SelektivkoSmetik
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SelektivkoSmetik
Selektivkosmetik Themen – Trends – Thesen Eine Sonderpublikation von MARKENARTIKEL – Das Magazin für Markenführung markenartikel Sonderheft » EDITORIAL Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben. Wilhelm von Humboldt Liebe Leserinnen, liebe Leser, Exquisite Düfte, wertvolle Cremes, hochwertige Lippenstifte oder aber trendige Nagellacke in ausgefallenen Verpackungen sind heutzutage ein Stück kleiner Luxus im Alltag. Kosmetik hat für nahezu alle Menschen eine Relevanz; Schönheit ist ein Ideal nach dem Viele streben. Ein gepflegtes Äußeres wird mit Dynamik und Erfolg assoziiert. Die Kosmetikwirtschaft hat sich so zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Der VKE-Kosmetikverband vertritt seit mehr als 60 Jahren die Fachinteressen der mit der Vermarktung von Parfums und Kosmetik befassten Hersteller und Distributeure des selektiven Vertriebssegments. Aktuell sind rund sechzig Unternehmen Mitglied. Diese realisieren mit über 250 Marken wie zum Beispiel Boss, Burberry, Chanel, Clarins, Clinique, Dior, Jean Paul Gaultier, Lancôme, Shiseido, Versace und Börlind einen Deutschlandumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Arbeitsschwerpunkte des VKE unter dem Motto »Selektivvertrieb stärken, fairen Leistungswettbewerb bewahren« sind, neben der Stärkung des Eigenverständnisses der Depotkosmetik innerhalb eines klaren ordnungspolitischen Rahmens, die Gestaltung der Beziehungen Industrie und Handel, der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie, die Eindämmung der Graumärkte und die Schaffung eines positiven Bewusstseins für gehobenen Konsum. Der Handel mit Markenfakes und sogenannter Graumarktware von nicht autorisierten Online-Shops stellt in diesem Zusammenhang ein oftmals unterschätztes Problem dar. Daher hat der VKE-Kosmetikverband ein Qualitätssiegel initiiert, das ausschließlich offiziell autorisierten Handelspartnern zur Kennzeichnung ihrer Homepage zur Verfügung gestellt wird. Unseriösen Plattformen und dubiosen Anbietern von Kosmetik im Internet soll damit Einhalt geboten werden. Auch das ist ein ganz entscheidender Schritt zu mehr Verbrauchersicherheit und dem Schutz der Rechteinhaber. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für unsere Branche haben wir in dem vorliegenden Heft zusammengefasst. Ich wünche Ihnen angenehme Lektüre Ihr Martin Ruppmann Geschäftsführer VKE-Kosmetikverband, Berlin VKE-Kosmetikverband 3 VKE-Kosmetikverband INHALT markenartikel Sonderheft 4 VKE: Kosmetik im Fokus 3 Martin Ruppmann, VKE-Kosmetikverband: Selektivvertrieb stärken, fairen Leistungswettbewerb bewahren 6 Interview: VKE-Präsident Stephan Seidel und VKE-Geschäftsführer Martin Ruppmann über Trends und Entwicklungen in der Branche 9 'Autorisierter Online-Händler': Neues Online-Siegel schafft Verbrauchersicherheit Kosmetik: Ein Markt in Bewegung 6 10 Historie: Die Kultur des Schönen pflegen, Interessen der Hersteller selektiver Kosmetikprodukte in Gesellschaft und Politik vertreten 14 Zeit der gesteigerten Lebensqualität: Trends und Wertewandel im Kosmetikmarkt der Zukunft 18 Selektivvertrieb: Kartellrechtliche Rahmendaten anpassen 22 Mehrwert schaffen: Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle immer wichtiger Recht: Branche stärken 18 Der VKE-Kosmetikverband, Berlin wurde 1952 in Frankfurt am Main gegründet und nimmt die gemeinsamen Berufs- und Fachinteressen der Distributeure bzw. Hersteller selektiv vertriebener Duft- bzw. Kosmetikprodukte in Deutschland wahr. Mitglieder des VKE sind heute fast 60 deutsche Vertriebstöchter ausländischer Stammhäuser bzw. inländische Kosmetikproduzenten, die über 250, zum Teil weltbekannte Marken und einen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro in Deutschland repräsentieren. www.kosmetikverband.de markenartikel Sonderheft Inhalt VKE-Kosmetikverband 5 25 Kaufprozess: Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle immer wichtiger 28 Interview: Steffen Seifarth, Coty Prestige, über den Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie und das Engagement der Branche 32 Interview: Susanne Rumbler, Beauté Prestige International, über Düfte bekannter Designer und den Hauch der Verführung 34 Interview: Andreas Sistig, Shiseido Deutschland, über die Zusam- 38 menarbeit mit dem Handel und das Thema Wertschöpfung Werbung: Trends und Entwicklungen 38 Interview: Rolf Sigmund, L’Oréal Luxe, über Luxuskosmetik in der Werbung und die Besonderheiten der unterschiedlichen Werbekanäle 40 Interview: Michael Lindner, Annemarie Börlind, erläutert, worauf es bei grünen Produkten ankommt und warum Authentizität Trumpf ist 43 Überblick: Informationen zum VKE-Kosmetikverband 40 Nachhaltigkeit: Konsequent und authentisch Impressum »VKE-Kosmetikverband« Markenartikel-Sonderheft Januar 2014 Herausgeber: VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V. Unter den Linden 42 10117 Berlin Tel. +49 30/206168-22 Fax. +49 30/206168-722 E-Mail: [email protected] Produktmanagement: Antje Brüne Martin Ruppmann Verlag: New Business Verlag GmbH & Co. KG Nebendahlstr. 16 22041 Hamburg Fon: 040 / 60 900 9-0 Fax: 040 / 60 900 9-15 E-Mail: [email protected] www.markenartikel-magazin.de Geschäftsführung: Antje-Betina Weidlich-Strahlendorf Anzeigenleitung: Jens Jansen (-52) Anzeigendisposition: Silke-Reyher-Timmann (-54) Vertriebsmarketing: Birgit Jessen (-62) Vertrieb: Angelika Schmidt (Ltg. -65), Ingrid Siegmund Chefredakteur: Peter Strahlendorf (ps) Chef vom Dienst: Vanessa Göbel (vg) Anzeigen-Preisliste: Nr. 35 vom 1. Januar 2012 ISSN: 0342-1236 Redaktion: Uwe Käckenhoff (kae) Torsten Schöwing (tor) Autoren dieser Ausgabe (s. gekennzeichnete Beiträge) Bankverbindung: Hamburger Sparkasse 12 17 / 13 13 23 (BLZ 200 505 50) Commerzbank 48 22 821 (BLZ 200 400 00) Ust.-Id.-Nr.: DE 217 920 773 Grafik/Layout: Daniela Rocksin Titelgestaltung: Anne Allert (Fotos: fotolia) Das Heft und alle enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist die Verwertung nur mit schriftlicher Einwilligung des Verlages erlaubt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Datenträger und Fotos wird keine Haftu ng übernommen. Namentlich gekennzeichnete Fremdbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Copyright Markenartikel 2014 Druck: Lehmann Offsetdruck GmbH, Norderstedt VKE-Kosmetikverband 6 im gespräch Markenartikel Sonderheft Kompetent und konsequent Der VKE-Kosmetikverband steht seinen Mitgliedern in politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite. Präsident Stephan Seidel und Geschäftsführer Martin Ruppmann sprechen über die Herausforderungen des Marktes. MARKENARTIKEL: Vor über 60 Jahren wurde der VKE-Kosmetikverband gegründet. Was waren in diesen Jahren einschneidende Veränderungen in der Kosmetikbranche? Stephan Seidel: Das ist ein langer Zeitraum, und die Veränderungen gehen seit Ende der 1990er-Jahre immer schneller vonstatten. Die Halbwertszeit für Innovationen hat sich dramatisch verkürzt, und die Verbraucher sind informiert wie noch nie. Unsere Branche ist insofern mit einer herausfordernden Mischung aus gesellschaftlichen, technologischen, handelspolitischen und rechtlichen Entwicklungen konfrontiert, die alle auf ihre spezifische Art und Weise unseren Markt beeinflusst haben beziehungsweise weiterhin massiv beeinflussen. nen zu manifestieren. Kernpunkte unserer Tätigkeit als wichtiger Meinungsbildner der Branche sind demzufolge der Erhalt und die Festigung des selektiven Vertriebssystems, der Schutz der Marke sowie die Information der Verbraucher. Und ja, besonders wichtig ist uns dabei auch die Sicherstellung einer fachlich kompetenten, autorisierten, im Sortiment umfassenden, qualitativ hochwertigen Distribution. Seidel: Die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von Markenwerten am POS durch entsprechende Kommunikation mit unseren Handelspartnern ist uns sehr wichtig. Im Fokus steht dabei die konstruktive Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Industrie und Handel. Dies ist nicht immer einfach und erfordert erhebliches Beharrungsvermögen. MARKENARTIKEL: Können Sie diese Entwicklungen erläutern? Seidel: Beispielsweise ist es spannend zu beobachten, wie sich die Einstellung von Männern zu Kosmetik verändert hat. Was heute fast selbstverständlich erscheint – etwa eigene Pflegeprodukte, der Besuch im Kosmetikstudio und vielleicht sogar die Verwendung von Gesichtspuder – war vor gut zehn Jahren nur etwas für eine sehr kleine Randgruppe. Oder nehmen Sie die weiterentwickelten Möglichkeiten, hochwirksame Inhaltsstoffe zu gewinnen, die den Konsumenten neue, fortschrittliche Produkte beschert haben. Aber auch die zunehmende Konzentration im Handel hat den Markt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder sehr beeinflusst, bewegt ihn weiterhin und macht ihn in mancher Hinsicht leider recht unbeweglich. MARKENARTIKEL: Die Zusammenarbeit mit dem Handel gehört zu einem der wichtigsten Knackpunkte bei der Arbeit des VKE-Kosmetikverbandes... Martin Ruppmann: Dem VKE als Fachverband geht es in seiner Arbeit vor allem darum, das Verständnis für Depotkosmetik zu stärken und auf allen politischen, wirtschaftlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ebe- VKE-Präsident Stephan Seidel markenartikel Sonderheft im gespräch VKE-Kosmetikverband 7 VKE-Geschäftsführer Martin Ruppmann MARKENARTIKEL: Klingt, als seien die Beziehungen zum Handel nicht immer unproblematisch. Welche Herausforderungen gibt es? Seidel: Ich glaube, unsere Branche ist überwiegend von einer zielorientierten Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und dem Einzelhandel geprägt. Natürlich gibt es immer wieder Punkte, wo es gewaltig knirscht. Punkte, wo handelsseitig Ideen entwickelt, Konzepte versucht oder Forderungen erhoben werden, die einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten. Hier werden wir als Verband im Sinne unserer Mitglieder aktiv und versuchen, im gebotenen Rahmen des Kartellrechts tragfähige Lösungsangebote zu entwickeln. Eine besondere Herausforderung sind in diesem Zusammenhang sicherlich die fortgesetzte Preisfokussierung des Handels, die teilweise unbefriedigende Inszenierung von Markenwelten und eine unangemessen dominante Eigenmarkenpolitik. Ruppmann: Zwei Projekte, die wir deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Handel umgesetzt haben beziehungsweise gerade umsetzen, sind die Multi-Client-Studie »Duft & Kosmetik« zur Wahrnehmung des Parfümerie-Angebotes aus Kundensicht und der Branchenguide »Stammdatenaustausch Selektive Kosmetik«. MARKENARTIKEL: Welche Ziele verfolgen Sie mit den beiden Initiativen? Ruppmann: Im Rahmen der Multi-Client-Studie wurden unter anderem Erkenntnisse zum Einkaufsverhalten und zum Thema Einkaufserlebnis gewonnen, die jetzt fundierte Hilfestellung bei der Optimierung des Category Managements bieten. Beim Branchenguide geht es darum, umfassende Möglichkeiten aufzuzeigen, wie insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen auf Basis bewährter Standards Artikelstammdaten austauschen, ihre Prozesseffizienz erhöhen, eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit generieren und durch erhöhte Kundenzufriedenheit eine verbesserte Kundenbindung erreichen können. MARKENARTIKEL: Der VKE setzt sich damit klar für die Belange der Industrie ein. Ruppmann: Die Bedeutung und Verwendung von Kosmetik in unserer Gesellschaft hat zugenommen und damit verbunden natürlich auch die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Interessen der Beteiligten. Wichtig ist uns, in dem für uns relevanten Umfeld gehört zu werden. Dazu gehört es auch, Themen unter Umständen gar nicht erst groß zu machen. Wir agieren häufig schon im Vorfeld beratend und vermittelnd – aber eher im Hintergrund. Dabei kommt es beispielsweise darauf an, die bilateralen Beziehungen zwischen Handel und Industrie zu gestalten und dort konsequent tätig zu werden, wo es angemessen, notwendig und natürlich juristisch einwandfrei möglich ist. MARKENARTIKEL: Haben Sie ein Beispiel? Ruppmann: Seinerzeit haben wir etwa unsere Mitglieder mit Rat und Tat durch die Karstadt-Insolvenz begleitet. Auch können immer wieder unberechtigte Handelsforderungen zurückgewiesen werden. Zudem ist der VKE durch konsequente PR-Arbeit sicherlich eine bedeutende Stimme, wenn es um das Thema Kosmetik geht. Seidel: Und das wird er bleiben. Als Präsident des Kosmetikverbandes ist es mein Ziel, exzellente Verbandsarbeit auf hohem Niveau zu bieten und dabei – unternehmerisch gedacht – notwendige Anpassungen, Modernisierungen oder auch Optimierungen vorzunehmen. Wir arbeiten insgesamt immer strategischer. Die Mitglieder bringen sich dabei in erfreulicher Weise ein und das Vorstandsteam ergänzt sich ideal. MARKENARTIKEL: Beste Voraussetzungen, um den Herausforderungen des Marktes zu begegnen. Seidel: Zu unseren Tätigkeitsschwerpunkten gehören ja insbesondere auch die Eindämmung des Graumarktes und der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie sowie das Eintreten für die Wahrung selektiver Ver- VKE-Kosmetikverband » im gespräch Markenartikel Sonderheft Wir müssen die Glaubwürdigkeit und Begehrlichkeit unserer Marken nachhaltig im Bewusstsein zu verankern. Stephan Seidel, VKE-Präsident 8 triebssysteme. Hier gibt es noch viel zu tun – und das können wir nur gemeinsam schaffen. Ruppmann: In diesem Zusammenhang ist auch enorm wichtig, einen klaren ordnungspolitischen Rahmen zu setzen, in dem wir mit unseren Geschäftspartnern auf der Basis eines fairen Leistungswettbewerbs perspektivisch agieren können. Selektive Vertriebssysteme mit ihren Feinheiten, die allen Beteiligten zugute kommen – also Industrie und Handel Wertschöpfung generieren lassen und den Konsumenten ganz besondere Einkaufserlebnisse mit erheblichem Mehrwert verschaffen –, müssen auch weiterhin möglich sein. Und mit Blick auf die Produkt- und Markenpiraterie fordern wir die konsequente Umsetzung der vorhandenen, erfreulicherweise optimierten, gesetzlichen Vorschriften zur Eindämmung gewerblich begangener Schutzrechtsverstöße. MARKENARTIKEL: Forderungen, die sicher Gehör finden sollten. Schließlich ist der Wirtschaftsfaktor Kosmetik hierzulande nicht unerheblich. Seidel: Der VKE hat heute über 50 namhafte Mitgliedsunternehmen und repräsentiert einen Einverkaufs-Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro in Deutschland. Unsere Mitglieder und deren Zulieferer, aber auch unsere Partner aus dem Handel, den Agenturen und den Medien stehen für tausende Arbeitsplätze. Und wir gehen auch für die Zukunft von einer kontinuierlich positiven Entwicklung aus. Wichtig ist natürlich außerdem die gesellschaftliche Bedeutung von Kosmetik. MARKENARTIKEL: Wie meinen Sie das? Seidel: Wer jeden Tag mit dem Thema Schönheit zu tun hat, weiß, wie elementar die Bedeutung von gutem Aussehen für nahezu alle Menschen ist. Und ich meine nicht nur diejenigen, die sich täglich an einem guten Duft erfreuen, die Spaß an den aktuellen Nagellackfarben haben und damit Akzente setzten, die vielleicht ein paar Hautunreinheiten mit einem neuen Make-up kaschieren oder diejenigen, die sich mit einer hochwertigen Pflege puren Luxus gönnen. Ich meine insbesondere die Frauen, die eine gesundheitlich bedingte Krise durchleben. Auch hier kann Kosmetik helfen, wieder ein Stück mehr Lebensqualität zu erlangen. MARKENARTIKEL: Inwieweit hat sich das Verbraucherverhalten denn mit den Jahren verändert – und was bedeutet das für die Vermarktung von Selektivkosmetik? Seidel: Die Verbraucher sind informierter und kritischer, sehr qualitäts- und zugleich äußerst preisbe- wusst. Zudem sind die Erwartungen an die Industrie immer weiter gestiegen: Neue Produkte müssen immer