„Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs?

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„Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs?
hgb ÄD 4.2007
05.09.2007
9:59 Uhr
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Dr. A. Rietz
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Fruchtsäurepeelings –
eine sanfte und wirksame Methode zur
„Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs?
Fruchtsäurepeelings, auch Chemical
Peeling genannt, werden bei der
Behandlung von Hautveränderungen
eingesetzt.
Kein Organ des menschlichen Körpers
zeigt auf so unbarmherzige Weise die
Spuren des Alterns wie die Haut.
Neben einer persönlichen Anlage zum
Hautaltern (intrinsic aging) sind in
unseren Breitengraden und bei unserer
Rasse die Lichtschäden die Hauptursache der Altersveränderung (Photoaging). Die Lichtgeschädigte Haut wird
rauh, fleckig, die Elastizität geht verloren, Falten treten auf und prägen sich
immer mehr aus. Im Feinbild verdünnt
sich die Oberhaut, es treten atypische
Zellen auf, das Pigment verteilt sich
irregulär, in der Lederhaut verändert
sich das Bindewebe.
Fruchtsäurepeelings bewirken die
Schälung von Teilen der Epidermis und
gegebenenfalls Dermis mit dem Ziel,
regenerative Prozesse in der Haut
(„Hauterneuerung“) zu induzieren.
Fruchtsäurepeelings werden nicht nur
im Rahmen der Anti-Aging-Sprechstunde eingesetzt, sondern werden
heute bei einer Reihe von dermatologischen Hauterkrankungen empfohlen.
Bei folgenden Hautveränderungen
wird ein Chemical Peeling empfohlen:
– Akne
– Grobporige Haut
– Hautalterung
– Fältchen
– Pigmentflecken
– Aktinische Keratosen
Zukunftsversion oder doch schon bald
Realität?
Die Vorstufe zum hellen Hautkrebs
„aktinische Keratose“ muss gar nicht
erst entstehen, wenn wir in unserer
Hautsprechstunde den Patienten ein
Verfahren anbieten, das Hautschäden
behandelt. Eine solche Methode
wie das Fruchtsäurepeeling steht uns
als gute, wissenschaftlich fundierte
Methode zur Verfügung.
Welche Methoden stehen noch zur
Verfügung, zum Beispiel als Vorbeugung vor der Sonne:
– Sonnenschutzmittel
– UV-dichte Kleidung, Kopfbedeckung
– Aufenthalt in geschlossenen Räumen
von 11 bis 15 Uhr
Der Begriff „Photoaltern“ wurde erst
in neuerer Zeit geprägt und bezeichnet
die Verstärkung der intrinsischen Hautalterung durch chronische Sonnenlichtexposition („Umweltalterung“).
Mehr als 80 Prozent der äußerlich
sichtbaren und histologisch nachweisbaren Veränderungen der Haut, die
wir als Alterserscheinung deklarieren,
werden durch UV-Licht verursacht.
Durch UV-Einstrahlung werden
reaktive Sauerstoffverbindungen in der
menschlichen Haut generiert. Als Folge
enstehen DNA-Strangbrüche.
Zusammen mit der Bildung toxischer
so genannter Photoprodukte kommt
es zur vorzeitigen Hautalterung und
damit zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko.
Chemical Peelings lassen sich nach
der Eindringtiefe der Agenzien in
oberflächliche, mitteltiefe und tiefe
Peelings unterteilen. Die Wahl des
Peelingverfahrens muss sich nach den
Stadien der Lichtschädigung der Haut
richten. So erfordert zum Beispiel eine
leichte Lichtschädigung eine oberflächliche bis mittlere Behandlungstiefe.
Die am häufigsten verwendeten Substanzen für oberflächliche Peelings
sind Alpha-Hydroxysäuren. Diese so
genannten AHA-Säuren sind natürlich
vorkommende Fruchtsäuren.
Andere Säuren:
– Glykolsäure
– Weinsäuren
– Zitronensäure
– Apfelsäure und andere
Die AHA-Säuren können nach mehrfacher Anwendung sowohl epidermale
als auch dermale Effekte erzielen.
