- evangelische kirche im hr

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Verkündigungssendungen der
Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau
hr1: Sonntagsgedanken
03.08.2014
hr1, sonntags von 7.45 bis 7.55 Uhr
Pfarrer Johannes Meier
Kassel
Breakdown (Jack Johnson)
Autor
Scheint mir ja echt ein entspannter Typ zu sein, dieser Jack Johnson. Wie er da so lässig sitzt
und seine Ukulele zupft. Alte Jeans, T-Shirt, Drei-Tage-Bart. Im Musikvideo zu seinem Song
„Breakdown“ inszeniert sich der Singer-Songwriter nicht angestrengt als Hochglanzstar im
gleißenden Rampenlicht. Stattdessen sehen wir ihn als Surfer durch die Wellen reiten und
anschließend mit ein paar Kumpels am Strand chillen. Dort hockt er dann wieder mit seiner
Klampfe im Sand und singt für sich und alle, die es hören wollen eine relaxte Melodie in den
Abendsonnenschein.
(0:35)
Musik
I hope this old train breaks down
Then I could take a walk around
And, see what there is to see
And time is just a melody
All the people in the street
Walk as fast as their feet can take them
I just roll through town
And though my windows got a view
The frame I’m looking through
Seems to have no concern for now
Autor
Jack Johnson wurde auf Hawaii geboren und stand schon als Fünfjähriger auf dem Surfbrett. Mit
17 war er Profi-Wellenreiter, später drehte er Filme übers Surfen und fing an, diese mit eigenen
Songs zu unterlegen. Songs wie diesem. Er sei ihm auf einer langen Zugfahrt zugeflogen, erzählt
Johnson. Zwischen Paris und Hossegor, einem berühmten Surferparadies an der Französischen
Biskaya. Immerhin eine Bahnstrecke von gut 700 Kilometern, genug Zeit also für ein eingängiges
Gitarrenriff und ein paar sehnsüchtige Textzeilen.
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Sprecher
Ich wünschte, dieser alte Zug würde mal ’ne Panne haben und liegenbleiben.
Dann könnte ich herumspazieren und mich in aller Ruhe umsehen.
Zeit ist doch nur eine Melodie.
All die Menschen dort auf Straße laufen bloß so schnell ihre Füße sie tragen können,
ich aber rolle nur so durch die Stadt.
Und obwohl ich durchs Fenster schauen kann, scheint dieser Ausschnitt, den ich da sehe, erst
einmal gar keine Bedeutung zu haben.
(0:30)
Musik
So for now
I need this Old train to breakdown
Oh please just Let me please breakdown
Sprecher
Ich brauch jetzt einfach, dass dieser alte Zug ne Panne hat,
oh bitte lass mich hier einfach mal ne Panne haben.
(0:08)
Autor
Was ist das denn für ein Wunsch? Eine Zugpanne? Die braucht doch nun wirklich keiner. „Sehr
geehrte Fahrgäste, aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablauf verspätet sich unsere
Weiterfahrt um ca. 60 Minuten. Wir bitten um ihr Verständnis. Sänk ju for trävelling.“ – Über so
eine Durchsage hab ich mich jedenfalls noch nie gefreut. Will denn Jack der Surferboy nicht
lieber so schnell wie möglich an seinen Strand? Wieso jetzt hier mitten auf der Strecke
aussteigen und mit wildfremden Menschen in einer wildfremden Gegend herumspazieren?
Musik
This engine screams out loud
Centipede gonna crawl westbound
So I don’t even make a sound
Cause it’s gonna sting me when I leave this town
All the people in the street
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That I’ll never get to meet
If these tracks don’t bend somehow
And I got no time
That I got to get to
Where I don’t need to be
Sprecher
Die Maschine schreit laut auf
Und der Tausendfüßler kriecht weiter gen Westen
Ich gebe keinen Mux von mir
Denn es wird mir einen Stich versetzten, wenn ich diese Stadt verlassen muss
All diese Menschen dort auf der Straße
Die ich niemals treffen werde
Wenn diese Schienen nicht doch noch irgendwie umgebogen werden
Und ich habe keine Zeit übrig.
Die nehme ich mir stattdessen, um irgendwo hin zu gelangen,
wo ich eigentlich gar nicht sein muss.
Ich brauch jetzt einfach, dass dieser alte Zug ne Panne hat,
oh bitte lass mich hier einfach mal ne Panne haben.