noch wirksamer sein. Für die Vermarktung der Selektivkosmetik bedeutete dies, auf Basis inhaltlich überdurchschnittlicher Produkte die richtige Verbraucheransprache zu finden, um die Glaubwürdigkeit und Begehrlichkeit unserer Marken nachhaltig im Bewusstsein zu verankern und den Mehrwert klar zu kommunizieren. MARKENARTIKEL: In diesem Zusammenhang spielt auch das Internet zunehmend eine wichtige Rolle. Wie sieht Ihrer Meinung nach das optimale Zusammenspiel zwischen On- und Offline aus? Seidel: Auf die weite Zukunft gesehen, wäre das bei der rasanten Entwicklung neuer Technologien und Möglichkeiten ein Blick in die Glaskugel. Mittelfristig und zum Teil auch kurzfristig bin ich jedoch sehr optimistisch, dass gerade die Kosmetikbranche prädestiniert ist für ein gutes Miteinander von On- und Offline. Das bestätigen aktuelle Untersuchungen zu diesem Thema. Sie zeigen, dass Duft und Kosmetik vom Look and Feel und der Beratung im stationären Fachhandel leben. Nachkäufe bzw. Ergänzungen erfolgen zusätzlich im Internet. MARKENARTIKEL: Wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft werfen: Welches sind die größten Herausforderungen, denen sich der VKE künftig stellen muss? Ruppmann: Das Tagesgeschäft hält immer wieder aufs Neue grundlegende Herausforderungen bereit. Wir sehen uns als aufmerksamer Marktbeobachter, der Trends und Entwicklungen aufgreift, analysiert, aufbereitet, diskutiert und Handlungs- oder Reaktionsmöglichkeiten ableitet. Das Thema Online- oder Multichannel-Handel ist und bleibt auf absehbare Zeit eines der schwierigen Themen, weil es äußerst vielschichtig ist. Zudem ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Gebiet, das stark mit dem gesellschaftlichen Wertewandel verbunden ist und immer mehr Einzug auch in unsere Branche hält. Der VKE als Interessenvertreter der Selektivkosmetik muss sich daher den sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen und neuen Themen stellen. Verbandsarbeit ist eben nicht statisch, sondern in unserem Fall außerordentlich dynamisch. Interview: Vanessa Göbel markenartikel Sonderheft Gütesiegel Online-Siegel schafft Verbrauchersicherheit Browserfenster © kreizihorse - Fotolia Das vom VKE-Kosmetikverband initiierte Siegel 'Autorisierter Online-Händler' soll den Internethandel mit gesundheitsgefährdenden Markenfälschungen und Graumarktware, die oft überaltert ist und damit Qualitätsstandards nicht mehr genügt, eindämmen. Das Siegel gibt den Verbrauchern die Sicherheit, dass sie einwandfreie Ware erwerben. »Ab sofort können autorisierte Vertragshändler unserer Mitgliedsunternehmen ihre Online-Shops über das vom VKE-Kosmetikverband initiierte Siegel 'Autorisierter Online-Händler' auf der Startseite kennzeichnen«, sagt Martin Ruppmann, VKE-Geschäftsführer. »So erhalten die Verbraucher die Sicherheit, dass es sich um einen seriösen Online-Shop handelt, der auf vertraglicher Basis qualitativ einwandfreie und sichere Originalprodukte verkauft.« Vorfeld zu erkennen. Die Einführung des Siegels soll den Erwerb des hochwertigen, sicheren Originals garantieren und damit der Verbrauchersicherheit dienen. Von Seiten der Handelspartner wird die Initiative des VKE-Kosmetikverbands und seiner Mitglieder ausdrücklich begrüßt. Als erste Händler verwenden Anschlusshäuser der Einkaufs-Kooperation Beauty Alliance, Bielefeld, seit Dezember 2013 das Siegel 'Autorisierter Online-Händler' bei ihren Web-Shops. Siegel für mehr Verbrauchersicherheit Orientierungshilfe für die Konsumenten Der VKE-Kosmetikverband warnt seit Jahren vor dem Kauf minderwertiger Kosmetika im Internet. Markenfakes oder überlagerte beziehungsweise beschädigte Waren aus Parallelmärkten werden dort sehr häufig – oftmals auf Online-Plattformen/Marktplätzen – angeboten. Für den Käufer ist es praktisch unmöglich, hier Original und Fälschung voneinander zu unterscheiden oder aber die wirkliche Qualität der Waren im Der Fachhändler mit seiner umfassenden Beratungsleistung spielt im selektiven Kosmetikvertrieb eine entscheidende Rolle. Das Siegel stärkt diese wichtige Position. Damit die hohe Fachhandelskompetenz aber auch im Multichannel-Handel für die Konsumenten deutlich wird, müssen sie wissen, welcher InternetShop sicheres Einkaufen gewährleistet. Ohne anerkanntes Siegel funktioniert das leider nicht mehr. VKE-Kosmetikverband 9 VKE-Kosmetikverband 10 verbandshistorie Markenartikel Sonderheft Die Kultur des Schönen pflegen Als Interessenvertretung für hochwertige Kosmetika ist der VKEKosmetikverband 1952 an den Start gegangen. Seitdem hat sich nicht nur der gesamte Kosmetikmarkt, sondern auch das Aufgabenspektrum des Verbandes stetig gewandelt und vergrößert. Deutschland nimmt zum ersten Mal seit Kriegsende wieder an den Olympischen Spielen teil. Die Insel Helgoland kommt wieder unter deutsche Verwaltung. Japan und die Bundesrepublik nehmen diplomatische Beziehungen auf. Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler Adenauer einigen sich auf das »Deutschlandlied« als Nationalhymne. Die Bundesrepublik wird Mitglied des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Und der deutsche Theologe und Missionsarzt Albert Schweitzer erhält für sein Wirken den Friedensnobelpreis. Würde man all diese Ereignisse aus dem Jahre 1952 unter eine gemeinsame Formel bringen, könnte sie lauten: Rückkehr zur Normalität. International gewann Deutschland nach den Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges wieder an Ansehen, Der Griff zum Schminkpinsel und der Wiederaufbau ist für Frauen inzwischen eine des zerstörten Landes Selbstverständlichkeit. lief auf Hochtouren. Wirtschaf tswunder lautete das Wort der Stunde. Beste Rahmenbedingungen also, um im gleichen Jahr in Frankfurt am Main eiFoto: iStock Photo ne Interessenvertretung für hochwertige Kosmetika zu gründen, den Verband der kosmetischen Einfuhrfirmen (VKE). Denn mit der zunehmenden Normalisierung des Alltags nach dem Krieg entstand immer stärker der Wunsch, wieder die Kultur des Schönen zu pflegen und zu leben – mit Genuss, Stil und Leidenschaft. Und genau für diese Werte steht der VKE von Anfang an. Sprachrohr für Genuss, Stil und Leidenschaft Die Organisation, die Anfang 2007 ihren Sitz nach Berlin verlagerte, vertritt heute wie damals die gemeinsamen Berufs- und Fachinteressen der mit der Vermarktung von Parfums, Kosmetik und Körperpflegeprodukten befassten deutschen Distributeure und Herstellerfirmen. Die Zahl der Mitglieder wuchs dabei über die Jahre auf heute knapp 60 vorwiegend selektiv vertreibende Tochterunternehmen ausländischer Stammhäuser beziehungsweise deutsche Kosmetikanbieter, die zusammen mehr als 250 zum Teil weltbekannte Marken anbieten und einen Deutschland-Umsatz von über zwei Milliarden Euro repräsentieren. Der Verband vertritt dabei vor allem die Anbieter von Kosmetika des mittleren, hohen und höchsten Preissegments. Entscheidend sind aber keinesfalls Größe oder Umsatz der Einzelunternehmen, sondern die Einhaltung der qualitativen Kriterien des beratungsintensiven selektiven Vertriebs. Bei seiner Arbeit geht es dem VKE seit Anbeginn vor allem darum, das Eigenverständnis der Depotkosmetik zu stärken und auf allen politischen und wirtschaftlichen Ebenen zu manifestieren. Stark im Fokus steht dabei, die Position des selektiven Vertriebssystems weiter zu festigen und Imagepflege für den gehobenen Konsum zu betreiben. Sichergestellt werden soll eine fachlich kompetente, autorisierte, im Sortiment umfassende, qualitativ hochwertige und trotzdem breite Distribution – ein Anspruch, den besonders markenartikel Sonderheft verbandshistorie VKE-Kosmetikverband Konsumentinnen Zwischen Markentreue und Probierlust Quelle: Brigitta KA 2012 Ich kaufe aus Überzeugung immer die gleiche Marke Ich habe eine bestimmte Auswahl von Marken, zwischen denen ich je nach Lust und Laune auswähle Ich habe eine bestimmte Auswahl von Marken, unter denen ich diejenige aussuche, die gerade besonders preisgünstig ist Ich nehme immer das Preisgünstigste, ohne auf die Marke zu achten Kaufe ich nie 11 Dekorative Kosmetik Make-up, Nagellack, Lippenstift, Wimperntusche usw. 14 % 41 % 25 % 10 % 9% Gesichtspflege Tagescreme, Nachtcreme, Reinigungs-milch, Gesichtsmaske usw. 31 % 33 % 24 % 8% 4% Körperpflege Seife, Deodorant, Bade-/ Duschzusätze usw. 14 % 39 % 34 % 13 % 0% Haarpflege Shampoo, Haarkur, Haarspray, Tönungsmittel usw. 23 % 37 % 30 % 9% 0% Düfte Parfüm, Eau de Cologne, Eau de Toilette 18 % 48 % 23 % 6% 6% Sonnenschutzmittel 18 % 25 % 32 % 18 % 7% Zahnpflege Zahnpasta, Mundwasser, Zahnbürste usw. 27 % 30 % 29 % 14 % 0% Basis: 29,99 Mio. Frauen zwischen 14 und 70 Jahren Setze Frau früher meist auf eine einzige Lieblingsmarke, wählt sie heute nach Lust, Laune und Preis aus einer Gruppe verschiedener Produkte. auch der im Januar 2001 gegründete Arbeitskreis »Selektiver Vertrieb und Recht« verfolgt. Gestärkt werden sollen insbesondere auch das Anspruchsbewusstsein und der Produktinformationsgrad beim Verkaufspersonal in dem deutschen Parfümiehandel. Verbraucherschutzstandards sicherstellen Ein weiteres Tätigkeitsfeld des VKE als Industrieverband und damit Informationsdrehscheibe zwischen Experten aus Wissenschaft, Handel, Endverbrauchern, Verbänden und den Regierungsinstitutionen ist, die Einhaltung der hohen europäischen Verbraucherschutzstandards sicherzustellen. Ein anderes zentrales Anliegen ist die Bekämpfung der Produktpiraterie beziehungsweise der Einfuhr von Kosmetika über sogenannte Graumärkte sowie die Bewahrung eines fairen Wettbewerbs im Kosmetikmarkt. In diesem Zusammenhang spielt die 2001 mit dem Markenverband eingegangene enge Kooperation eine wichtige Rolle. Gemeinsam wurden gleich gelagete vertriebs- und markenpolitische Interessen gebündelt, ebenso die vorhandene Expertise auf dem Gebiet des Markenaufbaus, der Markenpflege und vor allem des Marken- sowie Kartellrechts. Produkt- und Markenpiraterie wird dabei als innovationsfeindlich, Gefahr für die Verbrauchersicherheit und Arbeitsplatzvernichter bekämpft. Allein 2012 wurden im Produktsegment Parfum und Kosmetik vom Zoll in Deutschland gefälschte Waren im Wert von 22,7 Millionen Euro sichergestellt – bei einer vermutet sehr hohen Dunkelziffer gefälschter Kosmetika, die über nicht autorisierte Vertriebswege, etwa Internet-Auktionsplattformen, ihren Weg zum Verbraucher finden. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den Schwerpunkten der VKE-Arbeit: Der Verband ist Ansprechpartner für alle Medien, wenn es beispielsweise um hochwertige Kosmetik, quantitative und qualitative Trends und Entwicklungen im Markt sowie Konsumentenverhalten geht. Zudem versteht man sich als kompetenter Ansprechpartner im Falle diskriminierender oder diffamierender Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel durch fragwürdige Berichte über vermeintlich gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe. Mit Hilfe von Experten aus Forschung und Wissenschaft erhalten die betroffenen Mitgliedsfirmen fundierte Argumentationshilfen. Doch auch ein wenig Glamour erlaubt sich der VKE: Der Verband koordiniert die Arbeit der Fragrance Foundation Deutschland, um der Banalisierung des Kulturguts Parfum entgegenzutreten und die Faszination Parfum zu fördern – etwa durch die jährliche Verleihung des deutschen Parfumpreises »Duftstars« im Rahmen einer hochkarätigen Galaveranstaltung in Berlin. VKE-Kosmetikverband verbandshistorie Markenartikel Sonderheft Gehört die Verwendung von Parfüm zur täglichen Routine? Parfum gehört inzwischen für viele zur täglichen Routine Total Wie häufig verwenden Sie Eau de Toilette oder Eau de Parfum? 18 - 34 45 30 Täglich oder fast täglich 12 Alter 35 - 54 37 35 26 55 - 64 44 34 50 3-4 Mal pro Woche 18 15 20 17 15 17 9 1-2 Mal pro Woche 12 16 12 16 13 19 11 9 1-2 Mal im Monat 8 7 6 7 9 8 8 6 Seltener als einmal im Monat 5 12 7 8 5 3 Nie 13 19 19 17 13 9 17 21 15 13 26 Frauen Männer Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer verwenden täglich Eau de Toilette oder Eau de Parfum. Quelle: TNS Infratest, Repräsentative OnlineBefragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland Ein Markt in steter Bewegung Die Relevanz der VKE-Arbeit zeigen nicht zuletzt die Zahlen. In einer repräsentativen Umfrage haben der Verband und TNS Infratest 1045 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren zu ihren persönlichen Verwendungsgewohnheiten von Duft befragt. Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer gaben dabei an, täglich Eau de Toilette oder Eau de Parfum zu verwenden. Für jeden Zweiten ist die Verwendung damit tägliche Routine. Bei den 18- bis 34-Jährigen greifen sogar genau so viele Männer wie Frauen täglich zum Duft. Auffällig dabei: Selten- bzw. Nicht-Verwender gibt es nur wenige. Lediglich jeder fünfte Mann und noch weniger der Frauen verwenden niemals Eau de Toilette oder Eau de Parfum. Die Verwendung von Düften ist also für die meisten Menschen selbstverständlich geworden – nur noch wenige können sich einen Verzicht darauf vorstellen. Zwischen Frauen und Männern zeigen sich dabei nur geringfügige Unterschiede: Besonders bei den jungen Männern ist die Verwendung genauso selbstverständlich wie bei den Frauen. Auch wurden von VKE und TNS Infratest 507 Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren zu den Verwendungsgelegenheiten dekorativer Kosmetik befragt. Dabei beantworteten 22 Prozent der Konsumentinnen die Frage, zu welchen Gelegenheiten sie die von ihnen verwendete dekorative Kosmetik auftragen, mit »immer«. Zu Hause oder beim Sport legen Frauen jedoch deutlich weniger Wert darauf, sich zu schminken: Im Durchschnitt gaben hier nur knapp 8 Prozent der Frauen an, dekorative Kosmetik aufzutragen. Verlassen sie das Haus, ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild: Bereits bei alltäglichen Dingen wie dem Einkauf gaben 22 Prozent an, sich zu schminken. Geht es zu geselligen Anlässen wie Feierlichkeiten, in die Diskothek oder zu einem Date, so verwenden durchschnittlich 55 Prozent der befragten Konsumentinnen dekorative Kosmetik. Und besondere Gelegenheiten wie eine Hochzeit veranlassen sogar fast drei Viertel der Frauen sich zu schminken. Mascara ist dabei das Produkt, das Frauen am häufigsten verwenden: Zwei Drittel der 18- bis 64-Jährigen nutzen es mindestens einmal in der Woche. Zum Vergleich: Nagellack wird zwar auch von drei Viertel der Frauen gelegentlich verwendet, aber die meisten lackieren sich die Nägel eher zu besonderen Gelegenheiten – nur ein Viertel tut dies regelmäßig. Besonders verbreitet ist die Nutzung von Mascara unter jüngeren Frauen (18 bis 34 Jahre). Andere Produkte, die besonders von Jüngeren verwendet werden, sind Puder und Make-up, wobei letzteres auch von Frauen mittleren Alters öfter genutzt wird. Lippenstift und Lipliner dagegen nutzen die Jüngeren zwar gelegentlich, häufiger werden diese Produkte aber von Frauen über 35 Jahren verwendet. Optimistisch in die Zukunft Der Parfum- und Kosmetikmarkt entwickelt sich also beständig weiter, und auch die Unternehmen des selektiven Kosmetikvertriebs konnten 2012 auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken. Die vom VKEKosmetikverband repräsentierten Unternehmen der mittel- und höherpreisigen Kosmetik haben für 2012 ein Umsatzplus von 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gemeldet. Als Gründe dafür angesehen werden starke Qualitätsmarken, hohe Innovationskraft und konstruktive Lösungsansätze zur Fortentwicklung des Marktes. Zudem habe eine geänderte Absatzpolitik in den Par- Dekorative Kosmetik: Wer verwendet was? markenartikel Sonderheft verbandshistorie VKE-Kosmetikverband Mascara ist bei der Dekorativen Kosmetik besonders beliebt in % Total 18-34 Jahre 35-49 Jahre 50-64 Jahre n=501 n=165 n=242 n=94 Mascara 57 Lippenstift 