung der Schwerpunkt auf der Darstellung höchtsrichterlicher Rechtsprechung. Abweichende
Meinungen oder Aufsätze zum Meinungsstand werden aber in
der gebotenen Kürze genannt. Dabei wird nicht nur die aktuelle
Rechtsprechung dargestellt, sondern auch mögliche Entwicklungen aufgezeigt, etwa in Bezug auf die Übertragung von Entscheidungen zum Wohnraummietvertrag auf die Gewerberaummiete.
Eine alphabetische Schnellübersicht im Einband vorne und hinten erleichtert das schnelle Auffinden der richtigen Stelle. Die
unterhalb der eigentlichen Kommentierung zusammengefassten
Fundstellen werden von einer Literaturübersicht zum jeweiligen
Thema zu Beginn einer jeden Kommentierung ergänzt. Kleine
Beispiele, etwa zur Ausschlussfrist, veranschaulichen die theoretischen Ausführungen.
Der Eisenberg ist ein Spezialkommentar, der sich allein auf das
Beweisrecht im Strafverfahren konzentriert. Er richtet sich daher
vorrangig an den erfahrenen Praktiker, Antragsmuster enthält
er nicht.
Obwohl das Thema des Buches auf den ersten Blick nur einen
kleinen eingegrenzten Teil des Strafverfahrensrechts umschreibt,
so handelt es sich bei der Fülle an Detailproblemen und hierzu
ergangener Rechtsprechung um ein schlicht unmögliches Unterfangen, diesen Bereich erschöpfend in nur einem Band darstellen zu wollen. Der Eisenberg nimmt dies auch nicht für sich
in Anspruch. Vielmehr handelt es sich bei diesem Werk um eine
Gesamtschau des Beweisrechts, die Zusammenhänge darstellt
und dem Leser einen Überblick über seine Möglichkeiten an die
Hand gibt. Einen Kommentar ersetzt der Eisenberg nicht.
Gegliedert ist der Eisenberg in 5 Teile vergleichbaren Umfangs:
Teil 1 trägt den Titel Beweisgrundsätze, Beweisantrag, Beweisverbote, Beweis im Wiederaufnahmeverfahren und Beweistransfer
zwischen EU-Staaten. Teil 2 befasst sich mit dem Beschuldigten,
der Zeuge findet sich in Teil 3. Es schliessen sich der Teil 4 zum
Sachverständigen und abschließend der 5. Teil mit den sachlichen Beweismitteln an.
Anhand des übersichtlichen Inhaltsverzeichnisses kommt man
schnell zum relevanten Kapitel, wo einen jeweils noch eine kleine
Übersicht punktgenau zu der gesuchten Stelle führt. Der Text
ist für einen Juristen gut lesbar, wichtige Stichworte sind fett
gedruckt und erleichtern dem Leser das schnelle Überfliegen der
Seite. Als sehr praxisgerecht stellt sich der am Ende eines jeden
Abschnitts zu findende Blick auf die Revision dar.
Fazit: Der Eisenberg ist ein Werkzeug, mit dem der Praktiker in die Lage versetzt wird, beweisrechtliche Probleme
herauszuarbeiten, um sie dann mit in die Tiefe gehenden
Kommentaren zu meistern. Dabei setzt er ein gewisses Maß
an Erfahrung voraus, der reine Anfänger wird mit diesem
Werk sicherlich noch nicht warm werden.
RA Carsten Jaeger, Dortmund
Fazit: Der Kommentar von Wolf/Lindacher/Pfeiffer ist eine
wertvolle Hilfe bei der Ausgestaltung bzw. Überprüfung von
AGBs.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
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Bücher-FORUM
Beck´sches Formularbuch Arbeitsrecht
Arbeitsrecht Kommentar
Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht
Klemm/Kornbichler/Neighbour/Ohmann-Sauer/Schröder/
Schwarz (Hrsg.), 3. Aufl. 2014, 1.826 S., mit CD-ROM,
159,00 EUR, Verlag C.H. Beck
Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.),
6. Aufl. 2014, 3.385 S., 159,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Volker Römermann (Hrsg.),
3. Aufl. 2014, 1.418 S., 169,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Die Herausgeber und Autoren des Beck´schen Formularbuch
Arbeitsrecht entstammen einer auf dem Gebiet des Arbeitsrechts sehr geschätzten Wirtschaftskanzlei. Somit wundert es
nicht, dass sie ihr Werk an den Herausforderungen moderner
Personalarbeit – wirtschaftsnah – ausrichten. Sie offerieren
praxistaugliche und -erprobte Gestaltungsvorschläge für verschiedenste Situationen. Dabei zielen sie primär darauf ab, einvernehmliche Vereinbarungen mit Arbeitnehmern, Betriebs- oder
Tarifparteien zu erreichen, beleuchten aber auch einseitige Gestaltungsoptionen des Arbeitgebers.