Musik
I need this Old train to breakdown
Oh please just Let me please breakdown
I need this Old train to breakdown
Oh please just Let me please breakdown
Autor
Da sitzt also ein junger Mann in einem alten Zug und schaut neugierig in die unbekannte Welt,
die da draußen vorm Abteilfenster an ihm vorbeizieht. Jack Johnson singt von einem kriechenden
Tausendfüßler mit schreienden Maschinen. Das erinnert mich an meine eigene lange Zugreise im
letzten Jahr: Da war ich unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn, auch so ein stählerner
Tausendfüßler auf Schienen. Von Moskau aus kroch er vorbei an Jekaterinburg und Novosibirsk
bis nach Irkutsk am Baikalsee. Vier Tage und vier Nächte saßen wir nonstop im Zug. Mürrisches
Personal, überhitzter Waggon, beengtes Vierbettabteil – aber ein wunderbarer Blick in die Weiten
der Taiga draußen vor dem Fenster. An manch größerem Bahnhof dann ein kurzer
Zwischenstopp. Für ein paar Minuten raus an die frische Luft, tief durchatmen, die Beine
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vertreten, noch rasch ein paar Dehnübungen an der Bahnsteigkante unter den strengen Blicken
des Schaffners, der jetzt schon wieder zum Einsteigen ermahnt. Der Fahrplan darf nicht aus dem
Takt geraten, es muss weiter gehen, immer weiter auf den nicht enden wollenden Schienen. Wie
gern wäre ich manchmal etwas länger geblieben. Ein Erkundungsspaziergang durch den fremden
Ort jenseits der Bahnhofshalle. Vielleicht gibt’s hier irgendwo ein gemütliches Café oder
wenigstens eine Kneipe. Mal mit ein paar echten Russen einen Wodka heben, ein paar Brocken
aus dem Reisewörterbuch ausprobieren, etwas vom Lebensgefühl der Leute aufschnappen,
womöglich neue Bekanntschaften machen. Einen neuen Kumpel in Novosibirsk kennenlernen –
das hätte doch was. Aber mir bleibt keine Zeit fürs Dableiben, sondern nur fürs Weiterfahren.
Mein Zug hat keine Panne. Schade eigentlich. So eine Zwangspause, die täte mir jetzt mal richtig
gut.
Musik
I wanna break on down
But I cant stop now
Let me break on down
Autor
Also ich find’s irgendwie sympathisch, dass sich sogar ein berufsentspannter Surferboy wie Jack
Johnson anscheinend ab und zu einen außerplanmäßigen Halt seines unaufhaltsam
vorwärtsrumpelnden Lebenszuges wünscht, eine Zwangspause vom immer Weitermachen- und
Weiterkommenmüssen. Diese Sehnsucht verbindet den wohl doch nicht so stressfreien Sänger
aus Hawaii dann zum Beispiel auch mit dem nordhessischen Radiopfarrer genauso wie mit dem
Krankenpfleger, dem Manager oder der Hausfrau. Mal an- und innehalten dürfen, das ist ja kaum
noch vorgesehen in unserer Alltagswelt. Und wenn, dann möglichst weit im Voraus eingeplant
und eben wieder ordentlich eingetaktet in den allgemeinen Jahresfahrplan, zu dem, wenns gut
geht, ja durchaus mal ein paar überschaubare Urlaubspäuschen dazugehören dürfen. Aber
immer ist klar: Danach geht’s wieder weiter, muss ja...
Musik
But you cant stop nothing
If you got no control
Of the thoughts in your mind
That you kept in, you know
You don’t know nothing
But you don’t need to know
The wisdoms in the trees
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Not the glass windows
You cant stop wishing
If you don’t let go
But things that you find
And you lose, and you know
You keep on rolling
Put the moment on hold
The frames too bright
So put the blinds down low
Sprecher
Du kannst nichts anhalten.
Du hast ja auch die Gedanken in Deinem Kopf nicht unter Kontrolle,
die Du immer für Dich behalten hast.
Du weißt Garnichts.
Die Weisheit liegt draußen bei den Bäumen,
nicht im Fenster, durch das Du sie siehst.
Die Sehnsucht wird niemals aufhören,
wenn Du nicht einfach mal loslassen kannst.
All die Dinge, die Du findest und die Du verlierst,
während Du immer weiter rollst.
Halt den Moment fest.
Also zieh die Rollos herunter, wenn es zu hell durchs Fenster scheint
Musik
I need this Old train to breakdown
Oh please just Let me please breakdown
I need this Old train to breakdown
Oh please just Let me please breakdown
Autor
Den Moment festhalten können. Eine uralte Sehnsucht.
Den eigenen Lebenszug mal an- und aufhalten. Da bleiben dürfen, wo alles ok ist. Mal nicht
immer weiter müssen. Das erinnert mich an einen biblische Geschichte: Jesus ist mit ein paar
seiner engsten Vertrauten auf einen Berg gestiegen. Die Sonne scheint hell dort oben, die Luft
und der Himmel sind klar und all die Beschwernisse und der Stress der letzten Tage und Wochen
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scheinen auf einmal ganz fern, hinter ihnen, zurückgelassen unten in der Ebene, weit weg, fast
vergessen. „Hier oben lässt es sich aushalten!“ seufzt einer erleichtert. „Lasst uns doch einfach
ein paar Hütten bauen und hier bleiben.“ – Doch Jesus überhört diesen frommen Wunsch. Er
weiß: Eine Auszeit tut allen gut – aber daraus kann und darf keine Weltflucht werden. Irgendwann
nimmt er deshalb seine Freunde bei der Hand und macht sich mit Ihnen wieder auf den Rückweg,
zurück in die Ebene des Alltags, zu all den anderen, die auf sie gewartet haben. Dort nämlich
gehören sie hin. Dort geht das wahre Leben weiter mit all seinen schönen und auch schweren
Erlebnissen, Begegnungen und Aufgaben. Sich diesem Leben zu stellen, dazu will Jesus
ermutigen, damals wie heute. – Auch Jack Johnson weiß, dass er den Fahrplan seines eigenen
Lebenszuges letztlich nicht selbst bestimmen kann. Der alte Tausendfüßler wird weiterkriechen –
und Jack muss eben mit. Für mich hört es sich ganz so an, als könne der Sänger und Surfer
damit auch eigentlich recht gut leben. Jedenfalls solange er seine Ukulele dabei hat und ihn die
Schienen ab und zu zum Strand führen.
Musik
I wanna break on down
But I cant stop now
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