43 Make Up 43 Puder 29 Nagellack 27 21 67 73 36 69 37 Rouge Lipliner 78 29 73 46 46 32 17 regelmäßige Verwendung (zumindest 1-2mal / Woche) 78 70 23 66 53 36 52 22 44 32 60 24 69 44 63 33 77 53 73 36 69 57 74 42 77 46 52 50 72 50 61 85 31 21 48 61 75 44 Verwendung überhaupt Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 501 Frauen ab 18 Jahre, März 2013, Deutschland Klarer Favorit: Zwei derRepräsentative 18- bis 64-Jährigen nutzen Mascara mindestens einmalMärz in der2013, Woche, um sich zu schminken. Quelle: TNSDrittel Infratest, Online-Befragung, 501 Frauen ab 18 Jahre, Deutschland fümerien dazu geführt, den Konsumenten den Wert von Marken noch deutlicher zu machen und damit ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Aber es gibt auch immer wieder neue Herausforderungen. Beispielsweise hält es der VKE-Kosmetikverband auch in Zukunft für unerlässlich, dass seine Mitgliedsunternehmen der auch in der Kosmetikbranche wachsenden Nachfragemacht der Händler begegnen und überzeugende Konzepte von dort einfordern. Ferner gelte es, übermäßige regulatorische Eingriffe auf europäischer sowie nationaler Ebene zu verhindern, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Wie die Branche in 60 Jahren dasteht und welche Ge- schehnisse dann die Menschen bewegen werden, lässt sich heute natürlich noch nicht beantworten. Die nahe Zukunft aber, soviel lässt sich schon jetzt sagen, scheint vielversprechend. Der VKE rechnet für 2013 mit Umsatzzuwächsen von circa zwei Prozent und geht auch für 2014 von einer Fortsetzung des Positivtrends aus. Dabei sehen die Firmen vor allem die Dekorative Kosmetik, Damendüfte sowie das Herrensegment als Wachstumssegmente. Denn Genuss, Stil und Leidenschaft, kurzum die Kultur des Schönen gilt es heute ebenso zu pflegen wie schon vor sechs Jahrzehnten bei der Gründung des VKE. Torsten Schöwing Zu welchen Anlässen dekorative Kosmetik zum Einsatz kommt Dek. Kosmetik allgemein in % n = 507 Bei besonderen Gelegenheiten (z.B. Hochzeit, Jubiläum, andere Feste/Feierlichkeiten) 71 Mascara n = 422 Lippenstift n = 397 76 Make-up n = 392 75 74 Wenn ich abends tanzen oder in eine Bar gehe 55 66 58 60 Bei kulturellen Anlässen (Theater, Oper, Ausstellung etc.) 55 64 56 57 52 Wenn ich abends Essen gehe 47 64 52 Wenn ich ein Date habe 52 63 51 57 33 53 Bei der Arbeit 31 53 30 37 Wenn ich mich spontan mit engen Freunden treffe 27 47 29 31 22 43 Wenn ich ins Kino gehe Beim Einkaufen 34 24 37 25 Wenn ich mit meinem Partner/meiner Familie Zeit zu Hause verbringe 14 27 12 15 Wenn ich alleine zu Hause bin 9 19 8 9 Beim Sport 8 17 5 8 Immer 22 41 Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 507 Frauen ab 18 Jahre, Februar 2011, Deutschland 18 25 Selbst zum Einkauf schminken sich 22 Prozent der Frauen. Und bei Hochzeiten verwenden sogar fast drei Viertel aller Frauen dekorative Kosmetik. 13 VKE-Kosmetikverband 14 Wertewandel Markenartikel Sonderheft Trends und Wertewandel im Kosmetikmarkt Die Werte der Deutschen wandeln sich. Freiheit, Familie und Gesundheit werden immer wichtiger. Dieser Wertewandel hat Auswirkungen auf den Kosmetikmarkt der Zukunft. Self-Designing gewinnt an Bedeutung. Wir haben genau hingehört: Eine halbe Million Dokumente im Internet wurden ausgewertet, um mehr darüber zu erfahren, was die Deutschen denken und was ihnen wichtig ist. Herausgekommen ist eine Top 10-Liste der wichtigsten Werte der Deutschen: der Werte-Index 2014, herausgegeben von Trendbüro in Zusammenarbeit mit TNS Infratest. Auf den ersten drei Plätzen und damit die wichtigsten Werte der Deutschen: Gesundheit, Freiheit und Erfolg. Gesundheit ist wichtigster Wert Von den veränderten Bedürfnissen der Menschen ist die Kosmetikbranche unmittelbar betroffen. So steht Gesundheit erstmalig an höchster Stelle und ist den Deutschen damit noch wichtiger als Freiheit, der Nummer-1-Wert in den Jahren zuvor. Gesundheit heute bedeutet nicht mehr nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern beinhaltet die Optimierung von Wohlbefinden, Jugendlichkeit, Schönheit und insbesondere Leistungsfähigkeit. Der gesamte Lifestyle wird zum Healthstyle. Die Verbindung zur Kosmetikindustrie liegt nahe. Deren Produkte können uns dabei helfen, dieses Bedürfnis zu erfüllen. Entwicklungen im Grenzbereich zwischen Kosmetik und Medizin wie zum Beispiel das Nahrungsergänzungsmittel Inneov boomen und symbolisieren einen Wachstumsmarkt, der sich aus dem anhaltenden Altersbeben in unserer Gesellschaft ergibt. Die Botschaft: Gesundheit wird nicht nur zum Ideal, Gesundheit wird zum persönlichen Langzeitprojekt. In Zeiten von demographischem Wandel und Selbstoptimierung möchten wir das Beste aus uns herausholen, um für den Alltag und die Zukunft gewappnet zu sein. Kosmetika, denen wir vertrauen, geben uns dabei Sicherheit und nehmen uns Verantwortung ab. Gerade multifunktionale Innovationen sind in der Lage, den mehrdimensionalen Gesundheitswunsch zu erfüllen. Sie vermitteln uns das Gefühl, uns und unserer Gesundheit etwas Gutes zu tun und werden zum Helfer bei der Suche des Einzelnen nach mehr Lebensqualität. Neben den Cosmeceuticals werden es die hochinnovativen Kosmetikprodukte sein, die in den nächsten Jahren für neue Umsätze sorgen werden. Die tiefe Sehnsucht nach Verjüngung auf Seiten der Konsumenten sorgt dafür, dass sich die Investitionen in die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Wirkverfahren auszahlen. Hier sind vor allem Produkte auf der Basis von pflanzlichen Stammzellen, Gluco-Glycerol zur Aktivierung der Aquaporine, Apiaceen-Peptide und weiterhin Hyaluronsäure und Urea zu nennen. Aber auch Ungewöhnliches wie der AcerolaExtrakt als Inhaltsstoff in Kosmetika oder Anti AgingProdukte mit Arctiin, das aus der Klettenfrucht gewonnen wird, werden den Markt verändern. Naturkosmetik kennt viele Spielarten Daneben werden die Umsätze im Bereich der Naturkosmetik weiter steigen – auch dafür sorgt die wachsende Bedeutung des Wertes Gesundheit. Unabhängig davon, dass es für die Konsumenten schwierig ist, den Unterschied zwischen zertifizierter und nicht zertifizierter, naturnaher und herkömmlicher Kosmetik zu durchschauen. Mit einem Umsatz von 800 Millionen Euro ist Deutschland europaweit der größte Markt für Naturkosmetik. Jeder achte der 12,6 Milliarden Euro, die die Deutschen im vergangenen Jahr für Pflegeprodukte ausgegeben haben, floss bereits in Naturkosmetik. Davon profitieren sowohl die klassischen Anbieter wie Weleda oder Dr. Hauschka als auch die großen Hersteller wie Beiersdorf. Das Unternehmen landete mit der Einführung der 'Pure & Natural'-Serie einen großen Erfolg landeten und hat das Sortiment weiter ausgebaut. DIY-Optionen versprechen Freiheit Auch der zweitplatzierte Wert der Freiheit spielt eine Rolle für die Kosmetikindustrie. Denn Freiheit bedeutet heute nicht mehr freie Auswahl oder mehr Individualität, sondern Autonomie. Wir möchten selbstbe- markenartikel Sonderheft wertewandel VKE-Kosmetikverband Foto: iStock Photo 15 Virtual Makeover-Simulatoren wie digitale Spiegel in britischen L’Oréal-Verkaufsstellen zeigen, wie die Zukunft in diesem Segment aussehen wird. stimmt leben, eigenständig an unserem Glück arbeiten und Selbstbestimmung bewahren. Während Tryvertising-Optionen und Probierpakete in den vergangenen Jahren den Anfang machten, fordern heutige Konsumenten noch größere Freiheit und Personalisierung in der Produktauswahl. Dabei geht es jedoch nicht um crowdgesourcete Verpackungen oder Testimonials, sondern um wirklichen Mehrwert durch Mitspracherecht. Selbst mitmischen heißt die Devise, auch im Beautysegment. Modulare DIY-Kits verbinden dabei die Expertise des Herstellers mit den besonderen Eigenschaften der eigenen Person. Rowenta wagte sich mit Naturalis als erster auf das unbekannte Terrain und verbindet höchstpersonalisierte Cremes mit natürlichen Inhaltsstoffen. Hiermit sollen Pflege und Behandlung noch optimiert werden. Eine andere Möglichkeit, die Kunden zum Kauf zu animieren und gleichzeitig ihr Bedürfnis nach Freiheit ernst zu nehmen, besteht in den vielfältigen neuen Virtual Makeover-Simulatoren. Diese machen es möglich, neue Produkte an einem Abbild seines selbst auszuprobieren. Bildschirme in japanischen Shiseido-Filialen oder digitale Spiegel in britischen L’Oréal Verkaufsstellen zeigen, wie die Zukunft in diesem Segment aussehen wird. Kosmetik als Helferlein zum Erfolg Auch der drittwichtigste Wert der Deutschen, Erfolg, beinhaltet ein Verständnis, das direkt an die Attribute von Kosmetik geknüpft werden kann. Das klassische ökonomische Wachstumsstreben hat als gesellschaftlich anerkanntes Kriterium ausgedient. Stattdessen rücken immaterielle Werte in den Fokus: Erfolg wird verstanden als hohe Lebensqualität. Die enge Verknüpfung an die vorherigen Werte Gesundheit und Freiheit ist offensichtlich. Indem Kosmetikprodukte uns helfen, unser Wohlbefinden zu steigern und uns zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, steigern sie unseren wahrgenommenen Erfolg. Statt künstliche Perfektion anzustreben, geht es darum, sich persönliche Ziele zu setzen, authentisch zu bleiben und mit sich selbst im Reinen zu sein. 'Miracle Skin' Unternehmen müssen den Konsumenten Angebote unterbreiten, die ihre Sehnsucht nach einem neuen Wir-Gefühl aufgreifen. Es gilt, Vertrauen zu schaffen und den Verwendern die Möglichkeit zu geben, sich mit Gleichgesinnten über die Produkte auszutauschen. Neben Unternehmens-Websites und Facebook-Profilen bieten sich dafür Microblogs und Microsites an. Ein Beispiel ist die 'Makeup Lounge' von L’Oréal. VKE-Kosmetikverband Wertewandel Markenartikel Sonderheft Foto: iStock Photo 16 Die Menschen werden in Zukunft noch stärker als bisher versuchen werden, die Gestaltung ihres Aussehens selbst in die Hand zu nehmen. und BB-Creams versprechen ein natürliches Gesicht mit »Stolz zur Schau getragenen Spuren des Lebens«. Flexibilität, Selbstsicherheit und Belastungsfähigkeit – allesamt Attribute, die auch von den Herstellern von Kosmetikprodukten benutzt werden – werden zu wichtigen Faktoren von Erfolg. Sicherheit durch Gemeinschaft & Technologie Technologie und ihre Auswirkungen haben die Deutschen in Unsicherheit versetzt. So stürzte der Wert Sicherheit im Ranking um fünf Positionen ab. Auf der anderen Seite ist technologische Infrastruktur aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und bietet große Vorteile. Selbst für analoge Produkte sind Apps und technologiegestützte Dienstleistungen essentiell geworden. Darum gilt es, Sicherheit im Kleinen zu schaffen und Vertrauen zu gewinnen. Neben den bereits gut etablierten Unternehmens-Websites und Facebook-Profilen haben sich Microblogs etabliert, bei denen Communities Hintergrundwissen und Tipps austauschen können. Ein gutes Beispiel für eine Microsite in der Kosmetikbranche ist die 'Makeup Lounge' von L’Oréal. Der Austausch von Erfahrungen und auch Daten wird dabei zum kollektiven Wissenspool, der einen Mehrwert über das reine Produkterlebnis hinaus bietet. Ein weiterer Ansatz ist das Beauty oder Health Tracking. Apps wie der 'Skin Scan' sind in der Lage, via Smartphone-Kamera die Haut nach gefährlichen Muttermalen abzusuchen und ihre Größe und Form zu dokumentieren. So kann das Programm alarmieren, wenn man besser einen Arzt aufsuchen sollte. Damit positioniert sich Kosmetik außerhalb der reinen Produktgrenzen und wird zum Dienstleister. Der Anbieter löst nicht nur ein Problem, sondern nimmt Menschen eine Last ab. Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen. Smarte Technologie fungiert als Sicherheit. Solche Angebote funktionieren jedoch nur als vertrauenswürdiger Anbieter. Indem Privatsphäre immer mehr zur knappen Res- source wird, wird es für Hersteller zunehmend zur Herausforderung, Zugriff auf persönliche Informationen zu gewinnen. Vertrauen wird mit Daten bezahlt, welche die Grundlage für noch bessere Angebote bieten. Vertrauen bleibt die Basis Im Streben nach Lebensqualität kann die Kosmetikbranche wertvolle Dienste leisten. Der Werte-Index 2014 zeigt, dass Gesundheit zum ganzheitlichen Lebensprojekt wird und dass die Menschen die Gestaltung ihres Aussehens noch stärker selbst in die Hand nehmen möchten. Das persönliche Wohlbefinden ist der Schlüssel zu Gesundheit, Freiheit und Erfolg. Es geht nicht darum, Fehler zu vertuschen, sondern uns in unserer Autonomie zu bestärken und das Optimum aus unserer Person herauszuholen. Wir wünschen uns, Produkte zu kaufen, die uns diesem Ziel etwas näher bringen und von den Herstellern als Individuen ernst genommen zu werden. Egal, ob wir uns im Beiersdorf-Flagshipstore eine Analyse unserer Haut erstellen lassen oder unsere Fortschritte in der Community besprechen. Und wir möchten darauf vertrauen können, dass die Produkte, die wir so nah an unser Gesicht, an Haut und Haar heranlassen, auch wirklich das halten, was sie versprechen. Prof. Peter Wippermann Peter Wippermann ist Gründer des Hamburger Trendbüros, ein Beratungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel. Seit 1993 ist er als Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste tätig. VKE-Kosmetikverband 18 Selektivvertrieb Markenartikel Sonderheft Woher und wohin? Die Depotkosmetik hat stürmische Zeiten erlebt und ein sich ständig änderndes rechtliches Umfeld. Als eine der wenigen Branchen ist sie vom Selektivvertrieb geprägt. Ob das so bleibt, ist offen. Noch passen die kartellrechtlichen Rahmendaten nicht. In Deutschland ruhte der Selektivvertrieb für Jahrzehnte auf zwei Säulen: einerseits dem Verbot der Ungleichbehandlung und andererseits der Freiheit der Hersteller zur Ausgestaltung ihres Absatzsystems nach eigenem Gutdünken. Für Markenartikel spielte der Selektivvertrieb dabei insbesondere als Mittel zur Abwehr des (imageschädlichen) Versandhandels eine wichtige Rolle. Auf Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) galt ebenfalls das Diskriminierungsverbot. Hier drohte allerdings das allgemeine Kartellverbot, von dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) nur für »bedürftige Produkte« eine Ausnahme machen wollte. Zudem mußten Vertriebsbindungsverträge bei der Kommission zur Freistellung vom Kartellverbot angemeldet werden. Aura von Luxus: Düfte ebnen den Weg 1992 brachten die Freistellungen der Kommission für Givenchy und Yves Saint Laurent (YSL) einen Durchbruch für die Branche, denn damit war die Zulässigkeit des Selektivvertriebs für Luxusparfums erstmals auf europäischer Ebene geklärt. Das verlor jedoch an Bedeutung, nachdem ab Mitte der 1990er-Jahre die Kommission den Selektivvertrieb für eine geplante Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) branchenunabhängig in den Blick nahm. Diese Verordnung 2790/99 trat zur Jahrtausendwende in Kraft. Bereits zuvor waren die Verträge von Givenchy und YSL auf dem Prüfstand des EuGH, der mit einer Entscheidung vom Dezember 1996 beiden Unternehmen das Recht zur Lieferverweigerung gegenüber dem französischen Einzelhandelsriesen Leclerc zugesprochen hatte. Das Gericht bestätigte den Unternehmen eine Notwendigkeit zur Pflege und Aufrechterhaltung der »Aura von Luxus« als Besonderheit der Depotkosmetik. Die novellierte Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/10 vom 20. April 2010 schreibt die Vorgaben der ersten Verordnung fort. Sie bringt aber mit der nunmehr auch für den Handel geltenden Marktanteils- schwelle von 30 Prozent die Depotkosmetik vor allem hierzulande in Probleme. Denn der größte deutsche Händler überschreitet diese Schwelle, weshalb sich jeder Hersteller fragen muss, ob er ihn auch ohne den Schirm der Gruppenfreistellung weiter beliefert. Online-Handel: Gefahr für das Besondere Im Vorgriff auf die neue GVO hatte sich die Branche vehement einem Zwang zur Online-Zulassung