Seit dem Frühjahr ist der HWK mit Rechtsstand 1.1.2014 erhältlich. Die fehlende Kodifikation des Arbeitsrechts und häufige
Gesetzesänderungen in der zersplitterten Arbeitsrechtsordnung
erschweren es, auf dem Laufenden zu bleiben. Genau hier greift
das Konzept des Werks mit kurzen Auflagenintervallen, um den
Informationsbedarf mit vernetzten Erläuterungen der diversen
Gesetze zu decken. Die 40 Autoren (Anwälte, Richter und Hochschullehrer) streben die problemorientierte Erläuterung unter
besonderer Beachtung der rechtssicheren Gestaltung an.
Die im Handbuch behandelten Bereiche reichen von der Gründung über Finanzierung, Geschäftsführer, Gesellschafter, Rechnungslegung, Steuern, Aufsichtsrat und Beirat, GmbH & Co. KG,
Konzernrecht, Unternehmenskauf, Umwandlung und Auflösung
bis zu Krise und Insolvenz. Neu aufgenommen wurde das Kapitel
„Besondere Beratungsfelder“, das die Darstellung um die Themen
Corporate Compliance und Prozessführung ergänzt. Inhaltlich
geht es dabei um die Anforderungen an Compliance-Systeme
und wichtige prozessuale Fragen wie Einstweiliger Rechtsschutz
und Beschlussanfechtung. Dabei wird auch auf angrenzende
Rechtsgebiete, etwa die Fusionskontrolle beim Unternehmenskauf, eingegangen.
In dem achtteiligen Werk mit Rechtsstand Februar 2014 ist Teil A.
zum Individualarbeitsrecht dem Ablauf eines Arbeitsverhältnisses angelehnt. Es folgen Dienstverträge und andere Anstellungsverhältnisse, Betriebsverfassungs-, Personalvertretungs- und
Tarifvertragsrecht, das an Bedeutung gewinnende Thema Compliance im Arbeitsrecht, die Betriebliche Altersversorgung, Mitbestimmung auf Unternehmensebene und zweisprachige Muster
(Deutsch-Englisch).
Sämtliche Formulare sind Gestaltungsvorschläge mit konkreten
Sachverhalten. In den Anmerkungen sind neben Erläuterungen,
Varianten und Tipps zu rechtlichen Risiken auch neue Rechtsprechungs- und Literaturhinweise verortet.
Inhaltlicher Kern ist das Individualarbeitsrecht. Die Begründung
und der Inhalt des Arbeitsverhältnisses sind mit Arbeitsverträgen mit oder ohne Tarifbindung, für Führungskräfte und ausländische Mitarbeiter erörtert. Das Thema Arbeitsvertrag ohne
Tarifbindung ist komplett neu überarbeitet. Intensiv widmet
sich Mohnke Vergütungsmöglichkeiten. Die Befristungen nach
TzBfG, BEEG oder PflegeZG bereitet Schröder auf. Ferner sind z. B.
Teilzeit, Auslandseinsatz oder der Übergang des Arbeitsverhältnisses beleuchtet. Schwerpunkt in Teil A. ist die einseitige und
einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dessen Abwicklung. Der Nutzer stößt auf Ausführungen zur Anfechtung des Anstellungsvertrags, ordentliche und außerordentliche
Kündigungsvarianten, Kündigungsfragen mit Schwerbehinderten
oder Mitarbeitern in der Elternzeit etc. bis zur Kündigung von
BR-Mitgliedern. Bevor im Rahmen der Abwicklung Zeugnisfragen bearbeitet sind, rückt Kornbichler die einvernehmliche
Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungs-, Abwicklungs- und Altersteilzeitverträgen in das Blickfeld.
Fazit: Das gut strukturierte Werk mit ausgereiften Mustern
und fundierten Anmerkungen überzeugt den Arbeitsrechtler
mit Klarheit und Verständlichkeit.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Sie erläutern relevante Vorschriften aus 45 für das Arbeitsrecht
wichtigen Gesetzen. In alphabetischer Ordnung – beginnend mit
dem AAG – folgen z. B. das BetrVG, das GG in Auszügen, das
KSchG, MuSchG, die relevanten Normen der Sozialgesetzbücher,
das TVG bis zum WpÜG. Neben der wachsenden Bedeutung des
europäischen Arbeitsrechts und der neuen Erläuterung des Art.
6 EUV rücken die Schnittstellen zum Gesellschafts-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht in den Fokus.
Der HWK integriert die neuesten Gesetzesänderungen, z. B. das
Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der
außergerichtlichen Konfliktbeilegung, das Gesetz zu Änderungen
im Bereich der geringfügigen Beschäftigung oder das Gesetz zur
Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts. Aus
der integrierten neuesten Rechtsprechung sind die Entscheidungen zur Leiharbeit, z. B. zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei arbeitsrechtlichen Schwellenwerten, zur Durchsetzung
von „equal-pay“-Ansprüchen oder den Rechtsfolgen nicht mehr
nur „vorübergehender“ Arbeitnehmerüberlassung sowie, im
Befristungsrecht, zum missbräuchlichen Einsatz von Kettenbefristungen hervorzuheben. Ferner sind wichtige Entscheidungen
im Diskriminierungsrecht zur Zulässigkeit der Frage nach der
Schwerbehinderung, im Arbeitskampfrecht zum Streikrecht in
kirchlichen Einrichtungen oder zur dynamischen Bezugnahme
auf Tarifverträge im Fall des Betriebsübergangs gewürdigt.