In histologischen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Restrukturie-
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rung der Epidermis mit Rehydratisierung und Reduktion des adhäsiven
Materials zwischen den Hornzellen
stattfindet. Durch diesen Effekt wird
die Orginalstruktur des Stratum corneum hergestellt.
Tabelle 1
Eindringtiefen verschiedener Substanzen beim Chemical Peeling (mod. Nach Rubin)
Eindringtiefe
Beispiele
Sehr oberflächlich
Stratum corneum
Glykosäure, TCA 10%
Gesamte Epidermis
Glykolsäure (50–70%)
Epidermis und Teile der
TCA 35% und 50%
Jessner-Lösung,
Resorcin (20–30%)
Oberflächlich
In höheren Konzentrationen lässt
sich eine gesteigerte Synthese von
Glykosaminglykanen in der Epidermis
als auch in der Dermis nachweisen.
Weiterhin kommt es in der Dermis zu
einer Synthese und Neuausrichtung
von Kollagenen.
Jessner-Lösung
Resorcin (40-50%)
TCA (10-35%)
Mitteltief
Papillären Dermis
Glykolsäure 70%
Mit anschließender
Applikation von TCA 35%
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Jessner-Lösung mit an-
In der Literatur beschriebene Indikation für chemisches Peeling:
Aktinische Keratose und Präkanzerosen, Clark 1991, Lawrence 1995,
Nelson 1995
schließender Applikation#
Die Tiefe des chemischen Peelings
hängt ab von der Peeling-Substanz, der
Vorbehandlung, der Konzentration und
Einwirkzeit.
Im Vordergrund steht die Beurteilung
des Arztes, um das geeignete Verfahren
zu wählen:
der Hauttyp des Patienten.
Das Chemical Peeling ist ein gut untersuchtes und unter ärztlicher Aufsicht
durchgeführtes minimal dermatokosmetisches Verfahren, das schon in
unsere dermatologische Sprechstunde
Einzug gehalten hat.
Das Chemical Peeling wäre auch aus
diesem Grund hervorragend als
Prophylaxe für Lichtschwielen einzusetzen, ähnlich wie beim Zahnarzt die
Prophylaxe zur Bekämpfung von Zahnstein.
– Steigerung des Feuchthaltvermögens
der Hornschicht
– Antiinflammatorische Wirkung
– Beschleunigung der Epithelisierung
von oberflächlichen Wunden
– Erhöhung der Enzymaktivität in der
Haut
– Schutzwirkung gegen Sonnenbrand
– Erhöhung des Lichtschutzfaktors
– Reduktion der Anzahl UV-geschädigter Zellen sowie
– Insgesamt eine Verminderung der
vorzeitigen Hautalterung
Da das Chemical Peeling zur Behandlung von diskreten aktinischen Keratosen schon jahrelang zum Einsatz
kommt, wäre es möglich, dieses Verfahren in unserer Hautkrebsvorsorgesprechstunde zu etablieren.
Es bedarf hier aber dringend weiterer
intensiver Untersuchungen und
klinischer Studien, inwieweit dieses
Verfahren als „Prophylaxe“ eingesetzt
werden kann.
Als lipophile Substanz kann Vitamin E
grundsätzlich gut in die Haut penetrieren.
Vitamin C (Ascorbinsäure) zählt zu
den wichtigsten Redoxsystemen des
Organismus. Das hydrophile Vitamin
oder seine stabilisierte Form Ascorbylpalmitat werden heute in zahlreichen
dermatokosmetischen Präparaten eingesetzt. Neben ihren antioxidativen
Eigenschaften wirkt Ascorbinsäure
auch auf die Differenzierung der Haut.
So ist die Substanz an der Hydroxylierung von Prolin im Bereich der
Proteinstränge des Kollagenmoleküls
beteiligt.