wiedersetzt, denn die durch den EuGH geadelte »Aura von Luxus« war nach allgemeiner Ansicht im Internet existentiell bedroht. Am Ende konnte man sich schließlich mit der Kommission auf das Leitbild des Internet-Handels als »virtuelles Schaufenster« des physischen Ladengeschäfts verständigen. Wie wichtig das war, zeigte sich anläßlich der Belieferungsklage von Beautynet gegen Lancaster, die mit der BGH-Entscheidung »Depotkosmetik im Internet« vom November 2003 abgewiesen wurde. Der Bundesgerichtshof stellte dabei vor allem auf die Nähe des Internethandels zum Versandhandel als Rechtfertigung für die Zurückweisung des reinen Online-Handels ab. Lancaster hatte den Internetshop nicht mit Kosmetika beliefern wollen, weil das Web nicht den Grundsätzen selektiver Vertriebssysteme entspräche und somit nicht die »Aura des Luxus« gewährleiste. Die Kommission hatte sich bereits in den Leitlinien zur ersten GVO des Jahres 1999 bezüglich des Online-Handels an ihren Kriterien für zulässige und unzulässige Gebietsaufteilungen nach aktiven und passiven Verkäufen orientiert. Entsprechend definierte sie den Internet-Handel als passiven Verkauf. Damit wird es unmöglich, den Vertrieb über diesen Kanal zu verbieten. In den Leitlinien des Jahres 2011 wurden die Daumenschrauben zur erzwungenen Öffnung des Online-Vertriebs nochmals angezogen. Denn die bis dahin üblichen Klauseln zur mengenmäßigen Beschränkung des Online-Vertriebs zugunsten des Offline-Vertriebs wurden kategorisch als unzulässig erklärt. selektivvertrieb VKE-Kosmetikverband Foto: fotolia 19 Die Kosmetikbranche sieht die »Aura des Luxus« im Web bedroht. Damit können die Absatzwege heute nicht mehr nach eigenem Gutdünken ausgestaltet werden. Die Branche muss ihren Depositären den Internethandel freigeben. Sie hat jedoch die Möglichkeit zur Steuerung des Erscheinungsbildes und der Geschäftsabwicklung über gesonderte Internetkriterien in ihren Depotverträgen. Schon dieser Zwang ist abzulehnen. Zudem zeigen bereits einige Depositäre eine klare Tendenz, sich mit ihrem Online-Shop möglichst vom physischen Ladengeschäft (auch namensmäßig) abzusetzen, um dort eine reine Discounter-Vermarktungsstrategie zu verfolgen. Stand das Jahr 1996 noch ganz ist Zeichen von »AoL« (Aura of Luxury), so gibt 2012 Search Engine Optimizing (SEO) den Takt vor. Problematischer Markenschutz im Internet Vom markenrechtlichen Ausgangspunkt her sind fast alle Marken der Depotkosmetik »bekannte Marken«, die für sich einen erweiterten Schutz beanspruchen können. Von Dritten werden sie im Internet als Anker oder Navigationshilfen benutzt, um auf eigene Geschäftsangebote aufmerksam zu machen. Das beeinflusst die Hoheit des Markeninhabers über die Marke als Kommunikationsmittel. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Reichweite des Schutzes gegen Bekanntheits- und Rufausbeutung bei der Markenverwendung auf unautorisierten Seiten – insbesondere im Rahmen der Suchwortwerbung. Zudem gewinnen Facebook und Co. an Bedeutung und erfordern von den Herstellern eine neue Politik. Zukünftig wird die Branche der Markendarstellung und Markenbenutzung ihrer Depositäre im Internet noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Die Auseinandersetzungen über die Affiliate-Werbung und sonstige Aktivitäten zur Suchmaschinenoptimierung sind durch Anfragen aus Handelskreisen ins Rollen gebracht, aber längst noch nicht zu einem Abschluß gebracht worden. Es geht hierbei um Instrumente der Kundenerfassung und Kundensteuerung, die allesamt datenschutzrechtlich problematisch sind und es geht insbesondere um die gezielte Verlinkung von Inhalten autorisierter Seiten auf die Webseiten Dritter. Diese »Partnerschaften« mögen für den Online-Depositär nützlich sein, weil sie neuen Verkehr auf der eigenen Seite generieren. Allerdings geht damit genau das verloren, was der Selektivvertrieb bezweckt – die Herrschaft über das Erscheinungsbild des eigenen Markenauftritts auch am virtuellen Point of Sale. Bei Keyword-Werbung ist Google aufgrund der Entscheidung »Google France« des EuGH vom März 2010 zwar zunächst aus der Schusslinie. Die Folgeentscheidungen »Ice.de«, »Bergspechte«, »Portakabin« und »Interflora« markieren jedoch eine Entwicklung zu erhöhten Anforderungen an die Werbenden und damit neue Gestaltungsformen von Markenrechtsverletzungen. Graumarkt: Kein unmittelbarer Rechtschutz Anfang der 1990er war hierzulande aufgrund der BGHEntscheidung »Schweizer Loch« der Rechtsschutz gegen Außenseiter zusammengebrochen. Darunter versteht man nicht autorisierte Händler, die sich aus dem Graumarkt mit Ware versorgen. Bis dahin war der Außenseitervertrieb wettbewerbswidrig. Fortan galt auch das Dekodieren, das heißt die Entfernung oder Unkenntlichmachung von Kontrollnummern, nicht mehr als Wettbewerbsverstoß. Graumarktquoten im zweistelligen Prozentbereich waren danach keine Seltenheit mehr. Zehn Jahre später, im Juli 1999, konnte sich jedoch Lancaster nicht nur mit einem neuen Kodierungssystem auf der Grundlage der Chargennummer vor dem BGH durchsetzen. In der Entscheidung »Entfernung der Herstellungsnummer« nahm der BGH zugleich eine Richtungsänderung vor und bestimmte, dass es fortan auf die praktische Lückenlosigkeit nicht mehr ankomme. Anstelle dessen wurden die Kontrollinstrumente geschärft, mit denen die Vertriebsbinder ihr System überwachen sollten. Das zielte allerdings nicht mehr auf die Außenseiter, sondern auf die vertragsuntreuen Händler im System. Als Konsequenz dieser Entwicklung ist heute das früher erreichbare Verbot eines Außenseiterver- VKE-Kosmetikverband Selektivvertrieb Markenartikel Sonderheft Wohin geht die Reise? Zukünftig wird die Kosmetikbranche der Markendarstellung und Markenbenutzung ihrer Depositäre im Internet noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen. 20 Foto: fotolia triebs abgeschafft. Es ist durch einen Kontrollnummernschutz ersetzt, der eine Verpflichtung der Hersteller begründet, ihre Vertriebssysteme von innen her sauber zu halten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass es zukünftig auch wieder zu einem unmittelbaren Rechtsschutz gegen Außenseiterangebote kommt, wenn sich die Grundsätze der »Dior/ Copad«-Entscheidung des EuGH vom April 2009 durchsetzen. Denn danach gehört die Sicherung einer angemessenen Luxusumgebung zum Qualitätssicherungssystem des Markeninhabers und ist damit markenrechtlich geschützt. Wer gegen vertragliche Vorgaben zur Sicherung der angemessenen Verkaufsumgebung verstößt und damit nachweislich das Markenimage beeinträchtigt, begeht nach dieser Entscheidung nicht nur selbst eine Markenrechtsverletzung, sondern er setzt zugleich die Ursache für ein markenrechtsverletzendes Verhalten seiner Abnehmer. Das ist neu und revolutionär, aber bislang auch reine Theorie. Ebay: Mühsames Miteinander Schon lange führt Ebay gegen die Kosmetikbranche einen versteckten Kampf, denn Ebay möchte auch Depositären der Luxuskosmetik den Betrieb eines Ebay-Shops ermöglichen. Das gipfelte 2009 in einer Grassroot-Campaign und dem an die EU-Kommission adressierten Papier »A Call for Action«, mit dem Ebay die Abschaffung des Selektivvertriebs als Handelshemmnis zwischen den Mitgliedsstaaten propagierte. Hierbei geht es Ebay auch um vorbeugenden Selbstschutz, denn obwohl sich abzeichnet, dass es einer der Haupthandelsplätze für Fälschungen und Nachahmungen ist, laufen die Hersteller bis heute mühsam den Einzelanbietern hinterher. Allerdings erging im Juni 2011 auf eine von L’Oréal in England erhobene Klage hin ein richtungsweisendes Urteil des EuGH. Dabei qualifizierten die Richter nicht nur spezifisch Angebote von Parfumtestern oder Angebote von kosmetischen Produkten ohne Umverpackung als rechtswidrig. Vielmehr schufen sie erstmals auch die notwendigen Grundlagen für eine eigenverantwortliche Haftung des Plattformbetreibers. Danach ist er für rechtsverletzende Angebote auf seinem Portal (mit-)verantwortlich, wenn er die betroffene Marke selbst in der eigenen Suchwortwerbung für sich benutzt oder seinen Anbietern in sonstiger Weise aktive Verkaufsunterstützung zukommen lässt. Rufausnutzung durch Trittbrettfahrer Das Geschäft mit Duftnachahmungen wird professionell betrieben. Hersteller wie Bellure oder Kecofa haben ein breites Sortiment von »Markendüften« im Programm. Die dazu eingesetzten Duftvergleichslisten waren schon in den 1990er-Jahren von den deutschen Oberlandesgerichten einheitlich als unzulässige vergleichende Werbung oder als markenrechtsverletzende Rufausbeutung qualifiziert worden. Was aber die versteckteren Nachahmungsbotschaften anging, erlitten die der Markenhersteller gegen diese TrittbrettIndustrie mit der BGH-Entscheidung »Imitationswerbung« vom Dezember 2007 einen herben Rückschlag. »Icy Cold« sah »Cool Water« ähnlich, roch wie »Cool Water« und war angeblich doch nicht ausreichend klar als Imitationsprodukt zu erkennen. Sehr viel beherzter ging der Europäische Gerichtshof im Juni 2009 in der Entscheidung L’Oréal/Bellure das Thema an, indem er feststellte, dass der Hersteller Bellure sich mit seinen Nachahmungen von Lancôme-Düften in die Sogwirkung bekannter Marken begeben habe, um daraus unlauter für sich zu profitieren. Leider ist die Botschaft des EuGH in Deutschland immer noch nicht verstanden worden. Vor den hiesigen Gerichten bis hin zum BGH scheitern weiterhin auch klarste Fälle der Produktimitate und Rufausbeutung. Immerhin hatte der BGH kürzlich so weit ein Einsehen, dass er jetzt nicht nur den angeblich unwissenden Verbraucher berücksichtigt, der zum Beispiel in »Oracle« den bekannten Lancôme-Duft Miracle nicht erkennen soll, sondern auch die Händler derartiger Produkte, die natürlich ein ganz anderes Branchenwissen haben. Vielleicht klappt es ja damit. Testerhandel: Ungelöste Problematik Irgendwann wollten Coty Prestige und Ebay einmal ihre juristischen Positionen gerichtlich klären lassen. Sie verständigten sich auf Testerangebote beim Auktionshaus als den vermeintlich klarsten Fall einer Markenrechtsverletzung. Das ging gründlich daneben, denn sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg als auch der Bundesgerichtshof sahen die Markenrechte von Coty schon bei der Auslieferung an den Depositär erschöpft. Erst der Umweg über eine Vorlage des OLG Nürnberg brachte Abhilfe: Im Juni 2010 entschied der Europäische Gerichtshof im Verfahren »Coty/Simex« zu Recht, dass derjenige eine Markenrechtsverletzung begeht, der ein als unverkäuflich bezeichnetes Produkt, » markenartikel Sonderheft selektivvertrieb VKE-Kosmetikverband Die Hersteller müssen ihre Interessen artikulieren und die Eckpunkte des Selektivvertriebs verteidigen. das dem Handel ausschließlich zu Werbezwecken überlassen wird, anbietet oder verkauft. Für die Zukunft wird sich daran mit Sicherheit nichts ändern. Allerdings geht die Problematik inzwischen deutlich weiter. Denn der Kosmetikbranche ist klar geworden, dass auch an sonstigen Werbemitteln wie Plakaten, Filmen, Fotos etc. Rechte Dritter existieren, deren Nutzung oft nur für eine gewisse Zeit gestattet ist. Die Hersteller müssen sich deshalb darauf einstellen, die Sachherrschaft und den Zugriff auf den einmal in den Handel gegebenen Werbemittel zu erhalten und sowohl die unkontrollierte Verbreitung im Internet als auch die Weiterbenutzung abgelaufener Rechte zu verhindern. Travel Retail: Sonderkonditionen gerechtfertigt Im Juni 1999 liefen die Ausnahmeregelungen zum steuerfreien Verkauf an Bord von Fähren, Flugzeugen und Flughäfen aus. Das bedeutete aber keineswegs das Ende für einen vom nationalen Binnenmarkt getrennten Absatzkanal. Duty Free existiert als Travel Retail weiter und wird weiterhin zu Sonderkonditionen beliefert, um die traditionell niedrigeren Preise zu halten. Den Depositären der nationalen Binnenmärkte ist das ein Dorn im Auge. Hier rechtfertigen jedoch die hohen Flächenkosten, die Lagerbedingungen und die besondere Nachfrage in den Absatzstätten sowohl die eingeschränkten Anforderungen an die Sortimentsführung als auch die günstigeren Konditionen. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ist nicht zu befürchten. Die privilegierte Behandlung des Travel Retail-Geschäfts ist aber nur dann aufrecht zu erhalten, wenn sie den Charakteristika dieses Absatzkanals verpflichtet bleibt. Sowohl die Einrichtung von Border-Shops als auch die sich abzeichnende Aufnahme eines Internetvertriebes stehen damit nicht in Einklang. Hier sollte die Branche auf eine saubere Abgrenzung zwischen dem nationalen Selektivvertrieb und Travel Retail achten. 21 Bereichen sind die Trennlinien zwischen Datennutzung und Datenschutz völlig ungeklärt. Möglicherweise liegt hier am Ende die Lösung in einer Trennung der Daten nach geschäftlichen und privaten Anbietern schon bei der Erfassung und Speicherung. Funktionentrennung von Herstellern und Handel? Die Grenzen zwischen Herstellern und Händlern verschmelzen zunehmend. So hat etwa LVMH Sephora gekauft und Douglas plant die Aufstockung des Umsatzanteils der Exklusiv- und Eigenmarken von bislang zehn auf zwanzig Prozent. Zudem rüsten immer mehr Hersteller ihre Websites auf E-Commerce um. Außerdem wächst die Kooperation zwischen Herstellern und Handel. Die Kosmetikproduzenten bieten unter anderem Exklusivlinien für einzelne Kunden an und Kooperationen im Marketing sind längst Alltag. Diesen Aktivitäten tragen die neuen Leitlinien zur Gruppenfreistellungsverordnung Rechnung, indem sie das Preisbindungsverbot für zeitlich begrenzte Werbeaktionen und für zeitlich begrenzte Markteinführungskampagnen lockern. Das Bundeskartellamt hat sich dem verweigert und 2011 mit einer »Handreichung« an Unternehmen des Lebensmittelhandels Kooperationen eine kategorische Absage erteilt. Das Amt geht weiterhin von einer strengen Funktionentrennung zwischen Herstellern und Handel aus. Das ist nicht mehr zeitgemäß und auch im Sinne des Wettbewerbs nicht förderlich. Für die Kosmetikbranche bleiben die Zeiten spannend. Nicht zuletzt der technische Forschritt und neue Urteile dazu sorgen dafür, dass der Markt sich verändert. Die Hersteller müssen ihre Interessen artikulieren und die Eckpunkte des Selektivvertriebs verteidigen. Das ist für ihr größtes Gut, die Marken, überlebensnotwendig. Das erhält den Verbrauchern eine echte Alternative zur reinen Bedarfsdeckung und sichert die Existenz eines Fachhandels, der diesen Namen verdient. Dr. Andreas Lubberger Zwischen Datenschutz und Datennutzung Schon mit dem Engagement in sozialen Netzwerken und der eigenen Kundenkommunikation über Internet bewegen sich die Hersteller heute in einem Datenstrom und speichern dazu große Mengen persönlicher Daten. Bei der Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet stehen Auskünfte über die realen Namen der Anbieter mit an erster Stelle. Das setzt aber eine Vorratsdatenspeicherung der Internetunternehmen voraus, die bekanntermaßen rechtlich äußerst problematisch ist. In beiden Rechtsanwalt Dr. Andreas Lubberger ist Mitbegründer der Berliner Sozietät Lubberger · Lehment. Zuvor war er unter anderem bei der Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler tätig. Er konzentriert sich auf die Bereiche Gewerblicher Rechtschutz und Selektivvertrieb. 