Optische Hervorhebungen, der Fußnotenapparat mit aktueller
Rechtsprechung, Hinweise und Formulierungsvorschläge dienen
der Übersichtlichkeit. Bei Themen mit großer Kasuistik (z. B. AGBRecht, Kündigungsrecht) sind die Stichwort-ABCs hilfreich.
Fazit: Der HWK ist eine hochwertige arbeitsrechtliche Gesamtkommentierung, um die Fragen der täglichen Mandatsarbeit zu klären. Die Autoren konzentrieren sich auf
das Wesentliche, ohne die wissenschaftliche Fundierung zu
vernachlässigen. Ein zuverlässiges Hilfsmittel!
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Das Werk ist konsequent praxisorientiert. So werden z. B. bei der
Besprechung des unternehmerischen Entscheidungsspielraums
von Geschäftsführen bzw. Vorständen in der Praxis entschiedene
Fälle kurz dargestellt, um die „business judgement rule“ handhabbarer zu machen, auf Gefahren hingewiesen, etwa bei der
Beurkundung im Ausland und bei der GmbH-Gründung entstehende Notarkosten aufgelistet. Beim Thema Nachfolgeklauseln
für den Fall des Todes eines Gesellschafters werden die verschiedenen Varianten dargestellt, deren Vor- und Nachteile erläutert
und Handlungsempfehlungen gegeben.
Sehr hilfreich sind die zahlreichen Checklisten, etwa zum Inhalt
einer Satzung oder zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung, sowie Formulierungsvorschläge, beispielsweise für
die Geschäftsführerbestellung, einen Zustimmungskatalog für
die Geschäftsführung und bestimmte Satzungsklauseln. Gleiches
gilt für die Beispielsfälle und die Muster-Bilanz und -GuV. Zahlreiche ausführliche Muster, etwa für eine Satzung, eine Handelsregisteranmeldung und ein Gründungsprotokoll liefern für die
Beratungspraxis wichtige Bausteine. Tabellarische Übersichten,
z. B. zu den Unterschieden von „klassischer“ GmbH und UG, in
der die jeweiligen Regelungen gegenübergestellt werden, fassen
die theoretischen Ausführungen übersichtlich und anschaulich
zusammen.
Das Buch ist auf dem Rechtsstand Oktober 2013. Es enthält einige neuere Entscheidungen zum vor fünf Jahren in Kraft getretenen MoMiG, was eine deutlich rechtssicherere Beratung
ermöglicht.
Unter den zahlreichen Bearbeitern befinden sich neben Rechtsanwälten und Fachanwälten auch Professoren, Notare, Steuerberater und Betriebswirte.
Fazit: Das Werk aus der Reihe der Münchener Anwaltshandbücher ist eine wichtige Unterstützung für den Praktiker bei
der Beratung von Mandanten rund um die GmbH.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
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Bücher-FORUM
Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht
Verteidigung in Straßenverkehrssachen
BGB Paket 2014
Klaus Schnitzler (Hrsg.),
4. Aufl. 2014, 1.833 S., 159,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Freyschmidt/Krumm,
10. Aufl. 2013, 2.805 S., 49,99 EUR,
C. F. Müller Verlag
Handkommentar + Kommentiertes Vertrags- und
Prozessformularbuch
2014, 5.587 S., 158,00 EUR, Nomos Verlag
Im Jahr 2014 ist nunmehr die aktuelle 4. Auflage des Münchener
Anwaltshandbuchs Familienrecht veröffentlicht worden. Dieses
bekannte Werk widmet sich dem gesamten Familienrecht.
Der bewährte Ratgeber wartet neben Rechtsanwalt Uwe Freyschmidt mit dem anerkannten Verkehrsstrafrechtskenner, Richter am AG Lüdinghausen, Carsten Krumm, als neuem Co-Autor
auf. Während Freyschmidt sich fortan den prozessualen Ausführungen zuwenden wird, widmet sich Krumm künftig der
Erläuterung des materiellen Verkehrsstrafrechts. Mit ihrem Buch
möchten die Autoren dem Verteidiger einen aktuellen, praxisbezogenen Ratgeber mit nützlichen und verlässlichen Hinweisen
geben. Da Straßenverkehrssachen in der Praxis des Strafrechts
einen erheblichen Anteil ausmachen, sind spezielle Fachkenntnisse für den Verteidiger unabdingbar.
Das Buchpaket besteht aus der 8. Auflage des von Schulze, Dörner,
Ebert u. a. bearbeiteten Handkommentars BGB und der 2. Auflage
des von Schulze, Grziwotz und Lauda herausgegebenen kommentierten Vertrags- und Prozessformularbuchs BGB. Gegenüber dem
Einzelkauf spart man beim Kauf des Paketes 40 Euro.