Die Glogau-Klassifikation zur Beurteilung des aktinischen Schadens
– Der Hauttyp nach Fitzpatrick
(Beurteilung der Pigmentierung)
– Überblick über die Talgdrüsenaktivität
– Art des Faltentyps
– Gesamtübersicht des Hautbefunds
(zum Beispiel Nävi, Pigmentstörungen und/oder Teleangiektasien)
Faktoren, die die Eindringtiefe beim
Chemical Peeling beeinflussen
– Substanz
– Konzentration
– Einwirkzeit
– PH-Wert
– Vehikel
– Pufferung
– Technik
– Hautzustand
– Hautlokalistion
– Vorbehandlung
– Anwendungswiederholung
– Abstände
(Tabelle 1)
Relevant für die Eindringtiefe sind zudem der individuelle Hautzustand und
Dermatologie
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TCA 35%
Brenztraubensäure
Tief
bis hin zur retikulären Dermis
Zusätzlich zum Fruchtsäurepeeling
können noch dermatokosmetische
Produkte zur Nachbehandlung und
Weiterbehandlung eingesetzt werden.
Hauptsächlich kommen hier die Antioxidantien Vitamin E und C zur Anwendung. Als kosmetische Wirkungen
von Vitamin E werden unter anderem
beschrieben:
– Verbesserung des Hautreliefs
Baker-Gordon-Lösung
Ein weiterer interessanter Wirkstoff ist
die Vitamin-A-Säure.Vitamin-A-Säure
schützt vor frühzeitiger Hautalterung.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell-
Ä STHETISCHE D ERMATOLOGIE 4 | 2007
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schaften hat untersucht, dass UV-Licht
das Bindegewebe schädigt und so eine
vorzeitige Hautalterung verursacht.
Die Sonnenstrahlung hemmt die
Bildung von Kollagenen und verstärkt
gleichzeitig den Abbau von Kollagenfasern und elastischen Fasern im
Bindegewebe. Wird die Haut mit Vitamin-A-Säure vorbehandelt, schützt
dies vor beiden schädlichen Prozessen.
UV-Licht, UVB- und UVA-Strahlung
schädigen die Haut und verursachen
eine frühzeitige Hautalterung. Die Haut
wird trockener, rauher, faltiger, und
32 mit dunkleren Pigmenten gesprenkelt.
„Bereits ein einziges Sonnenbad verursacht einen erheblichen Verlust von
Pro-Kollagenen I und III während der
folgenden 24 Stunden“, so Professor
John J. Voorhees von der University
of Michigan in Ann Arbor, USA, anlässlich des 10. Kongresses der Europäischen Akademie für Dermatologie
und Venerologie in München.
In zahlreichen Studien analysierten
Voorhees und seine Mitarbeiter, wie
das Sonnenlicht sein vernichtendes
Werk vollbringt. Bei einer Studie an
45 hellhäutigen Menschen wollten
die Forscher herausfinden, welche
Wirkung die UV-Strahlung auf die
Kollagen-Produktion und die Kollagenfasern hat, und ob Vitamin-A-Säure
die zerstörerische Wirkung der Strahlung verhindern kann.
Hautregionen der Probanden wurden
mit UVB-Licht bestrahlt. Von jedem
Teilnehmer wurden danach bestrahlte
und nicht bestrahlte Hautproben entnommen. Acht beziehungsweise 48
Stunden vor der Bestrahlung brachten
die Forscher bei einem Teil der Probanden auf die Haut Vitamin-A-Säure
auf, so genannte all-trans-Retinsäure.
Anschließend maßen sie den ProKollagen-Gehalt in den Hautproben
und isolierten den genetischen Botenstoff (m-RNA), der die „Bauanleitung“
für diese Eiweißstoffe zu den „Eiweißfabriken“ (Ribosomen) der Zellen
transportiert.