22 Mehrwert Markenartikel Sonderheft Mehrwert schaffen Um auch künftig mehr Umsatz zu generieren, können die Hersteller von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten nicht mehr allein auf Mengenwachstum bauen. Es muss gelingen, dem Verbraucher den Mehrwert der Produkte zu vermitteln. Foto: fotolia VKE-Kosmetikverband Banken- und Euro-Schuldenkrise, internationale Spannungen und Kriege – all das beunruhigt den Verbraucher, lässt ihn aber in seinem persönlichen Umfeld nicht in eine Phase des Konsumverzichts fallen. Ganz im Gegenteil: Während der Wachstumstreiber in Deutschland jahrelang ausschließlich der Export war und die Deutschen energisch zu mehr Inlandskonsum gemahnt werden mussten, sind sie bereits seit einigen Monaten wach geworden. Der Geschäftsklimaindikator im Einzelhandel (Ifo Konjunkturtest) zeigt nach einem etwas stärkeren Anstieg in der Vergangenheit eine stabile Situation – die sich auch in der Einschätzung der Einzelhändler widerspiegelt – mit Tendenz nach oben für das zweite Halbjahr 2013. Gerade im Vergleich zu anderen europäischen Län- dern ist Deutschland überdurchschnittlich stark. Dies spiegelt sich auch in den Umsatzentwicklungen des ersten Halbjahres 2013 wider: Die Abverkäufe wurden in den meisten Warenkörben wertiger. Mengenwachstum gab es nur noch in wenigen Bereichen – die Umsatzsteigerungen wurden durch höhere Preise beziehungsweise höherwertige Produkte erzielt. Die Verbraucher gaben ihr Geld gezielter aus und schauten auf Qualität. Gründe waren im Bereich der Nahrungsmittel insbesondere die Lebensmittelskandale, aber auch die gestiegenen Rohstoffpreisen, die zumindest teilweise an die Verbraucher weiter gereicht wurden. Der Warenkorb der Körperpflege/Kosmetik weist dahingegen auf den ersten Blick ein anderes Bild auf: Bei einer stabilen Preissituation konnte weder über markenartikel Sonderheft mehrwert Körperpflege und Kosmetik überwiegend im Plus – Schlecker Insolvenz in den Drogeriemärkten spürbar VKE-Kosmetikverband Abb. 1: Körberpflege und Kosmetik überwiegend im Plus Körperpflege/Kosmetik: Umsatzverteilung nach Einkaufsstätten: 1.HJ 2013 Körperpflege/Kosmetik total 11,0 Mrd €; -1,2% zum Vorjahr Sonstige; 10,3% Discounter; 9,1% Parfümerie/ KWHs; 20,3% 4,1% Verbrauchermärkte (VM) Drogeriemärkte (DM) -7,3 % 0,1% Parfümerie/KWHs DM; 43,6% 23 5,1% Discounter VM; 16,7% 9,2% Sonstige Quelle: IRI InfoScan Retailer; [LEH>200m² inkl. Aldi + Drogeriemärkte + Parfümerien + KWH + Apotheke (Apotheke für ausgewählte Kategorien)] [1. HJ 2013 vs. VJ] Menge, noch über Stückabverkäufe Wachstum generiert werden (Abb. 2). In diesen Zahlen stecken zwei sehr unterschiedliche Trends, die eng mit der Entwicklung einzelner Handelsschienen verbunden sind. Mit Ausnahme der deutlich rückläufigen Drogeriemärkte, die die Kunden nach der Schlecker-Insolvenz nicht komplett für sich im Drogeriemarktumfeld halten konnten, gelang es in allen Kanälen, die Umsätze für Körperpflege/Kosmetik auszuweiten (Abb. 1). Bereits vor der dem endgültigen Aus von Schlecker wurden bei vielen LEH-Schienen die Weichen neu gestellt: höherwertige Ladenkonzepte und Sortimente und damit stärkere Konzentration auf diese Warenbereiche konnten die Verbraucher davon überzeugen, ihren Bedarf an Kosmetik und Körperpflege verstärkt auch im Verbrauchermarkt zu decken. Gerade Rewe und Edeka sind in diesen Sortimentsbereichen stark vertreten und setzen ihre Politik hier ungebrochen fort. Aber auch die Discounter sehen diese Sortimentsschiene zunehmend als Gewinnbringer und listen – eher untypisch zur Vergangenheit – auch Markenprodukte. Im Die meisten Einkaufsstätten konnten im 1. HJ 2013 ihre Umsätze mit Kosmetik- und Körperpflegeprodukten steigern. Verluste verbuchten allerdings die Drogeriemärkte. eher hochpreisig geprägten Umfeld der Parfümerien sowie der Kauf- und Warenhäuser wurde das erste Halbjahr 2013 mit einem stabilen Ergebnis abgeschlossen (Abb. 3). Besonders hervorzuheben ist das positive Ergebnis bei Karstadt, Kaufhof und Co. Endlich ein kleiner Hoffnungsschimmer nach den vergangenen Jahren kontinuierlichen Abwärtstrends? Der Hauch von nicht vergänglichem Luxus In diesem selektiven Umfeld gibt es mehrere potentielle Wachstumstreiber: Bei den Düften finden höherwertige und höherpreisige Neuheiten das Interesse des Kunden. Gleichzeitig erinnern sich einige Firmen verstärkt an ihre Kernkompetenzen und stellen die prestigehaltigen Fashionnamen wieder stärker in den Vordergrund. Klassiker wie Chanel und Dior verzeichnen hohe Zuwachsraten. Sie vermitteln dem Verbraucher gerade in unsicheren Zeiten einen Hauch von nicht vergänglichem Luxus – für den er dann auch bereit ist, hohe Preisniveaus zu akzeptieren. Stabile Preistrends für Körperpflege Abb. 2: Stabile Preistrends für Körperpflege FMCG Umsatz-, Absatz- und Preis-Entwicklung der Warengruppenkörbe 1.HY 2013 vs. 2012 +/- Umsatz in % zum Vorjahr FMCG Total 1,0 Weiße Linie 1,3 -0,9 Papier inkl. Damenhygiene und Windeln -0,9 -7,2 0,1 -2,2 3,4 0,7 -0,7 -1,2 -1,8 Tiernahrung und Hygiene 4,3 1,6 0,5 4,1 WPR -0,5 -2,9 -2,1 Tiefkühlprodukte Sonstige 1,5 2,2 KPF inkl. Babypflege 2,1 -0,6 1,5 Gelbe Linie Süßwaren inkl. salzige Snacks 3,2 2,2 -3,3 -1,1 Food inkl. Babynahrung und Babygetränke Preistrend in % zum Vorjahr -2,5 0,6 Getränke +/- Absatz in % zum Vorjahr 2,3 -3,1 3,1 -27,6 Quelle: IRI Group - InfoScan Retailer; LEH>200m² + Drogeriemärkte inkl. Aldi, C&C, Parfümerien, KWHs, GAMs -3,9 28,3 Bei einer stabilen Preissituation konnte weder über Menge, noch über Stückabverkäufe Wachstum generiert werden VKE-Kosmetikverband Mehrwert Markenartikel Sonderheft dekorative Kosmetik weiterhin Wachstumsträger Abb. 3: dekorative Kosmetik weiterhin Wachstumsträger Total Markt: Vergleich Parfümerien und KWH Parfümerien, Umsatzanteil in % 24 Dekorative Kosmetik 1. HJ 2012 1. HJ 2013 23 24 23 22 +/- % 1. HJ 2012 1. HJ 2013 24 24 19 20 +3 54 56 -1 913 906 -1 Konzentriert man sich auf die drei Kernbereiche Düfte, dekorative Kosmetik und Gesichtspflege, konnten Kauf- und Warenhäuser im ersten 1. HJ 2013 zum 1. HJ 2012 ein Plus von fünf Prozent erzielen. Bei den Pafümerien gab es ein Umsatzminus von einem Prozent. +7 57 54 Düfte +/- % +7 -4 Gesichtspflege in Mio. € KWH, Umsatzanteil in % +4 175 183 +5 Quelle: IRI Group – Xcat; Parfümerien und KWH; 1.HJ 2012 vs. 2013 Copyright © 2013 Information Resources, Inc. (IRI). Confidential and Proprietary. Die dekorative Kosmetik schafft es mittlerweile in Serie, Jahr für Jahr ihre Umsätze zu erhöhen. Im ersten Halbjahr 2013 war es vor allem das Segment ‚Auge‘ mit Fokus auf Mascara, das für Wachstum sorgte. Bei den Nagellacken – Wachstumssegment der vergangenen Jahre – hingegen zeigt sich, wie schnelllebig die Mode ist: Während ähnlich wie bei den Düften die großen Designermarken Farbtrends vorgeben und es teilweise schaffen, durch Verknappung des Angebots regelrechte Hypes auszulösen, sind die Verfolger im preiswerten Einstiegsbereich mittlerweile fast zeitgleich mit ähnlichen Angeboten für den kleineren Geldbeutel anzutreffen. Beide Angebotsgruppen finden ihre Käufer. Jedoch sind auch hier dem Wachstum Grenzen gesetzt: nach dem Markteintritt vieler neuer Marken (gerade auch im unteren und mittleren Preissegment) zeichnet sich in jüngster Zeit eine Konsolidierung ab, die mit leichten Verkaufsrückgängen einhergeht. Anbieter mit einer starken Kompetenz im ‚Lack‘-Bereich jedoch werden auch in Zukunft nicht um ihre Käufer fürchten müssen. Bleibt zuletzt noch der Blick auf die Gesichtspflege, das Sorgenkind der letzten Jahre in allen Kanälen. Ob preiswert oder hohes Preisniveau, ob Apotheke oder Drogeriemarkt: Die Kundin cremt weniger. Liegt es an fehlenden neuen Angeboten? Die Neuheitenpalette war im vergangenen Jahr vergleichsweise übersichtlich: es wurde stärker auf Einzelprodukte als auf große (Linien-) Lancierungen gesetzt. Jedoch geraten Innovationen und neue Trends bei neuen Formulierungen wieder stärker in den Fokus. Die könnte einen möglichen »Startschuss« darstellen, um die Wertigkeit selektiver Produkte zu vermitteln. Suche nach Sicherheit und Konsistenz Zusammenfassend kann man sagen: 2013 war für die Körperpflege/Kosmetik ein stabiles Jahr. Aber was bringt die Zukunft? Das Stichwort Mehr-Wert zeigt 4 den Weg: Gerade in der längerfristigen Betrachtung wird es zwangsläufig weniger Mengenkonsum geben. Umsatzwachstum durch höhere Preise ist auf Dauer nur machbar, wenn dem Verbraucher glaubhaft der Mehr-Wert vermittelt wird. Gerade ein Konsument, der in anderen Lebensbereichen dauerhaft mit Wechsel und Unwegsamkeiten leben muss, sucht in seinem Konsumportfolio nach Sicherheit und Konsistenz über die Jahre. Eine kontinuierliche Markenpolitik, überzeugend kommuniziert, wird immer wichtiger. Hier spielt auch die Entwicklung der Alterspyramide eine große Rolle: Ältere Konsumenten verfügen über die Möglichkeiten, ihr Portfolio in der Kosmetik wertiger zu gestalten. Allerdings haben sie auch die notwendige Erfahrung, um Markenstrategien verstehen oder auch entlarven zu können. Die Pflege des Konsumenten – basierend auf dem Wissen um seine Wünsche – wird damit immer entscheidender. Sofern es Industrie und Handel schaffen, diese Punkte verstärkt und überzeugend aufzugreifen, dürfte die künftige Entwicklung der Körperpflege/Kosmetik in Deutschland weiterhin von einem Abwärtstrend verschont bleiben. Sabine Hefter Sabine Hefter ist Director Premium Cosmetics bei der Informations Resources GmbH. Seit 1990 war sie federführend am Aufbau des selektiven Kosmetikpanels in Deutschland beteiligt und leitet diesen Themenbereich seit 1996 in eigener Verantwortung. Zuvor war sie in der Pharma-Industrie und bei der GfK tätig. markenartikel Sonderheft kaufprozess Die ungeschminkte Wahrheit über Kunden Konsumentinnen greifen aus unterschiedlichen Gründen zu Kosmetik und Parfum. Aber egal, welche Motivation den Kauf treibt: Das Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle im Kaufprozess immer wichtiger. Online verändert Verhalten – und dies nachhaltig. Ob zur Information, Diskussion, Unterhaltung, ob zum Kaufen, Flirten, Arbeiten oder Spielen – das Internet gehört für breite Bevölkerungsschichten mittlerweile wie selbstverständlich zum täglichen Leben. Diese Veränderungsprozesse machen auch vor Marketing, Media und Handel nicht halt. Langjährig gelernte Entscheidungs- und Kaufprozesse werden auf den Kopf gestellt, Vertriebs-, Verkaufs- und Distributionsmechaniken greifen nicht mehr optimal. Handel und Markenführung müssen sich auf die neuen Begebenheiten einstellen und Strategien entwickeln, um Geschäftsmodelle, Vermarktungs- und Kommunikationskonzepte den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Diskussion über Kosmetik mit Fokusgruppen Wir haben uns die Frage gestellt, inwieweit dieser Wandel auch für die Produktbereiche Parfum und dekorative Kosmetik zutrifft. Wie stark haben sich durch Kauf- und Entscheidungsprozesse verändert? Wie müssen Media und Marketing auf diese Entwicklungen reagieren, um weiter erfolgreich zu sein? Um die Fragen beantworten zu können, war ein Forschungsszenario notwendig, das zum einen möglichst authentisch und lebensnah die Faszination von Parfum und Kosmetik auf Frauen in den Blick nimmt, zum anderen einen Einblick in Kauf- und Entscheidungsprozesse gewährleistet. Dafür boten sich qualitative Verfahren an, die im Rahmen der Studie zum Einsatz kamen. In einem ersten Schritt galt es, die Rolle und Funktion von Parfum und Kosmetik im Alltag zu verstehen. Das Verständnis über die psychologischen und gesellschaftlichen Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, ist entscheidend, da sie letztendlich unmittelbaren Einfluss auf Markenwahrnehmung und Kauf haben. Hierzu wurden mehrere qualitativ-psychologische Fokusgruppen mit Frauen zwischen 20 und 39 Jahren durchgeführt, die mindestens regelmäßig Markenkosmetik und Parfum kaufen und verwenden. Auf die- sen Ergebnissen aufbauend, wurde mit einer onlinebasierten »Insight Community« eingesetzt. Für zwei Wochen wurde zusammen mit dem Paneldienstleister Respondi eine Onlineplattform ins Leben gerufen und 99 Konsumentinnen eingeladen, miteinander und mit Moderatoren über Beauty-Produkte zu diskutieren. Jede Teilnehmerin konnte einen Blog führen, in dem sie ihre Kauf- und Suchprozesse im Internet nachzeichnen und jeweils mit Links, Bildern und Erklärungen veranschaulichen konnte. In einem Forum wurden gezielt Themen gesetzt und Diskussionen unter den Verwenderinnen angeregt. In Echtzeit-Chats wurden Onlinefokusgruppen durchgeführt, um bestimmte Themen zu vertiefen. Insgesamt wurden über 1.100 Beiträge und mehr als 250 Blogbeiträge mit 380 Kommentaren generiert. Zusätzlich wurden knapp 100 Bilder hochgeladen, aus denen Insights aus dem unmittelbaren Alltag der Verwenderinnen gewonnen werden konnten. Rollenbilder wandeln sich Die Studie zeigt, dass Parfum und Kosmetik im Alltag von Frauen eine sehr wichtige Rolle spielen. Dies lässt sich unmittelbar aus der gesellschaftlichen und sozialen Lebenswirklichkeit heraus erklären. Denn das Aufbrechen tradierter Rollenbilder führt dazu, dass die Erwartungen an Frauen steigen. Zu den bestehenden Rollenbildern kommen weitere hinzu, die es zu erfüllen gilt. Frauen haben alles zu sein: liebende Ehefrau, fürsorgliche Mutter und fleißige Hausfrau, die gleichzeitig zielstrebig ihre Karriere vorantreibt und sich um ihr soziales und familiäres Umfeld kümmert. Frauen müssen immer wieder in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Und genau hier entfalten BeautyProdukte auf der psychologischen Ebene ihre Stärke. Denn ihnen wohnt das Versprechen der Wandlungsfähigkeit inne und damit die Möglichkeit, verschiedene Rollenbilder einnehmen zu können. Dabei kann das Wandlungsversprechen durchaus unterschiedlich sein: Profilierungsstrategien dienen beispielsweise da- VKE-Kosmetikverband 25 VKE-Kosmetikverband kaufprozess Markenartikel Sonderheft Rationaler bzw. Emotionaler Kauf Quelle: MediaCom 26 zu, aus der Menge herauszustechen, aufzufallen sowie Einzigartigkeit und Individualität zu vermitteln. Knallige Farben, ein extravaganter Look sowie schwere und markante Düfte helfen, den eigenen Charakter zu unterstreichen. Uniformierungsstrategien dienen dahingegen der Anpassung. Sie helfen dabei, nicht aufzufallen, mit dem Mainstream zu gehen und sich beinahe unsichtbar zu machen. Gedeckte Farben und dezente Düfte sind Teil dieser Strategie. Käufertypen: von emotional bis funktional In der Studie haben sich verschiedene Käufertypen herauskristallisiert. Insgesamt wurden sieben Konsumententypen identifizieren, mit zum Teil völlig unterschiedlichen Needs und Motivationen. Dabei lassen sich emotionale und funktionale Käufe unterscheiden. 1. Nachkauf: Das Auffüllen des zur Neige gehenden Bestandes ist die funktionalste Kaufvariante und nur in sehr geringem Maße emotional aufgeladen. Der Kaufentscheidungsprozess ist stark verkürzt, da man genau weiß, was man will. Bei diesem Käufertyp dominieren faktische Überlegungen wie Preis, Verfügbarkeit, Geschwindigkeit und Einfachheit. 2. Vorratskauf: Der Vorratskauf gehört nur auf den ersten Blick zu den funktionalen Käufen. Das Bunkern wird von den Verwenderinnen auch als Angstkauf geschildert. Hat man einmal das richtige Parfum gefunden, das zur eigenen Persönlichkeit passt, weckt dies gleichzeitig Befürchtungen, dass dieser Artikel in absehbarer Zeit nicht mehr verfügbar sein könnte. Es wird gelagert und gehamstert. 3. Belohnungskauf: Hier steht eindeutig das Einkaufserlebnis im Vordergrund. Das Produkt ist eher nebensächlich. Die Frauen verglichen den Einkauf mit einem Wellness-Erlebnis, bei dem Wohlfühlen und Entspannen an erster Stelle stehen. Zum Einkauf sind Parfümerien gut geeignet, wo man Produkte ausprobieren kann und vom Personal beraten wird. Eindeutige Botschaft: »Hier stehe ich im Mittelpunkt.« Kosmetikkäufe werden von unterschiedlichen Bedürfnissen getrieben. Entsprechend gibt es emotionale und funktionale Käufe. 4. Frustkauf: Stress mit dem Chef? Ärger mit Kunden oder Streiti mit dem Partner? Dies wird von vielen Frauen mit kleinen Frustkäufen im Bereich der dekorativen Kosmetik kompensiert – als kleine Trostpflaster. Ob Lipgloss oder Nagellack, gerade die niedrigpreisigen Produkte dienen dazu, Frust und Verärgerung im Alltag zu kompensieren. 