Zunächst erfolgt in dem Werk eine grundlegende Darstellung
der Mandatsannahme und Mandatsabwicklung sowie der einschlägigen Verfahrensgrundsätze. Es werden ferner sämtliche
materiellen und formellen Besonderheiten des Familienrechts
aus anwaltlicher Sicht erläutert.
Das Werk beantwortet dabei alle klassischen familienrechtlichen
Fragen wie z. B. Fragen zum Unterhaltsrecht, zur elterlichen
Sorge, zum Eherecht bis hin zu Mitverpflichtung und Ausgleichsansprüchen. Allerdings behandelt die Neuauflage auch
familienrechtliche Themen in Verbindung mit angrenzenden
Rechtsgebieten. So werden etwa Verknüpfungspunkte zum Versicherungs- und zum Steuerrecht ausführlich dargestellt.
In die aktuelle Auflage wurden mehrere Reformen und Rechts­
änderungen eingearbeitet. Dazu zählen selbstverständlich die
Entscheidungen zu familienrechtlichen Themen. Insbesondere
betrifft dieses aber auch die Reform der elterlichen Sorge nicht
miteinander verheirateter Eltern. Ferner wurde das Mediationsgesetz und das neue Kosten- und Gebührenrecht (2. KostRMoG)
sowie die Düsseldorfer Tabelle 2014 entsprechend berücksichtigt.
Positiv stechen bei dem Leser ferner die zahlreichen Berechnungsbeispiele heraus, die anhand dieser konkreten Beispiele die
Arbeit wesentlich erleichtern. Sehr gut sind ferner die Grauhinterlegungen von Praxistipps, die der anwaltliche Praktiker benötigt, und die diesem die Arbeit erheblich erleichtern. Ergänzt wird
die gute Lesbarkeit des Werkes durch jeweilige Checklisten zu
den Themen. Diese Checklisten helfen sowohl für die Erstellung
von Schriftsätzen als auch für die stringente Durchführung der
anwaltlichen Beratung.
Fazit: Der Schnitzler ist ein unverzichtbares Werk im Bereich des Familienrechts. Durch die hohe Praxisrelevanz der
Darstellung kann es sowohl dem familienrechtlich spezialisierten Anwalt als auch dem Allgemeinanwalt die Arbeit
im Familienrecht deutlich erleichtern und auf eine fundierte
Grundlage stellen.
RA Martin Bretzler, Hann. Münden
Trotz des Rechts- und Literaturstands von Juli 2013 gelang es,
vereinzelte, spätere Beiträge einzuarbeiten. Neben dem Themenbereich zum sogenannten EU-Führerschein bearbeitete Krumm
das Fahrverbot und den Verstoß gegen das PflVG neu.
Das Buch ist gut aufgemacht. Die Fließtexte sind mit teils fett
gedruckten Schlagworten durchzogen, um die gezielte Suche
konkreter Stellen zu erleichtern. Gespickt sind die Texte mit
deutlichen Praxishinweisen, tabellarischen Rechtsprechungsübersichten oder verschiedensten Beispielsaufzählungen. Der
Fußnotenapparat zitiert neueste Rechtsprechung und weiterführende Literatur.
In dem dreizehnteiligen Werk befinden sich Abschnitte zum
Mandat in Verkehrsstrafsachen, zu den wichtigsten Straftatbeständen, zur Entziehung der Fahrerlaubnis, Sperre und
Fahrverbot, Einstellung des Ermittlungsverfahrens, Strafbefehlsverfahren und beschleunigtes Verfahren, zur Verteidigertätigkeit
nach Anklageerhebung, Hauptverhandlung, Kosten- und Auslagenerstattung, Berufung, Revision bis zu Nebenklage; Verletztenund Nebenklagebeistand und Adhäsionsverfahren, bevor Teil 13
zu Mustern und Verteidigerschreiben das Buch beendet.
Nützlich für den Neuling ist Teil 1 mit Ausführungen zu Überlegungen vor der Mandatsannahme, zur Vollmacht, zu Maßnahmen vor und nach der Akteneinsicht bis zu Honorarfragen.
Krumms Ausführungen zum Nachweis der Blutalkohol-/Atemalkoholkonzentration bei § 316 StGB sind lehrreich, ebenso wie die
Erläuterungen bei § 142 StGB zu frühzeitigen Maßnahmen oder
Gutachten von Verkehrssachverständigen und deren strategische
Verwertbarkeit.
Fazit: Das Handbuch offeriert das für die Verteidigungspraxis in Straßenverkehrssachen unverzichtbare aktuelle Knowhow. Es schärft den Blick auf das im Prozess Machbare,
bietet taktische Erwägungen und vermittelt Spezialkenntnisse für die qualifizierte Beratung und Prozessvertretung.