In unbestrahlter Haut konnten die
Forscher Botenstoffe für die Pro-Kollagene I und III nachweisen. Innerhalb
acht Stunden nach einer einzigen
Bestrahlung war deren Produktion in
der oberen Hautschicht erheblich eingeschränkt, nach 24 Stunden konnten
die Wissenschaftler überhaupt kein
m-RNA mehr nachweisen. In den darauf folgenden 24 Stunden erreichten
die gemessenen Werte wieder das Ausgangsniveau.
Weiterhin zeigten sie, ab welcher
Strahlendosis die Synthese der ProKollagene beeinträchtigt wird. Sie
zeigten, dass die Produktion dieser
Eiweißstoffe bereits erheblich verringert war, noch bevor eine Hautrötung eintrat. Die Hälfte der Dosis,
die zu einer leichten Hautrötung
führt, beeinträchtigte bereits die
Synthese.
Ein neuer Mosaikstein: Das c-JunProtein In den bestrahlten Hautproben
entdeckte das Team von Voorhees erhöhte Mengen eines bestimmten Proteins, des so genannten c-Jun-Proteins.
An Kulturen menschlicher Bindegewebszellen prüften die Forscher die
Bildung von Pro-Kollagenen und
c-Jun-Proteinen unter UV-Bestrahlung.
Ergebnis: die c-Jun-Proteine verfünffachten sich innerhalb von vier Stunden,
blieben über acht Stunden erhöht
und sanken nach 16 Stunden auf das
Ausgangsniveau zurück. „Die Daten
sprechen dafür, dass UV-induzierte
c-Jun-Proteine dazu beitragen, die Bildung von Pro-Kollagen I zu hemmen“,
erklärt Voorhees.
proben konnte diese Produktionshemmung indes nicht festgestellt werden.
Vitamin-A-Säure hemmt die Bildung
von Metalloproteinasen
Das Typ-I Kollagen in der Haut ist
einem ständigen Wandel unterworfen.
Ständig wird Kollagen auf- und abgebaut. Dabei spielen bestimmte
Enzyme, so genannte Matrix-Metalloproteinasen eine Rolle: Sie bauen das
Kollagen im Bindegewebe ab. Ultraviolette Strahlung fördert deren
Produktion. Voorhees konnte zeigen,
dass eine Vorbehandlung mit VitaminA-Säure auch die UV-bedingte Überproduktion dieser Metalloproteinasen
hemmt. „Dadurch verhindert der
Wirkstoff den Kollagenabbau“.
Die weiteren wissenschaftlichen und
klinischen Studien werden zeigen, inwieweit diese Methoden und die schon
etablierten dermatokosmetischen
Verfahren zur Bekämpfung des hellen
Hautkrebs beziehungsweise dessen
Vorstufen komplementär eingesetzt
werden können.
Literatur
Eine Studie der US-amerikanischen
Forschergruppe zeigte, dass die Vorbehandlung der Haut mit 0,1prozentiger
Vitamin-A-Säure die UV-bedingte
Synthese von c-Jun-Proteinen verhindert. Folglich müsste der Wirkstoff
zugleich vor der Hemmung der ProKollagensynthese schützen. Die Forscher
behandelten die Haut 24 Stunden vor
der Bestrahlung mit Vitamin-A-Säure.
Die Hautproben wurden 24 Stunden
nach der Bestrahlung entnommen
und analysiert. Die Ausgangsthese bestätigte sich: die Produktion sowohl
des Botenstoffes m-RNA als auch jene
des Pro-Kollagens selbst war in nur
bestrahlten Hautproben signifikant
verringert. In vorbehandelten Haut-
1.
Kim SJ, Park JH, Kim DH, Won YH, Maibach HI,
1998 Increase in vivo collagen synthesis and
in vitro cell proliferative effect of glycol acid.
Dermatol Surg 24: 1054–158
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Dinner MI, Artz JS (1998) The art of the trichloacetic chemical peel. Clin Plast Surg 25: 53–62
3.
Kligman D, Kligman AM (1998) Salicylic acid peels
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Nguyen I, Chandar P (1996) Effect of lactic acid
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stratum corneum lipid levels and stratum corneum barrier function. Arch Dermatol Res. 288:
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