5. Ersatzkauf: Den Ersatzkauf kann man als eine Art Sicherheitskauf beschreiben, bei dem man zu Bewährtem greift, wenn einen der Mut zur Veränderung verlässt. Frauen mit dem Wunsch nach einem Typwechsel testen am POS verschiedene Dinge aus, fallen aber dann doch wieder in die eigene Komfortzone zurück und kaufen die Artikel, die sie sonst immer kaufen. 6. Lustkauf: Auch als situativer Spontankauf zu bezeichnen, der sehr stark impulsgetrieben ist und als kleine Freude den Alltag versüßt. Diesen Lustkäufen geht keine konkrete Einkaufsverfassung voraus, sondern sie können spontan durch externe Impulse ausgelöst werden – etwa durch ein interessantes Onlinewerbemittel oder POS-Aktivitäten. Zwischen Impuls und Kauf liegen oftmals nur wenige Minuten. 7. On-Top-Kauf: Diese Käufe sind klassische Zusatzkäufe im Zuge einer ausgiebigen Shopping-Tour. Oftmals kombiniert mit Bekleidungskäufen werden hier Kosmetikartikel mit dem Ziel gekauft, das Einkaufserleben zu komplettieren oder zu verlängern. Zum Hauptkauf werden noch weitere Kleinigkeiten zum Verwöhnen hinzugekauft, die in der ohnehin schon beträchtlichen Gesamtsumme des Einkaufes kaum auffallen. Auch dies ist ein emotionaler Kauf, der im Rausch des Hauptkaufes mitgenommen wird. Wie man sieht, ist Kauf nicht gleich Kauf. Somit kann es keine singuläre Antwort auf die Frage geben, was diesen nun eigentlich treibt. Jeder Kauf hat seine eigenen Gesetze. Diese zu verstehen, in entsprechende Kommunikationskonzepte zu übersetzen und passende Off- und Online-Touchpoints optimal zu nutzen, ist aus Media- und Marketingsicht existenziell. markenartikel Sonderheft kaufprozess VKE-Kosmetikverband Zusammenspiel von On- und Offline im Kaufprozess Quelle: MediaCom Je nach Käufertyp finden Inspiration und Information, Entscheidung und Kauf online oder im stationären Handel statt. Die Offline-Tester lassen sich zum Beispiel im Web inspirieren und informieren sich dort, im Entscheidungsprozess testen sie die Produkte offline, bevor sie sie im Internet kaufen. Inspiration, Entscheidung und Kauf Der Mix aus On- und Offline macht’s Eine Frage, die die Studie beantworten sollte, ist die nach dem Zusammenspiel von Online und Offline auf dem Weg zum Kauf der Kosmetika. Es zeigte sich, dass es drei Stufen auf diesem Pfad gibt: Inspiration und Information, Entscheidung und Kauf. Inspiration findet kontinuierlich statt, unabhängig von einem geplanten Kauf. Inspirieren lassen sich die Kosmetikkundinnen dabei sowohl explizit durch Werbung, Produktbesprechungen in Zeitschriften/Blogs und die Präsentation am POS, als auch implizit – das heißt spontan aus dem Kontext heraus. Online spielt bei beiden Aspekten eine wichtige Rolle, denn die Frauen nutzen unterschiedliche Quellen und tauschen sich in Social Networks über Kosmetik aus. Insbesondere bei Düften spielt aber die sinnliche Wahrnehmung am POS eine wesentliche Rolle bei der Inspiration. Aus der Inspiration und der gesammelten Information speist sich die Produktentscheidung. Hier spielt die sinnliche Erfahrung eine zentrale Rolle. Der ganzheitliche Eindruck – Verpackung, Flakon, persönliche Beratung und das Produkterleben – bilden den Rahmen für die Entscheidung. Den meisten Frauen ist am POS die Möglichkeit des direkten Vergleichs der Produkte wichtig. Online holen sie sich dahingegen rationalen Input – zum Beispiel über Inhaltsstoffe, vor allem in Zusammenhang mit Allergien und Hautunverträglichkeiten, und ethische Aspekte wie Tierschutz. Zwar wird die Kaufentscheidung also letztlich unverändert wesentlich vom direkten Erlebnis vor Ort geprägt. Nichtsdestotrotz können Marken durch OnlineKommunikation ihren Käuferinnen die Entscheidung leichter machen. Neben Werbung und der Kommunikation über Fashion- und Beautyblogs können sie beispielsweise Farbberatung, virtuelle Stylingtest etc. anbieten. Dadurch erhalten die interessierten Frauen nicht nur die von ihnen gewünschten Informationen, sondern die Marke wird als serviceorientiert und offen wahrgenommen. Unternehmen sollten es den Kundinnen so leicht wie möglich machen, sich im Web über die Marke umfassend zu informieren. So können sie sie durch das virtuelle Markenerlebnis inspirieren, so dass die Marke anschließend am POS im Relevant Set ist. Je nach Funktion, die der Kauf für die Frau erfüllt, wird der Entscheidungsprozess unterschiedlich stark von der direkten Erfahrung im Store und der indirekten Information im Internet beeinflusst. Allerdings spielt das Web im Kaufprozess eine immer wichtigere Rolle, um etwas über Marke und Produkt zu erfahren. Die Kommunikationsstrategie sollte dem Rechnung tragen. Unternehmen müssen beginnen, On- und Offline stärker miteinander zu verzahnen. Klaus Stinnertz Klaus Stinnertz ist Director Media Research bei der MediaCom Agentur für Media-Beratung GmbH in Düsseldorf. Er verantwortet in seiner Funktion den Bereich Konsumentenforschung mit Schwerpunkt Zielgruppen-, Medien- und Werberezeptionsforschung. 27 VKE-Kosmetikverband 28 ProduktPiraterie Markenartikel Sonderheft Billig gekauft, teuer bezahlt Zu den großen Aufgaben der Kosmetikbranche gehört, die Produkt- und Markenpiraterie einzudämmen, erklärt Steffen Seifarth, Regional Vice President DACH/Eastern Europe bei Coty Prestige und Vizepräsident im VKE-Kosmetikverband. Markenartikel: In den vergangenen Jahrzehnten ist Produkt- und Markenpiraterie gerade auch in der Kosmetikindustrie zu einem ernst zu nehmenden Thema geworden. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, die zum Anstieg dieser Wirtschaftskriminalität geführt haben? Steffen Seifarth: Gefälscht wird, was der Verbraucher schätzt und gerne kauft. Das rückt die bekannten und mit Prestige behafteten Produkte in den Fokus. Verführt wird der Verbraucher dann noch durch die beliebte Jagd nach einem Schnäppchen – doch das bedeutet am Ende: billig gekauft, aber teuer bezahlt. Markenartikel: Wie meinen Sie das? Seifarth: Ein geringer Aufwand in der Produktion – von der Ausbeutung der Arbeiter unter unmöglichen Arbeitsbedingungen bis hin zu verbotener Kinderar- Steffen Seifarth ist bei Coty Prestige Regional Vice President der Region DACH/Eastern Europe sowie Vizepräsident im VKE-Kosmetikverband. beit – stehen so ergaunerte hohe Gewinnmargen gegenüber. Das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko ist durch aufgespaltete Strukturen gering, und die ausgesprochenen Strafen fallen oftmals lächerlich niedrig aus. So erreicht man keine wirksame Abschreckung. Markenartikel: Warum ist den Fälschern so schwer beizukommen? Seifarth: Der Hersteller kann die Fälscher meist erst am Ende der Kette packen und muss von da an mühsam den Weg zurückverfolgen – wenn es denn überhaupt geht. Simple Verkaufsmöglichkeiten in Kleinstmengen, zum Beispiel Straßenhändler, Flohmärkte oder Urlaubsbasare, bedeuten eine einfache Distribution ohne Nachwehen und allzu große Kosten. Und dann kommt das große dunkle Feld des weltweiten Internetvertriebes dazu, der das Verfolgungsrisiko nochmals dramatisch nach unten sacken lässt. Kurz, mit Fälschungen kann man schnell auf Kosten anderer und der Gesundheit des Verbrauchers Geld machen, ohne dass eine empfindliche Strafe winkt. Markenartikel: Nicht alle Verbraucher haben überhaupt das Bewusstsein, dass gefälschte Ware häufig minderwertig oder sogar gesundheitsgefährdend ist. Wie versucht der VKE-Kosmetikverband, die Öffentlichkeit über das Thema aufzuklären? Seifarth: Entsprechende Anfragen von Verbrauchern werden von uns beantwortet oder an die betroffene Firma weitervermittelt. Der VKE arbeitet hier Hand in Hand mit dem Aktionskreis der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie, kurz APM, der sich dieser Aufgabe als spezialisierter Verband widmet. Es gibt eine ständige Wanderausstellung, die in den ECE-Einkaufscentern zu sehen ist und die wir finanziell unterstützen. Allerdings scheint der Lernprozess eher langsam voran zu schreiten und wird immer wieder von der Aussicht auf einen günstigen Kauf gestört. markenartikel Sonderheft ProduktPiraterie VKE-Kosmetikverband 29 Fotos: iStock Photo Markenartikel: Sie haben schon angedeutet, dass Produkt- und Markenfälscher offensichtlich immer geschickter und professioneller vorgehen und sich verstärkt mit anderen Bereichen der organisierten Kriminalität verbünden, zum Beispiel auf Vertriebswege des internationalen Drogenhandels zurückgreifen. Auch kommen gefälschte Waren immer stärker auf dem Postweg und in kleineren Einheiten ins Land und nicht mehr im Container – für Zoll und Industrie eine neue Stufe im Kampf gegen die Fälscher. Wie kann man diesen Entwicklungen aus Ihrer Sicht am effektivsten entgegentreten? Seifarth: Einerseits durch eine intensive Zusammenarbeit mit Behörden und Zoll – es werden regelmäßige und weltweite Zollschulungen durch sehr viele Herstellerfirmen veranstaltet. Andererseits aber auch durch Verbesserung der Produktsicherung, etwa die Markierung zur Verfolgbarkeit, sowie die Verfolgung durch die Hersteller mittels ihrer spezialisierten Abteilungen. Weiter durch eine Nulltoleranz-Politik der Herstellerfirmen. Und schließlich durch zusätzliche Ermittlungen durch Detekteien in den Herstellerländern. Eine große Rolle spielt auch die enge Zusammenarbeit mit dem Markenverband als Sprachrohr Noch nicht alle wissen, dass die Qualität gefälschter Ware häufig minderwertig ist. Die Aussicht auf einen günstigen Kauf lässt einige Verbraucher zu billigen Fälschungen greifen. Auf deren Gefahren weist eine Kampagne des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) hin. der gesamten Markenwirtschaft und der Erfahrungsaustausch mit anderen Markeninhabern. Markenartikel: Was könnte man noch tun? Seifarth: Weiter wünschen wir uns den Ausbau der vormals ATLAS genannten E-Agent-Datenbank. Diese überregionale Datenbank des Zolls sollte auch die Polizei nutzen können – bislang ist der E-Agent noch eine reine Zolldatenbank. Verbrechensbekämpfung muss also vernetzter werden. Die Zuständigkeitsbereiche von Zoll und Polizei sollten in den Ländern klar positioniert sein und Grenzkontrollen an neuralgischen Punkten verstärkt werden, zum Beispiel an einigen Grenzübergängen zwischen Tschechien und Deutschland. Markenartikel: Welche Maßnahmen erwarten Sie dabei konkret von der Politik? Seifarth: Dass die vorhin genannten Maßnahmen als Ziele der Politik erkannt und aufgenommen werden und in eine entsprechende Gesetzgebung münden. Weiter eine intensivere internationale Zusammenarbeit der Behörden sowie politischer Druck auf Länder, in denen Fälschungen hauptsächlich hergestellt werden. Markenartikel: Wie könnten auch die Betreiber von Handelsplattformen stärker in die Pflicht genommen werden? Durch das Internet ist der Handel mit gefälschter Ware ja deutlich leichter geworden. Seifarth: Einmal direkt durch die Maßnahmen der Her- VKE-Kosmetikverband ProduktPiraterie Markenartikel Sonderheft 30 Etliche Firmen leiden unter Fälschungen. Darum fordert der VKE, den Tatbestand der Markenrechtsverletzung ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. steller, etwa intensive Überwachung von Angeboten im Internet, das Einschalten von Anwälten und privaten Ermittlern sowie die Ergreifung entsprechender rechtlicher Maßnahmen. Das Problem ist häufig, dass die dahinter stehenden Personen und Strukturen nicht leicht zu indentifizieren sind oder falsche Daten und Adressen hinterlegt haben. Ein weiteres Problem ist die Flut der Überwachungsarbeit und darauf folgender Maßnahmen. Wenn man jeden Tag 1.000 neue Auktionen zu überwachen hat und nur zehn Prozent davon rechtsverletzend sind, ertrinkt man förmlich in Arbeit – von den Kosten und dem Zeitaufwand ganz zu schweigen, bis man alle Fakten für eine rechtliche Maßnahme hat und bis dann das Gericht ein Urteil fällt, das dann noch an den Richtigen zugestellt werden muss. Markenartikel: Kein leichtes Unterfangen also… Seifarth: Ohne eine tatkräftige Mithilfe und Verantwortung der Betreiber von Handelsplattformen ist dieser Kampf nicht zu führen, geschweige denn zu gewinnen. Leider ist die Rechtslage aufgrund des Telemediengesetzes und der sogenannten E-CommerceRichtlinie nicht sehr günstig, und die Internet-Service-Provider bieten meist nur eine Entfernung der rechtsverletzenden Auktion an – das sogenannte Notice-and-Take-Down. Das ist aber keine dauerhafte Lösung: Die Fälschung verschwindet nur vom Bildschirm, sie wird aber nicht aus dem Wirtschaftskreislauf entfernt und kann jederzeit wieder eingestellt werden oder bei einem anderen Anbieter auftauchen. Gerade die Handelsplattformen im Internet sind deshalb aufgerufen, ihren Anteil zu tragen und Initiative und Verantwortung zu übernehmen. Einiges wird auf diesem Feld schon getan, nur reicht es oftmals nicht. Der VKE-Kosmetikverband setzt sich dafür ein, dass die Sicherheit im Netz verbessert wird. Markenartikel: Was muss die Kosmetikbranche beim Thema Produkt- und Markenpiraterie künftig noch stärker schaffen? Seifarth: Eine noch intensivere Aufklärung und Sensibilisierung des Verbrauchers über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Fälschungen. Hier können Politik und Medien wertvolle Unterstützungsleistungen erbringen. Leider beobachten wir eine Zunahme von Ex-Officio-Fällen, in denen die Behörde aus eigenem Betreiben vorgeht, ohne dass die betroffenen Markeninhaber informiert oder beteiligt werden. Hier gehen wertvolle Informationen für den Markeninhaber verloren. Nicht dass dies falsch verstanden wird: Wir begrüßen es, wenn die Behörden aus eigenem Antrieb handeln, nur darf der Austausch und Informationsfluss zum Hersteller nicht versiegen, nur weil die Behöre selbst ermittelt. Auch wird durch verbesserte Produktionsmethoden der Fälscher die Erkennbarkeit für den Verbraucher immer schwieriger, insbesondere im Internet, wenn nach einem Bild gekauft wird. Die Produktmarkierungen der Hersteller können nicht die Vorsorge und Eigenverantwortung des Verbrauchers ersetzen. Markenartikel: Was raten Sie deshalb dem Verbraucher? Seifarth: Er sollte, ob in einem Geschäft oder im Internet, nur bei einer vertrauensvollen Stelle kaufen. Den Händler um die Ecke kennen die meisten und können ihn bei Fragen oder Problemen leicht aufsuchen oder anrufen. Meist hat er auch eine Internetseite oder einen Internetshop. Das Risiko, hereingelegt zu werden, ist zwar gestiegen und steigt weiter. Wer aber weiß, bei wem er kauft, der fährt sicher. Interview: Torsten Schöwing INSPIRATION ZUM ANECKEN. 48 Essays zu aktuellen Herausforderungen im Marketing, verfasst von führenden Marken- und Kommunikationsstrategen. Zum dritten Mal in Folge von der APG als Taschenbuch herausgegeben. Progressiv, kontrovers, inspirierend. Bestellen Sie jetzt zum Preis von 18,00 Euro zzgl. Versandkosten auf www.new-businessverlag.de/apg VKE-Kosmetikverband 32 designer-düfte Markenartikel Sonderheft Duft als persönlichstes Accessoire des Designers Düfte bekannter Designer sind auf dem Vormarsch. Über Besonderheiten, aber auch Gefahren dieses Segments sprachen wir mit Susanne Rumbler, Präsidentin der Fragrance Foundation Deutschland und Geschäftsführerin von Beauté Prestige International. MARKENARTIKEL: Designer-Düfte haben in den vergangenen Jahren im Markt deutlich an Bedeutung gewonnen. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Gründe für diese Entwicklung? SUSANNE RUMBLER: Es sind immer die Emotionen. Nur wenige künstlich aufgebaute Marken können in ihrer Aussagekraft so lebendig und so einzigartig Menschen faszinieren wie ein anderer Mensch – in diesem Fall ein Designer. Mit seinem Namen kommuniziert ein Designer auch ein Image, das im Idealfall Prestige und eine hohe Begehrlichkeit besitzt. Wenn es vielen Konsumenten aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, die Mode eines Designers zu tragen, so möchten sie doch eines seiner luxuriösen Accessoires besitzen – auch, um sich damit ihrer Umwelt als Kenner auszuweisen. Der Duft ist ein Teil des Designers, seines Universums. Der Duft ist das persönlichste DesignerAccessoire. MARKENARTIKEL: Welche Rolle spielen Designer-Düfte, betrachtet man den Gesamt-Duftmarkt: Sind sie dort eher ein Nischenthema oder stehen sie für breite Marktanteile? RUMBLER: Sowohl als auch. Der Herrenduft »Le Male« von Jean Paul Gaultier beispielsweise steht seit seiner Lancierung 1996 auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Alle sieben Sekunden wird ein »Le Male«-Flakon verkauft. Daneben gibt es Designer-Düfte, die Klassiker sind und seit Jahren mit schönen Verkaufszahlen erfreuen. Oder auch schnell abstürzende Shooting-Stars. Dann existieren zahlreiche Designer-Düfte mit geringen Marktanteilen, die in Nischen heimisch sind. Einige werden nach einer gewissen Zeit sogar ganz vom Markt genommen. MARKENARTIKEL: Was sollten Unternehmen grundsätzlich berücksichtigen, wenn Sie im bereits hart umkämpften Duftmarkt ihr Portfolio um einen DesignerDuft ausbauen wollen? Susanne Rumbler ist Geschäftsführerin von Beauté Prestige International (BPI), Düsseldorf, sowie Präsidentin des Vorstands der Fragrance Foundation Deutschland. RUMBLER: Zunächst einmal müssen sie einen Designer mit Zukunftspotenzial entdecken und gewinnen. Bei der Entwicklung des Duftes muss dann zwingend an seinen individuellen Werten und seiner Identität festgehalten werden, was bis in die kleinsten Details des Produktauftritts kommuniziert werden sollte. Natürlich könnte ich das um zahlreiche Kriterien weiterführen – doch selbst wenn alles richtig gemacht würde, ist und bleibt ein neuer Designer-Duft immer auch ein großes Abenteuer. MARKENARTIKEL: Wo ist so ein Abenteuer aus Ihrer Sicht besonders geglückt? RUMBLER: Ein schönes Beispiel ist Narciso Rodriguez. Als Beauté Prestige International 2003 seinen ersten Duft »for her« lancierte, war der Designer in Deutschland kaum bekannt. Inzwischen wird der Name Nar- markenartikel Sonderheft designer-düfte VKE-Kosmetikverband 33 Beauté Prestige International lancierte 2003 den ersten Duft des Designer Narciso Rodriguez – »for her«. ciso Rodriguez eher mit Duft als mit Mode assoziiert. Bei der Entwicklung des Duftes haben wir das Duftprodukt gemeinsam mit dem Designer Schritt für Schritt entwickelt. Das in jedem Detail hochwertige Ergebnis entspricht in seiner Absolutheit dem Designer. Der Duft hat eine hohe, besondere Begehrlichkeit und ist auch wirtschaftlich erfolgreich. MARKENARTIKEL: Tatsächlich können Designer in unserer Mediengesellschaft schnell zu Stars avancieren, durch Misserfolge oder Skandale – siehe das Beispiel John Galliano – aber ebenso schnell von der Bildfläche verschwinden. Inwieweit gefährdet dies das Geschäft mit Designer-Düften und wie kann man solchen Risiken am besten begegnen? RUMBLER: Risiken sind nie völlig auszuschließen. Designer sind immer hochsensible Menschen – Künstler, die auch ihre Welt, ihre Marke, ihr Image leben. Ein permanenter, enger persönlicher Kontakt, Bei den Duftstars 2011 wurde der Marc Jacobs-Duft »Lola« für sein Flakon-Design ausgezeichnet. wie ihn das Haus Beauté Prestige International mit seinen Designern pflegt, bedeutet gegenseitige Nähe und bringt beiden Seiten Vorteile. Wir respektieren uns sehr und mögen uns. MARKENARTIKEL: Sind bei der werblichen Kommunikation für Designer-Düfte eigentlich Faktoren zu beachten, die sich von denen für andere Düfte stark unterscheiden? RUMBLER: Der werbliche Auftritt kommuniziert immer Sprache und Identität des Designers – seine Ästhetik, seine Haltung und Werte, seine Welt, sein Corporate Design. MARKENARTIKEL: Und wie steht Deutschland im internationalen Vergleich bei der Produktgruppe der Designer-Düfte da: Ist die Bedeutung dieser Produkte hierzulande eher größer oder eher geringer als in anderen Industrienationen? RUMBLER: Bei unseren vier Designern steht Deutschland mit an erster Stelle. MARKENARTIKEL: Wagen Sie bitte noch einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich wahrscheinlich das Geschäft und Potenzial von Designer-Düften in der Zukunft entwickeln – ist mit einem weiteren Wachstum zu rechnen? RUMBLER: Gegenseitige Verdrängung ist eine mögliche Option: Der Wettbewerb wird noch härter. Ich denke aber, dass allgemein die Suche nach Orientierung und Identifikation zunimmt. Menschen möchten sich stylen, ihre Persönlichkeit unterstreichen, sich selbst ein Image geben. Dafür ist ein Designer-Duft, der gleichzeitig ein Statement ist, wunderbar geeignet. Er gehört einfach dazu. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit an Designer-Düften entspricht der wachsenden Individualisierung der Menschen. Interview: Torsten Schöwing VKE-Kosmetikverband 34 Handelsbeziehungen Markenartikel Sonderheft Wertschöpfung schaffen Die Zusammenarbeit mit dem Handel stellt die Kosmetikbranche vor einige Herausforderungen. Aber nur gemeinsam können beide Seiten die Gunst der Konsumenten gewinnen, sagt Andreas Sistig, Geschäftsführer und Vice President bei Shiseido Deutschland. MARKENARTIKEL: Die Beziehung zum Handel ist geprägt von einem steten Auf und Ab. Klar ist aber: Ohne einander geht es nicht. Andreas Sistig: In der Tat sind Handel und Industrie wie die beiden Seiten einer Münze. Erst zusammen bilden sie den Wert. Die Qualität der Beziehungen wurde und wird dabei auch heute noch im Wesentlichen von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt. MARKENARTIKEL: Wobei die deutsche Handelslandschaft mit ihrer vielfältigen Parfümerielandschaft durchaus etwas Besonderes ist... Sistig: Der rasante Aufstieg der deutschen Wirtschaft in der Nachkriegszeit mit seinen vielfältigen Existenzgründungen war der prägende Faktor für die bis heute immer noch mittelstandsstarke Parfümerielandschaft Deutschlands. Damals hatten wir einen klaren Verkäufermarkt, in dem das Angebot überschaubar war. Es gab viele potenzielle Kunden, und so mancher Außendienstmitarbeiter hatte sogar seinen eigenen Fahrer, um dorthin zu gelangen. Auch gab es einen sogenannten Gebietsschutz für den Händler, der den eigenen Standort sicherte und die lästige Konkurrenz fernhielt. MARKENARTIKEL: Aber nicht nur die Handelslandschaft boomte. Auch die Industrie profitierte von den postiven Entwicklungen. Sistig: Der stetige Zuwachs von Parfümeriestandorten und die hohen Margen lockten in den 1980ern und zu Andreas Sistig ist seit 2007 Geschäftsführer der Shiseido Deutschland GmbH, Düsseldorf, und fungiert seit 2010 zusätzlich als Vice President. In dieser Funktion leitet er das Unternehmen an der Seite von Präsident Yoshinori Nishimura. Vor seiner Zeit bei Shiseido war Sistig bei LVMH als General Manager bei Guerlain Parfumeur tätig. Weitere Stationen waren Unilever und Revlon. Sistig ist Mitglied des Vorstands des VKE-Kosmetikverbandes. Beginn der 1990er-Jahre auch die großen Industriekonzerne an, die in ihrem angestammten Massenmärkten ebenfalls mit Sättigungsproblemen zu kämpfen hatten. So manche Luxusmarke wechselte damals den Besitzer. Stetiges Wachstum und eine Flut von Neuheiten vor allem im Duftsegment bescherten bis vor etwa 14 Jahren beiden Seiten ein gutes Auskommen. Nun ist aber auch im Luxusmarkt die Sättigung eingetreten. Für den einen oder anderen kommt dies völlig überraschend, man ist nicht ausreichend darauf vorbereitet. MARKENARTIKEL: Welche Möglichkeiten gibt es, um auf diese Entwicklungen zu reagieren? Sistig: Letzte Ausweichmöglichkeiten bieten bisher noch das Nischengeschäft oder das wachsende Pre- markenartikel Sonderheft handelsbeziehungen VKE-Kosmetikverband 35 Hochklassiges Angebot: Hersteller und Handel bieten den Kunden am POS exzellente Einkaufserlebnisse und eine perfekte Beratung. miumsegment, aber auch hier kann man nicht endlos die Preisschraube nach oben drehen. Wir müssen schmerzlich feststellen, dass aus unserem Verkäufermarkt heute ein Käufermarkt geworden ist. Damit haben sich auch die Spielregeln massiv verändert. MARKENARTIKEL: Der Konsument hat also das Sagen? Sistig: Es gibt ein Überangebot von Ware und Verkaufsstellen, und wir müssen um den Konsumenten kämpfen. Den Chauffeur gibt es schon lange nicht mehr ebenso wenig wie den Gebietsschutz in seiner ursprünglichen Form. Zuwächse werden heutzutage sowohl auf Handels- als auch auf Herstellerseite teilweise teuer erkauft. Mit zunehmender Sättigung tritt aber auch der Serviceaspekt unseres Luxusgeschäftes wieder stärker in den Vordergrund, was wiederum neue Chancen eröffnet. MARKENARTIKEL: Inwiefern neue Chancen? Sistig: Zu unserer Aufgabe als Hersteller gehört es, die Einhaltung der strengen selektiven Vertriebskriterien zu überwachen. So können wir zusammen mit unseren Handelspartnern dem Endverbraucher ein luxuriöses Einkaufserlebnis aus erstklassigen Produkten, exzellenter Beratung und hochwertigem Ambiente anbieten. MARKENARTIKEL: Das selektive Vertriebsbindungssystem hat also aus Ihrer Sicht Vorteile für Hersteller, Handel und Verbraucher? » Sistig: Es hilft uns enorm, die Wertschöpfung für alle Beteiligten aufrecht zu erhalten. Der Hersteller kann sich sicher sein, dass die Produkte in einem für die Marke hochwertigen Umfeld verkauft werden. Der Handel hat mit seinem hochklassigen Angebot die Gewissheit, dass seine Investitionen in Ausstattung und Service auch finanzierbar bleiben. Und der Endverbraucher erhält dafür ein exzellentes Einkaufserlebnis und eine perfekte Beratung. Ohne den Vertrag dürfte jeder alles verkaufen. Der Vertriebskanal Parfümerie würde gerade in der jetzigen Marktsituation kollabieren. Deshalb ist es sowohl für unsere Handelspartner als auch für uns Hersteller unabdingbar, auf die Einhaltung des Vertrages zu setzen. MARKENARTIKEL: Gerade bei Kosmetika ist die Präsentation das A und O. Ein starker Einzelhandel lebt von Individualität und Facettenreichtum. Mit welchen Konzepten kann der Handel Ihrer Ansicht nach punkten? Sistig: In einer Welt global agierender Marken ist es nicht zu verhindern, dass viele der Beteiligten im Handel dasselbe Sortiment haben. Man findet dieses Phänomen auch international, da sich die Umsätze auf wenige große Konzerne verteilen. Wenn natürlich alle allen alles verkaufen wollen, gibt es keine Individualität mehr und das Angebot verschwimmt. Es gibt drei Ansätze, dies zu verhindern. MARKENARTIKEL: Und die wären? Sistig: Neben der individuellen Sortimentsauswahl be- Handel und Industrie sind wie die beiden Seiten einer Münze. Erst zusammen bilden sie den Wert. Andreas Sistig, Shiseido Handelsbeziehungen Markenartikel Sonderheft Foto: KDW - Kaufhaus des Westens VKE-Kosmetikverband 36 Ohne das stationäre Geschäft geht es auch in Zukunft nicht, denn Marken brauchen eine Bühne, auf der sie inszeniert werden. steht die Möglichkeit, sich klar für Marken zu entscheiden und ihnen eine Bühne für die Inszenierung zu bieten. Das kann ein Wettbewerber in der gleichen Stadt mit einer anderen Marke tun. Über eine derartige qualitative Differenzierung des Sortiments kann einem Standort mehr Individualität verliehen werden. Der zweite Ansatz ist das Geschäft selbst. Standort und Ausstattung müssen von Zeit zu Zeit überdacht werden. Kunden wollen interessiert und überrascht » Sistig: Der Online-Shop ist lediglich das virtuelle Schaufenster des stationären Geschäfts. Ohne das stationäre Geschäft geht es in unserer Branche einfach nicht. Auch wenn über das Internet mehr und mehr gekauft wird, so bedeutet das aber noch längst nicht, dass künftig alles nur noch dort verkauft wird. Das Internet ist eine gute Ergänzung und steht keinesfalls im Widerspruch zur Parfümerie als stationärem Geschäft. Der Online-Shop ist lediglich das virtuelle Schaufenster des stationären Geschäfts. werden. Wenn man sich die Entwicklung so mancher Drogeriemarktketten anschaut, ist eindeutig der Schritt zu höherwertigen Einkaufserlebniswelten zu sehen. Das wird den Parfümerieeinzelhandel und seine Partner wiederum unter Zugzwang bringen. MARKENARTIKEL: Sie sprachen noch eine dritte Möglichkeit an. Was meinen Sie konkret? Sistig: Hier geht es um den Service und die Beratung, das eigentliche Herzstück unseres gemeinsamen Geschäfts. Nur in ganz wenigen Märkten finden sich noch ein so großer Enthusiasmus seitens der Inhaber und ein so hohes Potenzial an Fachkräften mit Spezialwissen wie im Parfümeriemarkt. Zudem bietet die Industrie ständig Weiterbildungsprogramme an, mit denen sich Know-how nachrüsten lässt. MARKENARTIKEL: Aber welche Rolle spielen stationäre Einkaufsstätten in der multimedialen Einkaufswelt überhaupt noch? Sind sie in Zeiten des Internethandels nicht längst überholt? Andreas Sistig, Shiseido MARKENARTIKEL: Im Web müssen dabei die hohen qualitativen Ansprüche des selektiven Systems genauso gelten wie im stationären Handel. Wie kann es gelingen, auch in diesem Vertriebskanal die Aura des Besonderen darzustellen? Sistig: Zunächst bleibt festzustellen, dass die Autorisierung des Online-Handels nur für stationäre Händler gelten kann, die das Geschäft verstehen. Trittbrettfahrern und Glücksrittern haben wir als Hersteller bereits massiv den Riegel vorgeschoben. Es wurde zudem bei den Depot-Verträgen für die Web-Shops viel Energie darauf verwendet, dass die Kriterien unseres selektiven Vertriebsbindungssystems auch im Internet gewahrt bleiben. Gefahr droht aber in erster Linie aus den Lücken des Systems. So wird beispielsweise unkontrolliert Ware unter Vernichtung jeglicher Luxusaspekte eingeschleust. Herausforderungen wie die Problematik des Graumarktes werden wir nur im partnerschaftlichen Miteinander lösen können. Interview: Vanessa Göbel Jeden monat neu MARKENARTIKEL – DAS MAGAZIN FÜR MARKENFÜHRUNG Fordern Sie jetzt bei Birgit Jessen Ihr persönliches Kennenlern-Exemplar an! Telefon: 040/60 90 09 - 62 [email protected] www.markenartikel-magazin.de VKE-Kosmetikverband 38 Kosmetik- und parfümwerbung Markenartikel Sonderheft »Träume und Wünsche entstehen lassen« Kosmetik- und Parfumwerbung besetzt einen festen Platz in der Werbelandschaft. Über die Besonderheiten der unterschiedlichen Werbekanäle sprachen wir mit Rolf Sigmund, Geschäftsführer L’Oréal Luxe und Vizepräsident der Fragance Foundation Deutschland. Markenartikel: Über 60 Jahre VKE-Kosmetikverband spiegeln zugleich sechs Jahrzehnte Kosmetik- und Parfumwerbung. Was waren aus Ihrer Sicht in dieser Zeit die einschneidenden und besonders markanten Veränderungen? Rolf Sigmund: Die Kosmetik- und Parfumwerbung ist zu einem wichtigen Pfeiler der Werbewirtschaft geworden. Die Frauenzeitschriften werden heute entscheidend von der Kosmetikwerbung geprägt. Im Laufe der Zeit hat es die Kosmetikindustrie verstanden, nicht nur Konzepte zu vermitteln, sondern auch den direkten Kontakt mit den Produkten durch aufwendige Testmuster in Form von Sachets und Dufttestmustern, sogenannten Scent Strips oder Scent Sceals, in direkter Verbindung mit den Anzeigen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist die Fernsehwerbung heute ein fester Bestandteil der Werbestrategie, insbesondere für Duftkampagnen. Dasselbe gilt für den Bereich Internet, der uns eine optimale Ansprache von jungen Zielgruppen ermöglicht. tionskanal hinzugekommen. Welche Bedeutung und Chancen sehen Sie in diesem Medium für die Kosmetik- und Parfumbranche? Sigmund: Das Internet erlaubt uns, unsere Konzepte und Produkte noch genauer zu erklären und wichtiges Hintergrundwissen zu vermitteln. Zudem erreichen wir über das Internet insbesondere die junge Zielgruppe sehr gut. Markenartikel: Das wohl wichtigste Marketinginstrument beim Kosmetik- und Parfumkauf ist dennoch wohl immer noch der Point of Sale, an dem sich je- Markenartikel: Die Produkte Ihrer Branche sprechen zahlreiche Sinne