Der kompakte Kommentar im „Aktentaschenformat“ behandelt
neben dem BGB im Anhang noch das EGBGB, die Rom I- und
II-VO, das AGG sowie in integrierter Form einige weitere Gesetze,
so etwa im Familienrecht das VersAusglG und das GewSchG. Bei
einer so hohen Zahl an Vorschriften muss der Inhalt notwendigerweise knapp, die Schrift klein und das Layout gedrungen
sein. Auf ungewöhnliche Abkürzungen à la Palandt wird jedoch
zum Glück verzichtet. Die Kommentierung ist durchgehend so
aufgebaut, dass zunächst der systematische Standort und der
Anwendungsbereich (I.) und sodann die einzelnen Tatbestandsmerkmale (II.) erläutert werden. Die Ausführungen sind prägnant
und leicht verständlich. Die Nachweise, aber (leider) auch die
Aufzählung von Einzelfällen und Beispielen sind dabei auf ein
Minimum reduziert. Der Kommentar dient damit in erster Linie
zur ersten Orientierung oder zum raschen Nachschlagen von einzelnen Tatbestandsmerkmalen und Definitionen.
Das Konzept des Formularbuchs ist innovativ: Anders als üblich
werden die Beispielformulierungen hier nicht chronologisch
oder nach Sachzusammenhängen geordnet, sondern entlang
der einzelnen Vorschriften des BGB entfaltet. Hierdurch erfährt
das Genre Formularbuch einen ganz neuen „Dreh“. Man kann
nun bei der Fallbearbeitung – wie bei einem Kommentar – direkt
unter den einschlägigen Normen nachschlagen und findet dort
die passenden Formulierungen. Durch diese neuartige Verknüpfung ist das Buch über seine eigentliche Funktion als Nachschlagewerk hinaus auch sehr lehrreich. Zudem werden aufgrund
des kommentarartigen Aufbaus Musterformulierungen auch zu
„kleineren“ Vorschriften geboten, die man in klassischen Formularbüchern eher nicht findet. Gleichzeitig brauchen die Formulare zu den „großen“ Bereichen (Mietrecht, Kaufrecht, u. a.) den
Vergleich zu spezialisierten Formularbüchern nicht zu scheuen.
Fazit: In der Regel benötigt man zur praktischen Mandatsbearbeitung das Gesetz, einen Kommentar und ein Formularbuch. All dies wird hier in einem sehr gelungenen
Gesamtpaket geboten – zugreifen!
RA Henry Naeve, Hamburg
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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QUIZ-Auflösung
!
Frage 1, Seite 6
Frage 6, Seite 15
Frage 10, Seite 25
Richtige Antwort: ja
Richtige Antwort: ja (vorerst)
Richtige Antwort: ja – Zeichenähnlichkeit besteht
EuGH, Urteil vom 21.1.2010 – C-398/08 P – „Vorsprung durch
Technik”
OLG Düsseldorf, Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren
vom 5.8.2014, Az.: I 20 U 63/14
EuGH, Urteil vom 9.1.2003 - Rs. C-292/00 und nachgehend
BGH Urteil vom 30.10.2003 - I ZR 236/97 (OLG Bremen)
Davidoff II mit weiterer Zurückverweisung an OLG Bremen.
Rn. 45: „Insoweit ist insbesondere hervorzuheben, dass der
anpreisende Sinn einer Wortmarke es nicht ausschließt, dass
sie geeignet ist, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der
bezeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten.
Eine solche Marke kann daher von den angesprochenen Verkehrskreisen gleichzeitig als Werbeslogan und als Hinweis
auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder
Dienstleistungen wahrgenommen werden. Daraus ergibt sich,
dass, sofern diese Verkehrskreise die Marke als Herkunftshinweis wahrnehmen, es für ihre Unterscheidungskraft unerheblich ist, dass sie gleichzeitig oder sogar in erster Linie
als Werbeslogan aufgefasst wird.“
Die Romantitel „Wanderhure“ seien zwar wegen Unterscheidungskraft grundsätzlich titelrechtlich geschützt. Es liege aber
kein Verwechslungstatbestand nach § 15 MarkenG vor. Die
Antragsgegnerin und Verwenderin des Titels „Die schönsten
Wanderwege der Wanderhure“ könne sich auf die Kunstfreiheit
aus Art.5 Abs. 3 GG berufen. Zwar sei eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft hier gegeben, da die Antragsgegnerin sich
den Aufmerksamkeitswert der Reihe zu Eigen mache, die Kunstfreiheit stelle aber einen rechtfertigenden Grund dar. Die feine
Ironie und der Wortwitz des Titels machten diesen zur Kunst. Da
auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung vorliege und auch
nicht ausschließlich kommerzielle Zwecke verfolgt würden, sei der
Kunstfreiheit hier der Vorrang einzuräumen. Auch die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
Frage 2, Seite 7
Richtig ist: 45 Klassen, davon elf für Dienstleistungen.
Wenn Du den Begriff Nizzaklassifikation noch nie gehört
hast, zieh bitte einen Punkt ab.
