Die Arbeitslosen von Marienthal
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Die Arbeitslosen von Marienthal
Die Arbeitslosen von Marienthal Einleitung (s. 24-31) Was wissen wir über Arbeitslosigkeit? • Statistische Erhebungen: • Zahl der Arbeitslosen & Größe der Unterstützungsleistungen • Reportagen: • Schicksal und Leben der einzelnen Arbeitslosen • Nachteile dieser Beschreibungen: • Nur quantitative Angaben: erklären nicht die erlebte Arbeitslosigkeit • Die Konzentration auf Einzelschicksale: erklären nicht das typische Erlebnis der Arbeitslosigkeit • Das Marienthal Projekt: • Zahlen & Inventar von biographischen Details vieler Arbeitslosen • Ziel: Komplexe psychologische Tatbestände nach objektiven Kriterien beschreiben Käthe Kollwitz (1867-1945) Arbeitslos Daten sammeln • Quellen zum subjektiven Erleben der Arbeitslosigkeit • Äußerungen der Arbeitslosen • Antworten auf Fragen • Erzählungen der Gemeindefunktionäre • Tagebücher, Briefe • Quellen für quantifizierbare Daten: Frau in Marienthal 30er Jahre • Konsumverein • Gemeinde • Vereine • Selbst erhobene Daten: • Essverzeichnisse • Zeitverwendungsbögen • Beobachtungsprotokolle, usw. Gesang Section der Textilarbeiter Mariental (1906 - 1923) Methode • „[…] das subjektive Moment, das jeder Beschreibung eines sozialen Tatbestandes anhaftet, haben wir auf ein Minimum zu reduzieren gesucht, indem wir alle Impressionen wieder verwarfen, für die wir keine zahlenmäßige Belege finden konnten.“ • Durch diese Methode konnten die Forscher am Ende ihre wichtigsten Thesen formulieren: • Die Reduktion des Anspruchs- und Aktivitätsbereichs („Die müde Gemeinschaft“) • Der Zeitzerfall („Die Zeit“) • Das Hinabgleiten entlang der Haltungsreihe („Die Haltung“ & „Die Widerstandskraft“) Einschränkung des Forschungsgegenstandes • Fokus auf das Dorf (Gemeinschaft von Arbeitslosen) • Keine Schlüsse möglich auf das Verhalten einzelner Arbeitslosen in einer Gemeinschaft von Beschäftigten • Individuelle psychopathologische Ursachen des Verhaltens ignoriert • Kollektive neurotische Massenerscheinungen (z. B. Zerfall der Gemeinschaft) nicht entdeckt • Manuelle Arbeitslose in einer bestimmten Branche • Eine bestimmte Jahreszeit • Gegensatz zu Reportagen (Zufallsbeobachtung): • revolutionierende Wirkung, Ausbrüche von Verzweiflung selten • lähmende Wirkung der Arbeitslosigkeit überwiegend Verzeichnis der Mittel zur Datenerhebung (1) • Katasterblätter • Für 478 Familien: Personaldaten, Unterstützung, Wohnverhältnisse, Familienleben, Haushaltsführung, usw. • Lebensgeschichten • Von 32 Männern und 30 Frauen: Kontrasteffekt zur Erleichterung der Erzählung der Gegenwart • Zeitverwendungsbogen • Von 80 Personen: Stundenplan der Beschäftigung während eines Tages • Anzeigen und Beschwerden • Schulaufsätze von Kindern • Themen: « Mein Lieblingswunsch », « Was will ich werden », « Was ich mir zu Weihnachten wünsche » • Preisausschreiben unter Jugendlichen (Wettbewerb für den besten Aufsatz) • Thema: « Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? » Verzeichnis der Mittel zur Datenerhebung (2) • Inventare der Mahlzeiten • Für 40 Familien während einer Woche; Gabelfrühstück der Schulkinder • Protokolle • Weihnachtsgeschenke, Gesprächsthemen und Beschäftigung in öffentlichen Lokalen, Erziehungssorgen der Eltern, ärztliche Untersuchung, Informationen der Lehrer, der Gemeinde, der Fabrik, des Pfarrers, usw., Umsätze: Wirt, friseur, Fleischhauer, Schumacher, Schneider, Zuckerbäcker • Statistische Daten • Buchhaltung des Konsumvereins, Bibliothek, Zeitungsabonnements, Mitgliederzahlen der Vereine, Wahlergebnisse • Historische Angaben • Gemeinde, Fabrik, Gewerkschaften, Vereine • Bevölkerungsstatistik • Demographische Daten • Haushaltungsstatistik • Nur in wenigen Fällen durchgeführt Wie das Forscherteam diese Daten gesammelt hat • Prinzip: « […] kein einziger unserer Mitarbeiter [durfte] in der Rolle des Reporters und Beobachters in Marienthal sein, […] jeder hatte sich durch irgendeine, auch für die Bevölkerung nützliche Funktion in das Gesamtleben natürlich einzufügen. » • Beispiel Kleideraktion: • Beschaffung von Kleidern und Schuhen in Wien • Zusammenarbeit mit der offiziellen Winterhilfe-Aktion • Hausbesuche in Marienthal, um die Bedürfnisse zu kennen • Dabei: Protokolle zum Verhalten der Beteiligten • Vertrauen der Bevölkerung gewinnen Wie das Forscherteam diese Daten gesammelt hat (2) • Politische Mitarbeit: • Zusammenarbeit zur Sammlung von Äußerungen über die Lokalverhältnisse • Schnittzeichenkurs • Während 2 Monaten von 50 Frauen besucht • Informationen aufgrund von Erfahrungen und Vorschlägen für den Kurs in einem anderen Dorf • Ärztliche Behandlung • Freie Sprechstunden für Frauen und Kinder • Gespräche protokolliert, Mittel der Kontrolle anderer Angaben • Mädchenturnkurs (für Jugendliche) • Erziehungsberatung (nach der medizinischen Sprechstunde oder nach Vorträgen) Der Fragebogen für die Feldforscher • Fragengruppe 1: Einstellung zur Arbeitslosigkeit • Beispiele: • Was hat der einzelne getan, um Arbeit zu finden? • Welcher Arbeitsersatz wird geleistet? Z. B. Kleintierzucht, Bauernarbeit, usw. • Welche Pläne haben die Leute noch? • Fragengruppe 2: Wirkungen der Arbeitslosigkeit • Beispiele: • Wirkungen auf die Kriminalität? • Haben die politischen Gegensätze sich verschärft oder vermindert? • Wie haben sich die Beziehungen der Einwohner zueinander geändert, Hilfsbereitschaft oder Kampf? • Veränderungen innerhalb der Familie? In welchem Zeitraum die Studie durchgeführt wurde • Herbst 1931: Beginn der Studie • Dezember 1931 - Januar 1932: Aufenthalt von Lotte Danziger in Marienthal • Januar 1932 – Mai 1932: einzelne Aktionen in Marienthal • Juni 1932 – Dezember 1932: Verarbeitung des Datenmaterials: • « Während der Hauptuntersuchungszeit kam die Arbeitsgruppe ein- bis zweimal wöchentlich zusammen; da wurden Erfahrungen ausgetauscht, die einzelnen Beobachtungen diskutiert und die Dispositionen für die nächsten Tage getroffen. » • Juni 1933 : Publikation der Studie Lotte Schenk-Danziger (1905-1992) hat den Großteil der Feldforschung in Marienthal geleistet. Marie Jahoda (1907-2001) hat die Studie redigiert.