an, besonders stark den Geruchsund Tastsinn. Wie kann es gelingen, diese zentralen Produktbesonderheiten in eher visuell geprägten Medien wie Print und Fernsehen beim Konsumenten angemessen zu kommunizieren? Sigmund: Das gelingt sehr gut durch die Einbindung von Produktproben wie den bereits erwähnten Sachets für Pflege- und Make up-Produkte sowie durch Dufttestmuster, die in eine Anzeige integriert sind. Markenartikel: Durch das von Ihnen bereits angesprochene Internet ist in jüngerer Vergangenheit ein neuer, auch für Ihre Branche sehr wichtiger Kommunika- Rolf Sigmund ist Geschäftsführer von L’Oréal Luxe Germany und Vizepräsident der Fragrance Foundation Deutschland. markenartikel Sonderheft doch hunderte von Marken tummeln. Wie gelingt den Waren dort eine adäquate Präsentation und welche Wünsche haben Sie für die Warenpräsentation speziell an den Handel? Sigmund: Der große Wunsch an den Handel ist, sich zu fokussieren, denn es gilt: weniger ist mehr. Es ist niemanden gedient, ein Maximum von Marken in gleicher Form darzustellen. Stattdessen sollten die wichtigen Ankermarken besonders herausgestellt werden. Der Konsument fühlt sich sicherer, wenn er die TopMarken, die ihm bereits bekannt sind, schnell am Point of Sale erkennen kann. Markenartikel: Manche Marktbeobachter beklagen allerdings eine Austauschbarkeit der Markenwelten von Kosmetik und Parfums. Wie können sich Marken dennoch differenzieren und Akzente setzen? Sigmund: Aus meiner Sicht können sich Marken durch eine klare Positionierung und durch einzigartige, echte Innovationen abgrenzen. Markenartikel: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick nach vorne: Welches sind nach Ihrer Meinung in absehbarer Zukunft die zentralen Herausforderungen, Chancen und Gefahren für die Kosmetikund Parfumwerbung? Sigmund: Es muss uns mehr denn je gelingen, das Besondere hervorzuheben und damit Wünsche zu kreieren, die dem Konsumenten noch gar nicht bewusst sind. Unsere Werbung soll nicht Bedürfnisse befriedigen, sondern Träume und Wünsche entstehen lassen. Die Kosmetikwerbung muss dabei aber glaubhaft bleiben. Es ist mehr denn je wichtig, die Balance zu finden zwischen perfekter Schönheit, die gleichzeitig als erreichbar und erstrebenswert gilt. Interview: Torsten Schöwing kosmetik- und parfümwerbung VKE-Kosmetikverband In Berichten, aber auch Anzeigen gehört Kosmetik zu den zentralen Themen vieler Zeitschriften. 39 VKE-Kosmetikverband 40 nachhaltigkeit Markenartikel Sonderheft Ohne Rücksicht geht es nicht Nachhaltigkeit spielt in der Kosmetikbranche eine immer wichtigere Rolle. Ein Unternehmen, das hier bereits seit Jahrzehnten vorbildlich agiert, ist die Naturkosmetikmarke Annemarie Börlind. Börlind-Chef Michael Lindner erläutert, worauf es bei grünen Produkten ankommt und warum Authentizität Trumpf ist. MARKENARTIKEL: Ihr Unternehmen produziert bereits seit 1959 Naturkosmetikprodukte. Zu einer Zeit, als Cremes und Schminke ohne Silikone, Paraffine, Erdölprodukte, Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe noch als Wald-und-Wiesen-Pflege belächelt wurden. Heute wird das Thema Nachhaltigkeit von Unternehmen zunehmend forciert. Wie kommt es, dass es ein solcher Dauerbrenner geworden ist? Michael Lindner: Verantwortung und Respekt für Natur und Umwelt wie auch für Mensch und Gesellschaft sind heute für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens unverzichtbar. Um es ganz deutlich zu sagen: Ohne Rücksicht auf Umwelt und ohne einen achtsamen Umgang mit unterpriviligierten Menschen aus anderen Kulturkreisen ist die Zukunft von uns allen gefährdet. Das erkennen immer mehr Konsumenten aus allen sozialen Schichten, so dass zunehmend mehr Kaufentscheidungen neben den Kriterien Wirksamkeit und Verträglichkeit auch unter den genannten Gesichtspunkten getroffen werden. MARKENARTIKEL: Auch die Kosmetikindustrie hat das längst erkannt. Immer mehr Hersteller setzten auf die Sogkraft der grünen Produkte und bringen neue Marken und Ranges auf den Markt. Lindner: Nach meinem Dafürhalten ist dies ein Muss für alle Markenverantwortlichen. Die stark wachsende Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen mit einem grünen Mehrwert ist unübersehbar. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch fortsetzen, ja verstärken. Durch ein nachhaltiges Produktsortiment lassen sich daher für jeden nachhaltig aufgestellten Kosmetikhersteller neue Kundengruppen sowie gute zusätzliche Umsatz- und Profilierungschancen erschließen. MARKENARTIKEL: Worauf müssen die Hersteller achten, die ihre Produkte natürlicher machen wollen? Michael Lindner leitet als geschäftsführender Gesellschafter die Geschäfte der Börlind Gesellschaft für kosm. Erzeugnisse mbH in Calw, zu der die Marken Annemarie Börlind und Dado Sens gehören. Das Unternehmen unterstützt zahlreiche sozio-ökologische Initiativen: Über das Projekt KOOFA bezieht Börlind Öle aus Bio-Anbau. Das Rosenextrakt stammt aus dem Zahra Rosewater-Projekt, durch das 1.500 Menschen ein gesichertes Einkommen erhalten. Aus den Gewinnen werden Waisenhäuser und ein Frauenhaus für Ex-Prostituierte finanziert. In Mali, von wo der Großteil der bei Börlind verwendeten Karitébutter stammt, unterstützt Börlind das Projekt Häuser der Hoffnung e.V., das unter anderem finanzielle Mittel für den Aufbau der Infrastruktur, die Schulung und Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und den Erwerb nachhaltiger Produktionsmaschinen bereitstellt. markenartikel Sonderheft nachhaltigkeit VKE-Kosmetikverband 41 Frauen in Mali sammeln die Nüsse der Karitébäume, aus denen Shea-Butter gewonnen wird. Börind unterstützt zusammen mit »Häuser der Hoffnung e.V.« ein sozio-ökologisches Projekt vor Ort. Im Rahmen dieser Initiative werden unter anderem qualifizierte Fachkräfte ausgebildet und Mittel für den Erwerb nachhaltiger Produktionsmaschinen bereitgestellt. Lindner: Als erstes ist es natürlich notwendig, dass die Inhaltsstoffe möglichst natürlichen Ursprungs sein sollten. Dabei muss streng darauf geachtet werden, dass dies nicht auf Kosten der Natur erfolgt – beispielsweise durch Raubbau oder Monokultur. Dies kann sichergestellt werden durch autorisierte Kontrollinstitute, die weltweit vor Ort tätig sein müssen. Auch die Verpackung sollte möglichst umweltneutral sein. MARKENARTIKEL: Die Konsumenten legen auch Wert auf eine umweltneutrale Verpackung? Lindner: Ich bin mir sicher, dass Verbraucher eines Tages darauf achten werden, ob beispielsweise Verkaufsdisplays, die nur kurzfristig den Verkauf ankurbeln sollen, aus wiederverwertbaren oder zumindest umweltneutralen Materialien hergestellt wurden – oder ob sie die Umwelt stark belasten. MARKENARTIKEL: Für die Unternehmen geht es bei dem Thema allerdings um weit mehr als bloße Image-Politur. Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche Notwendigkeit geworden zu sein Kunden machen ihre Kaufentscheidung zunehmend auch vom Charakter des Unternehmens abhängig, das hinter den Marken steht. Ist diese Erkenntnis in den Köpfen der Kosmetikbranche angelangt? Lindner: Ich bin überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit bereits sehr stark im Bewusstsein der Unternehmensverantwortlichen verankert ist. Das zeigt sich deutlich in ihrem sozialen Engagement und schlägt sich in zahlreichen umwelt-entlastenden Maßnahmen nieder. Es ist zu wünschen, dass sich künftig immer mehr Entscheidungsträger aus Industrie, Handel und Dienstleistung des global bedeutsamen Themas einer nachhaltigen Unternehmensführung annehmen und neben Worten zunehmend auch Taten sprechen lassen. MARKENARTIKEL: Wie meinen Sie das? Lindner: Es ist wichtig, dass eine Nachhaltigkeitskommunikation nicht zum reinen Marketing- oder PRTool herabgewürdigt wird, sondern vielmehr authentischer Ausdruck einer gelebten Umweltphilosophie ist – fest verankert in den jeweiligen Unternehmensleitbildern. MARKENARTIKEL: Kann es dabei hilfreich sein, weltweit gültige Standards zu entwickeln? Unternehmen definieren ihre Anforderungen an sozial und ökologisch verantwortungsvolles Handeln bisher meist selbst. Lindner: Entscheidender als ein Industriestandard sind meines Erachtens die transparente Kommunikation von Produkt- und Unternehmensqualitäten sowie die jeweiligen CSR-Standards. Aus diesem Grund haben wir uns bei Börlind für eine individuelle und unabhängige Zertifizierung durch ECO Control entschieden. So werden für den Verbraucher auch nachhaltige und soziale Aspekte unserer Kosmetik verständlich und nachvollziehbar. MARKENARTIKEL: Wer authentisch agiert, ist also klar im Vorteil. Lindner: Man kann auf Dauer nur das nach Außen tragen, was tatsächlich auch an Substanz vorhanden ist. Früher oder später wird jedem Verbraucher klar, welche Unternehmen authentisch und transparent arbeiten und bei welchen Anbietern nur Greenwashing getrieben wird. Daher ist Ehrlichkeit nicht nur ein Gebot für Anstand in der Wirtschaft, sondern vor allem auch Voraussetzung für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Interview: Vanessa Göbel VKE-Kosmetikverband nachhaltigkeit Markenartikel Sonderheft Naturkosmetik: Wachsendes Marktsegment 42 Neben Börlind haben heute zahlreiche Newcomer-Marken das grüne Segment für sich entdeckt. Denn Umweltbewusstsein ist en vogue und längst nicht mehr nur etwas für spleenige Aktivisten. Klar, dass davon auch die Naturkosmetik profitiert. Das Segment boomt. Insbesondere in Deutschland: Der hiesige Naturkosmetikmarkt ist der umsatzstärkste in Europa. Nach der sprunghaften Entwicklung in den vergangenen Jahren hat sich das Wachstum zwar etwas verlangsamt. Im Vergleich zu 2011 verzeichnete das Marktsegment nach der Definition von Branchenexpertin Elfriede Dambacher im Jahr 2012 einen Zuwachs von 5,5 Prozent auf 860 Millionen Euro (2011: 815 Mio. Euro; 2010: 795 Mio. Euro). Und die Zeichen stehen weiterhin auf Wachstum. Der Marktanteil der Naturkosmetik am Gesamtkosmetikmarkt in Deutschland stieg laut Dambacher von 6,3 Prozent im Jahr 2010 auf 6,5 Prozent im Jahr 2011 und 6,8 Prozent im Jahr 2012. Zum Vergleich: Laut der Leitmesse für Naturkosmetik Vivaness liegt der Anteil von Naturkosmetik in den meisten anderen europäischen Ländern bei drei bis vier Prozent. Auch die Ergebnisse der Marktforscher sind positiv. Nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist der deutsche Markt für kontrollierte Naturkosmetik im ersten Halbjahr 2013 um 10,2 Prozent gewachsen. Für das vergangene Jahr prognostizierten die Forscher, dass der Umsatz in Deutschland auf über 950 Mio. Euro steigen werde. 2014 soll voraussichtlich die Milliardengrenze geknackt werden. Die gute Entwicklung lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass neben tradierten Namen wie Annemarie Börlind, Dr. Hauschka oder Weleda auch neue grüne Labels um die Gunst der Kunden buhlen. Zudem feilen Firmen wie L‘Oréal oder Clarins an ihrem Öko-Image und entwickeln grüne Subranges. Außerdem ist die Verfügbarkeit von Naturkosmetik und naturnaher Kosmetik gestiegen. Die Produkte sind inzwischen fast überall verfügbar und werden nicht mehr nur im Biofachhandel verkauft. Der Naturkosmetik-Markt und der naturnahe Markt bleiben deshalb wichtige Wachstumsmotoren in der Kosmetikbranche. Laborchefin Guylaine LeLoarer weist eine malische Mitarbeiterin des Karitébutter-Projekts in die Qualitätsstandards von Börlind ein. Labels für Naturkosmetikprodukte Zu den bekanntesten Zeichen zählt das BDHI-Prüfsiegel »Kontrollierte Natur-Kosmetik« des Bundesverbandes Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel e.V. Der BDHI kontrolliert jedes Produkt auf Konformität zum BDIH-Standard. Mehr Informationen unter www.ionc.info. Ein weiteres bekanntes Siegel kommt von Ecocert, einer der größten Bio-Zertifizierungsorganisationen der Welt. Der Verband zertifiziert neben Rohstoffen auch Kosmetikprodukte mit den Labeln »Ökologische und biologische Kosmetik« sowie »Biologische Kosmetik« (www.ecocert.de). Auch die Inspektions- und Zertifizierungsstelle EcoControl zertifiziert ökologische Produkte und Qualitätssicherungs-Systeme im Non-Food Bereich. Die Bewertung für Natur- und Biokosmetik erfolgt gemäß BDIH-, COSMOS- und NaTrue-Standards. EcoControl ist ebenfalls Zertifizier für CSE, dem ersten Nachhaltigkeitssiegel zertifizierter Unternehmensführung, das sich im Gegensatz zu Produktzertifizierungen auf das gesamte Unternehmen bezieht. Die Grundlagen für die Zertifizierung sind unter www.cse-label.org veröffentlicht. Der BDIH (Deutschland), Bioforum (Belgien), Cosmebio & Ecocert (Frankreich), Icea (Italien) und die Soil Association (Großbritannien) haben 2009 zudem den COSMOS-Standard veröffentlicht, einen harmonisierten europäischen Naturkosmetikstandard. Er soll die Vergleichbarkeit möglich machen und Mindeststandards setzen, ohne die nationalen Systeme abzuschaffen. Weitere Details unter www.cosmos-standard.org. Das Naturkosmetik- Siegel NaTrue wurde 2007 von mehreren europäischen Herstellern von Natur- und Biokosmetik gegründet. Der wissenschaftliche Ausschuss des international tätigen, nicht gewinnorientierten Verbandes hat die Vergabekriterien des Labels definiert und entwickelt sie kontinuierlich weiter. Zertifiziert wird in drei Qualitätsstufen: Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und Biokosmetik. Weitere Informationen unter www.natrue.org. markenartikel Sonderheft verbandsinfo VKE - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V. Unter den Linden 42 10117 Berlin Tel. +49 30/206168-22 Fax. +49 30/206168-722 E-Mail: [email protected] Präsident: Vizepräsidenten: Schatzmeister: Weitere Vorstandsmitglieder: Kooptiertes Vorstandsmitglied: Ehrenvorsitzende: Geschäftsführer: Stephan Seidel (Clarins GmbH) Steffen Seifarth (Coty Germany GmbH) Thomas Schnitzler (Nobilis Fragrances GmbH) Bart de Boever (LVMH Parfums & Kosmetik GmbH) Beate Fastrich (Estée Lauder Companies GmbH) Susanne Rumbler (Beauté Prestige International GmbH) Andreas Sistig (Shiseido Deutschland GmbH) Michael Lindner (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH), Alexander Keller (Chanel GmbH) Maria Augustin Gunter Thoß (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH) Martin Ruppmann Mitglieder des VKE sind: AHAVA Cosmetics GmbH alessandro International GmbH ARS Parfum Creation & Consulting GmbH ARTDECO Cosmetic GmbH ASTALIFT Fujifilm Europe GmbH BCG Baden-Baden Cosmetics Group AG Beaute Prestige International GmbH Beauty Brands International GmbH BEAUTY IS LIFE Börlind Gesellschaft für kosmetische Erzeugnisse mbH BULGARI Deutschland GmbH Chanel GmbH Clarins GmbH Coty Germany GmbH Dermapharm AG DISTRICT TWO GmbH Dr. Babor GmbH & Co. E.A. Cosmetics Distributions GmbH Elizabeth Arden GmbH Estée Lauder Companies GmbH I.P.D. International Perfume Distribution GmbH ITF Germany GmbH Kanebo Cosmetics Deutschland GmbH Klapp Cosmetics GmbH KSAR GmbH La mer Cosmetics AG La Prairie Group Deutschland GmbH Ligne St. Barth GmbH L‘Oreal Deutschland GmbH LR Health & Beauty Systems GmbH LUXESS GmbH LVMH Fragrance Brands GmbH LVMH Parfums & Kosmetik GmbH Parfums Christian Dior LVMH Parfums & Kosmetik GmbH Division Guerlain Maria Galland GmbH MASTER BRANDS e.K. Mäurer + Wirtz GmbH & Co. KG Maxim Markenprodukte GmbH & Co. KG Division Créateur Cosmétiques« MBR Medical Beauty Research GmbH Nobilis Fragrances GmbH Moorstore Swiss AG P&G Prestige Products GmbH PUIG Deutschland GmbH Revitalash Deutschland GmbH & Co. KG Richemont Northern Europe GmbH Cartier Parfums SA.G Group GmbH SanderStrothmann GmbH Shiseido Deutschland GmbH Sif Cosmetics GmbH Sisley Deutschland Vertriebs GmbH SOTHYS - Euro-Kosmetik GmbH Swiss Mountain Cosmetics GmbH & Co. KG THOMAS SABO Beauty GmbH Troll Cosmetics GmbH WALA Heilmittel GmbH WHITE WISP GmbH & Co. KG - Butter London VKE-Kosmetikverband 43