Frage 3, Seite 9
Richtige Antwort: ja
BPatG, Beschluss vom 16.2.2005 · Az. 29 W (pat) 286/02
Der Widerspruch von Red Bull hatte Erfolg. Das Zeichen
musste für die betreffenden Waren gelöscht werden. Die
Gefahr von Verwechslungen bestehe infolge von gedanklichem Inverbindungbringen als Fall einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn, d. h. der Verkehr erkennt, dass es
sich um unterschiedliche Zeichen handelt, bringt die jüngere
aber mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung. Zudem
läge ein Serienzeichen „Bull“ vor. Unter Berücksichtigung der
Warenähnlichkeit und der Erwägungen zur Verwendung des
Bestandteils „Bull“ als Serienzeichenbestandteil sowie als
Firmenschlagwort hält die jüngere Marke den erforderlichen
sehr weiten Abstand nicht mehr ein. Die Gefahr von Verwechslungen in Klasse 32 ist gegeben.
Frage 4, Seite 11
Richtige Antwort: Der Parallelimporteur
BGH Urteil des I. Zivilsenats vom 15.3.2012 - I ZR 52/10, Urteil
des I. Zivilsenats vom 15.3.2012 - I ZR 137/10
Für die Frage, ob es sich um Originalmarkenware handelt, ist
grundsätzlich die Beklagte beweispflichtig. Allerdings muss
der Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet,
zunächst Anhaltspunkte oder Umstände vortragen, die für
eine Fälschung sprechen.
Frage 5, Seite 12
Richtige Antwort: 5 Jahre
vgl. § 49 MarkenG. Wurde die Marke nicht benutzt, kann sie
wieder aus dem Register gelöscht werden.
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Frage 7, Seite 18
Richtige Antwort: ja
BGH, Urteil vom 29.7.2009 - I ZR 102/07 – Zurückvereisung an
das OLG Köln, dort Urteil vom 21.1.2011 - 6 U 35/07
OLG Köln entscheidet unter Beachtung der BGH-Entscheidung:
Es bestehe Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG angesichts der durchschnittlichen Zeichen-Ähnlichkeit, der
hohen Ähnlichkeiten der Dienstleistungen und der jedenfalls in
den oberen Bereich des Durchschnittlichen gesteigerten Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke. Die Kennzeichnungskraft sei nachträglich gesteigert. Achtung: In dem Fall bestand
jedoch kein Anspruch auf Domainverzicht für „aidu.de“.
Frage 8, Seite 19
Die Zeichen haben wegen der identischen Schreibschrift und
den auffällig in übereinstimmender Weise gestalteten Buchstaben „D“ sowie „ff“ einen ähnlichen bildlichen Gesamteindruck,
obwohl die zugrunde liegenden Wörter unterschiedlich sind.
Frage 11, Seite 27
Richtige Antwort: ja
BGH, Urteil vom 13.11.2003 - I ZR 184/01, Teilweise Zurückverweisung an OLG Koblenz.
Es besteht Verwechslungsgefahr zwischen MIDAS und medAS
für identische und ähnliche Waren und Dienstleistungen.
Wenn, wie im Streitfall, Waren- und Dienstleistungsidentität
bzw. hochgradige Ähnlichkeit und darüber hinaus ein hoher
Grad an Markenähnlichkeit gegeben ist, reicht eine auch nur
durchschnittliche Kennzeichnungskraft, die der Klagemarke
als einer Fantasiebezeichnung jedenfalls zugesprochen werden muss, zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr aus. LS
des BGH: Der Verkehr hat keinen Anlass, die u. a. für Waren
und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung
eingetragene Marke „medAS” zergliedert wie „med” „AS” auszusprechen und in einem sich hieraus ergebenden Sinn zu
verstehen.
Frage 12, Seite 29
In der Datenbank TMview. Wer hier eine andere Antwort
gegeben hat, ist leider nicht up to date.
Richtige Antwort: zweimal nein
Frage 13, Seite 31
BGH, Urteil vom 11.4.2002, I ZR 317/99
Richtige Antwort: 3
1. Für die Domains gilt das Prioritätsprinzip. BGH Leitsatz: Ist ein
Namensträger nach dem Recht der Gleichnamigen verpflichtet,
seinen Namen im geschäftlichen Verkehr nur mit einem unterscheidenden Zusatz zu verwenden, folgt daraus nicht zwingend
das Verbot, den Namen als Internet-Adresse zu verwenden. Vielmehr kann eine mögliche Verwechslungsgefahr auch auf andere
Weise ausgeräumt werden. So kann der Internetnutzer auf der
ersten sich öffnenden Seite darüber aufgeklärt werden, daß es
sich nicht um die Homepage des anderen Namensträgers handelt, zweckmäßigerweise verbunden mit einem Querverweis auf
diese Homepage. / 2. Der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, der Rechtsträger missbraucht den Namen zu unlauteren Geschäften und
fügt damit dem Namensgeber erheblichen Schaden zu.
Sowohl im Register des deutschen Patent- und Markenamts
als auch bei der WIPO (World Intellectual Property Organisation in Genf) und beim EU-Markenamt HABM (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante) werden Register
geführt mit Marken, die in Deutschland ihre Wirkung entfalten können. (tos)
Frage 9, Seite 22
Richtige Antwort: ja
EuG, Urteil vom 14.5.2014 – T-160/12
Zwischen den Zeichen bestehe aufgrund klanglicher, visueller und
begrifflicher Ähnlichkeit sowie entsprechender Warenähnlichkeit
Verwechslungsgefahr, auch bei einer nur schwachen Kennzeichnungskraft. Der Widerspruch hat damit Erfolg, die Marke muss
vom HABM wieder gelöscht werden.
Wie viele Fälle hast Du richtig gelöst?
13
Wir verleihen den Titel Markenrechtsexperte!
10-12 Schau lieber noch mal in einen Kommentar,
bevor Du Schriftsätze verfasst!
7-9 Du könntest einen Fachanwaltslehrgang belegen.
4-6
Frag lieber einen Kollegen.
0-3
Lass die Finger vom Markenrecht!
Autorenverzeichnis
Nadine Passenheim
ist Rechtsanwältin in Hannover und berät im allgemeinen Zivilrecht,
Arbeitsrecht und Familienrecht, dort insbesondere nichteheliche Lebensgemeinschaften. Sie ist auch als Juristische Referentin bei der
Rechtsanwaltskammer Celle angestellt.
www.ra-passenheim.de
Dr. Britta Hansen
Rechtsanwältin Dr. Britta Hansen ist als Strafverteidigerin in Kiel tätig. Sie
promovierte im Wirtschaftsstrafrecht. Die im Jahr 2010 veröffentlichte
Doktorarbeit trägt den Titel „Legitimation und Reichweite der §§ 284 ff.
StGB und § 16 II UWG – Glücksspiel und progressive Kundenwerbung“.
[email protected]
Sabrina Steller
ist seit 2014 selbstständige Anwältin. Ihre Interessengebiete liegen im
Familien-, Erb- und Medizinrecht.
[email protected]
Dr. Claudia R. Cymutta
hat sich auf die insolvenzrechtliche Beratung spezialisiert, insbesondere
auf die Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüchen und auf Fragen
zu Mietverhältnissen in der Insolvenz. Regelmäßig veröffentlicht sie
Fachbeiträge und hält Vorträge.
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Nils-Jasper Schuler
ist als Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht in der BSH
Schuler und Partner Partnerschaftsgesellschaft tätig. Er ist seit Januar
2013 Regionalbeauftragter des FORUMs Junge Anwaltschaft für den
Landgerichtsbezirk Hannover.
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Merle Hogrefe
absolvierte ihr Masterstudium im Fach Marketing und Management mit
Schwerpunkt Marken- und Vertriebsmanagement. Während des Studiums
hat sie bereits einen Fachartikel zum Themenbereich Social Media Marketing im Springer Gabler Verlag publiziert. Derzeit ist sie für die Entwicklung
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Stefan Busch
ist seit Januar 2014 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er hat sich mit zwei
weiteren Kollegen zur ADVOCAT – Ihns, Busch, Hamann Rechtsanwälte PartmbB zusammengeschlossen. Bis August 2014 betreute er
als Regio­nalbeauftragter den LG-Bezirk Lübeck.
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Andreas Hansmeier
war nach dem Jura-Studium zunächst als freier Mitarbeiter in einem
mittelständischen Anwaltsnotariat tätig. Seit 2012 ist er angestellter
Rechtsanwalt in der Kanzlei Scheuch & Lindner, Karlsruhe.
Jessica Kuhn-Aldea
ist selbständige Rechtsanwältin in Göttingen mit den Schwerpunkt
Sozialrecht, Patientenrecht und Arbeitsrecht. In diesen Bereichen, insbesondere im Schwerbehindertenrecht und Arbeitsrecht ist sie auch als Dozentin tätig. Sie ist die Regionalbeauftragte für den LG-Bezirk Göttingen.
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Dr. h.c. Renate Jaeger
ist Schlichterin an der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Sie war
Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Richterin
am Bundesverfassungsgericht. Weitere Stationen ihrer Laufbahn waren alle
Instanzen der deutschen Sozialgerichtsbarkeit.
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Fee Rahel Schlaegel
ist Rechtsanwältin bei Lawyal Rechtsanwälte in Köln. Seit 2002 arbeitet sie neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Autorin, u. a. für den Otto
Schmitt Verlag und die Lexis Nexis GmbH.
www.lawyal.de
Dr. Sylvia Ruge
ist Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Sie ist
seit 2003 als Rechtsanwältin tätig. Seit August 2011 arbeitet sie zusätzlich für
die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft und ist seit Januar 2014 deren
Geschäftsführerin.
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Filip Siegert
ist seit 2011 Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Häcker & Kollegen in
Aschaffenburg. Er ist zudem Regionalbeauftragter des FORUMs Junge
Anwaltschaft für den dortigen LG-Bezirk. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Verkehrsrecht und das Strafrecht.
[email protected]
Steffen Eube
ist angestellter Jurist bei der HDI Firmen und Privat Versicherung AG und dort
im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig.
[email protected]
Susanne Kleiner
ist freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin sowie Mediatorin in München
und kooperiert mit Rechtsanwälten als Expertin für Litigation-PR. Sie berät
zu Kanzlei-PR und Markenstrategie. Als Dozentin und zertifizierte Trainerin
vermittelt sie persönliche und mediale Kommunikationskompetenz.
www.susanne-kleiner.de
Tobias Sommer
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group.
Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice.
[email protected]
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Das letzte Wort
25 Jahre danach
Fotos Titelseite:
1 RainerSturm_pixelio.de
2 Andrea Vollmer
Der Mauerfall und das Recht
Okay, okay, eigentlich gehört sich das nicht,
auf der letzten Seite ein Thema durchzunudeln,
das eigentlich mehr Aufmerksamkeit und einen
Platz weiter vorn im Heft verdient. Zur Ehrenrettung der letzten Seite sei aber gesagt, dass
diese ähnlich wie die Titelseite gern zuerst gelesen wird. Beachtung ist im Pressegeschäft
eben alles, sodass wir auch auf dieses Kalkül
setzen und auf der letzten Seite Eyecatcher
platzieren. Und beinah wäre uns ein wichtiges
Thema vollständig durch die Lappen gegangen.
Stell Dir vor, es ist Wiedervereinigung und keiner
macht mit. Das könnten (Fantasie-)Worte der Ewiggestrigen sein, die in Gedanken immer noch an der
deutsch-deutschen Trennung festhalten und sich
für Ost und West starre Machtblöcke vorstellen. Wie
weit ist es eigentlich mit der innerdeutschen Einigung zum Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall
gediehen? Wie ist es insbesondere um die juristische Aufarbeitung des DDR-Unrechts bestellt?
Wenn man Rechtsanwalt und Galionsfigur der Linken, Gregor Gysi, in seinen öffentlich wirksamen
Statements vernimmt, scheint alles in Butter zu
sein. Doch ist dem so? Die wieder entbrannte Diskussion, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, spaltet
diejenigen, die große Teile ihres Lebens in der DDR
verbringen mussten. Die junge Generation in den
alten und neuen Bundesländern hingegen, also die
3 www.lernspiele.org_pixelio.de
zur bzw. nach der Wende geboren wurden – das
belegen Umfragen – haben zunehmend den Kontakt zur jüngsten Geschichte verloren. Sie kann mit
den alten Überlieferungen ihrer Eltern und Großeltern nur noch wenig anfangen. Die Teilung Deutsch­
lands verkommt anscheinend immer mehr zu einem
staubigen Relikt der Lehrbücher. Noch heute verdienen die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern nicht auf Westniveau. Andererseits fließt weiterhin der Solidaritätszuschlag in die Ostländer. Die
strukturschwachen Regionen im alten Westen
bräuchten dringend finanzielle Unterstützung, sehen
sie beinah so aus wie viele Städte des Ostens kurz
vor dem Mauerfall. Fragen nach dem Recht berühren unweigerlich moralische. „Ist das alles gerecht?“,
wollen immer mehr Menschen wissen. Wir Rechtsanwälte müssen uns dem Thema stellen, weil wir
das rechtliche Erbe der Einheit mit all ihren Facetten
verstehen sollten. Daher können, nein, müssen wir
es den Menschen erklären. Wenn aber wir's nicht
tun, wer macht's dann?
RA Patrick Ruppert, Köln
Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, RA Patrick Ruppert /
Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau /
V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur)
Anschrift wie Herausgeber
Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel. 030/7261520
Erscheinungsweise:
vierteljährlich (1./2./3./4. Quartal)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2015
Anzeigen: sales friendly
Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos
Siegburger Str. 123, 53229 Bonn
Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20
E-Mail: [email protected]
Bezugspreis: 48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten
für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des
FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein
ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN 1437-3084
Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring, BILDART
In unserem Archiv findet Ihr die Ausgabe 3/2009
zum Thema 20 Jahre Mauerfall.
www.davforum.de/blog/category/advoice-titelthemen/advoice-archiv/
Druck: Buch- & Kunstdruckerei Keßler GmbH, Weimar
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wider.
Redaktionsschluss Heft 1/2015: 17. Dezember 2014
Der ewige Kuss: Seit 25 Jahren tauschen Breschnew und Honecker sozialistische Zärtlichkeiten aus.
Foto: PixelWookie_pixelio.de
AdVoice 01/15
Geheimnisse
Geheimnisse gibt’s zuhauf: Amtsgeheimnis,
Arzt- und Anwaltsgeheimnis, Beichtgeheimnis und Geschäftsgeheimnis. Vieles spielt sich
im Verborgenen ab, geheime Dienste operieren verdeckt, selten lüftet sich der Mantel des
Schweigens, und wer Geheimnisse offenbart
– wie US-Agent Snowden – wird als Verräter
gebrandmarkt. Das führt uns zu den großen
Geheimnissen der Weltgeschichte. Wer hat
Kennedy erschossen? Nicht zuletzt hat jeder
sein persönliches, oft tief vergrabenes eigenes
Geheimnis. All dem geht die AdVoice in ihrer
ersten Ausgabe im neuen Jahr nach.
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AUTORENAUFRUF
JuraNews
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Alle Neuigkeiten, die die Berufsausübung
unmittelbar betreffen, nämlich aktuelle
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